1142

# S T #

8368

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Änderung des Bundesbeschlusses über zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft (Vom 1. Dezember 1961)

Herr Präsident !

Sehr geehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen auf Grund der in der Septembersession 1961 von den eidgenössischen Eäten angenommenen Motionen einen Entwurf zur Aufhebung von Artikel 4, Absatz 4 und 5 des Bundesbeschlusses vom 19. Juni 1959/30. Juni 1960 über zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft (Milchwirtschaftsbeschluss), zu unterbreiten. Ferner legen wir Ihnen einen Entwurf für einen neuen Artikel 6 dieses Beschlusses vor, wodurch die Kostenbeträge an die Bindviehhalter im Berggebiet erhöht und auf die Zone I ausgedehnt werden sollen.

I. Die Aufhebung von Artikel 4, Absatz 4 und 5 des Milchwirtschaftsbeschlusses 1. Die Motionen zur Aufhebung von Artikel 4, Absatz 4 In der Septembersession 1961 der eidgenössischen Eäte wurde dem Bundesrat im Nationalrat und im Ständerat eine gleichlautende Motion folgenden Inhalts überwiesen : «Auch nach der Änderung der Ausfürmuigsbestimmungen zu Artikel 4, Absatz 4 des Milchbeschlusses vom 19. Juni 1959 sind die administrativen Schwierigkeiten, die den Kantonen bei der komplizierten Durchführung erwachsen, derart, dass sie mancherorts kaum gemeistert werden können. Insbesondere ruft die Verquickung von

1143 Ackerbaurichtflächen mit milchwirtschaftlichen Sanktionsmassnahmen einer berechtigten Kritik. Es entstehen Härten und Ungerechtigkeiten, wobei der administrative Aufwand in keinem Verhältnis, zum Ertrag steht. In einer Zeit, wo die Arbeitskräfte in der Landwirtschaft weitgehend fehlen, wird so leider die Verärgerung und der Missmut bei unseren Bauern gefördert. In Würdigung dieser Tatsachen wird der Bundesrat beauftragt, den eidgenössischen Bäten auf die Dezembersession 1961 eine Vorlage zu einem dringlichen Bundesbeschluss zu unterbreiten, der für das am 1.November 1961 beginnende Milchjahr Artikel 4, Absatz 4 des Milchbeschlusses vom 19. Juni 1959 generell aufhebt.»

2. Die Annahme, von Artikel 4, Absatz 4 des Milchmrtschaftsbeschlusses ' in den eidgenössischen Bäten ' Der Bundesratunterbreitete im Februar 1959,den eidgenössischen Eäten eine Botschaft vom 6. Februar über zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft und den Entwurf eines entsprechenden Bundesbeschlusses. Im Sinne einer produktionslenkenden Massnahme war darin auch die Beteiligung der Produzenten an den rriit der Milchproduktion zusammenhängenden Verwertungsverlusten vorgesehen. Während der E at s Verhandlungen in der Junisession 1959 stellte Herr Nationalrat E.Piot den Antrag, Artikel 4 des Bundesbeschlusses durch folgenden Absatz 4 zu ergänzen: «Den Produzenten, welche ihren Viehbestand nicht entsprechend den Vorschriften des Landwirtschaftsgesetzes der betriebseigenen Futterbasis anpassen und eine zu grosse Milchmenge in den Verkehr bringen, wird der Bückbehalt nicht zurückerstattet.

Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen.»

Der Sinn dieses Antrages war, in vermehrtem Masse jene Milchproduzenten an den Verwertungsverlusten zu beteiligen, die unbekümmert um alle Verwertungsschwierigkeiten Milch produzierten und dies namentlich mit Hilfe zugekauften Futters taten. Nach Ansicht von Herrn Nationalrat Piot galt es, einmal die sogenannten Bahnhofbauefn zu erfassen. "Wir würdigten den im Antrag ohne Zweifel enthaltenen guten Gedanken, machten indessen gleichzeitig eindringlich auf die enormen Schwierigkeiten aufmerksam, welche eine derartige Bestimmung in der praktischen Durchführung ergeben müsste. Trotzdem wurde der Antrag nach eingehender Debatte in beiden Eäten schliesslich zum Beschluss erhoben; die Inkraftsetzung wurde um ein Jahr verschoben und auf .den l.No.vember 1960 festgelegt.

, .

, · Zunächst ist nun kurz darzulegen, wie versucht wurde, Artikel 4, Absatz 4 nach den Gesichtspunkten der rechtlichen Möglichkeiten, der sachlichen Eichtigkeit und der einfachen Durchführung zu verwirklichen.

, , Das zweite Alinea des angenommenen Antrages, durch das der Bundesrat ermächtigt wurde, die erforderlichen Ausfühnmgsbestimmungen zu erlassen, ist redaktionellals Absatz 5 verselbständigt worden. Absatz 5 ist daher gleichzeitig mit Absatz 4 aufzuheben, ' :.,

1144 3. Die Vorarbeiten in der Expertenkommission Zur Ausarbeitimg der Ausführungsbestimmungen ernannte das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement eine 15-gliedrige Kommission, deren Mitglieder sich aus Vertretern der beiden eidgenössischen Kammern, interessierter Organisationen und der Verwaltung zusammensetzten.

Im Vordergrund stand die Abklärung folgender Fragen : a. Nach dem Wortlaut ist der Eückbehaltsrest den Produzenten nicht auszuzahlen, die ihren Viehbestand nicht entsprechend den Vorschriften des Landwirtschaftsgesetzes der betriebseigenen Futterbasis anpassen. Fällt unter den Begriff der betriebseigenen auch die landeseigene Futterbasis ? Diese Frage wurde bejaht, weil in Artikel 19, Absatz l, Buchstabe o des Landwirtschaftsgesetzes von betriebs- und landeseigener Futtergrundlage die Eede ist.

b. Ist der verfallende Eückbehaltsrest für die gesamte während eines Jahres abgelieferte Milchmenge zu bezahlen oder nur für die «zu grosse Milchmenge»? - Nach dem Wortlaut muss sich die Sanktion auf die gesamte Verkehrsmilchmenge pro Betrieb erstrecken. Daraus ergab sich allerdings von Anfang an eine grosse Härte, denn ein Landwirt, der seine angemessene Menge nur um wenige Liter überschritt, verliert den Eückbehaltsrest ebenso für das gesamte Binlieferungsquantum wie jener Produzent, der allfällig das Doppelte der angemessenen Milchmenge einliefert.

o. Eine weitere Frage war, ob der Ackerbau in die Eegelung einzubeziehen sei.-- Wie sich während des kriegsbedingten Anbaues gezeigt hatte, besteht eine Relation zwischen offener Ackerfläche und der Grosse des Eindviehbestandes; die Futterbasis verringert sich pro ha Ackerland je nach Gebiet um 0,5-0,7 ha.

