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43799

Bundesblatt 113. Jahrgang

Bern, den 26. Oktober 1961

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Band II

Èrtcheint wöchentlich. Preis 3O FrankeTM im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebuhr Einriu&ungsgebühr: 60 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an · Stämpfli
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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über Bundesbeiträge an die Bekämpfung der rheumatischen Krankheiten (Vom 10. Oktober 1961) Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren l

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Wir beehren uns, Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf eines Bundesgesetzes über Bundesbeiträge an die Bekämpfung der rheumatischen Krankheiten zu unterbreiten.

I. Einleitung Bevor wir uns mit dem Gesetzesentwurf selbst befassen, möchten wir die zum besseren Verständnis der Vorlage und der damit zusammenhängenden Fragen erforderlichen medizinischen und volkswirtschaftlichen Angaben vorausschicken.

Um ein einigermassen abgerundetes Bild zu vermitteln und einen allgemeinen Überblick zu ermöglichen, werden dabei auch Krankheitsformen, bestimmte Verhältnisse, Einrichtungen und Massnahmen berührt, die durch den vorliegenden Gesetzesentwurf zwar nicht erfasst werden, jedoch mit ihm in einem gewissen .Zusammenhang stehen.

'1. Wesen, Ursachen, Arten und Verlauf des Rheumatismus Unter dem Sammelbegriff Eheumatismus oder Bheuma sind mannigfaltige entzündliche oder degenerative Erkrankungen unspezifischen Ursprungs der inneren Organe (sog. viszeraler Rheumatismus) und insbesondere des Bewegungsapparates (sog. peripherer Eheumatismus) zu verstehen. Nicht darunter fallen rheumaähnliche Erscheinungen, die auf eine bestimmte, besondere Infektions-, Bundesblatt. 113. Jahrg. Bd. II.

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790 Gewebe- oder Stoffwechselkrankheit zurückzuführen sind. Die rheumatischen Krankheiten des Bewegungsapparates sind oft mit sprunghaft die einzelnen Gelenke und Muskeln befallenden Schmerzen verbunden. Dieser «fliessende Schmerz», das «Keissen» in den Gliedern war denn auch für die griechische Bezeichnung dieser Erscheinungen mit «Eheuma» (Fliessen, Fluss) massgebend.

Nach den wahrscheinlichen Ursachen und dem Wesen des Krankheitsprozesses sind die rheumatischen Krankheiten in zwei Hauptarten einzuteilen, in den entzündlichen und den degenerativen Eheumatismus.

Die Grundursache der entzündlichen Formen ist nur für den akuten Gelenkrheumatismus einigermassen geklärt, während beim chronischen Gelenkrheumatismus und bei der Bechterewschen Krankheit die früher angenommene Herdoder Fokalinfektion heute von den meisten Forschern abgelehnt wird. Beim akuten Gelenkrheumatismus spielen bakterielle Infektionen (Streptokokken) in der Auslösung des,Krankheitsprozesses eine wichtige Eolle, was in prophylaktischer Hinsicht von Bedeutung ist. Bei den übrigen Formen des entzündlichen Eheumatismus sind Erreger, seien es Bakterien oder Viren, nicht in entscheidendem Masse beteiligt. Der chronisch-entzündliche Gelenkrheumatismus ist ein äusserst komplexes Krankheitsbild, wo neben Veränderungen des Bindegewebes Stoffwechselstörungen und hormonale Veränderungen einhergehen. Die Ursache dieser Affektion ist wahrscheinlich nicht einheitlicher Natur; immerhin sind einzelne Faktoren bekannt, die als auslösende Momente eine gewisse Bolle spielen können. So bewirken häufig Abkühlung oder Durchnässung einzelner Körperteile (Zugluft, kalte Böden, nasse Schuhe und Kleider, feuchte Aufenthalts- und Arbeitsräume, rasch wechselnde Temperaturen bei unzweckmässiger Bekleidung usw.) und in gewissen Fällen auch eine körperliche Überanstrengung die ersten Erscheinungen einer entzündlichen Eheumaform.

Der entzündliche periphere Eheumatismus befällt in den weitaus meisten Fällen die Gelenke der Extremitäten (akuter Gelenkrheumatismus, chronischentzündlicher Gelenkrheumatismus), seltener die Wirbelsäule (Bechterewsche Krankheit) und nur vereinzelt die Weichteile (Muskelrheuma, Nerven- und Sehnenentzündung). Der akute Gelenkrheumatismus stellt sich als eine akut fieberhafte, oft schubweise fortschreitende Allgemeinerkrankung dar,
die vorwiegend bei Kindern und Jugendlichen auftritt und charakterisiert ist durch entzündliche, schmerzhafte Erscheinungen an verschiedenen Gelenken. Überdies wird hier in zwei Dritteln der Fälle auch das Herz betroffen (viszeraler Eheumatismus), und es stellt sich in der Folge eine Herzhaut- (Endocarditis) oder eine Herzmuskelentzündung (Myocarditis) ein, die später infolge Vernarbung und Schrumpfung des Gewebes zu Herzklappenfehlern oder Dauernden Herzmuskelschädigungen führen kann. Der chronisch-entzündliche Gelenkrheumatismus ist eine fortschreitende, oft Jahrzehnte dauernde Allgemeinerkrankung, die dreimal mehr Frauen als Männer befällt und besonders durch eine schubweise, sehr schmerzhafte Entzündung der Gelenke mit Tendenz zu allmählicher Versteifung gekennzeichnet ist. Die Bechterewsche Krankheit (Spondylarthritis ankylopoetica), ein chronisch fortschreitender, entzündlicher Prozess an den Gelenken

791 der Wirbelsäule, endet im. Laufe von Jahren mit der Verknöcherung dieser , Gelenke ; und der .Längsbänder der ; Wirbelsäule und schliesslich mit schmerzhafter Versteifung des Eückens, Nackens und Brustkorbes. Diese Krankheitsform wird fast nur bei Männern zwischen dem 20. und 40.Lebensjahr angetroffen., . ' . , , . . , .

, Der viszerale Rheumatismus befällt, im .Gefolge von akutem Gelenkrheumatismus oder - wenn auch weniger häufig - einer anderen Form des entzündlichen peripheren Eheumatismus nicht nur, das, Herz, sondern auch oft das Gefäßsystem und verursacht typische entzündliche Veränderungen an den Gefässwänden, die meist dauernde Kreislauf schaden zur Folge haben. .Alle anderen inneren Organe des menschlichen Körpers können ebenfalls, wenn auch wesentlich seltener, von ihm betroffen werden.

Der entzündliche Rheumatismus führt; in; der Eegel im Endstadium zu narbigen^ deformierenden und irreparablen : Veränderungen des erkrankten Gßwebes, sowohl an den Gelenken und der Wirbelsäule als,auch am Herzen und - anderen inneren Organen.

, .

, , . , Die; andere wichtige Hauptart, der degenerative Eheumatismus, stellt eine nichtentzündliche Veränderung von Bindegewebe im Sinne einer Bückbildung dar. Die dadurch bedingten Schädigungen .werden .gefolgt von reaktiven und reparativen. Prozessen und Funktionsstörungen,; namentlich an den Gelenken (Arthrose) und an der Wirbelsäule (Spondylose), oft aber auch an Weichteilen.

Die Abnützungsyorgänge werden durch disponierende Faktoren weitgehend und oft entscheidend begünstigt. Derartige, Faktoren bilden vor allem hormonale, Stoffwechsel- und örtliche Durchblutungsstörungen, einseitige Arbeitsbelastung (gewisse berufliche Funktionen von Fabrik- und Schwerarbeitern), fortgesetzt wiederholte, an sich geringfügige Verletzungen ,(sog. Mikroträumen), ungünstige, Gelenkstatik,, vererbte und früh erworbene Gelenkdeformitäten, Abheilungsvorgänge entzündlicher Affektionen in durch eine äussere, Verletzung geschädigten Gelenken, Überbelastung, iFehlstellung , und Überbeanspruchung: durch gehäufte, an und für sich geringfügige Einwirkungen. Ausgelöst ,,und verschlimmert werden die Beschwerden meist durch mechanische Einwirkungen, wie brüske Bewegungen,, langes Stehen, Heben/Verletzungen, langes, Krankenlager, ferner durch Kälte, Nässe, Durchzug und auch durch
gewöhnliche Erkältungskrankheiten. Meistens wirken viele dieser, .Ursachen Jahre-hindurch zusammen, bis, schliesslich schwerere Störungen auftreten und das Leiden, bewusst werden lassen. Es gibt keine Ursache im Sinne einer conditio sine qua non. Das Zusammenwirken einerVielzahl von Ursachen führt zur Krankheit. Die zeitlich letzte ist nicht die alleinige, sondern lediglich die auslösende Ursache,. .

, Die wichtigsten Formen des degenerativen Eheumatismus sind die Arthrosen, die Spondylosen und deren Folgen : (Diskushernie, Lumbago, Ischias) sowie einzelne Formen des Weichteilrheumatismus.

Die Arthrose, eine chronisch fortschreitende, nicht entzündliche Erkrankung eines oder mehrerer Gelenke ist charakterisiert durch Knorpeldegenerationen

792 und anschliessende reaktive Veränderungen in den betroffenen Gelenken, die zu schmerzhaften, sich steigernden Bewegungsbehinderungen, selten jedoch zu völliger Versteifung führen. Sie tritt meist erst nach dem 40. Altersjahr auf.

Die Spondylose und Spondylarthrose, eine sehr häufig vorkommende, mit dem Alter zunehmende, degenerative, nicht entzündliche Krankheit der Wirbelsäule mit Veränderungen im Bereiche der Zwischenwirbelscheiben und Wirbelkörper (Spondylosis) oder der kleinen Zwischenwirbelgelenke (Spondyjarthrosis) verursacht Schmerzen und Bewegungsstörungen, führt jedoch im Gegensatz zur Bechterewschen Krankheit nicht zu dauernder und vollständiger Versteifung. Die Fernsymptome der Spondylose und Spondylarthrose sind oft subjektiv viel schwerwiegender als die unmittelbar auf die Wirbelsäule bezogenen Erscheinungen. Als wichtigste dieser Fernsymptome sind zu nennen Nackenkopfweh, Armneuralgien, verbunden mit Schmerzen im Nacken und Schulterblatt, Lumbago («Hexenschuss») und Ischias. Ischias kann auch als Folge von Weichteilrheumatismus auftreten. Im Zusammenhang mit spondylotischen Veränderungen der Wirbelsäule steht oft auch die sog. Diskushernie, der Bandscheibenvorfall. Die zwischen den einzelnen Wirbelkörpern befindlichen Zwischenwirbelscheiben bilden mit ihrem gallertartigen, flüssigkeitsenthaltenden Kern gleichsam ein Dämpfungspolster, das bei seiner normalerweise äusserst elastischen Beschaffenheit eine reibungslos funktionierende Beweglichkeit und Belastungsfähigkeit der Wirbelsäule gewährleistet. Unterliegt nun das Gewebe ' dieser Zwischenwirbelscheiben degenerativen Veränderungen und verliert es dadurch seine Elastizität, so können die Zwischenwirbelscheibe oder Teile der zerfaserten Bandscheibe oder sogar der gesamte Kern vorfallen. Es entsteht eine Diskushernie. Der durch den Bandscheibenvorfall ausgelöste Druck auf gewisse Nerven bewirkt heftige Schmerzen.

Unter Weichteilrheumatismus sind schmerzhafte Erkrankungen teils ententzündlichen, meist jedoch degenerativen Charakters zu verstehen, die in Geweben ausserhalb der Gelenke, vor allem im Binde-, Muskel- und Nervengewebe lokalisiert sind. Zu erwähnen ist wegen seiner grossen Verbreitung vor allem der Eheumatismus der gelenknahen Gewebe, der Sehnen und der Knochenhaut. In den weitaus meisten Fällen sind Muskel- und
Nervenschmerzen bei Eheuma aber reflexartige Folgeerscheinungen und Fernsymptome bestehender degenerativer Veränderungen an Gelenken und an der Wirbelsäule.

Eheumatische Krankheiten, und zwar sowohl entzündliche als auch degenerative, zeichnen sich sehr oft durch ihren chronischen, oft über Jahre und Jahrzehnte hin sich erstreckenden, schubweise oder ständig fortschreitenden und meist überaus schmerzhaften Verlauf sowie durch ihre Neigung zu Bückfällen, einer zunehmenden Behinderung und Einschränkung der Bewegungsfähigkeit und infolgedessen zur Teil- und Totalinvalidität aus. Für den Betroffenen bedeutet das Leiden Schmerzen, langdauernde Arbeitsunfähigkeit, Verdienstlosigkeit, oft Verarmung und nicht selten schliesslich völlige Verkrüppelung.

Einzig der akute Gelenkrheumatismus verläuft stürmischer, führt aber doch meist zu dauernden und oft schweren Schädigungen, wenn auch nicht am

793 Bewegungsapparat, so doch am Herzen und Kreislaufsystem. Diese viszeralen Formen des Bheumatismus nehmen oft genug feinen tödlichen Ausgang, während dagegen die rheumatischen Krankheiten des Bewegungsapparates nur in ganz seltenen Fällen zum Tode führen.

2. Verbreitung und volksurirtschaftliclie Bedeutung des Bheumatismus im Ausland.und in der Schweiz Über die Häufigkeit der Erkrankungen an Eheunia (Morbidität), die durch Rheuma bedingte Arbeitsunfähigkeit und den durch Bheuma verursachten volkswirtschaftlichen Schaden mögen die folgenden Zahlen aus dem Ausland und der Schweiz orientieren.

In den Vereinigten Staaten von Amerika stand der Rheumatismus im Jahre 1937 mit 6,85 Millionen Fällen vor Herzaffektionen, Arteriosklerose usw. weitaus an der Spitze der chronischen Krankheiten. Im selben Jahr verursachte er der amerikanischen Wirtschaft einen Gesamtverlust von, 97,2 Millionen Arbeitstagen, was rund 15 Prozent des gesamten durch chronische Krankheiten bedingten Arbeitsausfalls entspricht.. Eine Untersuchung über die Verhältnisse im Jahre 1951 gelangte zu ähnlichen Ergebnissen.

, , ' In England ist der Rheumatismus in der Industrie für mehr Verluste an Arbeitsstunden verantwortlich als jede andere Krankheit.

, In Schweden beträgt, die Rheumamorbidität 7,9 auf 100 Einwohner. Es gibt schätzungsweise 30 000 Rheurnainvalide, die Pensionen erhalten, und der durch den Rheumatismus verursachte Arbeitszeitausfall wird auf 5 Millionen Tage pro Jahr geschätzt. 25 Prozent aller Fälle von dauernder Arbeitsunfähigkeit sind auf Rheuma zurückzuführen. Der volkswirtschaftliche Schaden infolge von Rheuma wird auf jährlich rund 150 Millionen Kronen geschätzt.

In Dänemark .betrug die Rheumamorbidität in den Jahren 1946/47 16 Prozent der Gesamtmorbidität. Von den in diesem Zeitabschnitt beobachteten 570 000 Rheumatikern waren 12 000 hospitalisiert und 3 800 dauernd invalid. Der finanzielle Verlust der dänischen Volkswirtschaft durch Rheuma beträgt insgesamt 125 Millionen Kronen i m Jahr.. - .

In Holland entfallen in den Nordprovinzen rund 14 Prozent aller Erkrankungen auf Rheuma. Durchschnittlich kommen auf einen Rheumapatienten etwa 30 Krankheitstage. 20 Prozent der Ausgaben der Krankenversicherungen entfallen auf Rheumatiker. . . . . . . . .

, In Deutschland machte nach zusammenfassenden Krankenkassenstatistiken
im Jahre 1949 der periphere Rheumatismus 7,5 Prozent aller Krankheitsfälle aus.

In Österreich wies die Krankenversicherung für das Jahr 1954 176 385 Rheumafälle (15%% aller Krankenfälle) mit einer Heilungsdauer von insgesamt 4217,791 Tagen (17 % aller Krankentage) aus. Auf die Tuberkulose entfielen im gleichen Jahr nur 7 310, Fälle (0,6% aller Krankenfälle). Die Pensionsversicherungsanstalt der. Arbeiter leistete im Jahre 1954 an 26 213 Frührentner Rentenzahlungen nur wegen Rheumaerkrankungen (24,4 % aller Frühinvaliditätsfälle). Wegen Tuberkulose waren im gleichen Jahr 7 390 Versicherte vorzeitig invalidisiert (6,7 % aller Frühinvaliditätsfälle). Der Volksvermögensverlust wegen Rheuma (errechnet aus der Summe des Aufwandes für Jahresrenten, Heilverfahren und Krankenversicherung und des .Lohnausfalles infolge Rheumaerkrankung): betrug in Österreich im Jahre 1954 rund 2 Milliarden Schilling.

, In Frankreich schliesslich sollen, allein die Behandlungskosten für Rheuma im Jahre 1949 6 3/4 Milliarden francs erreicht haben, wobei die durch Arbeitsausfall infolge

794 Krankheit und Invalidität verursachten Kosten nicht mitberücksichtigt sind. Die gesamten Ausgaben Frankreichs für rheumatische Krankheiten im Jahre 1949 werden mit rund 38 Milliarden Franken angegeben; dabei wurde eine Bheumamorbidität der französischen Bevölkerung von" etwa 10 Prozent angenommen.

Da der Rheumatismus keine anzeigepflichtige Infektionskrankheit ist, fehlt in der Schweiz eine zentrale Rheumastatistik, die genaue Angaben über die Morbidität, Mortalität und Invalidität vermitteln könnte. Die grosse Verbreitung des Rheumatismus in unserem Lände und der entsprechende volkswirtschaftliche Schaden wurden in ihrem ganzen Umfange erst durch die gründliche, 1939 erschienene Arbeit von Dr. med. et rer. pol. Max Brück «Bedeutung des Rheumatismus für Volksgesundheit und -Wirtschaft auf Grund schweizerischen statistischen Materials» erfasst und bekannt. Der Verfasser ging bei seinen Untersuchungen nach der sogenannten repräsentativen Methode vor, indem er an einzelnen Bevölkerungsgruppen, die für die Gesamtbevölkerung als typisch gelten dürfen, die Bedeutung des Rheumaproblems nach den verschiedensten Richtungen statistisch zu ergründen suchte. Vor allem stützte er sich dabei auf das Material der Schweizerischen Bundesbahnen, die über eine vorbildliche Morbiditäts-, Invaliditäts- und Mortalitätsstatistik 'verfügen, sowie der Eidgenössischen Militärversicherung, der Rekrutierungen bei der Armee, der St. Galler Krankenkassen, der Christlich-sozialen Krankenkasse und der Gewerbekrankenkasse Zürich. Das Personal der Bundesbahnen eignet sich für eine derartige statistische Erhebung besonders gut, da es sich aus allen möglichen Berufsgruppen zusammensetzt und sich über Stadt und Land und auf fast alle Landesgegenden einigermassen gleichmassig im Verhältnis zur übrigen Bevölkerung verteilt. Brück gelangt nach eingehenden Untersuchungen zu folgenden Ergebnissen, die sich ausschliessHoh auf den peripheren Rheumatismus beziehen : Beim Personal der Schweizerischen Bundesbahnen kamen in der Zeit von 1926 bis 1935 auf rund 33 000 Beschäftigte durchschnittlich im Jahr rund 17 500 Erkrankungen (ohne Unfälle und Kurzabsenzen) mit einer Heilungsdauer von rund 436 000 Tagen. Auf rheumatische Affektionen entfielen davon rund 3 700 Fälle mit einer Hei-, lungsdauer von rund 91 400 Tagen im Jahr. Zum Vergleich
sei erwähnt, dass während des gleichen. Jahrzehnts auf die Tuberkulose jährlich nur 104 Fälle mit einer Heilungsdauer von total 20 600 Tagen entfielen. Die Rheumamorbidität betrug in diesem Zeitraum beim SBB-Personal 11,2 Prozent, die durchschnittliche Heilungsdauer pro Rheumaschub 24,6 Tage. Ein Rheumatiker erlitt während 10 Jahren im Durchschnitt" ungefähr drei Schübe, derentwegen er mit der Arbeit aussetzen musste. Die Tuberkulosemorbidität war dagegen nur 0,31 Prozent, die durchschnittliche Dauer eines Tuberkulosefalles aber 199 Tage. Der Rheumatismus war somit an der gesamten Morbidität und Heilungszeit mit 21, die Tuberkulose dagegen an den Fällen nur mit 0,59 und an der Heilungszeit mit 4,7 Prozent beteiligt. Die Tuberkulose, damals noch häufiger als sie heute ist, verhielt sich somit zum Rheumatismus bei den Fällen wie 1:36 und bei der Heilungszeit wie 1:4,5. Mit ändern Worten: Der Rheumatismus machte y5 der Gesamtmorbidität und Gesamtheilungsdauer aus, er war .an Krankheitsfällen 36mal so häufig und erforderte insgesamt eine ^/^mal längere Heilungsdauer als die Tuberkulose, obgleich der einzelne Tuberkulosefall bis zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit eine ungleich längere Behandlungszeit als der einzelne Rheumafall benötigte. Dieses Verhältnis wird noch deutlicher, wenn man die Pensionierungen wegen Rheumatismus in Betracht zieht. In den Jahren 1934 und 1935 waren die vorzeitigen Pensionierungen von SBB-Personal wegen Rheuma an der gesamten Zahl der Pensionierungen mit 19,3 Prozent beteiligt. Die während derselben Zeitspanne wegen Tuberkulose nötigen Pensionierungen betrugen dagegen bloss 2,77 Prozent oder etwa den siebenten Teil der Rheümapensionierungen. Diese erfolgten während der Jahre 1934 und 1935 durchschnittlich rund 8 Jahre vor Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren. Auf 100 Gesamtarbeitstage entfielen in der Zeit von 1934/35 rund 3,6 Rheumainvaliditätstage und nur 0,07 Tuberkuloseinvaliditätstage. Auf 100 Rheumainvaliditätstage kamen somit bloss 2 Tuberkuloseinvaliditätstage und nur 31,9 Rheu-

795 makrankheitstage. Auf 100 Tuberkuloseinvaliditätstage waren dagegen 205 Tuberkulosekrankheitstage zu zählen. Zusammengefasst ergibt sich, dass die Invalidität infolge Rheuma beim Personal der Schweizerischen Bundesbahnen in den Jahren 1934/35 ruiid Slmal grösser war als die durch Tuberkulose bedingte.

