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Bundesblatt 69. Jahrgang.

Bern, den 28. Aprü 1937.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis SO Franken im Jahr 10 Franken int Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: SO Kappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie. in fern.

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Botschaft dee

Baudesrates an die Bundesversammlung zum Entwürfe eines Bundesgesetzes über die Beteiligung des Bundes an der finanziellen "Wiederaufrichtung notleidender privater EisenbahnUnternehmungen.

(Vom 28. April 1987.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

In unserer Botschaft vom 24. November 1936, mit der wir Ihnen den Ent-wurf zu einem neuen Bundesgesetz über die Schweizerischen Bundesbahnen vorlegton, haben wir darauf hingewiesen, dass sich für den Bund, parallel zum Bundesbahnproblem, ein Privatbahnproblem gestellt hat und dass zwischen -diesen beiden Problemen ein innerer Zusammenhang besteht. Auch die Privat bahnen besitzen, wie wir damals hervorhoben, den Charakter eines öffentlichen Dienstes und befinden sich zurzeit in einer unbestreitbaren Notlage. Da sie trotz ihres privatwirtschaftlichen Aufbaues zum grossen Teil der öffentlichen Hand gehören, indem sie von Kantonen, Bezirken und Gemeinden getragen werden, die die betreffende Belastung schwer empfinden, ist die Frage zu "beantworten, ob der Bund im Zusammenhang damit, dass er zur finanziellen Wiederaufrichtung der Bundesbahnen Hand bietet, den notleidenden Privatbahnen nicht ebenfalls eine angemessene Hilfe leisten soll.

Die möglichst gleichzeitige Behandlung beider Gegenstände drangt sich nicht nur deshalb auf, weil sich sonst gewisse, an den Privatbahnen besonders interessierte Kreise nur mit Mühe dazu verstehen könnten, der Sanierung der Bundesbahnen mit Hilfe des Bundes zuzustimmen. Man gibt mit dieser gleichzeitigen Behandlung auch den Willen kund, die Privatbahnfrage in den Rahmen einer vernünftigen und angemessenen Lösung des gesamten schweizerischen Transportproblems hineinzustellen, zu der, wie wir bei jener Gelegenheit naher -entwickelt haben, auch noch andere Maßnahmen gehören als die Lösung der beiden eben erwähnten Probleme.

Bundesblatt. 89. Jahrg. Bd. I.

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742 Im folgenden legen wir Ihnen unsere Ansichten darüber dar, in welchem Umfang der Bund auf die Lösung des Privatbahnproblems, das sich ihm gestellt hat, eintreten kann, und fügen den Entwurf zu einem bezüglichen Rahmengesetz bei. Zum Verständnis der Sachlage erscheint. Es uns indessen notwendig, nach verschiedenen Eichtungen hin einige Ausführungen allgemeinerer Art über die schweizerischen Privatbahnen vorangehen zu lassen. Sodann wird ein Überblick über dieHilfeleistungsgesuchee derjenigen Kantone, die an den Privatbahnen besonders interessiert sind, sowie der Privatbahnen selbst, zum eigentlichen Thema überleiten. Im Anschluss wird das eigentliche Problem der Hilfeleistung zu besprechesein,'vorab nach seinen Grundzügen und sodann, anhand der für das Gesetz vorgeschlagenen Einzelbestimmungen.

I. Dio schweizerischen Privatbahnen.

1. Die Entwicklung der Privatbahnen.

"Das Netz der schweizerischen Eisenbahnen, wie dieser Begriff in dei: einschlägigen Gesetzgebung verstanden wird, umfasst ausser den Schweizerischen Bundesbahnen eine grosse Anzahl von Privatbahnen der verschiedensten Art., Nach der technischen Sei-te sind die Privatbahnen zum Teil Normal-,.

zum Teil Schmalspurbahnen. Eine besondere Bolle unter ihnen spielen in Anbetracht ihrer eigentümlichen technischen Ausrüstung die Zahnradbahnen und die Standseilbahnen; auch die städtischen Tramways bilden eine Gattung für sich.

.· Die in jüngerer Zeit aufgekommenen Luftseilbahnen fallen nicht unter den.

Begriff der Eisenbahnen.

Nach ihrer w i r t s c h a f t l i c h e n Rolle weisen die Privatbahnendie grössten Unterschiede auf. Drei von ihnen, nämlich die Berner Alpenbahn, die. BernNeuenburg-Bahn und die Bodensee-Toggenburgbahn für das TeilstückRomans_horn-St. Gallen werden als Hauptbahnen betrachtet; Alle andern fallenunterr den Sammelbegriff der Nebenbahnen. In ihrer Bedeutung gehen die heutigen schweizerischen Privatbahnen von der Berner Alpenbahn, die eine wichtige internationale Transitlinie darstellt, oder derRhätischenn Bahn, einemgrossen,.

kompakten Schmalspurbahnnetz, bis hinunter zu Unternehmungen kleinsterGestalt, wie der Marzili-Bahn in Bern oder der DrahtseilbahnRagaz-Warten-stein. Nach der Grosse der einzelnen Unternehmungen beurteilt, machen darunter die kleineren und kleinsten eine verhältnismässig grosse Zahl aus..

Ihrer gesamten Ausdehnung nach nehmen die Privatbahnen innerhalb der schweizerischen Verkehrsunternehmungen einen sehr bedeutenden Platz, ein. Man zählte darunter Ende des Jahres 1935, nach der amtlichen Statistik,.

86 Normalbahnen mit 779,6 km Baulänge, 67 Schmalspurbahnen mit 1547,3 Ion Baulänge, 15 Zahnradbahnen mit 109,5 krn Baulänge, 32 Tramways mit 478,5*

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km Baulänge und 54 Standseilbahnen, deren Baulänge 57,3 km betrug. Die gesamte Baulänge aller auf Schweizergebiet angelegten Eisenbahnen, diejenige ausländischer, Verwaltungen Inbegriffen, betrug Ende des Jahres 1985 5856,8 km, von denen 3004,8 km auf Privatbahnen (alle ausländischen Verwaltungen mit 46,3 km inbegriffen) fallen. Die Ausdehnung der Eisenbahnen in der Schweiz, die nicht. Bestandteil der Schweizerischen Bundesbahnen sind, ist also im ganzen noch, etwas länger als diejenige der letzteren.

Im Jahre 1903, dein ersten Betriebsjahr der SchweizerischenBundesbahnon, betrug die bauliche Länge aller auf Schweizergebiet angelegten Eisenbahnen 4430,0 km. Davon fielen .2894,9 auf die vier Bundesbahnkreise, 272,5 km auf die erst 1908 verstaatlichte Gottbardbahn und 148,9 km auf die andern im Laufe der Zeit verstaatlichten Linien. Das Netz der Privatbahnen, die es heute noch sind, erstreckte sich also auf 1613,7 km.

Aus diesen Zahlen ergibt sich, dass sich die Länge der schweizerischen Privatbahnen seit dem Beginn des Bundesbahnbetriebes bis heute nahezu verdoppelt hat.

Das Anlagekonto der schweizerischen Privatbahnen erreicht, entsprechend ihrer beträchtlichen Ausdehnung, sehr erhebliche Beträge. Auf Ende 1985 stellte es sich für die Normalspurbahnen auf 386,1 Millionen Franken, für die Schmalspurbahnen auf 342,3 Millionen Franken, für die Zahnradbahnen auf 59,4 Millionen. Das Anlagekonto der Standseilbahnen betrug 38,5 Millionen, dasjenige der Trambahnen 166,4 Millionen Franken. Das ausgewiesene gesamte Anlagekonto dieser Unternehmungen erreicht also bis auf weniges den runden Betrag von einer Milliarde Franken ; es würde diesen Betrag noch übersteigen, wenn die betreffende Zahl nicht durch bereits erfolgte finanzielle Eekonstruktionen von Unternehmungen beeinflusst wäre. Das in Privatbahnen investierte Kapital stellt sich danach rund auf % desjenigen, das in den Schweizerischen Bundesbahnen angelegt ist.

Da sich unter den Privatbahnen, wie schon erwähnt, sehr viele Unternehmungen von kleinem und kleinstem Umfang befinden, ragen hinsichtlich der Höhe des Anlagekontos umgekehrt einige derselben mit sehr beträchtlichen Zahlen hervor. So stellt sich das Anlagekonto der Berner Alpenbahn auf 187,6 Millionen Franken, dasjenige der Ehätischen Bahn auf 115,9 Millionen Franken, dasjenige der
Bodensee-Toggenburgbahn auf 38,8 Millionen, dasjenige der Montreux-Berner Oberlandbahn auf 22,2 Millionen Franken. Unter den Trambahnen ragt die Zürcher Städtische Strassenbahn mit einem Anlagekonto von 35,1 Millionen Franken hervor, bei den Zahnradbahnen die Jungfraubahn mit 18,7 Millionen.

Auch die Verkehrsmengen, welche die schweizerischen Privatbahnen zu bewältigen haben, sind im ganzen genommen recht beträchtlich. Die auf ihnen zurückgelegte Anzahl Eeisendenkilometer betrug im Jahre 1935: auf den Normalspurbahnen 205,8 Millionen, auf den Schmalspurbahnen 221,1 Millionen,

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auf den Zahnradbahnen 6,8 Millionen. Dazu kommen noch 8,2 Millionen Reisen den Kilometer auf den Standseilbahnen, so dass sich für diese vier Kategorien von Privatbahnen zusammen die Anzahl derReisenden Kilometerr auf 441,9 Millionen beläuft, was ungefähr dem sechsten Teil deReisendenkilometerer der Schweizerischen Bundesbahnen, entspricht. Nicht berücksichtigt sind dabei aber diReisendenmengenen der Trambahnen, welche im Jahre 1985 217,4 MillioneReisendedc beförderten. Der Güterverkehr der Privatbahnen tritt gegenüber demjenigen der Schweizerischen Bundesbahnen verhältnismässig. zurück, schon weil eine grosse Anzahl von ihnen gar nicht oder nur nebenher der Güterbeförderung zu dienen berufen ist. Immerhin wurden aber im Jahre 1985 auf den Normalspurbahnen 105,4 Millionen Tonnenkilometer geleistet, auf den Schmalspurbahnen 18,0 Millionen". Unter den betreffenden Unternehmungen ragen die Berner Alpenbahn mit 66,4 Millionen Tonnenkilometern, bzw. die Ehätische Bahn mit 10,5 Millionen hervor. Die auf den Schweizerischen Bundesbahnen zurückgelegte Anzahl Tonnenkilometer betrug vergleichsweise 1707,0 Millionen.

,· Die soeben skizzierte bauliche Entwicklung der schweizerischen Privat bahnen war der wirtschaftlichen Blüte zu verdanken, deren sich unser Land, von kleineren Bückschlägen abgesehen, bis zum Weltkriege erfreuen durfte, nicht zum wenigsten aber auch den hohen Erwartungen, die man auf die Entwicklung des in die Schweiz flutenden Fremdenverkehrs und des sie durchziehenden internationalen Transitverkehrs setzte. In die letzten Jahre vor dem Weltkrieg fiel nicht nur die Vervollständigung des Strassenbahnnetzes der Städte oder der Bau zahlreicher neuer Bergbahnen, sondern auch die Durchführung von Werken grösseren und grössten Umfanges, wie der Ausbau der Rhätischen Bahn,-der Bau der Bodensee-Toggenburgbahn, die Erstellung der Berner Alpenbahn, nicht zu vergessen auch der Beginn des Baues der an Wechselfällen reichen Furka-Oberalpbahn. Seit dem Weltkrieg ist der Eisenbahnbau.in der Schweiz stark abgeflaut, und es hat eich eine Sättigung ergeben, nicht zum wenigsten wegen der grossen Krise des Wirtschaftslebens und der durch den - Siegeszug des Automobils herbeigeführten Veränderungen in den Lebensbedingungen der Eisenbahn und der Abwicklung des Verkehrs überhaupt; die Privatbahnlinien, die in den
letzten Jahren noch eröffnet worden sind, beschränken sich auf ganz wenige; .' · · Trotz des im Jahre 1898 beschlossenen Überganges der Schweiz zum Staatsbahnprinzip hat sieh also in unserem Lande auch in der Folgezeit neben der Staatsbahnpolitik eine sehr ausgeprägte Privatbahnpolitik entfaltet. Die Gründe dafür liegen einerseits in der Art, in der das Rückkaufsgesetz selbst die Staatsbahnpolitik eingeleitet hat, anderseits in der Entwicklungdes Konzessionsrechtes, das der Entstehung der Privatbahnen zugrunde lag, Zum Verständnis der Frage, die den Gegenstand vorliegender Botschaft bildet, ist es notwendig, diesen beiden Gegenständen einige nähere Ausführungen zu widmen. Zuvor sind jedoch noch einige Angaben über die heutige finanzielle Lage unserer Privatbahnen angezeigt.

·

2. Die heutige finanzielle Lage der Privatbahnen.

Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass die Not, in welche die Schweizerischen Bundesbahnen und die grossen ausländischen Eisenbahnen geraten sind, vor den schweizerischen Privatbahnen in keiner Weise Halt gemacht hat. Sie hat sich bei allen Eisenhahnen unseres Landes bis in die allerletzte Zeit erheblich verschärft. In Ergänzung dessen, was wir schon in unserer Botschaft vom 24. November 1986 zum Entwurf eines neuen Bundesbahngesetzes ausgeführt haben, können wir anführen, dass sich der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben im Verhältnis zum nominellen Anlagekapital im Mittel des Jahres von 1984 auf 1985 bei den schweizerischen Normalbahnen ausser den Bundesbahnen von 1,59 auf 1,18 %, bei den Schmalspurbahnen von 2,08 auf 1,68 % verschlechtert hat. Dieses ausgesprochene Missverhältnis wäre noch grösser, wenn die als nominelles Anlagekapital in Betracht gezogene Zahl den Gesamtbetrag der ursprünglichen, für die Erstellung dieser Bahnen ausgegebenen Kosten darstellen würde und nicht schon in erheblichem Grade durch finanzielle Eekonstruktionen von Unternehmungen, die bereits vor Jahren mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, heeinflusst wäre. Die folgenden, weiteren Zahlenangaben bekräftigen nur den ungünstigen Eindruck, den die finanzielle Lage der schweizerischen Privatbahnen schon auf den ersten Blick vermittelt.

Es ist so weit gekommen, dass von 115 Normalspur-, Schmalspur- und Zahnradbahnen, die sich in der Schweiz m privatem Betriebe befinden, im Jahre 1935 nur eine einzige einen Eeinertrag (im Sinne des Bundesbeschlusscs vom 14. De/ember 1921) erzielte, der höher war als 3 %. Einen Boinertrag überhaupt wiesen nur 12 von diesen Unternehmungen auf. Bei allen andern fehl! e ein solcher.

Eine Dividende auf dem Aktienkapital oder einem Teil desselben konnten nur 10 Gesellsehaiteu ausschütten. In 2 Fällen betrug sie 4 % und darüber, in allen anderen war sie geringer. Bei mehreren von diesen Bahnen war übrigens die Dividende nicht dem Ergebnis des Bahnbetriebes zu verdanken, sondern nur andern Umständen, wie der Verbindung des Bahngeschäftes mit einem gut rentierenden Kraftwerk oder der Beanspruchung von Bcserven. In anderen Fällen wieder war die Bezahlung einer Dividende, selbst wenn diese auch nur gering blieb, lediglich
auf den Umstand zurückzuführen, dass das Obligationen-kapital der betreffenden Bahn im Verhältnis zum Aktienkapital unbedeutend ist.

Unter den Gesellschaften, die, ohne eine Dividende zu bezahlen, im Jahro 1935 wenigstens ihre ordentlichen Verpflichtungen ungekürzt erfüllten, befanden sich 16, denen dies auf Grund der Betriebsergebnisse (aus dem Bahnbetrieb, aus Nebeugeschäfton oder aus dem Ertrag von Wortschriften) möglich war.

Aber auch bei dieser Kategorie von Bahnen nauss man sich davor hüten, aus den Zahlen allzu günstige Eindrucke abzuleiten: wieder spielte zum Teil ein mit der Bahn zusammenhängendes Kraftwerk die ausschlaggebende ßolle, oder es betrug das Obligationenkapital nur einen verhältnismässig geringen Pro/ient-

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satz des Anlagekapitals. Bei 23 weiteren Bahnen erfolgte die ungekürzte Erfüllung der ordentlichen Verpflichtungen nur dank der Inanspruchnahme der Vermögenssubstanz, und die Liquidität der betreffenden Unternehmungen blieb ausgesprochenermassen ungünstig. Von den grösseren Privatbahnen befanden sich die Emmeiitalbahn, die Burgdorf-Thun-Bahn und die Rhätische Bahn unter letzterer Kategorie.

Allo andern schweizerischen Privatbahnen vermochten ihre ordentlichen Verpflichtungen nur noch teilweise odor gar nicht mehr zu erfüllen. Unter den wichtigeren Privatbahnen, die diese Möglichkeit noch teilweise hatten, stehen die Gürbetalbahn, die Bodensee-Toggenburgbahn, die Berner-Alpenbahn und die Bern-Neuenburg-Bahn. Andere wie dio Montreux-Berner Oberlandbahn und die Schweizerische Südosthahn zahlten überhaupt keine Obligationenzinse.

Ihre Bahnbetriebsrechnung mit Defiziten abgeschlossen haben nicht weniger als 31 Unternehmungen ; bei 3 von ihnen sind keine festen Anleihen vorhanden.

Bei jenen Gesellschaften reichten also die Eingänge aus dem Bahnbetrieb nicht einmal mehr zur Bestreitung der Betriebsausgaben aus, geschweige denn für Abschreibungen (Einlagenin den Erneuerungsfonds), die Bestreitung von Zinsen, die Vornahme von Rücklagen und Tilgungen. Bei einer Anzahl von diesen Unternehmungen machen die Fehlbeträge der Betriebsrechnung im Verhältnis zum Anlagewert erhebliche Summen aus, und die Gesellschaften hatten, waren sie auf sich allein gestellt geblieben, schon lange ihren Betrieb aufgeben müssen.

Unter diesen Umständen ist die Notlage der Privatbahnen, die nach und nach chronisch geworden ist und sich bis vor kurzem noch weiter verschlechtert bat, zu einer bedenklichen Erscheinung geworden, nicht nur vom Standpunkt der betreffenden Unternehmung, sondern auch von demjenigen der Allgemeinheit aus, und sie kann die letztere weht gleichgültig lassen.

Dies um so weniger, als, wie schon angedeutet, schon in früherer Zeit an solchen Unternehmungen erhebliche Geldsummen verloren gegangen sind und die gegenwärtig vorliegenden zahlenmässigen Rechnungsergebnisse sich daher, gemessen an den ursprünglichen Anlagekosten, noch als wesentlich zu günstig darstellen.

3. Der EisenbahnrUckkauf und die Privatbahnen.

Nachdem in den massgebenden Kreisen unseres Landes die Notwendigkeit des Übergangs vom reinen
Privatbahnprinzip zum Staatsbahnprinzip erkannt worden war, bildete die Abgrenzung des Umfanges, den man dem zu bildenden Staatsbahnnetze geben solle, eine erste grundlegende Frage, mit der sich Bundesrat und Bundesversammlung anlasslich der Vorbereitung der Verstaatlichung auseinanderzusetzen hatten. Der bezügliche Entscheid musste von entscheidender Bedeutung werden sowohl für das künftige Verhältnis des Bandes zu den bestehenden Privatbahnen wie auch für die Auffassung darüber, von wem die Fortentwicklung des schweizerischen Eisenbahnnetzes, das damals noch keineswegs ausgebaut war, auszugeben habe.

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Wie es nachher Art. 2 des Rückkaufsgesetzes festlegte, sollten für die Erwerbung von Eisenbahnen durch den Bund die Bestimmungen der Konzessionen massgebend sein. Diese Gesetzesvorschrift war insofern natürlich, als sich der Bund gegenüber jeder Eisenbahn, für die er die Konzession erteilte, in dieser das Recht des Rückkäufe vorbehalten und für die Ausübung desselben «in bestimmtes Verfahren vorgesehen hatte. Dabei war die Einfügung von Rückkaufsbestimmungen in die Konzessionen etwas durchaus Stereotypischeg gewesen; solche finden sich ebensogut in der Konzession für die Berner Alpenbahn wie in derjenigen für irgendeine kleine Bergbahn oder eine städtische Strassenbahnunternehmung. Gerade darum, weil diese Einfügung durchaus wahllos und nach feststehendem Schema erfolgte, ist sie lediglich als eine vorsorgliche Massnahme zu bewerten und in keiner Weise etwa als ein Indiz dafür anzusehen, der Bund habe bei der Erteilung der Konzessionen dio Frage, ob die Erwerbung der betreffenden Eisenbahn für ihn einmal aktuell werden könne, überhaupt nur aufgeworfen.

Der Standpunkt, dass der Bund völlig frei und unpräjudiziert an die Umgrenzung seines Verstaatlichungsprogramms gehen könne, war auch derjenige des Bundesrates bei der Vorbereitung der Verstaatlichung im Jahre 1897.

Als er damals dem Parlamente den Übergang zum Staatsbahnprinzip vorzuschlagen entschlossen war, nahm er in voller Freiheit zur Frage des Umf anges der k ü n f t i g e n Staatsbahn Stellung. Er stand m dieser Beziehung vor einer zwiefachen Entscheidung. Esmusstee bestimmt werden, wie weit man überhaupt mit der Verstaatlichung gehen wolle, also ob diese alle Eisenbahnen des Landes umfassen solle oder nur einen Teil derselben. Sodann aber musste der Bundesrat sich darüber Rechenschaft geben, ob er sein Programm in einem Mal durchführen wolle oder in Etappen. Er schlug vor, in dasVerstaatlichungs-programm überhaupt nur einen bestimmten Kreis von Eisenbahnen aulzunehmen, den er in Art. l desGesetzesentwurfess umschrieb, und sodann etappenweise vorzugehen, i n d e r Meinung, dass i n eine erste Etappe d i e i n Art, 2 Der grundlegende Art. l, der das Vorstaatlichungsprogramm umschreibt und als solcher unwidersprochen auch ina Gesetz gekommen ist, bestimmt, dass der Bund diejenigen schweizerischen Eisenbahnen zu erwerben hat, «welche wegen
ihrer volkswirtschaitlichen oder militärischen Bedeutung den Interessen der Eidgenossenschaft oder eines grösseren Toiles derselben dienen und deren Erwerbung ohne unverhältnismässige Opfer erreichbar ist». An eine allgemeine Verstaatlichung der schweizerischen Eisenbahnen wurde also nicht gedacht.

Hinsichtlich der ersten E t a p p e der kommenden Verstaatlichung konnte der Bundesrat darüber nicht im Zweifel sein, dass auf alle Fälle die bestehenden Hauptbahnen, und zwar wo möglich alle miteinander, zu erwerben sein würden, um avis ihnen ein Netz zu schaffen, dessen einheitlicher Betrieb vor demjenigen der bisher zersplitterten Unternehmungen entscheidende Vorteile versprach.

Diese Hauptbahnen waren zunächst die Jura-Simplonbahn die Schweizerische

748 Centralbahn, die Schweizerische Nordostbahn und die Vereinigten Schweizerbahnen; der Umstand, dass jede von diesen Bahnen auch einige ausgesprochene Nebenlinien umfasste, die im Laufe der Zeit aus den verschiedensten Gründen: Bestandteile ihres Netzes geworden waren, konnte an ihrer Bedeutung für der* mit der Erwerbung der Bahnen verfolgten Zweck nichts ändern. Man wiesdarauf hin, dass diese Hauptbahnen diejenigen Linien umfassten, die den Verkehr der Schweiz beherrschten und daher für dio wirtschaftliche Zukunft des Landes von der grössten Bedeutung seien, bedienten sie doch seine für Industrie, Handel und Gewerbe wichtigsten Punkte, sei es, dass sie dieselben direkt berührten, sei es, dass sie den Aiischluss durch bestehende Nebenbahnen, vermittelten. In die Ruckkaufsaktion wurde ferner, allerdings erst auf einen späteren Zeitpunkt als die anderen Hauptbahnen, als unentbehrlicher Bestandteil eines künftigen Bundesbahnnetzes auch die Gotthardbahn einbezogen,, nachdem es sich herausgestellt hatte, dass die besonderen Beziehungen zu den.

Subventionsetaaten der dringend wünschenswerten Verstaatlichung der Bahn nicht entgegenstanden.

Dieses Programm legte der Bundesrat in Art. 2 seines Gesetzesentwurfes nieder. Damit glaubte er, sich vorderhand begnügen zu sollen, weil man «nach.

altem Grundsatz» nicht alles miteinander machen könne und die Durchführung der Verstaatlichung der fünf genannten Bahnen der Schwierigkeiten, und Mühen mehr als genug bieten -werde. «Es wäre geradezu leichtsinnig», wurde in der Bückkaufsbotschaft beigefügt, «diese schwere Aufgabe durch sofortige Einbeziehung von Nebenbahnen zu einer unmöglichen zu machen.

"Wenn einmal die Staatsbahnverwaltung im Gange ist und ihre geschulten Organe besitzt, wird es viel leichter sein, dem einmal vorhandenen Organismus weitere Teile anzugliedern». Den Nebenbahnen, so versicherte man, werde aus dieser vorlaufigen Beschränkung der Verstaatlichungsaktion kein Nachteil erwachsen.

Den bestehenden Nebenbahnen versprach man grösseres Entgegenkommen.

in der Ordnung der Anschluss- und Mitbenutzungsverhältnisse, sowie die Unterlassung unbilliger Konkurrenz in Tarifsachen. Dabei blieb es besonderer Prüfung überlassen, ob der Bund in einer spateren Zeit die vorhandenen Nebenbahnen zu Eigentum erwerben oder ob or nur deren Betrieb zu günstigen
Bedingungen übernehmen solle, Bedingungen, die sogar einer indirekten Subventionierung derselben gleichkommen konnten. Bezüglich der erst projektierten Nebenbahnen, wurde beigefügt, werde sich der Bund gerade so gut zur Mithilfe bei der Gründung und nachher beim Betriebe entschliessen können, wie dies seit Jahren in den Staaten des Auslandes geschehe. Es empfehle sich, da noch Erfahrungen zu sammeln. Dagegen dürfe die Verpflichtung des Bundes ohne Bedenken anerkannt werden, «für die Bedürfnisse der vom Eisenbahnverkehr bis jetzt vernachlässigten Gegenden nach Möglichkeit einzutreten. Dabei wird die finanzielle Leistungsfähigkeit der Staatsbahnverwaltung nicht zn stark in Anspruch genommen werden, wenn sich die Mitwirkung bei den Nebenlinien im allgemeinen nach der von deren Betrieb zu erwartenden Alimentation richtet». Unter Nebenbahnen waren in diesen Ausführungen der Botschaft

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die dem gewöhnlichen Personen- und Güterverkehr dienenden Bahnen, normalspurige und schmalspurige, verstanden, nicht dagegen die eigentlichen Speziai bahnen, wie Bergbahnen, Touristenbahnen aller Art und die städtischen Tramways.

Als sich die parlamentarischen Kommissionen mit der Umgrenzung der ersten Etappe der Verstaatlichung zu befassen hatten, begegneten die Absichten des Bundesrates gewissen Widerständen, Da man sich von der Verstaatlichung für das ganze Land und besonders für die durch die künftige Staatsbahn bedienten Gegenden wesentliche Vorteile im Vergleich zum bestehenden Zustandeversprach, war es natürlich, dass Bahnen, die in das vorläufige Verstaatlichungsprogramm nicht cinbezogen waren, darauf hindrängten, ebenfalls dazuzugehören, und dass sich die Vertreter der betreffenden Landesgegenden für solche Begehren einsetzten. In seinem Bericht vom 18, September 1897 an die nationalrätliche Kommission, der als Antwort auf die bezüglichen Bestrebungen erstattet wurde, lohnte es der Bundesrat ab, im Art. 2 seines Gesetzesontwurfes die Einbeziehung weiterer Bahnen in das erste Verstaatlichungsprogramm als der ursprünglich in Aussicht genommenen vorzusehen, unter Bestätigung der in der Botschaft dafür geltend gemachten Gründe. Doch suchte er diejenigen Unternehmungen, die wenigstens vorderhand nicht an die Eeihe kommen sollten, neuerdings nach Möglichkeit zu beschwichtigon. Er wies wiederholt darauf hin, dass sich für solche Eisenbahnen auf dem Wege der Betriebsübornahme durch den Bund die Möglichkeit biete, von den Vorteilen des Staatsbetriebes ebenfalls Nutzen zu ziehen. Im übrigen hielt er es für um so gerechtfertigter, Zurückhaltung zu üben, als diejenigen Bahnen, welche, ausser den für die Verstaatlichung zunächst in Aussicht genommenen, seiner Meinung nach dafür noch etwa hatten in Betracht kommen können, im Falle des konzessionsgemässen Eückkaufs voraussichtlich durchwegs nach Massgabe des Anlagekapitals hätten erworben werden müssen, das wesentlich höher war als der kapitalisierte Reinertrag; die Erwerbung solcher Bahnen würde also für don Bund ein schlechtes Geschäft bedeutet haben, vor dem der Bundesrat zurückschreckte.

