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Bundesblatt

113. Jahrgang

Bern, den 1. Juni 1961

Band I

Erscheint wöchentlich. Preis SO Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Happen die Petitzeile oder deren Baum. -- Ingerate franko an Stampfli & Cie. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 24s£xies betreffend den Natur- und Heimatschutz (Vom 19. Mai 1961) Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

Wir beehren uns, Ihnen hiermit den Entwurf zu einem Artikel der Bundesverfassung über Natur- und Heimatschutz zu unterbreiten, womit wir einer Motion der Kommission des Nationalrates vorn. 28. September 1954 Folge leisten.

I. Vorgeschichte Bereits am 10. Dezember 1924 war von Nationalrat B.Gelpke eine Motion folgenden Wortlauts eingereicht worden: «Gestutzt auf Artikel 702 des Zivilgesetzbuches wird der Bundesrat eingeladen, einen Gesetzesentwurf den Baten zu unterbreiten, welcher den Schutz von Landsohaftsbildem, von Naturdenkmälern und historischen Bauten zum Zwecke hat.»

Die Motion wurde aus rechtlichen und anderen Erwägungen abgelehnt.

In ihrem grundlegenden Bericht vom 14. März 1925 war die Eidgenössische Justizabteilung zum Schlüsse gekommen, dass: «1. Der Bund zum Erlass eines Gesetzes über den Heimatachutz nicht zustandig ist; 2. Selbst wenn man die Zuständigkeitsfrage bejahen wollte, der Erlass eines solchen Gesetzes weder als notwendig noch als zweckmässig erscheint.»

Im Jahre 1931 gelangte der Schweizerische Bund für Naturschutz ebenfalls in diesem Sinne an die Fraktionen der eidgenössischen Bäte. Im folgenden Jahre ergriffen zahlreiche bedeutende kulturelle Verbände mit dein Schweizerischen Bund für Naturschutz erneut eine Initiative; es kam zur «Oltener Eesolution 1932», worin der Bundesrat ersucht wird: Bundesblatt. 113. Jahrg. Bd. I.

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1094 «1. Eine Amtsstelle zu bezeichnen oder zu schaffen, der die Aufgabe zufällt, alle von Bund, Kantonen, Gemeinden usw. erlassenen Bestimmungen über Naturund Heimatschutz, Denkmalpflege, Schutz des schweizerischen Kunstgutes zu sammeln, die ausländische Gesetzgebung über dieses Gebiet zu verfolgen, ein Verzeichnis der geschützten Objekte zu führen und in ständiger Fühlungnahme mit den Kantonsregierungen für Anregungen zur Vervollständigung und Verbesserung der kantonalen und kommunalen Vorschriften auf diesem Gebiet zu sorgen.

2. Eine eidgenössische Kommission beratenden Charakters zu schaffen, die mit der genannten Amtsstelle zusammenarbeiten soll und der alle Aufgaben zur Begutachtung vorzulegen sind, die das Gebiet des Schutzes von Heimat, Natur, Kunstgütern und historischen Denkmälern berühren.

3. Den Entwurf zu einem eidgenössischen Gesetz auszuarbeiten, das einen wirksamen Schutz von Natur und Heimat gewährleistet.» Zu fast gleicher Zeit (28. Dezember 1931) wurde von Nationalrat Oldani eine (nachher in ein Postulat umgewandelte) Motion folgenden Wortlauts eingereicht : «Angesichts der Tatsache, dass die Ufer unserer Seen und Flüsse sowie andere volkshygienische Naturanlagen, wie Wälder usw. immer mehr den öffentlichen Interessen entzogen werden und dass deren Benützung und freie Begehung bald unmöglich wird, wird der Bundesrat ersucht, den Entwurf zu einem weitblickenden Naturschutzgesetz einzubringen. Bei diesem Anlass dürften auch die Bedingungen über den Schutz der Fauna und Flora sowie die Fragen der Reservationen eine zeitgemässe Anpassung erfahren.» Eine am 18. Juli 1933 vom Eidgenössischen Departement des Innern durchgeführte Umfrage bei den Kantonen brachte das Ergebnis, dass 9 Kantone (unter der Voraussetzung der Verfassungsmässigkeit) für ein eidgenössisches Naturschutzgesetz waren und 16 dagegen.

Einen Schritt weiter als das Postulat Oldani ging eine am I.November 1934 vom Verbände zur Erhaltung des Landschaftsbildes am Zürichsee beim Bundesrat eingereichte Eingabe, welche die Aufnahme eines Bundesverfassungsartikels 23bis mit folgendem Wortlaut vorschlug: «Der Schutz des Antlitzes der Heimat und ihrer Natur ist Sache der Kantone und Gemeinden.

Der Bund ist indessen befugt, auf Antrag eines beteiligten Kantons, Landschaften und Aussichtspunkte sowie Natur- und Baudenkmäler
in seinen Schutz zu nehmen, wenn ihr Bestand und ihre Erhaltung von eidgenössischer Bedeutung sind. Droht einem solchen Objekt Gefahr der Vernichtung, Verunstaltung, Entfremdung der Eigenart oder Beeinträchtigung der Wirkung oder Zugänglichkeit, oder ist ein derartiger Schaden schon eingetreten, und trifft der Kanton, ohne Antrag auf Gewährung des Bundesschutzes zu stellen, keine hinreichenden Anstalten zur Abwehr der Gefahr oder zur Wiederherstellung eines befriedigenden Zustandes, so ist der Bund nach fruchtlosem Ablauf einer angemessenen Frist gleichfalls befugt, das Objekt seinem Schutz zu unterstellen, Ohne Antrag ist er befugt, Beidamen zu verbieten, die längs Verkehrslinien das Landschaftsbild beeinträchtigen oder die in den Luftraum projiziert werden sowie einheitliche Bestimmungen über die Reinhaltung der Gewässer und ihrer Grenzen zu erlassen. » Ein Gutachten des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes vom 28.Dezember 1934 kam zum Schlüsse, dass:

1095 «]. Der Bund zum Brlass eines Natur- und Heimatschutzgesetzes nicht zuständig ist; 2. es zweckmässig wäre, dem Bund in beschranktem Umfang Kompetenzen einzuräumen, wenn sich eine befriedigende Abgrenzung der Kompetenzen gegenüber den Kantonen finden lässt, dass aber diese Regelung, soweit nicht etwa Gefahr in Verzug ist, auf spätere Zeiten zu verschieben wäre.»

An der am 15.Mai 1935 zur Besprechung der Lage einberufenen Konferenz verzichteten die "Unterzeichner der Oltener Eesolution schliesslich auf die Verfassungsrevision, hielten aber grundsätzlich an ihren übrigen Postulaten fest.

Die Konferenz fasste hierauf einstimmig den vom Vorsitzenden (Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern) empfohlenen Beschluss: «Die Konferenz kommt zur einstimmigen Schlussnahme, dass zur Zeit vom Erlass eines eidgenossischen Natur- und Heimatschutzgesetzea Umgang genommen werden soll. Sie äussert dagegen zuhanden des Eidgenossischen Departements des Innern den Wunsch, es mochte im Sinne einer bessern Zusammenfassung aller auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes tätigen Kräfte und Vereinigungen die Frage der Schaffung einer Eidgenossischen Natur- und Heimatschutzkommission weiter geprüft und einem baldigen Abschluss entgegengefahrt werden.»

In seiner Sitzung vom I.Mai 1936 rief der Bundesrat die Eidgenossische Natur- und Heimatschutzkommission ins Leben; ihr erster Präsident war alt Bundesrat Hàberlin. Sie dient nach dem am 19.Mai 1937 vom Bundesrat genehmigten Eeglement (vom 20.Mai 1986) «dem Bundesrat als beratende Stelle für solche Angelegenheiten des Natur- und Heimatschutzes, die von eidgenössischer Bedeutung sind oder das Interesse mehrerer Kantone berühren». Zu ihrer Aufgabe gehören inbesondere: 1. Die Verbindung zwischen den Bundesbehorden und Verbänden und Institutionen für Natur- und Heimatschutz und zwischen den letzteren unter sich im Sinne einer den Natur- und Heimatschutz fördernden Zusammenarbeit ; 2. die Begutachtung von Fragen des Natur- und Heimatschutzes zuhanden der Behörden des Bundes und der Kantone; 3. die Förderung des Ausbaus der Gesetzgebung des Bundes und der Kantone über Natur- und Heimatschutz und der interkantonalen Zusammenarbeit auf diesem Gebiete ; 4. die Anregung oder Unterstützung von Massnahmen zum Schütze gefährdeter Gegenstände des Natur- und Heimatschutzes.

Im Sinne des übernommenen Auftrags, die Probleme des Natur- und Heimatschutzes weiter zu verfolgen und die Möglichkeiten einer späteren gesetzlichen Eegelung abzuklären, führte die Eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei im Jahre 1948 erneut eine Umfrage bei den Kantonen über den Stand des Naturschutzes in der Schweiz und über das Bedürfnis nach einer eidgenössischen Eegelung durch. Unter den befragten Kantonen befanden sich 13, die ein eidgenössisches Eahmengesetz begrüsst oder es mindestens als nützlich empfunden hatten und 12, die es als unnötig erachteten bzw. ablehnten; bei den letzteren sind 3 unentschiedene mitgezählt.

1096 Die Entwicklung der Auffassungen war also in der Bichtung der vermehrten Einflussnahme des Bundes gegangen, erreichte jedoch noch nicht den Stand, der ein Eingreifen als opportun erscheinen Hess.