Mit dieser vergleichsweisen Gegenüberstellung. von Rheuma und Tuberkulose soll nicht etwa die Bedeutung der Tuberkulose herabgemindert werden. Die Bekämpfung dieses nach wie vor schweren und immer noch verbreiteten übertragbaren Leidens durch die in der eidgenössischen Tuberkulosegesetzgebung vorgesehenen Massnahmen muss auch in Zukunft mit allen zu Gebote stehenden Mitteln weitergeführt werden.

Die wirtschaftliche Auswertung der, oben angeführten Zahlen ergab im jährlichen Durchschnitt von 1934/35 schätzungsweise folgende Belastung der Schweizerischen Bundesbahnen und ihres Personals durch den Rheumatismus: _ , Franken Heilungsko,sten Arbeitsausfall verursacht durch a. Krankheit . . . . ' . " . ' · b . Invalidität . ! . .

' · · . . ' · ·

199,000 · - . . · · : Total

l 240 000 3 638 0 0 0 50 7 70 0 0

Den SBB und ihren rund 33 000 Beschäftigten entstand somit durch den Rheumatismus allein ein jährlicher Schaden von durehsohnittlich ungefähr 5 Millionen Pranken. Dabei ist zu bedenken, dass das mittlere Einkommen des SBB-Personals erheblich über jenem der übrigen Bevölkerung liegt: So ist im Hinblick auf den Arbeitsausfall durch Krankheit dem jährlichen Durchschnittseinkommen des SBB-Personals von 4500 Franken eine durchschnittliche jährliche Einkommenskopfquote der Erwerbenden von 3 750 und im Hinblick auf den Arbeitsausfall durch Invalidität der jährlichen Einkommeüskopfquote der Pensionierten der SBB von 3 500 ein durchschnittliches Jahreseinkommen der Unselbständigerwerbenden von 3 000 Franken gegenüberzustellen. Diese Tatsache ist deshalb von Bedeutung, weil nach den in ändern Ländern gemachten Erfahrungen der Rheumatismus in den weniger begüterten Bevölkerungsschichten wesentlich häufiger vorkommt als in den begüterten. Es kann mit Sicherheit schon aus diesem Grunde angenommen werden, dass die Rheumamorbidität bei der übrigen Bevölkerung unseres Landes zumindest nicht geringer ist als beim Personal der Schweizerischen Bundesbahnen. Zudem ist von Bedeutung, dass sich die Arbeitnehmer der SBB bei ihrer Anstellung einer gründlichen ärztlichen Untersuchung zu unterziehen haben, von deren Ergebnis es mitabhängt, ob die, Anstellung erfolgt oder nicht. Daraus ergibt sich, dass das SBB-Personal in gesundheitlicher Hinsicht über dem JDurchsclmitt der Gesamtbevölkerung :steht und das'statistische Bild der Rheumamorbidität und Rheumainvalidität ei den Beschäftigten der SBB bestimmt günstiger ist als bei der Durchschnittsbevölkerung.

Wenn man die für die .Schweizerischen Bundesbahnen errechneten Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung überträgt und dabei nur von der Annahme ausgeht; dass die Rheumamorbidität und Rheumainvalidität der 15 bis 64 Jahre alten Bevölkerung der Schweiz nicht wesentlich von jener beim Personal der SBB abweiche, so erhält man für die im angegebenen Alter stehende Bevölkerung schätzungsweise folgende jährliche Belastung unserer Volkswirtschaft durch den Rheumatismus: Heilungskosten . . . . : .

Arbeitsausfall verursacht durch a. Krankheit b. Invalidität

rund 18 Millionen Franken

zusammen

» 66 » » » 155 » » rund 239 Millionen Franken

Seit den der Berechnung zugrunde liegenden Jahren 1934/35 sind sowohl die Einkornniensquote als auch die Heilungskosten infolge der Teuerung während des

796 Krieges und der Nachkriegszeit erheblich gestiegen, so dass heute mit einem Gesamtschaden von über 400 Millionen Franken jährlich gerechnet werden muss.

Zu bemerkenswerten Peststellungen gelangte Brück über den Einfluss der Arbeitsstätte, der Art der Arbeit und des Lebensalters auf die Rheumamorbidität. Diese war bei den im Freien tätigen Arbeitnehmern 5mal höher als bei den im Bürodienst beschäftigten. Das dürfte darauf zurückzuführen sein, dass das un Freien beschäftigte Personal den Witterungseinflüssen besonders stark ausgesetzt ist. Auch der Werkstättendienst wies eine Rheumafrequenz auf, die 4mal so hoch war wie jene des Büro, dienstes. Hier dürfte neben der Gefahr der Erkältung durch Schwitzen und Zugluft die mechanische Abnützung von ausschlaggebender Bedeutung sein. Während die Rheumamorbidität in der Altersklasse der 15-19jährigen 2,09 Prozent .betrug, stieg sie stetig mit zunehmendem Alter, erreichte in der Altersklasse der 55-59jährigen mit 16,28 Prozent ihren Höhepunkt, der auch in der folgenden Altersklasse der 60-64jährigen noch erhalten blieb, und sank erst nachher wieder auf 13,75 Prozent ab. In den Gruppen der 55-64J ährigen war die Rheumamorbidität demnach fast 8mal so hoch wie im .Alter von 15-19 Jahren.

In seiner im 'Jahre 1949 erschienenen Schrift «Die Rheumakrankheiten beim Personal der Schweizerischen Bundesbahnen im Jahre 1948» hat der damalige Oberbahnarzt Dr. v. Beust das statistische Material des bahnärztlichen Dienstes für das Jahr 1948 verarbeitet. Er gelangte im wesentlichen zu denselben Ergebnissen und Schlussfolgerungen wie Brück, obgleich beide Autoren statistisches Material verschiedener Zeitspannen verarbeiteten.

Die folgende Tabelle gewährt eine Übersicht über die durch Rheumatismus der Gelenke und Muskeln sowie durch Lumbago und Ischias verursachte Morbidität beim Personal der SBB in den Jahren 1948-1960 :

Jahr

Ilheumatische Krankheiten Alle Krankheiten , KrankheitsProzentage pro Fälle Krankheitstage tualer Anteil Mann (ohne an allen KurzErkranauf 100 absenzen) insgesamt insgesamt pro Fall pro Mann kungsfällen Manu

1

2

3

i

5

6

1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960

12,02 12,60

3097 3112 3052 2979 2972 2944 2947" 3017 3104 3089 3032 2975 2897

8,77 8,69 8,65 8,50 8,37 8,25 8,24 8,39 8,51 8,27 7,98 7,79 7,59

80847 87757 77351 76036 76858 76638 73984 78487 80104 82672 78053 82609 77392

26,10

11,22

12,35 11,12 11,79 10,97 11,93 11,92 12,50 11,06 11,37 10,86

28,20 25,34 25,52 25,86 26,08 25,10 26,01 25,81 26,76 25,74 27,77 26,71

7

2,28 2,45 2,19 , 2,16 2,15 2,14 2,07 2,17 2,19 2,21 2,06 2,16 2,02

8

19,0

19,4 19,5 17,5 19,3 18,2 18,9 18,2 18,4 17,7 18,6 19,0 18,6

Die in dieser Tabelle aufgeführten Zahlen sind zwar nicht als absolute Angaben über alle rheumatischen Leiden zu interpretieren. Dessenungeachtet erlauben sie jedoch wertvolle Schlüsse zu ziehen. So ergibt sich daraus, dass der Anteil des Rheumatismus an der Gesamtmorbidität des SBB-Personals und die Krankheitsdauer des Einzelfalles im Laufe der Jahre aitffallend konstant geblieben sind, obwohl sich das SBB-Personal

'

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dank den vorzüglichen Leistungen der Krankenkassen, denen es angegliedert ist, sowie dank den Leistungen der Verwaltung im Krankheitsfall und der entgegenkommenden Praxis inbezug auf die Anerkennung von Urlaub für Badekuren in einer -- was die Behandlung anbelangt -- bevorzugten Lage befindet. Diese Konstanz ist vor allem darauf zurückzuführen, dass gerade bei den Eisenbahnern der erwünschten und erstrebten Anpassung der Arbeit an den Menschen zwangsläufig enge Grenzen gesetzt sind.

Die auf Grund der Statistik der Schweizerischen Bundesbahnen errechneten Zahlen der Rheumamorbidität und Rheumainvalidität fanden ihre Bestätigung in den Zahlen, die sich bei der Auswertung des Materials der Krankenkassen und der Armee Bei den Mitgliedern der St. Galler Krankenkasse und der Gewerbekrarikenkasse Zürich zeigte sich trotz der ganz anderen Struktur dieses Bevölkerungsteils im Vergleiche zum Personal der SBB ebenfalls ein starkes Überwiegen der rheumatischen Krankheiten über die Tuberkulose. Dabei ergab sich die besondere volkswirtschaftliche Bedeutung des Rheumatismus aus der Tatsache, dass sein Anteil an der Gesamtmorbidität zwischen 40 und 49 Jahren, also in der. besten Schaffensperiode, SOmal so hoch war wie in der Kindheit zwischen 0-14 Jahren. Trotz der längeren Krankheitsdauer und der dadurch bedingten höheren Kosten des einzelnen Tuberkulosefalles verursachte der Rheumatismus bei der Gewerbekrankenkasse Zürich für alle .Fälle zusammen wegen der hohen Anzahl von Krankheitsfällen eine bedeutend längere Krankheitsdauer und mehr als dreimal soviel Kosten für Krankenpflege als die Tuberkulose. Pur die 15-64 Jahre alten Mitglieder der Christlichsozialen und der St. Galler Krankenkasse ergabeil sich inbezug auf die Rheumamorbidität bei den Männern der verschiedenen Berufsarten (wobei die Altersverteilung der Mitglieder im Bürodienst als Standard angenommen wurde) folgende Zahlen: Färber und Appreteure 8,1, Speditionsarbeiter 7,9, Metzger 6,3, Chauffeure und Fuhrleute 5.8, Landwirte 4,4, Arbeiter im Baugewerbe 4,1, mit Büroarbeit Beschäftigte 2,8. Bei den Frauen (Altersverteilung der Hausfrauen als Standard angenommen) standen die Wäscherinnen und Putzerinnen mit einem Anteil von 8; ari erster Stelle. Es folgten die in der Landwirtschaft und der Gärtnerei tätigen Frauen mit 5,9. die Glätterinnen mit 4,8,
die Büroangestellten mit 4,6, die Hausfrauen mit 4,2 usw. Die Belastung der, einzelnen Berufe ist somit sehr verschieden. Daraus ergibt sich auch hier die grosse Bedeutung der Umweltfaktoren wie Kälte, Nässe, Feuchtigkeit und berufliche Belastung. Noch grösser waren die Unterschiede bei der Gewerbekrankenkasse Zürich. Die Strassenbau- und Brdarbeiter standen mit einem Rheumamorbiditätsanteil von 24,5 Prozent der Gesamtmorbidität an der Spitze. Es folgten die Arbeiter des Baugewerbes mit 17 Prozent, während der Anteil der im Bürodienst Tätigen bloss 1,4 Prozent betrug. Bei den Frauen wiesen die Wäscherinnen einen Rheumamorbiditätsanteil von 14,3 Prozent der Gesamtmorbidität auf.

· , : Von den bei der Eidgenössischen Militärversicherung gemeldeten Patienten litten nach Brück rund 7 Prozent an Rheuma, wobei in Betracht zu ziehen ist, dass hier nur Fälle erfasst werden, die im Zusammenhang mit dem Militärdienst entstanden sind, und dass Militärpersonen bereits eine gesundheitliche Elite darstellen, die ältere Jahrgänge nicht einschliesst. Der Rheumatismus ist aber auch Mer mehr als doppelt so häufig wie die Tuberkulose. Die Rheumakrankheitstage betragen rund 7,5 Prozent der Gesamtkrankheitstage und die durch Rheuma verursachten Kosten fast 8 Prozent der Gesamtkosten. Während bei der Tuberkulos.e die Rückfälle im gesamten genommen weniger lange dauern und geringere Kosten als die Erstfälle verursachen, verhält es sich beim Rheumatismus gerade umgekehrt. Im: Gegensatz zu den Erstfällen .beanspruchen die Rheumarückfälle auch .eine längere Krankheitsdauer und verursachen zusammen höhere Kosten als die Tuberkuloserückfälle.

Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass auch der Zürcher Rheumaspezialist Dr. Beiart im Jahre 1952 bei seinen Untersuchungen über die Rheumamorbidität beim Personal der Zürcher' Verkehrsbetriebe zu ähnlichen Ergebnissen gelangte wie

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Bruuk und von Beust.. Demnach entfallen bei den Zürcher Verkehrsbetrieben 16 Prozent aller Krankheitsfälle und 20 Prozent aller Krankheitstage auf Rheuma. Bin Bheumafall dauert um 33 Prozent länger als ein anderer Krankheitsfall. Auffallend beim Rheuma sind vor allem die grosse Häufigkeit, die häufige Invalidität und die lange Dauer der Krankheit. Um das 45. Altersjahr, zu einer Zeit also, wo der Mann mitten im Berufsleben und seine Lebenskraft auf dem Höhepunkt steht, tritt der Rheumatismus am häufigsten und in seinen schwersten Formen auf. Bin Rheumakrankentag kostet nach den Berechnungen von Beiart rund 25 Franken, wobei 5 Franken auf die Krankenpflege und 20 Franken auf Lohnersatzzahlungen fallen, die von den Krankenkassen und vom Staate zu tragen sind. Auf alle Versicherten umgerechnet betragen die Rheumakosten beim Personal der Zürcher Strassenbahnen 70 Franken pro Kopf und Jahr.

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass der Kheumatismus nicht nur im Auslande, sondern auch in der Schweiz eine außerordentlich häufige Krankheit ist und mindestens 20 Prozent der Gesamtmorbidität ausmacht. Diese starke Verbreitung der Eheumaleiden wiegt deshalb ganz besonders schwer, weil sie als zumeist chronisch verlaufende Krankheiten fast immer, früher oder später, zu zeitweiser oder oft auch ständiger, teilweiser oder völliger Arbeitsunfähigkeit führen. In vielen Fällen wird der Eheumatiker pflegebedürftig und fällt jahrelang seiner Familie oder der Allgemeinheit zur Last. Das Leiden tritt zudem meist in einem Alter auf, in dem der Mensch normalerweise die stärkste berufliche Tätigkeit entwickelt und noch über seine ungebrochene Arbeitskraft verfügt. Unter den Bheumakranken befindet sich eine grosse Anzahl Patienten, die wirtschaftlich schwach gestellt sind und nicht selten keiner Krankenkasse angehören. Diese fallen notgedrungen nach einiger Zeit der öffentlichen Fürsorge, der Armenpflege anheim. Lange und sich oft wiederholende Krankheitsperioden und jahrelange Invalidität verschiedensten Grades treffen mit ihren schweren Folgen für seine Familie und .seine berufliche Tätigkeit aber schliesslich auch den finanziell besser Gestellten hart. Aus allen diesen Gründen ist .der Bheumatismus eine Krankheit,, mit der sich nicht nur der Betroffene auseinanderzusetzen hat, sondern die ein soziales und wirtschaftliches Problem darstellt und deshalb auch die Allgemeinheit, den Staat angeht.

Mit Brück und von Beust können wir feststellen, dass der Eheumatismus vom sozialen und volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt aus wohl die schwerste Volkskrankheit ist und in dieser Hinsicht auch die Tuberkulose an Bedeutung bei weitem übertrifft.

3. Die Bekämpfung des Rheumatismus · a. In der Schweiz Aus dem Gesagten, ergibt sich die Notwendigkeit, den Kampf gegen das Eheuma mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu fördern.

Wie steht es in dieser Beziehung in der Schweiz ? Es ist nicht zu leugnen, dass bei uns dem Eheuma gegenüber, wenigstens ' bis vor kurzem, eine gewisse Gleichgültigkeit sowohl bei der Allgemeinheit als auch,beim Einzelnen herrschte.

Von Ärzten und Volk wurde ihm jedenfalls nicht das Interesse entgegengebracht,

799 das es verdient. Dies rührt vor allem daher, dass das Bheuma nicht übertragbar ist, .selten,in alarmierender, lebensgefährlicher Form auftritt und die von ihm verursachten Beschwerden von den Betroffenen meist als Schicksal hingenommen werden, offenbar schon darum,1 weil es der medizinischen Wissenschaft bis heute noch nicht gelungen ist, eine spezifische Waffe, ein sicher wirkendes Mittel gegen gewisse häufige .Eheumaformen zu finden. So kommt es, dass der heutige Stand der Rheumabekämpfung in der Schweiz ungefähr jenem der Tuberkulosebekämpfung vor Inkrafttreten des, eidgenössischen Tuberkulosegesetzes entspricht, obwohl die volkswirtschaftliche Bedeutung der Eheumaerkrankungen jene der Tuberkulose bei weitem,übertrifft. Bei der Bekämpfung der Tuberkulose ist es gelungen, sämtliche für die Bekämpfung des Übels notwendigen Kräfte weitgehend zu. mobilisieren und zu organisieren. Ein Erfolg im Kampfe gegen die Eheumaerkrankungen kann nur dann erwartet werden, wenn das Aufgebot der Abwehrkräfte und die Koordination der Bekämpfungsmassnahmen schliesslich ; auch hier gelingen, ' r : Die energische' Bekämpfung des Eheumätismus! erweist sich als notwendig nicht nur zur Verminderung des Schadens, der Jahr für Jahr unserer Volkswirtschaft entsteht, sondern auch zur Linderung der durch Eheuma bedingten körperlichen und seelischen Leiden unserer Mitmenschen, die von dieser wahren Volkskrankheit in irgendeiner Form betroffen sind. Der der Volkswirtschaft durch Eheuma: entstehende Schaden kann ungefähr geschätzt werden, nicht messbar ist dagegen die Summe der Schmerzen und seelischen Nöte der einzelnen Patienten und des Kummers und :der Sorgen ihrer Angehörigen.

Die erforderlichen Bekämpfungsmassnahmeri umfassen : 1. Unterstützung und Förderung der wissenschaftlichen Forschung, 2. Aufklärung dei Bevölkerung, . '· 3. Aufklärung der Ärzteschaft, 4. Verhütung, und zwar nicht so sehr im Sinne der Verhütung der Krankheit überhaupt, als der Verhütung des Fortschreitens des einmal ausgelösten Krankheitsprozesses und der Vermeidung von Eückfallen, 5. Behandlung, . ' ; ·' ' 6. Fürsorge für die Opfer der Krankheit.

, !

l. Ausgangspunkt für ,:eine wirksame Eheumabekämpfung muss die Unterstützung .und Förderung der wissenschaftlichen Forschung sein, deren Ergebnisse die Grundlage für alle anderen Bekämpfungsmassnahmen
zu bilden haben.

Die medizinische Wissenschaft weist inbezug auf die Ursachen, die Entstehung, den Verlauf und vor allem die erfolgreiche Behandlung der rheumatischen Krankheiten heute noch empfindliche Lücken auf, obgleich gerade in den letzten Jahren sehr grosse Fortschritte auf diesem.Gebiete erzielt werden konnten.

In der; Schweiz bestehen zurzeit bereits mehrere spezialisierte Forschungszentren, so das Institut für physikalische Therapie der Universität Zürich, in Verbindung mit der Eheumaklinik des ;,Kahtonsspitals Zurief das Institut de physiatrie des Kantonsspitals Genfund das «Centre d'étude des maladies rhu-

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matismales de là Policlinique universitaire de médecine de Genève», das neben einer klinischen. Sektion über eine besondere Forschungsabteilung verfügt. Aber auch an,anderen Universitätskliniken (Basel, Bern) und Instituten für pathologische Anatomie (vor allem in Genf und Zürich) werden wertvolle wissenschaftliche Arbeiten über Eheuma durchgeführt. Im Interesse einer erfolgreichen Eheumaforschung wäre es sehr zu begrüssen, wenn allen diesen Institutionen zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden könnten, damit von den medizinischen Fakultäten der Universitäten unseres Landes weitere derartige Forschungsstätten errichtet und Lehrstühle für Bheumatologie und physikalische Medizin geschaffen würden.

2. Der allzusehr verbreiteten Auffassung, dass die Erkrankung an Eheuma als unabwendbares Schicksal hingenommen werden müsse, ist mit allen Mitteln einer systematischen Aufklärung der Bevölkerung entgegenzutreten. Die Passivität, das Hinnehmen der rheumatischen Leiden als Schicksalsfügung, ist eine seelische Einstellung der Kranken, die einer wirksamen Eheumabekämpfung sehr abträglich ist und die Heilung alles andere als fördert. Die Bevölkerung ist deshalb auf geeignete Weise durch orientierende Schriften, Merkblätter, Filme, Vorträge usw. über Wesen, Entstehung, Verlauf, Gefahren, Verhütung und Behandlung der verschiedenen Formen des Eheuma soweit aufzuklären als dies erforderlich ist, um die richtige seelische Einstellung und Kampfbereitschaft der von Eheuma betroffenen Personen herbeizuführen und die noch Gesunden auf die drohenden Gefahren und die Massnahmen zur Verhütung aufmerksam zu machen. Gewisse Massnahmen zur Volks auf klärung sind zwar bereits ergriffen worden. Sie genügen jedoch bei weitem nicht und sollten deshalb noch erheblich verstärkt werden.