Ferner wurde in Betracht gezogen, dass noch kcino von den betreffendcnBahnen, vielleicht mit Ausnahme des Jura-Neuchâtclois, hinsichtlich ihrer Bedeutung für die
schweizerische "Wirtschaft diejenigen Erfordernisse erfülle, die man für die künftige Zugehörigkeit zur schweizerischen Staatsbahn als unumgänglich ansehen müsse.

In den nachfolgenden Beratungen über das Eückkaufsgesotz wurde am Programm, das der Bundesrat für die erste Etappe aufgestellt hatte, ebensowenig etwas geändert als am Art. l, der das Vcrstaatlichungsprogramm in seiner Allgemeinheit umschreibt. Dass dann hinterher die fünf Hauptbahnen, anstatt wie ursprünglich vorgesehen auf Grundlage der Konzessionen, auf dem Wege des freihändigen Eückkaufs erworben wurden, ist für die an dieser Stelle zu verfolgenden Zusammenhänge belanglos.

Man würde sich jedoch täuschen, wenn man annehmen wollte, es seien schon mit der Gutheissung dieser beiden Artikel und ihrer Einverleibung in

750 das Gesetz genauere Anhaltspunkte darüber geschaffen worden, welches eigentlich nach dem Willen der Gesetzgeber von 1897 das Programm für k ü n f t i g e V e r s t a a t l i c h u n g e n sein sollte. Klar war mau sich nur darüber, dass die Tragweite des Art. l des Rückkaufsgesetzes eine grössere sei als diejenige des Art. 2, der das erste Verstaatlichungsprogramm brachte, dass man also mit der Ausführung des Art. 2 die Verstaatlichung nicht als abgeschlossen betrachten wolle. Dies ergab sich schon daraus, dass man in der Bundesversammlung ganz allgemein von der künftigen Vergrösserung des Staatsbahnnetzes sprach und besonders in Art. 8 desRückkaufsgesetzes,, der die Verwendung der Betriebsüberschüsse ordnet, auch die Bereithaltung von Mitteln zur Erweiterung des schweizerischen Eisenbahnnetzes, vorzugsweise desjenigen der Nebenbahnen, in Aussicht nahm. Dass dies allerdings in einer Form und in einem Betrag erfolgte, die nur sehr geringe Wahrscheinlichkeiten für die praktische Wirksamkeit einer derartigen Vorschrift boten, ändert a n d e r Tatsache, dass Über den Umfang, den das Staatsbahnnetz annehmen sollte, nachdem einmal die ieststehendc erste Etappe erledigt sein werde, mit anderen Worten über die Auslegung des Art. l, sowie über die für das künftige Handeln einzuschlagenden. Richtlinien, kam man indessen zur Zeit der Vorbereitung der Verstaatlichung über unbestimmte Meinungsäusserungen nicht hinaus.

Nicht ohne Interesse ist es, dass in dem oben erwähnten Bericht an die national rätliche Kommission vom 13. September 1897 der Bundesrat unter den damals bestandenen normalspurigen Bahnunternehmungen deren 17 ausdrücklich erwähnte, m der Meinung, ihre Verstaatlichung, die er zwar für den Augenblick ablehnen müsse, könnte vielleicht spater einmal in Betracht kommen.

Von diesen Eisenbahnen sind seither die Toggenburger-Bahn, dieWald-Rüti-Bahn, derJura-Neuchatelois, d i e Soetalbahn u n d die Tösstalbahn grösseren Privatbahnunternehmung der Berner Alpenbahn aufgegangen.

Die übrigen, i n diesem Zusammenhang erwähnten Bahnen waren thal-Huttwil, Hutt-wil-Wolhusen,Orbe-Chavornay,,Silhtalbaln,, Sudostbahn und Genf-Annemasse.

Eine kritische Nachprüfung dieser Aufstellung, nach Massgabe des Wortlautes des massgebenden Art. l des Rückkaufsgesetzes. hätte wohl schon nach damaligen Begriffen zu Einwanden
Anlass geben können; heute würde sie wohl erst recht zu Meinungsverschiedenheiten führen. Denn es ist sicher, dass schon der Wortlaut des Art. l und besonders die Begründung, die man für den ausschliesslichen Einbezug der fünf Hauptbahnen in die erste Verstaatlichung gab, eindeutig dartun, dass man behutsam vorgehen, die finanziellen Interessen der künftigen Staatsbahnunternehmung schonen und namentlich die Eignung bestimmter Bahnen zur Einverleibung in das Staatsbahnnetz nur auf Grund einer strengen Beurteilung ihrer Wichtigkeil für das Wirtschaftsleben grösserer

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Landesteile bejahen wollte. Das Bestreben, vorsichtig und zurückhaltend zu sein, herrschte ohne Zweifel vor. Nun enthält trotzdem dio erwähnte Liste auch Bahnen, auf die sich Art. l des Gesetzes nach seinein Wortlaut nur mit Mühe anwenden liesse. Aus diesem Umstand aber und aus einigen gelegentlichem Äusserungen, die auf eine gewisse Unsicherheit schliessen lassen könnten, dio Feststellung abzuleiten, der in Art, l niedergelegte Wille des Gesetzgebers sei ein anderer gewesen als derjenige, der sich aus seinem Wortlaut ergibt, ginge angesichts des Werdeganges der Dinge fehl. Die zeitweilige Unsicherheit, in der sich anscheinend bei der Vorbereitung der Verstaatlichung die zum Entscheide berufenen Instanzen mit Bezug auf die Frage befanden, wie weit die Verstaatlichung in dur Folgezeit zu gehen haben werde, lässt sich angesichts der grossen, vor ihnen liegenden Aufgabe ohne weiteres begreifen. Gerade der Verzicht auf die Aufstellung eines verbindlichen Planes --· denn mit der Vorlage der oben erwähnten Liste hatte man keine Verpflichtung irgendwelcher Art eingehen wollen -- zeigt, dass man die Interpretation des Art. l des Gesetzes unpräjudiziert und mit guten Gründen der Zukunft zu überlassen wünschte.

Seit 1897 hat eine kleine Anzahl weiterer Verstaatlichungen stattgefunden, allerdings mehr als Gelegenheitsoperationen denn als Ausfluss eines bestimmten bezüglichen Planes, der auch nach dem Erlass des Rückkaufsgesetzes nicht aulgestellt worden ist.

Aus dieser Entwicklung zeigt sich, dass sich Ansprüche aller oder nur eines Kreisen von Privatbahnen, gegebenenfalls bestimmt bezeichneter Privatbahnen, auf eine Verstaatlichung weder aus der Entstehungsgeschichte des Rückkaufsgesetzes noch aus seinem Inhalt ableiten lassen. Die Interpretation dos Art. i des Rückkaufsgesetzes blieb unpräjudiziert. Die Vornahme weiterer Verstaatlichungen war nach wie vor einerseits eine wirtschaftliche Frage im Sinne der Grundbedingungen, die jener Artikel dafür aufstellte und die, wenn man ihn nach seinem Wortlaut auslegt, einschränkend lauten. Die Frage weiterer Verstaatlichungen blieb aber vor allem eine solche der finanziellen Möglichkeiten, wie es schon die Verstaatlichung der fünf Hauptbahnen gewesen war. Schon bei der Vorbereitung des Bückkaufsgesetzes hatte sich eine Zurückhaltung aus finanziellen Gründen ja
mannigfach geltend gemacht. Trotz der optimistischen Stimmung, in der man damals ans Werk gegangen war, und trotz manchen Zugeständnissen bei der Durchführung der ersten Verstaatlichung, die hinterher die Finanzen der Bundesbahnen beschwert haben, blieb man Nebenbahnen zu unterlassen. Diese Zurückhaltung k o n n u r gestärktärkt werden aus den wenig ermutigenden Erfahrungen, die man mit den vereinzelten, seit dem grossen Euckkauf durchgeführten Verstaatlichungen g e m a h a t t e t t o : sie erwiesen sich alle als eine neue Belastung für Bundesbahnunternehmenmeii und mahnten eindringlich zur Vorsicht. Da seine finanzielle Lage sich ohnehin weiter verschlechterte, konnten deshalb in letzten Zeit neueneue Verstaatlichungen erst recht nicht mehr verantwortet werden. Die direkt Interessierten erwarten

752 deren Durchführung regelmäßig zu Bedingungen, die über den kommerziellen Wert der betreffenden Erwerbung für die Bundesbahnen wesentlich hinausgehen. Nicht umsonst hat denn auch der Entwurf zum neuen Bundesbahngesetz, das die Konsolidierung des Haushaltes dieser Unternehmung herbeiführen will, die Einverleibung neuer Linien in das Bundesbahnnetz zu teureren Bedingungen abgelehnt. MUSS dafür in einem bestimmten Falle doch einmal ein höherer Preis zugestanden werden, so hat die allgemeine Staatsrechnung: für den Unterschied zwischen diesem und dem erwähnten kommerziellen Wert aufzukommen.

Die Tatsache, dass keine Rechte von Privatbahnen gegenüber dem Bund darauf bestehen, zu irgendwelcher Zeit in das Staatsbahnnetz übergeführt zu werden, verhinderte indessen, nicht, dass die Verstaatlichung von 1897 das Verhältnis des Bundes zu den Privatbahnen in wesentlichem Grade beeinflussen musste. Der Bund konnte sich nämlich nicht darauf beschränken, die Beziehungen, welche sich aus dem überlieferten Konzessionsrecht für alle im Privatbesitz verbleibenden Bahnen zu ihm ergaben, als solche einfach aufrecht zu erhalten. Er musste vielmehr als Eigentümer des bedeutendsten Teils der schweizerischen Eisenbahnen darauf Wert legen, dass die Politik der anderen Bahnen mit seiner eigenen Staatsbahnpolitik im Einklang blieb und namentlich, dass die Nebenbahnen als schätzenswerte Zubringer von Verkehr in bezug auf ihre Wirtschaft diejenige gesetzliche Förderung erfuhren, die gerechtfertigt erschien. Aus solchen Gesichtspunkten wurde das Nebenbahngesetz vom 21. Dezember 1899 erlassen. Es gewährte den Nebenbahnen namentlich Erleichterungen in baulicher Beziehung, sicherte ihnen eine entgegenkommende Behandlung hinsichtlich der Vergütung der Posttransporte za und stellte für dio Schaffung des technischen und Betriebsanschlusses von Nebenbahnen unter sich und an Hauptbahnen hinsichtlich der Mitbenützung bestehender Bahnhofanlagen und Bahnstücke Grundsatze auf, die eine Ermässigung der Lasten zur Folge haben sollten. Auch bezüglich der Bestimmungen des Transportreglementes und im Rechnungswesen sollten den Nebenbahnen Erleichterungen gewährt werden. Das Arbeitszeitgesetz hat ferner seinerseits Erleichterungen gebracht in der Bemessung der zulässigen Beanspruchung des Personals für den Dienst.

Im übrigen blieb, wie die
folgenden Abschnitte zeigen werden, trotz der Verstaatlichung dio Einstellung des Bundes zu denjenigen Eisenbahnen, die nicht Bundesbahnen geworden waren, im wesentlichen die überlieferte. Die nunmehr au Bundesbahnen gewordenen Eisenbahnen einerseits, die Privatbahnen anderseits stellten sich selbständig nebeneinander in den Dienst des schweizerischen Verkehrs. Soweit nach einheitlichen Gesichtspunkten gearbeitet werden musste, sorgten die gemeinsame Beratung der bezüglichen Geschäfte und die Oberaufsicht des Bundes dafür, dass das Erforderliche geschehe. So kam es dazu, dass dieser Dualismus, ohne einen Idealzustand zu bedeuten, sich immerhin so auswirkte, dass sich das schweizerischeVerkehrslebenn durchaus mit ihm abfinden konnte.

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4. Das Konzessionsrecht vor und nach der Verstaatlichung, Wir haben soeben darauf hingewiesen, wie sich seit der Verstaatlichung Bundesbahnen und Privatbahnen selbständig nebeneinander in den Dienst des schweizerischen Verkehrs gestellt haben. Da aber, wie wir ebenfalls schon angedeutet haben, der Ausbau des schweizerischen Eisenbahnnetzes zur îîert der Verstaatlichung nicht als erledigt gelten konnte, vielmehr damals die Erstellung mancher neuen Linie noch zu erwarten war, stellte sich notwendigerweise alsbald die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Weise das Konzessionsrecht, das der Entstehung jeder privaten Eisenbahn zugrunde liegen muss, durch den im Grundsatz vollzogenen Übergang zum Staatsbahnprinzip beeinflusst werden solle. Die Gestaltung, welche das Konzessionsrecht nach der Verstaatlichung bekommen hat, war nicht nur bestimmend für die Entwicklung, die der Bau von Privatbahnen in der Schweiz genommen hat, sondern naturgemäss ebensosehr für ihr künftiges rechtliches Verhältnis zum Bund. Darum spielt die Geschichte des Eisenbahnkonzessionsrechtes unmittelbar in die Frage der Hilfeleistung des Bundes zugunsten der Privatbahnen hinein, und es ist notwendig, das Wesentliche daraus an dieser Stelle zu erwähnen.

Wir können darauf verzichten, daran zu erinnern, wie das Eisonbahntonzessionsrecht vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den Bau und Betrieb der Eisenhahnen auf dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft, vom 23. Dezember 1872, geordnet war. Dagegen ist festzuhalten, dass nach Art, l dieses Gesetzes für den Bau und Betrieb von Eisenbahnen auf schweizerischem Gebiete in jedem einzelnen Falle eine vom Bund erteilte Konzession erforderlich ist. Damit wurde jede schweizerische Eisenbahn der Eisenbahngesetzgebung des Bundes sowie der Bundesaufsicht unterstellt. Die kantonalen Konzessionen früherer Jahre haben für die heutigen Privatbahnen keine nennenswerte Bedeutung mehr.

Wesentlich in bezug auf die Zusammenhange, die wir an dieser Stelle zu verfolgen haben, ist, dass das Konzessionsrocht von 1872 ausgesprochenerund gewolltermassen ein durchaus liberales gewesen ist. Der Bund, der zwei Jahrzehnte vorher auf den Staatsbau des schweizerischen Eisenbahnnetzes vernichtet hatte, wünschte durch entgegenkommende, bequem zu erfüllende imd leicht zu tragende Konzessionsbestimmungen
das zu tun, was ihmmöglich schien, «m die Entstehung von Eisenbahnen in unserm Lande zu fördern. In diesem Sinne verpflichtet ihn Art. 8 des Eisenbahngesetzos, im allgemeinen die Eisenbahnverbindungen zu entwickeln und zu vermehren zu suchen. Was die Verweigerung einer Konzession anbelangt, so erwähnt der Artikel als Möglichkeit dazu nur den Fall, dass infolge der Erstellung der betreffenden Eisenbahn militärische Interessen der Eidgenossenschaft verletzt würden. Auf dieser gesetzlichen Grundlage glaubte also der Bund, die Verwirklichung der Bahnen grundsätzlich der Initiative und dem Wagemut der Privatwirtschaft überlassen zu können.

Für die Entstehung von Eisenbahnen bildete diese Zurückhaltung des Bundes durchaus kein Hindernis. Da man deren Bau in gewissen Fällen als

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sicheres Anlagegeschaft, iu anderen zum mindesten als interessante Spekulation betrachtete, und da im übrigen die aktive Teilnahme der Kantone an Eisenbahnbauten allmählich einsetzte, genügte die durch das Konzessionsrecht gegebene wohlwollende Passivität des Bundes, damit in unserem Lande schon vor der Verstaatlichung viele Eisenbahnen verwirklicht -wurden. Eine noch viel grössere Zahl solcher blieb allerdings, man darf sagen glücklicherweise, als blosse Projekte, für die lediglich die Konzession erteilt war, unausgeführt Hat also Art. 3 des Eisenbahngesetzes schon vor der Verstaatlichung als solcher seinen "Zweck, den Bau von Eisenbahnen anzuregen, durchaus erfüllt, so bildete immerhin bisweilen die Wahl der zu errichtenden Eisenbahn und die nähere Bestimmung ihres Trasses den Ausfluss besonderer Erwägungen, dio, von allgemeineren Gesichtspunkten aus beurteilt, nicht das Bestmögliche ergaben und finanzielle Fehlleitungen nicht ausschlössen. Solche Einflüsse waren nicht oder nur in geringerem Masse zum Ausdruck gekommen, wenn eine starke Zcntralgewalt auch hierüber nach einem verbindlichen Plane das entscheidende Wort zu sprechen gehabt hatte.

Als die Verstaatlichung Tatsache wurde, stellte sich aus verständlichen Gründen die Frage, ob die Auf rechterb alt ung des bisherigen liberalen Konzessiosrechtes mit dem neuen Wege, den man sich iu der allgemeinen Eisenbahnpolitik zubeschreitenn anschickte, vereinbar sei.

Veranlasst durch ein gemeinsames Postulat der eidgenössischen Bäte legte der Bundesrat unterm 10. Dezember 1904 dem Parlament einen Bericht betreffend die Erteilung von Eisenbahnkonzessionen vor. Die Beratung dieses Berichtes, die sich lange hinauszog und sehr verschiedene Ansichten zutage forderte, endigte mit der Feststellung in einem Beschluss vom 26. September 1907, dass eine Revision der einschlägigen Bestimmungen des Eisenbahngesetzes unnötig sei. Man begnügte sich vielmehr mit der Festlegung einiger Richtlinien für die Interpretation des massgebenden Artikels. Hiebei wurde namentlich ausgeführt, dass die Verweigerung einer Konzession aus anderen als militärischen Gründen durchaus zulassig sei, trotzdem der oben genannte Art. 3 die Erteilung von Eisenbahnkonzessionen begünstige. Sodann hiess es hinsichtlich des Baues neuer Hauptbahnen, dieser Attikel schliessc dessen Übertragung an
die Bundesbahnen nicht aus, doch könne die Bundesversammlung für den Fall, dass der Bund den Bau einer Hauptbahn, welche namhaften volkswirtschaftlichen Interessen zu dienen berufen ist, ablehnt, dafür die Konzession dem privaten Bewerber erteilen, unter den geeigneten Vorbehalten über die Fristen und Bedingungen für den Bückkauf zugunsten der Bundesbahnen. Für Nebenbahnen jedoch gelte das bisherige Konzessionsrecht weiter, mit der oben gegebenen Interpretation hinsichtlich der Möglichkeit der Verweigerung der Konzession.

Es wäre müssig, sich mit der Frago auseinanderzusetzen, ob und wie ein solcher Beschluss, der ein Kompromiss im eigentlichen Sinne des Wortes war, sich mit dem grundsätzlichen Übergang zum Staatsbahnprinzip, wie or einige Jahre vorher beschlossen und begründet worden war, vertragen hat. Wir

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haben vielmehr die getroffene Entscheidung lediglich als Tatsache zu würdigenSie gipfelte in dem ausdrücklich bestätigten Willen, in der Hauptsache beim bisherigen Konzessionsrechte zu bleiben, auf das überlieferte liberale Konzessionsrecht also nicht zu verzichten. Daraus geht somit hervor, dass die Bundesversammlung trotz des grundsätzlich beschlossenen Überganges zum Staatsbahnprinzip von der festen Absicht erfüllt war, die Erstellung von Eisenbahnen durch Private nicht zu hemmen. Ebensosicher wollte man es verhüten, als Folge einer Eeform dos Konzessionsrechtes irgendwie einen Zwang zum Bau von Eisenbahnen durch den Bund zu schaffen. Man zeigte sich also entschlossen, den Bund nicht etwa dem Staatsbahnprinzip zuliebe zu finanziellen Wagnissen zu veranlassen, und wollte lieber Einbrüche in dasselbe in Kauf nehmen, als die Gefahr laufen, dass der Bund Hauptbahnen -- von Nebenbahnen nicht zu reden -- bauen müsse, deren Erstellung aus eigenen Mitteln ihm aus irgendeinem Grunde nicht beliebte. So wollte man, dass der Bund mit Bezug auf den Bau jeglicher neuen Eisenbahn durchaus fre i sei und sich auf diesem Gebiete nur unter der Voraussetzung betätige, dass ihm dafür im besonderen Falle bestimmte Gründe, vorzuliegen Schemen, Dieser Beschluss von 1907 bestätigt also neuerdings, wie unrichtig es wäre, aus der ganzen Entstehungsgeschichte der schweizerischen Eisenbahnen eigentliche Ecchte der Privatbahnen gegenüber dem Bund abzuleiten.

Aus der Interpretation, die bei dieser Gelegenheit Art. 3 des Eisenbahngesetzes gefunden hat, ist, nebenbei gesagt, festzuhalten, dass der Gesichtspunkt, schon die Konzessionswürdigkeit einer Eisenbahnunternehmung sei nach dem wirtschaftlichen Bedürfnis zu beurteilen, damals, wenn auch zu spät, zum erstenmal, und zwar noch recht zaghaft, betont wurde. In der Folge hat er sich allmählich vermehrte Geltung zu verschaffen gewusst. Heute muss man ihm im Konzessionsrechte entscheidendes Gewicht beimessen, und es scheint uns eine gegebene Sache zu sein, dass man ihm bei der bevorstehenden Revision des Eisenbahngesetzes im Gesetze selbst ausdrücklich Geltung verschaffe.

5. Die Geldgeber der Privatbahnen.

Vorstehende Ausführungen haben dargetan, dass trotz der in unserem Lande erfolgten Verstaatlichung der Hauptbahnen das Konzessionsrecht für neue private Eisenbahnen im Grunde unverändert geblieben ist. In einer anderen, das Verhältnis des Bundes zu den Privatbahnen betreffenden Hinsicht blieb jahrzehntelang die Einstellung des Bundes zu den letzteren ebenfalls die überlieferte, gleiche, nämlich mit Bezug auf die Ablehnung einer finanziellen Beteiligung an ihnen. Der Bund hielt sich bewusst von jeder Einmischung in das finanzielle Schicksal der Privatbahnen fern und beteiligte sich nicht an ihnen, weder zugunsten ihres Baues noch zugunsten ihres Betriebes. Diese Regel wurde bis vor ganz kurzer Zeit eingehalten, und die Einzelfälle, in denen im Laufe früherer Jahrzehnte eine andere Ordnung Platz griff, bestätigten sienur. Diese Ausnahmen beschlugen einmal die durch besonderes Bundesgesetz

756 augesicherten Subventionen an den Bau der Alpeiidurchstiche, Fallo also, bei denen dio ganz besondere Art und Grosse der zu lösenden Aufgabe ein finanzielles Einschreiten des Bundes verantworten hessen. Sodann kamen als Ausnahmen zwei Subventionen vor, die zugunsten der Khätischen Bahn ausgerichtet wurden, und eine solche zugunsten der Lötschbergbahn. In den letzteren Fällen lag jedoch für das Einschreiten des Bundes jeweils ein besonderer Anlass vor: bei der Khätischen Bahn Ersparnisse, die für den Bund aus dem Wegfall einer grosse Verluste verursachenden Postboförderung in Aussicht standen, bei der Berner Alpenbahn eine der Bahngesellschaft zugemutete Gegenleistung (doppelspurige Anlage des Lötschbergtunnols und Vorbereitung des .zweigeleisigen Ausbaues der Zufahrtsrampen), zu der man die Gesellschaft auf Grund ihrer eigenen, auf absehbare Zeit zu erwartenden Bedürfnisse nicht ohne weiteres hätte veranlassen können.

Unter diesen Umständen ist der Bund unter den Geldgebern der schweizerischen Privatbahnen in der Eegel nicht zu finden gewesen. Er beschränkte sich darauf, seiner Aufgabe, den Eisenbahnbau in der Schweiz zu fördern, dadurch nachzukommen, dass er mit dem erwähnten liberalen Konzessionsrecht den Bau durch private Initiative anregte.

Die näheren Gründe, welche zum Bau unserer privaten Eisenbahnen führten, waren gar mannigfaltige, so sehr natürlich in allen Fallen die Erwartung mitspielte, dass er zur wirtschaftlichen Entfaltung der betreffenden Gegond beitragen werde, wenn nicht die Einsicht, dass er dafür geradezu eine Voraussetzung sei. Namentlich unter den in früheren Zeiten erstellten Bahnen begegnet man vielfach Gründungen, die eigentlich als «Geschäft» betrachtet und ins Leben gerufen wurden, um dem einzuwerfenden Kapital eine nutzbringende Anlagemöglichkeit zu verschaffen. Unter diesen Gründungen fehlten auch solche nicht, die ausgesprochene Spekulationen des privaten Unternehmertums darstellten. Eisenbahnbauton zu einem, privatwirtschaftlich betrachtet lukrativen Zwecke erfolgton oft auch als integrierender Bestandteil der Lösung einer umfassenderen Gesamtaufgabe, wie der Erschliessung eines Berges für den Fremdenverkehr, gleichzeitig mit der Erstellung der nötigen Hotels, oder im Zusammenhang mit dem Bau einer Elektrizitätsversorgung für einen grösseren Bezirk. Je mehr
indessen die vermutlich einträglicheren Verbindungen gebaut waren, je intensiver sich anderseits das wirtschaftliche Leben des Landes entfaltete und je dringender seine Vorkehrsbediirfnisse wurden, dosto mehr drängte em wirtschaftliches oder sonstiges Interesse grüsserer oder kleinerer Landesgegenden zur Verwirklichung auch von solchen Eisenbahnen, bei denen die Erzielbarkeit einer privatwirtschaftlichon Eendite fraglich oder gar mehr oder weniger ausgeschlossen war.

So lag es nahe, dass im Laufe der Zeit Kantone und Gemeinden anfingen, am Bau einer Eisenbahn, an der ihnen besonders gelegen war, finanzielles Interesse zu nehmen und sich an der ihn besorgenden Gesellschaft zu beteiligen.

Schon in den ersten Jahrzehnten des schweizerischen Eisenbahnbaues hatten

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si« übrigens zur Unterstützung der privaten Initiative mitunter Eisenbahnpolitik getrieben, wobei ab und zu auch blosse Bücksichten auf ihre allgemeine Politik bestimmend waren. Das Ergebnis dieser Tätigkeit von Kantonen und Gemeinden war das eine Mal erfreulich und segensreich, bisweilen aber entsprach es selbst den bescheidensten Erwartungen nicht. Dio Auswirkungen einer solchen Eisenbahnpolitik erwiesen sich in gewissen Fällen sogar als verhängnisvoll, und es entstanden grosse Verluste für diejenigen, die sich auf das betreffende Experiment eingelassen hatten; das Schicksal der Schweizerischen Nationalbahn steht in dieser Beziehung wenigstens noch den älteren unserer Volksgenossen als böses Beispiel in lebendiger Erinnerung.

