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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend den Erwerb eines Erfindungspatentes für die Dampfstickmaschine.

(Vom 17. Juni 1892.)

Tit.

Mit Schreiben vom 7. und 10. c. haben die Regierungen der Kantone St. Gallen, Thurgau und Zürich an den Bundesrath das Gesuch gerichtet: Es möchte der Bund in Gemeinschaft mit den genannten Kantonen, sowie mit Appenzell A.-Rh. und I.-Rh. und mit den interessirten Privatkreisen eine finanzielle Garantie übernehmen, um die Erwerbung der im Besitze der Firma J. Saurer & Söhne in Arbon befindlichen Erfindungspatente der Vereinigten Staaten von Amerika für eine in der Stickerei-Industrie epochemachende sog. Dampfstickmaschine nebst Fädelmaschine zu ermöglichen.

Nach den Eingaben der genannten Kantonsregierungen handelt es sich bei dieser Patentbewerbung darum, die unmittelbar drohende Gefahr zu beseitigen, daß unsere Maschinenstickerei durch die neue Erfindung nach dem Auslande verpflanzt und im eigenen Lande im höchsten Grade geschädigt werde.

An dem Wohl und Wehe dieses großen Industriezweiges sind direkt und indirekt auch die meisten übrigen Branchen unserer schweizerischen Textilindustrie, die Maschinenindustrie und im Allgemeinen auch das Kleingewerbe und die Landwirtschaft der fünf betheiligten Kantone interessirt Es kommt daher dem vorliegenden Gesuch unstreitig eine allgemeine und außergewöhnliche Bedeutung zu.

Die neue Stickmaschine entspricht, in Verbindung mit einer Fad el m aschine, deren Patent miterworben würde, nach dem übereinstimmenden Urtheile der vom kaufmännischen Direktorium und vom Centralverbande der Stickerei Industrie in St. Gallen aufgestellten Expertenkommissionen, in jeder Beziehung den weitgehendsten An-

1025 forderungen. Ohne ein wesentlich größeres Bedienungspersonal zu erfordern, vermag dieselbe zufolge ihres rascheren Ganges ungefähr das Fünf- bis Sechsfache der Handstickmaschine zu leisten, liefert dabei jede Art von Waare tadellos und führt gleichzeitig die übermäßige physische Anforderung, welche die alte Maschine an den Sticker stellt, auf ein Minimum zurück.

Mit dieser bedeutenden Erfindung ist der Handstickmaschine eine Rivalin erwachsen, die auch in Ländern verwendbar ist, welche, wie z. B. die Vereinigten Staaten, bisher die Stickerei-Industi'ie wegen den hohen Arbeitslöhnen nicht bei sich selbst in Aufnahme zu bringen vermochten und zur Stunde die größten Absatzgebiete für unsere Stickerei-Industrie sind. Der Verlust dieser Gebiete würde nach allgemeinem Dafürhalten einen Nothstand mit sich bringen, welcher sich mit dem Ungemach aller Art, das die Stickerei und unset-e meisten übrigen Industrien zur Zeit schon bedrängt, zu einem allgemeinen Landesunglück steigern müßte.

Diese Gefahr ist nach den uns vorliegenden Mittheilungen imminent, indem befürchtet wird, daß sich anläßlich der bevorstehenden Weltausstellung in Chicago ein Konsortium bilden werde, in dessen Hände das Patent der Vereinigten Staaten überginge, wenn das zwischen der Firma Saurer und der Kommission des Stickereiverbandes vereinbarte Provisorium nicht vor Ende dieses Monats zu einem endgültigen Kontrakte führt.

Der von der genannten Firma geforderte Kaufpreis des Patentes beläuft sich auf die in kompetenten Kreisen als den Verhältnissen angemessen bezeichnete Summe von 600,000 Fr., zahlbar in vier Raten von je 150,000 Fr. bis Ende 1893.

Die Generalversammlung des Centralverbandes der StickereiIndustrie hat beschlossen, das Patent zu diesem Preise zu erwerben.

Die nöthigen Mittel hofft derselbe durch die zu diesem Zwecke beschlossene Abgabe von 10 bis 20 Rappen von jedem Stück in Arbeit gegebener Waare zu beschaffen. Vom 1. Januar dieses Jahres bis heute hat diese Abgabe bereits annähernd den Betrag der ersten Rate von 150,000 Fr. erreicht, und es wird demnach als wahrscheinlich betrachtet, daß der Stickereiverband die ganze Kaufsumme binnen ungefähr 3 Jahren, je nach dem Geschäftsgange der Stickerei, aus eigenen Mitteln bezahlt haben werde. Daß dennoch einstweilen eine Garantie erforderlich ist, wird dadurch bedingt,
daß der Fortbestand des Slickereiverbandes nicht für die ganze, zur Aeufnung des Fondes erforderliche Zeit gesichert ist, und daß die Firma Saurer, wegen der großen Summen, welche sie während vierzehnjähriger kostspieliger Versuche und Vervollkommnungen auf die Erfindung bis zu deren völligen Reife verwendet hat, und nachdem

1026 ferner eine beträchtliche Zeit unter erfolglosen Unterhandlungen verstrichen ist, auf einer raschen Regelung der Angelegenheit bestehen muß.

Was nun die Vertheilung der Garantie betrifft, so war es bei der Kürze der Zeit bisher noch nicht möglich, ein bestimmtes Verhältniß festzusetzen. Die Regierung des Kantons St. Gallen hat deshalb vom Großen Rathe, unter der Voraussetzung, daß sich auch der Bund betheiligen werde, bereits die allgemeine Vollmacht erhalten, sich an der Garantie-Summe in angemessener Weise au betheiligen.