3. Nicht nur die Aufklärung der Bevölkerung, sondern auch der Ärzteschaft tut not. Es ist dafür zu sorgen, dass die angehenden Ärzte an allen Universitäten Gelegenheit erhalten, sich die erforderlichen gründlichen Kenntnisse über Wesen, Ursachen, Diagnose und Therapie der verschiedenen Eheumaformen anzueignen. Die Ausbildungsmöglichkeiten für Medizinstudenten sind in dieser Eichtung wesentlich zu verbessern. In der Eegel werden rheumatische Erkrankungen vom praktischen Arzt, vom Hausarzt behandelt. Es geht also vor allem auch
darum, die rheumatologische Ausbildung und Weiterbildung der Ärzte mit allgemeiner Praxis zu fördern. Die Spezialärzte und Eheumakliniken sollen nur in diagnostisch und therapeutisch schwierigen Fällen beigezogen werden müssen. Der Eheumatismus ist eine viel zu verbreitete Krankheit, als dass sich jeder davon Bedrohte oder Befallene in die Pflege eines Spezialisten oder einer spezialisierten Spitalabteilung begeben könnte. Auch der behandelnde praktische Arzt sollte eine Ausbildung gemessen, die ihn in den Stand setzt, gründliche Frühdiagnosen zu stellen und die Beratung und Behandlung seiner Patienten zielbewusst nach einem auf Jahre hinaus bestimmten Plan an die Hand zu nehmen.

Schliesslich ist auch dafür zu sorgen, dass junge Ärzte in der Schweiz vermehrte Möglichkeit erhalten, sich an Spezialkliniken der Universitäten und spezialisierten Eheuma-Spitalabteilungen zu eigentlichen Eheumaspezialisten auszu-

801 bilden. Diese Möglichkeit besteht in unserem Lande im gewünschten Ausmasse erst in Zürich und Genf. : 4. Die Verhütung einer Krankheit muss sich stets nach deren Ursachen richten, und die Verhütungsmassnahmen haben, wenn sie wirksam sein sollen, diese Ursachen soweit als möglich auszuschalten. Die Verhütung des entzündlichen Eheumatismus ist ausserordentlich schwierig, weil seine Ursachen vielfach nicht vermieden werden können (Infektion, hormonale oder Stoffwechselstörungen). Da auch bei entzündlichen Bheumaleiden gewisse physikalische Einflüsse wie Nässe, Kälte und auch Überanstrengungen auslösend wirken können, sind sie bei Personen, die anlagemässig zu entzündlichem Eheumatismus disponiert sind, soweit als möglich zu vermeiden. Die bereits vom entzündlichen Bheuma Befallenen sollten so rasch als möglich, also bereits ina ersten Anfangsstadium, einen Arzt aufsuchen, anstatt sich selbst zu behandern. Bei sachgemässer Beratung und Behandlung wird die Krankheit in den meisten Fällen weitgehend gebessert oder sogar völlig geheilt 'werden können. Dieses Vorgehen ist deshalb die beste Invaliditätsprophylaxe.

Bei den verschiedenen Formen des degenerativen Eheumatismus spielt die Vorbeugung eine wesentlich grössere Holle als beim entzündlichen Eheuma. ' Erwünscht ist vor allem die möglichst frühzeitige Erkennung von angeborenen oder früh erworbenen Gelenkdeformitäten,: die einen vermehrten Verschleiss des Gewebes bedingen. Dieser macht sich um so früher bemerkbar, ;je höher das Gewicht der Patienten ist und je stärker das betreffende Gelenk durch die berufliche Tätigkeit belastet wird. Auf die Herabsetzung des Körpergewichtes durch geeignete Ernährung und die Schonung der gefährdeten Gelenke ist deshalb besonder zu achten. Personen mit zu Eheuma disponierenden Gelenkdef ormitäten und anderen rheumabegünstigenden konstitutionellen Eigenschaften ist von einer Eeihe von Berufen, die sie der Gefahr mechanischer Schädigungen aussetzen (Schwerarbeit, Arbeit, die unter Erschütterungen erfolgt oder eine einseitige .und unzweckmässige Körperhaltung und Belastung mit sich: bringt usw.), rechtzeitig abzuraten. Wenn der gefährdete Beruf bereits ausgeübt wird, sind nicht selten eine Umschulung und ein Berufswechsel angezeigt, sofern arbeitshygienische Massnahmen im Betrieb ;keine Abhilfe bringen können. Die
Frühprophylaxe .hätte bereits bei Kindern und Jugendlichen einzusetzen, indem die Ärzte, die deformierende Gelenkaffektionen bei jungen Patienten entdecken, diese und ihre Eltern auf die Gefahren, die .zu erwartenden Folgen und beruflichen Auswirkungen dieser Zustände aufmerksam machen müssten, was heute leider viel zu wenig geschieht. In den weitaus meisten Fällen handelt es sich darum, chronische Arbeitsschäden möglichst frühzeitig zu entdecken, die schädigenden Faktoren durch arbeitshygienische Massnahmen auszuschalten oder den Arbeiter aus dem schädigenden Milieu zu entfernen. Sodann ist nach der ärztlichen Diagnose rechtzeitig eine Frühbehandlung einzuleiten, um auf diese Weise die drohende Invalidität mit den besten Erfolgsaussichten verhüten zu können. Leider wird der Patient in diesem Anfangsstadium der Krankheit häufig aus Scheu vor den hohen Behandlungskosten oder wegen einer gewissen

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Sorglosigkeit,und Passivität, gerade weil er oft nur vorübergehend Schmerzen empfindet, den Arzt nicht aufsuchen. Hier hätte eine geeignete Aufklärung der Bevölkerung einzugreifen, um das nötige Verständnis für die erforderlichen prophylaktischen Massnahmen herbeizuführen.

Auch den übrigen rheumaauslösenden Faktoren ist bei der Prophylaxe Eechnung zu tragen. Besonders auf den Arbeitsplätzen im Freien und in den industriellen Betrieben sind die Arbeiter möglichst vor Erkältung, Durchnässung, Zugluft (vor allem nach Schwitzen) und vor starken Temperaturunterschieden durch geeignete arbeitshygienische Massnahmen, wie zweckmässige Kleider und Überkleider, zu schützen. Feuchte Arbeits- und Wohnräume und unzweckmässige Kleidung sind zu meiden. Schliesslich sollen die rheumagefährdeten Personen in ihrer Freizeit gewisse Ausgleichssportarten oder zweckentsprechende Gymnastik betreiben, ihre Blutzirkulation fördern und sich einer gewissen vorsichtigen Abhärtung unterziehen. Der Ernährung kommt dagegen bei der Prophylaxe keine so ausschliessliche Bedeutung zu, wie dies früher vielfach angenommen wurde. Die Auffassung, dass die durch starke Erhöhung der Harnsäure im Blut hervorgerufene Gicht mit den rheumatischen Krankheiten eng verwandt sei, ist unrichtig. Die Harnsäuregicht ist vielmehr eine Stoff Wechselstörung besonderer Art, die heute ohnehin sehr selten geworden ist und zu Eheuma in keiner Beziehung steht.

5. Die für die Betroffenen wichtigste Bheumabekämpfungsmassnahme ist natürlich die Behandlung des Leidens. Welche Therapiemethode im Einzelfalle anzxiwenden ist, wird sich nach Form und Ursache des Leidens und dem Krankheitsverlauf zu richten haben, und es wird Sache des behandelnden Arztes sein, die erforderlichen Anordnungen zu treffen. Wenn auch die medizinische Wissenschaft, bis heute noch kein in allen Fällen sicher wirkendes Mittel gegen den Eheuniatismus finden konnte und der Forschung auf diesem Gebiete noch viel zu tun übrig bleibt, so darf doch festgestellt werden, dass die Diagnostik und Therapie des Eheurnas heute bereits eine sehr hohe Stufe erreicht haben und sich entsprechend den Fortschritten der Forschung ständig weiter entwickeln. Es liegt im Interesse des Eheumakranken, möglichst frühzeitig den Arzt aufzusuchen, da die rheumatischen Erkrankungen in manchen ihren Erscheinungsformen
im Anfangsstadium wesentlich rascher und gründlicher geheilt werden können, als wenn sie schon weit fortgeschritten sind.

Bei der Behandlung des entzündlichen Eheumatismus spielt die medikamentöse Therapie eine bedeutende Eolle, wobei die Schmerzbekämpfung im Vordergrunde steht. Bei der chronisch-entzündlichen Polyarthritis haben sich die Goldtherapie und in neuester Zeit auch die Behandlung mit Steroidhormonen (Cortison, ACTH), die auch beim akuten Gelenkrheumatismus angewendet wird; sehr gut bewährt. Die Erscheinungsformen des degenerativen Eheumatismus sprechen unter anderem in der Eegel auf Schwefelpräparate sowie in gewissen Fällen auch auf Steroidhormone (Hydrocortisone) recht gut an. Selbstverständlich sind diese verschiedenen, teilweise nicht ungefährlichen Heilmittel nur unter ärztlicher ' Aufsicht und gezielt anzuwenden, wenn sie

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wirkungsvoll sein sollen. Leider wird der, Arzneimittelmarkt auch von einer Unzahl sogenannter Bheumaspezialitäten von iraglichern Wert überschwemmt, die ihöchstens eine gewisse schmerzstillende, Wirkung haben. Solche Präparate werden dem kritiklosen Laienpublikum mit grosseria Beklameaufwand, dessen ' Kosten schliesslich vom .Kauf er getragen werden müssen, als unfehlbar wirkende Heilmittel empfohlen. Überdies werden weitere, noch wirkungslosere sogenannte Naturheilmittel von Kurpfuschern angekündigt, und vertrieben. Oft kaufen Eheumakranke im Anfangsstadium ihres Leidens derartige zum Teil .wohl schmerzstillende, das ursächliche Geschehen der' Krankheit jedoch nicht beeinflussende Präparate für teures Geld, und ;wenn sie nach Monaten oder: Jahren schliesslich einsehen müssen, dass die gewünschte Wirkung ausbleibt, ist es meistens zu spät, um das Leiden noch mit Erfolg:angehen zu können. Zudem fehlen diesen Patienten nun die Mittel, um sich in spezialärztliche Behandlung begeben zu können, da sie oft ihre gesamten Ersparnisse zur Beschaffung jener Medikamente und eventuell noch zur Finanzierung kostspieliger, von unberufener Seite enlpfohlener Kuren aufgebraucht haben.

Zur Behandlung rheumatischer Spätschäden. müssen in gewissen Eällen auch chirurgische und orthopädische Methoden angewendet werden. So werden operative Eingriffe an Gelenken, Muskeln und : Sehnen durchgeführt und Gelenkplastiken vorgenommen, um dauernde Schädigungen möglichst tragbar zu, gestalten und:,deren Auswirkungen, soweit es^geht, zu beschränken. Oft lässt sich, eine Heilung durch die operative Sanierung ^ines Infektherdes (Mandel-, Blinddarm-, Gallenblasenoperation usw.) bewirken.1 Im Falle der sogenannten Diskushernie:kann der neurochirurgische Eingriff die Bettung vor einer dauernden Invalidität bilden und oft eine völlige Heilung bringen. Orthopädische Massnahmen, z.B. das Anlegen von Beinschienen werden oft mit Erfolg angewendet, um ^beginnenden Gelenkluxationen sowie Schrumpfungen und Verkürzungen von Muskehi oder Sehnen zu begegnen und die dadurch, bedingte fortschreitende Einschränkung der Beweglichkeit der betroffenen Gelenke zum Stillstand zu bringen.

; , · ·· , , In manchen Fällen wird bei der Eheumabehandlung auch der : Ernährung Bedeutung zukommen.

, , , , ; i Wohl die wichtigste und auch seit langem bewährteste
Behandlungsmethpde der rheumatischen Krankheiten ist jedoch nach der vorherrschenden Auffassung massgebender Fachkreise im In- und1 Ausland, die auch" am jüngsten internationalen Eheumakongress (1957) zum Ausdruck kam; die physikalische Therapie,, worunter vor allem die, verschiedenen Arten von Massage, die Anwendung von: trockener oder feuchter Wärme, die Strahlen- und Bäderbehandlung sowie die; funktioneile Therapie, die Heilgymnastik fallen. Die Heilwirkungen der physikalischen Behandlungsmethoden kommen im Gegensatz, zur sogenannten .Chernotherapie durch eine Eeaktion.des behandelten Organismus auf den !

physikalischen Eeiz zustande.

Einzig der akute Gelenkrheumatismus eignet sich nicht für die physikalische Therapie, da der akute Entzündungsprozess durch jede Beizung des

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Organismus verschlimmert würde. Bei der chronisch-entzündlichen Polyarthritis sind die physikalisch-therapeutischen Massnahmen wegen der drohenden Aktivierungsgefahr stets mit Vorsicht anzuwenden. Aktive und passive Bewegungsübungen, .Muskelmassage, Badekuren (Solbäder) sowie lokale und allgemeine Wärmeapplikationen kommen dabei vor allem in Frage. Die Bechterewsche Krankheit ist im Frühstadium mit Eöntgen-Tiefenbestrahlung und im Endstadium mit geeigneter Atemgymnastik, Bewegungstherapie, Wärmeanwendung und Thermal- und Schwefelbadkuren zu behandeln.

Das Hauptanwendungsgebiet der physikalischen Therapie bilden die verschiedenen Formen des degenerativen Rheumatismus, die den weitaus grössten Teil der rheumatischen Leiden ausmachen. Im Vordergrund stehen die verschiedenen Methoden der lokalen Wärmeanwendung (Fangopackungen, Kurzund .Mikrowellen), Massagen zur Lockerung der Muskulatur, Eöntgenbestrahlungen zur Schmerzlinderung, Ultraschall und vor allem Badekuren (Sole, Schwefel-oder Akratothermen).

Von den verschiedenen 'physikalischen Behandlungsarten des Eheumatismus|ist nicht nur die älteste, sondern auch eine der erfolgreichsten die Bädertherapie. Dies haben jahrhundertealte Erfahrungen gezeigt, und auch die moderne Eheumaforschung hat es vielfach bestätigt. Die Badekur ist zwar nicht, wie man dies früher annahm, für jeden Rheumafall und nicht zu jeder Zeit des Krankheitsablaufs eine geeignete Massnahme. Bei entzündlichem Rheumatismus im akuten oder subakuten Stadium ist eine Bäderbehandlung schädlich und gefährlich. Aber auch bei chronisch-entzündlichen Prozessen darf die Badekur wegen der Gefahr der Aktivierung nur mit grosser Vorsicht durchgeführt werden. In fast allen der so häufigen Fälle des degenerativen Eheumatismus ist die Badekur dagegen die Behandlungsmethode der Wahl.

Die bei der Bäderbehandlung wirksamen Faktoren können wie folgt kurz zusammengefasst werden: Eine besondere Bedeutung kommt der Wärmewirkung zu. Die meisten rheumatischen Leiden sind sehr schmerzhaft. Oftmals beruhen die Schmerzen auf einer mangelhaften Durchblutung des Gewebes infolge von Gefässkrämpfen. Die Schmerzen wirken ihrerseits wieder verkrampfend. Die Wärme wirkt dagegen krampflösend, gefässerweiternd und ermöglicht infolgedessen eine bessere Durchblutung, wodurch ihrerseits die Schmerzen gestillt werden. Sodann
spielen die mechanischen Faktoren des Wassers in vielen schweren Fällen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Der Auftrieb des Wassers ermöglicht, Bewegungen der schmerzenden und in ihren Funktionen behinderten Gliedmassen wesentlich leichter als ausserhalb des Wassers auszuführen. Versteifungen können gelockert, und der bei Gelenkschädigungen regelmässig auftretende Muskelschwund kann durch geeignete Übungen wieder rückgängig gemacht werden. Ferner spielt die unter dem Einfluss des Wassers erhöhte Durchlässigkeit der Haut insofern eine Eolle, als bestimmte im Heilwasser enthaltene Mineralbestandteile aufgenommen werden können und ein bedeutsamer lonenaustausch ermöglicht wird, der auf gewisse innersekretorische und hormonale Vorgänge nicht ohne Einfluss bleibt. Einigen im

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Heilwasser vorkommenden sogenannten Spurenelementen, unter denen sieh Substanzen wie Kupfer, Jod, Kobalt, Mangan usw. befinden, kommt so eine erhöhte Bedeutung zu. Verschiedene Wirkstoffe besitzen über die allgemein umstimmende Wirkung hinaus noch einen begrenzten spezifischen Effekt. So üben z.B. Schwefelbäder eine normalisierende Wirkung auf den bei vielen Rheumatikern gestörten Schwefelstoffwechsel aus. Das Zusammenwirken dieser verschiedenen Faktoren erzeugt einen bedeutsamen Wandel der reaktiven Vorgänge beim Patienten, die erstrebte Umstimmung des Organismus. Die neuesten Ergebnisse der medizinischen Forschung haben gezeigt, dass in vielen Fällen die Entstehung und der Verlauf rheumatischer Krankheiten durch gewisse Steuerungsvorgänge des vegetativen Nervensystems und der damit koordinierten hormonalen Régulation (Hirnanhangsdrüse, Nebennierenrinde) beeinflusst werden. Bei den meisten Rheumaschäden treten zudem Störungen der Gewebsdurchblutung, der sogenannten peripheren Blutzirkulation auf.

Der Einfluss der Badekur ist zur Hauptsache nicht spezifisch. Es werden keine Krankheitserreger durch,ein spezifisches chemisches Heilmittel vernichtet und kein dem Organismus fehlendes Hormon ersetzt, sondern es;werden lediglich die vegetativen und hormonalen Regulationsvorgänge, deren Zusammenspiel den Krankheitsverlauf entscheidend beeinflusst, angeregt und gefördert. Auf die Reizbehandlung durch die Badekur soll nun der,kranke Organismus reagieren. Diese Reaktion wird in den meisten Fällen wesentlich zur Heilung beitragen. Neben diesen direkt auf den kranken Körper wirkenden Heilfaktoren der Badekur sind auch die günstige psychische Wirkung des Milieuwechsels, die körperliche und geistige Ruhe, die geregelte Lebensweise, die zweckmässige Verpflegung, die abwechslungsreiche Umgebung sowie alle anderen angenehmen Begleiterscheinungen eines Kuraufenthaltes von grosser, Wichtigkeit.

Bei Vorliegen bereits fortgeschrittener Krankheitsprozesse wird in gewissen Fällen dafür zu sorgen sein, dass deren Behandlung durch geeignete Beschäftigungs- und Arbeitstherapie ergänzt wird. Darunter ist jede Form sinnvoller Betätigung zu verstehen, die vom Arzt1 als Beitrag zur Besserung oder Heilung eines Leidens angeordnet und unter sachkundiger Leitung durchgeführt wird, wobei nicht das Ergebnis der Arbeit, sondern
die Arbeit als solche ; das wichtigste ist.

< ' Aus diesen Hinweisen ergibt sich die außerordentliche Bedeutung1 der schweizerischen Heilbäder für eine zielbewusste, svstematische Rheumabekämpfung, die von der Erkenntnis auszugehen hat, dass der Rheumatismus und seine Auswirkungen unserer Volkswirtschaft einen Schaden von jährlich mehreren hundert Millionen Franken zufügen. Angesichts der in allen Bevölkerungskreisen, besonders aber im Arbeiterständ und in der Land- und Hauswirtschaft (Hausfrauen!) weit verbreiteten Rheumaleiden und ihrer medizinischen und wirtschaftlichen Folgen darf die Badekur, die erwiesenerrnassen bei Ersterkrankungen oft rückfallverhütend wirkt, in sehr vielen Fällen die Behandlungsmethode der Wahl ist und durch keine andere gleichwertige Therapie ersetzt w.erden kann, nicht nur das Vorrecht der begüterten BevölkerungsBundesblatt. 113. Jahrg. Bd. II.

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schichten sein. Damit stellt sich die dringende Forderung nach einer genügenden Anzahl von sogenannten Volksheilbädern für wirtschaftlich schwächere Patienten.

Um die Wohltaten der schweizerischen Heilquellen auch den nicht begüterten Volkskreisen dienstbar zu machen, müssen die Patienten, die in einem Volksheilbad aufgenommen werden sollen, gewisse medizinische und wirtschaftliche Bedingungen erfüllen. Die Art des rheumatischen Leidens muss den Heilanzeigen des Heilbades entsprechen. Da die Volksheilbäder ausschliesslich wirtschaftlich schwächeren Volkskreisen dienen sollen, deren Vermögens- und Einkommensverhältnisse - unter Berücksichtigung der Familienlasten - bestimmte Grenzen nicht übersteigen dürfen, hat der Patient seinem Aufnahmegesuch nicht nur ein ärztliches .Zeugnis mit genauer Diagnose, sondern auch einen Steuerausweis beizulegen.

Nicht zu vergessen sind jene Bevölkerungskreise, die dem Mittelstande angehören und deren Einkommen die für die Aufnahme in ein Volksheilbad gesetzte Grenze zwar übersteigen, jedoch zur Bezahlung der in den ändern Kuranstalten üblichen Preise kaum ausreichen. Auch für diese Kategorie von Kranken, die sich oft in einer recht schwierigen Lage befinden, wird schliesslich eine Lösung gefunden werden müssen, die ihnen erlauben wird, sich ohne allzu grosse Bedenken einer Badekur zu unterziehen.

Ein rascher und vollständiger Kurerfolg kann am ehesten erwartet werden, wenn die Badekur unter Anwendung aller therapeutischen Möglichkeiten und Spezialbehandlungen'entsprechend dem heutigen Stande der medizinischen Wissenschaft durchgeführt wird. Daraus ergibt sich die Forderung, dass die Volksheilbäder über alle notwendigen, neuzeitlichen diagnostischen und therapeutischen Einrichtungen und Laboratorien verfügen und unter Leitung ausgebildeter Spezialärzte spital- oder sanatoriumsmässig geführt werden sollen.

Zur Zeit stehen in der Schweiz 8 eigentliche Volksheilbäder in Betrieb.

Diesen Anstalten haften zur Zeit noch erhebliche Fehler und Mängel an, die sich einerseits durch ihre Entstehung aus primitiven Anfängen (Armenbäder früherer Zeiten) und anderseits durch das Fehlen der für den sachgemässen Unterhalt und für den dem heutigen Stande der Wissenschaft entsprechenden Ausbau erforderlichen finanziellen Mittel erklären. Das Fassungsvermögen der bestehenden Anstalten
ist angesichts der sehr grossen Zahl von Eheumakranken, die sich zur Behandlung ihres Leidens einer ärztlich geleiteten und fachgemäss durchgeführten Badekur unterziehen sollten, völlig ungenügend. Im Jahre 1948 wurden in sieben schweizerischen Volksheilbädern insgesamt 5461 Patienten während total 131865 Verpflegungstagen behandelt. Diese Zahlen sind zwar als Ergebnis eines freiwilligen sozialen Beitrages der schweizerischen Bäderwirtschaft an die Eheumabekämpfung durchaus anerkennenswert. Sie sind jedoch ganz unzureichend, wenn man sie den 85 290 Eheumakrankentagen des SBBPersonals im Jahre. 1948 gegenüberstellt und dabei bedenkt, dass diese Gruppe von Arbeitnehmern mir einen kleinen Bruchteil der Gesamtbevölkerung darstellt.