Eine k a n t o n a l e Politik des Eisenbahnbaues entwickelte sich besonders seit den 90or Jahren dos vergangenen Jahrhunderts in grösserein Massstabe. Die Eisenbahnen wurden seitens der Behörden von Kantonen und Gemeinden als Instrument zur Verfolgung allgemeiner kantonaler oder regionaler .Ziele gewertet und gebraucht, und ihr Bau erschien als eine Aufgabe der öffentlichen Wohlfahrt, welche Kantone und Gemeinden dadurch zu fordern hätten, dass sie den betreffenden Gesellschaften öffentliche Mittel, die in hohe Beträge gehen konnten, gewährten. Auch die Einrichtung der Verwaltung und die Durchführung des Betriebes mußten dem gleichen Gesichtspunkte Eechnung tragen. Dieser Gesichtspunkt der kantonalen WohU'ahrtspolitik trat beim Bau von Eisenbahnen in mitunter recht ausgeprägtem Grade zutage. Selbstverständlich bemühte man sich joweilon trotzdem, dio botreffenden Gründungen ·durch einen auf kühler Berechnung aufgebauten Wirtschaftlichkeitsausweis _zu rechtfertigen. Wenn auch boi solchen Kochnungen mitunter ein reichlichas Mass von Optimismus mit unterlief, so blieb deswegen doch der gute Glaube über joden Zweifel erhaben. Dieser Optimismus war offenbar der gleiche, der wie ein rotor Faden die ganze schweizerische Eisenbahngeschichte durchläuft, der sich bei der Durchführung der Verstaatlichung geltend gemacht hat und auch bei anderen auf die Schweizerischen Bundesbahnen bezüglichen Vorkehrungen gesetzgeberischer Natur massgebend war. Dieser Optimismus rechnete mit reichen Entwicklungsmöglichkeiten für das gesamte schweizerische Verkehrslebon und wurde durch die als
Selbstverständlichkeit betrachtote Überzeugung genährt, dass das faktische Transportmonopol, das die Eisenbahnen jahrzehntelang genossen hatten, auf unabsehbare Zoit hinaus in unveränderter Weise weiter bestehen werde.

Die kantonale Eisenbahnpolitik, im eben entwickelten Sinne verstanden, -entfaltete sich in einigen Fällen in besonders sichtbarem und weitgehendem Masse, indem sich Kantono, Gemeinden und Öffentlich-rechtliche Körperschaften derselben mit bedeutenden öffentlichen Mitteln an der Erstellung grosser, ihr Gebiet berührenden Eisenbahnbauten beteiligton, dio ihren Grund vorzugsweise in der Verfolgung allgemeinerer kantonal- oder regionalpolitischei Ziele fanden. Auf diese Weise wurden drei Kantone in besonderem Grade 211 «Privatbahnkantonen», nämlich in erster Linie Bern und Graubünden, dann -auch St. Gallen. Die bernischo Eisenbahnpolitik hatte die Erschliessung 55

758 des -weiten Gebietes des Kantons durch Eisenbahnen zum Zwecke, soweit die Bechtsvorgänger der Schweizerischen Bundesbahnen und dieso gelbst die Aufgabe nicht hatten übernehmen wollen, und zudem den Bau der grossen, den Kanton in der Längsrichtung durchschneidenden, zweiten internationalen Zufahrtslinie zum Simplon, die nebenher auch dazu beitragen musate, den Berner Jura enger an den südlichen Kantonsteil und die dar über hinaus gelegenen Landestoile zu ketten. In Graubünden galt es, ein ausgedehntes kantonales Schmalspurbahnnetz zu schaffen, das die vielen Talschaften dieses Kantons enger aneinander sowie an seine Hauptstadt und die untere Schweiz knüpfen sollte * dieses Netz sollte aussordem dazu berufen sein, die Xaturschönheiton des Kaiitons dem grossen Fremdenverkehr erst recht zugänglich zu machen und im Zusammenhang damit der wirtschaftlichen Entwicklung grosser Teile des Kantons eino breitere Grundlage zu vermitteln; eine Zeitlang richteten sich die mit der Ehätischen Bahn verknüpften Bestrebungen sogar über die Landesgrenzen hinaus. Die st. gallische Privatbahnpolitik endlich hatte ebenfalls ihren besonderen Grund: Es galt, in der Bodensee-Toggen burgbahn, die in Verbindung mit der Kickenlinie des Bundes gebaut wurde, eine kantonale Transversalbahn zu verwirklichen, welche die durch die ungünstige Gestaltung des Kantons verursachten Nachteile mildern und die ausemanderstrebenden Kantonsteile besser zusammenfassen und mit der Hauptstadt enger verbinden sollte.

Von diesen am meisten hervorstechenden Fallen abgesehen, entfaltete sieb auch in manchen andern Kantonen eine Tätigkeit der öffentlichen Hand zur Förderung des Baues von privaten Eisenbahnen, dio das Kantonsgebiet berührten. Teils wurden förmliche Eisenbahusubventionsgesetze erlassen, teils begnügte man sich mit Entschliessungen für den einzelnen Fall.

In all diesen Fällen verhinderte die aktive Anteilnahme der öffentlichen Hand an Eisenbahnbauten nicht, dass deren rechtliche Träger private Gesellschaften wurden oder blieben. Je nach dem Umfang aber, in dem die öffentlich» Hand sich daran interessierte, wurde ihr Einfluss in der Verwaltung der betreffenden Gesellschaften mehr oder weniger ausgeprägt. Bei manchen von diesen kam es tatsächlich darauf hinaus, dass sie kantonale Unternehmungen·wurden. Die Art, in welcher die
Beteiligung der öffentlichen Hand in den einzelnen Fällen geleistet wurde, war recht verschieden: Es würden entweder Aktien übernommen oder mau zeichnete Obligationen der Privatbahngesellschaften; bisweilen unterstützte man diese mit Subventionen oder ging für Obligationen, die auf dein freien Markte untergebracht werden sollten, dieZinsengarantie ein, sofern man nicht der Unternehmung gegen eine Pro-rataBeteiligung an der Zinspflicht das auf dem Wege kantonaler Staatsanleihen, aufgebrachte Geld einfach zur Verfügung stellte.

Auf solchen Wegen flössen, alles zusammengenommen, im Laufe dor Jahre in reichlichem Masse öffentliche Mittel in die privaten Eisenbahnunternehmungen. Hinsichtlich des Ausmasses der Beteiligung der einzelnen Kantone und Gemeinden an Privatbahnen ergaben sich indessen, wie oben gesagt, grosse

759 Ungleichheiten ; in einigen Fällen gingen diese Beteiligungen so weit, dass heute die Kantonsfinanzen als solche in sehr bedeutendem Grade mit gewissen Privatbahnen verquickt erscheinen.

Ohne die vorliegende Botschaft mit Zahlenangaben überlasten zu wollen, lassen wir einige Einzelheiten folgen, welche besser, als weitläufige Umschreibungen es zu tun vermöchten, einen Begriff davon geben, in welchem Grade öffentliche Mittel von Kantonen in Eisenbahnbauten angelegt sind.

Der Kanton Bern hat allein von der Gesellschaft der Berner Alpenbahn einen Aktienbetrag von ursprünglich Fr. 34 791 800 in Händen, der im Verlaufe von Sanierungen auf Fr. 23 841000 herabgesetzt worden ist. An Obligationen dieses Unternehmens, die in verschiedenem Eange stehen, besitzt er Fr. 68 873 548. Nicht nur blieben das Aktienkapital und ein grosser Teil dos Obligationenkapitals im Jahre 1935 so gut wie in früheren Jahren ganz ertragslos, sondern der Kanton hatte noch sehr erhebliche Ansprüche aus übernommenen Zinsengarantien zugunsten Dritter zu befriedigen. Die Verzinsung der Obligationen, soweit sie überhaupt erfolgen konnte, geschah zu einem stark reduzierten Zinsfuss. Die gesamte Einbusse bzw. Last, die der Kanton Bern im Jahre 1935 allein aus der Zinsengarantie für Eisenbahnanleihen der BLS, sowie aus seinem Eigenbesitz an solchen hat auf sich nehmen müssen, berechnen wir auf etwas über 8 Millionen Franken.

In dieser Beteiligung des Kantons bei der Berner Alpenbahn sind die Leistungen der Kantonalbank inbegriffen, nicht aber diejenigen der Gemeinden, die ihrerseits Aktien im ursprünglichen Wert von Fr. 2 259 000 im Be&itze haben.

Der Kanton Beni hat sich ausserdem an 28 anderen, auf seinem Gebiete tätigen, privaten Eisenbahnunternohmungen verschiedenster Bedeutung mit grossenteils ertraglosen Investitionen beteiligt.

Er bewertet seine gesamten Eisenbahnlasten, mit Einschluss derjenigen der Kantonalbank, berechnet auf den 81. Dezember 1982, auf Fr. 169408761.

Der Kanton Graubünden hat sich an der Rhätischen Bahn mit Fr. 14 324 000 in Aktien und mit Fr. 67 440 417 in Darleihen beteiligt, für die er auf dem Kapitalmarkt Kantonsobligationen ausgab. Dazu kommen noch Leistungen von Fr. 11 248 529 an zwei andere Schmalspurbahnen des Kantons.

Die Beteiligung des Kantons Graubünden bei der ßhätischen Bahn allein hat
also nominell ungefähr die Hälfte des gesamten Engagements des viel reicheren Kantons Bern bei allen seinen Bahnen betragen. Doch fällt bei der Würdigung der Belastung des Kantons Graubünden aus der Bhätischen Bahn in erheblichem Grade ins Gewicht, dass diese die zu ihren Gunsten ausgegebenen Obligationen bis vor kurzem voll verzinsen konnte und dass auch die Aktienbeteiligung des Kantons zeitweise eine Dividende genoss. Seine Beteiligung bei den Eisenbahnen, dio man bei Würdigung der absoluten Zahlen allein erdrückend nennen müsgte, erwies sich demnach im ganzen als wesentlich rentabler als im Falle des Kantons Bern. Immerhin ist der Kanton Graubünden

7t)0 dadurch, dass sich der Einfluss von Krise und Automobilkonkurrenz auf die Finanzlage der Bhätischen Bahn erheblich verschärft hat, in letzter Zeit in der Ertragsmòglichkeit seiner Anlage bei dieser Bahn bedeutend geschwächt worden und wurde bei weiterer Verschlimmerung der Lage der Bahn schwer bedroht sein. Der Kanton St. Gallen war Ende 1934 an 9 sein Gebiet berührenden, privaten Bisenbahnen mit Fr. 8 842 963 beteiligt, die bis auf einen geringen Botrag Aktienkapital sind und eine ertraglose Anlage darstellen. Der Haupt teil dieser Investitionen mit Fr. 7 278 000 fallt auf die Bodensce-ToggenburgBahn. Zugunsten der letzteren hat der Kanton ausserdem ein Kapital von 18,2 Millionen Franken m Staatsobligationen ausgegeben. Er deckt aus eigenen Mitteln die Ausfalle, die sieb in den ihm von der Gesellschaft abgelieferten Zinsen orgeben. Die Bahngesellschaft hat wenige Jahre lang dieses Kapital dem Kanton voll verzinsen können, die übrige Zeit dagegen nur zum Teil.

Auf Ende 1935 sind für die ersten 25 Betriebsjahre der Eisenbahn rund 8 Millionen Franken an Obligationenzinsen rückständig geblieben, ohne Einrechnung von Zinseszinsen. Die Belastung des Kantons St. Gallen aus seiner Beteiligung an Privatcisen bahnen ist folglich besonders mit .Rucksicht auf diese Zinsengarantie eine erhebliche. Ähnlich wie es infolge einer weiteren Verschlechterung der Lage der Ehätischen Bahn für den Kanton Graubundon der Fall wäre, so wurde wegen des Bestandes dieser Zinsengarantie eine weitere Verschlechterung der Lage der Bodeiisee-Toggenburg-Babn den Kanton St. Gallen in empfindlicher Weise treffen, wenn auch das von ihm in ungünstigstem Falle zu tragende Bisiko an Bedeutung nicht dasjenige erreicht, das der Kanton Graubünden mit der Ehätischen Bahn laufen könnte.

Diese drei Beispiele zeigen in typischer Weise, wie eng die Finanzen gewisser Kantone mit dem Schicksal der von ihnen unterstützten Privatbahnen verbunden sind. In allen anderen Fällen, die man noch erwähnen könnte, besteht diese Verquickung in einem wesentlich geringeren Umfange als namentlich bei Bern und Graubünden; bei einer Anzahl von Kantonen kann davon überhaupt oder fast nicht die Bede sein.

"So hat es die Entwicklung mit sich gebracht, dass auch m einer grossen 2ahl von privaten Eisenbahnunternehmungen heute das von der öffentlichen Hand für
sie aufgewendete Kapital zahlenmässig eine grosse, oft die ausschlaggebende Eolle spielt. Dieses Übergewicht der öffentlichen Hand, seien es Kantone, Gemeinden oder ihre öffentlich-rechtlichen Körperschaften, unter den Geldgebern vieler schweizerischer Privatbahnen hat diesen ein besonderes Gepräge verliehen und ihr Wosen demjenigen einer Staatsbahn einigormassen angenähert. Wenn nun die Lage der Privatbahngesellschaften immer prekärer wurde, so übte diese Erscheinung ihre unmittelbare Eückwirkung auf die Finanzen der Kantone und Gemeinden aus, die als ihre Geldgeber aufgetreten und die betreffenden Leistungen wenigstens zum Teil als Aktivposten in ihrem Haushalt einzusetzen gewohnt gewesen waren. Diese ungünstige Entwicklung hat sich zwar nicht erst in den letzten Jahren geltend gemacht. Schon vorher war

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die Lago der Privatbahnen, im ganzen genommen, nicht befriedigend, aber eigentlich bedenklich ist sie doch erst in letzter Zeit geworden. Wie bei den Bundesbahnen und allen Eisenbahnen im In- und Ausland, haben nunmehr auch bei ihnen die Krise und dio Entwicklung des Automobils die Existenzbedingungen von Grund auf erschüttert, und die für sie massgebenden Verhältnisse haben sich infolge des Verlustes des faktischen Transportmonopols gewandelt. Ihre Not ist grösser geworden als je, und ihre bisherigen Geldgeber, die sie stets durchgehalten haben, sind gegenüber früher, gewöhnlich schon aus anderen Gründen, ebenfalls geschwächt.

So war es an sich verständlich, dass die Privatbahnen und gewisse Kantone als ihre Geldgeber den Ausweg aus ihren Verlegenheiten darin suchten, dass sie sieh um Hilfe an den Bund wandten. Ein äusserer Anlass bot sich ihnen dazu in dem Umstände, dass die Bundesbahnen, die bis jetzt finanziell auf eigenen Füssen stehen nmussten und denen der Bund aus allgemeinen Staatsmitteln keine Lasten abnahm, neuerdings einer finanziellen Entlastung durch den Bund zwecks einer Neuaufrichtung bedürfen. Dieses Einschreiten des Bundes zugunsten dor Bundesbahnen hat das Verlangen der Privatbahnen und ihrer Goldgeber gesteigert, er möchte auch sein finanzielles Verhältnis zu den Privatbahnen neu ordnen, und zwar im Sinn einer angemessenen Entlastung der letzteren auf Kosten der Allgerneinheit.

Auf diese Weise hat die besondere Zusammensetzung der Geldgeber mancher Privatbalmen der finanziellen Seite des schweizerischen Privatbahnproblems ein besonderes Gepräge verliehen, das bei der Würdigung der Präge die gebührende Berücksichtigung verdient.

Schon eingangs dieses Abschnittes haben wir beiläufig angedeutet, dass, so sehr der Bund jahrzehntelang in bezug auf die Beteiligung an privaten Eisenbahnunternehmungen stets die gleiche, ablehnende Richtlinie befolgte, in letzter Zeit sich in gewissem Sinne bereits eine Abkehr von diesem Grundsatz angebahnt hat. In der Tat hat sich diese Hegel schon in den Jahren seit dem Kriege nicht mehr ausnahmslos aufrecht erhalten lassen. Die dringende Not der Unternehmungen, welche ohne gemeinsame Anstrengungen nicht zu beseitigen war, sowie das Bedürfnis, den Privatbahnen im Interesse des allgemeinen Wirtschaftslebens eine technische Vervollkommnung zu ermöglichen,
machten es dem Bunde schon vor einer Anzahl von Jahren zur Pflicht, sich auf neue Wege zu begeben und seinerseits unter gewissen Voraussetzungen unter die Geldgeber der Privatbahnen, zu treten.

Mit Botschaft vom 25. April 1919 legte der Bundesrat einen Gesetzesentwurf betreffend die -Unterstützung von Privatbahnen zum Zwecke der E i n f ü h r u n g des elektrischen Betriebes vor. Er hielt dafür, dass, nachdem die Schweizerischen Bundesbahnen sich an die Durchführung eines weitreichenden Elektrifikationsprogrammes gemacht hatten, auch die Elektrifizierung der privaten Dampfbahnen im Interesse dos Staates liege, indem unsere sämtlichen Transportanstalten möglichst unabhängig von den Kohlenlieferungen

702 des Auslandes werden sollten. Diese Aufgabe lasse sich jedoch ohne die finanzielle Unterstützung durch den Staat nicht erfüllen. Hiebei könne er jedoch nur auf die Elektrifizierung solcher Privatbahnen Wert legen, die den Interessen der Eidgenossenschaft oder eines erheblichen Teiles derselben dienen.

Mit dieser Aktion wollte also die wirtschaftliche Abhängigkeit unseres Landes vom Auslande vermindert worden. Daneben hatte man aber auch im Auge, mit der elektrischen Traktion einen wirtschaftlicheren Betrieb der Eisenbahnen zu ermöglichen, d. h. wie es in dem in der Angelegenheit erlassenen Bundesgesetz vom 2. Oktober 1919 lautet, die «nachweisbare Hebung der Wirtschaftlichkeit der Unternehmungen» zu erzielen. Die Leistungen des Bundes sollten in der Form verzinslicher und allmählich zu tilgender Darlehen gewährt werden und unter der Bedingung, dass die interessierton Kantone, gegebenenfalls in Verbindung mit den Gemeinden, einen dem Anteil des Bundes gleichen Darleihensbetrag zu übernehmen sich bereit erklären.

Mit Bundeshilfe sind bisher 15 Bahnen elektrifiziert worden; ein weiteres Gesuch befindet sich in Behandlung. Bei zweien von diesen Unternehmungen, nämlich der Berner Alpenbahn und der Ehätischen Bahn, die zum Teil schon als elektrische Bahnen gebaut worden waton, handelte es sich um die Vollendung dieser Elektrifizierung. Die anderen 13 Bahnen wurden mit Hilfe öffentlicher Mittel vollständig nou elektrifiziert. Der Anteil des Bundes allein an den ausgerichteten Elektrifizierungsdarleihen betrug bisher rund 27 Millionen Franken.

Die Bedingungen, unter denen diese Darleihen gegeben wurden, sind angesichts der Notlage der Darlehensnehmer mit der Zeit namhaft erleichtert worden, zuletzt zufolge eines Bundesratsbeschlusses vom 10. November 1936.

Die mit einer, wie man sieht ansehnlichen Hilfe des Bundes zustande gekommene Elektrifikation von Privatbahnen hat ihnen erhebliche Verbesserungen in der ßetriebsabwicklung ermöglicht und ohne Zweifel dem Wirtschaftsleben der %ron jenen Bahnen bedienten Gegenden schätzenswerte Vorteile gebracht. In dieser Beziehung hat sie die Erwartungen voll erfüllt. Der Erfolg allerdings, don man nebenbei auch erzielen wollte, nämlich die Hebung der Wirtschaftlichkeit der Unternehmungen, iit nicht überall erreicht worden, weil die Zunahme der Betriobsuberschüsse
derjenigen der festen Laston nicht nachzukommen vermochte. Diese Erscheinung hing einerseits damit zusammen, dass sich bei gewissen Unternehmungen die Elektrifizierangskosten sehr hoch stellten; zum Teil fielen im weiteren die meisten Elektrifizierungen in die Zeit absteigender wirtschaftlicher Konjunktur, in der sich die Verkehrssteigerungen, ani die gerechnet worden war, nicht durchzusetzen vermochten. Die neuen Vorschriften, die den Darlehens vertragen zugrunde liegen, werden die durch die Elektrifizierung hervorgerufene Zunahme der festen Lasten auf ein geringeres Mass zurückfuhren.

Eine zweite Eeihe von finanziellen Massnahmen des Bundes zugunsten der privaten Transportanstalten wurde veranlasst durch die dringende wirtschaftliche Not gewisser Unternehmungen und verfolgte den Zweck, Mittel zur Aufrechterhaltung dos Betriebes zur Verfügung zu stellen für den Fall, dass die

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Einnahmen und sonst etwa verfügbaren Mittel zur Deckung der Betriebs -ausgaben nicht mehr ausreichen. Diese Krisenhilfe wurde schon in Berücksichtigung der zu Ende des Weltkrieges vorhandenen Lage mit dem Bundesbeschluss vom 18. Dezember 1918 über Hilfeleistung an notleidende Transportunternehmungen gewährt. Einen erneuten Schritt in dieser Richtung bedeutete der Bundesbeschluss vom 13, April 1983 über Krisenhilfe zur Aufrechterhaltung des Betriebes privater Eisenbahnen und Schiffsunternehmen, der sich in der Hauptsache an seinen Vorgänger anlehnte. Auch diese Hilfeleistung erfolgte .gemeinsam durch den Bund und die Kantone. Der genannte Beschluss wird Ende des Jahres 1937 ausser Kraft traten und, da seine Voraussetzungen fortbestehen, für eine gewisse weitere Zeitspanne voraussichtlich durch einen neuen Erlass ersetzt werden müssen, der parallel zum Gesetz, das wir Ihnen heute vorschlagen, wirken wird. Es handelt sich dort jedoch, im Gegensatz zur vorliegenden Vorlage, die zur dauernden Wiederaufrichtung der Privatbahnen beitragen will, nur um Stützungen vorübergehenden Charakters, die gewissen Unternehmungen, deren Betrieb sich zu normalen Zeiten auf die Dauer selbst zu erhalten vermag, die Aufrechterhaltung des Betriebes ermöglichen sollen. Wenn man hiebei den Kreis der Unternehmungen, denen der Weg über die Krisenhilfe offen stehen sollte, ziemlich weit zog, indem man nur die eigentlichen Lokalbahnen und die hauptsächlich dem Hotelgewerbe dienenden Transport unternehmungen davon ausnahm, so blieb es anderseits verstanden, dass Bahnen, die nicht lebensfähig sind, von dieser Hilfe auszuschliessen seien. «Es ist klar.» heisst es in der Botschaft, «dass die Bundeshilfe nicht dazu dienen darf, Betrieben, -die innerlich bereits krank sind und dem Untergang entgegengesehen hatten, auch wenn die Krise nicht gekommen wäre, das Leben künstlich noch für einige Zeit erhalten zu helfen.» Auch diese die Krisenhilfe betreffenden Erlasse zeigen, dass der Bund in Anerkennung der volkswirtschaftlichen Wichtigkeit der Privatbahnen diesen schon beigesprungen ist, bevor sich, in Verbindung mit der finanziellen Wiederanfrichtung der Bundesbahnen und als Folge des seitens des Bundes zu deren Gunsten vorgesehenen Entgegenkommens, die Frage seiner Teilnahme an der dauernden Wiederaufrichtung auch der Privatbahnen
stellte. Doch weder die Krisenhilfe noch die mit Öffentlichen Mitteln bewerkstelligte Elektrifizierung genügten, um die ständige Zunahme der finanziellen Schwierigkeiten der Privatleinen aufzuhalten, und die neu aufgetauchte Frage ist auf einem besonderen Hoden zu lösen.

II. Die Hilfeleistungsgesuche Als es immer mehr zur Gewissheit wurde, dass, infolge der in den letzten Jahren ungunstigen Entwicklung der Betriebsüberschüsse der Schweizerischen Bundesbahnen, eine Änderung ihres finanziellen Verhältnisses zum Bund unabwendbar geworden sei, und als infolgedessen bereits bezügliche Absichten und Projekte in der Luft lagen, regten sich, wie schon angetönt, auch die Privatbahnverwaltungen und die ihnen nahestehenden Kreise, um die Öffentlichkeit

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und besonders den Bund auf ihre ebenfalls notleidenden Unternehmungenaufmerksam zu machen und Begehren um Hilfe zu stellen.

Der Standpunkt der Privatbahnen im allgemeinen wurde dem Bundesrate gegenüber zunächst vom Verband Schweizerischer Transporten1 talion vertreten.

Veranlasst durch den damals zur Diskussion gestandenen «dringlichen Bundesbeschluss über außerordentliche und vorübergehende Massnahmen zur Einleitung der Eeorganisation der Verwaltung und Sanierung der Finanzlage der Schweizerischen Bundesbahnen» faaste der Verband in seiner Versammlung vom 7. September 1934 folgende Eesolution: «Durch dio verschiedenen in Aussicht genommenen Sanierungsmassnahmen zugunsten der SBB, insbesonderedurch den dringlichen Bundesbeschluss, darf die gegenwärtige Stellung der Priva tbalmen nicht verschlimmert werden ; die Verselbständigung und Kommerzialisierung der SBB darf auch in keiner Weise den Betrieb der Privat bahnen erschweren oder diese irgendwie schädigen; von der Reorganisation der SBB erwarten die Privatbahnen im Gegenteil ebenfalls eine Verbesserung ihrer Lage.» In der diese Resolution dem Bundesrate mitteilenden Eingabe vom 17. September 1984 gab der genannte Verband seineu Anliegen nach zwei Richtungen hin Ausdruck: a. Fürs erste befürchtete er, dass die den Bundes bahnen zugedachte finanzielle Entlastung unter anderem zu sofortigen, namhaften tarifarischen Zugestandnissen benutzt werden könnte, denen sich die Privatbahnen,, ohne die Mittel dazu zu besitzen, wohl oder übel würden unverzüglich anschliessen müssen; diese Notwendigkeit würde ihren Zusammenbrach herbeiführen, der auch katastrophale Folgen für ganze Landesgegendenzeitigen könnte. Befürchtet wurde ferner, die beabsichtigte Reorganisation der Bundesbahnen werde diesen eine derartige Vorzugsstellung verschalten, dass die Privatbahnen keine Möglichkeit mehr hätten, in» Streitfällen betreffend Verkehrsteilung, Konkurrenzklausel, Tarife und ähnliche Fragen an eine unparteiische höhere Instanz zu gelangen.

b. Im weitern verlangte der Verband, unter Hinweis auf die geschichtlich gewordene, ungleiche Verteilung von Staats- und Privatbahnen über das ganze Land, dass überhaupt eine Hilfeleistung seitens des Bundes zugunsten der Privatbahnen erfolge, und zwar gleichzeitig wie zugunsten der Bundesbahnen, sei es im nämlichen Gesetz, sei es
in zwei parallelen Gesetzen, indem es für die Privatbahnen eine Lebensfrage geworden sei, dass sie in gleicher Weise geschützt wurden wie die Bundesbahnen.

Die unter a hievor mitgeteilten Besorgnisse des Verbandes Schweizerischer Transportanstalten sind wegen der Entwicklung, welche seither die Sanierungsfrage der Bundesbahnen genommen hat, sowie angesichts der hinsichtlich der Revision der allgemeinen Eisenbahngesetzgcbung bestehenden und möglichst rasch zu verwirklichenden Absichten zurzeit wohl nicht mehr gerechtfertigt.

705Wie bekannt ist, hat sich seit dem Jahre 1934 die finanzielle Lago der Bundesbahnen noch verschlimmert, und das Mass in welchem es dem Bunde möglich ist, ihnen zu helfen, ist ein beschränktes. So ist nicht anzunehmen, dass, -wenn überhaupt mit dieser Hilfeleistung tarifarische Erleichterungen verbunden werden können, diese gar einen solchen Umfang annehmen und auf die Privatbahnen derartige Rückwirkungen ausüben werden, dass sie deren Zusammenbruch bedeuten wurden. Sodann worden die vom Verband erwähnten anderen Fragen vom Bmidesbahngesetze, wie es heute im Entwurfe vorliegt, entweder überhaupt nicht berührt oder durch dasselbe nur grundsätzlich ertasst, eine Regelung, die sachlich nichts präjudiziert und die Aufrechterhaltung der vom Verband erwähnten Bestimmungen auch für die Zukunft nicht ausschliesst.

Unerledigt geblieben ist dagegen das allgemeine, unter .lit. b formulierte Hilfeleistungsgesuch des Verbandes zugunsten der Privatbahnen, Dieses Gesuch trifft den eigentlichen Gegenstand der vorliegenden Botschaft.