Die letzten 10 Jahre mit ihrem ungestümen wirtschaftlichen und technischen Fortschritt und vor allem die Ereignisse im Zusammenhang mit der Erteilung der Konzession und mit dem Beginn des Baues des Kraftwerks Eheinau sowie mit den Bestrebungen für den Schutz der Eheinlandschaft liessen den Gedanken eines bessern Schutzes von Natur und Landschaftsbild der Heimat weiter reifen. So kam es am 28. September 1954 zur folgenden Motion der Kommission des Nationalrates : «In seinem Bericht an die Bundesversammlung vom 4.Mai 1954 betreffend das Volksbegehren zum Schütze der Stromlandschaft Rheinfall-Rheinau sagt der Bundesrat u.a.: ,,DieFrage liesse sich stellen und prüfen, ob durch einen selbständigen Verfassungsartikel der Natur- und Heimatschutz auf einer breiteren bundesrechtlichen Basis gewährleistet werden könnte". Gestützt auf diese Feststellung wird der Bundesrat beauftragt, mit den kantonalen Behörden und den Vertretern der Organisationen des schweizerischen Natur- und Heimatschutzes die Frage der Einführung eines die Erfordernisse der Erhaltung und Sicherung der landschaftlichen Schönheiten unseres Landes erfüllenden Artikels in die Bundesverfassung zu prüfen und den eidgenössischen Räten darüber Bericht und Antrag vorzulegen.»

Die Bäte Messen diese Motion gut, und später konnte der Bundesrat der Bundesversammlung bekanntgeben, eine kleine Expertenkommission unter dem. Vorsitz des Präsidenten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission habe zu deren Ausführung den Auftrag erhalten, einen solchen Verfassungsartikel zu entwerfen und darüber Bericht zu erstatten. Dieser wurde am 15.Februar 1957 dem Eidgenössischen Departement des Innern unterbreitet sowie den übrigen Departementen zur Kenntnis gebracht und hierauf den kantonalen Regierungen und wichtigsten mitinteressierten Verbänden zur Vernehmlassung zugestellt. Es sprachen sich nur 5 Kantone grundsätzlich gegen einen Artikel in der Bundesverfassung aus (wovon eigentümlicherweise 3 im Jahre 1948 zu den Befürwortern gehört hatten), alle Verbände und 18 Kantone sind dafür, 2 noch unentschieden. Damit ist eine entscheidende Wendung zugunsten einer bundesrechtlichen Eegelung eingetreten. Allerdings machten eine Anzahl der zustimmenden Antworten zum Teil noch gewichtige Vorbehalte zu einzelnen Absätzen des Entwurfs. Die Expertenkommission prüfte alle Einwände und glaubte, einen Teil davon berücksichtigen zu können. So kam Ende Dezember 1958 ein verbesserter Entwurf des neuen Verfassungsartikels zustande. Mit Beschluss vom 20. Januar 1959 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Departement des Innern, die Botschaft an die Bäte auszuarbeiten. Da aber einige Departemente im Laufe des Mitberichtsverfahrens grundsätzliche und materielle Einwendungen gegen den von der Expertenkommission vorgeschlagenen Text erhoben, musste dieser vom Departement des Innern nochmals überprüft werden. Am 19. Dezember 1960 hat der Bundesrat der dieser Botschaft zugrunde liegenden Formulierung des Verfassungsartikels zugestimmt. Anschliessend konnte die Botschaft ausgearbeitet werden.

1097 n. Grundsätzliche Bemerkungen Es ist festzuhalten, dass der Bund, obschon er bisher keine eigentliche Naturschutzgesetzgebung kennt, bereits in einer Anzahl von Bundesgesetzen und -Verordnungen die Belange des Natur- und Heiruatschutzes mittels eines entsprechenden Artikels zu wahren bestrebt ist (vgl. unten III. Kapitel).

Die meisten Kantone besitzen ihrerseits Gesetze und Verordnungen (die sich in der Regel auf die kantonalen Einfuhrungsgesetze zum Zivilgesetzbuch stützen), zum Teil freilich nicht mehr ganz zeitgemäss, zum Teil jedoch auch modernere. Auswirkung und Durchführung lassen aber vielfach zu wünschen übrig ; es gibt zwar auch erfreuliche Beispiele. So haben sämtliche Kantone eine bestimmte Anzahl der auf ihrem Gebiet gelegenen wertvollen Objekte durch spezielle Verordnungen unter Schutz gestellt. Zu erwähnen sind namentlich die zahlreichen von Erfolg gekrönten Bemühungen der Schweizerischen Vereinigung für Heimatschutz und des Schweizerischen Bundes für Naturschutz. Diesen beiden Organisationen gelang es in vielen Fällen, die Aufmerksamkeit der Behörden des Bundes, der Kantone und der Gemeinden sowie jene des gesamten Schweizervolkes auf Objekte von nationaler Bedeutung zu lenken und durch Beschaffung namhafter Mittel diese vor Verschandelung oder Vernichtung zu retten. Auf diese Weise wurden die Sicherung des Eütlis, des Aletschwaldes, des Süsersees, der Brissago-Inseln, des Eigigipfels, des Baldeggersees, des Muzzanersees und anderer Landschaften sowie die Eestaurierung von Baudenkmälern, wie z.B. des Stockalperschlosses in Brig, der Teilskapelle, des Hauses «zur Treib», des Städtchens Werdenberg usw. ermöglicht. Dennoch ist es Tatsache, dass weder die eidgenössischen oder kantonalen Erlasse noch die Bestrebungen der Natur- und Heimatschutzorganisationen das Verschwinden wertvoller Kultur- und Naturdenkmäler, seltener Biotope und Tierarten oder die schwere Beeinträchtigung schöner und beliebter Erholungslandschaften gänzlich zu verhindern vermochten. Viele Werte bleiben damit unwiederbringlich verloren, was nicht mehr weiter hingenommen werden darf.

Die atemraubende Entwicklung der Wirtschaft, Wissenschaft und Technik in den letzten Jahrzehnten und Jahren wird weitergehen; sie kann und soll auch nicht aufgehalten werden, denn sie ist die unvermeidliche und notwendige
Begleiterscheinung des Anwachsens der Bevölkerungsziffer und der Ausbreitung der Zivilisation. Je mehr die Menschen bei ihrer Arbeit und ihrem Tagesrhythmus ein naturwidriges oder wenigstens naturfremdes Leben zu fuhren gezwungen sind, desto mehr bedürfen sie zu ihrer leiblichen und seelischen Erholung des Kontaktes mit der unverfälschten Natur. Diese Tatsache wird heute allgemein anerkannt. Deshalb müssen die Verantwortlichen im Interesse des ganzen Volkes und der Volksgesundheit dafür sorgen, dass Erholungsräume für Leib und Seele erhalten bleiben, und dass Gewinnstreben sowie technischer Tatendrang nicht überborden. Es braucht eine Begrenzung dieser der Natur feindlichen oder sie missachtenden Kräfte des menschlichen Gestaltungswillens.

Es braucht auch einen vermehrten Schutz der überlieferten geschichtlichen und

1098 baulichen Werke und Werte unserer landschaftlich wie kulturell so reichen und vielseitigen Heimat.

Wohlverstandener Natur- und Heimatschutz und wohlverstandene Technik sind übrigens keine Gegensätze : der grundsätzliche Kampf zwischen diesen beiden Lagern hat sich als wenig zweckmässig und fruchtbringend erwiesen.

Es ist ein glückliches Zeichen für die gedeihliche Zusammenarbeit, wenn der Eektor der Eidgenössischen Technischen Hochschule in seiner Antrittsrede vom 15. November 1958 für die Förderung dieses erspriesslichen Einvernehmens eine Lanze brach und es als «ein dringendes Gebot» bezeichnete, «den Naturschutzgedanken entsprechend den gegenwärtigen Bemühungen baldmöglichst in unserer Verfassung zu .verankern».

Der Natur- und Heimatschutzgedanke ist in weiten Kreisen unseres Volkes tief verwurzelt; das beweisen die Mitgliederzahlen der betreffenden Verbände und die empfindlichen Eeaktionen in Presse und Öffentlichkeit, wenn es um weitere Opfer an Natur- und Kulturwerten im blossen Interesse materieller Wünsche geht. Die Annahme wäre kaum richtig, dass auf der Seite der Gegner einer schonungslosen Ausbeutung der Natur und ihrer mannigfaltigen Hilfsquellen etwa nur Idealisten ständen, die dem technischen und industriellen Portschritt nicht das nötige Verständnis entgegenzubringen vermöchten. Besonnene Kreise, die beim gegenwärtigen Tempo der Technisierung um das geistige und kulturelle Wohl des Landes sowie der Bevölkerung ernsthaft besorgt sind, bilden die weitaus überwiegende Zahl.

Gegen allzu mächtige materielle Entwicklungen ist das Ideal oft wenig erfolgreich. Um so mehr ist es Pflicht der Einsichtigen, der politischen Führer, der Behörden aller Stufen sowie der um den Natur- und Heimatschutz interessierten Institutionen und Organisationen zum Eechten zu sehen. Diese vor allem haben es in der Hand, vermehrte Mittel bereitzustellen und in weiser Abwägung aller Belange richtig einzusetzen.

Im Ausland sind Bedeutung und Notwendigkeit des Naturschutzes zum Teil schon viel früher als bei uns erkannt worden. Die meisten europäischen Staaten und die Vereinigten Staaten Nordamerikas haben Gesetze, die einschneidende Schutzmassnahmen zur Erhaltung von Naturschönheiten, Nationalparken usw. vorschreiben und oft recht grosse finanzielle Mittel dafür zur Verfügung stellen. So besteht beispielsweise
in der Bundesrepublik Deutschland ein Eahmengesetz, das den Schutz von Pflanzen und Tieren, der Naturdenkmäler und Naturschutzgebiete regelt sowie Naturschutzbehörden und Naturschutzstellen einsetzt. Jedes Bundesland hat sodann seine eigene oberste Naturschutzbehörde, die u.a. auch das Landesnaturschutzbuch (Verzeichnis der Schutzgebiete) führt. Die Bundesanstalt für Naturschutz und Landespflege hat die Aufgabe, die Tätigkeit der einzelnen Naturschutzstellen und -beauftragten aufeinander abzustimmen.

Damit soll unserem Lande nicht etwa eine schematische Nachahmung ausländischer Vorbilder empfohlen werden. Jeder Staat hat seine eigenen Bedürfnisse und eigenen Möglichkeiten. Der Schutz der natürlichen und kunst-

1099 historischen Schönheiten des Landes ist selbstverständlich auch ohne Verfassungsbestimmung möglich, denn diese allein, d.h. ohne ein Mitgehen des Volkes, brächte kaum grossen Nutzen. Entscheidend sind Einsicht und Opferwillen der Bevölkerung. Mit einer bundesrechtlichen Regelung, welche die kantonalen Bestrebungen unterstutzt, dürfte es indessen doch viel leichter sein, in nützlicher Frist zu besseren Ergebnissen zu gelangen als bisher. Es scheint uns, dass der Bund verpflichtet ist, an der Lösung des Problems der Erhaltung einer immer stärker gefährdeten Natur und ihrer Hilfsquellen mitzuarbeiten; er ist es denen, die nachher kommen, schuldig, und es sollte geschehen, so lange es noch nicht zu spat ist.