Vergleicht man die recht bescheidene Zahl der der Eheumabekämpfung zur

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"Verfügung stehenden 701 Patientenbetten in schweizerischen Volksheilbädern rnit den rund 6000 Bettender Tuberkulose-Volkssanatorien und bedenkt dabei, dass in der Schweiz dem Bheumatismus eine ungleich grössere volkswirtschaftliche Bedeutung beigemessen werden muss als der Tuberkulose, so kann man sich der Einsicht wohl kaum verschliessen, dass der Ausbau der schweizerischen Volksheilbäder im Interesse .einer rationellen und möglichst erfolgreichen Bekämpfung des Rheumatismus ein dringendes Postulat bildet. Es ist nicht zu leugnen, dass heute.noch einer viel zu grossen Anzahl wirtschaftlich schwächerer Bheumatiker eine, rechtzeitige Badekur auf Grund streng medizinischer Indikation vorenthalten ;werden rnuss, da in den in Frage kommenden Volksheilbädern auf Monate hinaus kein freies Bett vorhanden ist.

Durch eine angemessene Vermehrung der Bettenzahl und eine entsprechende Erweiterung der baulichen Anlagen könnte:der Forderung nach einer Erhöhung des, Fassungsvermögens der Volksheilbäder vorläufig Genüge geleistet werden.

Daneben wird bei einer Planung auf lange Sicht allerdings auch die Errichtung neuer Volksheilbäder ins Auge gefasst werden müssen. Abgesehen vom erforderlichen quantitativen ist aber auch dem qualitativen Ausbau, d.h. der Verbesserung und Ergänzung der bestehenden Einrichtungen in medizinischer und sozialer Hinsicht, volle Aufmerksamkeit zu schenken. Die heutigen Verhältnisse sind oft derart, dass die die Aufsicht ausübenden Kantonsregierungen und die .Ärzte und A^erwalter der betreffenden Anstalten ein längeres Zuwarten nicht mehr glauben verantworten zu können. Die bestehenden Gebäude sind teils unzweckmässig, altmodisch, und baufällig. Die Badeeinrichtungen sind vielfach veraltet und .überaus primitiv und die Unterkunftsräume eng möbliert und: unhygienisch. Auch der wirtschaftlich schwächere Patient hat aber ein Anrecht auf bequeme, zweckmässig eingerichtete, helle Badekabinen i und gesunde, luftige Aufenthalts- und Schlafräume.

: Eür den qualitativen Ausbau der Volksheilbäder sind auch:vom medizinischen Standpunkt aus gewisse Anforderungen zu stellen. So sind die Volksheilbäder nach Möglichkeit so einzurichten, dass der Ganzjahresbetrieb ohne Gefahr für die Patienten durchgeführt werden kann. Die Anstalten sind ähnlich wie Spitäler und Sanatorien zu betreiben, wobei auf
die Innehaltung einer gewissen Behandlungsdisziplin zu achten ist. Die diagnostisch-therapeutischen Einrichtungen sind dem neuesten Stande der Wissenschaft anzupassen, und ,die Patienten einer gründlichen, wissenschaftlich-klinischen Beobachtung zu unterziehen, ähnlich wie dies in Universitätskliniken .der Fall ist. Zudem Soll angehenden Spezialärzten in derartigen Volksheilbädern und Badspitälern Gelegenheit, geboten werden, sich als Assistenten und Volontäre auf den Gebieten der Bhéumatologie, physikalischen Therapie und insbesondere der Balneologie praktisch weiter,auszubilden.:Auch das technische Hilfspersonal (Masseure, Heilgymnasten usw.) .soll die Möglichkeit beruflicher Ausbildung erhalten. Die eigentlichen Lehr- und Ausbildungsstätten für Spezialärzte, Masseure, Heilgymnasten, Physiopraktiker und anderes technisches Hilfspersonal sind allerdings die Universitätsinstitute für physikalische Therapie, wie sie heute bereits in Zürich,

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Genf und Basel bestehen, und die dazugehörigen Polikliniken und Spitalabteilungen. Mit diesen Institutionen müssen die Volksheilbäder engen Kontakt haben und wissenschaftlich zusammenarbeiten. In einem neuzeitlichen, als Badspital eingerichteten und betriebenen Volksheilbad sollte auch die Möglichkeit bestehen, gewisse Forschungsarbeiten auf dem Gebiete der Bäderheilkunde durchzuführen. Zur Erforschung der Wirkungsweise des Hochgebirgsklimas auf den msnschlichen Organismus bedurfte es der Forschungsstätte Jungfraujoch und des Forschungsinstitutes Davos. Eine ähnliche Eolle, wie diese Forschungsstätten inbezug auf die Klimawirkungen sollten die Badspitäler bei der Erforschung der Wirkung der Badekur spielen. Die entsprechenden Untersuchungen müssten an Ort und Stelle durchgeführt werden, da sich beim Transport die chemischen und physikalischen Eigenschaften vieler Heilwasser ändern. Diese Forschungen sollten in Zusammenarbeit mit den Universitätsinstituten für physikalische Therapie durchgeführt werden, die insbesondere Fragen theoretischer Natur abzuklären hätten. Dazu braucht es einerseits Volksheilbäder, die als Badspitäler eingerichtet und unter der Leitung eines wissenschaftlich interessierten und tätigen Chefarztes stehen, anderseits sollten die Universitätsinstitute für physikalische Therapie mit besonderen balneologischen Forschungslaboratorien und dem dazugehörigen Personal versehen werden. Die medizinischen Kenntnisse über die Wirkungsweise einer Badekur auf den kranken Organismus könnten - als Ergebnis dieser Forschungstätigkoit - ausserordentlich bereichert werden, was schliesslich in erster Linie den Eheumakranken zugute käme. Die Verbindung von klinischer Beobachtung und experimenteller, wissenschaftlicher Forschung wäre jedoch auch für den Unterricht der Studenten und die Heranbildung der zukünftigen Badeärzte von grösstem Nutzen.

Beim qualitativen Ausbau der Volksheilbäder wird auch darauf zu achten sein, dass die Indikationslisten der einzelnen Heilbäder im Sinne einer strafferen Differenzierung der Heilanzeigen eingeschränkt und durch Hinzufügen der Gegenindikationen ergänzt werden. Weiterhin sollten die Volksheilbäder Erfolgsstatistiken führen, am dadurch die Bichtigkeit der Heilanzeigen bestätigen und die Heilerfolge belegen zu können. Solche Erfolgsstatistiken werden zur Zeit
nur an vereinzelten Orten geführt. Ferner sind die Patienten in den Volksheilbädern nur dann aufzunehmen, wenn für sie gemäss Zeugnis des behandelnden Arztes und Feststellung des Badearztes eine Kur im fraglichen Zeitpunkt medizinisch tatsächlich angezeigt ist.

Vom sozialen Standpunkt aus wird beim qualitativen Ausbau der Volksheilbäder schliesslich noch zu prüfen sein, ob die in den meisten Bädern für völlig unbemittelte und gegen Krankheit nicht versicherte Patienten bestehenden sogenannten Freibettenfonds, die meist durch private Spenden errichtet wurden und auch von privater Seite gespiesen werden, nicht mit reichlicheren Mitteln versehen werden sollten, um den auf sie angewiesenen Kranken in vermehrtem Masse Kuren zu ermöglichen.

Ein Ausbau der bereits bestehenden schweizerischen Volksheilbäder entsprechend den vorstehenden Ausführungen könnte ihre vorhandene Kapazität

809 um mindestens 50 Prozent erhöhen und damit einen bedeutsamen Schritt zur erfolgreicheren Bekämpfung des Eheumatismus in der Schweiz bilden.

In diesem Zusammenhang sei an das am 20. Juni 1944 irri Nationalrat eingereichte Postulat Schirmer erinnert,- womit der Bundesrat in Verbindung mit dem Postulat Frei vom 8. Juni 1944 über den medizinischen Ausbau der Kurund Erholungsorte eingeladen wurde, die Präge zu prüfen, wie, unabhängig von den Arbeitsbeschaffungskrediten, in Zusammenarbeit von Privatwirtschaft, Bund und Kantonen die Bestrebungen des Verbandes Schweizer Badekurorte zum Ausbau der schweizerischen Volksheilbäder unterstützt und finanziert werden könnten. Bei der Beantwortung dieses Postulats gab der damalige Vorsteher des Post- und Eisenbahndepartements zu, dass die bestehenden Volksheilbäder den gesundheitspolitischen Anforderungen in keiner Weise genügen und dass auf dem Gebiete der-Heilbäder noch sehr viel zu tun sei. Abschliessend erklärte er, dass der Bundesrat die Absicht habe, den Ausbau der schweizerischen Heilbäder ohne Bücksicht auf den Arbeitsmarkt und unabhängig vom Eintreten einer Krise und der damit verbundenen Arbeitslosigkeit durch entsprechende Subventionen zu fördern. Das Postulat Schirmer wurde.zwar in der Folge zur Prüfung entgegengenommen, zu einer Subventionierung des dringend notwendigen Ausbaus der schweizerischen Volksheilbäder ist es jedoch bis heute nicht gekommen.

Für den Um- und Ausbau verschiedener Volksheilbäder im Sinne einer Erhöhung des Fassungsvermögens und der Anpassung der Einrichtungen an die medizinischen Erfordernisse bestehen bereits seit 1945/47 Pläne und Kosten Voranschläge, die seinerzeit auch schon von der Schweizerischen Hoteltreuhandgesellschaft und der Eidgenössischen, Zentralstelle für Arbeitsbeschaffung genehmigt worden sind. Zur Verwirklichung der vorliegenden Projekte würde es unter Berücksichtigung der seither eingetretenen Teuerung und der Weiterentwicklung des Krankenhausbaus im allgemeinen einer Gesamtbausumme von rund ,25 Millionen Franken bedürfen.

In Leukerbad wurde diesen Sommer eine alpine Bheumaheilstätte fertiggestellt, die ein Fassungsvermögen von vorerst 105 (später 180) Patientenbetten und .eine den modernen medizinischen Anforderungen entsprechende Einrichtung für den spitalmässigen Betrieb, die Idinische Behandlung
und Pflege der Kranken sowie die Forsohungstätigkeit aufweist. Die Baukosten sind auf 11 Millionen Pranken berechnet. ' An diese Summe haben verschiedene Kantone und Gemeinden Beiträge in Form von zinslosen Darlehen in der Höhe von insgesamt 5,5 Millionen Pranken gewährt. Auf ein entsprechendes Gesuch vom 4.September 1957 gewährte .der Bund dem für den Bau verantwortlichen Verein «Rheuma-Volksheilstätte Leukerbad» gemäss Bundesbeschluss vom 13. März 1958 (BB1 1958 I 657) ein unverzinsliches Darlehen von 2 750 000 Pranken, das nach dem Stande der Bauarbeiten ausbezahlt wurde: Dieses Darlehen ist spätestens nach Ablauf von 5 Jahren, vom Zeitpunkt der Ausrichtung der letzten.Rate an gerechnet, zurückzubezahlen.,Der Darlehensbetrag entspricht 25 Prozent der gesamten Baukosten.

Für Zurzach liegt das Projekt einer Bäderheilstätte für Gelähmte und Bewegungsbehinderte vor. Hier wurde vor einiger Zeit die vor über 10 Jahren entdeckte und dann wieder zugeschüttete Thermalquelle neu erschlossen. Das geplante Volksheilbad soll im Gegensatz zur Rheumavolksheilstätte in Leukerbad nicht spitalmässig

810 ausgebaut und betrieben werden und nioht der Pflege, ärztlichen Überwachung und klinischen, Behandlung der Patienten dienen. Diagnostische Probleme werden dort kaum mehr zu lösen sein. Es sollen einzig solche Patienten aufgenommen werden, die einer sachgemässen heilgymnastischen (Unterwassergymnastik) oder ändern physikalisch-therapeutischen Nachbehandlung bedürfen. Heilgymnastik und Arbeitstherapie, d.h. angewandte Heilgymnastik, bei der die Patienten Arbeiten zu verrichten haben, die .für sie therapeutisch nützlich sind, sollen als Behandlungsmethoden, im Vordergrund stehen. Das geplante Volksheilbad soll als Trainingsschule der Vorbereitung für die nachfolgende, eigentliche berufliche und soziale Wiedereingliederung Behinderter, als Zwischenstufe zwischen Klinik und Eingliederungsstätte dienen. Die eigentliche Krankheitsphase, die eine klinische Behandlung erfordert; wäre'in einem Spital oder, Badespital (Leukerbad) und nicht in Zurzach zu verbringen. In dieser Bäderheilstätte wären demnach nur wenig Pflegerinnen, dafür aber um so mehr besonders geschulte Heilgymnastinnen beschäftigt. Es sollen Rheuma- und Kinderlähmungspatienten, Verunfallte, Amputierte und sonstwie körperlich Behinderte mit Unterwassergymnastik und Arbeitstherapie nachbehandelt werden, um eine bereits bestehende Invalidität und Pflegebedürftigkeit zu beheben oder zumindest deren Verschlimmerung zu vermeiden, Die Kosten für die Verwirklichung dieses Projektes und die Errichtung des geplanten Volksheilbades werden auf ungefähr 6 Millionen Franken veranschlagt. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass eine derartige Trainingsschule ausserordentlich nützlich und zweckmässig wäre und als Zwischenglied zwischen Klinik oder klinikmässig betriebenem Volksheilbad und den eigentlichen beruflichen Wiedereingliederungsstätteii im Kampfe gegen die Folgen des Rheumatismus, die Invalidität hervorragende Dienste leisten würde.

6. Als letzte, aber keineswegs unwichtigste Eheumabekämpfungsmassnahme ist die Fürsorge für die Opfer der Krankheit zu nennen. Die Bheumafürsorge im weiteren Sinn umfasst die Beratung der Kranken im Anfangsstadium ihres Leidens (Vorsorge) und die Fürsorge im eigentlichen Sinn für die bereits in ihrer Gesundheit und ihrem wirtschaftlichen Fortkommen betroffenen Opfer der Krankheit, die Invaliden oder die durch Invalidität bedrohten Kranken.

Vorsorge ist in jenen Fällen zu treffen, in denen sich gewisse Uniweitfaktoren wie Nässe, Kälte, Zugluft, Arbeitsschäden (Belastungen, Fehlstellungen, Haltungsfehler, die sich aus der besonderen Art der beruflichen Tätigkeit ergeben) usw. als Ursachen der beginnenden rheumatischen Leiden oder als auf deren weitere Entwicklung ungünstig wirkende Umstände erweisen. Hier ist zu versuchen, durch arbeitshygienische Massnahmen im Betrieb die schädlich wirkenden Faktoren auszuschalten, oder den Kranken zu bewegen, einen Wechsel des Arbeitsplatzes vorzunehmen. Ein notwendiger Stellenwechsel wird in vielen Fällen zugleich auch einen Berufswechsel bedeuten und oft nicht ohne vorherige Umschulung vollzogen werden können. Die Patienten sind in allen diesen Fällen natürlich, auch, einer rationellen Eheumatherapie zuzuführen. Die Vorsorgemassnahmen sind im Einvernehmen mit dem behandelnden Arzt und dem Patienten durchzuführen. Besonders bei Hausfrauen, die von Eheuma befallen sind, wird die Frage eines Wohnungswechsels zu prüfen sein, wenn unhygienische Wohnverhältnisse, z.B. feuchte, schlecht geheizte, sonnenlose ParterreWohnungen für die Entstehung der rheumatischen Affektion verantwortlich gemacht werden müssen, oder wenn derartige Umstände einer Besserung ent-

811 gegenstehen. Oft imuss versucht werden, eine Hausfrau von ihren schwersten Arbeiten im Haushalt zu entlasten oder ihr eine Badekur oder auch nur einen Erholungsurlaub zu ermöglichen. In vielen Fällen bedingen diese therapeutischen (Badekur, Spitalbehandlung) oder sozialen Massnahmen (Berufs- und Wohnungswechsel, Arbeitsaussetzung, Anstellung einer Hilfskraft) auch eine finanzielle Unterstützung wirtschaftlich schwächerer Kranker. Es kann kein Zweifel .darüber bestehen, dass in sehr vielen Fällen die durch Eheuma bedingte Arbeitsunfähigkeit, Verkrüppelung und Invalidität, das ganze sich daraus für den Kranken und seine Familie ergebende menschliche und finanzielle Elend und der unserer Volkswirtschaft entstehende Ausfall vermieden werden könnten, wenn die Patienten bereits im Anfangsstadium ihrer rheumatischen Erkrankungen aufgeklärt, fachgemäss beraten und sofort in ärztliche Behandlung gewiesen würden und wenn gleichzeitig die schädlichen Umweltfaktoren durch arbeitshygienische Massnahmen, durch, einen Wechsel des Arbeitsplatzes oder, wenn nötig, des Berufes und bei Hausfrauen durch die Befreiung von einer unhygienischen Wohnung, oder von dauernder Überarbeitung beseitigt werden könnten.

Die Aufgaben der Eheumafürsorge im Sinne der Vorsorge, auf deren Umfang und Ziele wir kurz, hingewiesen haben, sind am zweckmässigsten besonderen privaten Fürsorgeinstitutionen, d.h. Beratungs- und Fürsorgestellen von Eheumahgen zu übertragen.1 Es .darf in diesem Zusammenhang darauf .hingewiesen werden, dass auch die Tuberkulosebekämpfung ursprünglich ausschließlich in den Händen privater Organisationen lag. Es folgte eine Übergangsperiode, in der sich der Bund ohne besondere Rechtsgrundlage finanziell an den Bestrebungen, dieser Institutionen beteiligte und sie auf diese Weise unterstützte.

Schliesshch trat die, gesetzliche Eegelung in Kraft, die sich weitgehend, auf schon bestehende Verhältnisse zu stützen vermochte. Bei der Tuberkulosebekämpfung hat man mit dieser Art der Entwicklung sehr gute Erfahrungen gemacht. Es scheint deshalb wünschenswert, dass auch bei der Bheumabekämpfung die Entwicklung von unten, d.h. von der privaten Fürsorgetätigkeit her, einsetzt. Ausgangspunkt und Träger der Rheumabekämpfung sollen in erster Linie private regionale Organisationen, oder kantonale Ligen sein, in denen alle
am Eheumaproblem interessierten Kreise vertreten sind: Wissenschafter, Ärzte, Leiter von Volksheilbädern, Krankenversicherungs- und Behördevertreter, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Hausfrauen usw.

Kantonale Rheumaligen sind bisher in den Kantonen Genf (1949), Basel (1949), Zürich (1951) und Waadt (1955) als Vereine im Sinne der Artikel 60 ff; Zivilgesetzbuch ins Leben gerufen worden. Wahrend die Genfer Liga bisher das Hauptgewicht ihrer Tätigheit auf die ärztliche Fortbildung und den Betrieb der rheumatologisohen Poliklinik legte, steht bei den Ligen in Zürich und Basel die Fürsorge im Vordergrund. Bereits ein| Jahr nach ihrer Gründung war die Zürcher Rheumaliga in der Lage, eine geschulte Fürsorgerin anzustellen und einen geregelten, ärztlich, geleiteten Beratungsund Fürsorgedienst einzurichten, der seine Sprechstunden in Zürich und seit 1954 auch in Wiriterthur abhält und ständig an Umfang gewinnt, so dass inzwischen bereits eine zweite Fürsorgerin angestellt werden musste. Die Bheumaliga Beider Basel hat zu

812 Beginn des Jahres 1955 eine gemeinsame Fürsorgerin für die medizinische Poliklinik, wo eine medizinische Beratungsstelle für Rheumakranke besteht, und die Liga angestellt, wodurch sie in die Lage versetzt wurde, ebenfalls einen geregelten Fürsorgedienst aufzunehmen, der sich einer steigenden Beliebtheit bei der Bevölkerung erfreut.

Die Waadtländer Liga verfolgt ebenfalls soziale Aufgaben (unentgeltliche Sprechstunden für Unbemittelte) und bezweckt überdies wie alle ändern Ligen die Aufklärung der Bevölkerung über die Bekämpfung des Rheuma, die Gefahren der Vernachlässigung und die Bedeutung einer faohgemässen Diagnose und entsprechenden Behandlung. Auch in ändern Kantonen (z.B. St. Gallen, Tessin, Aargäu) sind zur Zeit Bestrebungen zur Gründung von Rheumaligen im Gange, die aber da und dort auf erhebliche Schwierigkeiten zu stossen scheinen. Von der Ärztegesellschaft .des Kantons Bern und deren medizinischen Bezirksvereinen wurde im Jahre 1953 eine zentrale Rheumaberatungskommission ins Leben gerufen, die sich mit der Beratung ärztlich gemeldeter Rheumafälle zu befassen hat. Im Herbst 1956 hat der Bernische Verein für Invalidenfürsorge als neue Aufgabe die soziale Rheumafürsorge für den Kanton Bern übernommen.

Auf gesamtschweizerischem Gebiet führten .die Bestrebungen der seit Mai 1955 bestehenden «Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Organisationen zur Rheumabekämpfung», nach dem Vorbild der Schweizerischen Vereinigung gegen die Tuberkulose eine solche gegen den Rheumatismus als Dachorganisation der bestehenden kantonalen Rheumaligen zu schaffen, im April 1958 zur Gründung einer Schweizerischen Rheumaliga. Diese bezweckt die Bekämpfung des Rheumatismus auf gesamtschweizerischer Ebene durch Aufklärung der Bevölkerung und Ärzteschaft (Fortbildungskurse) und durch Massnahmen, die der Vorsorge (Reihenuntersuchungen in Schulen, Rekrutenschulen und bei Lehrlingen, Wohn,- und Arbeitshygiene) und Fürsorge (Bereitstellung und Abgabe von Hilfsgeräten, Ausbildung von Fürsorgeärzten und Fürsorgerinnen usw.) dienen. Sie befasst sich in diesem Rahmen mit der Koordination der Tätigkeit der bestehenden kantonalen Ligen und der Planung und Durchführung gemeinsamer Aktionen. Schliesslich fördert sie die Gründung neuer regionaler und kantonaler Ligen.