Diesem Gesuch des Verbandes schweizerischer Transportanstalten entweder vorgängig oder erst folgend, sind eine Anzahl Kantonsregierungen an uns gelangt mit zum Teil sehr umfangreichen Eingaben, in denen auf die Notlage der das Kantonsgebiet berührenden Privatbahnen hingewiesen wird, an denen sich der Kanton, seine Gemeinden oder öffentlich-rechtliche Körperschaften im Laute der Zeit in erheblichem Masse beteiligt hatten. Unter zum Teil übereinstimmender, zum Teil besonderer Begründung wird überall das Gesuch an den Bund gestellt, er möchte entweder die öffentliche Hand von ihren Beteiligungen an den betreffenden Bahnen entlasten und damit auoh der Bahngesellschaft eine Erleichterung verschaffen, oder umgekehrt. Die Eingaben rühren, her von den Regierungen der oben erwähnten Kantone Bern, Graubunden und St. Gallen, sodann von denjenigen der beiden Appenzell, Thurgau, Freiburg, Waadt und Neuenburg.

Es sind zudem eine Anzahl P r i v a t b a h n v e r w a l t u n g e n aus verschiedenen Kantonen unmittelbar in gleichem Sinne an uns gelaugt, teils solche,.

für die sich bereits Kantonsregierungen ins Mittel gelegt hatten, teils andere, Auch bei ihnen ist die Notlage des Unternehmens das treibende Motiv für die Anrufung des Bundes gewesen. ~ Unter den Gesuchstellern haben sich die
allerwenigsten damit begnügt, zur Rechtfertigung des Einschreitens des Bundes zu ihren Gunsten allein auf ihre Notlage hinzuweisen, der gegenüber sie nachgerade ohnmächtig geworden seien. Den Gesuchen ist in der Regel eine umfangreiche besondere Begrün dun g mit Argumenten der verschiedensten Art beigegeben. Es würde zu weit fuhren, wenn wir der Reihe nach den Inhalt jedes Gesuches auch nur in einer gedrängten Zusammenziehung anführen wurden. Ein kurzer Abriss über die hauptsächliche Motivierung, die den Gesuchen zuteil geworden ist, kann zur allgemeinen Beleuchtung der Frage genügen.

Eine Hauptstütze suchen die Forderungen der Kantone und Gesell Schäften in der Kritik der Anwendung des Art. 8 des Eisenbahngesetzes vom 23. De-

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^ember 1872 durch den Bund, in Verbindung mit seinem Verhalten beim Bückkauf der Hauptbahnen und nachher. Es wird darauf hingewiesen, dass die -EisenbahnpolMk des Bundes, von der in früherem Zusammenhang die Rede -war, Ungleichheiten und Zufälligkeiten mit sich gebracht habe. Besonders habe man versäumt, die Gelegenheit des grundsätzlichen Überganges zum Staatsbahnsyötem dazu zu benützen, um für die Bildung eines in sich abgeschlossenen, nach logischen Gesichtspunkten aufgebauten Netzes von Bundesbahnen zu sorgen. Einerseits sei man nämlich mit der Verstaatlichung bestehender Privatbahnlinien zu wenig weit gegangen, anderseits habe der Bund mit seiner Neubaupolitik, die sieh auf einige ganz wenige Linien beschränkt habe, versagt.

Infolgedessen hätten die Kantone mit ihren eigenen Mitteln teure Eisenbahnbauten auf sich nehmen oder fördern müssen, statt dass es der Bund getan hatte. Ihr Einspringen lür die Lösung solcher Aufgaben habe sich aufgedrängt, weil sonst grössere oder kleinere Landesteile zum wirtschaftlichen Stillstand oder Rückschritt verurteilt gewesen wären, und der Bau derartiger Privatbahnen sei notwendig geworden, ungeachtet des Unistandes, dass manche von ihnen dem in sie zu investierenden Geld nur eine ungenügende Rendite hätten vorsprechen können. Je nach der Grosse der Lücken, die im Eisenbahnnetz vorhanden gewesen seien, und je nach der Regsamkeit, die die Kantone an den Tag gelegt hätten, um solche Lücken auszufüllen, habe sich eine sehr ungleiche Belastung derselben mit Eisenbahnschulden ergeben. Diese Belastung, die von jeher sehr schwer zu tragen gewesen sei, sei nun aber ins Unerträgliche gewachsen, seitdem die Rendite der Privatbahnen noch erheblich zurückgegangen sei und auch, die allgemeine Belastungsfähigkeit der Kantono und anderen Gemeinwesen infolge der übrigen Erfordernisse der Zeit abgenommen habe.

Deshalb sei es jetzt eine Pflicht des Bundes geworden, durch eine angemessene Hilfeleistung die Folgen seiner früheren Unterlassungen wenigstens teilweise gutmachen zu helfen.

In einigen Eingaben wird die Pflicht des Bundes, einem durch solche Eiscnbahnlasten in Schwierigkeit geratenen Kanton zu helfen, fast ganz auf -das Geleise des Art. 2 de.r Bundesverfassung geschoben, wonach es sich um eine Angelegenheit der «Beförderung der gemeinsamen Wohlfahrt» der Eidgenossen
handle, mit andern Worten, um einen Fall des Finanzausgleiches zwischen Bund und Kantonen und dieser Verfassungsartikel, im Verein mit den behaupteten Unterlassungen des Bundes, allein dazu ausreichen würde, um heute die Verpflichtung zum Einschreiten bejahen zu können.

In den Eingaben fehlen auch nicht die Hinweise auf die Bedeutung der Unternehmungen, denen man die Bundeshilfe gewährt wissen möchte, für die Volkswirtschaft des Landes oder grösserer Teile desselben, f.o vor allem in denjenigen, die die Hilfeleistung zugunsten der Berner Alpenbahn oder der Rhä"tischen Bahn, der Bodensee-Toggenburgbahn und anderer bernischer Bahnen .als der erstgenannten, zum Gegenstande haben.

Argumentiert wird ferner mit der Tatsache, dass im Verlaufe früherer Jahrzehnte gewisse Kantone an Eisenbahnen, bevor diese infolge der Verstaat-

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lichung Bestandteile des Bundesbahnnetzes geworden sind, viel Geld verloren hätten, weiter damit, dass namentlich in der Nordostschweiz gewisse Linien ausschliesslich lokalen Charakters nur deshalb Bundesbahnlinien geworden seien, weil sie zufällig zur Schweizerischen Nordostbahn gehört hatten, die der Bund in ihrer Gesamtheit erworben hat, während andere, und zwar wichtigere, .schweizerische Bahnen diesen Vorteil des Mitläufers nicht genossen hatten.

Es wird auch darauf abgestellt, dass in gewissen Kantonen das Maas der Investierung von Bundesgeld in Eisenbahnen unter dem Durchschnitt stehe, der sich, nach der gesamten Bevölkerungszahl der Schweiz berechnet, auf den Einwohner ergeben würde ; darum sei eine entsprechende Nachleistung gerechtJertigt in der Form der Bundesbeteiligung an solchen Privatbahnon, die jene Kantone bedienen. Dass ein solches Argument besonders dann in den Vordergrund geruckt wird, wenn der betreffende Kanton auf seinem Gebiet überhaupt keine Bundesbahnstrecke aufwoist, liegt auf der Hand.

Es fehlen unter den geltend gemachten Gründen auch nicht Hinweise auf dio sozialen Gesetze des Bundes, wie das Arbeitszeitgesetz, zu deren Anwendung der Bund die betreffenden Bahnen zu ihrem finanziellen Nachteil gezwungen habe. Ebenso wird Art. 21 des Tarifgesetzos für dio Bundesbahnen, der die Teilung des durch die Privatbahnen konkurrenzierten Güterverkehrs mit diesen ordnet, herangezogen, und zwar mit der Vorgabe, dass seine Anwendung in der Praxis den als berechtigt empfundenen Interessen der Privatbahnon nicht genügend Keehnung trage. Man bezieht sich auch auf die unausweichlichen Bückwirkungon von Massnahmen der Bundesbahnen auf Entschlüsse der Privatbahnverwaltungen, wie die für die Privatbahnen oft ungünstige Gestaltung der Tarife, den Einfluss der von den Bundesbahnen bezahlten Gehalte und Lohne auf die Bezüge des Privat bahnpersonals, die Ordnung der Mitbenützung von Gemeinschaftsbahnhöfen und vieles andere. Nicht zu vergessen ist auch, dass gewisse Argumente, die bei der Ordnung dos finanziellen VorhältnisBes von Bund und Bundesbahnen eine Eolle spielen, auch in den Privatbahneingaben wiederkehren, so die ungenügende Bezahlung ausserordentlicher Leistungen wahrend der Kriegszeit, das Ungenugen der an die Hauptbahnen entrichteten Postentsehädigungen usw.

Während in wenigen
Fällen die Gesuche mir iu allgemeiner Form gestellt eind, ohne in Zahlen ausgedruckt zu soin, enthalten die meisten von ihnen »1s Schlussfolgerungen bestimmt formulierte Entlastungsbegehren. Zum Teil wird der Verzicht auf gewisse Guthaben des Bundes verlangt oder die Umwandlung von Guthaben in Beteiligungen. In diese Kategorie fallen namentlich Begehren, die sich auf Darlehen beziehen, die anlässlich der Krisenhilfe oder der Elektrifikation gewährt wurden. In der Hauptsache werden aber vom Bunde neue Leistungen nachgesucht, so die Entlastung der Kantone von Zinsengarantien für Eisenbahnobligationen, dio Dritte in Händen haben, die Gewährung von Beiträgen à fonds perdu zur Ablösung von schwebenden Schulden oder auin Ausgleich von Betriebsausfällen, der Eückkauf ertragloser Aktien, die «ich in Kantonsbesitz befinden. Insbesondere wird vorgeschlagen, der Bund

768 möge die Entlastung der Kantone von notleidenden Eisenbahnobligationen ermöglichen, indem er ihnen nach der Umwandhing solcher Obligationen in Prioritätsaktien diese gegen Ausfolgung von Bundesobligationen abnehme.

In einem Falle -wird, ohne nähere Spezifikation, vom Bund im Sinne eines «gerechten Ausgleichs» einfach die Übernahme einer erheblichen Summe verlangt als «Mindestbeitrag» an die im betreffenden Kanton für die Bahnen gemachten Aufwendungen, ohne Rucksicht darauf, wer vor Jahrzehnten das notige Geld zum Bau der betreffenden Bahnen aufgebracht habe.

Wie sich schon aus. diesen kurzen Andeutungen über den Inhalt der gestellten Begehre a ergibt, ist es nicht möglich, sie auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und mit einiger Genauigkeit in einer globalen Summe zu beziffern.

In einem Kapitalbetrag geschätzt, übersteigen die in den Eingaben enthaltenen Forderungen den Betrag von 200 Millionen Franken erheblich. Wie weit noch andere Forderungen gestellt werden konnten, bleibt dahingestellt. Aber wenn sich unter den vom Bunde begehrten Leistungen solche befinden, die ausgesprochenermassen à fonds perdu gewühlt werden mussten so gibt PS anderseits auch solche, die einer normalen Kapitalanlage gleichkamen. Zum weitaus überwiegenden Teil handelt es sich indessen um Aul Wendungen, die zwar je nach der wirtschaftlichen Entwicklung der unterstützten Unternehmung nicht jeder Aussicht auf Rendite entbehren, für die aber auf absehbare Zeit hinaus kaum ein Ertrag oder eine Tilgung zu erwarten ist, so dass sie unter den heutigen Verhältnissen annähernd in vollem Umfange als wirkliche Opfer des Bundes betrachtet werden müssten. Pie Grosse der dem Bund aus Dolchen Aufwendungen erwachsenden Last würde zudem durch den Preis beeinflusst s ein, mit dem er jeweils für sein eigenes Geld rechnen muss.

Wir gedenken nicht, im Rahmen dieser Ausführungen auf die Würdigunguller Argumente, mit denen in den Gesuchen operiert wird und von denen wir nur das Wesentlichste angeführt haben, einzutreten und darzulegen, welche von ihnen wir ganz oder teilweise anerkennen konnten und warum wir nicht in der Lage sind, viele andere unter denselben als schlüssig zn betrachten. Ein Teil dieser Argumente fallt übrigens sowieso auschliesslich für die Beurteilung des einzelnen Falles ins Gewicht, zu dem sie angeführt sind,
so dass er sich für die allgemeine Erörterung des Problems nicht eignen wurde. Soweit es sich dagegen um allgemeinere Gesichtspunkte handelt, werden die betreffenden Argumente im Laufe der folgenden Ausführungen gelegentlich zu streuen sein.

Schon diese kurzen Ausführungen über den Inhalt der Gesuche, die zur Vermittlung eines allgemeinen Überblicks genügen müssen, zeigen, dass os sich um ein ausserordentlich vielgestaltiges und weitschichtiges Problem handelt, dessen Losung nicht einfach ist. Abgesehen davon, dass man die allgemeine Seite der Frage nicht nur auf Grund der eingegangenen Gesuche beurteilen kann, sondern sie im Hinblick auf ihre ganze Tragweite und mit Bezug auf alle etwa in Betracht kommenden Eisenbahngesellschaften ins Auge fassen muse, ohne Rücksicht darauf, ob diese mit Gesuchen hervorgetreten sind, ob zu

769 ihren Gunsten eine Kantonsregierung vorstellig geworden ist oder ob von ihrer Seite noch nichts unternommen wurde, so zeigt schon der materielle Inhalt der Gesuche auf den ersten Blick eine derartige Verschiedenheit der massgebenden Umstände und Standpunkte, dass man sie nicht über einen Leist schlagen kann.

Die Bedeutung des Problems in seiner Gesamtheit, seine Tragweite und seine Aspekte musston sich vielmehr erst aus einer eingehenden Prüfung, wenigstens der typischsten Einzclfälle, herausschälen.

Dieser Sachverhalt legte es miserili Post- und Eisenbahndepartemeut nahe, zar Abklärung des Problems eine vorbereitende Expertenkommission zu bestellen. Sie steht unter dem Vorsitz des Herrn Dr. Herold, ehemaligen Direktors der ßodensee-Toggeiiburgbahn, der Eisenbahuabteilung des eidgenössischen Post- und Eisenbahndepartementes und des Kreises III der Schweizerischen Bundesbahnen, und ist ausser ihm zusammengesetzt aus den Herren Privatl>ahndirektoren Professor Vobnar, Kesselring und Keiny, sowie Herrn Prof.

lUarbach. Wie bekannt, ist dieser Kommission auch die Förderung der allgemeinen Eevision unserer Eisenbahugesetzgebung anvertraut.

Soweit die Tätigkeit der Kommission sich auf das Privatbahnproblem jzu erstrecken hatte, wurde ihr in allgemeinen Zügen als Aufgabe zugewiesen, die Eolle und die Wichtigkeit der schweizerischen Privatbahnen zu untersuchen und deren Lage zu prüfen. Dabei war zu fragen sowohl nach der Zusammensetzung ihrer Geldgeber und nach den Opfern, die die Allgemeinheit schon für die betreffenden Bahnen gebracht hat, als auch nach der Lebensfähigkeit der Unternehmungen überhaupt, wobei ausser den wirklich lebensfähigen auch die bedrohten und die aussichtslosen unter ihnen zu unterscheiden waren. Endlich hatte die Kommission zu prüfen, durch welche Massnahmon die Wiederautrichtung der notleidenden Unternehmungen zu ermöglichen sei.

Die Kommission hat sich bisher in einer Eeihe von Sitzungen, jeweils nach umfassenden Voruntersuchungen unseres Amtes für Vorkehr sowie ihres Präsidenten, bestrebt, dem Gegenstand ihrer Aufgabe auf den Grund zu kommen.

Sie hoffte, dieses Ziel am ehesten dadurch zu erreichen, dass sie eingehend in die einzelnen Fälle einzudringen suchte, um daraus gewisse allgemeine Eindrücke und Grundlinien abzuleiten, die für die Lösung des Gesamtproblems brauchbar
sein konnten. Diese Studien sind nunmehr, ohno zwar abgeschlossen .zu sein, immerhin derart vorgeschritten, dass die Kommission die erwähnten Grundlinien im Entwurfe zu einem Bahmengesetz niederlegen zu können glaubte.

Dieses Rahmengesetz möchte sie später bei der ebenfalls schon in gewissem Grade vorbereiteten Erledigung der einzelnen Fälle angewendet wissen.

Unser Post- und Eisenbahndepartement, das über den Fortgang der Arbeiten der Expertenkommission stets auf dem laufenden gehalten worden ist, hält mit dieser den Augenblick für gekommen, um Ihnen, wie vorgeschlagen, auf Grund des allgemeinen Überblickes, der sich jetzt über das Privatbahnproblem gewinnen làsst, den Erlass eines für die Beteiligung des Bundes an der Wiuderaufrichtung der Privatbahnen grundlegenden Gesetzes -/A\ beantragen.

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Indem wir diese Ansicht ebenfalls zu der un&rigen machen und Ihnen den nachstehenden Gesetzesentwurf in einem Zeitpunkt vorlegen, in dem der Entwurf zum neuen Bundesbahngesetz ebenfalls vor Ihnen hegt, tragen wir auch den zwischen diesen beiden Prägen bestehenden Zusammenhangen, auf die wir im Verlaufe früherer Ausführungen schon angespielt haben, gebührend Rechnung.

Es wäre an sich denkbar, dem Zusammenhang zwischen der Réorganisation der Bundesbahnen und der Privatbahnfrage auch in der Weise Rechnung' zu tragen, dass man bei der Gelegenheit jener Reorganisation eine Anzahl Privatbahnen in das Bundesbahnnetz einverleiben würde. Bei den für die Lösung des Privatbahnproblems durchgeführten Vorarbeiten blieb es jedoch verstanden, dass es sich für den Fall eines Entgegenkommens an die von Kantonen und Gesellschaften vorgebrachten Wünsche nur um eine Hilfeleistung des Bundes an bestehende Eisenbahngesellschaften handeln könne, nicht aber darum, statt dessen die betreffenden Unternehmungen zu verstaatlichen. Zwar steht in verschiedenen kantonalen Eingaben auch der Rückkauf der betreffenden Unternehmungen unter den gestellten Begehren, aber er wurde als solches nirgends in den Vordergrund gerückt, offenbar in der berechtigten Annahme^ dass er zurzeit nicht durchführbar wäre. Es ist in dor Tat nicht opportun, in einem Zeitpunkt, wo für die Schweizerischen Bundesbahnen der finanzielle Neuaufbau vor der Ture steht, dieses Problem, das der Schwierigkeiten genug aufweist, ohne besondere Dringlichkeit durch dasjenige der Einverleibung weiterer Eisenbahnen in das Staatsbahnnetz zu erweitern. Aber selbst wenn man für die Durchführung einer derartigen Aktion gegenwartig entscheidende Gründe ins Eeld fuhren könnte, so würde sie ausserordentlichen, kaum zu überwindenden Schwierigkeiten begegnen: Die Auswahl der zu verstaatlichenden Unternehmungen, der für die Durchführung der Verstaatlichung zu beschreitende rechtliche Weg und nicht zum mindesten die Preisfrage würden sehr schwer zu lösende Aufgaben bedeuten, mit denen die gegenwärtige Situation noch zu komplizieren kein genügender Anlaps besteht. Besonders hinsichtlich der Frage des Preises, der für allenfalls zu verstaatlichende Unternehmungen auszurichten wäre, ist angesichts des gegenwärtigen finanziellen Standes der letztern nicht vorauszusehen, dass die
Einigung auf einen Betrag erzielbar wäre, der zugleich dem kommerziellen Wert der Unternehmungen für die Bundesbahnen und den maximalen Erwartungen ihrer Gläubiger in angemessener Weise Rechnung tragen könnte. So kann sich heute nicht etwa an Statt des Hilfeleistungsproblems oder neben ihm das Verstaatlichungsproblem stellen. Letzteres bleibt vielmehr vorbehalten, und es muss beim gegenwärtigen Anlass nur dafür gesorgt werden, dass die Hilfeleistung, wie sie vorgeschlagen wird, die Rechtsstellung des Bundes für den Fall eines späteren Rückkaufes nicht beeinträchtige.

Unter diesen Umständen stellt sich also heute die Erage der Vornahme weiterer Verstaatlichungen im Zusammenhang mit der Lösung des Privatbahn"Problems nicht, und wir haben nur die Möglichkeit der Hilfeleistung an die bestehenden Gesellschaften ins Auge zu fassen. Darauf ist auch der beihegende Gesetzoscntwurf eingestellt.

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Bevor wir uns indessen der Besprochung und Begründung des Gesetzesentwurfes im einzelnen zuwenden können, ist es notwendig, gewisse Grundzüge des Problems zu beleuchten, die zum Teil auch in den Eingaben der Kantonsregierungen gestreift werden, und zu den betreffenden Punkten Stellung zu beziehen. Dazu gehört vor allein die Untersuchung der formellen wie der materiellen Berechtigung der Beteiligung des Bundes an der finanziellen Wiederaufrichtung der Privatbahnen, zwei Fragen, die erst bejaht sein müssen, bevor überhaupt an die Würdigung eines bezüglichen Gesetzes geschritten worden kann. Eine dritte grundlegende Frage, die os abzuklären gilt, ist sodann diejenige nach der allgemeinen Umgrenzung der Hilfeleistung, sowohl hinsichtlich ihrer Höhe als namentlich hinsichtlich des Kreises der Unternehmungen, an deren "Wiederaufrichtung der Bund sich interessieren kann und soll. Erst nachher werden wir auf die Einzelheiten der Materie eintreten können.

JII. Die Grundzüge des Problems der Hilfeleistung.

1. Die verfassungsrechtliche Grundlage.

Wie aus früheren Ausführungen hervorgeht, hat es der Bund bis anbin grundsätzlich abgelehnt, sich an privaten Eisenbahnunternehmungen finanziell zu beteiligen, sondern in der Handhabung des, in liberalem Sirine auszulegenden und anzuwendenden Konzessionsrechtes ein ausreichendes Mittel dafür erblickt, um die ihm nach Massgabe von Art. 8 des Eisenhalmgesetzes von 1872 obliegendeAufgabe der Forderung der Entwicklung der Eisenbahnen zu erfüllen. Dass die zugunsten der Alpendurchstiche, sodann der Ehätischen Bahn und der Berner Alpenbahn gemachten Ausnahmen die Eegel nicht umstürzen konnten noch wollten, haben wir ebenfalls dargelegt.

Gegenwärtig handelt es sich für den Bund um die Frage, ob er die Zurückhaltung, die er bisher hinsichtlich der Beteiligung an privaten Eisenbahnuntemehmungen im allgemeinen beobachtet hat, aufgeben soll. Jeder Erörterung über die materielle Eechtfertigung eines derartigen grundsätzlichen Wechsels seiner Einstellung vorgängig muss jedoch untersucht werden, wo er dazu gegebenenfalls die verfassungsrechtliche Grundlage finden könnte.

Die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines finanziellen Einschreitens des Bundes zugunsten von Privatbahncn hat sich natürlich schon gestellt als die Bundesbeschlüsse vorbereitet wurden, welche die eben erwähnton Ausnahmen von der Eegel ordnen sollten. Besonders bei der Vorlage der Bundesbeschlüsse, welche die Subventionen an die Ehätische Bahn und an dio Lötschbergbahn betrafen, hat sich der Bundesrat mit ihrer verfassungsrechtlichen Grundlage eingehend befasst, und seine damalige Einstellung dürfte auch für die Entscheidung der Frage, wie sie sich heute stellt, wegleitend sein.

Seinen Antrag auf Bewilligung der ersten, an die Ehätische Bahn zu leistenden Subvention (zugunsten des Baues der Albulabahn und der Strecke

772

Reichenau-Ilanz) stutzte der Bundesrat auf Art. 28 der Bundes Verfassung.

Dies schien ihm unter der Voraussetzung möglich, dass es sich um eine eigentliche «Subvention» handle, dass «diese Bundessubvention nur durch die ganz exzeptionellen Verhaltnisse Graubündens begründet und demgemäss zu behandeln sei und dass im übrigen die Mitbetätigung des Bundes auf dem Gebiete der Förderung und Unterstützung der Eisenbahnbestrebungen sich innerhalb der Schranken des Eisenbahnrückkauf sgesetzes zu bewegen habe». Um seino Haltung zu rechtfertigen, zog der Bundesrat ausserdem neben der Bedeutung der geplanten Bahnen die infolge ihrer Erstellung bestimmt zu erwartende Alimentation der nach Chur führenden Bundesbahnlinien in Betracht. Auch die zweite, an die Rhätische Bahn geleistete Bundessubvention (für die Linien Bevers-Schuls und Manz-Disentis) wurde auf Art. 28 gestützt: namentlich der Ban der Unterengadinerlinie sei aus nationalen Gründen notwendig, in Anbetracht der besonderen geographischen und wirtschaftlichen Lage des Tales, doch übersteige er die Kräfte der Bahngesellschaft. Bei der Lötschbergsubvention endlich wurde ähnlich argumentiert: «Die Eidgenossenschaft hat aus volkswirtschaftlichen, politischen und Billigkeitsgründen und aus freundeidgenössischer Gesinnung eine Beihe öffentlicher Unternehmungen und Werke von hervorragender Bedeutung, die grosso finanzielle Opfer erheischton, durch Ausrichtung von Beiträgen unterstützt und so den in Artikel 28 BV. niedergelegten Grandsatz zur Anwendung gebracht.» Im gleichen Zusammenhang wurde die Lötschberglinie als gemeinnütziges Werk bezeichnet, ihr Charakter als Zufahrtslinie zum Simplon und als militärisch wichtige Verbindung betont, sowie auf ihren günstigen Einfluss auf das wirtschaftliche Leben mehrerer Kantone Gewicht gelegt.

Bei dieser verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der betreffenden Subvetionen ist es auch nach der Beratung der Bundesversammlung geblieben.

Dass im übrigen im Falle der Lötschbergbahn die Subvention des Bundes à fonds perdu hingegeben wurde, während sie bei der Rhätischen Bahn jeweils gegen die Ausrichtung von Subventionsaktien zweiten Banges erfolgte, ändert an dem Kern der Sache nichts; ebensowenig der Umstand, dass in allen diesen Fällen bestimmte Gegenleistungen mit im Spiele waren, die, wie in früherem .Zusammenhange
erwähnt, es dem Bunde leichter macheu mussten, ein besonderes Entgegenkommen zu zeigen.

Bemerkenswert von rein formellen Gesichtspunkten aus ist es, dass in den drei vorgenannten Fällen die Leistung des Bundes ausdrücklich der Gesellschaft, also der Bahnunternehmung zugute kommen sollte and dass bei der Beurteilung ihrer Zweckmässigkeit nur auf die Lage der letzteren abgestellt wurde. Im einen Fall wurde der Bund Gesellschafter der Bhätischen Bahn, im andern Fall ist die Gesellschaft der Borner Alpenbahn im Gesetzestext als eigentliche Empfängerin der Subvention genannt.

Auch mit Bezug auf die gegenwärtig vom Bunde begehrte Aktion ist es, was ihre verfassungsrechtliche Begründung anbetrifft, nicht gleichgültig, wem er gegebenenfalls die gewünschte Entlastung gewähren soll, ob der Eisenbahn-

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Unternehmung oder den hinter dieser stehenden Kantonen. Die Kantons rogiorungen haben in ihren Eingaben auf ihre eigenen Eisenbahnlasten abgestellt. Ohne zu berücksichtigen, wer ausser ihnen Geldgeber der notleidenden Gesellschaften gewesen ist, haben sie auf ihr eigenes Bedürfnis nach einer Erleichterung der Eisenbahnlasten ihres Kantons hingewiesen und ihre Begehren entsprechend formuliert. Dies scheint uns für eine Aktion des Bundes nicht der richtige Boden zu sein. Es sollte vielmehr, wenn überhaupt eine Hilfe in gewünschtem Sinne geleistet worden soll, diese den notleidenden Eisenbahngesellschaften, in denen die Träger der «öffentlichen Werke» zu erblicken sind, zukommen. Denn diesen Trägern gilt es im Grund beizustehen, wie es auch in den erwähnten früheren Fällen geschah, und sie damit für die Erfüllung der ihnen obliegenden, wichtigen öffentlichen Aufgaben zu stärken, nachdem ihre Leistungsfähigkeit durch die ungünstige Entwicklung ihrer Finanzlage beeinträchtigt wurde und die bisherigen Geldgeber -- worunter in vielen Fällen die Kantone --· auf die Länge nicht in der Lage sind, zugunsten der Unternehmungen auch nur die in der letzten Zeit gebrachten Opfer, geschweige denn grössere, zu ertragen. Meistens wird es zwar, wie die Dinge sich praktisch gestaltet haben, im Effekt ganz oder wenigstens annähernd auf das gleiche herauskommen, ob der Bund formell einer notleidenden Gesellschaft beispringe oder ob er die Kantone, die für sie Opfer gebracht haben, unmittelbar entlaste.