Aus diesen Überlegungen wurde denn auch der Zeitpunkt als gekommen erachtet, in Übereinstimmung mit Artikel 19 des Landwirtschaftsgesetzes den Ackerbau zur Entlastung der Milchproduktion zu fördern, wobei den unterschiedlichen Produktionsmöglichkeiten gebührend Eechnung zu tragen war. Es wurde eine Kopppelung zwischen eingelieferter Verkehrsmilchnienge und erfüllter Eichtfläche für den Ackerbau vorgesehen.

d. In der Kommission wurde einlässlich auch die Frage erwogen, ob sachlich im Hinblick auf eine administrativ möglichst einfache Durchführung des Beschlusses und auch im Sinne von Voten im Parlament der Anwendungsbereich von Absatz 4
beschränkt werden könnte : 1. gebietsmässig; 2. nach eingelieferter Verkehrsmilchmenge pro ha.

Zu 1. Im Vordergrund stand eine Befreiung des Berggebietes, da dieses verhältnismässig wenig Verkehrsmilch produziert und deshalb an den Verwertungs-

1145 Schwierigkeiten in geringerem Masse beteiligt ist. Hier herrscht die Viehaufzucht vor, und dementsprechend ist der Anfall an Verkehrsmilch, im Verhältnis zur Kuhzahl, bedeutend kleiner als ausserhalb des Berggebietes. Das an sich unbestrittene Postulat um Befreiung des Berggebietes von der Durchführung von Artikel 4, Absatz 4 des Milchwirtschaftsbeschlusses musste in der Folge aber fallen gelassen werden, weil sich eine rechtliche Begründung für dieses Vorgehen aus dem Wortlaut des Beschlusses nicht ableiten liess.

Zu 2. Was vorstehend für die Bergbetriebe gesagt ist, das gilt in bezug auf die Verkehrsmilchproduktion zum Teil allgemein für jene Produzenten, die ein relativ kleines: Milchquantum, beispielsweise bis 12.000 kg abliefern. Es betrifft dies in der Begel Kleinbauern mit vier, gelegentlich auch fünf Kühen. Zu dieser Kategorie zählen allerdings auch Betriebe, bei denen die Landwirtschaft nur einen Nebenerwerb darstellt (Wirte, Metzger, Müller etc.)', oder wo die Viehhaltung nur als Nebenbetriebszweig zählt, wie bei Gemüse- oder Bebbaubetrieben.

Die Befreiung der Kleinbetriebe erwies sich aus den gleichen für die Bergbetriebe geltenden Gründen als rechtlich nicht angängig, i Nach dem Wortlaut von Absatz 4 haben die Ausführungsvorschriften zu bestimmen, wann eine «zu grosse Milchmenge» eingeliefert wird; es musste also für jeden einzelnen Betrieb festgestellt werden, wieviel Milch er auf Grund der betriebs- und landeseigenen Futterbasis produzieren könnte ; gleicherweise wäre individuell der angemessene Viehbestand zu bestimmen. Es hegt auf der Hand, dass bei der Vielzahl der Betriebe ein solches Vorgehen praktisch ausgeschlossen ist. Deshalb wurde, um ein einigermassen zutreffendes Bild für den einzelnen Betrieb zu erhalten, der Vergleich mit dem Genossenschaftsmittel herangezogen.

Dieses gibt in grossen Linien Aufschluss, wie die milchwirtschaftlichen Produktionsmöglichkeiten, für die einzelnen Gebiete zu beurteilen sind. Mit einem Zuschlag zu diesem Mittel wird auch den besonderen Verhältnissen der einzelnen Betriebe weitgehend Eechnung getragen. Auf Grund von Testuntersuchungen in 50 über das ganze Land verteilten Genossenschaften ergaben sich diesbezüglich wertvolle Unterlagen, die denn auch für die Ausführungsvorschriften richtunggebend sein1 konnten. Die Beispiele zeigten,
dass ein genügend grosser Zuschlag zum Genossenschaftsmittel gewählt werden musste, um nicht Gefahr zu laufen, vorab tüchtige Bauern zu bestrafen. Erfahrungsgemäss sind einzelne Landwirte dank ihrer beruflichen Kenntnisse und besonders günstiger betriebswirtschaftlicher Voraussetzungen in der Lage, stark überdurchschnittlich viel Milch einzuliefern, selbst ohne wesentlichen Kraftfutterzukauf. Besonders heikel erwies sich denn auch der Entscheid, ob allfälligen Überlieferern die Möglichkeit zu geben sei nachzuweisen, dass sie die «zu grosse Milchmenge» mit betriebs- und landeseigenem Futter produziert haben, also, ob ein «Nachweisverfahren» einzuführen sei oder nicht. In Anbetracht der dadurch notwendig werdenden Kontrollen bis zum einzelnen Betrieb konnte diese Frage in der Expertenkommission nicht abschliessend .geklärt werden, d.h. es liess sich keine befriedigende Lösung finden.

1146 4. Der Bundesratsbeschluss vom 17. Mai 1960 Auf Grund der Beratungen der Expertenkommission arbeitete das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepa.rtenient einen Entwurf zu einem Bundesrats,beschluss aus, der im Februar 1960 den Kantonen, den interessierten Organisationen und auch dem Bundesgericht zur Vernehmlassung unterbreitet wurde.