Bestellt eine dauernde Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit
oder ist der Patient unmittelbar von diesem Zustand bedroht, so können besondere Eingliederungsmassnahmen notwendig werden. Solche Massnahmen fallen in den Bereich der Invalidenversicherung. Immerhin rechtfertigt es sich, der Vollständigkeit halber diese Prägen ebenfalls kurz zu berühren. Auch in diesem Stadium des Leidens spielen die Beratung und die finanzielle Unterstützung der Kranken eine wichtige Holle. Zu den Eingliederungsmassnahmen zählen insbesondere Berufsberatung, berufliche Ausbildung einschliesslich Umschulung, Arbeitsvermittlung sowie spezielle medizinische Massnahmen.

Eine Reihe privater, auf gemeinnütziger Grundlage betriebener Institutionen befasst sich mit der Fürsorge für Invalide. Je nach dem Tätigkeitsgebiet betreuen sie ebenfalls Patienten, die infolge Rheuma invalid geworden sind. Ferner sind zu erwähnen die Institutionen, die auf die Durchführung bestimmter Eingliederungsmassnahmen spezialisiert sind und weitgehend auch der Eingliederung von Rheumatikern dienen, wie beispielsweise die Eingliederungsstätten Basel, Appisberg und Morges.

b. Im Ausland Verglichen mit verschiedenen ändern Ländern sind unsere schweizerischen Anstrengungen auf dem Gebiete der Rheumabekämpfung, gesamthaft betrachtet, noch als recht bescheiden anzusehen.

Im Jahre 1927 wurde die «Ligue Internationale contre le Rhumatisme» gegründet.

Ihrer aufklärenden Tätigkeit ist es vor allem zu verdanken, dass sich die Einstellung gegenüber den rheumatischen Krankheiten im Verlaufe der letzten Jahrzehnte in den

818 meisten Ländern änderte und die früher vorherrschende Passivität nach und nach einer, aktiven Bereitschaft Platz machte, den Rheumatismus mit allen zu Gebote stehenden Mitteln methodisch zu bekämpfen. In fast allen Ländern entstanden nationale Ligen gegen den Rheumatismus, die Mitglieder der Internationalen Liga wurden.

Im Jahre 1947 wurde u.a. auch eine «Europäische Liga gegen den Rheumatismus» als Sektion der Internationalen Liga gegründet. Unser Land ist in der Internationalen Liga durch die Schweizerische Gesellschaft für physikalische Medizin und Rheumatologie vertreten.

; , Die in England getroffenen Massnahmen zur Behandlung der Rheumapatienten in. Rheumakliniken, Bäderspitälern und Volksheilbädem und die dort geschaffenen physikalisch- und balneo-therapeutischen Einrichtungen können als Vorbild dienen.

In den Vereinigten Staaten von Amerika befasst sich ein besonderes Forschungsinstitut mit der Erforschung von Rheuma und Stoffwechsel. Dort1 werden die einzig nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten ausgewählten Patienten kostenlos behandelt und verpflegt. Sein Unterhalt kostet den Staat jährlich 1% Millionen Dollars. Einen gleich hohen Betrag gibt die Regierung, jährlich für den Ausbau von Spitalabteilungen für physikalische Therapie und Rehabilitation sowie für die Unterstützung von Wissenschaftern aus, die auf dem Gebiete der Rheumatologie Forschungen betreiben.

Die «American Rheumatism Association», die rheumatologische Arztegesellschaft, beteiligt sich an der Rheumabekämpfung in äusserst aktiver Weise, indem sie Untersuchungen über den Stand und die Aufgaben der Forschung und der klinischen Behandlung der Rheumatiker sowie über die sich aus den rheumatischen Krankheiten ergebenden sozialen Probleme anstellt. Gestützt auf die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurde ein gross angelegtes Programm für die Rheumabekämpfung auf weite Sicht ausgearbeitet. Es wurde eine nationale Organisation, die «American Rheumatism arid Arthritis Foundation», ins Leben gerufen, eine Stiftimg, welche die zur Durchführung dieses Programms erforderlichen Mittel, jährlich 2 Millionen Dollars, zu beschaffen hat, wobei der grösste Teil dieser Summe der Forschung zugute kommt. Die Untergruppen dieser Stiftung entsprechen ungefähr unseren kantonalen Rheumaligen. Sie befassen sich mit der Aufklärung und Propaganda
im grössten Ausmasse, mit Geldsammelaktionen und mit der Gewährung von Stipendien an Ärzte, denen Gelegenheit geboten wird, sich an Rheumakliniken während 3-12 Monaten weiter auszubilden.

Grosses Gewicht wird auch auf die gründliche Ausbildung spezieller Rheumafürsorgerinnen, Heilgymnastinnen und anderen Pflegepersonals für Rheumaldiniken gelegt.

Es werden ferner grosse Beiträge an die Erstellung von Abteilungen für physikalische Therapie und Rehabilitation, die Anschaffung besonderer Einrichtungen und Apparate · sowie von kostspieligen Heilmitteln für minderbemittelte Patienten ausgerichtet. Die Entwicklung und Ausgestaltung des Fürsorgewesens ist vorbildlich. So werden z.B.

fliegende Equipen, bestehend aus einem Arzt, einer Krankenschwester und einer Physiotherapeutin eingesetzt, die invalide Patienten zu Hause aufsuchen und behandeln.

Auch in Holland ist die Rheumabekämpfung sehr gut organisiert. Hier wurde seinerzeit die erste Rheumaberatungsstelle der Welt eröffnet. Heute besteht über das ganze Land verteilt ein Netz von Rheumazentren. Dies sind ärztlich geleitete, meist auch Rheumakliniken angegliederte Beratungsstellen. Auch hier sind mobile Equipen zur Hausbehandlung gehunfähiger Patienten tätig. In den Zentren wird auch wissenschaftlich gearbeitet. Überdies bestehen besondere Forschungsstationen. Die niederländische Rheumaorganisation erfasst jährlich mindestens 20 000 Neuerkrankte und betreut überdies 70 000 Leidende, die bereits länger als ein Jahr krank sind. Die erzielten Erfolge sind anerkannt und unbestritten. Die Leistungen der Rheumabera» tungsstellen sind für die Patienten kostenfrei. Alle aufgeführten Institutionen sind privater Natur. Der holländische Staat beschränkt sich vorwiegend auf die Koordination und Subventionierung der verschiedenen Bestrebimgen und auf die Überwachung der richtigen Verwendung der gewährten Subventionen. Zwischen dem staatlichen Gesundheitsdienst und den einzelnen privaten, der Rheumabekämpfung dienenden Institutionen und Organisationen besteht eine enge Zusammenarbeit.

814 Im Gegensatz dazu wird die Rheumabekämpfung in Schweden vorwiegend durch den staatlichen Gesundheitsdienst organisiert und durchgeführt. Da in Schweden bereits 1913 nicht nur eine Alters- und Hinterbliebenen-, sondern auch eine Invalidenversicherung eingeführt wurde, ist das staatliche Versicherungsamt insbesondere an der Bekämpfung der invalidisierenden Wirkung des Rheuma interessiert. Von der staatliehen Versicherung wurden deshalb besondere Rheumakliniken errichtet und Rheumaabteilungen in bereits bestehende Spitäler eingebaut. Zum Teil wurden diesen Kliniken auch Rheumaberatungsstellen angegliedert. Im Jahre 1945 wurde eine nationale Gesellschaft zur Bekämpfung der rheumatischen Krankheiten gegründet und im Jahre 1948 die Schwedische Rheumatologische Gesellschaft, die Ärzte und Wissenschafter umfasst. Auch die Forschung wird in Schweden nicht vernachlässigt und durch eine Stiftung mit erheblichen Beiträgen unterstützt. Es besteht ein mit den modernsten Einrichtungen dotiertes Forschungsinstitut, neben dem eine mit Laboratorien und allen modernen Einrichtungen reichlich versehene Rheumaklinik errichtet wurde, der eine Beratungsstelle angegliedert ist. Sowohl in Holland als auch in Schweden ist der jeweilige Chef einer Rheumaklinik zugleich Chef der physikalischen Abteilung des Spitals und Vorsteher der Beratungsstelle. Auch hier stellt die physikalische Therapie, insbesondere die Heilgymnastik, die wichtigste Behandlungsmethode des Rheuma dar.

II. Entstehungsgeschichte des vorliegenden Gesetzesentwurfs

Bereits im Bundesratsbeschluss vom 29. Juli 1942 über die Regelung der Arbeitsbeschaffung in der Kriegskrisenzeit wurde die Gewährung von Bundesbeiträgen von 40 Prozent für Bädererneuerungen vorgesehen. Damit hat der Bundesrat schon damals die Notwendigkeit des Ausbaus der Badekurorte anerkannt und eine entsprechende Bundeshilfe zugesichert. Allerdings führten damals weniger gesundheitspolitische und soziale, als vielmehr wirtschaftliche und verkehrspolitische Beweggründe zu diesem Beschluss.

Wie bereits erwähnt, reichte Herr Nationalrat Schirmer zwei Jahre später, am 20. Juni 1944, ein Postulat ein, mit dem er in Verbindung mit dem Postulat Frei vom. 8. Juni 1944 über den medizinischen Ausbau der Kur- und Erholungsorte den Bundesrat einlud, die Frage zu prüfen, wie, unabhängig von den Arbeitsbeschaffungskrediten in Znsammenarbeit von Privatwirtschaft, Bund und Kantonen die Bestrebungen des Verbandes Schweizer Badekurorte zum Ausbau der schweizerischen Volksheilbäder unterstützt und finanziert werden könnten.

In seiner Begründung wies Herr Schirmer auf die enormen Schäden hin, die der schweizerischen Volkswirtschaft alljährlich durch den Eheumatismus entstehen, und auf die erhöhte Bedeutung, die der Nachbehandlung der epidemischen Kinderlähmung infolge der ständig steigenden Erkrankungsziffern zukomme.

Das Postulat Schirmer wurde am 28.Dezember 1944 vom Bundesrat zur Prüfung entgegengenommen.

Am 9. Oktober 1946 reichte Herr Nationalrat Oldani ein Postulat folgenden Wortlauts ein : «Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen, ob nicht gestützt auf Artikel 69 der Bundesverfassung, den eidgenössischen Räten eine Gesetzesvorlage zu unterbreiten sei, die eine umfassende Bekämpfung der Rheumaerkrankungen ermöglicht.

Das Gesetz soll die Grundlagen schaffen, um die Volksgesundheit in vermehrtem Masse vor dieser Krankheit zu schützen und die daran Erkrankten wieder zu

815 :

heilen. ,Bs soll alle Massnahmen ermöglichen, die geeignet sind, die gewaltigen Aufwendungen für diese Krankheit und die Verluste an Arbeitseinkommen zu senken.»

Auch Herr Oldani wies zur Begründung seines Postulates vor allem auf den grosseil Schaden hm, welcher der schweizerischen Volkswirtschaft Jahr für Jahr durch den Rheumatismus und seine Folgen (Behandlungskosten und Arbeitsausfall infolge von Krankheit und Invalidität) entsteht. Er stützte sich dabei zur Hauptsache auf die Arbeit von Brück, auf die wir bereits einleitend hingewiesen haben. In seiner Antwort bejahte der Vorsteher des Departements des Innern die rechtliche Möglichkeit, ein eidgenössisches Rheumagesetz auf Grund von Artikel 69 der, Bundesverfassung zu erlassen. Dagegen bezog er zu der weiteren Frage, ob gesundheitspolitische Erwägungen es rechtfertigen und sogar wünschbar erscheinen lassen, dass der Bund zur Bekämpfung des Rheumatismus von dem ihm gemäss Artikel 69, zustehenden Gesetzgebungsrecht Gebrauch macht, nicht endgültig Stellung. ,Er betonte, dass die Schaffung eines Bundesgesetzes über die Bekämpfung des Rheumatismus nicht nur,durch die Komplexität der medizinischen und sozialen Fragen, sondern auch mit Bücksicht auf die Ausgangsbasis eine in ihren Schwierigkeiten nicht zu unterschätzende .Aufgabe bilden werde, zu deren Lösung das weitschichtige Problem der Rheumabekämpfung einer besonders eingehenden Prüfung bedürfe. Zu diesem Zwecke sollte eine Kommission eingesetzt werden, deren Zusammensetzung dafür Gewähr bieten würde, dass alle mit diesem Problem zusammenhängenden Fragen gründlich studiert würden. Diese Kommission hätte auch die bestehenden Möglichkeiten für eine gesetzliche Regelung zu untersuchen., Im Sinne dieser Ausführungen wurde das Postulat Oldani am S.Dezember 1946 zur Prüfung entgegengenommen; .

, , .

Am 20. Februar 1948 beschloss der Bundesrat auf Antrag des Departements des Innern, eine Eidgenössische Kommission/zur Bekämpfung der Rheumaerkrankungen zu schaffen, und sie als konsultative Kommission dem Departement de,s Innern zu unterstellen,, wobei als eine ihrer Aufgaben ausdrücklich die nähere Prüfung der Möglichkeiten einer gesetzlichen Regelung .bezeichnet wurde. Die Kommission arbeitete im Einverständnis mit dem Vorsteher des Departements des Innern einen,Entwurf zu einem,eidgenössischen Rheumagesetz aus, den sie diesem Departement im Februar 1955 einreichte.

Es mussten sodann die Einführung der eidgenössischen Invalidenversicherung und das Ergebnis
der Vorarbeiten betreffend die Revision des KUVG abgewartet werden. Um ein Überschneiden dieser drei Gesetze nach Möglichkeit zu vermeiden, wurde der dem Departement des Innern von der Eidgenössischen Rheumakommission vorgelegte Gesetzesentwurf in einigen wesentlichen Punkten abgeändert.

, , , , , , III. Allgemeine Bemerkungen zum Gesetzesentwurï Der vorliegende Erlass verfolgt den Zweck, die ' rheumatischen Krankheiten durch geeignete Massnahmen wenn möglich zu verhüten oder zumindest frühzeitig zu erfassen. und fachgemäss zu behandeln und a u f , diese Weise die

816 Rheumabekämpfung wirksam zu gestalten und zu fördern. Um diesen Zweck erreichen zu können, sollen in erster Linie die wissenschaftliche Forschung, die Aufklärung der Bevölkerung, die gründliche Ausbildung der Ärzteschaft, die Erstellung neuer und der Um- und Ausbau bestehender Behandlungszentren sowie die Beratung und Betreuung der Patienten finanziell unterstützt werden.

Das angestrebte Bndziel besteht somit darin, die Krankheit womöglich zu verhüten oder dann die erkrankten Personen in einer möglichst grossen Anzahl von Fällen vor drohender Invalidität und Erwerbsunfähigkeit zu schützen.

Als verfassungsrechtliche Grundlage dient dem vorgesehenen Erlass Artikel 69 der Bundesverfassung, wonach der Bund befugt ist, zur Bekämpfung übertragbarer oder stark verbreiteter oder bösartiger Krankheiten von Menschen und Tieren gesetzliche Bestimmungen zu treffen. Der Bund kann nur zur Bekämpfung solcher Krankheiten legiferieren, die zumindest eine dieser drei Eigenschaften aufweisen. Die rheumatischen Krankheiten sind - wie wir einleitend festgestellt haben - zwar nicht übertragbar, dafür jedoch ausserordentlich stark verbreitet. Vor allem dieser Umstand und die damit verbundenen volkswirtschaftlichen Gesichtspunkte rechtfertigen den Erlass des in Aussicht genommenen Gesetzes. Wenn auch dem peripheren Bheumatismus und vor allem seinen besonders häufigen degenerativen Erscheinungsformen kein lebensbedrohender Charakter zukommt, und deshalb von «bösartig» in diesem spezifisch medizinischen Sinne wohl nicht gesprochen werden kann, so sind trotzdem zumindest gewisse Rheumaformen (wie die chronische Polyarthritis, die Coxarthrosen u.a.m.) auch als «bösartig» im Sinne von Artikel 69 zu bezeichnen. Nach allgemeinem Sprachgebrauch, der für die Auslegung dieser Verfassungsbestimmung vor allem massgebend ist, haben als «bösartig» nicht nur lebensbedrohende, sondern auch andere schwere Krankheiten zu gelten, die zu chronischem Siechtum oder Invalidität führen und deshalb nachhaltige und schwerwiegende Folgen für die Lebens- und Berufsgestaltung der Betroffenen (Einschränkung der Bewegungs-, Arbeits- und Erwerbsfähigkeit, Verarmung) nach sich ziehen können. Es können somit wohl kaum Zweifel an der Bösartigkeit vieler rheumatischer Krankheiten bestehen, so dass ein Eingriff des Staates im Hinblick auf die Bekämpfung
dieser wahren Volkskrankheit nicht nur ihrer grossen Verbreitung, sondern auch ihrer Bösartigkeit wegen gerechtfertigt erscheint.

Es könnte die Frage aufgeworfen werden, weshalb nur gerade die rheumatischen Krankheiten Gegenstand einer bundesgesetzlichen Regelung bilden sollen und weshalb aus Gründen der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller Kranken nicht auch Massnahmen gegen andere weitverbreitete und bösartige chronische Krankheiten wie z.B. Krebs, Herz- und Gefässkrankheiten, multiple 'Sklerose, Geisteskrankheiten usw. in ein entsprechend erweitertes Gesetz einzubeziehen seien. Die Gründe, die eine besondere Regelung der Massnahmen zur. Rheumabekämpfung in einem Spezialgesetz und damit eine scheinbare Bevorzugung der Rheuma-Patienten vor anderen chronisch Kranken zu rechtfertigen vermögen und als notwendig erscheinen lassen, sind nicht nur sozialmedizinischer, sondern vor allem volkswirtschaftlicher Natur. Es ist davon

817 auszugehen, dass der vorgesehene Brlass nicht nur den Zweck verfolgt, die Volksgesundheit zu heben, sondern auch die grossen Schäden zu senken, die der schweizerischen Volkswirtschaft jährlich durch Arbeitsausfall und Invalidität infolge Eheuma entstehen. Diese Zweckbestimmung deckt sich übrigens auch mit dem Wortlaut des Postulats Oldani, das den Ausgangspunkt des vorliegenden Entwurfs bildet. Es steht nun fest, dass.keine andere chronisch verlaufende Krankheit mit häufigen Dauerschäden derart weitverbreitet wie der Bheumatisrnus ist und zugleich unserer Volkswirtschaft annähernd so grosse Verluste zufügt. Ferner ist daran zu erinnern, dass die Behandlungskosten für Eheuma in den meisten Fällen ausserordentlich hoch zu stehen kommen, da die physikalische Therapie .komplizierter und kostspieliger Einrichtungen bedarf und, nur von besonders qualifiziertem und geschultem Personal durchzuführen ist, wenn sie ihren Zweck erfüllen soll. Dies führt dazu, dass eine grosse Anzahl Patienten sich überhaupt nicht oder nicht, genügend lange behandeln lassen kann, da sie nicht über,die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt. Schliesslich ist die hohe Kosten verursachende Behandlung in den meisten Fällen Jahre hindurch - abgesehen von periodischen Unterbrechungen - anzuwenden, wobei nicht vergessen werden darf, dass die Möglichkeit einer sachgemässen Therapie in vielen Fällen nicht nur wegen der hohen Kosten fehlt, sondern auch weil zu wenig entsprechend eingerichtete und mit ausgebildetem Personal, versehene Heilstätten vorhanden sind. Ähnliche Verhältnisse bestehen inbezug auf andere weit verbreitete chronische Krankheiten jedenfalls nicht.

Die Subkommission für Versicherung und Gesetzgebung der Eidgenössischen Eheumakommission ging zu Beginn, ihrer Vorarbeiten zu einem Bheumagesetz vom eidgenössischen Tuberkulosegesetz als Vorbild aus. Die ersten .Entwürfe sahen denn auch in enger Anlehnimg an dieses Bundesgesetz vor, den Kantonen gewisse Aufgaben und Pflichten im Eahmen der Rheumabekämpfung von Bundesrechts wegen zu überbinden. Entsprechend dem vom Vorstand der Sanitätsdirektoren-Konferenz zum Ausdruck gebrachten Wunsche wurde in der Folge darauf verzichtet, die Kantone zu bestimmten Leistungen und Massnahmen durch entsprechende Vorschriften zwingenden Charakters zu verpflichten. Mit dieser Lösung
wird dem Umstände Eechnung getragen, dass,die gesetzliche Eegelung des Gesundheitswesens grundsätzlich in die Kompetenz der Kantone fällt. Der Bund soll sich deshalb auf diesem Gebiete nur soweit in den kantonalen Aufgabenbereich einmischen, als dies im Interesse der Sache unbedingt nötig erscheint. Im Hinblick auf die Verhütung der Weiterverbreitung der Tuberkulose als einer übertragbaren Krankheit mussten alle Kantone zur Vornahme gewisser Massnahmen von Bundesrechts wegen verpflichtet werden, wenn deren Wirksamkeit nicht ernstlich in Frage gestellt werden sollte. Im Gegensatz dazu bestehen bei der Eheumabekämpfung keine sachlichen Gründe, die nach zwingenden eidgenössischen Vorschriften rufen. Der vorliegende Ge. setzesèntwurf beschränkt sich deshalb darauf, den Kantonen Bundesbeiträge in Aussicht zu Stellen, wenn sie von sich aus die im Gesetz erwähnten Anstrengungen unternehmen. Massnahmen und Einrichtungen, die, der Bekämpfung

818 des Bheumatismus dienen und sie wesentlich zu fördern geeignet sind, sollen subventioniert werden, vorausgesetzt, dass auch die Kantone entsprechende finanzielle Anstrengungen unternehmen. Auf diese Weise sollen Kantone, Gemeinden und private gemeinnützige Organisationen dazu angespornt werden, die zu einer wirksamen Eheumabekämpfung erforderlichen Massnahmen freiwillig zu ergreifen. Damit hat der im Entwurf vorliegende Erlass den Charakter eines reinen Subventionsgesetzes angenommen.