III. Das geltende Recht auf dem Gebiet des Natur- und Heimatschutzes 1. Bundesrecht Ähnlich wie die Pflege der einheimischen Kunst und Kultur, ist der Schutz der Naturschönheiten und der kulturell oder geschichtlich bedeutungsvollen Stätten des Landes eine dem Bund bei der Erfüllung der ihm zustehenden Aufgaben aus seiner eigentlichen Funktion als Staatswesen direkt erwachsende Pflicht. Demgemäss ist der Bund bei der Eegelung der verschiedenen in seinen Kompetenzbereich fallenden Sachgebiete ganz allgemein gehalten, dafür zu sorgen, dass die gesetzlichen Erlasse den Geboten des Natur- und Heimatschutzes soweit als möglich Rechnung tragen. Gestützt auf diese Überlegung wurden in einzelne Bundesgesetze und Verordnungen besondere Bestimmungen zur Wahrung der Belange des Natur- und Heimatschutzes aufgenommen, und zwar namentlich auf Sachgebieten, wo Gefährdungen von Naturschönheiten, Landschaftsbildern, Tieren oder Pflanzen als möglich oder wahrscheinlich erscheinen. So wird in Artikel 22 des Bundesgesetzes vom 22.Dezember 1916 betreffend die Ausnutzung der Wasserkräfte wie auch in Artikel 9 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1930 über die Enteignung vorgeschrieben, bei der Erstellung der Werke seien die Naturschönheiten zu schonen und das Landschaftsbild möglichst wenig zu beeinträchtigen. Artikel 72 der Verordnung des Bundesrates von 1933 betreffend Starkstromanlagen und Artikel 12 der Verordnung des Bundesrates von 1933 betreffend Schwachstromanlagen enthalten die nämliche Vorschrift in etwas abgeschwächter Form. Artikel 79 des Bundesgesetzes vom S.Oktober 1951 über die Förderung der Landwirtschaft
und die Erhaltung des Bauernstandes bestimmt, bei Bodenverbesserungen sei «dem Schütze der Natur und der Wahrung des Landschaftsbildes Rechnung zu tragen. . . » und « . . .auf den Schutz der Vögel Rücksicht zu nehmen». Sodann enthält auch dag Bundesgesetz vom 16.März 1955 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung in Artikel 2 eine Vorschrift zum Schütze des Landschaftsbildes vor Beeinträchtigung. Schliesslich wird in Artikel 5 des Bundesgesetzes vom. S.März 1960 über die Nationalstrassen statuiert: sofern beim Strassenbau den Anforderungen des Verkehrs gleichzeitig Interessen des Natur- und Heimatschutzes gegenüberstünden, seien die Interessen gegeneinander abzuwägen.

1100 Gewisse, durch bundesrechtliche Erlasse geregelte Materien sind mit dem Natur- und Heimatschutz sehr eng verbunden, so dass sich ihre Wirkung ebenfalls auf die Interessen der Wahrung des Landschaftsbildes, des Schutzes geschichtlich wertvoller Stätten oder der Erhaltung der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt erstreckt. Dies ist vor allen der Fall beim Bundesbescbluss vom 14. März 1958 betreffend die Förderung der Denkmalpflege sowie bei der entsprechenden Verordnung des Bundesrates vom 26. August 1958; die Sorge um die Erhaltung kunst- und kulturgeschichtlich wertvoller Objekte ist mit dem Heimatschutz aufs engste verknüpft, wie in der Folge noch zu zeigen sein wird.

Ferner ist in diesem Zusammenhang auf die allgemein naturschützend wirkenden Bundesgesetze vom 21. Dezember 1888 über die Fischerei und vom 10. Juni 1925 über die Jagd und den Vogelschutz hinzuweisen.

Das Schweizerische Zivilgesetzbuch bestimmt in Artikel 702, es bleibe dem Bunde, den Kantonen und den Gemeinden vorbehalten, zur Erhaltung von Altertümern und Naturdenkmälern sowie zur Sicherung der Landschaften und Aussichtspunkte öffentlich-rechtliche Beschränkungen des privaten Grundeigentums aufzustellen. Selbstverständlich lässt sich aus diesem Artikel 702 Zivilgesetzbuch noch keineswegs eine Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes ableiten; zu einer derartigen Kompetenz bedarf es vielmehr einer klaren verfassungsmässigen Grundlage.

Die Bestimmung bedeutet aber auch nicht etwa einen bundesrechtlichen Vorbehalt zugunsten der kantonalen Gesetzgebung, da die Kantone laut Artikel 8 Bundesverfassung ohnehin zum Erlass öffentlich-rechtlicher Vorschriften auf dem Gebiet des Natur- und Heimatschutzes kompetent sind (BGE 41 I 489; 57 I 211; 64 I 208). Durch Artikel 702 Zivilgesetzbuch wird vielmehr ganz allgemein die den Kantonen und allenfalls den Gemeinden zustehende Kompetenz zur Aufstellung von für das Bundeszivilrecht verbindlichen Eigentumsbeschränkungen auf den bezeichneten Gebieten, also insbesondere auch in bezug auf den Schutz von Natur und Heimat, anerkannt und hervorgehoben.

2. Kantonales Recht Angespornt durch den erwähnten Artikel 702 des Zivilgesetzbuches haben die meisten Kantone in ihren Einführungsgesetzen zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch die Grundlage für den Erlass
von Verordnungen betreffend den Natur- und Heimatschutz geschaffen. Es bestehen denn auch heute in der Mehrzahl der Kantone regierungsrätliche Verordnungen über den Schutz von Landschafts- und Ortsbildern, von Baudenkmälern, Naturschönheiten, Pflanzen und Tieren usw. Einzelne Kantone besitzen besondere Gesetze betreffend den Natur- und Heimatschutz. Überdies weisen eine Anzahl kantonaler Gesetze, die gewisse, mit den Belangen des Natur- und Heimatschutzes in Verbindung stehende Sachgebiete ordnen (vor allem kantonale Baugesetze und baupolizeiliche Verordnungen), spezielle Normen zur Wahrung der Interessen

1101 von Natur- und Heimatschutz auf; zum Teil handelt es sich dabei um Bestimmungen, wodurch die Gemeinden zur Aufstellung eigener Vorschriften in ihren Reglementen ermächtigt werden.

IV. Die Wünschbarkeit einer Verfassungsbestimmung betreffend den Natur- und Heimatschutz

Die hohe Zahl der geltenden kantonalen Gesetze und Verordnungen auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes lässt erkennen, dass alle Kantone der Erhaltung und Pflege ihrer Naturschönheiten und Landschaftsbilder grosse Wichtigkeit beimessen. Die Kantone werden in ihren Bestrebungen wirksam unterstützt von den zahlreichen kantonalen, regionalen und lokalen privaten Organisationen des Natur- und Heimatschutzes, welche die mannigfaltigen Gefahren für Natur und Landschaft frühzeitig erkennen und mittels Eingaben, Einsprachen und Beschwerden an die zuständigen Behörden abzuwenden suchen.

Bei aller Anerkennung der intensiven Bemühungen der Kantone um den möglichst unbeeinträchtigten Fortbestand ihrer bedeutungsvollen Naturlandschaften, Ortsbilder, historischen Denkmäler und Kulturschätze kann indessen nicht in Abrede gestellt werden, dass die kantonalen Behörden bei der "Wahrung der Interessen von Natur- und Heimatschutz in zunehmendem Masse kaum überwindbaren Schwierigkeiten begegnen. In der heutigen Zeit der sprunghaften wirtschaftlichen und technischen Entwicklung bedrängen in allen Teilen unseres Landes rasch anwachsende Uberbauungen, industrielle Anlagen und Ablagerungen, neu angelegte Strassen. Bahnen und Leitungen, Eeklamevorrichtungen u.a.m. die Schönheit von Natur und Landschaft aufs schwerste.

Die herrschende wirtschaftliche Konjunktur und das damit verbundene intensive Streben nach materiellern Wohlstand haben in weiten Bevölkerungskreisen den Sinn für den Schutz von Natur und Heimat recht erheblich geschmälert. Demzufolge wurden seit Kriegsende eine beträchtliche Zahl wertvoller Landschafts- und Ortsbilder sowie Naturschönheiten in nicht wiedergutzumachender Weise beeinträchtigt, verunstaltet oder gar vernichtet.

Die den Kantonsbehörden durch die teilweise nicht mehr den gegenwärtigen Forschungsergebnissen und Erfahrungen angepassten kantonalen Naturund Heimatschutzgesetze und -Verordnungen eingeräumten Befugnisse reichen nicht aus, um der geschilderten Entwicklung der gegenwärtigen Zeit wirksam begegnen zu können. Gegen bestimmte konkrete Gefährdungen von bedeutungsvollen Landschaften oder Objekten müssten unter Umständen zuerst die erforderlichen gesetzlichen Grundlagen neu geschaffen werden, wodurch wertvolle Zeit verlorenginge. Möglicherweise kämen damit die kantonalen Schutzniassnahmen
zu spät, und die betreffenden Naturschönheiten, Landschaftsbilder oder Baudenkmäler gingen für immer verloren. Diese Überlegungen mögen zeigen, dass sich in bezug auf die heute leider nicht mehr sehr zahlreichen

1102 unberührten Naturlandschaften und geschichtlichen oder kulturellen Denkmäler von grossem, im ganzen Lande anerkannten Wert ein wirkungsvoller, unmittelbarer Schutz durch den Bund aufdrängt.

Die schutzwürdigen heimatlichen Landschaften, Naturschönheiten und Kulturdenkmäler stehen zumeist ini Eigentum privater Grundeigentümer, teilweise auch in der Hand privater oder öffentlich-rechtlicher Korporationen.