Der Entwurf für einen Bundesratsbeschluss enthielt 2 Vorschläge, nämlich eine Variante mit und eine solche ohne Nachweisverfahren, um in diesem besonders heiklen Punkt die Stellungnahme zu erleichtern. Die Vernehmlassungen der begrüssten Stellen lassen sich kurz wie folgt zusammenfassen: Es lehnten fast alle Kantone das Nachweisverfahren ab, meist mit Hinweis auf die zu erwartenden grossen Kontrollarbeiten. Bezüglich der Verteilung von Eichtflächen bis zum einzelnen Betrieb waren die Stellungnahmen der Kantone weniger eindeutig; sie gingen von schroffer Ablehnung bis zur uneingeschränkten Zustimmung. Verschiedentlich wurde die vermehrte Förderung des Ackerbaus begrüsst, andere hätten einer Sondervorlage für den Ackerbau den Vorzug gegeben. Die Koppelung der Eichtflächen mit dem Milchwirtschaftsbeschluss wurde teilweise abgelehnt. Gleichermassen geteilt waren die Meinungen bei der Frage des Zuschlages zum Genossenschaftsmittel. Verschiedentlich wurde ein Zuschlag von 40 Prozent als zu hoch, aber auch als zu tief bezeichnet. Mit wenig Ausnahmen hegten die Kantonsregierungen ganz allgemein Zweifel über die produktionshemmende Wirkung der Vorlage, und einige waren auch der Ansicht, der administrative Aufwand stehe in keinem richtigen Verhältnis zu dem zu erwartenden Erfolg.

Zur Frage des Nachweisverfahrens äusserte sich das Bundesgericht wie folgt: «Das Nachweisverfahren gemäss Variante I liesse sich nur, dann rechtfertigen, wenn dieses Gewähr dafür bietet, dass im einzelnen Fall die Anpassung des Viehbestandes an die betriebseigene Futterbasis zuverlässig und ohne unverhältnismässige Komplikationen festgestellt werden kann.»

Der Zentralverband Schweizerischer Milchproduzenten, dem sich auch der Schweizerische Bauernverband anschloss, beantragte u.a., in Berggebieten sei auf die Durchführung des Verfahrens gebietsweise zu verzichten, wenn Testerhebungen ergeben, dass das Schwergewicht der Milchverwertung bei der Selbstversorgung liegt. und durchschnittlich nur kleine Milchmengen in den Verkehr gebracht werden. Ganz allgemein erging der Euf nach einer «möglichst einfachen Lösung», ohne hierfür allerdings konkrete Vorschläge zu unterbreiten.

Der Bundesrat fasste am 17.Mai 1960 Beschluss über den .Vollzug von Artikel 4, Absatz 4 des Milchwirtschaftsbeschlusses vom 19. Juni 1959. Er wird ergänzt durch die Verfügung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 24.Mai 1960.

Auf Grund der Vernehmlassungen sowie der bundesinternen Beratungen wurde zunächst die Variante mit Nachweisverfahren fallen gelassen. Sodann ist der Zuschlag zum Genossenschaftsmittel von 40 auf 30 Prozent vermindert wor-

1

1147

den. Im Sinne einer Vereinfachung der Lex Piot konnten neu Genossenschaften innerhalb des Berggebietes, in welchen im Milchjahr 1959/60 kein Produzent pro ha Nutzfläche mehr als 2500 kg Milch einlieferte, von der Durchführung befreit werden. Neu war im Bundesratsbeschluss auch ein Abschnitt über die Kostenvergütung enthalten. Den mit dem Vollzug von Artikel 4, Absatz 4 beauftragten Kantonen oblagen nun insbesondere folgende Aufgaben: 1. Erlass ergänzender Vorschriften, besonders zur Bezeichnung der zuständigen kantonalen Stellen: 2. Verteilung der Bichtflachen; 3. Ermittlung der Nutzflächen für jeden einzelnen Betrieb und die Berechnung der Gesamtfläche für jede Milchsammelstelle; 4. Ermittlung jener Genossenschaften und anderer Träger von Milchsammelstellen, bei denen in der nächsten Abrechnungsperiode (1.November 1960 bis 31. Oktober 1961) die Erhebungen gemäss Artikel 17 nicht durchzuführen sind; .

· .

.

5. Ermittlung^ der Einzellieferanten.

·'_ Die Ausführung der' Bestimmungen brachte den Kantonen zahlreiche Schwierigkeiten, insbesondere die Verteilung der 'Bichtf lachen auf die Gemeinden und Betriebe: In den für den Ackerbau günstigeren Gebieten ergaben sich in dieser Beziehung dagegen kaum Probleme. Gegen die Verteilung der Bic'htflächen wurden bei den Kantonen zahlreiche Rekurse eingereicht.'Verschiedentlich würden kantonale Rekursentscheide an den Bundesrat weitergezogen. Am zahlreichsten waren die Bekurse aus den ackerbaulichen Bandgebieten.

5. Die Einführung einer zusätzlichen Abgabe für die Überlieferer Mit Botschaft vom 17. Mai 1960 beantragten wir den eidgenössischen Bäten, das Maximum des Sicherstellungsbetrages (Bückbehalt) gemäss, Artikel 4, Absatz 2 des Milchwirtschaftsbeschlusses von 3 auf 6 Rappen zu erhöhen. Diese Änderung schien notwendig, um, den steigenden Verwertungsverlusten entsprechend, den Sicherstellungsbetrag höher ansetzen zu können, und - im Hinblick auf Artikel 4, Absatz 4 - für die Überlieferer einen, genügend grossen Rückbehalts.rest zu erreichen. Die Bäte beschlossen jedoch am,,30. Juni 1960 anstelle einer Erhöhung des Maximums die Einführung .einer zusätzlichen Abgabe für die Überlieferer. In der Volksabstimmung vorn 4. Dezember 1960 wurde diese Ergänzung von Artikel 4, Absatz 4 bestätigt. Mit dieser Ergänzung,wurde die Durchführung dieser Vorschrift noch
wesentlich erschwert. Ausserdemlst es möglich, ,dass wegen dieser zusätzlichen Abgabe die Sanktion für die Überlieferer unangemessen verschärft wird, indem einerseits der ganze Bückbehalt verfällt und sie dazu noch die Abgabe zu leisten haben., , 6. Begehren um Änderung des Bundesratsbeschlusses vom 17. Mai 1960 In einer gemeinsamen Eingabe vom 20. Februar 1961 forderten der Schweizerische Bauernverband, der Zentralverband Schweizerischer Milchproduzenten

1148 und das eigens wegen der Lex Piot gebildete Komitee Innerschweiz eine Änderung der Ausführungsbestimmungen. Namentlich wurden folgende Begehren gestellt : Einführung eines Nachweisverfahrens.

