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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Militärdienst der im Ausland wohnenden Schweizer i (Vom 14. Juli 1961)

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Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

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Gemäss Artikel 18 der Bundesverfassung ist jeder Schweizer wehrpflichtig.

Die Verfassung macht bezüglich der Wehrpflichterfüllung keinen Unterschied zwischen den Mitbürgern ;im Inland und den im Ausland wohnenden Schweizern.

Auch das Bundesgesetz über die Militärorganisation verzichtet in Artikel l, welcher den Inhalt der Wehrpflicht umschreibt, auf eine unterschiedliche Behandlung. Zweifellos hat nach den Grundsätzen des Völkerrechts jeder Staat das Becht,' seine im Ausland wohnenden Bürger zur Militärdienstleistung im Heimatstaat heranzuziehen: Dennoch sah der Bundesrat seit jeher, davon ab, von den im Ausland wohnenden Schweizern in Friedenszeiten die Erfüllung der gesetzlichen persönlichen Dienstleistungen zu verlangen. Diesem Verzicht lag die Überlegung zugrunde, dass es eine: Härte bedeuten würde, wenn die Auslandschweizer diesseits und jenseits der Meere gleich wie die Inlandschweizer zur Bekrutenschule, zu Wiederholungs- und Ergänzungskursen, zu .Beförderungsdiensten und anderen gesetzlichen Diensten einrücken müssten. Durch solche Aufgebote würde die wirtschaftliche Existenz mancher Ausländschweizer in einer nicht zumutbaren Weise schwer gefährdet. Dazu: kommt,! dass unsere Behörden gar nicht in der Lage sind, das Aufgebot eines im Ausland wohnenden Schweizers zu erzwingen. Falls sich ein Auslandschweizer der Dienstleistung entziehen würde, so bliebe letzten Endes nichts anderes übrig, als den Fall wegen Dienstverweigerung oder Dienstversäumnis einem i Militärgericht zu überweisen.

Die gerichtliche Verurteilung säumiger Auslandschweizer wäre wenig geeignet, das Problem in praktischer Hinsicht zu lösen. Zudem würden auf diese Weise die Beziehungen zwischen den Auslandschweizerkolonien und dem Heimatland einer schweren Belastung ausgesetzt. :

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Aus allen diesen Überlegungen hielt es der Bundesrat bis anhin für richtig, die Auslandschweizer in Friedenszeiten von der Pflicht zur persönlichen Dienstleistung zu befreien. Dieser Gedanke fand in entsprechenden Bestimmungen verschiedener Erlasse des Bundesrates seinen Niederschlag. Wenn somit die Auslands chweizer im allgemeinen keinen Militärdienst leisten, so besteht ein gewisser Ausgleich darin, dass sie nach Artikel 2 der Militärorganisation den Militärpflichtersatz zu bezahlen haben. Bemerkenswert ist, dass auch in dieser Beziehung den Auslandschweizern eine Sonderbehandlung zuteil wird, indem in Artikel 5 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1959 über den Militärpflichtersatz die Ersatzpflicht der Auslandschweizer wesentlich eingeschränkt ist.

Die vom Bundesrat geübte Praxis bezüglich der Wehrpflichterfüllung der Auslandschweizer hat nie zu nennenswerten Schwierigkeiten geführt. Nicht zu Unrecht wurde dagegen dann und wann die Frage nach der Eechtsgrundlage dieser Massnahmen aufgeworfen. Das war der Grund, weshalb wir Ihnen mit der Botschaft vom 30. Juni 1960 über die Änderung der Militärorganisation beantragten, Artikel l der Militärorganisation durch einen neuen Absatz 4 zu ergänzen, wonach die persönliche Dienstleistung der im Ausland wohnhaften Schweizer durch den Bundesrat geregelt werden soll. Die eidgenössischen Bäte waren damit einverstanden, die bestehende Gesetzeslücke zu' beseitigen;., sie haben aber die Eegelung der Bundesversammlung, und nicht, dem Bundesrat, vorbehalten.