Die in allen Kantonsverfassungen enthaltene Garantie des Eigentums verlangt, dass sämtliche öffentlich-rechtlichen Eingriffe des Gemeinwesens in das Privateigentum, also insbesondere auch jene im Interesse des Natur- und Heimatschutzes, gegen volle Entschädigung erfolgen. Die Erhaltung wertvoller Natur und Heimatschutzobjekte ist somit in der Begel nur durch vertragliche Vereinbarungen mit den Grundeigentümern, durch Landkauf oder, sofern die notwendige gesetzliche Grundlage vorhanden ist, durch Enteignung möglich.

Alle diese Massnahmen sind selbstverständlich mit zum Teil sehr grossen finanziellen Aufwendungen des Gemeinwesens verbunden. Es ist nun sehr fraglich, ob alle Kantone in der Lage wären, zur Bettung ihrer bedrohten Landschaften, Naturschönheiten oder Kulturdenkmäler innert nützlicher Frist die erforderlichen Mittel bereitzustellen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine beträchtliche Zahl von gefährdeten Landschaften und Objekten von nationaler Bedeutung auf dem Gebiete ausgesprochen finanzschwacher Kantone liegt. Es besteht demnach ein allgemeines, von den meisten Kantonsregierungen anerkanntes Bedürfnis nach einer neuen verfassungsmässigen Kompetenz des Bundes, die es ihm erlauben würde, die Bestrebungen der Kantone und der Organisationen auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes, die nicht geringe finanzielle Anstrengungen erheischen, zu fördern.

Ein bedeutender Vorteil einer neuen Bestimmung der Bundesverfassung über Natur- und Heimatschutz läge schliesslich in ihrer koordinierenden sowie in der ausgleichenden Funktion. Während dem Heimatschutz ein vorwiegend regionaler und lokaler Charakter anhaftet, ist vor allem auf dem Gebiete des Naturschutzes eine vermehrte Zusammenarbeit der Kantone nach möglichst einheitlichen Richtlinien wünschbar. Es hat sich als sehr unzweckmässig erwiesen, dass der Schutz der sich über die Kantonsgrenzen hinaus erstreckenden
Naturlandschaften sowie bestimmter Arten von schutzwürdigen Tieren und Pflanzen in den einzelnen Kantonen nach verschiedenen Gesichtspunkten behandelt und gehandhabt wird. Zur ungeschmälerten Erhaltung ganzer Landschaften und zur Bettung einheimischer Tier- und Pflanzenarten vor dem Aussterben bedarf es ganz allgemein und im Einzelfalle unbedingt eines engen Zusammenwirkens aller beteiligten Kantone im Hinblick und in Hinwirkung auf ein gerneinsames Ziel. Diese Zusammenarbeit zur Erreichung eines einheitlichen Zweckes würde ohne Zweifel am besten durch die auf der vorgeschlagenen Verfassungsbestimmung fassende, leitende, koordinierende und unterstützende Mitwirkung des Bundes gewährleistet. Selbstverständlich ist dabei nur an eine Einschaltung des Bundes zu denken, die der kantonalen Autonomie auf diesem Gebiete nach bester Möglichkeit Bechnung trägt.

1103 Als letztes Argument für die Wünschbarkeit eines Verfassungsartikels über Natur- und Heimatschutz sei angeführt, dass die der Beyölkerungszunahme, der beschleunigten Ausdehnung der grösseren Siedlungen, der beängstigenden Zunahme der allgemeinen Technisierung und Industrialisierung, dem Tourismus usw. zuzuschreibenden Gefahren für die Natur und die ursprünglichen Landschaftsbilder einen derartigen Umfang angenommen haben, da^s sie nicht nur die Interessen der einzelnen Kantone, sondern in beunruhigendem ilasse auch die landschaftliche Eigenart und die Kultur des ganzen Landes berühren.

Diese wichtigen Interessen des Bundes können heute nicht allein durch die im Kapitel III, l aufgeführten bundesrechtlichen Bestimmungen gewahrt werden, da die ernsthaften Gefährdungen von Natur und Heimat weniger von den durch die betreffenden bundesrechtlichen Erlasse geordneten Sachgebieten, als vielmehr in erster Linie von durch das Bundesrecht nicht erfassten öffentlichen und privaten Bauten, Anlagen oder Projekten ausgehen. Einem Natur- und Heimatschutzartikel der Bundesverfassung kommt somit unter anderem die wichtige Aufgabe zu, die Kantone auf die grosse Bedeutung ihrer Bestrebungen betreffend Natur- und Heimatschutz für das gesamte Land aufmerksam zu machen, sie in ihren Bestrebungen zu fördern und ihnen eine allfällige finanzielle Hilfe des Bundes zu sichern.

V. Der neue Artikel 24sexles Sachliche und rechtliche Abgrenzung Der Artikel, dessen Aufnahme in die Bundesverfassung wir vorschlagen, hat folgenden Wortlaut : «Art. 24Bexles Der Natur- und Heimatschutz ist Sache der Kantone.

Der Bund hat in Erfüllung seiner eigenen Aufgaben das heimatliche Landschaftsund Ortsbild, geschichtliche Statten sowie Natur- und Kulturdenkmäler zu schonen und, wo das allgemeine Interesse überwiegt, ungeschmälert zu erhalten.

Der Bund kann Bestrebungen des Natur- und Heirnatschutzes durch Beiträge unterstützen sowie Naturreservate, geschichtliche Statten und Kulturdenkmäler von nationaler Bedeutung vertraglich oder auf dem Wege der Enteignung erwerben oder sichern.

Er ist befugt, Beatimmungen zum Schütze der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt zu erlassen. »

1. Bei der Eedaktion des vorstehenden Textes zu einem neuen Verfassungsartikel herrschte von Anfang an Klarheit darüber, dass der Natur- und HeimatSchutz, soweit er eine Aufgabe des Bundes sein soll, nicht als ein einseitiger und absoluter Schutz auf Grund von allgemeingültigen Eegeln verstanden werden kann. Den Anliegen des Natur- und Heimatschutzes stehen nämlich meistens anderweitige Interessen gegenüber, die teilweise ebenfalls öffentlicher Art sind, wie z.B. das Bedürfnis nach intensiver Nutzbarmachung der Wasserkräfte, nach dem Ausbau der Nationalstrassen, nach Auflockerung der Städte usw. Zum ändern Teil handelt es sich um private Interessen, die sich den Be-

1104 langen des Natur- und Heimatschutzes entgegenstellen, so z.B. das Bedürfnis Privater nach Errichtung von Wochenendhäusern an Seeufern usw. Da es nicht Aufgabe der Verfassungsbestinimung sein kann, sich mit starren Vorschriften betreffend den Schutz von Natur und Heimat der wirtschaftlichen, industriellen Entwicklung und dem technischen Fortschritt allgemein feindlich entgegenzustemmen, muss die Möglichkeit einer vernünftigen Abwägung der sich im Einzelfalle gegenüberstehenden Interessen geschaffen werden. Der Natur- und Heimatschutzartikel hat sich deshalb infolge der vielschichtigen und in jedem einzelnen Falle anders gelagerten Interessenkonflikte auf die Angabe der zu befolgenden allgemeinen Bichtlinien zu beschränken.

2. Im Verlaufe der Vorbereitung des Natur- und Heimatgohutzartikels stellte sich die Frage, wie weit überhaupt die beiden Begriffe des Naturschutzes und des Heimatschutzes zu fassen seien. Die für die Menschen bestehende Gefahr der Vermassung, die unumgängliche Notwendigkeit eines gehetzten und zermürbenden Lebens, das Überhandnehmen der Technik mit allen ihren nachteiligen und unangenehmen Folgen sowie andere Erscheinungen der modernen Zeit haben eine bestimmte Tendenz geschaffen, die Begriffe von Natur und Heimat auf alle Gebiete auszudehnen, die dem Menschen Erholung sowie Schutz gegen die bedrückende Wirklichkeit des Alltags bieten sollen. So werden die Bestrebungen der Lärmbekämpfung, der Beinhaltung der Gewässer, der Erhaltung des Bauernlandes gegen überdimensionierte Strassenprojekte, oder sogar die Postulate der Freizeitgestaltung, des Wohnungsbaues für Minderbemittelte usw. mitunter dem Natur- und Heimatschutz im weitesten Sinne zugerechnet. Alle diese Forderungen weisen aber mit dem eigentlichen Naturund Heimatschutz lediglich eine gewisse Verwandtschaft auf. Der Natur- und Heimatschutz im überlieferten Sinne beschränkt sich auf die Erhaltung und den Schutz der landschaftlichen Schönheiten, der Ortsbilder, der Natur- und Kulturdenkmäler sowie der einheimischen Pflanzen und Tiere. Der Natur- und Heimatschutz hat somit allein die Pflege und Erhaltung bestehender Werte und die Abwehr von Angriffen auf diese Werte und Werke im Auge, nicht aber etwa Ziele der Planung und der Gestaltung. Damit soll aber nicht gesagt sein, dass der Natur- und Heimatschutz im Eahmen seiner
konservierenden Funktion nicht auch in gewisser Weise gestaltend tätig sein kann. So sind beispielsweise der Ankauf bestimmter Gebiete zum Zwecke der Ausgestaltung oder Neuschaffung eines wertvollen Naturreservates sowie die Wiederansiedlung bereits ausgerotteter einheimischer Tierarten in geeigneter Umgebung wichtige Aufgaben des Naturschutzes. Da der Verfassungsartikel über Natur- und Heiruatschutz nur eine einzige in sich geschlossene Materie im Hinblick auf ein einheitliches Ziel ordnen kann, muss die Behandlung der unter den Begriff des Natur- und Heimatschutzes im weitesten Sinne fallenden Postulate zukünftigen bundesrechtlichen oder kantonalen Begelungen überlassen bleiben.