Die Eidgenössische Kommission zur Bekämpfung der Bheumaerkrankungen hatte in ihrem Entwurf auch die Gewährung besonderer Bundesbeiträge an anerkannte Krankenkassen befürwortet, die in ihren Statuten für die Behandlung und Pflege von1 Eheumakranken Leistungen vorsehen, welche nach Umfang und Dauer über die den Kassen gemäss dem Bundesgesetz vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung (KUVG) obliegenden Pflichtleistungen hinausgehen. Sie sah eine entsprechende Bestimmung vor, die bis zum Inkrafttreten eines neuen Krankenversicherungsgesetzes hätte gelten sollen. Wir haben jedoch davon abgesehen, diese Bestimmung in den vorliegenden Gesetzesentwurf aufzunehmen.

Das KUVG macht inbezug auf die Subventionierung der Krankenkassen grundsätzlich keinen Unterschied zwischen einzelnen Krankheiten. Die Bundesbeiträge werden den Kassen in Eorrn von Kopf beitragen, d.h. je Mitglied und Jahr gewährt. Die Vorteile dieses Systems beruhen auf seiner Einheitlichkeit und besonders darin, dass es einfach in der Anwendung und Kontrolle und deshalb administrativ leicht durchführbar ist. Dabei wird ferner vermieden, dass einzelne Krankheiten gegenüber ändern, die ebenso kostspielig sind und den Versicherten wirtschaftlich daher ebenso stark belasten, bevorzugt werden und dadurch Ungleichheiten unter den Versicherten entstehen. Diese Vorteile müssten notgedrungen um so mehr verloren gehen, je mehr zu Regelungen geschritten würde, bei denen für einzelne Krankheiten besondere Leistungen und Bundesbeiträge vorgesehen werden.

Nun besteht allerdings, gestützt auf das Bundesgesetz vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose in der Form der Tuberkuloseversicherung bereits eine solche Sonderregelung. Sich darauf berufen zu wollen, wäre aber verfehlt, weil dort ein Spezialfall vorliegt, indem die Allgemeinheit
aus epidemiologischen Gründen an der Bekämpfung und zweckmässigen Behandlung dieser Krankheit besonders interessiert ist. Sodann ist die Tuberkulose gegenüber ändern Krankheiten verhältnismässig leicht abgrenzbar, und die Zahl der Fälle ist verglichen mit den Eheumafällen verhältnismässig klein. Die Kontrolle der Bundesbeiträge lässt sich deshalb mit einem tragbaren Verwaltungsaufwand wirksam durchführen. Beim Eheuma dagegen ist die Abgrenzung gegenüber ändern Krankheiten viel schwieriger, und die Fälle betragen ein Mehrfaches der Tuberkulosefälle. Es ist deshalb fraglich, ob eine, wirksame Kontrolle der Bundesbeiträge möglich wäre. Auf .alle Fälle wäre eine Ausdehnung des Verwaltungsapparates unvermeidlich.

819 Schliesslich ist darauf aufmerksam zu machen, dass gegenwärtig die Vorarbeiten für die Bevision der Krankenversicherung im Gange sind. Im Bahrnen des geplanten Ausbaues der Pflichtleistungen der anerkannten Krankenkassen werden auch die krankenversicherten Kheumapatienten einen erhöhten Versicherungsschutz erhalten. Die den Krankenkassen dadurch auferlegten Mehrlasten sollen vom Bund durch eine entsprechende Anpassung seiner bisherigen Beiträge mitgetragen werden. Von der vorgesehenen, generellen Ausdehnung der gesetzlichen Mindestleistungsdauern in der Krankenpflege- und Krankengeldversicherung werden auch die Bheumabehandlungön, erfasst. Die für die Bheumakranken besonders wichtige physikalische Therapie soll grundsätzlich,zur Pflichtleistung erklärt werden. Damit erhalten die Rheumakranken in der Krankenversicherung auch inhaltlich wesentlich i erweiterte Leistungen.

Der in der Bevision der Krankenversicherung vorgesehene Leistungsausbau, durch den namentlich die langdauernden Krankheiten erfasst werden sollen, geschieht gesamthaft für alle Krankheiten,, um die mit jeder Sonderregelung für einzelne Krankheiten verbundene Ungleichheit im Leistungsanspruch der Versicherten zu vermeiden. Denn es liesse sich nicht rechtfertigen, dass nur einzelne Gruppen .von langdauernd Kranken in, den Genuss erweiterter Krankenversicherungsleistungen kommen sollen, während andere an einer solchen Krankheit leidende Versicherte kürzere oder inhaltlich beschränktere Leistungen erhalten würden. Aus diesem Grunde ist eine Sonderregelung für Bheumakrànke in der Krankenversicherung nicht angebracht. Grundsätzlich ist es Aufgabe der Bevision der Krankenversicherung, die Leistungen bei Bheumaérkrankungen im Bahrnen des Ausbaues der gesetzlichen Mindestleistungen für die langdauernden Krankheiten zu ordnen.

· .l Aus diesen Gründen haben wir die Auffassung, dass im Bahrnen der gegenwärtigen Vorlage von besonderen Bundesbeiträgen an Leistungen,der Kranken: kassen für Bheumaérkrankungen abzusehen ist.

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, Es war auch zu prüf en,, wie weit Überschneidungen mit dem Bundesgesetz über die Invalidenversicherung vom 19. Juni 1959 eintreten könnten. Die Invalidenversicherung gewährt neben den individuellen Leistungen (Eingliederungsmassnahmen, Benten,, Hilflosenentschadigungen) auch Bau- ;und Betriebsbeiträge, an
Anstalten und,"Werkstätten für Invalide. Ferner erhalten, Institutionen der privaten Invalidenhilfe, Beiträge aus .Mitteln der Invalidenversicherung an die Kosten für bestimmte Tätigkeiten zugunsten Invalider (Beratung und Betreuung Invalider, Beratung der Angehörigen Invalider, Kurse zur Ertüchtigung Invalider sowie Aus- und Weiterbildung von Lehr- und Fachpersonal zur Betreuung, Ausbildung und beruflichen Eingliederung Invalider).

Hinsichtlich der individuellen Leistungen der Invalidenversicherung bestehen keine Kollisionsmöglichkeiten mit dem vorliegenden Entwarf zum Bheuma-Gesetz, da dieser keine direkten Zuwendungen an Bheumakrànke vorsieht.

Dagegen sind mit Bezug auf die Bau- und Betriebsbeiträge gewisse Überschneidungen möglich. Gemäss Artikel 73 Invalidenversicherungs- Gesetz gewährt die Invalidenversicherung Beiträge an die Errichtung, den Ausbau und

820 die Erneuerung von öffentlichen und gemeinnützigen privaten Anstalten und Werkstätten, die in einem wesentlichen Umfang Eingliederungsmassnahrnen durchführen. Bei Prüfung allfälliger Kollisionsmöglichkeiten mit dem vorhegenden Entwurf zum Bheuma-Gesetz stellt sich daher in erster Linie die Frage, wie weit Rheumakranke überhaupt Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung .beanspruchen können. Geinäss Artikel 12 InvalidenversicherungsGesetz hat der Versicherte Anspruch auf medizinische Massnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren.

Abgesehen von gewissen Vorkehren bei Spätfolgen von rheumatischen Krankheiten (z.B. operative Eingriffe) zählen in der Eegel die zur Bheumabekämpfung notwendigen medizinischen Massnahmen zur Behandlung des Leidens an sich und scheiden somit als Leistungen der Invalidenversicherung aus. Etwas häufiger werden bei Eheumatikern im Eahmen der Invalidenversicherung Massnahmen beruflicher Art (wie Berufsberatung, Umschulung, Arbeitsvermittlung) durchzuführen sein, da oft zur Erhaltung oder Verbesserung der Erwerbsfähigkeit ein Wechsel des Arbeitsplatzes oder des Berufes notwendig wird. Diese Massnahmen übernehmen jedoch in der Eegel nicht die spezifischen Therapiezentren der Eheumabekämpfung, sondern die freie Wirtschaft oder die Eingliederungsstätten. Da bei Berechnung der Bau- und Betriebsbeiträge nur die für die Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung notwendigen Aufwendungen berücksichtigt werden und zwar nur dann, wenn sie im Verhältnis zum gesamten Aufgabenbereich der betreffenden Institution als wesentlich zu betrachten sind, dürften die Überschneidungen mit dem vorliegenden Entwurf zum Ehenma-Gesetz nur gering sein.

Nach Artikel 74 des Invalidenversicherungs-Gesetzes sodann können Piheumafürsorgestellen allenfalls Beiträge erhalten, insbesondere für die Betreuung invalider Eheumatiker und die Beratung ihrer Angehörigen. Da die Patienten, welche die Voraussetzungen für Eingliederungsmassnahmen oder Eenten der Invalidenversicherung erfüllen, im Verhältnis zur Gesamtzahl der zu beratenden Eheurnakranken wohl nur eine kleine Gruppe ausmachen,
ist auch auf diesem Gebiet nicht mit wesentlichen Überschneidungen zwischen der Invalidenversicherung und dem Entwurf zum Eheuma-Gesetz zu rechnen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass zwischen dem Invalidenversicherungs-Gesetz und dem vorliegenden Entwurf nur wenige, geringfügige Überschneidungen bestehen. Immerhin stellt sich die Erage, ob in das BheurnaGesetz eine besondere Bestimmung zur Vermeidung solcher Kollisionen aufgenommen werden müsse. Dies ist zu verneinen. Gemäss Artikel 75, Absatz 2 entfällt ein Anspruch auf Beiträge der Invalidenversicherung, soweit auf Grund anderer Bundesgesetze Beiträge an Aufwendungen im Sinne der Artikel 72 bis 74 des Invalidenversicherungs-Gesetzes gewährt werden. Durch diese Bestimmung ist somit die notwendige Koordination bereits gewährleistet.

'

821

Die Bekämpfung des Bheumas soll keineswegs etwa ausschliesslich Sache des Staates sein, sondern sie hat im Zusammenwirken zwischen Bund, Kantonen, Gemeinden und der privaten gemeinnützigen Fürsorgetätigkeit zu geschehen. Auch bei der Bekämpfung des Eheumatismus soll somit inskünftig der Privatinitiative, den privaten gemeinnützigen Organisationen eine wichtige Eolle zufallen. Der: Staat hat die Tätigkeit dieser Institutionen durch Beitrage zu unterstützen. Während, im Jahre 1946, als Nationalrat Oldanisein Postulat einreichte, noch keine kantonale Bheümaliga bestand, hat unterdessen die damals vom Vorsteher des Departements des Innern als noch fehlend bezeichnete Entwicklung von unten, von seiten der privaten Organisationen her eingesetzt, indem verschiedene kantonale ßheumaligeh ins Leben gerufen worden (Genf, Basel, Zürich, Waadt und iri einem gewissen Sinne auch Bern)j weitere im; Entstehen begriffen sind und überdies eine «Schweizerische Bheumaliga» als Dachorganisation geschaffen wurde. Diese jungen privaten Organisationen bedürfen dringend der erforderlichen finanziellen Mittel, ran den Kampf gegen das Eheuma mit der nötigen Durchschlagskraft und Wirksamkeit führen zu : können.

, IV. Bemerkungen zu den einzelnen Bestimmungen des Entwurfs Der vorhegende Gesetzesentwurf gibt uns im einzelnen zu folgenden erläuternden Bemerkungen Anlass : :

, ' " Titel ' ' , ' ' :' Dem Umstände, dass das Gesetz .nicht zu bestimmten Bekämpfungsniassnahmen verpflichtet, sondern lediglich .die Ausrichtung von.Bundesbeiträgen an die Bheumabekämpfung vorsieht, ist im Titel Eechnung getragen.

1

. , .

Ingress , , Die verfassungsrechtliche Grundlage des Erlasses ist, wie wir bereits1 im vorhergehenden Kapitel i estgestellt haben, in Artikel 69 und inbezug auf die Strafbestimmung in Artikel ,64Ws Bundesverfassung gegeben., ''.

, ."'''

Artikel l , '· , ' Dieser einleitende.Artikel bestimmt in Form eines1 Grundsatzes den Sinn und Zweck des Gesetzes : i Die Förderung der Eheumabekämpfung durch den Bund. Auf welche Weise und iri welchem Umfange dies im einzelnen zu geschehen hat, ergibt sich aus den nachfolgenden Bestimmungen. Der Grundsatz ist nicht i so zu verstehen, dass jegliche Art von «Eheumabekämpfung» unterschiedslos vom Bunde zu fördern ist. Zu unterstützen sind vielmehr lediglich diejenigen .Massnahmen, die sich,nach .der herrschenden Auffassung der Fachkreise als wirksam erwiesen haben. . ' Gegenstand des Gesetzes ist somit die Förderung der Eheumabekämpfung und | nicht etwa der physikalischen Therapie im allgemeinen, wie zu Artikel 4, Absatz l noch näher auszuführen sein wird.

, Bundesblatt. 113. Jahrg. Bd. II.

56

822 Artikel 2 und 3 In diesen beiden Artikeln wird der Anwendungsbereich des Gesetzes festgelegt. Demnach wird grundsätzlich unterschieden zwischen -wissenschaftlicher Forschung einerseits und sämtlichen übrigen Bekämpfungsmassnahmen anderseits, die in den nachfolgenden Bestimmungen aufgeführt werden. Während alle weiteren Massnahmen nur soweit vom Bunde unterstützt werden sollen, als sie sich auf die in Artikel 3 abschliessend aufgezählten rheumatischen Krankheitsformen beziehen, ist vorgesehen, die wissenschaftliche Tätigkeit auf dem gesamten Gebiete der Eheumatologie ohne Beschränkung auf besondere Erscheinungsformen zu fördern. Auf dem Wege der Gewährung von Bundesbeiträgen an die Forschung soll die Grundlage der Bheumabekämpfung im weitesten Sinne verstärkt werden. Die medizinische Subkommission der Eidgenössischen Bheumakomrm'ssion gelangte nach gründlicher Prüfung des ganzen Problems, zur Auffassung, dass es nach dem heutigen Stande der medizinischen Wissenschaft nicht möglich ist, eine wissenschaftlich genaue, einwandfreie und unanfechtbare Definition des - umfassenden Begriffes «Rheumatismus» aufzustellen. Gegenstand der gemäss Artikel 2 zu subventionierenden wissenschaftlichen Tätigkeit bildet somit jede Krankheit, die nach der herrschenden medizinischen Lehre zum Formenkreis des Rheumatismus, im weitesten Sinne gezählt wird. Die Forschung bildet - wie bereits eingangs erwähnt - den Ausgangspunkt für jede erfolgreiche Rheumabekämpfung, da ihre Ergebnisse für die Gestaltung aller übrigen Bekämpfungsmassnahmen von ausschlaggebender Bedeutung sind. Es rechtfertigt sich daher durchaus, die Forschung als die wohl wichtigste Bekämpfungsmassnahme auf diese Weise zu privilegieren. Eine Beschränkung der Beitragsleistung an die Forschung über bestimmte rheumatische Krankheiten wäre überdies in vielen Fällen praktisch kaum möglich, da sich Fragestellung und Ergebnisse vieler wissenschaftlicher Arbeiten auf verschiedene Gebiete der Rheumatologie erstrecken und eine Abgrenzung infolgedessen nur sehr schwer oder überhaupt nicht durchführbar wäre.

Artikel 2, Absatz l sieht somit Bundesbeiträge an besondere wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gesamtgebiete der Rheumatologie (Personal- und Materialkosten) und an die Verbreitung der dabei gewonnenen Kenntnisse durch Publikationen (Druckkosten)
vor. Subventionsempfänger kann grundsätzlich jeder schweizerische oder ausländische Wissenschafter mit Wohnsitz in der Schweiz (Art. 23 ZGB) sein, gleichviel, ob er die Arbeit an einem besondern Institut für Rheumaforschung, an einer schweizerischen Hochschule oder als Privatperson durchgeführt und veröffentlicht hat. Es wird sich dabei vornehmlich um medizinische Arbeiten handeln. Nicht ausgeschlossen ist jedoch, dass auch chemische, volkswirtschaftliche,, statistische und sozialpolitische Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Rheumatologie subventioniert werden.

Ausdrücklich hervorgehoben sei, dass die allgemeine Forschungstätigkeit an den Instituten für physikalische Therapie der Universitäten unseres Landes sowie die entsprechende Ausrüstung nach Artikel 2, Absatz l nur soweit sub-

, ,

.

, '823

ventioniert werden, als sie unmittelbar der Erforschung des Bheumatismus und seiner Behandlung dienen.

: Bei der Beurteilung der zur Subventiönierung vorgelegten Arbeiten wird dem''Eidgenössischen Departement des Innern (Gesundheitsamt) die Eidgenössische Bh'eumakommission als beratende Instanz zur Verfügung stehen.

Gemäss Artikel 2, Absatz 2 werden an wissenschaftliche Arbeiten von Organen oder Angestellten von Erwerbsunternehmen und an die Verbreitung der dabei gewonnenen Erkenntnisse keine Bundesbeiträge gewährt.

In Absatz l von Artikel 3 wird festgelegt, was unter dem in den nachfolgenden 'Bestimmungen verwendeten Begriff der rheumatischen Krankheiten zu verstehen ist. Die Bekämpfungsmassnahmen ausser der Forschung sollen demnach vom Bunde nur soweit unterstützt werden, als sie sich gegen die hier abschliessend aufgezählten rheumatischen Krankheitsformen richten, die durch ihr häufiges Auftreten, ihren Verlauf und ihre invalidisierende Wirkung der Volkswirtschaft fortgesetzt Schäden grössten Ausmasses verursachen. Die rheumatischen Krankheiten ini Sinne der folgenden gesetzlichen Bestimmungen (juristischer Begriff) umfassen somit nicht alle, Krankheiten aus dem Formenkreis des Bheumatismus (medizinischer Begriff), sondern nur jene,, die den Bewegungsapparat betreffen (peripherer Eheumatismus) und überdies ausdrücklich in Artikel 3, Absatz l des Gesetzes aufgeführt sind. ;' Nicht unter die Artikel 4 ff. des Gesetzes fallen somit einmal alle Formen des viszeralen Eheumatismus, die rheumatischen Erkrankungen der inneren, Organe, insbesondere der Gefässe und des Herzens. Diese Bheumaformen wurden aus verschiedenen Gründen ausgeschieden. In vielen Fällen ist die Abklärung, ob eine Herz- oder Gefässaffektion tatsächlich rheumatischer, Natur ist, .mit grossen Schwierigkeiten verbunden und oft überhaupt \ nicht möglich.

Bei der Behandlung der viszeralen Eheumaformen werden Badekuren und die verschiedenen Methoden der physikalischen Therapie nicht angewendet. Die Patienten haben sich deshalb auch nicht in die entsprechenden Heilanstalten (Volksheilbäder, physikalisch-therapeutische Institute, Bheumakliniken) zu begeben/ Ihre Behandlung ist wesentlich unkomplizierter und erfordert im Gegensatz zur Therapie .des peripheren Eheumatismus fweder besonders kostspielige balneo- noch physikalisch-therapeutische
Einrichtungen. Sie erfolgt vielmehr zu Hause oder in Spitalabteilungen und Kliniken für innere .Medizin.

Zur Bekämpfung des viszeralen Eheumatismus fehlt es nicht an genügend Einrichtungen und Mitteln, und besondere Massnahmen sind hier keine erforderlich.

Diesen Eheumaformen kommt auch nicht annähernd .eine so grosse volkswirtschaftliche Bedeutung zu wie dem peripheren Bheumatismus.

Von den Artikel 3 folgenden gesetzlichen Bestimmungen nicht betroffen werden1 ferner auch gewisse Formen'des peripheren Eheumatismus. So ist der akute Gelenkrheumatismus zwar eine entzündliche Form des peripheren Eheumatismus, aber trotzdem keine rheumatische Krankheit im Sinne von Artikel 3 des Gesetzes, da er nur noch selten vorkommt, meist Jugendliche befällt, keinen chronischen Verlauf nimmt und die physikalische Therapie bei seiner Behand-

824 lung kaum eine Eolle spielt, was dazu führt, dass er im Vergleich zu anderen, chronisch verlaufenden Eheumaformen, die im besten Lebensalter auftreten, eine jahrelange kostspielige Behandlung erfordern und oft zur Invalidität führen, viel geringere volkswirtschaftliche Schäden verursacht. Auch der Eheumatisnius des subkutanen Binde- und Fettgewebes, der Muskelrheumatismus und der Eheumatismus des nervösen Gewebes, alles zumeist degenerative Formen des Weichteilrheumatismus, fallen nicht unter die .Artikel 3 des Gesetzes folgenden Bestimmungen, da es sich dabei in den meisten Fällen um nicht sehr schwerwiegende, therapeutisch gut beeinflussbare Affektionen handelt, die äusserst selten zu Komplikationen und ernsthaften Behinderungen des Bewegungsapparates und infolgedessen zu lang dauernder Arbeitsunfähigkeit und .Invalidität führen. Diesen verhältnismässig harmlos verlaufenden Erkrankungen kommt deshalb auch keine besondere volkswirtschaftliche Bedeutung zu, so dass ihre Bekämpfung keine ausserordentlichen Massnahmen erfordert, deren finanzielle Unterstützung sich durch die Ausrichtung, entsprechender Bundesbeiträge rechtfertigen würde.

Inbezug auf den Charakter und die Eigenschaften der Krankheitsformen, die gemäss Artikel 3, Absatz l des Entwurfs als rheumatische Krankheiten im Sinne der folgenden Bestimmungen zu gelten haben, verweisen wir auf unsere einleitenden Bemerkungen.