Erhöhung des Zuschlages zum Genossenschaftsmittel von 30 auf 40 Prozent.

Nichtberücksichtigung der Ackerbaurichtflächen von weniger als 30 Aren bei der Berechnung der Höchstmilchmenge.

Verschiedene Einwände erwiesen sich als prüfenswert. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement stellte daher am 22.März 1961 den Kantonen und interessierten Organisationen einen Entwurf für eine Änderung des Bundesratsbeschlusses vom 17. Mai 1960 zur Vernehmlassung zu, wobei wiederum eine Variante mit und eine solche ohne Nachweisverfahren vorgelegt wurden.

In Änderung der bisherigen Ausführungsbestimmungen wurden dem Bundesrat von den zuständigen Instanzen folgende Erleichterungen vorgeschlagen : Von einem Nachweisverfahren sei wiederum abzusehen. Betriebe mit einer Verkehrsmilcheinlieferung von 1500 kg je ha Nutzfläche und weniger sollten bei der Berechnung des Genossenschaftsmittels nicht berücksichtigt werden. So könne vermieden werden, dass das Genossenschaftsmittel durch Betriebe mit kleinen Einlieferungen ungebührlich herabgesetzt wird. Im gleichen Sinne sei neu eine Bestimmung aufzunehmen, wonach bei Anstaltsbetrieben nur jene Milch nicht als Verkehrsmilch gilt, die für den Selbstverbrauch der Arbeitskräfte des landwirtschaftlichen Betriebes und dem Verbrauch im Stall dient (vgl. jetzt Art.l, Abs. S der Verfügung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 21. Juli 1961). Ferner sei die obere Grenze der genossenschaftlichen Höchstmilchmenge von 5000 auf 6000, die untere Grenze von 2500 auf 3000 kg je ha Nutzfläche zu erhöhen, damit sich auf diese Weise die Zahl der allfälligen Überlieferer spürbar einschränken lasse. Ferner sei ein neuer Artikel 17bls vorzusehen, wonach der Verfall des Eückbehaltsrestes erlassen werden könne, wenn die Überschreitung der Höchstmilchmenge auf eine schwerwiegende persönliche Zwangslage in der Bewirtschaftung des Betriebes zurückzuführen ist. Mit dieser Härteklausel sollten Verhältnisse berücksichtigt werden, in denen es aus persönlichen Gründen offensichtlich unmöglich ist, die Betriebsrichtung zu ändern.

Die dergestalt «gemilderten» Ausführungsbestimmungen zur Lex
Piot waren von den Kantonen begrüsst, jedoch das im ihnen zur Vernehmlassung zugestellten Entwurf als Alternativ-Variante noch vorgesehene Nachweisverfahren auch in der abgeänderten Form stark mehrheitlich wiederum abgelehnt worden.

In der gemeinsamen Eingabe des Schweizerischen Bauernverbandes, des Zentralverbandes Schweizerischer Milchproduzenten und des Komitees Innerschweiz hatten hingegen diese Organisationen das Nach weisverfahren'nach wie vor als unabdingbar bezeichnet.

7. Die Änderung vom 21. Juli 1961 des Bundesratsbeschlusses vom 17. Mai 1960 Auf Grund der Stellungnahmen der Kantone und der interessierten Organisationen beschloss der Bundesrat am 21. Juli 1961 eine teilweise Änderung der

1149 Ausführungsbestimmungen zu Artikel 4, Absatz ' 4 des Milchwirtschaf tsbeschlusses.

Die Einführung eines Nachweisverfahrens musste erneut abgelehnt werden.

Ein solches Verfahren lässt sich schlechterdings korrekt : nicht durchführen, es wäre denn mit einem nicht zu verantwortenden Aufwand an Kontrollarbeit. Die erneute Ablehnung erschien um so tragbarer, als die Durchführung der Lex Piot durch andere vorgängig erwähnte Änderungen erleichtert werden konnte.

Im Sinne einer weiteren Vereinfachung sieht der neue Bundesratsbeschluss überdies vor, dass auch in Genossenschaften ausserhalb des Berggebietes von der Durchführung .der Erhebungen abgesehen werden kann, wenn im letzten Milchjahr kein Produzent mehr als 3000 kg je ha einlieferte. Nachdem zufolge der entsprechenden Bestimmung bereits weite Gebiete der Gebirgszone von der Durchführung des Beschlusses befreit werden konnten, kommen nun auch ausgesprochene Ackerbaugebiete mit traditionell bescheidener Milchproduktion in den Genuss dieser Änderung.

8. Die heutigen Auswirkungen von Artikel 4, Absatz 4 Die Darstellung des bisherigen Werdeganges zeigt, dass versucht wurde, Artikel 4, Absatz 4 rechtlich einwandfrei, sachlich richtig und einfach zu verwirklichen. Der Gedanke des seinerzeitigen Antragstellers, es seien die «Bahnhofbauern» bei der Verlustbeteiligung auf dem Milchsektor stärker heranzuziehen, war an sich richtig. Es war aber trotz aller Bemühungen nicht möglich, auf einfache Art und vor allem wirksam das gesteckte Ziel zu erreichen.

An positiven Auswirkungen sind folgende Punkte festzuhalten: Mit der Annahme des Antrages blieb möglicherweise dem Milchwirtschaftsbeschluss vom 19, Juni 1959 das Eeferendum erspart, indem in weiten Kreisen die Meinung vorherrschte, einer künftigen Überproduktion bei der Milch sei1 nun wirksam ein Riegel vorgeschoben worden.

Unstreitig ging von der Vorlage auch eine psychologische Wirkung aus, die doch viele Produzenten zu einer Überprüfung ihrer Verhältnisse veranläeste; manche sahen sich erstmals mit den Absatzschwierigkeiten im1 Gebiete der Milchwirtschaft konfrontiert. Wie die Anbauerhebung zeigte, ist doch der Ackerbau in manchen Gegenden! spürbar ausgedehnt worden, und er vermochte sogar in gewissen Randgebieten vermehrt FUSS ,zu fassen. Glücklicherweise haben der günstige Nachsommer und Herbst
hier das Einbringen der Ernte stark erleichtert.