Doch ist unseres Erachtens eben gerade die Form hier von wesentlicher Bedeutung. Für die Beurteilung der Angemessenheit und Notwendigkeit einer Bundesunterstutzung kann es nur auf die Verhältnisse der betreffenden Unternehmung ankommen, und zwar auf deren Bedeutung im Gefüge des schweizerischen Wirtschaftslebens, andererseits auf den Grad ihrer Notlage.

Würde die Aktion, um die es sich hier handelt, als eine Stützung der Kantone in bezug auf ihre, im Eisenbahnwesen übernommenen Aufgaben angesehen, so würde das Problem verschoben und zugleich verbreitert. So sehr die Kantone unter der ungünstigen Finanzlage gewisser, ihnen nahestehender Eisenbahngesellschaften leiden mögen und deswegen das Bedürfnis fühlen, sich an den Bund um Unterstützung zu wenden, so können sie sich auch aus andern Gründen, als weil sie sich an
Eisenbahngesellschaften in irgendeiner Form finanziell interessiert haben, in ebenso grossen Schwierigkeiten befinden.

Würde man die heute in Frage stehende Beteiligung des Bundes an der finanziellen Wiederaufrichtung der Eisenbahngesellschaften unter dem Gesichtspunkt der Entlastung der Kantone lösen, so würde dieses Vorgehen als Parallele und Präjudiz betrachtet werden können für ein Einschreiten zugunsten der letzteren in anderen Fällen. Man begäbe sich alsdann auf den allgemeinen Boden des Finanzausgleiches. Da'rum ,kann es sich bei der gegenwärtig zu besprechenden Aktion nicht handeln.

Wir möchten deshalb ein Einschreiten des Bundes zugunsten von Privatbahnen auf andere Verfassungsbestiinmungen stützen als auf Art. 2. Selbst wenn man übrigens aus sachlichen Erwägungen diesen Artikel anrufen könnte, so würde eine Bezugnahme auf ihn allein zu nichts führen, denn er könnte Bundesblatt. 89. Jahrg. Bd. I.

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höchstens in Verbindung mit anderen Artikeln der Verfassung wirksam sein, für sich allein gewährt er keine Rechte.

Unter diesen Umständen schlagen wir vor, ein allfälliges Vorgehen des Bundes auf dem Gebiete der Privat bahnhilf e nur auf die Art. 26 und 28 der Verfassung zu stützen.

Art. 26, wonach die Gesetzgebung über den Bt.u und Betrieb der Eisenbahnen Bundessacho ist, kann die Grundlage für eine finanzielle Intervention des Bundes bilden nach der Eegel: «in maiore minus.» Wenn der Bund auf einem bestimmten Gebiet allgemein für die Gesetzgebung zuständig ist, so sollte er durch den Erlass von Gesetzen auf diesem Gebiet auch finanzielle Hilfe bringen können. So wurde Art. 25 der Bundesverfassung als genügend befunden, um die Gewährung von Bundesbeiträgen auf dem Gebiete der Fischerei und der Jagd zu begründen.

Ausserdem ist es selbstverständlich, dass Art. 23, auf den die Gewährungvon Bundessubventionen an den Bau der Ehätischen Bahn und der Lötschbergbahn gestützt wurde, auch in unserem Falle neuerdings als verfassungsrechtlich» Grundlage für das Einschreiten des Bundes herangezogen werde. Man bewegt sich damit nur auf dem Boden der historischen Kontinuität.

Art. 23 der geltenden Bundesverfassung entspricht dem Art. 21 der Verfassung von 1848 und musste schon zu verschiedenen Malen die Intervention des Bundes zugunsten von Eisenbahnen begründen. Nach ihm steht bekanntlich dem Bunde das Becht zu, im Interesse der Eidgenossenschaft oder eines grossen Teils derselben, auf Kosten der Eidgenossenschaft die Errichtung Öffentlicher Werke zu unterstützen. Schon in der Botschaft vom 7. April 1851, in der der Bundesrat den Bau der schweizerischen Eisenbahnen durch den Staat befürwortete, schlag er eine finanzielle Kooperation von Bund und Kantonen auf Grund des genannten Art. 21 vor. Es war damals unbestritten, dass man mit der Aufnahme dieses Artikels in die Verfassung besonders die Einführung von Eisenbahnen im Auge gehabt habe. In der gleichen Voraussetzung hatte übrigens die Bundesversammlung den Bundesrat beauftragt, ihr unter anderem den Plan zu einem allgemeinen Eisenbahnnetz und Anträge betreffend dieBeteiligung des Bundes bei der Ausführung des schweizerischen Eisenbahnnetzes vorzulegen. Wenn sonach dem Bunde zur Errichtung öffentlicher Werke die Befugnis zustand, so ergab sie sich auch zur
Erwerbung solcher.

Daher diente die gleiche Verfassungsbestimmung, die 1874 zum Art. 23 geworden war, auch als Grundlage für den Bückkauf, durch den der Bund eine gewisse Anzahl bestehender Bahnnetze in sein Eigentum überführen sollte.

Konnte aber der Bund, gestützt auf diesen Artikel, ein ganzes Staatsbahnnetz.

bilden, so darf er sich wohl in gleichem Sinne, wieder nach dem Grundsatz «in maiore minus», auch an der finanziellen Wiederaui'richtung von Privatbahnen beteiligen.

Die Berechtigung, Art. 28 als verfassungsmässige Grundlage der vorgeschlagenen Aktion heranzuziehen, ergibt sich also zweifellos aus historischen.

Gründen. Im übrigen zeigen gerade frühere Fälle, dass man schon vor Jahr-

775 zehnten darüber einig gewesen ist, ihn nicht ong nach seinem Wortlaut zu interpretieren, sondern ihm eine extensive Auslegung zu geben, die über den eigentlichen Sinn des Begriffes «Errichtung» hinausgeht. Wird er zusammen mit Art. 26 angeführt, so darf man ihn wohl auch bei peinlich kritischer Einstellung als eine geeignete verfassungsrechtliche Grundlage ÏUT die geplante Aktion betrachten.

Nicht zu übersehen ist allerdings, dass, wenn man im vorliegenden Falle Art. 28 als verfassungsmässige Grundlage herbeizieht, das Anwendungsgebiet des autzustellenden Gesetzes ein begrenztes -würde, weil der Artikel nur für die Unterstützung solcher Bahnen angerufen werden könnte, die im Interesse der Eidgenossenschaft oder eines grossen Teils derselben liegen. Da jedoch, wie wir m späterem Zusammenhang ausführen werden, das Vorgehen des Bundes nur einom bestimmten Kreis wichtiger Privatbahnen zugute kommen kann und nicht deren Gesamtheit, entspricht der Sinn des Artikels in dieser Beziehung durchaus unseren Absichten.

2. Die Rechtfertigung eines Einschreitens des Bundes.

A. Besteht ein Rechtsanspruch auf Hilfeleistung?

In den Eingaben, die das Problem der Hilfeleistung des Bundes an die notleidenden Privatbahnen ins Rollen gebracht haben, und auch sonst in den Kreisen der Interessenten begegnet man etwa dem Gedanken, die notleidenden Privatbahnen besässen einen eigentlichen Rechtsanspruch auf ein Einspringen des Bundes zu ihren Gunsten; mit seiner Erfüllung finde also der Bund eine Gelegenheit, das gutzumachen, was er eigentlich schon lange versäumt habe.

Bestünde wirklich ein solcher Rechtsanspruch, dann wäre allerdings die Rechtfertigung der gewünschten Aktion eine leichte Sache. Nur müsste man sich dann fragen, warum, sich diese Aktion nicht schon lange durchgesetzt hat und warum sie ausgerechnet erst jetzt, wo das Bundesbahnproblem neu aufgeworfen werden musate, zur Diskussion steht. Sei dem indessen wie ihm wolle, so verdient dieses Argument angesichts seiner Bedeutung eine eingehende Würdigung, und zwar sowohl anhand der Gründe, die in den Eingaben vorgebracht wurden, als auch unter Heranziehung anderer, allenfalls in diesem Sinne wirkender Momente.

Lässt sich, so wird man sich zuerst fragen müssen, etwa aus der Rolle, die sich als Folge des liberalen Konzessionsrochtes des Bundes für die Privatbahnen im Gefüge der schweizerischen Volkswirtschaft herausgebildet und ihnen gestattet hat, sich durch die Dienste, die sie der Volkswirtschaft leisten, immer wieder zu bewähren, schon ein Anlass herleiten, um einen Rechtsanspruch derselben auf Unterstützung durch den Bund in ihrer gegenwärtigen Notlage zu begründen?

Die Wichtigkeit der Privatbahnen im Gefüge der Volkswirtschaft unseres Landes ergibt sich schon aus der blossen Tatsache, dass sie einen integrierenden Bestandteil des schweizerischen Eisenbahnnetzes, das ein Ganzes bildet, darstellen. Dieses Netz würde ohne die Privatbahnen, zum mindesten ohne die

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Mehrzahl von ihnen, an Geschlossenheit und Leistungsfähigkeit erheblich einbüssen und wäre als das, was es tatsächlich ist und sein will, schwer auszudenken.

Wie wir schon in unserer Botschaft zum neuen Bundesbahngesetz ausgeführt haben, haben manche Privatbahnen, und zwar zum Teil solche, die heute am allermeisten notleidend sind, für die schweizerische Volkswirtschaft neben den Bundesbahnen eine solche Bedeutung, dass man sie nicht oder nur ungern entbehren möchte. Beschränkt sich auch, im allgemeinen betrachtet, die Bolle eines wesentlichen Teils der schweizerischen Privatbahnen neben der Bedienung des Lokalverkehrs auf diejenige einer Zubringerin für die Bundesbahnen oder eine andere grössere Privatbahn, so erfüllt ein anderer Teil von ihnen unbestrittenermassen im Interesse gröaserer Landesteile auch selbständige wichtigere volkswirtschaftliche Aufgaben, gleichgültig ob sich die betreffenden Bahnen dabei in Konkurrenz zu den Bundesbahnen befinden oder abseits von deren unmittelbaren Einflusssphäre stehen.

So darf die Bolle der Privatbahnen in der schweizerischen Volkswirtschaft nicht unterschätzt werden. Jeder von ihnen, und wäre es auch die bescheidenste gewesen, war von ihren Promotoren bei ihrer Gründung naturgemäss eine ausgesprochene wirtschaftliche Bestimmung zugedacht worden. Erstrebten viele derselben nur sehr beschränkte Ziele, wie die Erschliessung oder wirtschaftliche Kräftigung eines kleinen Seitentales oder die Lenkung des Touristenstromes auf einen bestimmten Berg, so war dem Bau anderer Privatbahnen ein Zweck gesetzt, der die Interessen weiterer Gebiete, unter Umständen des ganzen Landes berührte.

Diese grundsätzliche Wichtigkeit der schweizerischen Privatbahnen im allgemeinen und ihre Eolie im Gefüge unserer Volkswirtschaft haben keine Änderung erfahren zufolge von Wandlungen, die hier oder dort im einzelnen in ihren Lebensbedinguagen eingetreten sein mögen. Es hat von diesem Gesichtspunkt aus nichts zu sagen, dass die eine oder andere von ihnen, wie jedes wirtschaftliche Unternehmen, von jeher der Gefahr einer erheblichen Erschütterung ihrer Grundlagen von aussen unterworfen war und dass ihre Bedeutung sich im Vergleich zu den bei der Gründung gehegten Erwartungen oder zu den in der ersten Betriebszeit mit ihr gemachten Erfahrungen erheblich geändert hat.

Zum Teil hat zwar
die Rolle, die die Privatbahnen wirklich zu erfüllen bekamen, die ursprünglich in sie gesetzten Erwartungen gerechtfertigt oder übertroffen.

Boi anderen von ihnen erwiesen sich hingegen diese Erwartungen als übertrieben oder die Zwecke, denen die Unternehmungen zu dienen berufen gewesen waren, veränderten oder verflüchtigten sich. Die mit der Bahn gemachten Erfahrungen verursachten dann hinterher Enttäuschungen oder ihre Erstellung h'ess sich auf ihre Berechtigung mindestens anzweifeln, wenn es nicht sogar dazu kam, dass sich die Unternehmung als ausgesprochene Fehlgründung erwies, bei der die Berechtigung zur Aufrechterhaltung des Betriebes fraglich wurde oder eigentlich zu verneinen war. Trotz solcher Wechselfâlle blieb aber die Eolle der Privatbahnen, im ganzen genommen, dem Grunde nach unangetastet.

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Nicht anders kann das Urteil lauten, wenn man den Einbruch in Betracht zieht, den die Entwicklung des Automobils in die Stellung der Privatbahnen im Verkehrsleben herbeigeführt hat. Gewiss hat dieser Einbruch die schwierige ökonomische Lage etlicher unter ihnen noch erheblich verschlechtert und sogar bei manchen Bahnen, deren Erstellung seinerzeit allgemein gebilligt wurde, die Prognose über die Lebensfähigkeit zweifelhaft oder ausgesprochen ungünstig werden lassen; an der grundsätzlichen Wichtigkeit der Privatbahnen, in ihrer Gesamtheit betrachtet, für das Wirtschaftsleben wurde auch dadurch nichts geändert.

Die Bedeutung der Privatbahnen in ihrer Gesamtheit wird ferner dadurch ebenfalls nicht herabgemindert, dass sie zum grössten Teil unter die sogenannten Nebenbahnen fallen. Auch innerhalb dieses Begriffes besteht noch eine sehr grosse Menge von Abstufungen. Sicher ist auch, dass es unter den Privatbahnen, seien sie rechtlich Haupt- oder Nebenbahnen, eine Anzahl gibt, die an Wichtigkeit für das Land gewisse Bundesbahnstrecken überragen.

Die Bedeutung, die der Bund den heutigen Privatbahnen im Gefüge der schweizerischen Volkswirtschaft zuerkennen wollte, wird endlich durch den Umstand nur bestätigt, dass seine Einstellung ihnen gegenüber bei ihrer Gründung genau die gleiche war, wie gegenüber denjenigen Eisenbahnen, die hinterher für eine Verstaatlichung ausgewählt worden sind. Eine Unterscheidung bezüglich des Inhaltes der Konzessionen gab es bei der Entstehung der Bahnen nicht: allen konzessionierten Unternehmungen wollte damals der Bund die gleichen günstigen Entwicklungsbedingungen auf dem Wege eines liberalen Konzessionsrechtes setzen.

Die bedeutende Eolle, welche die Privatbahnen tatsächlich erfüllen und die ihnen der Bund durch sein Konzessionsrecht zugedacht hat, steht somit unzweifelhaft fest. Trotzdem eignet sie sich aber nicht dazu, um den betreffenden Unternehmungen als Grundlage dafür zu dienen, um in ihrer gegenwärtigen Notlage dem Bunde gegenüber Eechtsansprüche auf Hilfeleistung abzuleiten.

Diese Polgerung ergibt sich zwingend aus den schon mehrfach berührten, massgebenden Bichtlinien, die sich der Bund von jeher für sein Verhalten den Eisenbahnen gegenüber gezogen hat. Insbesondere bestanden Ansprüche auf Verstaatlichung irgendeiner bestimmten schweizerischen Eisenbahn,
welches auch ihre Bedeutung im Gefüge der schweizerischen Volkswirtschaft gewesen sein mochte, nie. Es gab keine einzige konzessionierte Linie, von der es von Anfang an, bei ihrer Entstehung, sicher war, dass sie einmal verstaatlicht würde. Die Konzessionen, wie sie von jeher bestanden, verleihen dorn Bunde (und unter gewissen-Bedingungen auch den Kantonen) wohl ein Bückkauf Brecht, doch besteht für ihn mit Bezug auf keine Eisenbahn eine Bückkaufspflicht. Der Freiheit des Ermessens wurde in dieser Hinsieht nie eine Grenze gesetzt. Dies läset sich um so weniger bestreiten, als, wie wir eingehend entwickelt haben, das überlieferte Konzessionsrecht im wesentlichen auch nach der Verstaatlichung aufrechterhalten worden ist. Auch haben wir, was speziell

778 den Werdegang anbelangt, den die Verstaatlichung der zu Bundesbahnen gewordenen Linien jeweils genommen hat, in einem früheren Zusammenhange auseinandergesetzt, dass auch daraus keinerlei Eechtsansprüche irgendwelcher Art seitens damals nicht berücksichtigter Eisenbahnen abgeleitet werden dürfen. So wenig aber Eechtsansprüche von Privatbahnen an den Bund auf Verstaatlichung bestehen, so wenig können solche auf Hilfeleistung anerkannt werden für den Fall, dass sie Not leiden.

Auch dadurch, dass der Bund solche Eisenbahnen zu bauen unterliess, die mit der Zeit Privatgesellschaften, oft uritor grosszügigor Mitwirkung von Kantonen und Gemeinden, erstellten, haben keine Eechtsansprüche an den Bund entstehen können. Die etwa zu vernehmende Behauptung, es lägen hier Versäumnisse vor, die zur Schadloshaltung berechtigen, trifft nicht zu. Wie es überhaupt kein, auf äusseren Umständen wie etwa der Bevölkerungszahl fassendes Eecht irgendwelcher Landesteile auf Eisenbahnen gab, sondern doren Verwirklichung stets dem freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte anheimgestellt blieb, so bestanden auch nie Eechte bestimmter Gegenden darauf, dass ihnen ausgerechnet der Bund Eisenbahnen baue. Der Bund war vielmehr im ganz allgemeinen Eahmen des Art. 3 des Eisenbahngesetzes vom 28. Dezember 1872 in seiner Eisonbahnpolitik von jeher durchaus frei gewesen und wollte os bleiben.

Eechtsansprüche privater Eisenbahngesollschaften darauf, vom Bund in ihren gegenwärtigen Schwierigkeiten unterstutzt zu worden, lassen sich aber auch nicht aus irgendwelchen Gesetzeserlassen des Bundes ableiten, die das Eisenbahnwesen im allgemeinen oder einzelne Kategorien von Eisenbahnen betreffen. So kann keine Eede davon sein, dass der Bund infolge des Erlasses von sozialen Gesetzen, zu deren Anwendung er auch die Privatbahnen gezwungen hat, ihnen gegenüber hinterher irgendwie entschädigungspflichtig geworden sei: Gesetze wie das Arbeitszeitgesctz, das Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und andere, die unter anderem auch für die privaten Eisenbahnen gelten, zu erlassen, war er zuständig und auch verpflichtet. Sie sind ordnungsgernäss zustande gekommen und ohne weiteres verbindlich.

Ein Bechtsanspruch privater Bahngesellschaften auf Unterstützung durch don Bund kann ebensowenig auf wirtschaftliehen Erlassen fussen, die vom Bund in
seiner Eigenschaft als Gesetzgeber ausgegangen sind und auf Interessen der Privatbahngesellschafteii entweder ausdrucklich Bezug nehmen oder sie sonst beeinflussen. So lassen sich beispielsweise Rechtsansprüche der Privatbahnen nicht auf die Feststellung gründen, dass die Ordnung der Bezüge, wie sie der Bund für sein Personal im Beamtengesetz getroffen hat, auf die Ansprüche des Personals der Privatbahnen gegenüber ihrem Arbeitgeber Buckwirkungen ausgeübt hätte.

Auch lässt sich ein Bechtsanspruch nicht auf die Erwägung stützen, dass der Aufbau und die Bemessung der Tarife der Bundesbahnen die Freiheit der Privatbahnen auf diesem Gebiet in nachteiligem Sinne eingeschränkt

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und sie zu Opfern gezwungen habe, die ihnen hätten erspart werden sollen: Die zwischen Bundesbahnen und vielen Privatbahnen -- übrigens nach dem "Willen der Aufsichtsbehörde -- bestehende formelle Tarifeinheit liegt nicht nur im ausgesprochenen Interesse der Wirtschaft, sondern auch in demjenigen der Privatbahnen. Da, wo diese in Anbetracht ihrer Lebensnotwendigkeiten mit den Grundtaxen der Bundesbahnen nicht auskommen konnten, sind ihnen stets besondere Massnahmen, womöglich in der Form von Distanzzuschlägen bewilligt worden; dass übrigens in dieser Hinsicht auch bei den Privatbahnen die Bäume nicht in den Himmel wachsen können, daran ist nicht der Bund schuld, sondern die Tragfähigkeit der Wirtschaft, die Konkurrenzstellung der betreffenden Bahn zu andern Bahnen und neuerdings auch der Wettbewerb des Strassenverkehrs.

Rechtsansprüche von Privatbahnen an den Bund lassen sich aber auch nicht ableiten aus dem Bundesgesetz betreffend das Tarifwesen der Schweizerischen Bundesbahnen vom 27- Juni 1901, soweit dieses Gesetz ihren Wettbewerb mit den Privatbahnen um den Güterverkehr ordnet. Sein Art. 21 zielt auf die Verwirklichung einer Verkehrsteilung mit jenen hin. Er stellt «in Kompromiss dar zwischen dem Bestreben, die Bundesbahnen gegen Unterbietungen auf dem Wege privater Abkürzungslinien zu schützen, und dem anderen, auch der Privatbahn einen Platz an der Sonne zu lassen ; er mag dabei alle Nachteile eines solchen Kompromisses aufweisen. Doch setzte mit diesem Artikel der Gesetzgeber in seiner Kompetenz die rechtliche Grundlage für eine solche Verkehrsteilung fest. Ferner schuf er gegen dessen willkürliche Auslegung alle wünschbare Gewähr, wurde doch für den Streitfall der Bundesrat als entscheidende Instanz bestimmt, wobei das Recht des Rekurses an die Bundesversammlung offen blieb. Zudem wurde im Gesetz ausdrücklich den vor seinem Erlass bestandenen Privatbahnen der überlieferte Besitzstand garantiert. Es ginge also nicht an, hinterher aus dem Bestehen und der Anwendung dieses Artikels, der bisher 35 Jahre lang in Rechtskraft gestanden hat, Entschädigungsansprüche an den Bund zu begründen. Abgesehen davon, dass sich mit der Zeit in semer Anwendung, die zwar mancherlei Meinungs-verschiedenheiten auslöste und Verhandlungen nötig machte, nach und nach ein Gleichgewichtszustand herausgebildet hat,
handelt es sich bei den Bahnen, die der Artikel hauptsächlich interessiert, um solche, die erst nach dem Erlass des erwähnten Gesetzes entstanden sind; die Gesellschaften wussten also von Anfang an, wessen sie sich in dieser Hinsicht zu versehen hatten.

Diese Gesichtspunkte sind es in der Hauptsache, die in verschiedenen Eingaben von Kantonen zur Begründung des Standpunktes vorgebracht wurden, dass den Privatbahnen dem Bunde gegenüber ein Rechtsanspruch darauf zustehe, in ihrer gegenwärtigen Notlage von seiner Seite Unterstützung zu finden. Wie wir die Dinge beurteilen, kann diesen Argumenten in der gewünschten Richtung keine Durchschlagskraft beigemessen werden, und es Hessen sich im entsprechenden Sinne auch keine andern finden. Wenn wir .also allein auf rechtliche Erwägungen abstellen dürften, wüssten wir nicht,

780 aus welchen Gründen wir den notleidenden Unternehmungen entgegenkommen könnten.

Schon in den Eingaben ist indessen bei der Geltendmaehung dieser und ahnlicher Gründe darauf hingewiesen worden, diese könnten allenfalls den Bund dazu bestimmen, im Sinne von Erwägungen der Billigkeit dem Standpunkt der Gesuchsteller zu entsprechen. Das ist denn auch, wie wir anschliessend ausführen werden, der einzige Boden, auf dem die Wünsche der Privatbahnen beim Bunde Entgegenkommen zu finden vermögen.

B. Die Rechtfertigung aus Billigkeitserwägungen.

Die Gesichtspunkte der Billigkeit, welche für ein Entgegenkommen des Bundes gegenüber den Wünschen der Privatbahninteressenten spreeheu könnten, sind gewissenorts schon aus der Eolie abgeleitet worden, welche die Privatbahnen als Ganzes genommen im Gefüge des schweizerischen Wirtschaftslebens tatsächlich spielen. Wir haben es uns angelegen sein lassen, diese Eolle anlässlich der Beantwortung der Frage, ob sie eine Eechtspflicht des Bundes zum Einschreiten begründen könnte, gebührendermassen ins Licht zu rücken. Doch würde dieses Argument, sowenig wie für die Begründung eines Eechtsanspruches, für sich allein dazu ausreichen, um ein Einschreiten aus Billigkeitserwägungen zu rechtfertigen. Es ist in dieser Hinsicht nicht zu vergessen, dass die Eolle jeder Privatbahn seit ihrem Bestehen klar vorgezeichnet vorlag, dass sie diese Eolle im Laufe der Jahrzehnte stets erfüllt hat und daes sich trotzdem der Bund, auch wenn die Unternehmungen notleidend waren, von einer finanziellen Beteiligung an ihnen o'der von ihrer Unterstützung grundsätzlich immer ferngehalten hat. Auch die erfolgte Verstaatlichung schuf in dieser Eichtung kein Präjudiz : Sie hatte ausschliesslich die Verwirklichung eines neuen Betriebssystems zum Zweck, dagegen wollte man damit keineswegs etwa in Würdigung der wirtschaftlichen Eolle dieser oder jener Unternehmung, die man für den Staat zu erwerben gedachte, nebenher bisherige Bahngesellschaften oder bestimmte Landesgegenden unterstützen.

Doch kommt der Gesichtspunkt der Eolle der Privatbahnen sofort zu seinem Eecht, wenn man in Verbindung mit ihm den andern'in Betracht zieht, dass infolge der Entwicklung der Betriebsergebnisse der Schweizerischen Bundesbahnen eine neue Orientierung des Verhältnisses des Bundes zu ihnen nötig geworden ist. Die Eingaben der Kantone, in denen der betreffende Hinweis nicht fehlt, haben denn auch mit Eecht die naheliegende Frage gestellt, warum der Bund nicht auch den Privatbahnen gerade deshalb helfen sollte, weil er den Bundesbahnen, die wie sie finanziell bisher auf eigenen Ftissen gestanden hatten, neuerdings beizuspringen gezwungen sei. Hier und dort handle es sich doch um öffentliche Dienste. Also wäre, so wird gefolgert, wohl eine übereinstimmende Einstellung des Bundes gegenüber der Notlage der beiden Kategorien von Eisenbahnunternehmungen grundsatzlich begründet.

78f

In diesem Zusammenhange liegt ohne Zweifel die entscheidende Überlegung..

die es dem Bunde gestattet, aus Billigkeitsgesichtspunkten auf die aus Privatbahnkreisen geäussorten Wünsche grundsätzlich einzutreten, nachdem doch die absteigende Entwicklung "und die Notlage auf beiden Seiten auf die gleichen.

Ursachen zurückzuführen sind.

Lässt man, in Würdigung dieses Zusammenhanges zwischen der Wiederaufrichtvtng der Bundesbahnen mit Hilfe des Bundes und der Stützung dor Privatbahnen durch ihn, solche Billigkeitaerwägungen zu, so ergibt sich mittelbar die Möglichkeit, auch den Geldgebern der betreffenden Privatbahnen zu Hilfe zu kommen. Wie die Untersuchung der Verhältnisse der schweizerischen Privatbahnen zeigt, befinden sich gerade unter denjenigen von diesen Bahnen, die für die Allgemeinheit oder für weitere Kreise die grossie Bedeutung besitzen, in vorderster Linie solche, an denen sich in den Kantonen die öffentliche Hand in hohem Masse beteiligen musate, um angesichts der bedeutenden Mittel, die der Bau erforderte, die Verwirklichung der betreffenden Unternehmungen überhaupt zu ermöglichen. In diesen Fällen wird die Hilfeleistungdes Bundes an die letzteren zum Zwecke ihrer Wiederaufrichtung nicht nur zu einer Existenzfrage der Eisenbahnen, sondern sie ist auch ein als dringend empfundener Ausweg, um der Gefährdung des finanziellen Gleichgewicht» jener öffentlichen Geldgeber zu steuern.