Unter Bezugnahme auf den Absatz 4 des Artikels l der Militärorganisation in der Fassung des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1960 beehren wir uns, Timen mit dieser Botschaft den Entwurf za einem Beschluss der Bundesversammlung über den Militärdienst der im Ausland wohnenden Schweizer zu unterbreiten. Mit diesem Beschluss sollen die wesentlichen, schon bis anhin gültigen Grundsätze durch die Bundesversammlung bestätigt werden. Es betrifft dies die Aushebung, die Einberufung der Auslandschweizer zum Friedensdienst und zum aktiven Dienst sowie die Stellung der Doppelbürger, welche im ausländischen Heimatstaat Militärdienst geleistet haben.

Zu den einzelnen Artikeln des Beschlussesentwurfes ist folgendes zu sagen : In Artikel l soll der bisherige Grundsatz aufgenommen werden, dass die im Ausland wohnenden Schweizer
in Friedenszeiten vom Instruktionsdienst, von der Teilnahme an der Ausrüstungsinspektion und von der Erfüllung der ausserdienstlichen Schiesspflicht befreit sind, dass es ihnen indessen frei steht, die ihrer Heeeresklasse entsprechenden Schulen und Kurse in ihrer Heimat zu leisten.

Artikel 2 regelt die Aushebung. Dem jungen Auslandschweizer, der den Dienst in unserer Armee leisten möchte, wird seit jeher Gelegenheit gegeben, beim Vertrauensarzt der schweizerischen Auslandvertretung, in deren Kreis er wohnt, die sanitarische Untersuchung zu bestehen. Die betreffenden Ärzte sind im Besitze der dazu nötigen Unterlagen. In gewissen Fällen, die vom Bundesrat zu bestimmen sind, soll von der Aushebung und der Einberufung zur Eekrutenschule abgesehen werden. Wir denken dabei an jene Mitbürger,

149 . a. die ausser dem Schweizerbürgerrecht die Staatsangehörigkeit ihres Wohnsitzlandes besitzen und dort früher oder später zum Militärdienst herangezogen werden können; · b. die keine der schweizerischen Landessprachen beherrschen und in den verhältnisniässig kurzen Dienstperioden der sprachlichen Schwierigkeiten wegen nicht ausgebildet werden können; c. die wegen eines schweren Deliktes verurteilt wurden und gemäss Artikel 17 der Militärorganisation von der persönlichen Dienstleistung ausgeschlossen werden rnüssten: d. die ausserhalb Europas und der am Mittelrneer angrenzenden Staaten Asiens und Afrikas wohnen und somit, wie schon 1914 und 1939, voraussichtlich auch bei einer Kriegsmobilmachung nicht einzurücken hätten.

Die hohen Ausbildungs-, Ausrüsturigs- und Eeisekosten würden sich in diesen Fällen in keiner Weise lohnen.

Nach Artikel 3 sollen Schweizer, welche,noch das Bürgerrecht eines fremden Staates besitzen und in der Armee dieses ändern Staates Dienst geleistet haben, nicht in der schweizerischen Armee eingeteilt werden oder eingeteilt bleiben können. Die endgültige Zuteilung solcher Doppelbürger zu den Ersatzpflichtigen liegt im Interesse unserer Armee wie auch der betreffenden Doppelbürger. Sie schafft klare Verhältnisse und bewahrt die in Frage kommenden Mitbürger, die im Ernstfall doch nur in einem Staate Dienst leisten können, vor Gewissenskonflikten.

A r t i k e l 4 ordnet die Einrückungspflicht ini Falle einer Teilkriegsmobilniachung oder einer allgemeinen Kriegsmobilmachung. Es erscheint richtig, bei einer Teilkriegsmobilmachung auf die Einberufung der dienst- und hilfsdienstpflichtigen Auslandschweizer zu verzichten. Bei einer allgemeinen Kriegsmobilmachung sollen die auszug- und landwehrpflichtigen Schweizer im Ausland aufgeboten werden. Der Entscheid, aus welchen Ländern einzurücken ist, hängt von der militärpolitischen Lage ab und wird zu gegebener Zeit zweckmässigerweise vom Bundesrat gefällt.

In A r t i k e l 5 sollen einige Sonderfälle geregelt werden, in denen schon bisher kein Auslandurlaub erteilt wurde. Die darin aufgeführten Wehrpflichtigen sind bei einem Sektionschef in der Schweiz angemeldet und haben ihre militärischen Pflichten wie die Inlandschweizer zu erfüllen. Es ist ohne Zweifel angezeigt, an dieser Ordnung auch in Zukunft festzuhalten.