Aehnlich ist die Angelegenheit einstweilen in den Kantonen Thurgau und Appenzell I.-Rh. geregelt worden, während im Kanton Zürich die Regierung dem Großen Rathe einen bezüglichen Antrag unterbreitet hat. In Appenzell A.-Rh. konnte die Angelegenheit bis anhin noch nicht zur Behandlung gelangen.

Eine ähnliche Generalvollmacht wie diejenige der Regierung des Kantons St. Gallen wäre auch demBundesrathe zu ertheilen, wenn Sie sich entschließen sollten, dem Wunsche der petitionirenden Kantone entgegenzukommen. Nach unserem Dafürhalten kann die Summe, mit welcher sich der Bund an der Garantie betheiligen wird, in keinem Falle ein Viertel der Kaufsumme, d. h. Fr. 150,000, übersteigen, und es entspricht diese Auffassung auch derjenigen, welche in dem Schreiben der st. gallischen Regierung angedeutet ist.

Wir glauben Ihnen auf Grund des Gesagten das Gesuch der fünf Kantone empfehlen zu können. Der Fall, daß der Bund zum Erwerb eines Erfindungspatentes beiträgt, ist zwar neu, in unserer Gesetzgebung aber bereits vorgesehen, indem das Gesetz vom 29. Juni 1888 über die Erfindungspatente im Artikel 13 Folgendes bestimmt : ,,Wenn das öffentliche Interesse es erheischt, kann die Bundesversammlung auf Verlangen des Bundesrathes oder einer Kantonsregierung die Expropriation eines Patentes auf Kosten des Bundes oder eines Kantons aussprechen.

,,Der Bundesbeschluß wird bestimmen, ob die Erfindung das ausschließliche Eigenthum des Bundes oder ob sie Gemeingut wird.

,,Den Betrag der dem Patentinhaber zu leistenden Entschädigung bestimmt das Bundesgericht.tt Der vorliegende Fall steht mit dem in obiger Gesetzesbestimmung vorgesehenen in so nahem Zusammenhang, daß eine analoge Anwendung der letzteren als gefechtfertigt erscheint. Der Umstand, daß es sich heute nur um eine Garantieleistung handelt und daß möglicherweise eine Zahlung von Seiten des Bundes gar nicht nöthig werden dürfte, kommt für eine günstige Aufnahme des Gesuches mit in Betracht.

1027 Das Gesuch der Kantonsregierungen scheint uns indirekt unverkennbar auch im Zusammenhange mit der Subventionirung des gewerblichen Bildungswesens zu stehen. Die Stickerei charakterisirt sich bei der großen Rolle, welche guter Geschmack -und kunstvolle Zeichnung in derselben spielen, in hohem Grade als eine Kunstindustrie. Wenn die großen Summen, welche jährlich durch Bund und Kantone aufgewendet werden, um solchen Industrien tüchtige, künstlerisch geschulte Kräfte zu erziehen, nicht verloren gehen sollen, muß es auch in der Mitsorge des Bundes liegen, daß diese Industrien -durch maschinelle Vervollkommnungen gefördert werden, statt durch dieselben unterzugehen, und daß unsere Erfinder nicht genöthigt werden, ihre Erfindungen- im Auslande zu verwerthen und daselbst Konkurrenz-Industrien zu gründen.

Wenn wir Ihnen hiemit den angefügten Beschlussesentwurf in Form einer unlimitirten Ermächtigung des Bundesrathes zur Annahme empfehlen, so geschieht es selbstverständlich in der Meinung, daß wir nicht unterlassen werden, alle Punkte, welche allfällig noch der Aufklärung oder Präzisirung bedürfen, im Einvernehmen mit den Vertretern der übrigen Garanten einer Prüfung und Besprechung zu unterwerfen. Darin, daß der Stickereiverband selbst das Patent zu erwerben und zu bezahlen entschlossen ist und daß auch eine große Zahl der übrigen Privatinteressenten, sowie die betheiligten Kantone dafür einzustehen bereit sind, liegt übrigens ein Beweis, daß- die Nützlichkeit und Dringlichkeit der Sache zur allgemeinen Ueberzeugung geworden ist.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 17. Juni 1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Hauser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: ßingier.

1028 (Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

die Erwerbung eines Erfindungspatentes für die Dampfstickmaschine.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, im Hinblick auf Art. 13 des Bundesgesetzes vom 29. Juni 1888 über die Erfindungspatente ; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 17. Juni 1892, beschließt: Der Bundesräth wird ermächtigt, dem Gesuche der Regierungen der Kantone St. Gallen, Thurgau und Zürich entsprechend, sich in angemessener Weise an der G-arantirung des Kaufpreises von Fr. 600,000 für die vom Centralverbande der Stickerei-Industrie auf eigene Kosten zu erwerbenden Erfindungs-Patente der Vereinigten Staaten von Amerika für eine Dampfstickmaschine und Fädelmaschine unter den mit den übrigen Garanten noch näher zu vereinbarenden Bedingungen und unter der Voraussetzung zu betheiligen, daß sowohl die interessirten Privatkreise als auch die betreffenden Kantone an der Garantieleistung verhältnißmäßig partizipiren werden.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend den Erwerb eines Erfindungspatentes für die Dampfstickmaschine. (Vom 17. Juni 1892.)

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29.06.1892

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