Die Zusammenhänge, die im Sinne vorstehender Ausführungen zwischen der Neuordnung des finanziellen Verhältnisses dea Bundes zu den Bundesbahnen, und seiner Beteiligung an der Wiederaufrichtung der Privatbahnen geltend gemacht werden können, müssen jedoch dazu führen, das Einschreiten des-.

Bundes zugunsten der letzteren grundsätzlich nur in einem begrenzten Eahmen für möglich zu halten. Wenn der Bund den Bundesbahnen eine finanzielle Unterstützung leiht, so gilt dies einem Netz, dessen Zusammensetzung nach dem Willen des Gesetzgebers unter bestimmten, abgegrenzten Gesichtspunkten gebildet worden ist. Es wäre deshalb nicht verständlich, wollte der Bund, den Kreis der Privatbahnen, denen er sein finanzielles Interesse zuwenden soll, nach anderen Gesichtspunkten bestimmen und von einer Auslese grundsätzlich Umgang nehmen. In diesem Sinne können wir also die Präge, obBilligkeitsgesichtspunkte für das Einschreiten
des Bundes zugunsten der Privatbahnen herangezogen werden dürfen, nicht bedingungslos bejahen, sondern es muss hinsichtlich der Umgrenzung des Kreises der Privatbahnen,, mit Bezug auf welche dies der Fall sein kann, ein gewichtiger Vorbehalt gemacht werden. Darüber wird im folgenden Abschnitt im Zusammenhang zu.

reden sein.

3. Die Grenzen der Bundeshilfe.

Die den Privatbahnen zu gewährende Bundeshilfe muss ihre Grenzen haben. Es ist dem Bunde absolut unmöglich, zu diesem Zwecke eine allgemeineVerteilung von Geld an die Gesellschalten vorzunehmen, die ihnen allen er-

782 lauben würde, ihre Bilanz zu kräftigen und ihre Unternehmungen auf alle Zeiten hinaus gegen die Wechselfälle des Schicksals zu sichern. Ganz abgesehen davon, dass dies i'ur den Bund in Anbetracht des beschränkten Umfanges der Mittel, über die er verfügt, durchaus undenkbar wäre, würde er sich bei einem solchen Verhalten sehr weit von den Grenzen entfernen, die er sich für sein bezügliches Handeln vernünftigerweise setzen muss.

Selbst für einen Augenblick angenommen, der Bund dürfe bei seiner Einstellung zur Frage von den grossen Unterschieden absehen, die innerhalb der schweizerischen Privatbahnen hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Wirtschaft des Landes bestehen, so wäre es für ihn ganz unmöglich, für seme Unter-Stützungsaktion auch nur ein einheitliches, für alle Fälle brauchbares Eezept v.u finden. Ein solches sollte, wie man meinen möchte, am ehesten aus der vergleichenden Prüfung der Jahresrechnungen und Bilanzen der Gesellschaften zu gewinnen sein. Doch wäre es ein vergebliches Bemühen, aus ihnon die erforderliche gleichmässige und objektive Grundlage ableiten zu wollen. Gewiss .müssen die Eechnungen der verschiedenen Eisenbahngesellscbaften unseres Landes nach einem einheitlichen Schema aufgebaut sein und der indikatorische Wert, den die Gegenüberstellung ihrer korrespondierenden Zahlen besitzt, ist nicht zu verkennen. Aber für sich allein geben solche Zahlen noch keinen gründlichen Aufscbmss über die wirkliche Lage und die finanziellen Möglichkeiten einer Unternehmung, sondern es kommen dabei noch ganz andere Gesichtspunkte in Betracht : Man denke an die Verschiedenheiten im Kapitalaufbau, also,die Verteilung der angelegten Mittel in eigenes und fremdes Geld, an die Modalitäten allfälliger von den Gesellschaften schon durchgemachter finanzieller Rekonstruktionen und ihren Einfluss auf die Bilanz, ferner an dio unterschiede in der finanziellen Liquidität der Unternehmungen, an den verschiedenen Bückhalt, den sie bei Dritten für ihre Stutzung und Aufrechterhaltung zu finden erwarten können, weiter daran, wie ungleich die Mittel sind, die den Unternehmungen effektiv zur Verfügung stehen für die Bestreitung der einmal mit Sicherheit fällig werdenden Erneuerungen, endlich auch an die vorhandenen Ungleichheiten in der Güte der Verwaltung der Unternehmungen und in ihren Möglichkeiten zur
Selbsthilfe. Es ist auch nicht zu vergessen, dass in jenen Rechnungen gewisse Verbindlichkeiten der Bahngesellschaften überhaupt keinen Ausdruck finden, so diejenigen, die sich aus einem Fehlbetrag der Pensions- und Hilfskasse für das Personal ergeben können; ferner bietet z. B, eine ausgeglichene Bilanz noch keine Gewähr dafür, dass der -ausgewiesene Bestand des Erneuerungsfonds diejenige Höhe habe, die im Interesse einer ungestörten finanziellen Entwicklang der Unternehmung unbedingt notwendig ist. Demnach gestattet, was nur schon eine beliebige einzelne Unternehmung anbelangt, ihre Rechnung es nicht, aits ihr allein ein vollständiges und zuverlässiges Bild über die Finanzlage abzuleiten. Wenn dem so ist, so erhellt ohne weiteres, dass Vergleiche der entsprechenden Zahlen der Eeehnungen verschiedener Gesellschaften in ihren absoluten Beträgen .sich noch viel weniger dazu eignen würden, um die Aufstellung eines allgemein

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anwendbaren Massstabos für eine Hilfeleistung, wie die in Frage kommende, zu ermöglichen. Damit käme mau zu keinen brauchbaren Ergebnisse». Der Bund liefe dabei mit Sicherheit Gefahr, mit seiner Aktion den Boden unter den Füssen zu verlieren und unter Umständen gerade dort, wo die Bedürfnisse der Allgemeinheit ein Eingreifen am ehesten gerechtfertigt erscheinen lassen, zu versagen.

Eine allseitige Unterstützung der Privatbahnen durch den Bund ist auch deshalb ganz ausgeschlossen, weil die ihm für diese Aufgabe zur Verfügung stehenden Mittel viel zu beschränkt sind. Für die Wiederaufrichtung der Privatbahnen haben wir trotzdem aus den Mitteln des II. Finanzprogramms vorsorglich einen Betrag von 5 Millionen Franken im Jahr reserviert, in der Meinung, dass diese auch gesichert werden müssen, wenn jenes Programm durch andere Erlasse ersetzt sein wird. Wir werden uns über die Höhe des reservierten Betrages, der unter Würdigung der Finanzlage des Bundes als Maximuni gedacht -war, noch in späterem Zusammenhange äussorn. Selbst wenn er jedoch wider Erwarten noch um einen bescheidenen Prozentsatz erhöht werden könnte oder die Verhältnisse später zu einer solchen Erhöhung unbedingt zwingen würden, so ·würde er noch lange nicht dazu ausreichen, um, eine angemessene Mitwirkung der Kantone vorausgesetzt, alle notleidenden schweizerischen Privatbahnen auf ein befriedigendes finanzielles Niveau zu bringen. Jede Zersplitterung der Mittel würde überdies die Wirksamkeit der Aktion des Bundes in Frage stellen, und es ist in dieser Beziehung dio höchste Zurückhaltung nicht zu umgehen.

Wird der Bund schon aus diesem Grunde unbedingt zu einer Beschränkung des Geltungsbereiches seiner Aktion gedrängt, so muss ihn dazu auch der an sich bedauerliche und nicht im Sinne eines Tadels angeführte, aber nicht zu verschweigende Umstand veranlassen, dass von unaern schweizerischen Privatfcahnen eine Anzahl heute kaum noch oder überhaupt nicht mehr lebensfähig sind, sei es, dass sie von Anfang an eine ausgesprochene Fehlgründung darstellten, sei es, dass ihre Lebensbedingungen sieh allmählich zum Schlimmen entwickelt haben. Es ist heute mehr als je notwendig, dass man sich allseits dieser Einsicht nicht verschliesse und die nötigen Konsequenzen daraus zu ziehen sich nicht scheue. Auch in der Vorlage zum neuen Bundesbahngesetz
haben wir dem Umstand Rechnung getragen, dass dieses Urteil über einige, zum Netze dieser Verwaltung gehörende Linien ebenfalls gefällt werden muss, und die Möglichkeit geschaffen, die Einstellung des Betriebes auf ihnen herbeizuführen. Auch das im Vorentwurf ausgearbeitete neue Eisenbahngesetz soll dem Bundesrat die Möglichkeit eröffnen, die Einstellung des Betriebes konzessionierter Eisenbahnunternehmungen zu bewilligen, sofern kein ausreichendes Bedürfnis den Aufwand für dessen Aufrechterhaltung zu rechtfertigen vermag oder wenn eine andauernde Notlage der Unternehmung den Weiterbetrieb unmöglich macht. Es würde nun mit den Grundsätzen einer klugen Wirtschaft in offenem Widerspruch stehen, wenn der Bund durch seine Unterstützungspraxis dazu beitragen wollte, solche gefährdete Unternehmungen künstlich am Leben zu erhalten und alten, leider unwiederbringlichen Verlusten.

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neue hinzuzufügen. Seine Sache wäre es nicht, hier die natürliche Entwicklung qtwa aufhalten zu wollen; haben Dritte daran ein besonderes Interesse, so muss es ausschhesshch an ihnen sein, es zu betätigen und für diese Betätigung die Verantwortung zu tragen.

Eine Auslese in bezug auf die durch die Gewährung öffentlicher Mittel zu unterstützenden Unternehmungen haben auch das Blektrifikationsgesetz und die Bundesbeschlüsse betreffend die Krisenhilfe, von denen wir in früherem Zusammenhange gesprochen haben, vorgesehen. Die Gesichtspunkte, unter denen auf diesen beiden Gebieten die öffentliche Hand einschreiten sollte, sowie die damit verfolgten Zwecke waren jedoch, wie ebenfalls schon angeführt wurde, andere als diejenigen, die bei der diesmaligen Aktion im Vordergrunde stehen, so dass für unsern Fall aus jenen Eegelungen nur das Prinzip der Auslese an sich, nicht aber die Einzelheiten seiner Anwendung wegleitend sein können.

Nach welchen Grundsätzen die Auslese erfolgen muss, ergibt sich, wie wir im vorhergehenden Abschnitt ausgeführt haben, aus dem Zusammenhang, der zwischen dieser Aktion zugunsten der Privatbahnen einerseits und der Mitwirkung des Bundes an der Wiederaufrichtung der Schweizerischen Bundesbahnen anderseits besteht. In diesem, Sinne kann sich unseres Erachtens das tätige Interesse des Bundes nur der Wiederaufrichtung derjenigen notleidenden Privatbahnen zuwenden, die nach seiner überlieferten Eisenbahnpolitik, sowie vermöge ihrer Bedeutung, für den Bau durch den Bund oder für die Verstaatlichung überhaupt hätten in Frage kommen können. Diese Eisenbahnen sind in Art. l des Bückkaufsgesetzes von 1897 umschrieben : Es sind diejenigen, welche wegen ihrer volkswirtschaftlichen oder militärischen Bedeutung den Interessen der Eidgenossenschaft oder eines grösseren Teils derselben dienen. Wir glauben deshalb, den Kreis der Bahnen, die für ein Einschreiten des Bundes im Sinne des vorgeschlagenen Gesetzes in Betracht kommen sollen, mit den gleichen Worten umschreiben zu sollen und haben diese Fassung auch in Art. l unseres Gesetzentwurfes aufgenommen. Dabei verstehen wir allerdings, dass die betreffenden Eisenbahnen wichtige Interessen erfüllen müssen: mehr oder weniger dient ja schhesslich jede Eisenbahn dem Lande, denn sonst hätte sie überhaupt keine Daseinsberechtigung. Auf das Mass
dieser Interessen kommt es also nach dem Sinn der Bestimmung ebenso an wie auf den Umfang des Gebietes, in dem sie sich geltend machen.

Die Aufnahme einer solchen Umschreibung hat ferner den Sinn, dass in jedem Fall auf Grund einer objektiven Prüfung der Verhältnisse in ihrer Gesamtheit eine besondere Entscheidung darüber zu fällen sein wird, ob. die Unternehmung, die Unterstützung nachsuchte, diese Voraussetzung erfüllt. Irgend7 eine Aufzahlung im Gesetze zu versuchen oder darin weitere genauere Bequisiten festzulegen, erachten wir für verfehlt, weil dies nur eine allseitige freie Würdigung der massgebenden Gesichtspunkte erschweren würde. Jede starre Regelung würde versagen. Eine gewissenhafte Auslegung wird dafür zu sorgen haben, dass keine willkürlichen Entscheidungen getroffen noch Ungerechtig-

785 keiten begangen werden. Dass die gesetzlichen Voraussetzungen in bezug auf die wichtigsten Privatbahnen, wie die Lötschbergbahn, die Bhätische Bahn, die Bodensee-Toggenburgbahn und die Born-Neuenburg-Bahn, zutreffen, ist klar. Ihr Vorliegen wird auch nicht zu verneinen sein bei einer Anzahl weiterer Privatbahnen, wie der Montreux-Oberland-Bahn und anderen, die einem gewissen Lokalverkehr dienen und zugleich ein Glied einer wichtigeren schweizerischen Durchgangsverbindung darstellen. Nach unten wird jedoch die Grenze nicht immer leicht zu ziehen sein, und es wird sich in gewissen, der unteren Grenze naheliegenden Fallen wohl auch hinsichtlich dei Höhe der zu gewährenden Bnndeshilfe eine verhaltnismässige Abstufung rechtfertigen, indem die oben bezeichneten, entscheidenden Voraussetzungen bei der einen Eisenbahn in sichtbarerem und bedeutenderein Grade erfüllt sein können als bei andern. Auf Grund dieser Umschreibung der Hilfsaktion wird zwar, gemessen an der grossen Anzahl der schweizerischen Privatbahnunternehmungen, nur ein kleinerer Bruchteil derselben der Bundeshilfo teilhaftig werden können, dagegen, nach der Grosse des angelegten Kapitals beurteilt, ihr ausgesprochenes Übergewicht, so dass der entschiedenen Mehrheit der Interessen gedient sein ·wird.

Denjenigen Eisenbahnen, die im Sinne des Gesetzesentwurfes für die Aktion des Bundes in Betracht kommen, wird dieser jedoch sein finanzielles Interesse nur unter der Bedingung zuwenden können, dass iin Zusammenhang mit seinem Einschreiten eine gründliche finanzielle Sanierung der Gesellschaft «rfolge und dass die Kantone in angemessener Weise an der Wiederaufrichtung mitwirken. Wir behalten uns vor, uns über diese sehr wesentlichen Punkte, die wir hier nur der Vollständigkeit halber erst andeuten, bei der Besprechung der einzelnen Artikel des Gesetzesentwuifes näher auszusprechen. Auch in diesen Beziehungen kann es sich für das Gesetz jedoch nur darum handeln, einen allgemeinen Bahmen zu ziehen. Die massgebenden Umstände sind viel zu verschieden, als dass darin eine ins einzelne gehende und für alle Fälle passende Eegelung möglich wäre ; auch in dieser Hinsicht würde die Starrheit nur schaden.

Mit dem Standpunkt, dass ein Einschreiten dos Bundes zugunsten einer dauernd notleidenden privaten Eisenbahnunternehmung nur im Zusammenhang mit einer
gründlichen finanziellen Kekonstruktion derselben möglich ist, und dass es durch gleichzeitige Opfer der beteiligten Kantone und der Eisenbahngesellschaft selbst erkauft werden muss, verträgt sich der Gedanke nicht, es müsste auf aussohliessliche Kosten des Bundes und zugunsten der bisher bei den Gesellschaften beteiligten Kantone und Gemeinden eine volle Sicherstellung der Gläubigerschaft notleidender Eisenbahnunternehmungen erfolgen.

Dieser Gedanke findet sich zwar in gewissen Eingaben von Kantonen mit Nachdruck vertreten, in der Meinung, es sei an den Verlusten genug, die man bisher an den betreffenden Unternehmungen erlitten habe, und das was in dieser Hinsicht noch kommen möge, gehe die Allgemeinheit an.

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Bei der Beurteilung dieses Standpunktes wollen wir darüber hinwegsehen, dass er allzusehr vom Gesichtspunkt des Finanzausgleiches zwischen Bund und Kantonen beherrscht ist und schon darum zu Bedenken führt. SeineBefürworter setzen sich jedoch über die allgemeinen Erwägungen hinweg, di& über dio Berechtigung einer Bundeshilfe überhaupt anzustellen sind und, wie aus unseren bezüglichen Ausführungen deutlich hervorgeht, eine erhebliche Zurückhaltung nahelegen. Man vergisst dabei auch, welcho Folgen sich ergeben würden hinsichtlich der Lage derjenigen Privatbahnunternehmungen, die nicht unter das vorliegende Gesetz fallen können, und ihrer Gläubiger: Die andern Bahnen würden auf Kosten der Allgemeinheit saniert, während bei jenen die engeren Kreise, die sie bisher haben durchhalten müssen, nach wi& vor vom Gewicht der Schulden der Unternehmungen beschwert blieben.

Man übersieht bei einer solchen Argumentation vollends auch, in wie ungleichem Masse im Laufe der Jahre die Gemeinwesen, die Geld in Eisenbahnen anlegten, die betreffenden Aufwendungen getilgt haben. Viele Eisenbahngesellschaften zeigen heute rechnungsmässig einen günstigeren Stand als andere nur deshalb, weil sie mit Hilfe ihrer Geldgeber schon langst von Verbindlichkeiten entlastet -worden sind, die zu ertragen ihnen auf die Dauer nicht möglich war. Sollen nun Kantone, die, entsprechend dem unsicheren Charakter solcher an Bahnen ergangener Zuwendungen, diese sowohl zu ihrem eigenen Vorteil als zu demjenigen der betreffenden Eisenbahngesellschaften einem strengen Tilgungsverfahren unterworfen haben, dafür über Gebühr die Folgen der bezüglichen Unterlassungen anderer mittragen? Zu einem derartigen Ergebnis könnte man kommen, wenn man den notleidenden Gesellschaften bis zur vollen Sicherstellung der Glaubiger helfen wollte. Und schliosslich darf auch daran erinnert worden, dass viele Eisenbahnen, die heute zum Netz der Schweizerischen Bundesbahnen gehören, in den Jahrzehnten vor dor Verstaatlichung ein sehr wechselvollos Schicksal erlitten haben, das von ihron früheren Eigentümern und Gläubigem, unter welchen sich in manchen Fällen die öffentliche Hand von Kantonen und Gemeinden befand, in sehr hohe Beträge gehende Opfer erfordert hat, die ihnen endgültig auferlegt blieben. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass die heute ins Auge gefasste
Bundeshilfe an die notleidenden wichtigeren Privatbahnen ein vernünftiges Mass nicht überschreite.

Im Bestreben, Ungleichheiten auszumerzen, gelangt man sonst leicht dazu,, neue, vielleicht grössere solche zu schaffen.

Schon die allgemeine Finanzlage des Bundes würde es, wie wir bereit» betont haben, unmöglich machen, einem Gedanken wie der vollen Sicherstellung der Gläubigerschaft auch nur der wichtigeren, notleidenden privaten Eisenbahnunternehmungen durch den Bund naherzutreten. Es ist aber auch nicht überflüssig, bestimmt zu betonen, dass ohnehin entscheidende andere Gründe vorhanden sind, die os gelbst dann verbieten würden, sieh auf diese Bahn zu begebon, wenn sich dazu dio nötigen Mittel aufbringen liessen. Wenn je einmal, so liegt hier in der Beschränkung und im Masshalten die einzig weise Lösung. Es wäre auch sehr bedauerlich, wenn Übertretungen in den An-

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sprächen auf Unterstützung von Privatbahnen etwa neuerdings Erörterungen über die volkswirtschaftliche Berechtigung der einen oder andern unter den dafür in Betracht fallenden Bahnen hervorrufen würden : Solche Erörterungen vermochten an dem Stand der Dinge nichts zu ändern, wären deshalb ohne jeglichen Nutzen und Wert und würden die Auseinandersetzungen über di& Hilfe des Bundes an die Eisenbahnen, die sonst schon der Schwierigkeiten genug bietet, nur komplizieren.

Es ist bei dieser Sachlage beinahe überflüssig, davor zu warnen, das Problem der Hilfeleistung noch damit zu beschweren, dass einzelne, durch Privatbahnen bediente Landesteile im Gefolge des Einschreitens des Bundes zugunsten ihrer Bahnen nicht nur die Sicherung der kantonalen Gläubigerschaft gegen Ausfälle in der Obligationenverzinsung, sondern auch eine allgemeine Tarifreduktion auf einen Staad erreichen möchten, der demjenigen der Schweizerischen Bundesbahnen ganz oder wenigstens annähernd entspricht. Auch in dieser Richtung verlangt, man Unmögliches, und ein derartiges Begehren ist, auf dem Boden, auf dem sich die beabsichtigte Hilfeleistung verwirklichen muss, schlechterdings unerfüllbar. Wollten wir versuchen, mit der beabsichtigten Aktion zugleich Assimilierungsbestrebungen bezüglich der Tarife zu verwirklichen, so würden wir, vom Kostenpunkt ganz abgesehen, bestehende Ungleichheiten nur um den Preis der Erzeugung neuer solcher mildern. Die Tarife wirken übrigens nicht einmal innerhalb eines kompakten Netzes wie desjenigen der Bundesbahnen gleichmässig, indem für gewisse Strecken besondere, von den wirklichen Entfernungen abweichende Tarifdistanzen bestehen. Es hegen sodann hinsichtlich der Bemessung der Tarife auch unter den Privatbahnen, mögen diese unter Art. l unseres Entwurf es fallen oder nicht, sehr erhebliche Ungleichheiten vor, die so gut ihre besondere Ursache haben, wio alle möglichen anderen Verschiedenheiten in den Kosten beliebiger Produkte oder Leistungen. Es kann nicht Sache des Bundes sein, hier planmässig Korrekturen zu bewirken. Die Frage nach der Höhe der Tarife einer privaten Eisenbahnunternehmung kann allerdings im Zusammenhang mit der Notwendigkeit der Schonung ihres Besitzstandes gegen Einbrüche der Automobilkonkurronz kritisch werden; an diesem Zusammenhang, der sich aus der allgemeinen Begelung des
Verhältnisses zwischen der Schiene und der Strasse ergeben \vird, wird unter Umständen auch die finanzielle Rekonstruktion einer Privatbahn, wenn sie im Gange unseres Verfahrens erfolgen muss, nicht vorbeigehen können, doch ist dies etwas ganz anderes und viel weniger Weittragendes, als das grundsätzliche Verlangen, dass die den Gesellschaften zu leistende Bundeshilfe ihnen für einen allgemeinen Tarifabbau im Sinne möglichster Annäherung an die Bundesbahnen von vornherein die Wege ebne. Wir müssen es uns versagen, bezüglich dieses Punktes, so wichtig er ist, über die vorstehenden, -wenigen Andeutungen hinauszugehen.

Vorstehende Ausführungen scheinen uns also unbedingt darauf hinzuweisen,, dass hinsichtlich der Nutzniesser einer Hilfeleistung eine Auslese eintreten muss, dass aber auch innerhalb des ausgewählten Kreises von Eisenbahnen

"788 in den Leistungen des Bundes eine bewusste Beschränkung und Z u r ü c k laltung unvermeidlich ist.

Der Grundsatz, wonach unter den Unternehmungen eine Auslese einzutreten habe, wird alsbald bemängelt werden mit dem Hinweis darauf, es sei ungerecht, auf diese Weise die «Kleinen» samt ihren Gläubigern ihrem Schicksal zu überlassen. Dem ist fürs erste entgegenzuhalten, dass gerade die Beschränkung, die sich der Bund in der den anderen Unternehmungen zu bringenden Hilfe auferlegen muss, diese Ungleichheit weniger gross erscheinen lassen wird. Die bei diesen vorhandenen Ausfälle sind so gross, dass das Ein·greifen des Bundes in dem überhaupt möglichen Bahmen auch ihnen nur zum Teil zu ihrer Wiederaufrichtung wird verhelfen können. Ihren bisherigen -Geldgebern, vorab den Kantonen, wird auch im Falle dieses Eingreifens des Bundes noch viel zu tun übrig bleiben, sei es auf dem Wege von Neuleistungen, -sei es auf demjenigen von erheblichen Verzichten auf frühere Eechte. Wenn a,uch die betreffenden Gesellschaften durch die zu ihren Gunsten vorgeschlagene Aktion des Bundes ohne Zweifel eine namhafte finanzielle Entlastung erfahren werden, so dürfte bei der einen oder andern von ihnen das Mass, auf das sich -diese Aktion beschranken muss, noch erhebliche Sorgen übrig lassen und vielleicht die gehegten Erwartungen enttäuschen.

Sodann soll der Weg, den wir beschreiten möchten, es nicht ausschliessen, dass auch die kleineren Unternehmungen, die nicht unter die von uns in Aussicht genommene Umschreibung fallen können, ihrerseits finanziell wiederaufgerichtet werden. Nur kann man nicht vom Bunde verlangen, dass er für sie einspringe, sondern es wird dies Sache ihrer bisherigen Geldgeber sein und ebenso der speziell interessierten Kantone und andern öffentlichen Gemeinwesen, sofern sich diese bisher nicht oder nur in geringem Grade für die Eisenbahnen auf ihrem Gebiet eingesetzt haben. Zum Teil wird es sich bei den Stellen, auf deren Mitwirkung wird gezählt werden müssen, wieder um die gleichen Kantone und anderen Gemeinwesen handeln, die an der finanziellen Wiederaufrichtung der vom Bunde unterstützten Unternehmungen interessiert sind und daraus eine erhebliche Entlastung erfahren werden. Wenn sich auch diese Gemeinwesen durch entsprechende Zurückhaltung im Eingehen neuer Verpflichtungen einen wesentlichen
Teil dieser Entlastung auf die Dauer werden sichern müssen, so werden sie dank derselben doch in der Lage sein, anderswo, wo es nötig ist, wieder in beschranktem Umfang neu einspringen zu können.

Damit wird die Hilfe des Bundes, die unser Gesetz ermöglichen will, mittelbar auch denjenigen Unternehmungen dienen können, auf die es nicht direkt angewendet werden wird, und ein gewisser Ausgleich wird sich von selbst ergeben. Doch wäre eine vollständige Gleichstellung oder Gleichbehandlung aller hier selbstverständlich ebenso undenkbar wie unerreichbar. Sicher aber ist, dass, auch wenn die unmittelbare Aktion des Bundes in der vorgesehenen Weise beschrankt wird, dank derselben ein sehr wesentlicher Teil der Gesamtaufgabe, die es zu bewältigen gibt, ihre Lösung gefunden haben wird.

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Im übrigen kann nicht eindringlich genug betont werden, dass man sich vor jeder voreiligen Zersplitterung der verfügbaren Mittel unbedingt zu hüten hat, um den Erfolg der-Aktion dort, wo er möglich ist und im Interesse des Landes oder wenigstens grösserer Teile desselben gewünscht und erleichtert werden muss, nicht zu beeinträchtigen.

Diese Sachlage, die als solche feststeht und mit der man unter allen Umständen rechnen muss, lässt et also nicht vermeiden, dass im Gesetze selbst .zwischen denjenigen Privatbahnen, die in seinem Sinne Nutzniesserinnen$ der vorgeschlagenen Aktion des Bundes sein sollen, und den übrigen eine Scheidewand aufgerichtet werde. Dies wird in manchen Kreisen, die sich möglicherweise von der beabsichtigtenPrivatbahnhilfee etwas ganz anderes versprochen haben, Enttäuschungen wachrufen, doch sind hier die Umstände starker als «der beste Wille, allen Wünschen zu entsprechen.