Die Notwendigkeit der Einheit der Materie liess auch den Einbezug der mit Natur- und Heimatschutz sich verhältnismässig stark berührenden Bestrebungen der Landes-, Begional- und Ortsplanung in den Verfassungsartikel

1105 als unzweckmässig erscheinen. Das von der Planung angestrebte Hauptziel liegt keineswegs in der Sichtung der Bemühungen des Natur- und HeimatSchutzes. Die Planung gehört ihrem Wesen nach zur positiven Gestaltung, ihr Gegenstand ist die Baum- und Mächennutzung ; die dient vorwiegend der Ausdehnung und der Gestaltung der Siedlungen, der Industrieanlagen und des Verkehrs. Bei der Verfolgung dieses Hauptzieles kann die Planung unter Umständen mit den Interessen des Natur- und Heimatschutzes in Konflikt geraten, so z.B. dann, wenn eine noch unberührte Naturlandschaft einer in der Nähe gelegenen grossen Siedlung als Freizeit- und Erholungsgebiet planerisch erschlossen und dementsprechend neu gestaltet werden soll. Dass in Anbetracht der gewaltigen Zunahme der überbauten und in intensivstem Masse genutzten Fläche des Landes eine grundsätzliche Regelung der Landes-, Piegional- und Ortsplanung von höchster Bedeutung ist, soll hier ausdrücklich anerkannt werden.

Nicht ins Gebiet des Natur- und Heimatschutzes gehören ferner die namentlich von Tierschutzvereinen und ähnlichen Vereinigungen ausgehenden Bestrebungen zum Schütze der Tiere, insbesondere auch der Haus- und Nutztiere vor Quälerei. Diese Schutzbestrebungen stehen in keinem Zusammenhang mit der heimatlichen Landschaft und Natur. Dem Naturschutz können grundsätzlich nur jene tierschützenden Massnahmen und Bemühungen zugerechnet werden, die auf die Bettung einheimischer in freier Natur lebender Tiere vor dem Aussterben gerichtet sind.

Eine äusserst enge Verwandtschaft verbindet den Natur- und Heimatschutzbegriff des Verfassungsartikels mit der vom Bunde auf Grund des Bundesbeschlusses vom 14. März 1958 und der entsprechenden Verordnung des Bundesrates vom 26.August 1958 unterstützten und geförderten Denkmalpflege. Die Denkmalpflege befasst sich mit der Erhaltung, der archäologischen Erforschung, der Ausgrabung oder der Aufnahme von kunsthistorisch oder geschichtlich bedeutsamen unbeweglichen Objekten und deren Bestandteilen.

Gemäss dem Wortlaut des vorgeschlagenen Natur- und Heimatschutzartikels gehören die Schonung und Erhaltung geschichtlicher Stätten und Kulturdenkmäler zum Begriffe des Heimatschutzes. Hieraus erhellt, dass sich Denkmalpflege und Heimatschutz inbezugauf die Erhaltung von Denkmälern berühren und in gewissem Sinne sogar zu
überschneiden scheinen. So sind z.B. Massnahmen zur Beibehaltung des ursprünglichen äusseren Aspektes bedeutungsvoller Profan- und Sakralbauten oder ganzer alter Stadt- und Dorfteile samt deren näherer Umgebung Aufgaben sowohl der Denkmalpflege, als auch des Heimatschutzes, wogegen die Erhaltung und Pflege der inneren Ausgestaltung und Ausstattung der betreffenden Objekte eher der Denkmalpflege allein und der Innenarchitektur zugerechnet werden müssen.

Vorn Heimatschutzbegriff auszuschliessen sind ferner die Bestrebungen der Denkmalpflege für die wissenschaftliche Erforschung, den Umbau oder die Instandstellung geschichtlich oder kunsthistorisch wertvoller Bauten sowie für

1106 die Ausgrabung archäologischer Fundstätten. Alle diese Aufgaben reichen über die rein erhaltende und abwehrende Punktion des Heimatschutzes hinaus.

8. Für einen Verfassungsartikel betreffend den Natur- und Heimatschutz sind verschiedene Grundkonzeptionen denkbar. Es stellte sich deshalb die Aufgabe, die den heutigen Voraussetzungen und Erfordernissen auf dem Gebiete des Natur- und Heimatsohutzes am besten entsprechende Lösung zu wählen.

In Übereinstimmung mit der Expertenkommission für die Ausarbeitung des Verfassungsartikels vertreten wir die Auffassung, dass eine blosse Proklamation zum Zwecke der rein moralischen Unterstützung und Ermunterung der kantonalen, kommunalen und privaten Bestrebungen betreffend den Natur- und Heimatschutz fehl am Platze wäre. Die Bundesverfassung ist die normative Grundordnung des Staates und daher nicht für schöne Erklärungen und Worte bestimmt, denen jegliche rechtliche Verbindlichkeit fehlt. Von einem Verfassungsartikel, der keine Eechtsverbindlichkeit hat, ist mit Entschiedenheit abzuraten.

Eingehende Untersuchungen führten zur Überzeugung, dass für die neue Verfassungsbestimmung eine Kombination zwischen einem Förderungsartikel, der den Bund zu bestimmten Leistungen für die Unterstützung des kantonalen und privaten Natur- und Heimatschutzes anhält, und einem Kompetenzartikel, der dem Bund in bestimmten Grenzen die Zuständigkeit zum Erlass von Vorschriften und zu gewissen Massnahmen einräumt, als die zweckmässigste Grundkonzeption anzusehen ist. Dabei inusste auf eine äusserst massvolle, die föderative Struktur des Landes berücksichtigende Fassung der neuen Bundeskompetenz sorgfältig Bedacht genommen werden. Die Kompetenz des Bundes soll nicht eine Beschränkung der bestehenden kantonalen Zuständigkeit auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes bewirken, sondern vielmehr die Kantone anspornen, zuerst von sich aus auf Grund ihrer eigenen Hoheitsrechte das Erforderliche zur Erhaltung wertvoller Natur- und Heimatschutzobjekte vorzukehren. Die neugeschaffene Bundesaufgabe soll somit eine vorwiegend subsidiäre Kraft erhalten und erst dort zum Zuge kommen, wo im Einzelfalle ein Kanton infolge unüberwindbarer Schwierigkeiten oder übermächtiger Gegenkräfte nicht in der Lage ist, seine Schutzbestrebungen aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln durchzusetzen.
4. K o m p e t e n z a b g r e n z u n g zwischen B u n d und Kantonen. Gemäss Artikel 3 der Bundesverfassung steht den Kantonen dia Ausübung aller Eechte zu, die nicht durch eine Verfassungsbestimmung dem Bunde übertragen worden ist. Da es nicht möglich wäre, auf jedem im Kompetenzbereich des Bundes liegenden Sachgebiet die Bundeszuständigkeiten ausdrücklich aufzuführen und genau zu umschreiben, muss der Umfang einer Bundeskompetenz vielfach auf dem Wege der Auslegung des betreffenden Verfassungsartikels durch die rechtsanwendenden Verwaltungsbehörden und das Bundesgericht oder aber durch den Bundesgesetzgeber präziser festgelegt werden.

1107 Es hat sich gezeigt, dass gerade auch auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes eine abschliessende Abgrenzung der in Zukunft dem Bunde obliegenden Pflichten von den im Zuständigkeitsbereich der Kantone verbleibenden Belangen auf der Stufe der Verfassung mit ausserordentlichen Schwierigkeiten verbunden wäre. Dies vor allem deshalb, weil die vorgesehene Verfassungsbestimmung keine vollständigen und keine ausschliesslichen Bundeskompetenzen begründen soll. Wie in Kapitel III, 2 bereits erwähnt wurde, haben eine ganze Eeihe von Kantonen in Gesetzen und Verordnungen, die in ihren kantonalen Kompetenzbereich fallende Sachgebiete ordnen, Vorschriften über den Schutz von Natur und Heimat mit sehr verschiedener Tragweite aufgenommen. Diese Vorschriften sind mit den betreffenden Sachgebieten zum Teil untrennbar verknüpft. So werden z.B. die im kantonalen Baupolizeirecht enthaltenen Natur- und Heimatschutzbestimmungen durch den Brlass und die Anwendung der baupolizeilichen Vorschriften verwirklicht. Es könnte nun keinesfalls daran gedacht werden, gestützt auf den neuen Verfassungsartikel den Kantonen die Kompetenz auf dem Gebiete der Baupolizei teilweise zu entziehen und dem Bunde zu übertragen. Den Kantonen soll es nach wie vor unbenommen bleiben, bei der Eegelung der in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Sachgebiete die ihnen notwendig scheinenden Vorschriften für die Erhaltung und Pflege der Landschafts- und Naturschönheiten sowie der wertvollen Denkmäler zu erlassen.

Der vorgeschlagene Verfassungsartikel verfolgt auch nicht etwa den Zweck, die Kompetenz der Kantone zum. Erlass eigentlicher Gesetze und Verordnungen betreffend den Natur- und Heimatschutz zu beschneiden. Im. ersten Absatz des Textes wird nachhaltig der Grundsatz unterstrichen, dass der Schutz der Schönheiten in Natur und Landschaft nach wie vor primär eine Aufgabe der Kantone bleiben soll. Da in jedem Kanton verantwortungsbewusste Behörden im Verein mit schweizerischen, kantonalen, regionalen und lokalen privaten Organisationen unermüdlich am Werke sind, um die Ziele des Natur- und Heimatschutzes nach Möglichkeit zu verwirklichen, drängt sich eine einheitliche Ordnung der gesamten Materie durch die Bundesgesetzgebung nicht auf.

Eine derartige Kompetenzverschiebung würde seitens der Kantone ohne Zweifel als eine unerwünschte
Einmischung empfunden und trüge überdies die Gefahr einer vor allem die regionalen und lokalen Interessen des Heimatschutzes benachteiligenden Verallgemeinerung in sich. Der Bundesrat war daher bestrebt, durch die Verfassungsbestimmung nur insoweit eine neue Gesetzgebungshoheit des Bundes zu schaffen, als die dringende Notwendigkeit zu einer Bechtsvereinheitlichung besteht. Dies ist einzig der Fall in bezug auf die Vorschriften zum Schütze der einheimischen Tiere und Pflanzen. Bei der Aufstellung dieser Vorschriften wird es Aufgabe des Bundesgesetzgebers sein, ihren Inhalt auf das Wesentliche zu beschränken und auf diese Weise die Bundeskompetenz in engen Grenzen zu halten.