" Dank der Lex Piot sind die verschiedenen Stellen bei Bund, Kantonen, Gemeinden, landwirtschaftlichen Verbänden und Milchgenossenschaften in den Besitz sehr wertvoller Zahlen über die milchwirtschaftlichen Produktionsverhältnisse gekommen; dieses Material wird bei künftigen Massnahmen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft gute Dienste leisten können;

1150 Die negativen oder als negativ empfundenen Seiten der Vorlage sind dagegen viel stärker ins Auge springend : Das Hauptziel, nämlich die Erfassung der sogenannten Bannhofbauern ist nicht erreichbar; die Gründe hierfür liegen zunächst beim Wortlaut von Absatz 4 und sodann in der Unmöglichkeit, jeden Betrieb individuell in seinen Produktionsmöglichkeiten zu erfassen.

Nach den heute geltenden Bestimmungen sind Überlieferer jene Produzenten, die pro ha Nutzfläche über 40 Prozent mehr Milch einliefern als dem Genossenschaftsdurchschnitt entspricht. Daraus ergeben sich Unbilligkeiten.

Wie Untersuchungen in verschiedenen Produktionsgebieten zeigen, fallen vornehmlich Klein- und Mittelbauern unter die Kategorie der Überlieferer, da sie, um existieren zu können, auf eine besonders intensive Milchproduktion pro Flächeneinheit angewiesen sind. Manche müssen sich auch wegen nicht erfüllter Richtfläche an ihrer massgeblichen Nutzfläche Abzüge gefallen lassen, weil sie aus betriebswirtschaftlichen Gründen, namentlich mangels Zugkräfte, geeigneter Maschinen und Geräte, kein Interesse an vermehrtem Ackerbau haben können.

Andere Betriebe haben den Verfall des Eückbehaltsrestes und die zusätzliche Abgabe auf sich zu nehmen infolge hervorragender Milchleistung der Tiere, ohne dass überdurchschnittlich viel fremdes Futter zugekauft wurde. Es ist auch unerfreulich, wenn die sonst angestrebte Arbeitsteilung zwischen Berg- und Unterlandbauern durch vermehrte Aufzucht im Talgebiet durchkreuzt wird.

Deshalb erblicken die auf Viehaufzucht angewiesenen Bergbauern in der Lex Piot eine weitere Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Existenz.

Als stossend wird auch empfunden, dass wegen der unterschiedlichen Genossenschaftsmittel ein Landwirt z.B. mit einer Verkehrsmilchproduktion pro ha Nutzfläche von 4500 kg bereits als Überlieferer gilt, der Nachbar aber, der einer anderen Genossenschaft angehört, bei dieser Produktion die Höchstmilchmenge noch nicht erreicht und sich demnach keinen Abzug gefallen lassen muss.

Zu erwähnen ist ebenfalls die Bestimmung, wonach der kleine und der grosse Überlieferer für die ganze Verkehrsmilchmenge «bestraft» werden.

Unbefriedigend ist sodann auch, dass der Bückbehaltsrest mit steigenden Verwertungsverlusten abnimmt. Die Sanktion von Absatz 4 wird also gerade dann am schärfsten, wenn sie
am mildesten sein sollte und umgekehrt. Dieser Nachteil lässt sich aber, auf dem Wege des Vollzuges nicht beseitigen. Nebst diesen Nachteilen, die der Lex Piot vornehmlich aus bäuerlichen Kreisen angekreidet werden, sei zum Schluss auch noch auf die administrative Seite des Problems hingewiesen.

Die Durchführung der Lex Piot bringt auch eine zusätzliche Arbeitslast mit sich, die beim heutigen Mangel an Arbeitskräften doppelt wiegt. Dies gilt vorab für die kantonalen Zentralstellen für Ackerbau, welche mit der Bereinigung und Auswertung der Anbauerhebungen beauftragt sind. Da zur Berechnung der ge-

1151 nossenschaftlichen Höchstmilchmenge je ha die .Nutzfläche jedes einzelnen landwirtschaftlichen Betriebes bekannt sein muss, waren zunächst diese Daten zu ermitteln; in unvermessenen Gebieten ergaben sich dabei besondere Schwierigkeiten. Nach Artikel 3, Absatz 2 unserer Beschlüsse vom 17.Mai 1960 und 21. Juli 1961 ist für die Hälfte der nicht erfüllten Ackerbaurichtfläche die raassgebliche Nutzfläche,eines Betriebes zu kürzen. Dies bedingt eine jährliche Ermittlung des offenen Ackerlandes, welche nur mit Hilfe einer Anbauerhebung möglich ist. Der Wille zu einem korrekten Ausfüllen der Formulare liess in manchen Gebieten sehr zu wünschen übrig. Zu den Erhebungen kommt noch die Ermittlung der Überlieferer und hernach auch der Einzug der zusätzlichen Abgabe. Ferner ist auf Ende der Abrechnungsperiode auch die Kostenabrechnung bis zu den Gemeinden und einzelnen Genossenschaften notwendig. Die von Anfang an gehegten Befürchtungen wegen der administrativen Schwierigkeiten waren also, wie es sich inzwischen zeigte, berechtigt.

AVenn Artikel 4, Absatz 4 gemäss den Motionen ab 1.November 1961,auf gehoben wird, so wirkt sich das wie folgt aus : 1. die Vollzugsarbeiten sind für die Periode 1960/61 zu Ende zu führen; , 2. es fallen damit aber alle Auswirkungen für die Periode 11961/62 weg, was eine gewichtige Erleichterung darstellt.

II. Erweiterung der Kostenbeiträge an die Rindviehhalter im Berggebiet 1. Die Verbesserung der Ewikommenslagè der Berglandwirtschaft Zur Begründung unseres Antrages für eine Erweiterung, der Kostenbeiträge an die Bindviehhalter im Berggebiet, möchten wir zunächst kurz auf die Einkommenslage der Berglandwirtschaft, hinweisen. Die prekären Verdienstverhältnisse wurden bereits in unserem Bericht vom 29. Dezember 1959 an die Bundesversammlung über die Lage der Landwirtschaft und die Landwirtschaftspolitik des Bundes dargelegt (vgl. BB1 1960, I, 213). Die nachstehende Tabelle. zeigt dies mit,aller Deutlichkeit. Für die Dreijahresperioden 1955/57-1959/61 ergibt sich auf Grund der neuesten Unterlagen folgendes Bild .der Arbeitsverdienste j,e Männerarbeitstag und ihres Verhältnisses zum Lohnanspruch: ;

,

1955/57 ' . ' . . . .