A r t i k e
l 6 behält die zwischenstaatlichen Abmachungen vor. Bechtskräftige Vereinbarungen, die Militärdienstleistung von Doppelbürgern zum Gegenstand haben, bestehen zur Zeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika (vom 11.November 1937) und mit Frankreich (vom I.August 1958). Den gleichartigen Abkommen mit Argentinien vom 31. Oktober 1957 und Kolumbien vom 15. Januar 1959, die beide von den eidgenössischen Bäten genehmigt wurden, ist bis heute von den Parlamenten .der Vertragspartner die Zustimmung noch nicht erteilt worden.

150 Gestützt auf diese Ausführungen beehren wir uns, Ihnen den heiliegenden Entwurf zu einem Beschluss der Bundesversammlung über den Militärdienst der im Ausland wohnenden Schweizer zur Annahme zu empfehlen.

Wir benützen den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 14. Juli 1961.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident:

Wahlen Der Bundeskanzler: Ch. Oser

151 (Entwurf)

Beschluss der Bundesversammlung über

den Militärdienst der im Ausland wohnenden Schweizer

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 1

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gestützt auf Artikel l, Absatz 4, der Militärorganisation vom,12. April 1907, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 14. Juli 1961, ;

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beschliesst :

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Art. l 1

In Friedenszeiten sind die im Ausland wohnenden Schweizer vom Instruktionsdienst, von der Teilnahme an der Ausrüstungsinspektion und J von der Erfüllimg der ausserdienstlichen Schiesspflicht befreit. Es steht ihnen jedoch frei, mit ihrer Heeresklasse in der Heimat Schulen und Kurse zu, bestehen.

2 Vorbehalten bleiben die Artikel 2, 8, 5 und 6.

Art. 2 ; , Den im Ausland wohnenden, in das Alter der Stellungspflicht tretenden Schweizern ist die Aushebung für den Dienst in der schweizerischen Armee zu ermöglichen.

2 Der Bundesrat bestimmt, in welchen Fällen von der Aushebung und der Einberufung zur Kekrutenschule von im Ausland wohnenden Schweizern abzusehen ist.

Art. 3 Schweizer, welche zugleich das Bürgerrecht eines fremden Staates besitzen und in der Armee dieses Staates Dienst geleistet haben, können in der Eegel nicht in der schweizerischen Armee eingeteilt werden oder eingeteilt bleiben.

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Art. 4 1

Bei einer Teilkriegsmobilmachung der schweizerischen Armee haben die ins Ausland beurlaubten Militärdienstpflichtigen und Hilfsdienstpflichtigen nicht einzurücken, sofern sie sich im Ausland aufhalten.

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Bei einer allgemeinen Kriegsmobilmachung der schweizerischen Armee sind die ins Ausland beurlaubten Militärdienstpflichtigen des Auszuges und der Landwehr einrüokungspflichtig. Der Bundesrat bestimmt die Länder, aus denen eingerückt werden muss.

3 Die militärdienst- und hilfsdienstpflichtigen Bediensteten der schweize.rischen diplomatischen und konsularischen Vertretungen im Ausland sind bei einer Teilkriegsmobilmachung erst auf besondere Weisung, die das Eidgenössische Militärdepartement im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Politischen Departement erlässt, einrückungspflichtig.

Art. 5 1

Die Artikel l, 2 und 4 finden keine Anwendung auf wehrpflichtige Schweizer, welche a. im Ausland nahe der Schweizergrenze wohnen, jedoch in der Schweiz arbeiten, b. als Bedienstete eidgenössischer Verwaltungen und Betriebe in benachbarten ausländischen Grenzorten wohnen, c. in den Enklaven Büsingen oder Campione wohnen, d. sich ohne militärischen Auslandurlaub ins Ausland begeben und denen nicht nachträglich Urlaub erteilt wurde.

2 Die in Absatz l erwähnten Schweizer haben die Wehrpflicht zu erfüllen, wie wenn sie in der Schweiz wohnen würden.

Art. 6 Zwischenstaatliche Abmachungen bleiben vorbehalten.

Art. 7 1 2

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Dieser Beschluss tritt am 1. Januar 1962 in Kraft.

Der Bundesrat ist mit dem Vollzug beauftragt.

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1961

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20.07.1961

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