Ausser der Zuständigkeit des Bundes zum Erlass von Bestimmungen über den Tier- und Pflanzenschutz enthält der Entwurf des Natur- und Heimat-

1108 Schutzartikels eine Bundeskompetenz zur finanziellen Förderung von Naturund Heimatschutzbestrebungen sowie zu eigenen Massnahmen für die Bettung national bedeutungsvoller Naturschönkeiten und Denkmäler. Als Bundesmassnahmen sind vorgesehen: der Ankauf, die anderweitige vertragliche Sicherung und die Enteignung wertvoller Objekte und Naturreservate. Als Förderung von Bestrebungen des Natur- und Heimatschutzes können sowohl die finanzielle Unterstützung von Bemühungen, die von einem Kanton selbst ausgehen oder mit dessen Zustimmung erfolgen, als auch die direkte Hilfe an Gemeinden, private Organisationen und Objekteigentümer in Betracht fallen. Bei einer direkten Hilfe des Bundes an Gemeinden und Private besteht allerdings eine gewisse Gefahr der tatsächlichen Verschiebung der Kompetenzen zugunsten des Bundes und zum Nachteil der Kantone. Der Verhinderung dieser unerwünschten Kompetenzverlagerung wird in den aufzustellenden Subventionsbedingungen die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt werden müssen. Es ginge selbstverständlich nicht an, dass der Bund als Subventionsgeber seine Leistungen von der Einhaltung bestimmter, den Zuständigkeitsbereich der Kantone verletzender, eigener Vorschriften über Natur- und Heimatschutz abhängig machen würde. Mit dem in Absatz 3 des Artikels statuierten Eecht des Bundes, Naturreservate und Stätten von nationaler Bedeutung durch zivilrechtliche Geschäfte zu sichern oder allenfalls zu enteignen, wird eine rein subsidiäre Bundeskompetenz geschaffen. Die Befugnis der Kantone, wichtige Objekte des Natur- und Heimatschutzes selbst zu erwerben, mit Dienstbarkeiten zu belasten oder gestützt auf eine gesetzliche Grundlage zu expropriieren, wird dadurch nicht beeinträchtigt. In den Ausführungsbestimmungen zum Bundesverfassungsartikel wird das Verhältnis zwischen den kantonalen Zuständigkeiten betreffend den Natur- und Heimatschutz und der neuen, diese ergänzende Bundeskompetenz so geordnet werden müssen, dass der Bund die zivilrechtliche Sicherung, vor allem aber die Enteignung bedeutender Werte in der Regel nur dann vornirnnxt, wenn der betreffende Kanton in Ermangelung der nötigen Mittel oder infolge anderer unüberwindbarer Schwierigkeiten hiezu nicht selbst in der Lage ist.

5. In Anbetracht des heutigen allgemein schweren Standes des Natur- und Heimatschutzes in
der Schweiz und in Berücksichtigung der Tatsache, dass im Verlaufe weniger Jahre eine erhebliche Zahl bedeutsamer Naturschönheiten, Landschaften und Denkmäler infolge eines zu wenig wirksamen Schutzes der Nachwelt nicht erhalten bleiben konnte, wurde von der Expertenkommission die Aufnahme einer zusätzlichen Bestimmung in Artikel 24sexles erwogen.

Diese Bestimmung hätte es dem Bunde ermöglicht, im Falle der unmittelbaren Gefährdung wichtiger Natur- oder Landschaftsbilder durch vorsorgliche Schutzmassnahmen sofort einzuschreiten. Der betreffende Absatz des Naturund Heimatschutzartikels war in folgendem Wortlaut gedacht: «Soweit die Anordnungen der Kantone nicht ausreichen, kann der Bund nach Anhören der beteiligten Kantone vorsorgliche Massnahmen zur Erhaltung von bedeutungsvollen Landschaften und Naturschönheiten treffen.»

1109 Der vorstellende Absatz hätte als Grundlage für eine Intervention des Bundes ina äussersten Fall dienen und immer dann zur Anwendung kommen sollen, wenn die Kantone der Verschandelung oder Vernichtung von Naturund Heimatschutzobjekten offensichtlich machtlos gegenübergestanden hätten; mit ändern Worten, seine Anwendung hätte ein Versagen des betreffenden Kantons bei der Lösung einer eigenen Aufgabe vorausgesetzt.

Gegen diese Art der Bundesintervention wurden von verschiedenen Kantonen erhebliche Bedenken geltend gemacht. Nach eingehender Prüfung der Angelegenheit verzichtete der Bundesrat in der Folge auf die Aufnahme des fraglichen Absatzes im vorliegenden Entwurf zum Natur- und Heimatschutzartikel. Es ist leicht denkbar, dass der Bund in der Praxis nur ungern und sehr selten zu einer auf die neugeschaffene Bundeskompetenz sich stützenden Intervention geschritten wäre, da er dem beteiligten Kanton den Vorwurf seines Versagens bestimmt wenn immer möglich hätte ersparen wollen. Aber selbst im Falle einer äusserst geringen praktischen Bedeutung der fraglichen Verfassungsbestimmung hätte diese ohne Zweifel zumindest eine unerwünschte psychologische Wirkung gezeitigt, da sie auf der Voraussetzung des Versagens der Kantonsbehörden bei der Ausübung ihrer Pflichten beruht und zudem das föderalistische Grundprinzip des Artikels störte. Es darf die Hoffnung zum Ausdruck gebracht werden, dass im Zusammenhang mit dem Erlass des neuen Verfassungsartikels die Kantone möglichst rasch wirkende kantonale Massnahmen auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes einführen werden, soweit ihre geltende Eechtsordnung den heutigen Anforderungen nicht mehr genügt.

VI. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Verfassungsartikel 1. Absatz l «Der Natur- und Heimatschutz ist Sache der Kantone.»

a. Da die Kantone gemäss Artikel 3 der Bundesverfassung alle Eechte ausüben, die nicht der Bundesgewalt übertragen sind, könnte die Ansicht vertreten werden, der ausdrückliche Vorbehalt der kantonalen Kompetenzen betreffend den Natur- und Heimatschutz sei überflüssig. Dies mag in formalrechtlicher Beziehung auch zutreffen. Da die im vorgeschlagenen Verfassungsartikel enthaltenen neuen Befugnisse des Bundes mit den kantonalen Zuständigkeiten auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes konkurrieren, kommt indessen Absatz l eine wichtige Bedeutung zu : An erster Stelle des Natur- und Heimatschutzartikels soll der grundsätzliche Primat der kantonalen Kompetenzen deutlich hervorgehoben werden. Es soll klargestellt sein, dass der Natur- und Heimatschutz in erster Linie durch die Kantone gepflegt und unterstützt werden muss und dass der Bund unter möglichster Schonung des Föderalismus nur dann gestützt auf seme verfassungsmässigen Kompetenzen einschreitet, wenn die kantonalen Bestrebungen allein nicht zum Ziele führen, oder wenn das allgemeine Interesse des Landes Bundesmassnahmen als dringend notBundesblatt. 113. Jahrg. Bd. I.

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1110 wendig erscheinen lägst. Dieser in Absatz l festgehaltene Grundgedanke wird bei der Ausarbeitung der auf Artikel 24sexles der Bundesverfassung sich stützenden Bundesbestimmungen und Subventionsbedingungen genau beachtet werden müssen. Auf diese Weise bietet seine Aufnahme in den Verfassungsartikel die Gewähr, dass die Tragweite der neuen Bundeskompetenzen in den Ausführungserlassen nicht zum Nachteil der Kantone ausgedehnt wird. Der ausdrückliche Vorbehalt der kantonalen Kompetenzen unterstreicht die föderalistische Grundhaltung der Bestimmung. Er bildet eine Eichtlinie für die Auslegung und Anwendung des ganzen Verfassungsartikels.

Absatz l, der eine bestehende Kompetenz und Aufgabe der Kantone bestätigt und hervorhebt, fällt in seiner Art nicht aus dem Rahmen der Verfassung.

Ähnliche Bestimmungen finden sich bereits in Artikel 64, Absatz 3 und in Artikel 64Ms, Absatz 2, wonach die Kantone ausdrücklich als zuständig erklärt werden, für die Zivil- und die Strafrechtspflege die Organisation der Gerichte und das Verfahren zu regeln und die Rechtsprechung zu besorgen. Auch diese Aufgaben hatten die Kantone schon vor der Vereinheitlichung von Zivil- und Straf recht.

b. Vom Absatz l des Natur- und Heimatschutzartikels ist ferner zu erhoffen, dass er geeignet sei, die Kantone auf die grosse Bedeutung des Natur und Heimatschutzes für die Interessen ihres Territoriums und des ganzen Landes nachhaltig aufmerksam zu machen sowie sie anzuspornen, ihre eigenen Bestrebungen auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes intensiver und wirksamer zu gestalten.

2. Absatz 2 «Der Bund hat in Erfüllung seiner eigenen Aufgaben das heimatliche Landschaffcgund Ortsbild, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler zu schonen und, wo das allgemeine Interesse überwiegt, ungeschmälert zu erhalten.»

a. Die Fälle, in denen der Bund selber imstande ist, einen wirksamen Natur- und Heimatschutz zu treiben, sind verhältnismassig zahlreich. Es bedarf dabei keiner Verpflichtung oder Unterstützung der Kantone und auch keiner Kompetenzverschiebung zwischen den Kantonen und dem Bund. Es handelt sich hier um die Fälle, wo der Bund bei der Erfüllung seiner eigenen Aufgaben mit den Interessen des Natur- und Heimatschutzes in Konflikt geraten kann.

Der vorgeschlagene Grundsatz der eigenen Verpflichtung des Bundes zur Beachtung der Interessen des Natur- und Heimatschutzes bei der Erfüllung von Bundesaufgaben findet sich bereits in verschiedenen Erlassen des Bundes.

Es sei diesbezüglich auf unsere Ausführungen im Kapitel III, l verwiesen.