1956/58 1957/59 1958/60 1959/61 . . - . . .

1

Arbeitsverdienst je Männerarbeitstag Tallone Bergzone , .

Gesamtmittel Franken , Franken Pranken

21.75 ,23.75 26.84 27.OO1 26.501

14.00 14.80 IS.,99 16.OO1 15.501

:

:

19.95 21.55 24.15 24.351 23.701

lolinanaprüche : , Franken

22.80 , 23.90 24.90: 25.90 26.80 1

Schätzungen durch Übertragung der im Gesamtmittel geschätzten Einkommenstendenz pro 1960 und 1961 auf die Tal- und Bergzone.

1152 Die Angaben für die Perioden 1955/57-1957/59 sind definitiv; jene für die anderen Perioden aber beruhen teilweise auf Schätzungen, weil noch nicht alle Ergebnisse der Buchhaltungsbetriebe verarbeitet sind. Die Angaben für die Jahre 1958/60 und 1959/61 für die Tal- und Bergzone sind Schätzungen, indem man die im Gesamtmittel geschätzte Einkommenstendenz pro 1960 und 1961 auf die Tal- und Bergzone übertrug.

Bei den vorstehenden Angaben über die Arbeitsverdienste und die Lohnansprüche sind ferner u.a. folgende Vorbehalte zu berücksichtigen: Es ist noch abzuklären, ob für das Tal- und das Berggebiet der gleiche Lohnanspruch massgebend sein kann, oder ob der Lohnanspruch nicht nach Talund Berggebiet abzustufen ist.

Im weiteren dürfte der statistisch ausgewiesene Arbeitsverdienst der Talbetriebe etwas überhöht sein ; namentlich ist zu beachten, dass unter den Buchhaltungsbetrieben des Talgebietes die Ackerbaubetriebe mit im allgemeinen günstiger Einkommenslage zum Teil übervertreten sind. Ferner ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die überwiegende Zahl der Buchhaltungsbetriebe im Talgebiet eine Betriebsgrösse von mehr als 10 ha aufweist.

Es ist festzuhalten, dass selbst bei Berücksichtigung dieser statistischen Ungenauigkeiten der Arbeitsverdienst bei den Betrieben der Bergzone erheblich geringer ist als derjenige der Talbetriebe; ferner besteht ein sehr grosser Unterschied zwischen dem Arbeitsverdienst der Bergbetriebe zum gesamtschweizerischen Lohnanspruch.

In zeitlicher Hinsicht hat sich im Laufe der letzten Jahre der Unterschied zwischen dem Arbeitsverdienst im Berggebiet und dem gesamtschweizerischen Lohnanspruch vergrössert. Sie beträgt heute rund 11 Franken je Männerarbeitstag.

Die Ursachen dieses niedrigeren Arbeitsverdienstes der Berggebiete gegenüber den Talbetrieben liegen im wesentlichen in den ungünstigeren natürlichen Produktionsverhältnissen. Das mit steigender Höhe über Meer rauhere Klima schliesst verschiedene Betriebszweige des Pflanzenbaues von vorneherein aus ; die in der Begel hohen Niederschläge erschweren den Ackerbau und bewirken in weiten Gebieten ein Vorherrschen der viehwirtschaftlichen Produktion.

Schliesslich bilden die vielfach ungünstigen topographischen Verhältnisse (Hanglagen, kupiertes Gelände) ein schwerwiegendes Hindernis für eine erfolgreiche
Mechanisierung (vgl. auch Zweiter Bericht des Bundesrates über die Lage der schweizerischen Landwirtschaft, BB1 1960, I, 215). Dazu kommen in verschiedenen Fällen ungünstige Strukturverhältnisse.

Der Fehlbetrag des Arbeitsverdienstes im Berggebiet im Vergleich zum gesamtschweizerischen Lohnanspruch ist heute so gross, dass man ihm nicht durch generelle, d.h. für das Berg- und Talgebiet gleich grosse Preisanpassungen Rechnung tragen kann. Dies zeigte sich besonders im Zusammenhang mit der Grundpreiserhöhung ab I.November 1961. Es war daher notwendig, den ab I.November 1961 gültigen Milchgrundpreis u.a. lediglich nach Massgabe der

1153 Differenz zwischen Arbeitsverdienst und Lohnahspruch im Talgehiet festzusetzen. ' .: : Mit dem neuen1 Milchgrundpreis wird aber der grosse Fehlbetrag im Arbeitsverdienst der Bergbetriebe bei weitem nicht gedeckt. Es muss daher der schwierigen Lage der Bergbauernbetriebe durch besondere, gezielte Massnahmen Eechnung getragen werden, und zwar bereits ab I.November 1961. Im,Vordergrund steht dabei eine Ausdehnung und Erhöhung der auf Grund von Artikel 6 des Bundesbeschlusses vom 19. Juni 19.59 über zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen .auf dem Gebiete der Milchwirtschaft an landwirtschaftliche Produzenten der Zonen II und III des Berggebietes gemäss viehwir'tschaftlichem Produktionskataster auszuzahlenden Kostenbeiträge. Wir werden darauf im folgenden Abschnitt zurückkommen.

: Man kann sich in diesem Zusammenhang die Frage stellen, ob nicht dem Berggebiet mit einem im Vergleich zum Talgebiet höheren Milchgrundpreis geholfen werden könnte. Es ist jedoch : zu beachten, dass die Betriebe des Berggebietes einzeln und gesamthaft betrachtet relativ wenig Verkehrsmilch abliefern. Viel entscheidender sind für die Bergbauern die Einköpfte aus der Viehaufzucht und Kälbermast. Wohl könnte eine, höhere Verkehrsmilchproduktion der Berglandwirtschaft zusätzliche Einnahmen bringen. Die grösseren Milcheinlieferungen hätten jedoch anderseits wiederum grössere Verwertungsschwierigkeiten zur Folge, was wahrscheinlich im Talgebiet zu einer Ausdehnung der Aufzucht führen würde: Dadurch würde, die volkswirtschaftlich erwünschte Arbeitsteilung zwischen Berg- und Talzone auf dem Gebiete,der Viehwirtschaft gestört und darunter würden in erster Linie die Bergbauern leiden.