Die Möglichkeit besteht, dass es sich auf Grund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse später einmal als notwendig erweisen wird, weitere Krankheiten aus dem Forrnenkreis des Eheumatismus zu den unter Artikel 4 ff. des Gesetzes fallenden Krankheitszuständen zu zählen. Um in einem derartigen Falle keine umständliche Gesetzesrevision vornehmen zu müssen, wird die erforderliche Ergänzung der Liste gemäss Artikel 3, Absatz 2 durch den Bundesrat vorgenommen werden können. Gegenüber eventuellen Bedenken inbezug auf diese Kompetenzdelegation ist darauf hinzuweisen, dass es z.B. auch nicht der Gesetzgeber war, der im eidgenössischen Tuberkulosegesetz bestimmte, was unter den Begriffen «Tuberkulose» und «Tuberkulöser» zu verstehen ist, sondern der Bundesrat in Artikel l seiner Vollziehungsverordnung dazu, und dass auch das eidgenössische Epidemiengesetz (Art. l, Abs. 2) den Bundesrat ermächtigt, dieses Gesetz auch auf andere
besonders gefährliche übertragbare Krankheiten anzuwenden, die er zu bestimmen hat.

Artikel 4 Mit seinen Subventionsbestimmungen bildet dieser Artikel neben Artikel 2 das eigentliche Kernstück des Gesetzesentwurfs : Der Bund soll alle jene Bestrebungen, Massnahmen und Einrichtungen subventionieren, deren grosse Bedeutung, im Hinblick auf eine erfolgreiche Eheumabekämpfung wir bereits in der Einleitung dargelegt haben. Beiträge an die Heilungskosten der einzelnen Patienten sind dagegen nicht vorgesehen. Es bleibt wie bisher Sache der Krankenversicherung und der Fürsorge, an ihre Finanzierung beizutragen.

825 Was die notwendige 'Abgrenzung zwischen den Leistungen gemäss vorliegendem Entwurf und dem Invalidenversicherung^-Gesetz betrifft, verweisen w i r a u f Kapitel III.

· · . · · .

In Artikel 4, Absatz l wird einleitend festgelegt, dass der Bund grundsätzlich erst: nach Anhören der zuständigen kantonalen Behörden und nur unter den in den ' folgenden Absätzen dieses Artikels aufgeführten Bedingungen seine Bei: träge leistet.

So dürfen Bundesbeiträge gemäss Artikel '4, Absatz 2 nur an Anstalten ausgerichtet werden, die von Kantonen,. Gemeinden, anerkannten Krankenkassen oder Verbänden von solchen oder gemeinnützigen privaten Fürsorgeeinrichtungen erstellt und auf gemeinnütziger Grundlage betrieben werden.

Unter «anerkannten» sind die auf Grund des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes anerkannten und vom Bunde subventionierten Krankenkassen zu verstehen. Die Kantone, Gemeinden, anerkannten Krankenkassen usw. sind selber berechtigt, Bundesbeiträge zu empfangen, sofern sie selbst unmittelbar gewisse Massnahmen gemäss Artikel 4, Absatz 1; Buchstabe a treffen. Die in Artikel 4, Absatz 2 enthaltene Regelung entspricht weitgehend der in Artikel 14, Absatz 2 des eidgenössischen Tuberkulosegesetzes getroffenen. Ausdrücklich wird festgestellt, dass die Anstalten auf gemeinnütziger Grundlage betrieben werden müssen, wenn sie Anspruch auf Bundesbeiträge erheben: wollen.; Subventionsberechtigt sind demnach nicht etwa .Privatpersonen oder private Gesellschaften, die eine Anstalt zu Brwerbszwecken errichten und betreiben.

Ferner setzt die Gewährung von Bun'desbeiträgen an Gemeinden, anerkannte Krankenkassen oder Verbände von solchen oder gemeinnützige private Fürsorgeeinrichtungen gemäss Artikel 4, Absatz 3 in der Regel mindestens gleich hohe Beiträge der1 Kantone voraus. Unter den Kantonen, die finanziell mitzuwirken haben, sind alle jene zu verstehen, die an einem Unternehmen beteiligt sind. "Würde eine der Leistung1 des Bundes unter allen Umständen gleichwertige1 finanzielle Mitwirkung der Kantone gefordert, so,:hätte dies'zur Folge, dass gemäss Artikel 5, Buchstabe,& und e die finanzschwachen Kantone zwar eine höhere Subvention von 25 und 12 Prozent erhalten würden, dafür aber selber entsprechend höhere Beiträge zu leisten hätten, während die finanzstarken Kantone zwar niedrigere Bundesbeiträge erhalten
würden, sich dafür aber: auch in entsprechend geringerem Masse an den Bau- und Betriebskosten zu beteiligen hätten. Damit würde der in Artikel 5, Buchstabe l :und c enthaltene Grundsatz der Abstufung der Bundeshilfe nach'der Finanzkraft der Kantone in 'seiner Wirkung illusorisch. Deshalb ist die Möglichkeit einer der: Finanzkraft des betreffenden Kantons entsprechenden Herabsetzung des1 Käntonsbeitrages ' vorgesehen.! Die finanzschwachen Kantone werden demnach zwar Bundesbeiträge von 12 und 25 Prozent erwarten dürfen, selbst jedoch nicht so hohe Beiträge gewähren müssen. Es wird Sache des Bundesrates sein, die näheren Einzelheiten in einer. 'Vollziehungsverordnung zu regeln (Art; 8).

Im letzten Satz von Absatz 3 wird der Grundsatz : der Gewährung gleich hoher Kantonsbeiträge hoch in anderer Hinsieht eingeschränkt, indem aus-

826 nahmsweise Beiträge Dritter, d.h. natürlicher und juristischer Personen des privaten und öffentlichen Kechts ganz oder teilweise den Kantonsbeiträgen angerechnet werden oder diese ersetzen können. Unter «Dritten» im Sinne von Artikel 4, Absatz 3 sind auch Gemeinden zu verstehen. Diese Bestimmung wurde aufgenommen, um zu verhüten, dass eine für die Bekämpfung des Eheumatismus nützliche und daher erwünschte Heilanstalt, der von dritter Seite namhafte Unterstützungsbeiträge zugesichert sind, mangels genügender Mittel nicht errichtet und betrieben werden kann, nur weil keine oder keine genügend hohen kantonalen Beiträge geleistet werden und infolgedessen auch keine .Bundessubventionen ausgerichtet werden können. Ob und wie weit Beiträge Dritter im einzelnen Falle zu den Kantonsbeiträgen hinzuzurechnen sind oder an deren Stelle zu treten haben, steht,im Ermessen der Subventionsbehörde. Würde die Anrechnung zwingend vorgesehen, so bestünde die Gefahr, dass Beiträge Dritter zu ungenügenden Leistungen der Kantone führen könnten. Dies ist zu vermeiden. Bin Zweck der Bundesbeiträge ist gerade, die Kantone zu besonderen Leistungen zu veranlassen. Eine wirksame Rheumabekämpfung setzt die enge Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen, Gemeinden und privaten Organisationen voraus und erfordert deren gemeinsame Anstrengungen. .Es besteht auch die Möglichkeit, dass sich mehrere Kantone zusammenschliessen und den erforderlichen Kantonsbeitrag an die betreffenden Massnahmen, Einrichtungen oder Anstalten gemeinsam leisten.

Eine weitere Einschränkung des in Absatz , 3 enthaltenen Grundsatzes ergibt sich aus Absatz 4, wonach der Rheumabekämpfung dienenden Organisationen, deren Tätigkeit sich statutengemäss auf das ganze Gebiet der Schweiz erstreckt, auch dann Bundesbeiträge gewährt werden können,, wenn die finanzielle Mitwirkung der Kantone oder Dritter im Sinne von Absatz 3 ungenügend ist oder überhaupt fehlt. Demnach genügt in diesen Eällen zur Ausrichtung eines Bundesbeitrages nicht etwa der Umstand, dass sich die Tätigkeit der betreffenden Organisationen tatsächlich mehr oder weniger auf das ganze Gebiet der Schweiz .erstreckt, sondern es ist überdies notwendig, dass diese ausgedehnte Tätigkeit rechtsverbindlich in ihren Statuten vorgeschrieben ist.

Unter diese Ausnahmebestimmung wird in erster Linie . die
Schweizerische Eheumaliga fallen, deren Bedeutung für die Eheumabekämpfung auf gesam'tschweizerischer Ebene aus ihrer Zielsetzung und den von ihr zu bewältigenden Aufgaben, die wir einleitend kurz beleuchtet haben, hervorgeht. Die Subventionierung ihrer Ausgaben durch den Bund drängt sich deshalb im Interesse einer wirksamen Eheumabekämpfung ganz besonders auf. Diese besondere Regelung soll dagegen nicht Anwendung finden auf sogenannte interkantonale Anstalten, d.h. Anstalten, deren Standort sich in einem ändern Kanton als der Sitz ihres Eigentümers befindet. Zur Subventionierung dieser Anstalten dürften in allen Fällen die gemäss Artikel 4, Absatz 3 geforderten Voraussetzungen vorliegen. In der Regel wird der Kanton, auf dessen Gebiet der Sitz der Organisation liegt, der die Anstalt gehört, die nötigen Beiträge gewähren, und in den seltenen Fällen, wo dies nicht - zutreffen sollte, werden Beiträge von dritter

827

Seite (Krankenkassen usw.) zu erwarten sein. Jedenfalls würde die Ausdehnung der für gesamtschweizerische Organisationen erforderlichen Ausnahmeregelung auf interkantonale Anstalten nur zu einer ungerechtfertigten Begünstigung der an diesen Anstalten interessierten Kantone führen.

Die in Artikel 4, Absatz l, Buchstabe a des Entwurfs erwähnte Aufklärung über die rheumatischen Krankheiten sowie die Beratung und Betreuung von Personen, die daran leiden, sind Hauptaufgaben der Eheumaligen und ihrer Fürsorgestellen, die für diese Tätigkeit - grundsätzlich unter der Voraussetzung entsprechender finanzieller1 Leistungen der Kantone '- Bundesbeiträge erhalten sollen. Unter Betreuung im Sinne dieser Bestimmung ist nicht Hilfe durch Beratung, sondern vielmehr durch aktives Handeln (Interventionen und Fürsprache bei Behörden, Arbeitgebern, Aushelfen in Notlagen, vorübergehende Pflege usw.) zu verstehen. Dagegen fällt nicht etwa auch die finanzielle Unterstützung der Kranken und ihrer Angehörigen darunter. Diese soll nicht subventioniert werden, da die Gefahr besteht, dass dadurch der Versicherungsgedanke beeinträchtigt:würde. Es ist Aufgabe:der Kranken- und, sofern die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, auch der Invalidenversicherung sowie der allgemeinen Fürsorge, in dieser Richtung einzugreifen und zu helfen.

Der Ausdruck «Einrichtungen» deutet an; dass nicht nur die Betriebsausgaben der Eheumaligen, sondern auch die Errichtung, Erweiterung und Ausstattung von Fürsorgestellen zu subventionieren sind, wie :dies gemäss Artikel 18 der Verordnung vom 11. Januar 1955 über die Bundesbeiträge für die Tuberkulosebekämpfung (AS 1955, 37; 7957,1000; 1959, 527) inbezug auf die1 Tuberkulosefürsorgestellen vorgesehen ist. Nicht berücksichtigt wurden dagegen im Gesetzesentwurf jene Organisationen 'und Stellen, die ausschliesslich der Eingliederung Invalider dienen.

An den Bau und Betrieb von Piheumaheilstätten, Rheumakliniken usw.

(Art. 4, Abs. l, Buchstabe V) werden nur soweit Bundesbeiträge ausgerichtet, als diese Anstalten der Behandlung von Bheumäpatienten tatsächlich dienen.

Dies bedeutet, dass der Teil der jährlichen Betriebskosten, der dem Anteil an anderen Patienten entspricht, nicht subventioniert wird. Ferner bedeutet es, dass von einer Bausubvention, bei der man von der Voraussetzung ausgegangen war,
dass in der geplanten Anstalt ausschliesslich Rheumapatienten aufgenommen werden, derjenige Betrag nachträglich zurückerstattet werden muss, der dem Anteil der anderen Patienten entspricht. Der erforderlichen Koordination zwischen Rheumagesetz und Invalidenversicherungs-Gesetz wird gerade1 im Hinblick,auf die Anwendung von Artikel 4, Absatz l, Buchstabe b und c des vorliegenden Entwurfs besondere Bedeutung zukommen, indem in dieser Bestimmung genannte Anstalten nicht nur der Behandlung von Rheumatikern, sondern auoh von verschiedenen Gruppen von Invali den1 dienen können (Kinderlähmungsgeschädigte, Unfallinvalide u.a.m.). Sie werden natürlich in dem Ausmasse auch ändern Patienten zur Verfügung stehen, als sie nicht bereits durch Rheumakranke belegt sind. Die im Gesetzesentwurf vorgesehene finanzielle Unterstützung dieser Anstalten und Einrichtungen durch den Bund

828 kommt damit indirekt auch der Bekämpfung der übrigen Krankheiten und Unfallfolgen zugute, soweit die Anwendung physikalischer Behandlungsmethoden auf die davon betroffenen Personen medizinisch angezeigt ist.

Nicht jedes Spital, das Eheumatiker aufnimmt, soll Bundesbeiträge erhalten, sondern nur Spitäler, die besondere Bheumaabteilungen besitzen. Unter «.besonderer Eheumaabteilung» im Sinne von Artikel 4, Absatz l, Buchstabe b ist eine Spitalabteilung zu verstehen, die eine bestimmte Mindestgrösse aufweist, vorwiegend der, Behandlung von Eheumakranken dient, unter der Leitung eines auf dem Gebiete der Eheumatologie besonders ausgebildeten Arztes steht und über geschultes Personal und die nötigen Einrichtungen für die physikalischen Therapiemethoden verfügt. Die Einzelheiten inbezug auf diese Mindestanforderungen werden in der Vollziehungsverordnung näher umschrieben werden müssen.

Um etwa bestehende Unklarheiten zu beheben, sei in diesem Zusammenhang nochmals festgestellt, dass das vorliegende Gesetz einzig den Zweck verfolgt, die rheumatischen Krankheiten zu bekämpfen und nicht etwa, die physikalische Therapie .als solche zu unterstützen. Dazu würde ja auch jegliche verfassungsrechtliche Grundlage fehlen. Da diese Behandlungsmethode jedoch gerade zur Bekämpfung der meisten rheumatischen Leiden von Nutzen ist, soll sie als eines der wichtigsten Mittel zur Erreichung des eigentlichen Zweckes des Gesetzes durch die Subventionsbestimmung von Artikel 4, Absatz l soweit gefördert werden, als sie diesem Zwecke auch tatsächlich dient. Dass die so unterstützten Anstalten und Einrichtungen auch anderen Kranken zur Verfügung stehen, haben wir bereits erwähnt.

Artikel 5 Die in diesem Artikel festgesetzten Subventionsansätze entsprechen, soweit sie sich auf die Aufklärung und den Bau und .Betrieb von Anstalten gemäss Artikel 4, Absatz l, Buchstaben a bis G beziehen, den im eidgenössischen Tuberkulosegesetz vorgesehenen (Art. 14, Abs. l und 2, Buchstabe a und o dieses Gesetzes), während sie inbezug auf die Fürsorgetätigkeit niedriger sind als diese (Art. 14, Abs. 2, Buchstabe c des Tuberkulosegesetzes). Das Tuberkulosegesetz erlaubt, für die Fürsorgetätigkeit Subventionen bis zu 83 Prozent der reinen Ausgaben.

, Da die finanzielle Unterstützung der wissenschaftlichen Forschung die Grundlage jeder wirksamen
Eheumabekämpfung bildet, ist hier gemäss Artikel 5,; Buchstabe a der, gesetzliche Subventionsansatz bis auf 50 Prozent festgesetzt worden. Von der Voraussetzung entsprechender Beitragsleistungen der Kantone wurde abgesehen. Die Höhe des im Einzelfall anzuwendenden Subventionsansatzes richtet sich lediglich nach der Bedeutung der wissenschaftlichen Arbeit.

·

829 An gesamtschweizerische Organisationen' im Sinne von Artikel 4, Absatz 4 sollen Bunclesbeiträge von 25 Prozent der zu subventionierenden Ausgaben gewährt werden.

, : Die gemäss Artikel 5, Buchstaben a, o.uridd zu subventionierenden Ausgaben müssen der Subventionsbehörde gegenüber belegt werden und sich als im Interesse der Eheumabekämpfung notwendig erweisen.

Im Gegensatz zu Artikel 5, Buchstabe a, b und à, wo von «nachgewiesenen anrechenbaren Ausgaben» die Eede ist, wird in Artikel 5, Buchstabe c der Ausdruck «reine Ausgaben» verwendet. Beide Begriffe wird der Bundesrat in seiner Vollziehungsverordnung näher zu umschreiben haben (Art. 8). Auch hier, wird sich eine Regelung, welche der in der eidgenössischen Tuberkulosegesetzgebung enthaltenen entspricht (Art. 14, Abs. 2, Buchstabe o des eidgenössischen Tuberkulosegesetzes und insbesondere Art. 12 der erwähnten Verordnung vom 11. Januar 1955), am zweckmäßigsten, erweisen. Zur Bestimmung der «reinen Ausgaben» werden demnach von gewissen in Betracht fallenden Ausgaben die ihnen gegenüberstehenden Einnahmen (mit Ausnahme des von den Patienten selbst oder von dritter Seite für sie entrichteten Kostgeldes) abzuziehen: sein.

Bei der Berechnung des Bundesbeitrages an die massgebenden Betriebsaus,gaben werden Anstalten, die Patienten zur Pflege und Behandlung aufnehmen, und solche, die ausschließlich ambulante Behandlungen durchführen, unterschieden werden müssen. Für die erste Kategorie wird die Subvention auf Grund der Kosten der massgebenden Pflegetage, für die zweite dagegen auf Grund der durch die Eheumapatienten verursachten Betriebskosten zu ermitteln sein.

;'' ' | Artikel 6 " ' / ., ' In Absatz l dieses Artikels wird die Möglichkeit der Bückforderung von Bundesbeiträgen, die zu. Unrecht gewährt wurden, rechtlich .verankert.

Die in Absatz 2 vorgesehene teilweise Bückerstättung von Bündesbeiträgen entspricht der in Artikel 11, Absatz l der bereits mehrfach erwähnten Verordnung über die Bundesbeiträge für die Tuberkulosebekämpfung vom 11. Januar 1955 enthaltenen Eegelung. Der Umfang der Eückerstattüngspflicht,richtet sich nach der Dauer der bestimmungsgemässen Verwendung, der betroffenen Anstalt. · , .

i ;

Artikel?

In .diesem Artikel wird die Verjährung der Eückerstattungsansprüche gemäss Artikel 6, deren Unterbrechung und deren Stillstand näher geregelt.

Die Verjährungsfristen sind gleich wie in Artikel 57, Absatz l des Getreide: gesetzes Vom 20.März 1959.

,

Artikel 8 ,

Dieser Artikel verleiht dem Bündesrat die Kompetenz, ' auf dem Verordnungsweg die näheren Voraussetzungen zur Ausrichtung der Bündesbeiträge,

880 die Art ihrer Berechnung, die Begriffe der reinen und der anrechenbaren Ausgaben im Sinne von Artikel 5 sowie die Höhe der zurückzuerstattenden Beiträge za bestimmen, falls diese zu Unrecht empfangen worden sind oder eine vom Bunde subventionierte Anstalt oder Einrichtung ihrer Zweckbestimmung ganz oder teilweise entzogen wird. Was den Begriff der «reinen Ausgaben» anbelangt, verweisen wir auf unsere Ausführungen zu Artikel 5. Nachdem dem Bundesrat seinerzeit eine gleiche Ermächtigung durch das eidgenössische Tuberkulosegesetz verliehen wurde und die darauf gestützte Subventionsverordnung sich in jahrzehntelanger Praxis bewährt hat, wird man gut tun, sich im grossen und ganzen an die in der eidgenössischen Tuberkulosegesetzgebung getroffene Eegelung und die entsprechende Subventionspraxis zu halten, da die dort gewonnenen Erfahrungen Gewähr für zweckmässige Anordnungen bieten.

Artikel 9 In diesem Artikel sind die Strafbestimmungen enthalten. Der in Absatz l unter Strafe gestellte Tatbestand ist insbesondere in subjektiver Hinsicht nicht identisch mit dem Betrugstatbestand gemäss Artikel 148, Absatz l des Strafgesetzbuches, der erst erfüllt ist, wenn der Täter mit Arglist und in Bereicherungsabsicht gehandelt hat. Ein Betrugstatbestand im Sinne des Strafgesetzbuches liegt somit nicht in allen Fällen vor, in denen zu Unrecht die Gewährung von Bundesbeiträgen erwirkt wurde. Es sollten aber auch die Fälle geahndet werden können, bei welchen die Tatbestandsmerkmale des Betruges zum Teil fehlen.

Im Hinblick auf die Anwendbarkeit schärferer Strafbestimmungen im Betrugsfalle (Art. 148 StGB) rechtfertigt es sich, in den Fällen, die unter Artikel 9 fallen, als Strafe lediglich Busse vorzusehen, deren Höchstbetrag gemäss Artikel 106, Absatz l Strafgesetzbuch 2000 Franken beträgt. Handelt der Täter aus Gewinnsucht, so ist der Eichter gemäss Artikel 106, Absatz 2 Strafgesetzbuch an diesen Höchstbetrag allerdings nicht mehr gebunden.

Artikel 10 Gemäss Absatz l dieses Artikels wird der Bundesrat mit dem Vollzug des Gesetzes und mit der Bestimmung des Zeitpunkts seines Inkrafttretens beauftragt.

Absatz 2 enthält eine Übergangsbestimmung, die einer besonderen Erläuterung bedarf.

Einem Gesetz rückwirkende Kraft zu verleihen, ist an sich ungewöhnlich.

In seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage Stoffel vom
T.Dezember 1955 hat der Bundesrat denn auch die Auffassung vertreten, es wäre nicht angängig, dem Eheumagesetz in dem vom Fragesteller gewünschten allgemeinen Sinn Eückwirkung zu verleihen und Bundesbeiträge, auch für solche Bheumasana-

881 torien zuzusichern, die vor dem allgemeinen Inkrafttreten des Bundesgesetzes gebaut würden.

Auf Grund der Lage, die sich für die Eheuma-Volksheilstätte Leukerbad ergeben hat, ist der Bundesrat heute der Auffassung, dass eine, beschränkte, genau umgrenzte Rückwirkungskraft des Gesetzes vorgesehen werden kann.