Dagegen fehlt der Grundsatz in einer Anzahl von Bundesgesetzen, Bundesbeschlussen oder Verordnungen, die gewisse, die Belange des Natur- und Heimatschutzes mitunter berührende Sachgebiete regeln. So ist es z.B. sehr wohl denkbar, dass Seilbahnen, Radio- und Fernsehsendetürme, Radaranlagen, Rüstungsbauten, militärische Anlagen usw. das Landschaftsbild in empfind-

lili liebem Masse beeinträchtigen oder gar verunstalten. Im Absatz 2 des Verfassungsartikels soll nun die allgemeine Pflicht für den Bund angeordnet werden, in seinem gesamten Aufgabenbereich der ungeschmälerten Erhaltung von Natur- und Landschaftssehönheiten sowie von Denkmälern nach Möglichkeit die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

i>. Gegen den Grundsatz in Absatz 2 könnte zwar das Argument ins Feld geführt werden : da es sich bei der Wahrung der Interessen des Natur- und Heiinatschutzes um ein allgemeines staatliches Ziel handle, sei der Bund auch ohne das Bestehen einer verfassungsmässig verankerten Pflicht gehalten, bei der Ausübung seiner Befugnisse den Schutz von Natur und Landschaft ständig im Auge zu behalten; demnach erübrige sich die Belastung der Bundesverfassung mit einer rein programmatischen Bestimmung. Diesem Argument ist entgegenzuhalten, dass im Zuge der immer weiter um sich greifenden Technisierung des heutigen Zeitalters der Bund selbst Gefahr läuft, mit der Errichtung seiner eigenen Werke und Anlagen die Interessen des Natur- und Heimatschutzes mehr und mehr in den Hintergrund zu drängen. Die stets anwachsende Bedrohung von Natur- und Landschaft durch dem Bunde gehörende, von diesem angeordnete oder geförderte Einrichtungen lässt den Einbezug des Grundsatzes einer angemessenen Berücksichtigung der Belange des Natur- und Heimatschutzes in den Eahmen der verfassungsmässigen Pflichten des Bundes durchaus rechtfertigen. Es ist sodann nicht einzusehen, weshalb der Bund nur auf einzelnen Sachgebieten durch in Bundesgesetzen enthaltene Natur- und Heimatschutzbestimmungen zur Schonung von Natur und Landschaft ausdrücklich verpflichtet sein soll, auf ändern Sachgebieten dagegen nicht. In dieser Beziehung schliesst der vorgeschlagene Absatz 2 zweifellos eine empfindliche Lücke, indem er die Beachtung des allgemeinen staatlichen Zieles des Schutzes von Natur und Heimat zur verbindlichen Bundespflicht erklärt. Absatz 2 ist demnach nicht eine blosse Programmbestimmung, sondern eine Norm mit rechtsverbindlichem Inhalt. Die Bechtsverbindlichkeit wird sich darin auswirken, dass der Bund in allen seinen zukünftigen Erlassen und bei sämtlichen in seine Kompetenz fallenden Massnahmen die Interessen des Natur- und Heimatschutzes zu berücksichtigen hat.

c. In Absatz 2 des Verfassungsartikels
wird der Begriff der eigenen Aufgaben des Bundes nicht näher umschrieben, da eine derartige Präzisierung zu weit führen würde. Im Vordergrund stehen hier die Erstellung bundeseigener Werke und Anlagen sowie die Erteilung von Bewilligungen (Konzessionen, Polizeierlaubnisse) für die Erstellung von Werken und Anlagen. Für den zweiten Fall liefert die Verfassungsbestimmung dort, wo der Bund allein und abschliessend zum Entscheid zuständig ist, zugleich die erforderliche Grundlage, um die Erteilung der Konzession oder Bewilligung an dem Natur- und Heimatschutz dienende Bedingungen zu knüpfen oder um entsprechende Auflagen zu machen.

Ausserdem bestehen jedoch noch eine ganze Anzahl von Bundesaufgaben, die sich auf die finanzielle Förderung und Unterstützung kantonaler, kommunaler und privater Zwecke beziehen. Die Frage, ob der Bund auch dort,

1112 wo er lediglich als Subventionsgeber in Erscheinung tritt, im Einzelfall überprüfen muss, ob die subventionierten Massnahmen die Interessen des Naturund Heimatschutzes nicht verletzen, darf wohl bejaht werden. Die gegenteilige Auffassung würde nämlich unter Umständen dazu führen, dass der Bund, obschon er die Förderung der Bestrebungen des Natur- und Heiraatschutzes durch Schaffung eines Verfassungsartikels zu seiner eigenen Aufgabe gemacht hat, gezwungen wäre, ein die Natur oder Landschaft verunstaltendes Projekt finanziell zu unterstützen. Der Bund muss daher die Möglichkeit besitzen, eine Subvention im Interesse der Erhaltung eines Schutzobjektes zu verweigern oder gegebenenfalls die Bundeshilfe nur unter gewissen Voraussetzungen zu gewähren. Bei der Aufstellung der Subventionsbedingungen wird indessen darauf zu achten sein, dass die Kompetenzen der Kantone betreffend den Natur- und Heimatschutz nicht beschränkt werden.

d. Eine abschliessende Aufzählung der möglichen Objekte eines zeitgemässen Natur- und Heimatschutzes im vorgeschlagenen Absatz 2 liess sich aus naheliegenden Gründen nicht durchführen. Die Bestimmung beschränkt sich somit darauf, eine gewisse Auslese zu treffen. Als besonders schutzwürdig sind ganz allgemein die heimatlichen Landschafts- und Ortsbilder zu bezeichnen; daneben sollen aber auch als speziellere Objekte geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler vor Verunstaltung oder Beeinträchtigung bewahrt werden. Ausser den im Absatz 2 aufgeführten Werken besteht natürlich noch eine grosse Zahl weniger bedeutender Objekte, die nicht den Charakter ausgesprochener Kulturdenkmäler haben, trotzdem aber eines Schutzes durchaus würdig sind. Es darf jedoch mit Sicherheit damit gerechnet werden, dass der Bund in der Praxis bei der Errichtung, Bewilligung oder Subventionierung von Werken Objekten dieser Art ebenfalls die gebührende Aufmerksamkeit schenken wird. Zudem ist zu erwarten, dass sich kantonale und freiwillige Bestrebungen der Erhaltung der weniger bedeutenden Werte annehmen werden.

e. Absatz 2 gibt den zuständigen Bundesbehörden die Anweisung, in jedem einzelnen Fall die sich gegenüberstehenden Interessen nach Ermessen abzuwägen und die Schönheiten von Natur und Landschaft immer dann unangetastet zu belassen, wenn das Schutzinteresse überwiegt. Dort, wo eine
blosse Schonung ausreicht, hat die Behörde ferner nach ihrem Ermessen zu bestimmen, welche Massnahmen zu treffen sind. Gewisse Eichtlinien für die Handhabung des Ermessens der Bundesbehörden werden sich aus der Bechtsanwendung und der Rechtsprechung ergeben.

3. Absatz 3 «Der Bund kann Bestrebungen des Natur- und Heimatschutzes durch Beiträge unterstützen sowie Naturreservate, geschichtliche Statten und Kulturdenkmäler von nationaler Bedeutung vertraglich oder auf dem Wege der Enteignung erwerben oder sichern. »

a. Der erste Teil von Absatz 3 stellt sich als eine eigentliche Förderungsbestimmung dar. Seine Aufnahme in den Verfassungsartikel gründet sich auf

1113 die Überlegung, dass der Bund durch die tatkräftige finanzielle Unterstützung der Kantone der Intensivierung der Natm~- und Heimatschutzbestrebungen den besten Dienst erweist. Ohne jeden Zweifel ist nämlich die allgemeine Unterlegenheit der Kantone und privaten Organisationen auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes gegenüber den mannigfaltigen Bedrohungen und Gegenströmungen in erster Linie auf den Mangel an finanziellen Mitteln zurückzuführen. Es wäre nun kaum verständlich, wenn durch eine Eevision der Verfassung der Bund mit seiner Autorität für die Interessen des Natur- und Heimatschutzes und für die Stärkung der Kantone auf diesem Gebiet eingesetzt werden sollte, ohne dass von dem zur Erreichung dieses Zweckes tauglichsten Mittel, der finanziellen Hilfe des Bundes, Gebrauch gemacht wurde.

Da der Natur- und Heimatschutz primär im Aufgabenkreis der Kantone bleibt, und da im allgemeinen diese Massnahmen nicht besonders hohe Kosten verursachen, ist nicht zu befürchten, dass die neue Bestimmung für den Bund weitgehende finanzielle Folgen haben wird. Die sehr kostspielige Denkmalpflege wird vom Bund bereits stark unterstützt. Es wird Sache der Gesetzgebung sein, die Voraussetzungen für die Ausrichtung von Bundesbeiträgen und ihre Begrenzung festzulegen. Auf die Art der Handhabung der Förderungsbestimmung und die dabei zu beachtenden Gefahren wurde bereits bei der Behandlung der Kompetenzausscheidung zwischen Bund und Kantonen (vgl.

Kapitel V, 4) hingewiesen.

o. Durch Absatz 3 des Natur- und Heimatschutzartikels soll der Bund ferner ermächtigt werden, Naturreservate und Denkmäler von gesamtschweizerischer Bedeutung durch Erwerb oder anderweitige vertragliche Vereinbarung zu sichern. Neben dem Nationalpark bestehen noch andere Naturreservate von grossem Ausmass und hohem Wert, deren Erwerb oder vertragliche Sicherung durch den Bund im allgemeinen nationalen Interesse allenfalls als geboten erscheinen könnte. Als Beispiele far die Wirksamkeit von Massnahmen dieser Art seien die erfolgreichen Sicherungen des Silsersees, des Aletschwaldes, der zwei Lauterbrunner Alpen, des 'Urwaldes von Derborence u.a. durch den Schweizerischen Bund für Naturschutz erwähnt. Auf dem Gebiete des Schutzes von Denkmälern und historischen Stätten wurden mit Bundeshilfe im Verein mit den zuständigen kantonalen
und kommunalen Behörden sowie den privaten Organisationen des Heimatsehutzes bedeutende profane und sakrale Bauwerke durch Instandstellungsarbeiten und vertragliche Vereinbarungen dauernd gesichert und erhalten.