Diese Ausführungen zeigen, dass mit einer derartigen Grundpreisdifferenzierung das Einkommen der Bergbetriebe nicht oder doch nicht wesentlich verbessert werden könnte. Eine solche Differenzierung ist denn auchlvon den Vertretern der,Berglandwirtschaft abgelehnt worden.

, ' , In diesem Zusammenhäng möchten wir: jedoch festhalten,';dass wir-das Volkswirtschaftsdepartement beauftragten, den Fragenkomplex der Preisdifferenzierung bei landwirtschaftlichen Produkten umfassend und eingehend abzuklären und uns darüber Bericht zu erstatten. Dabei soll beim Milchgrundpreis neben der, erwähnten Differenzierung zwischen Berg- und Talbetrieben
auch jene nach der Betriebsgrösse und nach der-Verwendbarkeit der Milch1 geprüft werden.

, , 2. Die Erhöhung und Ausdehnung der Kostenbeiträge im besondern ' · Um das Einkommen der Berglandwirtschaft spürbar, rasch und auf einfache Weise zu'verbessern, kommt, wie bereits erwähnt, eine Verbesserung der Kostenbeiträge an die Kindviehhalter im Berggebiet in Betracht, die nach Artikel 6 des Milchwirtschaftsbeschlusses vom 19. Juni 1959 ausgerichtet werden. Dieser Artikel bestimmt, dass zur Förderung der Selbstversorgung sowie der Milchverwertung im eigenen Betrieb; und mit Bücksicht auf die erschwerten ProdukBundesblatt. 118. Jahrg. Bd. II.

, , 79

1154 tionsbedingungen den landwirtschaftlichen Produzenten der Zonen II und III des Berggebietes nach Viehwirtschaftskataster jährlich ein Kostenbeitrag für die ersten 4 Grossvieheinheiten ausbezahlt wird; dieser beträgt je Grossvieheinheit, in der Zone II 40 Franken und in der Zone III 60 Franken. Die ent^ sprechenden Aufwendungen werden nach dieser Bestimmung bis zur Höhe von 5 Millionen Franken zusätzlich zu den in Artikel 2 dieses Beschlusses erwähnten 10 Millionen Franken aus allgemeinen Bundesmitteln gedeckt. Der restliche Aufwand wird nach den übrigen Bestimmungen dieses Artikels 2 vom Bund und den Produzenten finanziert. Die Einzelheiten des Vollzuges sind in unserer Verordnung vom S.April 1960 über die Ausrichtung von Kostenbeiträgen an Bindviehhalter des Berggebietes (AS 1960, 352) geordnet.

Die Kostenbeiträge haben sich in den zwei Jahren seit dem Inkrafttreten des Milchwirtschaftsbeschlusses als eine wirksame, einfach durchzuführende und zweckmässige Massnahme zur Einkommensverbesserung im Berggebiet erwiesen. Sie kommen allen Bergbauern zugute, gleichgültig ob sie Milch abliefern oder nicht; sie stimulieren daher die Verkehrsmilchproduktion im Berggebiet nicht zusätzlich.

Die Kostenbeiträge werden nach Massgabe der Grossvieheinheiten eines Betriebes ausbezahlt ; sie knüpfen damit an die naturgegebene Grundlage der bergbäuerlichen Betriebe an und stellen für den Bergbauern eine sichere Einnahme dar.

Wenn das Einkommen der Bergbetriebe spürbar verbessert werden soll, müssen sowohl die Zahl der beitragsberechtigten Grossvieheinheiten als auch die Beiträge je Grossvieheinheit erhöht werden. Zudem sind künftig .auch Kostenbeiträge an die landwirtschaftlichen Produzenten der Zone I gemäss Viehwirtschaftskataster auszurichten. Wir beantragen Ihnen daher, die Zahl der beitragsberechtigten Grossvieheinheiten von bisher 4 auf 5 zu erhöhen und dazu noch in den Zonen II und III die bisherigen Beiträge von 40 bzw. 60 Franken je beitragsberechtigte Grossvieheinheit zu verdoppeln. Wir beantragen Ihnen ferner, neu für die Zone I einen Kostenbeitrag von 40 Franken je beitragsberechtigte Grossvieheinheit vorzusehen. Diese Zone umfasst vor allem ein im Voralpengebiet durch höhere Niederschlagsmengen und hügeliges Gelände gekennzeichnetes Gebiet, wo die Milchwirtschaft vorherrscht und der Ackerbau
unrentabler ist als ausserhalb des Berggebietes. Die Einkommensverhältnisse sind in dieser Zone im allgemeinen besser als in den Zonen II und III, jedoch ungünstiger als im Flachland.

Auf Grund dieser Anträge werden die landwirtschaftlichen Produzenten im Berggebiet mit fünf und mehr Großvieheinheiten folgende Beiträge erhalten : in der Zone III 600 Franken in der Zone II 400 Franken in der Zone I 200 Franken Auf eine mittlere Milchproduktion von 8000 kg pro Kuh und Jahr bezogen, macht ein Beitrag von 40 Franken etwa 1,8 Eappen, ein solcher von 80 Franken etwa 2,7 und jener von 120 Franken etwa 4 Eappen je kg Milch aus.

1155 Zur Finanzierung der Kostenbeiträge ist folgendes zu sagen. Auf Grund der bisherigen Eegelung wurden jährlich rund 6,8 Millionen Franken an Beiträgen ausbezahlt, .wovon, rund 3 Millionen in die Zone II und rund 3,8 Millionen Franken in die Zone III flössen. Der Aufwand für die neu vorgesehenen Kostenbeiträge je Grossvieheinheit von 120 Franken in der Zone III, 80 Franken in der Zone II und 40, Franken in der Zone I kann wie folgt veranschlagt werden : Bergzonen

III. . . . .

II 1

alle Zonen. .