Die «Eheuma-Volksheilstätte Leukerbad» ist ein gemeinnütziges, von mehreren Kantonen, Städten und Organisationen gegründetes und finanziertes Gemeinschaftswerk, dem durch Bundesbeschluss vom 18. März 1958 (BEI 1958 I 657) ein Darlehen in der Höhe von 25 Prozent der veranschlagten Baukosten gewährt wurde. In der entsprechenden Botschaft des Bimdesrates vom 20. Dezember 1957 (BEI 1957 II 1175) wurde erklärt, dass nach Inkrafttreten eines eidgenössischen Eheumagesetzes zu prüfen sein werde, ob dem Darlehensempfänger auf Grund dieses Gesetzes auszurichtende Bundesbeiträge mit der Eückforderung des Bundes verrechnet werden können. Die Frage der rückwirkenden Kraft eines zukünftigen Rheumagesetzes sollte durch den erwähnten Bundesbeschluss nicht präjudiziert werden. In der Nationalratssitzung vom 18.März 1958 hat der Präsident und Eeferent der nationalrätlichen Kommission zur Behandlung des Entwurfs zum Bundesbeschluss vom 13.März 1958, Nationalrat Schinner, namens der Kommission den Bundesrat nachdrücklich eingeladen, bei Inkraftsetzung des Eheumagesetzes dessen Rückwirkung vorzusehen. Der Nationalrat stimmte, dem Bundesbeschluss vom 13. März 1958 oppositionslos zu, und es erhob sich auch keine Stimme gegen die Aufforderung der Kommission, dem eidgenössischen Rheumagesetz rückwirkende Kraft zu verleihen. Diesem im Nationalrat zum Ausdruck gebrachten Wunsch.wurde deshalb durch die Aufnahme von Artikel 10, Absatz 2 in den vorliegenden Entwurf entsprochen.

Eückwirkende Kraft soll dem Gesetz nur inbezug auf Bausubventionen gemäss Artikel 4, Absatz l, Buchstabe 6 und Artikel 5, Buchstabe b und nur in jenen Fällen zukommen, bei denen die in Artikel 4, Absatz l (Anhören der zuständigen kantonalen Behörden), 2 und 3 (entsprechende finanzielle Mitwirkung der beteiligten Kantone) genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Zudem ist erforderlich, dass das Eidgenössische Departement des Innern den Bauplänen und Kogtenvoranschlägen, bereits vor Baubeginn zugestimmt hat und die Schlussabrechnung nach Ausführung
des Projektes genehmigt. Diese Bestimmung ist keine blosse Ordnungsvorschrift, sondern sie hat zwingenden Charakter. Die Zustimmung des Departements wird, den Plänen und Voranschlägen erst erteilt, nachdem sie das Eidgenössische Gesundheitsamt in medizinischer und die Direktion der eidgenössischen Bauten in baulicher Hinsicht geprüft haben.

Eine zeitliche Befristung der Rückwirkung ist nicht notwendig, da vor der Darlehensgewährung an den Verein «Rheuma-Volksheilstätte Leukerbad» keine Baupläne und Kostenvoranschläge für Anstalten im Sinne von Artikel 4, Absatz l, Buchstabe 6 durch das Departement des Innern, geprüf t und genehmigt .worden sind.

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832, V. Die finanziellen Auswirkungen des Gesetzes Um sich über den Umfang der zu erwartenden finanziellen Auswirkungen des Gesetzes einigermassen Klarheit verschaffen zu können, soll im folgenden versucht werden, anhand der einzelnen in Artikel 2 und 4, Absatz l des Entwurfs aufgezählten Massnahmen. Einrichtungen und Anstalten, an deren Kosten Subventionen zu gewähren sind, die voraussichtliche Höhe der einzelnen Kategorien von jährlich auszurichtenden Bundesbeiträgen zu berechnen. Es ist dabei vom heutigen Stande der verschiedenen .bereits bestehenden Einrichtungen (vor allem Fürsorgestellen und Anstalten im Sinne von Art. 4, Abs. l, Buchstabe a und V) auszugehen und eine im Verlaufe der nächsten Jahre zu erwartende und auch erwünschte und vom Gesetz bezweckte Steigerung der Anstrengungen auf allen vom Gesetz betroffenen Gebieten in, Eechnung zu stellen.

1. Wissenschaftliche, Forschung und Verbreitung der dabei gewonnenen Kenntnisse Wenn man die in den letzten Jahren durchgeführten Arbeiten auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Eheumaforschung in,Betracht zieht, so lässt sich feststellen, dass vom Universitätsinstitut für physikalische Therapie in Zürich und dem «Institut de physiatrie» des Kantonsspitals Genf im Durchschnitt jährlich rund 87 000 Franken für Forschungszwecke ausgegeben wurden (52 000 in Zürich und 35 000 Franken in Genf). Überdies werden auch an der Medizinischen Poliklinik und am Pathologischen Institut der Universität Genf seit Jahren grössere Forschungsarbeiten auf diesem Gebiete vorgenommen.

Die jährlichen Auslagen für Eheumaforschung an den Universitäten Basel, Bern und Lausanne betragen schätzungsweise ungefähr je 20 000 Franken. In, diesen Beträgen sind die Kosten für Publikationen inbegriffen. An den Gesamtbetrag von rund 150 000 Franken wäre ein Bundesbeitrag (bis 50 %) von ungefähr 50-75 000 Franken auszurichten. Die in Aussicht stehenden Subventionen sollen nicht etwa die Senkung der kantonalen Ausgaben'herbeiführen, sondern vielmehr die Inangriffnahme grösserer Forschungsarbeiten ermöglichen, die bis heute infolge Mangels an erforderlichen finanziellen Mitteln unterbleiben musten. Weiter ist vorgesehen, in der nahezu fertiggestellten Kheuma-Volksheilstätte Leukerbad ebenfalls eine Forschurigsstätte einzurichten. Ohne diese einzubeziehen, kann damit gerechnet werden,
dass sich die Aufwendungen für die Forschung in absehbarer Zeit auf insgesamt rund 210 000 bis 250 000 Franken erhöhen werden, so dass die Belastung für den Bund entsprechend auf 70 000 bis 125 000 Franken steigen wird.

2. Aufklärung der Bevölkerung über den Rheumatismus Diese Massnahrne führen heute im wesentlichen die bestehenden kantonalen Eheumaligen durch. Die entsprechenden Kosten figurieren deshalb in deren

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833

Ausgaben (siehe unter Ziff. 3). Soweit die Aufklärung bisher durch andere Institutionen wie z.B. die Samaritervereine, Krankenkassen usw. geschah, dürften die dadurch entstandenen Kosten 2 000 Franken pro Jahr kaum überstiegen haben. Es handelt sich dabei vornehmlich um Ausgaben für Vorträge, Abgabe aufklärender Schriften und .Filmvorführungen.

' 3,. Beratung und Betreuung der Kranken

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Diese Aufgabe fällt den kantonalen Bheumaligen zu, die sich auch mit der Volksaufklärung (vgl. oben Ziff. 2) befassen. Ihre Ausgaben sind mit Ausnahme derjenigen, die sich aus der finanziellen Unterstützung von Kranken (Kurbeiträge) und ihrer Familien ergeben und an die keine Bundesbeiträge gewährt werden, zu subventionieren. Die Ausgaben der Eheumaligen der Kantone Zürich, Basel, Genf und Waadt, des Bernischen Vereins für Invalidenfürsorge, der seit 1956 als neue Aufgabe die soziale Eheumafürsorge für den Kanton Bern übernommen hat, sowie, schliesslich der Schweizerischen Eheumaliga betrugen irn Jahre 1959, - soweit sie nach dem Entwurf beitragsberechtigt wären - insgesamt rund 130 000 Franken. Diese Ausgaben werden voraussichtlich jedes Jahr ansteigen. Mit der Beratung und Betreuung von Eheumakranken befassen sich gelegentlich zwar 'auch andere Institutionen, z.B. die Fürsorgestelle der orthopädischen Anstalt Balgrist, die «Pro Infirmis» usw., aber die entsprechenden, nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf subventionsberechtigten Ausgaben werden kaum ins : Gewicht fallen, da sich diese Einrichtungen in den weitaus meisten Fällen auf die Beratung von bereits invaliden Eheuniapatienten beschränken, und zur Hauptsache Kinderlärimungsgeschädigte und eine grosse 'Anzähl weiterer Behinderter betreuen. An die entsprechenden Kosten werden .Beiträge aus Mitteln der Invalidenversicherung gewährt. Zudem : treffen diese Organisationen auch Massnahmen, die über die blosse Beratung und Betreuung hinausgehen (Wiedereingliederung). Soweit es sich hier um Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung handelt, werden den betreffenden Institutionen grundsätzlich die vollen Kosten durch die Invalidenversicherung vergütet.

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, ' An die jährlichen subventionsberechtigten Ausgaben der in Betracht fallenden Fürsorgeorganisationen für Aufklärung, Beratung und Betreuung, die im Jahre 1959 rund 130 000 Franken betrugen, wäre ein Bundesbeitrag (20-25 % gemäss, Art. 5, Buchstabe b und d des Entwurf s), von rund 30000 Franken, zu gewähren gewesen. Auch hier ist im Laufe der nächsten Jahre eine wesentliche Steigerung der .Kosten zu erwarten; erstens, weil die bestehenden Organisationen ihre Bemühungen bestimmt weiter ausdehnen werden, nachdem ihnen die fehlenden Mittel in.Aussicht stehen, zweitens, weil nach Inkrafttreten
des Gesetzes .mit der Gründung einer Anzahl neuer kantonaler Eheumaligen und Fürsorgestellen gerechnet ; werden kann, eine Entwicklung, die im Interesse einer wirksamen Eheumabekämpfung sehr ,zu begrüssen wäre. In absehbarer

834 Zeit dürfte deshalb ungefähr mit einer Verdoppelung der subventionsberechtigten Ausgaben zu rechnen sein.

4. Umbau bestellender und Errichtung neuer Anstalten Wie wir früher festgestellt haben, betragen die voraussichtlichen Kosten für die vorgesehenen Vergrösserungen und Verbesserungen der Schweizerischen Volksheilbäder rund 25 Millionen Franken. Für die Errichtung der beiden geplanten neuen Volksheilbäder in Leukerbad und Zurzach wird mit Gesamtkosten von rund 17 Millionen Franken gerechnet. Der an diese Baukosten auszurichtende Bundesbeitrag (20-25 %) würde somit rund 8y2-Wy2 Millionen Franken betragen. Dieser Beitrag würde sich jedoch auf eine Bauzeit von ungefähr 5 Jahren verteilen, so dass in den nächsten Jahren durchschnittlich mit Bausubventionen von rund 2 Millionen Franken pro Jahr zu rechnen wäre.

Dabei ist allerdings noch zu berücksichtigen, dass der Bau und Umbau von Anstalten nur soweit subventioniert wird, als diese der Behandlung von Rheumakranken tatsächlich dienen. In den meisten Volksheilbädern werden aber neben Rheumapatienten auch noch andere Kranke behandelt (Nachbehandlung von Kinderlähmungsgeschädigten, Behandlung von Hautkrankheiten, Unfallfolgen usw.). Bei der Gewährung von Bundesbeiträgen.an die Baukosten dieser Anstalten sind deshalb verhältnismässige Abzüge vorzunehmen i Da das geplante Volksheilbad in Zurzach vor allem eine Trainingsschule zur Vorbereitung für die nachfolgende berufliche und soziale Eingliederung sein soll, besteht die Möglichkeit, dass die dort angewandten medizinischen Massnahmen wenigstens teilweise von der Invalidenversicherung übernommen werden und infolgedessen keine oder nur verhältnismässig geringe Beiträge auf Grund des Rheumagesetzes zu. gewähren sind. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände gelangen wir zu einer zu subventionierenden Bau- und Umbausumme von insgesamt höchstens 36 Millionen Franken, so dass der entsprechende Bundesbeitrag rund 8 Millionen Franken (auf 5 Jahre verteilt l 600 000 Franken jährlich) nicht übersteigen dürfte.

Wenn das zur Zeit bestehende Bauprogramm einmal verwirklicht sein wird, kann mit, einer wesentlichen Entlastung gerechnet werden, da der Bau weiterer Anstalten in nächster Zeit nicht mehr zu erwarten ist. Dagegen wird mit der Errichtung von physikalisch-therapeutischen Instituten und Rheumakliniken
nach dem Vorbild der entsprechenden Anstalten im Zürcher Kantonsspital zu rechnen sein. Bestimmte Angaben in dieser Richtung können jedoch noch nicht gemacht werden. Lediglich inbezug auf den Kanton Genf steht heute schon fest, dass dort in den nächsten Jahren ein für die Behandlung chronisch Kranker bestimmtes Spital vom Kanton gebaut wird. In diesem Spital soll ein neues Institut für physikalische Therapie eingerichtet werden. Die gesamten Baukosten für dieses Institut werden mit 960 000 Franken veranschlagt; wobei ein der Anzahl der in diesem Institut voraussichtlich zu behandelnden Rheumapatienten entsprechender Anteil von 648 000, Franken vom Bunde zu subventionieren wäre (Bundesbeitrag rund 130 000 Franken).

835 5. Betriebskosten der unter Artikel 4, Absatz l, Buchstabe b genannten Anstalten Die schweizerischen Volksheilbäder, die physikalisch-therapeutischen Institute Genf und Zürich (inkl. Eheumaldinik) sowie die orthopädischen Anstalten Balgrist und Lausanne hatten im Jahre 1955 rund l 750 000 Franken auf Eheumapatienten entfallende Betriebskosten aufzuweisen. An diese Summe hätte der Bund einen Beitrag von 10-12 Prozent, d.h. von insgesamt 175 000 bis 210 000 Franken zu leisten. Mit dem Ausbau der bestehenden und der Errichtung neuer Anstalten werden natürlich auch die Betriebskosten entsprechend steigen.

' 6. Zusammenfassung Nach den Ausführungen unter Ziffer l bis 5 werden sich für den Bund gestützt auf die derzeitigen Verhältnisse voraussichtlich folgende durchschnittliche finanzielle Belastungen pro Jahr ergeben: jr-nken Wissenschaftliche Forschung . . . . ungefähr 65 000 später 70-125 000 Volksaufklärung, Beratung und Betreuung , » 80 000 später- 60 000 Kostenbeiträge für Neu- und Umbau » l 600 000 während 5 Jahren nachher wesentliche Herabsetzung Betriebskostenbeiträge » 200 000 Belastung für den Bund zunächst jährlich » l 895 000 Bei der Beurteilung der für die spätem Jahre zu erwartenden höheren Aufwendungen ist stets zu berücksichtigen, dass der vermehrte Einsatz von finanziellen Mitteln - auf weite Sicht gesehen - sich schliesslich in einer Verminderung der rheumatischen Krankheiten und damit auch der finanziellen Belastungen des Bundes durch Subventionen und volkswirtschaftliche Schäden auswirken sollte.

.Wir beehren uns, Ihnen zu beantragen, den nachfolgenden Gesetzessentwurf zum Beschluss zu erheben.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 10. Oktober 1961.

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Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Wahlen Der Bundeskanzler: Ch. Oser

536 (Entwurf)

Bundesgesetz über

Buridesbeiträge an die Bekämpfung der rheumatischen Krankheiten

Die Bundesversammlung der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , gestützt auf Artikel 69 und 64Ws der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 10. Oktober 1961, beschliesst :

Grundsatz

Art. l Der Bund fördert die Bekämpfung des Eheumatismus.

Art. 2 1

AnwendungsDer Bund leistet Beiträge an wissenschaftliche Arbeiten auf dem i Forschung Gesamtgebiete der Eheumatologie und an die Verbreitung der dabei gewonnenen Erkenntnisse.

2 An Erwerbsunternehmen werden keine Beiträge ausgerichtet.

Art. 3 2. Übrige Masanahmen

1

Im Sinne der folgenden Bestimmungen gelten als rheumatische Krankheiten : a. Chronische Polyarthritis b. Spondylarthritis ankylopoetica o. Arthrosis und Polyarthrosis d. Spondylosis und Spondylarthrosis e. Periarthritis, Periarthrosis /. Tendoperiostitis, Tendinosis.

837 2

Der Bundesrat ist ermächtigt, diese Liste auf Grund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse durch Aufnahme weiterer Krankheiten aas dem Formenkreis des Eheumatismus zu ergänzen, sofern sie den Bewegungsapparat betreffen. .

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Art. 4

'

1

Nach Anhören der zuständigen kantonalen Behörden leistet der Bundesbeiträge Bund unter den nachstehend aufgeführten Bedingungen Beiträge a. an Massnahmen und Einrichtungen zur Aufklärung über Wesen, Gefahren und Verhütung der rheumatischen Krankheiten sowie zur iBeratung und Betreuung von : Personen, die an einer dieser Krank- , heiten leiden ; b. an die Erstellung, den Um- und Ausbau von Rheumaheilstätten, Bheumakliniken und, besonderen Rheumaabteilungen an Spitälern, Polikliniken und physikalisch-therapeutischen Instituten sowie von Volksheilbädern, soweit diese der Behandlung von Personen dienen, die an einer rheumatischen Krankheit leiden; c. an die jährlichen Betriebsausgaben der unter Buchstabe b genannten Anstalten und Einrichtungen, soweit diese der, Behandlung von Personen dienen, die an einer rheumatischen Krankheit leiden.

2 Die Bundesbeiträge werden nur ausgerichtet an Anstalten, die,von Kantonen, Gemeinden, anerkannten Krankenkassen oder Verbänden von solchen oder gemeinnützigen privaten Fürsorgeeinrichtungen erstellt und auf gemeinnütziger Grundlage betrieben werden. Diese Voraussetzung gilt auch für Massnahmen und Einrichtungen gemäss Buchstabe a., 3 Die Gewährung von Bundesbeiträgen an Gemeinden, anerkannte Krankenkassen oder Verbände von solchen oder gemeinnützige private Fürsorgeeinrichtungen setzt in der Eegel mindestens gleich hohe Beiträge der Kantone voraus. Ausnahmsweise können diese entsprechend der Finanzkraft angemessen herabgesetzt werden. Wenn besondere Gründe es rechtfertigen, können Beiträge Dritter ganz oder teilweise den Kantonsbeiträgen angerechnet werden oder sie ersetzen.

4 Der,Bund kann der Rheumabekämpfung dienenden Organisationen, deren Tätigkeit sich statutengemäss auf das ganze Gebiet der Schweiz erstreckt, Beiträge gewähren, ohne dass eine entsprechende Leistung der Kantone oder Dritter vorhegt.

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Art. 5

1

Der Bund gewährt folgende Beiträge : : , i a. an wissenschaftliche Arbeiten und die Verbreitung der dabei gewonnenen Erkenntnisse gemäss Artikel.2 bis 50 Prozent der nachgewiesenen anrechenbaren Ausgaben; .'

: Bundesblatt. 113. Jahrg. Bd. II.

57

Subventionaansätze

838

b. an Massnahmen, Einrichtungen und Anstalten gemäss Artikel 4, Absatz l, Buchstabe a und b 20-25 Prozent der nachgewiesenen anrechenbaren : Ausgaben : c. an die jährlichen Betriebsausgaben gemäss Artikel 4, Absatz l, Buchstabe c 10-12 Prozent der reinen Ausgaben; d. an Organisationen gemäss Artikel 4, Absatz 4 25 Prozent, der nachgewiesenen anrechenbaren Ausgaben.

Art. 6 .ßückerstattung ! Beiträge können zurückgefordert werden, wenn sie zu Unrecht gewährt wurden.

2 Wird eine Anstalt im Sinne von Artikel 4, Absatz l, Buchstabe b vor Ablauf von zwanzig Jahren seit der Ausrichtung eines Bundesbeitrages ihrer Zweckbestimmung entzogen, so ist dieser teilweise zurückzuerstatten.

Verjährung

Art. 7 . ; Die Bückerstattungsansprüche gemäss Artikel 6, Absatz l und 2 verjähren mit Ablauf von fünf Jahren, nachdem die zuständigen Organe vom Bechtsgrund des Anspruches Kenntnis erlangt haben, spätestens jedoch innert zehn Jahren seit dein Entstehen des Anspruches. Wird jedoch der Anspruch aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, wofür das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist vorsieht, so gilt diese.

2 Die Verjährung wird durch jedeEinforderungshandlung unterbrochen; sie ruht, solange der Pflichtige in der Schweiz nicht betrieben werden kann.

1

Art. 8 Ausfühmngsmmungen

Der Bundesrat bestimmt durch Verordnung die näheren VorausAusrichtung der Bundesbeiträge und ihre Berechnung, den Begriff der reinen und anrechenbaren Ausgaben im Sinne von Artikel 5 sowie die Berechnung der zurückzuerstattenden Beträge.

ge^zungen zur

Art. 9 Strafbestimmung

x

Wer durch unwahre Angaben oder durch Unterdrücken von Tatgaoh0n für gich oc[er einen anderen die Ausrichtung eines Bundesbeitrages erwirkt oder zu erwirken versucht, wird mit Busse bestraft.

2 Die Strafverfolgung auf Grund der besonderen Bestimmungen des Strafgesetzbuches bleibt in allen Fällen vorbehalten.

3 Strafverfolgung und Beurteilung sind Sache der Kantone.

889

Art. 10 · 1

Der Bundesrat wird mit dem Vollzuge dieses Gesetzes beauftragt. Schluss- und Er bestimmt den Zeitpunkt seines Inkrafttretens.

, bestimmungen 2 ' · An Anstalten und Anstaltsabteilongen im Sinne von Artikel 4, Absatz l, Buchstabe b, mit deren Erstellung, Um- oder Ausbau vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnen wurde, kann der in Artikel 5, Buchstabe b vorgesehene Bundesbeitrag ausgerichtet werden, sofern die Voraussetzungen von Artikel 4 erfüllt sind, das Eidgenössische Departement des Innern vor Baubeginn den Plänen und Kostenvoranschlägen zugestimmt hat und die Schlussabrechnung von diesem Departement genehmigt wurde.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über Bundesbeiträge an die Bekämpfung der rheumatischen Krankheiten (Vom 10.

Oktober 1961)

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Jahr

1961

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

43

Cahier Numero Geschäftsnummer

8364

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

26.10.1961

Date Data Seite

789-839

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