Der Bundesrat erachtet es nicht als angezeigt, die Eechtsgrundlage des Nationalparkes oder deren Änderung im Natur- und Heimatschutzartikel der Bundesverfassung zu regeln. Der Nationalpark besteht seit mehr als 40 Jahren und gründet sich auf zum Teil sehr komplizierte Rechtsverhältnisse, die durch eine Verfassungsrevision nicht ohne weiteres aufgehoben oder geändert werden dürften. Da die Erhaltung des Parkes durch eine Anzahl von Verträgen als gesichert erscheint, wird sich die Frage eines Erwerbes des Eigentums für den Bund kaum stellen.

1114 c. Im äussersten Falle sollte der Bund zur Rettung einer von der Vernichtung bedrohten Naturschönheit oder eines schwer gefährdeten Denkmals von nationaler Bedeutung auf dem Wege der Enteignung einschreiten können. Von der Expropriationsmöglichkeit in Absatz 3 des Verfassungsartikels sollte indessen grundsätzlich nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn die Anordnungen des betreffenden Kantons zur Erreichung des Zieles nicht genügen und alle übrigen dem Bunde zur Verfügung stehenden Mittel, insbesondere die zivilreentliehe Sicherung des Objektes versagt haben. Im Interesse des Prinzips des Föderalismus ist in jedem Falle dem Kanton zuerst Gelegenheit zu geben, auf Grund seiner eigenen Kompetenzen selbst das Notwendige vorzukehren.

Mit der Enteignung im Sinne von Absatz 3 sind in erster Linie Tatbestände der sogenannten formellen Enteignung gemeint, d.h. Eingriffe des Staates in das private Eigentum mit dem Zweck, Eigentumsrechte und beschränkte dingliche Eechte den Berechtigten zu entziehen, um sie dem Bunde gelbst zu übertragen. Eine Enteignungsmassnahme dieser Art wird sich immer dann aufdrängen, wenn die privaten Eigentümer eines bedeutenden Natur- und Kulturdenkmals dessen Vernichtung oder Verschandelung planen und sich die Erhaltung des Objektes einzig mittels des hoheitlichen Entzuges dee Grundeigentums verwirklichen lässt. Ferner wird mitunter die Expropriation gewisser Natur- und Kulturdenkmäler gefährdender oder beeinträchtigender Dienstbarkeiten, wie Wegrechte, Durchleitungsrechte, Nutzungsrechte usw. notwendig werden. Absatz 3 der Verfassungsbestimmung betrifft sodann aber auch die Tatbestände der materiellen Enteignung, d.h. der Beschränkung des privaten Grundeigentums durch Vorschriften und behördliche Massnahmen von derart einschneidender Wirkung, dass der bisherige Gebrauch des Eigentumsobjektes nicht mehr möglich ist. So läge ein enteignungsähnlicher Tatbestand bzw. eine materielle Enteignung beispielsweise dann vor, wenn der Bund zum Schütze eines Denkmals vor Beeinträchtigung die benachbarten Grundstücke mit einem Bauverbot oder einer Baubeschränkung belasten würde.

Für die Enteignung des Bundes auf Grund des Natur- und Heimatschutzartikels der Bundesverfassung werden die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1930 über die Enteignung massgebend sein.

Ausser der
gesetzlichen Grundlage ist für jede Enteignung der Nachweis eines öffentlichen Interesses, das den Eingriff in das Privateigentum rechtfertigt, notwendig. Die Eigentumsgarantie lässt eine Expropriationsmassnahme nur insofern zu, als das öffentliche Interesse gegenüber den Interessen des privaten Eigentümers überwiegt. Der Wortlaut von Absatz 3 des Naturund Heimatschutzartikels enthält nur eine ganz allgemeine Eichtlinie für die Ermittlung dieses öffentlichen Interesses : Der Bund soll lediglich in den Fällen auf dem Enteignungswege einschreiten, wo die Erhaltung von Naturreservaten, geschichtlichen Stätten und Kulturdenkmälern von nationaler Bedeutung auf dem Spiele steht. Da selbstverständlich auch bei Schutzmassnahmen zugunsten von national bedeutungsvollen Objekten die entgegenstehenden Interessen der durch die Massnahmen betroffenen Eigentümer unter Umständen

1115 sehr verschieden sein können, vermögen weder Bundesverfassung noch Gesetz das für die Enteignung erforderliche öffentliche Interesse abschliessend zu umschreiben. Mit der Abwägung der widerstreitenden Interessen werden sich im Einzelfalle die Auslegung und die Eechtsprechung zu befassen haben.

Wenn der Bund ausnahmsweise auf Grund von Absatz 3 zum Mittel der Enteignung greift, so ist er entsprechend den Grundsätzen der Expropriation gehalten, die Eigentximsgarantie als Wertgarantie zu respektieren. Er hat demnach die Grundeigentümer und andere Träger wohlerworbener Hechte in angemessener Weise zu entschädigen oder aber für die Ausrichtung einer Entschädigung durch den beteiligten Kanton zu sorgen. Wer die Entschädigungspflicht endgültig zu tragen hat - Bund oder Kanton - wird in den Ausführungserlassen bestimmt werden können.

4. Absatz 4 «Er ist befugt, Bestimmungen zum Schütze der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt zu erlassen.»

Absatz 4 begründet eine neue Bundeskompetenz in Gestalt einer Gesetzgebungshoheit. An anderer Stelle (vgl. Kapitel V, 4) wurde bereits das dringende Bedürfnis einer Eechtsvereinheitlichung inbezug auf bestimmte Vorschriften zum Schütze von Tieren und Pflanzen hervorgehoben. Die Erhaltung gewisser einheimischer Tier- und Pflanzenarten ist nämlich nur möglich unter gleichzeitiger Erhaltung und einheitlicher zweckmässiger Pflege ihres Lebensraumes, ihres sogenannten Biotops. Dieser Lebensraum reicht in der Eegel über die Grenzen einzelner Kantone hinaus. Es wird somit klar, dass die von einem Kanton zum Schutz dieser Arten getroffenen Massnahmen unter Umständen nutzlos sind, wenn die Erhaltungsbestrebungen nicht auf umfassender Basis an die Hand genommen werden. Es wäre ohne weiteres denkbar, dass einen einheitlichen Lebensraum betreffende verschiedenartige kantonale Vorschriften die Ausrottung einzelner seltener Tier- oder Pflanzenarten nicht aufhalten könnten.

Auf dem Gebiete des Tierschutzes bestehen bereits verschiedene bundesrechtliche Vorschriften. Artikel 264 des Schweizerischen Strafgesetzbuches bedroht die vorsätzliche oder fahrlässige Misshandlung, Vernachlässigung und Überanstrengung von Tieren mit Strafe. Diese Bestimmung hat den Schutz der Tiere, namentlich der Haus- und Nutztiere, vor Quälerei zum Ziele, nicht aber die Bewahrung wildlebender Tiere vor dem Aussterben. Der Unterschied zwischen dieser Art des Tierschutzes und den Bestrebungen des Naturschutzes wurde in Kapitel V, 2 verdeutlicht. Eine für den Naturschutz wesentliche Bedeutung haben indessen die ini Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz und im Bundesgesetz über die Eischerei enthaltenen Vorschriften. Da sie aber auf zahlreiche schutzwürdige Tierarten, namentlich Kleintiere, die nicht gejagt werden können, keine Anwendung finden, reichen sie zu einem umfassenden Schutz der einheimischen Tierwelt nicht aus. Mit der Erhaltung solcher Tierarten werden sich die gestützt auf Absatz 4 zu erlassenden Bundesvorschriften zu befassen haben.

1116 Die Schutzbestimmungen des Bundes können in sehr verschiedener Richtung gehen. Inbezug auf die Pflanzen werden namentlich Verbote des Pflückens, Ausreissens und Verkaufens zu erlassen sein. Die Tierschutzvorschriften werden die für die Erhaltung der einzelnen Arten zu treffenden Massnahmen enthalten.

Ferner kann der Bund im Interesse des Schutzes von Tieren, die an Baumbeständen, landwirtschaftlichen Kulturen usw. Schaden anrichten, unter Umständen die Möglichkeit der Ausrichtung von Entschädigungen vorsehen.

Entschädigungen dieser Art werden in den meisten Kantonen gestützt auf Artikel 33 des Bundesgesetzes über die Jagd und den Vogelschutz für den durch das jagdbare Wild verursachten Schaden bereits ausgerichtet; sofern der Schaden in einem eidgenössischen Jagdbannbezirk entstanden ist, übernimmt der Bund die Hälfte der Entschädigung zu eigenen Lasten (Art. 21 des B G über die Jagd und den Vogelschutz). Eine ähnliche Regelung könnte nun auf der Grundlage des neuen Verfassungsartikels 24sexies für die nicht jagdbaren Tierarten getroffen werden.

5. Die Ausführungserlasse zu den Absätzen 2 bis 4 des Verfassungsartikels Wie in Absatz l deutlich hervorgehoben wird, sollen sich die neuen Befugnisse des Bundes auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes in engen Grenzen halten. Die gesetzliche Regelung des Schutzes von Natur und Heimat soll grundsätzlich wie bis anhin Sache der Kantone bleiben; eine Intervention des Bundes fällt nur insoweit in Betracht, als dies die Interessen des Landes unbedingt erfordern. Unter solchen' Umständen empfiehlt sich der Erlass eines umfassenden und vereinheitlichenden Bundesgesetzes nicht. Die erforderliche Ausführungsgesetzgebung zu Artikel Msexies der Bundesverfassung wird dem Prinzip des Föderalismus sowie der Verschiedenartigkeit der durch die einzelnen Absätze des Natur- und Heimatschutzartikels angestrebten Ziele Rechnung tragen müssen.

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen beehren wir uns, Ihnen die Annahme des Entwurfes zu einem Bundesbeschluss über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 'Msexie.s betreffend den Natur- und Heimatschutz zu empfehlen. Ferner beantragen wir Ihnen, es sei die im Kapitel I aufgeführte Motion der eidgenössischen Räte von 1955 (Nr. 6556), die durch unsere Vorlage gegenstandslos geworden ist, als erledigt
abzuschreiben.

Wir benützen auch diese Gelegenheit, um Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern ; den 19.Mai 1961.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Wahlen Der Bundeskanzler : Ch. Oser

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 24sexies betreffend den Natur- und Heimatschutz (Vom 19. Mai 1961)

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