Beitrag je GVB Franken

120 80 40

Anzahl Betriebe (geschätzt) 1

19600 20600 22000

Beitragsberechtigte GVB Durchschnitt Total je Betrieb GVB 3,8

4.3 4,6

,

75000 88000 101 000 -

62 200

'

Gesamtaufwand in Millionen Franken 9,,

·

7 4

20,

Bei einem Gesamtbetrag von rund 20 Millionen Franken würden dem Berggebiet somit bei den vorgeschlagenen Ansätzen neu rund 13 Millionen Franken mehr zufliessen als bisher. Da die Kostenbeiträge eine spezifische Massnahme zugunsten des einkommensrnässig zurückstehenden Berggebietes sind, rechtfertigt es sich, den Aufwand ausschliesslich aus; Mitteln des Bundes zu decken und die bisherige Beteiligung der Verkehrsmilchproduzenten am Aufwand aufzuheben. Dies hat zur Folge, dass der realisierbare Milchgrundpreis sämtlicher Verkehrsmilchproduzenten - verglichen mit der bisherigen Eegelung - etwas erhöht wird, da deren Anteil an den Verwertungsverlusten eine leichte Senkung erfährt.

Die beantragte Erhöhung und Ausdehnung1 der Kostenbeiträge an die , Bindviehhalter ist, wie erwähnt, eine der Vorkehren zur Verbesserung der, Einkommenslage1 im Berggebiet. Wir werden bestrebt sein, dem Bergbauern durch weitere gezielte Massnahmen zu helfen, so etwa durch eine grosszügige Ausschöpfung der gesetzlichen Möglichkeiten auf dem Gebiete der Tierzucht und durch eine umfassende Förderung des Exportes und des Inlandabsatzes von Zucht- und Nutzvieh. In diesem Zusammenhang möchten wir, daran erinnern, dass wir am I.August 1961 die Ausführungsvorschriften zum Bundesbeschluss vom 13.;Dezember 1957 über die Förderung des Inlandabsatzes von Zucht- und Nutzvieh sowie von Schafwolle zugunsten der Berglandwirtschaft verbessert haben und dass Ihnen der erwähnte Beschluss selbst auf Grund ^diesbezüglicher Motionen zur Eevision vorgelegt werden wird.

III. Bemerkungen zum Beschlussesentwurî Zum Entwurf eines Bundesbeschlusses können wir uns auf folgende ergänzende Bemerkungen beschränken: : , , Die Aufhebung von Artikel 4, Absatz 4 und 5 des Milchwirtschaftsbeschlusses ist heute aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Diese Aufhebung muss durch einen dringlichen Bundesbeschluss erfolgen. Wenn der Aufhebungsbeschluss

'1156

·

,

' ·

nicht dringlich erklärt werden könnte, würde für die Abrechnungsperiode vom 1.November 1961 bis 81.Oktober 1962 praktisch bis : zum Ablauf der Beferendumsfrist, allenfalls bis zum Ausgang der Volksabstimmung, Ungewissheit darüber bestellen, ob die Bestimmungen anzuwenden sind. Diese Ungewissheit kann den Yerkehrsmilchproduzenten nicht zugemutet werden.

Bei der Änderung von Artikel 6 handelt es sich um eine dringend erforderliche Massnahme zur Verbesserung der Einkommensverhältnisse in der Bergland Wirtschaft. Da bereits,der 21.April Stichtag für die Ermittlung der Bindviehbestände ist, und gewisse Vorarbeiten, namentlich wegen der Ausdehnung der Kostenbeiträge auf die Zone I, vor diesem Datum beendigt sein müssen, ist dieser Beschluss dringlich zu erklären. Dieser Besçhluss bildet dann die Bechtsgrundlage für die Kostenbeiträge bis zum 31. Oktober 1962. Für die Zeit nach diesem Datum wird die Eechtsgrundlage auf dem ordentlichen,;, d.h. nicht dringlichen Gesetzgebungswege, eventuell im Eahmen eines neuen Milchwirtschaftsbeschlusses zu schaffen sein.

Wir sahen von einer Vernehmlassung der Kantone und zuständigen Organisationen im Sinne von Artikel 32 der Bundesverfassung ab. Das Parlament erteilte bezüglich der Lex Piot dem Bundesrat einen klaren Auftrag und die Frage höherer und weiterer Kostenbeiträge- wurde den Kantonen und zuständigen Organisationen im Vernehmlassungsverfahren zum Entwurf für den Milchwirtschaftsbeschluss 1962 unterbreitet.

Alle Kantone und ein Teil der angefragten Organisationen begrüssten eine Verdoppelung der Beiträge für die Zonen II und III und befürworteten auch eine Ausdehnung auf die Zone I. Einzelne Kantone beantragten noch höhere Kostenbeiträge und dass diese für die ersten 5 Grossvieheinheiten ausgerichtet werden.

Ein Kanton schlug vor, die massgebliche Zahl der Grossvieheinheiten zu differenzieren, unter stärkerer Berücksichtigung der höher gelegenen Gebiete.

In der Beilage führen wir der Vollständigkeit halber noch die Änderungen am Voranschlag 1962 auf, die sich aus der Gutheissung der Anträge dieser Botschaft, auf Grund unserer Beschlüsse betreffend Massnahmen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft ab I.November 1961 und wegen der Erhebung von Preiszuschlägen auf eingeführter Kondensmilch ergeben.

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen beantragen wir Ihnen die Annahme des beiliegenden Entwurfes zu einem Bundesbeschluss betreffend die Änderung des Bundesbeschlusses vom 19. Juni 1959/80. Juni 1960 über zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen auf dem Gebiete der Milchwirt-

1157 schaft. Damit wird dem Postulat des Nationalrates Nr. 8213 vom 14.März 1961 (Postulat Pidoux) und den Motionen Nr. 8337 vom 20. September 1961 (Motion Ackermann) und Nr. 8840 vom 22. September 1961 (Motion Clavadetscher) Bechnung getragen, so dass sie als erledigt abgeschrieben werden können.

Wir versichern1 Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, den I.Dezember 1961.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Wahlen Der Bundeskanzler : Ch. Oser

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Änderung des Bundesbeschlusses über zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft (Vom 1. Dezember 1961)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1961

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

50

Cahier Numero Geschäftsnummer

8368

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

14.12.1961

Date Data Seite

1142-1157

Page Pagina Ref. No

10 041 535

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.