Wir sehen indessen auch für diejenigen Privatbahnen, die grundsätzlich nicht unter Art. l des Entwurfes fallen, noch einen Weg, der ihnen im Gesetze geöffnet werden kann, um ausnahmsweise vom Bund für ihre Wiederaufrichtung Hilfe zu erhalten. Es ist eine bekannte Tatsache, dass unter unseren Privatbahnen die eigentlichen Kleinbetriebe sehr stark vertreten sind und dass sieh in einem zusammengehörenden Wirtschaftsgebiet oft eine ganze Eeihe selb ständiger Privatbahnunternehmungen in die Bedienung dos vorhandenen Verkehrs teilen, während diese mindestens so gut, gewöhnlich aber besser und namentlich unter wirtschaftlicheren Gesichtspunkten, durch ein grösseres Unternehmen erfolgen körinte. Fusionen kleinerer Privatbahngesellschaften zu einer grösseren Unternehmung haben in unserem Lande aus Gründen, denen wir nicht nachgehen wollen, bisher in nur sehr geringem Umfange stattgefunden.

Und doch sollten solche Fusionen angestrebt und erleichtert werden, namentlich m Zeiten, wo die Volkswirtschaft immer mehr darauf angewiesen ist, aus allen Anstrengungen den höchstmöglichen Nutzen herauszubringen. Wir halten nun dafür dass auch unser Gesetz zur Erreichung dieses Zieles einen Beitrag leisten kann. Nichts sollte im Wege stehen, es dann anzuwenden, wenn aus aotleidenden Eisenbahnunternehmungen, von denen jede für sich allein die Voraussetzungen den Art. l nicht erfüllt, durch Fusion eine grössere gebildet -wird,
vorausgesetzt, dass man bei dieser das Vorliegen der genannten Bedingungen bejahen kann und dass eine derartige Fusion sichere und erhebliche Vorteile für den Betrieb bringt. In einem solchen Fall, der im einzelnen natürlich genau abzuklären und gewissenhaft zu beurteilen sein wird, wird vielleicht die Beteiligung des Bundes an dem finanziellen Neuaufbau eines grösseren Gebildes geradezu den letzten, entscheidenden Schritt bilden, um die Fusion au ermöglichen und damit einen wirklichen Fortschritt herbeizufuhren. Wenn auch diese Bestimmung unsere Gesetzes der Natur der Dinge nach kaum häufig wird angewendet werden können, so halten wir sie, da sie sich durchaus in dessen Gesamtrahmen einfügen lässt. doch für nützlich und gegeben.

Wir erblicken für den Bund keine andere Möglichkeit, durch direkte .Leistungen an! dem Wege unserem Gesetzes denjenigen Privatbahnen, die nicht Bundesblatt. 89. Jahrg. BJ. L 07

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unter Art. 1 fallen, tur ihre finanzielle Entlastung und Wiederauf richtung.

entgegenzukommen. Doch werden -wir jede andere, sich bietende Gelegenheit benutzen, um ihren besonderen Interessen nach Möglichkeit Rechnung zu tragen.

Vor allem den kleineren Unternehmungen soll die mit der Revision der allgemeinen Eisenbahngesetzgebung erstrebte Lockerung der überlieferten «starren Vorschriften dienen. Es soll ihnen damit möglich werden, im Betriebe Vereinfachungen und Verbilligungen durchzuführen. Die Entlastung von konzessionsmassigen Verpflichtungen, deren Erfüllung für sie eine unerträgliche Last bedeutet, sollen die notleidenden Verwaltungen, künftig auf einfacherem Wege erhalten können als bisher, und die gesetzlichen Existenzbedingungen der Bahn sollen dort, wo die betreffenden Gesetze selbst nicht schon die Möglichkeit dazu einräumen, erleichtert werden. In der gleichen Sichtung gingen die Erleichterungen, die wir jungst denjenigen Eisenbahnverwaltungen, welche Eleldrifikationsdarlehen erhalten haben, hinsichtlich der Verzinsung und Amortisation dieser Darlehen gewahrten. Es wird sich im gleichen Zusammenhange fragen, ob man nicht durch ein Entgegenkommen an diejenigen Gesellschaften, welche iur die Deckung von Betriebsdefiziten in den Nachkriegsjahren Bundesdarlehen erhalten haben und bisher noch nicht oder nur mit ausserster Muhe in die Lage kamen, sie abzuzahlen, diese Abzahlung erleichtern solle, um den Schuldnern innerhalb absehbarer Zeit die Möglichkeit zu geben, diese Nachkriegsdetizite m ihren Bilanzen abzuschreiben.

Ferner lasst sich die Möglichkeit denken, dass die Durchführung umfassender technischer Verbesserungen (in den Einrichtungen oder im Betriebgewisser Unternehmungen sowohl diesen selbst erhebliche finanzielle Vorteile zu sichern als auch der Wirtschaft der von ihnen bedienten Gegend zu dienen verspricht, dass also damit, wie es seinerzeit bei derElektrifizierungg gemeint war, d i e «nachweisbare Hebung d e r Wirtschaftlichkeit d e r von Zügen oder Schiffen auf Dieselbetrieb, an die Modernisierung veralteter elektrischer und anderer Einrichtungen usw. Solche entscheidende Verbesserungen vermag oft eine Unternehmung allein nicht zubestreiten,, weil bar, wenn ihr die öffentliche Handdazuu \erhilft. Bei denjenigen Bahnen, an deren finanziellen Wiederaufrichtung der Bund
mitzuwirken haben wird,, ist der Weg dazu gegeben : sollte bei solchen Unternehmungen die Durchführung derartiger technischer Vervollkommnungen von wesentlicher Bedeutung werden können für dio Verbesserung der Finanzlage, sowirdi es ohne weiteres möglich sein,aufi diesen Umstand bei der Aufstellung desRekonstruktionsplaness Bucksicht zu nehmen und dio der Gesellschaft aus öffentlichen Mitteln zu gewahrende Entlastung zum Teil tur die Verbesserung dieser technischen Grundlagen zu beanspruchen. Es wird sich nun die Frage stellen, ob nicht ebenso zugunsten von Eisenbahnen und auch Schiffahrtsunternehmungen, die nicht in das Anwendungsgebiet des Art. l unseres Entwurfes fallen, entsprechende-

791 Möglichkeiten herbeigeführt werden können. Zurzeit steht der Weg der Erhältlichmachung von Zuschüssen aus Arbeitsbeschaffungskrediten offen.

Doch wird zu prüfen sein, ob nicht durch die Schaffung einer besonderen gesetzlichen Grundlage, ähnlich wie es das Bundesgesetz vom 2. Oktober 1919, das die Einführung des elektrischen Betriebes von Privatbahnen mit Hilfe dos Bundes und der Kantone zum Ziele hatte und das nunmehr als solches seinen Zweck in der Hauptsache erlullt hat, getan hat, in dieser Richtung ein weiteres geschehen kann. Die Frage ist noch offen und bleibt abzuklären.

Endlich sind wir uns, wie schon angedeutet wurde, dessen bewusst, dass die Krisenhilfe gemäss Bundesboschluss vom 18. April 1933, dessen Gültigkeit Ende 1937 erlischt, voraussichtlich noch für eine weitere Spanne Zeit wird gewahrt werden müssen. Bekanntlich verfolgt sie den Zweck, gewissen früher lebensfähig gewesenen Unternehmungen dazu zu verhelfen wenigstens die Betriebsausgaben zu decken, nachdem ihnen dies wegen der Krise aus den verfügbaren Einnahmen vorübergehend nicht möglich ist. Da sich diese vorübergehende Notlage intolge des Umstandes, dass die Krise noch nicht überwunden ist, länger hinzieht als anzunehmen war, wird auch die Hilfe vorderhand noch weiterhin andauern müssen.

4. Die notwendigen Mittel und ihre Beschaffung.

Wir haben es bereits als ausgeschlossen bezeichnet, dass die, einer einzelnen Gesellschaft zuzuführende Bundesbeteiligung soweit wird gehen können, dass dank derselben die Gläubiger, selbst wenn diese nur aus off entheben Gemeinwesen bestehen, auch nur annähernd in vollem Umfang von ihren bisherigen Opfern und Risiken befreit werden. Vielmehr müssen die Glaubiger, da es sich in erster Linie darum handelt, der Gesellschaft die Herabsetzung ihrer bisherigen Verbindlichkeiten auf ein für sie erträgliches Mass zu ermöglichen, zunächst die entsprechenden Einbusseu auf sich nehmen, worauf erst im Sinne einer teilweisen Abwälzung dieser Einbussen auf die öffentliche.

Hand die Hilfe einsetzen kann. Der Umfang, in dem diese Hilfe in Betracht kommt, kann der Natur der Dinge nach nur ein beschrankter sein.

Bei der Festsetzung des Gesamtbetrages der zu leistenden Hilfe muss naturgemäss einerseits auf den verfolgten Zweck abgestellt werden, anderseits auf die hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Helfers bestehenden natürlichen Grenzen.

Der verfolgte Zweck besteht darin, den Gesellschafton, denen es beizustehen gilt, es möglich zu machen, für die Zukunft auf eigenen Füssen zu stehen, unter der Voraussetzung einer finanziellen Rekonstruktion, bei der auch die Kantone in angemessener Weise ihr Opfer bringen und die Selbsthilfe der Gesellschaft ebenfalls in genügender Woise einsetzt. Die in Betracht kommenden Falle sind, wie bereits erwähnt, schon einer ersten gründlichen Prüfung unterzogen worden. Doch sind noch nirgends endgültige Rekonstruktionspläne aufgestellt worden, auf Grund deren eine verbindliche Zu-

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sammenstellung über die Erfordernisse möglich wäre. So wünschbar eine solche wäre, so stellt sich eine derart weitgehende Abklärung des Problems noch als verfrüht dar. Dazu werden Vorhandlungen mit den Gesellschaften und ihren Geldgebern nötig sein. Diese können und dürfen aber erst dann an die Hand genommen worden, wenn überhaupt Gewissheit darüber besteht, ob der Bund einschreiten will und in welchem Grade. Dieser Entscheid muss also vorangehen. Wir sind indessen auf Grund des gewonnenen vorläufigen Überblickes über die Möglichkeiten der Lösung der Hauptfälle wenigstens zu einer zuverlässigen Schätzung des Betrages gelangt, der notwendig werden wird, um dem gewünschten Ziele in ausreichender Weise nahezukommen.

Was nun die Mittel anbelangt, die für die geplante Hilfsaktion bestimmt werden sollen, so konnte es sich fragen, ob man nicht grundsätzlich auf dem Wege des Gesetzes für diesen Zweck einen entsprechenden, auf das Jahr zu bemessenden Betrag sichern solle. Ein solches Vorgehen hatte indessen den Nachteil, dass es den Anforderungen, -wie sie sich tatsächlich stellen werden, nicht in der zweckmässigsten Weise Rechnung trüge, und os würde auch zu Bedenken formeller Art führen. Annähernd der Gesamtbedarf aus der Beteiligung des Bundes an der finanziellen Wie der auf rieht ung notleidender privater Eisenbahnunternehmungen wird voraussichtlich in der Form einmaliger Kapitalleistungen bei Anlass der finanziellen Rekonstruktion der Unternehmungen, also innerhalb verhältnismässig kurzer Zeit, benötigt werden.

Damm ist os die zweckmäßigere und sauberere Lösung, die Bundesbeteiligung in der Gestalt eines, auf eine maximale Höhe zu limitierenden Kapitalbetrages zu bestimmen.

Wenn wir Ihnen hiermit vorsehlagen, den bezüglichen Kapitalbetrag auf 150 Millionen Franken zu begrenzen, so glauben wir, dass dies dazu genügen wird, um bei sparsamer und zielbewusster Verwendung der Mittel das gesteckte Ziel zu erreichen. Dabei wird es ein Gebot der Vorsicht sein, den Kredit nicht von vornherein bis zur maximalen Höhe zu vergeben, denn man muss immer eine gewisse Reserve für neue Falle und unerwartete Bedürfnisse übrig behalten. Dies wird übrigens um so eher möglich sein, wenn dio günstigere Einnahmenentwichlung die sich in don letzten Monaton auch bei don Privatbahnen eingestellt hat, einigermassen anhalten
und erlauben sollte, die Zukunft nicht mehr so pessimistisch zu beurteilen wie es noch vor kurzer Zeit leider angezeigt war. Anderseits wäre es abor ein Irrtum, zu glauben, dass diese Entwicklung der Einnahmen etwa die geplante Aktion unnötig macheu oder ihra Notwendigkeit in Präge stellen könnte; sie beeinflusst höchstens das Maas, nicht aber das Prinzip. Wir haben indessen auf alle Fälle den festen Willen, das Mögliche zu tun, damit der erwähnte Maximalbetrag nicht überschritten werde, und nur das zuzubilligen, was im einzelnen Falle absolut angezeigt erscheint.

Im übrigen wird, wie wiederholt des bestimmtesten zu betonen ist, die gespannte Finanzlage des Bundes im allgemeinen über alle Erwägungen der Opportunität and Wünschbarkeit hinaus eben auch in dieser Frage gegen eine

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Überspannung der Ansprüche ihr unbedingtes Veto einzulegen haben in dem Sinne, dass eine über ein gewisses absolutes Mass hinausgehende Belastung aus allgemeinen Erwägungen heraus einfach unerträglich wäre. In diesem Sinne halten wir die von uns als erforderliches Maximum geschätzten 150 Millionen Franken zugleich für den Betrag, der, beim besten Willen etwas zu tun, nicht überschritten werden darf. Mau kann sich um so eher auf diesen Standpunkt stellen, als diese Summe sicherlich einen ansehnlichen Betrag darstellt, mit dem in wesentlichem Masse wird geholfen werden können.

Dem Bundesrate würde nach unserem Vorsehlage auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes der Gesamtkredit von 150 Millionen Franken im Maximuni zur Verfügung zu stellen sein, mit dem in der Folge sämtliche Aufwendungen aus der Hilfeleistung des Bundes zu verrechnen sind. Art. 52.

Abs. l, des Finanzprogramms 1936 bestimmt, dass die Hälfte des Ertrages der durch dasselbe erschlossenen Einnahmen zur Äufnung eines Fonds zu dienen habe, aus dem die finanziellen Lasten zu tilgen sind, die der Eidgenossenschaft aus dem Besitz der Bundesbahnen, sowie aus ihren Aufwendungen zugunsten der konzessionierten Eisenbahn- und Schiffahrtsunternehmuugen erwachsen. Gestützt auf diese Bestimmungen sind im Jahre 1936 Fr. 35 083 295 zurückgelegt worden, und es werden nach dem Voranschlag 1937 weitere Fr. 81 450 000 zurückgelegt werden. Für die Inanspruchnahme des Fonds ist nach Art. 52, Abs. 4, des Finanzprogramms die Bundesversammlung zuständig. "Wir schlagen Ihnen nun vor, ihm zugunsten dea bewilligten Kredites für die Jahre 1936 und 1987 definitiv je 5 Millionen Franken zu entnehmen und dem Bundesrate zur Verfügung zu stellen. Es besteht ferner die Möglichkeit, dass das Fiskalnotrecht hinsichtlich der zusätzlichen Einnahmen im gegenwärtigen Umfang verlängert werden muss Die gleiche Belastung des Fonds mit 5 Millionen Franken müsste in diesem Fall für jedes Jahr erfolgen, in dem derselbe weiter geöffnet werden sollte. Der Rest des Kredites von 150 Millionen Franken, den zu erteilen wir Ihnen vorschlagen, ginge auf Kapitalrechnung.

Es wäre denkbar, mit dem Vorschuss der Kapitalrechnung die Verwaltungsrechnung desjenigen Jahres zu belasten, in welchem dieses Gesetz in Kratt tritt. Man könnte auch die in den einzelnen Jahren eintretenden
Aufwendungen den betreffenden Verwaltungsrechnungen unmittelbar belasten. Im Interesse der klaren Budgetierung und der Stetigkeit in der Verwaltungsrechnung beantragen wir jedoch, keines dieser beiden Verfahren zu wählen, sondern denjenigen Teil des Kredites, der nicht aus dem oben erwähnten Fonds bestritten werden wird, unabhängig von seiner Beanspruchung planmassig innerhalb 60 Jahren durch sich gleichbleibende Baten zu tilgen. Nur diese jährliche Tilgungsrate wäre in den Voranschlag und in die Verwaltungsrechnung aufzunehmen.

Aus der Art der beabsichtigten Hilfeleistung, über die wir uns bei der näheren Besprechung des betreffenden Gesetzesartikels noch äussern werden, ergibt sich, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass die vorgesehenen Beteiligungen

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unter gewissen Voraussetzungen Ertragnisse abwerfen werden. Soweit solche sich ergeben, sollen sie der Bundeskasse für die Amortisation des Gesamtkredites von 150 Millionen Franken zugute kommen und nicht etwa «n dessen Verstärkung verwendet werden.

IT. Der nähere Inhalt des Gesetzesentwurtfes.

Vorbemerkungen.

Es durfte schon aus den vorstehenden Ausführungen ersichtlich geworden sein, dass sich das vor uns liegende Problem am zweckmassigsten auf dem Boden eines kurzen Rahmengesetzes losen lässt, wobei man sich davor hüten muss, das Gesetz irgendwie mit Einzelbestimmungen zu belasten, deren Vorhandensein seiene Handhabung, die elastisch sein und auf die Besonderheiten des einzelnen Falles abstellen muss, in Frage stellen wurde.

In der Überschrift des Gesetzes legen wir Wort darauf, seinen Hauptzweck, nämlich die Ermöglichung der finanziellen "Wiederaufrichtung notleidender Eisienbahnunternehmungen, klar hervortreten an lassen, auf die Gefahr hin, dass sie dadurch etwas lange geworden ist. Das hindert nicht, dass das Gesetz mit einer kürzeren Beziehung. wie etwa «Privatbahnhilfe gesetz», zitiert werde.

Über die verfassungsmässige Grundlage, die uns fût das Gesetz gegeben zu sein scheint, haben wir uns in den allgemeinen Ausführungen geäussert Wir wiederholen nur, dass mit der gleichzeitigen Stutzung der vorgeschlagenen Aktion auf die Art. 28 und 26 der Bundesverfassung ein Zweifel am Vorhandensein einer ausreichenden konstitutionellen Grundlage nicht sollte aufkommen können.

Im folgenden geben wir zu den einzelnen Artikeln des Gesetzesentwurfes, soweit sich ihr Inhalt nicht schon aus den vorstehenden allgemeinen Erörterungen erklärt, die nötigen Erläuterungen.

Zu Art. 1.

Dieser Artikel stellt in seinem ersten Absatz zugleich das Prinzip der Beteiligung des Bundes an der Wiederaufrichtung notleidender privater Eisenbahnunternehmungen nach Massgabe der folgenden Gesetzesbestimmungen auf und die Schranken, die seiner Anwendung zu setzen sind. Die Gründe, weshalb man sich dabei auf Eisenbahnunternehmungen beschrankte, die wegen ihrer volkswirtschaftlichen oder militärischen Bedeutung den Interessen der Eidgenossenschaft oder eines grosseren Teils derselben dienen, sind in unsern allgemeinen Ausführungen eingehend dargelegt worden und hier nicht zu wiederholen. Wir erinnern nur daran, dass die Parallele, in welcher die hier vorgesehene Aktion mit der finanziellen Wiederaufrichtung der Schweizerischen Bundesbahnen unter Mithilfe des Bundes steht, die

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gewählte Umschreibung nahelegt und geradezu zur Bedingung macht. Die Umschreibung stimmt auch gut überein mit dem Inhalt des Art. 23 der BundeaTerfassung, auf den sich das vorgeschlagene Gesetz stutzt.

Der aweite Absatz des Artikels bestimmt den maximalen Kredit von 150 Millionen Franken, der dem Bundesrat für die in Frage kommende Aktion ·einzuräumen ist. Wir haben uns darüber weiter oben im Zusammenhang geäussert.

Zu An. 2.

Im ersten Absatz dieses Artikels ist festgelegt, dass der Kredit, soweit in der Folge nichts anderes bestimmt ist, von der Kapitakechnung des Bundes vorzustrecken ist. Er wird planmässig zu tilgen sein. Zur Schaffung voller Klarheit halten wir eine ausdrückliche Bestimmung hierüber für notwendig.

Das Nähere, was dazu zu sagen ist, ist übrigens im Zusammenhang mit den Ausführungen über die notwendigen Mittel bereits gebracht worden.

Aus letzteren Ausführungen hat sich ferner schon ergeben, warum wir dazu kommen, das, was aus dem durch Art. 52, Abs. l, des Finanzprograrnms 1936 gebildeten Fonds bereits verfügbar gemacht werden kann, diesem zu entnehmen. Das macht für die Jahre 1936 und 1937 einen Betrag von 10 Millionen Franken aus. In diesem Sinne ist der zweite Absatz des Art. 2 gefasst.

Je weitere 5 Millionen Franken sollen ferner danach aus diesem Fonds für diejenigen Jahre fliessen, innerhalb welcher er allenfalls auch nach 1937, gemass besonders zu treffender Entschliessung, u eiter geäufnet werden sollte. Die aus dem Fonds fliessendeii Beträge werden die Verwaltungsrechnung bereits belastet haben und fallen infolgedessen für die Tilgung ausser Betracht. Weitere Bemerkungen zu diesen Punkten dürfen wir uns wohl, nach den in anderem Zusammenhang darüber gemachten Ausführungen, an dieser Stelle ersparen.

Unsere Ausführungen über die Art der Beteiligung des Bundes (Art, 4) werden zeigen, dass die durch vorliegendes Gesetz ermöglichton Leistungen ·des Bundes bestehen können im Verzicht auf rechtskräftige Ansprüche aus Darlehen, die die Eidgenossenschaft bereits früher gewährt hat, in der Übernahme von Aktien von rekonstruierten Unternehmungen, in Subventionen.

in Darlehen zur Aufrechterhaltung gefährdeter Betriebe usw. Die Hilfeleistung kann also unter Umständen eine Beteiligung darstellen, die ihrer Natur nach Erträgnisse, wie Zinsen und Dividenden, nicht ausschliesst. Soweit die Beteiligung einen. Ertrag abwirft, ist es angezeigt, ihn der Bundeskasse zwecks Verstärkung der Tilgungen zufliessen zu lassen. Wir haben dies im dritten Absatz unseres Art, 2 festgelegt, um zu verhüten, dass solche Ertragnisse zur Erhöhung des Kredites verwendet werden. Dessen maximaler Betrag soll ein für allemal fest bestimmt sein und nicht etwa durch die Erzielbarkeit und zufällige Hohe derartiger Erträgnisse beeiiiflusst werden ·können.

796 Zu Art. 3.

Wenn auch gemäss dem ganzen Aufbau des geplanteil Gesetzes der Freiheit der Auslegung ein weiter Spielraum offenbleiben wird, so muss es doch, um einer willkürlichen Anwendung den Eiegel zu schieben, einige Anhaltspunkte in der Richtung geben, was es unter einer d a u e r n d e n Notlage verstanden wissen will.

Eine solche Umschreibung ist schon deshalb notwendig, weil nach Art. 3.

des Krisenhilfebeschlusses vom 18. April 1933 ein bedürftiges Unternehmen,, um die Krisenhilfe beanspruchen zu können, auch eine Notlage nachweisen muss, deren Sinn aber ein etwas anderer ist als im Fall der finanziellen Wiederaufrichtung, um den es sich hier handelt.

Im Sinne des vorliegenden Entwurfes soll bei einer Unternehmung einedauernde Notlage dann vorliegen, wenn die nach Bestreitung der Betriebsausgaben und der Vornahme der erforderlichen, also nach den Grundsätzen einer gesunden Wirtschaft ausreichenden, Abschreibungen übrigbleibenden Mittel voraussichtlich dauernd erheblich hinter dem für die Verzinsung der Schulden notwendigen Betrag zurückbleiben werden. Handelt es sich demnach um eine Unternehmung, die bisher als durchaus gesund galt, in gewöhnlichen Zeiten alle ihre Verbindlichkeiten mit Leichtigkeit erfüllen konnte und meistens noch etwas für Reservestellungen oder die Verzinsung dos Aktionkapitals übrig hatte, neuerdings aber in die Unmöglichkeit versetzt worden ist, ihre Schulden voll zu verzinsen, so sehen wir sie noch nicht als reit dafür an, am in das Verfahren im Sinno unseres Gesetzes einbezogen zu w erden. Es stehen ja einer solchen Unternehmung rechtliche Möglichkeiten zu Gebote, um sich vorübergehend zu entlasten, und die Hoffnung ist meistens nicht unbegründet, dass ihre Lage sich mit der Wendung der Konjunktur sofort wieder bessern wird Stehen dagegen Unternehmungen in Frage, die sich auch i« den früheren Zeiten günstigerer Konjunktur nur mit Muhe über Wasser halten konnten und keineSicherheit dafür bieten, dass sie sich auch nur bis zur früheren, als ungenügend befundenen Hohe erholen können, dann ist das Vorhandensein einer dauernden Notlage im Sinne unseres Gesetzes nicht zu bestreiten. Entsprechend wird der Fall liegen bei Unternehmungen, denen es früher ordentlich oder sogar gut gegangen sein mag, die sich aber aus der schweren Knie, dio sie gegenwartig durchmachen,
-wegen der Wandlungen, die in der Abwicklung des Verkehrs im allgemeinen im Laufe der letzten Jahre eingetreten sind, zumal wegen dosAufblühens des Automobilverkehrs, voraussichtlich nie mehr auch nur annähernd auf den früheren, vor der Krise erreichten Stand werden erholen könnenWenn sich der Bund einer Unternehmung, vorausgesetzt, dass sie überhaupt unter Art. l des Gesetzes fallen wurde, im Sinne desselben soll annehmen können, so darf jedoch ihre Notlage nicht derart schlimm sein, dass eine finanzielle Wiederaufrichtung undenkbar ist. Dies wurde namentlich dann der Fall sein, wenn keine Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Unternehmung aus den Betriebsdefizitcn herauskomme. Wurde man bei solchen Unternehmungen eine Wiederaufrichtung versuchen, so wurden die betreffenden Mittel

79T nur unnütz vertan sein. In solchen Fällen \vare dio Notlage zu gross, als dasssie im Sinne des Gesetzes Berücksichtigung finden dürfte.

Die Anwendung des Gesetzes wird eine Praxis darüber herausbilden, ·wann die für das Vorliegen einer dauernden Notlage erforderlichen Bedingungen wirklich vorhanden sind. Die Erfahrungen, die bei der Beurteilung einzelner, dafür in Betracht kommender Falle bisher gemacht wurden, lassen nicht befürchten, dass in dieser Hinsicht Schwierigkeiten entstehen werden.

Zu Art. 4.

Nachdem wir in Art. l des Entwurfes den Kreis der Eisenbahnunternehmungen, die bei ihrer finanziellen Wiederaufrichtung gegebenenfalls durch eine Beteiligung des Bundes unterstützt werden können, umschrieben haben, bestimmt Art. 4, dass es der Bundesrat sein soll, der in dem durch vorstehenden Artikel gezogenen Eahmen die näheren Entscheidungen trifft.

Der Bundesrat wird hiebei zunächst einen Vorentscheid darüber zu fällen haben, ob eine Eisenbahnunternehmung, die sich darum beworben hat, das» das Gesetz zu ihren Gunsten angewendet werde, überhaupt für eine Bundesbeteiligung in Betracht komme. Dieser Vorentscheid wird im Sinne der vorangegangenen Artikel l und" 8 zu treffen sein : Einerseits hat die gesuchstelleiide Unternehmung hinsichtlich ihrer Bedeutung den im Gesetze gestellten Anforderungen zu entsprechen, anderseits muss sie sich in einer dauernden Notlage befinden, Hiebei entscheidet der ßundesrat frei, unter Würdigung aller Umstände und Bedürfnisse des einzelnen Falles. Da er diese am besten und raschesten festzustellen und zu beurteilen vermag, kann für den Entscheid eine anderò Instanz als er nicht wohl in Betracht kommen. Es wäre auch kaum möglich und ist deshalb nicht beabsichtigt, in das Gesetn etwa eine Liste derjenigen Unternehmungen aufzunehmen, auf die es gegebenenfalls angewendet werden könnte. Über eine solche Liste sich zum voraus zu einigen, wäre schon sehr schwer. Überdies wäre es durchaus ungerechtfertigt, mit ihrer Aufstellung der Zukunft vorzugreifen und Erwartungen zu wecken, die sich vielleicht nach Massgabe spaterer Untersuchungen und Erfahrungen gar nicht rechtfertigen würden. Auch können sich die Umstände und Bedürfnisse, auf die es in einem konkreten Fall ankommt, mit der Zeit in grösserem oder geringerem Umfang andern.

Kommt der Bundesrat dazu, die grundsätzliche
Anwendbarkeit des Gesetzes auf eine bestimmte, ihn um finanzielle Hilfe angehende Unternehmung zu bejahen, so wird sich die eingehende Untersuchung der finanziellen Lage der betreffenden Gesellschaft aufdrängen. Es wird dabei insbesondere zu prüfen sein, wie und aus welchen Gründen sie in Not geraten ist und welche Erholungsmöglichkeiten sich ihr bieten, sei es auf dem Weg der Verbesserung der äussern Umstände, unter denen die Unternehmung zu arbeiten hat, sei es auf demjenigen einer wirksamen Selbsthilfe, in der Richtung von Rationalisierungsmassnahmen jeder Art, Betriebsvereinfachungen und Einsparungen. Es wird sich auch fragen, wie die Unternehmung hinsichtlich ihrer Bücklagen für Erneuerungen und Amortisation bestellt ist, ob diese, wie sie rechnungsmässig

798 durchgeführt worden sind, den wirklichen Bedürfnissen entsprechen oder ob Ausfälle vorhegen und gegebenenfalls welche, und welches der Grad der Liquidität der Bilanz der Gesellschaft ist. Auch wird es darauf ankommen, zu wissen, aus welchen Quellen das Kapital der Unternehmung geflossen ist, ob es nur von Privaten oder auch von Kantonen, Gemeinden oder anderen öffentlichrechtlichen Körperschaften oder Anstalten aufgebracht wurde und wie hoch sich namentlich die bisherigen Leistungen derjenigen Kreise letzterer Art belaufen haben, die man als am weiteren Wirken der Unternehmung interessiert betrachten muss. Die eingehende Untersuchung der Lage einer Unternehmung und der ihr für ihre weitere Entwicklung zu Gebote stehenden Möglichkeiten wird es gestatten, ein Bild darüber zu bekommen, nach w eichen Eichtungen sie -wieder aufgerichtet werden muss und welche Mittel dazu nötig sind. Wie wie bei der Besprechung des Art. 7 unseres Entwurfes zeigen werden, soll es Sache einer besondern Expertenkommission sein, nach allen diesen Seiten die nötige Abklärung herbeizuführen, damit der Bundesrat in jedem einzelnen, zu erledigenden Falle Art und Umfang der Bundesbeteiligung bestimmen kann.

Die Art, in der die Bundeshilfe zu gewähren sein wird, kann eine verschiedene sein, je nach dem Piano, den die Gesellschaft für ihre Rekonstruktion, die mit diesem Verfahren immer einhergehen muss, zu verfolgen hat.

In den häufigsten Fällen wird der Rekonstruktionsplan die Notwendigkeit erweisen, die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft in gewissem Umfange herabzusetzen oder zu streichen und an Stelle der betreffenden Titel, unter Degradierung der bisherigen Aktion, Prioritätsaktien auszugeben Diese Operation wird in einem sehr hohen Masse die öffentliche Hand treffen, welche Gläubigerin der botreffenden Unternehmungen ist. Dann sollte der Bund durch die Zuwendung eigener Mittel die Gesellschaft in den Stand setzen können, solche Gläubiger tür einen Teil der Einbusse, die sie erleiden, zu entschädigen. Dabei wird es eine sekundäre und vom Bundesrat frei, je nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheidende Frage sein, ob der Bund dieses Geld der Gesellschaft ohne weiteres als Subvention zur Verfugung stellen oder ob er sich als Gegenleistung ausbedingen will, dass ihm Prioritätsaktien der rekonstruierten Gesellschaft
übergeben worden und er damit in die Stellung eines Gesellschafters gelange. Es wird auch der Würdigung des einzelnen Falles zu überlassen sein ob der Bund, was wohl die Regel sein wird, das von ihm den Gesellschaften zu gewährende Kapital als Anleihen auf dem Kapitalmarkt aufnehmen will oder ob er die Übergabe von Bundesobligationen au die Gesellschaft vorzieht. Bei der Ausgestaltung eines solchen Verfahrens im einzelnen wird man immerhin in der Richtung vorsichtig sein müssen, dass es nicht dazu führe, dass private Obligationäre einer notleidenden Gesellschaft auf Bundeskosten eine Aufwartung ihrer Titel erhalten; das wäre nicht der Zweck der vorgesehenen Aktion. Wie sich indessen die Verteilung des Obligationenbesitzes praktisch herausstellt, wird diese Konsequenz sozusagen nie zu befürchten soin.

Andere Falle können noch ungünstiger liegen: Das Obligationenkapital kann tatsachlich verloren und zur vollen Abschreibung bzw. Umwandlung in

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Aktien reif sein, dagegen ist es für die Zukunft der Eisenbahn von grundlegender Bedeutung, dass man es ihr durch entsprechende Zuschüsse möglich macht, als Vorbedingung der dauernden Aufrechterhaltung ihres Betriebes wenigstens die erforderlichen Erneuerungen zu der Zeit durchzuführen, wo sie sich als unausweichlich aufdrängen. Dann wird der Bund mit seiner Hilfsbereitschaft nicht mehr in erster Linie an die Gläubigerschaft der Gesellschaft denken tonnen, selbst wenn es sich dabei um die öffentliche Hand handelt, sondern dio Sorge um die ungehinderte Erhaltung der Substanz und der für den Betrieb unumgänglichen Sicherheit wird im Vordergründe stehen; die Leistungen, die er der Gesellschaft zubilligen kann, müssen dann mit andern Worten in erstur Linie einer Kräftigung ihres Erneuerungsfonds gelten.

Diese Beispiele sollen nur Andeutungen geben, sie sind nicht erschöpfend.

Bevor jedoch die öffentliche Hand mit neuen Leistungen zugunsten einer dauernd notleidend gewordenen Unternehmung einschreitet, wird der Bundesrat zu prüfen haben, in welchem Masse durch den Verzicht auf die Erfüllung von Verbindlichkeiten, die die Gesellschaft schon vorher dem Bunde gegenüber gehabt hat und einzuhalten ausserstande gewesen ist, geholfen werden kann.

Der Bundesrat entscheidet nicht nur über die Art, in der die Bundeshilfe zu gewähren sein wird, sondern auch über ihren U m f a n g . Hierüber haben wir uns weiter oben ausführlich im Zusammenhang ausgesprochen. Wir haben gezeigt, wie wir uns den Kreis der Unternehmungen denken, die von der Hilfeleistung Nutzen ziehen können, sowie den Gesamtbetrag, der hiefür zur Verfügung stehen soll. Wie weit in diesem allgemeinen Rahmen eine jede von diesen Unternehmungen bedacht werden kann, wird vom Grad der bei ihr vorhandenen Notlage abhängen, von der Schwere, in der sich der betreffende Fall im Verhältnis zu den übrigen, zur Berücksichtigung vorzumerkenden Fällen darstellt, von der objektiven Bedeutung der botreffenden Unternehmung im Rahmen des gesamten schweizerischen Eisenbahnnetzes, von der Möglichkeit der Hilfeleistung von anderer Seite und von der Wirksamkeit noch zu erwartender Selbsthilfe. Es wird also in hohem Grade auf das freie Ermessen des zum Entscheide berufenen Bundesrates ankommen, der nur in einer möglichst umfassenden .Klarlegung aller, im Einzelfälle in
Betracht kommender Umstände den Weg finden kann, um dabei so gerecht wie möglich zu sein.

Diese Sachlage macht es notwendig, wie wir es in Abs, 2 des Artikels tun, im Anschluss ausdrücklich festzulegen, dass der Bund die weiteste Freiheit erhalten muss, uni seine. Beteiligung a n diejenigen Bedingungen Diese Bedingungen werden sich vor allem auf die Durchführung, seitens der Gesellschaft, von Massnahmen jeder Art beziehen, die der Bundesrat im Interesso der Stärkung des Unternehmens als notwendig erachtet. Die Notwendigkeit solcher Massnahmen kann auf organisatorischem, administrativem, finanziellem oder technischem Gebiete empfunden werden, also innerhalb des ganzen Wirkungskreises der Unternehnmng. Wenn sich schon der Bund in

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der vorgesehenen Weise an einer privaten Unternehmung interessieren soll,, so muss er sich das Bucht wahren, dafür zu morgen, dass es miter Voraussetzungen eriolge, die die günstigsten Aussichten für das spätere Wirken der Gesellschaft schaffen. Solche Bedingungen werden unter Umständen weit reichen können. Wir denken dabei z. B. an die möglichste Konsolidierung der Zukunft des Unternehmens durch eine ausgiebigere Gestaltung der Bücklagen für Erneuerungen oder eine Verstärkung der Abschreibungen, an administrative Vereinfachungen im Betriebe zur Erzielung von Ersparnissen, an die Durchführung von Fusionen oder Betriebszusammenlegungen mit andern Privatbahnunternehmungen zum Zwecke der Ratioualisierung und Verbilligung der Verwaltung, an die Vereinbarung von Interessengemeinschaften mit andern Transportunternehmungen, an die Einführung technischer Verbesserungen im Betriebe zur Steigerung des Verkehrs oder zur Verminderung der Ausgaben und anderes.

Eine Frage für sich wird sich jeweils in dem Sinne stellen, ob dem Bunde in der Verwaltung der wiederaufgerichteten Unternehmung eine angemessene Vertretung einzuräumen sei oder ob er zur Wahrung bestimmter Interessen Kommissäre bestellen solle. Gemäss dein, übrigens veralteten, Bundesgesetz betreffend das Stimmrecht der Aktionäre von Eisenbahngesellschafften und die Beteiligung des Staates bei deren Verwaltung, vom 28. Juni 1895, haben Bund und Kantone das Becht, Mitglieder der Verwaltung von Aktiengesellschaften für den Bau und Betrieb solcher Eisenbahnen zu wählen, welche eine Betriebslänge von mindestens 100 km haben, und es kann der Bundesrat dem genannten Gesetz auch andere Eisenbahngesellschaften unterstellen. Schon deshalb, weil solche grossere Privatbahnen seit der Verstaatlichung in unserem Lande nicht mehr zahlreich sind, und auch aus anderen Gründen besitzt diese Bestimmung zurzeit keine weittragende Bedeutung mehr. Die Erfahrunghat auch gelehrt, dass die vom Bunde bestellten Vertreter in der Verwaltung von Privatbahngesellschaften nie einen bestimmenden Einfluss ausgeübt haben. Wenn wir uns trotzdem mit der sehr allgemein gehaltenen Fassung des Art. 4 diese Möglichkeit wenigstens vorsorglich ebenfalls wahren, so ist damit nicht gesagt, dass wir sie wirklich ausnützen wollen. Dasselbe gilt noch in stärkerem Grade hinsichtlich einer allfälligen
Mitarbeit von Bundesvertretern in der Leitung (Verwaltungsratsausschuss, Direktionskomitee und dergleichen) einer solchen Unternehmung. Da der Bund darin in keinem Sinne eine Art Überdirektion einzuführen gedenkt, die übrigens nur eine Scheinverantwortung und keine wirklichen Becbte hätte, so wird er kaum dazu gelangen,, nach dieser Richting je Wünsche zu äussern oder Bedingungen zu stellen.

Eigentliche Kommissäre dagegen, deren Bestellung zu bestimmten Zwecken sich seitens des Bundes vielleicht gelegentlich als nötig erweisen könnte, stünden der Unternehmung als blosse Vertreter des Bundes gegenüber und würden nicht den Anspruch erheben, irgendwie als Teilhaber au der Verantwortung angesehen zu werden. Im allgemeinen rechnen wir indessen damit, dass die mit Hilfe der öffentlichen Hand wiederaufgerichtete Bahngesellschaft ohne die Mitwirkung

801 "von Bundesvertretern so gut verwaltet werden wird, dass weitere Vorkehren de? Bundes sich erübrigen.

Zu Art, 5.

Dio Bestimmung, wonach die Beteiligung des Bundes an der Wiederaufrichtung notleidender privater Eisenbahnunternehmungen zur Voraussetzung hat, dass die an der betreffenden Unternehmung interessierten Kantone mitwirken, ist eine der wichtigsten und grundlegenden des Entwurfes. Es wäre unseres Erachtens absolut unzulässig, von einer solchen Mitwirkung, die bei derartigen Aktionen des Bundes im eigentlichen Sinne zur "Überlieferung gehört, im vorliegenden Falle abzusehen. Namentlich wäre der Standpunkt grundsätzlich zu vorwerfen, die Mitwirkung der Kantone habe in den, unter dieses Verfahren fallenden Fällen deswegen zu unterbleiben, weil eine Art Arbeitsteilung zwischen dem Bund und ihnen einzutreten habe, wonach es Sache des Bundes wäre, sich der grosseren Unternehmungen anzunehmen, und die Sorge für die kleineren den Kantonen verbliebe.

Bei den früheren, von uns erwähnten Gelegenheiten, die der Bund wahrnahm, um unter die Geldgeber der Privatbahnen zu treten, hat ebenfalls die Mitwirkung der Kantone eine unbedingte Voraussetzung für sein eigenes Handeln gebildet. So war es bei der Gewährung von Darlehen für die Elektrifizierung der Fall, wo die Kantone, zum Teil unterstützt von don Gemeinden, gleich hohe Beträge zu leisten hatten wie der Bund. Auch in den Bundesbeschlüssen über die Krisenhilfe von 1918 und 1988 war die Mitwirkung der Kantone vorgeschrieben. Im Beschluss von 1918 war schlechthin hälftige Teilung zwischen Bund und Kantonen vorgesehen. Da sich dieser Verteiler jedoch als zu starr erwies und die Differenzierung unmöglich machte, welche angesichts der so verschiedenen Wichtigkeit der Bahnen wünschenswert war, hielt man im Beschluss von 1988 zwar am Zusammenwirken des Bundes mit den beteiligten Kantonen als einer unerlässlichen Bedingung der Bundeshilfe fest, stellte aber im übrigen auf eine Vereinbarung ab, wobei man auch eine Abweichung vom Grundsatz der hälftigen Teilung als zulässig anerkannte.

Wenn es auch in unserem Falle nichts anderes geben kann als die Aufrechterhaltung der Bedingung der Mitwirkung der Kantone, so muss allerdings die Durchführung des Prinzipes von jeglicher Starrheit befreit sein. Man darf vor allem nicht vergessen, dass die Eisenbahngesellschaften,
denen die vorgesehene Aktion zugute kommen soll, in der Regel solche sind, an welchen sich im Laufe der Zeit die Kantone, Gemeinden und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften oder Anstalten, wie Kantonalbanken, zum Teil mit sehr hohen Beträgen interessiert haben. Unter dem gleichen Gesichtswinkel sind die Leistungen derjenigen Kantonalbanken zu würdigen, die nicht im eigentlichen Sinne als öffentlich-rechtliche Anstalten aufgebaut sind. Die Last, welche diese Beteiligungen für diejenigen bedeuten, die sie eingegangen waren, bildete einen der Gründe, die den Buf nach einer Bundeshilfe weckten. Nachdom also gewisse Kantone auf dem Weg einer Bundeshilfe an die von ihnen getragene

802 Eisenbahngesellschaft einer Entlastung bedürfen, wäro es nicht verständlich, wenn man sie bei dieser Gelegenheit für neue Leistungen in gleicher Weise heranziehen würde wie solche, die sich bisher in der Unterstützung verkehrswirtschaftlicher Bestrebungen, soweit diese in Eisenbahnbauten verkörpert sind, zum mindesten einer grossen Zurückhaltung beflissen haben. Es lassen sich sodann Fälle denken, in denen die finanzielle Wiederaufrichtung einer Eisenbahngesellschaft, die noch in den durch Art. l unseres Entwurfes gezogenen Kreis hineinfallt, doch in einem derart überwiegenden Grade im Interesse der beteiligten Gegend liegt, wahrend dasjenige der durch den Bund vertretenen Allgemeinheit entsprechend zurücktritt, dass eine häutige Teilung der vorgesehenen Beteiligung nicht gerechtfertigt wäre und eine stärkere Heranziehung der Kantone sich aufdrangt.

Bei dieser Sachlage haben wir vorgesehen, dass der Bundesrat in jedem einzelnen Fall die Beteiligung der Kantone festsetzt, in der Meinung, dass darin diejenige der Gemeinden usw. Inbegriffen ist. Er wird diese Festsetzung unter freier Würdigung der massgebenden Verhältnisse vorzunehmen haben. Diehälftige Teilung der zu leistenden Beteiligung ist als Minimum vorgesehen, um Abweichungen nach oben zu Lasten der Kantone nicht von vornherein auszuschliessen. Anderseits ist aber, um den ganz besondern Umständen, unter denen sich das vorliegende Problem der Hilfeleistung stellt, Rechnung tragen zu können, der Grundsatz der Anrechenbarkeit früherer, zugunsten der wiederaufzurichtenden Privatbahn erfolgter Leistungen der Kantone aufgestellt. Die Anrechnung soll in billiger Weise erfolgen, so dass dem freien Ermessen je nach der Lage des einzelnen Falles ein weiter Spielraum gelassen ist.

Hinsichtlich dieser Anrechnung ist, wie wir schon früher betont haben, nicht zu befurchten, dass dadurch den davon Nutzen ziehenden Kantonen zu unbilligen Vorteilen verhelfen werde. Die Beschranktheit der dem Bunde zur Verfügung stehenden Mittel wird von selbst dafür sorgen, dass auch in den Fallen, wo die Anrechnung früherer Leistungen der Kantone sich am notwendigsten erweist, den interessierten Kantonen aus ihren frühern Leistungen trotz der Bundeshilfe auch künftig noch eine sehr erhebliche Last zu tragen übrig bleiben wird.

Den Grundsatz der Anrechenbarkeit früherer
kantonaler Leistungen möchten wir nur dann gelten lassen, wenn die betretenden Leistungen sich auf die gleiche Privatbahn bezogen haben, die nunmehr Nutzniesserin der Bundeshilfe werden soll. Es könnte die Meinung auftauchen, und sie ist in den kantonalenHilfeleistungsgesuchenn mitunter vertreten worden, dass man auch Leistungen berücksichtigen solle, die die gleichen Kantone im Laufe früherer Jahrzehnte zugunsten anderer auf ihrem Gebiete angelegter Eisenbahnen auf sich genommen und aus denen sie einmal Verluste erlitten haben, gleichgültig ob sich diese Eisenbahnen jetzt noch in privaten Händen befinden oder ob sie vielleicht schon seit langem ein Bestandteil der Schweizerischen Bundesbahnen geworden sind. Solche anderweitigen kantonalen Leistungen kannmanm im vorgesehenen Verfahren unmöglich berücksichtigen. Damit liefe man.

803 Gefahr, ins Uferlose zu geraten und neue Unbilligkeiten zu schaffen. Ein solches Vorgehen wäre überdies in keiner Weise vereinbar mit dem Gedanken, dass es sich jeweilen um die gemeinsame Stützung einer konkreten notleidenden privaten Eisenbahngesellschaft handeln muss, zwecks ihrer finanziellen Wiederaufrichtung, und nicht um einen blossen Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen.

Zu Art. G.

Dieser und die beiden folgenden Artikel ordnen das Verfahren, das einzuschlagen ist, wenn eine Eisenbahnunternehmung der im Gesetze vorgesehenen Bundesbeteiligung teilhaftig zu werden wünscht. Als eine Selbstverständlichkeit, die nicht ausdrücklich betont zu worden braucht, kann betrachtet werden, dass die Gesuche von der betreffenden Eisenbahnunternehmung dem Postail d Eisenbahndepartement zuhanden des Bundesrates einzureichen sind.

Dagegen erwähnen wir im erston Absatz des Art. 6, dass die Gesuche mit den erforderlichen Nachweisen zu belegen sind Darüber hinaus geht die als zweiter Absatz aufgenommene Bestimmung, wonach die gesuchstellende Unternehmung verpflichtet ist, der Behörde jede zweckdienliche Auskunft zu erteilen. Wir müssen -voraussetzen, dass die Unternehmung vertrauensvoll und rückhaltlos über alle Umstände und Tatsachen Auskunft gibt, die für dio Würdigung ihres Gesuches von Wert sind, muss doch die Allgemeinheit verlangen, dass das Gesetz in haushälterischem Sinne angewendet werde, sowie unter möglichster Vermeidung von Unbilligkeiten und Ungerechtigkeiten.

Die Behörde, zuhanden welcher diese Auskunftspflicht statuiert werden soll, ist im Entwurf absichtlich nicht näher bezeichnet: Es worden sowohl dieOrgane des Post- und Eisenbahndopartements dafür in Frage kommen können als auch die in folgendem Artikel erwähnte Expertenkommission, welcher dio nähere Prüfung der in Betracht kommenden Fälle obliegen soll.

Die Bestimmung des ersten Absatzes dieses Artikels hat nicht die Bedeutung, dass diejenigen Falle, welche die Kantonsregierungen dein Bundesrate bisher schon vorgebracht haben, von den betreffenden Gesellschaften lediglich der Form halber noch einmal anhängig gemacht werden müssten» Diese Gesuche gelten als ordnungsgemäss gestellt. Dagegen soll die genannte Bestimmung für die Zukunft die Regel schaffen.

Zu Art. 7.

Beim Vorschlag, die Prüfung der eingehenden Gesuche einer vom
Postund Eisenbahndepartement bestellten Expertenkommission zu übertragen, leitet uns der Gedanke, dass es nicht möglich wäre, dafür die standigen Organe des Departementes in Anspruch zu nehmen, ohne ihre Arbeitslast in unzulässiger Weise zu vergrössern und ihren Charakter als Aufsichtsbehörde, die über die Privatbahngosellschaften eingesetzt ist, etwas zu beeinträchtigen. Wenn auch selbstverständlich die Mitwirkung dieser Organo, vermöge ihrer Kompetenz und ihrer genauen Kenntnis der Vorhaltnisse, bei der Prüfung der Eingaben nicht wird entbehrt werden können, so soll doch zweckmässigerweise die eigent-

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liehe Arbeit einer besondern Instanz vorbehalten bleiben. Wir erachten dafür eine Expertenkommission als geeignet, ähnlich -wie es bisher schon für dia Vorbereitung der Ordnung der Hilfeleistung und die vorläufige Prüfung der vorliegenden Eingaben der Kantone und Gesellschaften gehalten wurde. Eine ähnliche Kommission besteht seit Jahren für die Vorberatung der Bundesdarlebcn für die Elektrifizierung von Privatbahnen und hat sich dort bewährt.

Nur erachten wir es für richtig, im Gegensatz zur Ordnung, welche bezüglich jener andern Expertenkommission getroffen worden ist, in unserem Gesetze über die Zusammensetzung nichts au sagen. Jedenfalls wird darauf zu achten «ein, dass die Expertenkommission möglichst leicht und ohne unnötige Umstände arbeiten kann. Deshalb soll sio nur aus wenigen Mitgliedern zusammengesetzt werden, deren Sachverständnis für eine gute Durchführung der ihr obliegenden Aufgabe die möglichste Gewähr gibt. Für richtig erachten wir es sodann, schon in Anbetracht des Umstandes, dass dio vorgesehene Aktion gemeinsam vom Bund und von den Kantonen getragen werden soll, denjenigen Kantonen, auf deren Gebiet die für die "Wiederaufrichtung in Betracht fallende Eisenbahn liegt, die Möglichkeit einzuräumen, dass sich bei den Verhandlungen der Kommission über den betreffenden Fall eine Vertretung ihrer Regierung mit beratender Stimme Gehör verschaffen könne.

Über das Verfahren, welches die Expertenkommission bei der Behandlung der ihr übertragenen Fälle einzuschlagen haben wird, hat das Gesetz nichts zu bestimmen, sondern es muss auch in dieser Beziehung volle Freiheit walten.

Als Regel dagegen muss gelten, dass die Kommission vor allem einen Vorbericht darüber abzugeben haben wird, ob sie das Gesetz am" den betreffenden Fall überhaupt als anwendbar erachtet, mit andern Worten, ob die Unternehmung ihrem Wesen nach unter diejenigen Eisenbahnen fällt, zugunsten welcher nach Massgabe des Gesetzes die Bundesbeteiltgung zulassig ist, und ob bei dieser Unternehmung eine als dauernd zu bezeichnende Notlage vorliegt. Kann materiell auf den Fall eingetreten werden, so ist es an der Kommission, dem Postund Eisenbahndepartement ihre Anträge zu stellen. Diese können sich sowohl auf den Umfang der Bundesbeteiligung beziehen als auch auf die Voraussetzungen, an die im Sinne des Art, 4 des Entwurfes
diese Beteiligung geknüpft worden sollte. Ausdrücklich haben wir im Entwürfe vorgesehen, dass die Kommission auch ihre Meinung über die Bemesung der kantonalen Partizipation abgibt.

Die Bestimmung, wonach die Kommission auch zur Beratung des Postund Eisenbahndepartementes über alle mit der Ausführung des Gesetzes zusammenhängenden Massnahmen herangezogen werden kann, haben wir aufgenommen, inn einmal mehr zu betonen, dass für den Vollzug des Gesetzes keine Mittel, die ihn erleichtern und verbessern können, ausgeschlossen sein sollen Zu Art. S.

Nachdem die Expertenkommission ihr Gutachten über die Beteiligung des Bundes an der Wiederaufrichtung einer notleidenden Privatbahn abgegeben

805 haben wird, wird es naturgemäss zu Besprechungen mit der Unternehmung kommen über den Weg, auf dem ihr zu helfen sein wird, sowie zu Verhandlungen zwischen dem Bund und den Kantonen über das Mass und die Verteilung der zu bringenden Hilfe. Ergibt sich im Vorlaufe dieser Verhandlungen eine Einigung, so wird zwischen Bund und Kantonen eine Vereinbarung abzuschliessen sein. Diese wird die Wiedcraufrichtung der Unternehmung mit gemeinsamen Kräften zum Gegenstande haben, samt den Bedingungen und Voraussetzungen, unter denen sie durchzuführen ist.

Wir betrachten es, wie schon wiederholt angetönt wurde, als von grösster Wichtigkeit, dass in Verbindung mit einer Beteiligung des Bundes an einer privaten Eisenbahnunternehinung eine Erleichterung der letzteren von den bisherigen Lasten in einem derartigen Grade erfolge, dass sie als wirklich saniert betrachtet werden kann. Nur halbe Arbeit darf dabei nicht gemacht werden.

Es wird denn auch jeweils in dieser Hinsicht mit dem grössten Nachdruck vorzugehen sein, um nicht die bei der Wiederaufrichtung angelegten öffentHchen-Mittel zu gefährden und nicht die Unternehmung, infolge des Ungenügens der vorgenommenen Eingriffe, der Notwendigkeit auszusetzen, später noch einmal saniert werden zu müssen. Es wird Sache des Bundes sein, bei den Verhandlungen sowohl die Kantone als auch die Unternehmung nötigenfalls zu veranlassen, ihrerseits dem Gewicht der Tatsachen die nötige Eechnung zu tragen. Er wird dies um so eher tun dürfen, als die Zwangsliquidation, die beim Scheitern der Verständigung über die Unternehmung verhängt ·werden musate, für die bisherigen Interessenten das grösste Übel bedeuten würde und sogar das Eingehen der Eisenbahn mit sich bringen könnte.

Die Rekonstruktion der Unternehmung, die regelmässig im Zusammenhang mit dem Einschreiten des Bundes einzutreten haben wird, kann sich auf verschiedenen rechtlichen Wegen abwickeln. Welcher von ihnen einzuschlagen sein wird, wird von den nähern Urnständen des Falles abhängen. Möglicherweiso wird, wenn der Fall ganz einfach liegt, ein blosser Generalversammlungsbeschluss genügen, meistens aber wird ein komplizierteres Verfahren nötig sein, entweder auf dem Woge über die Gläubigergemeinschaftsverordnung vom 20. Februar 1918 oder nach den Vorschriften des Bundesgesetzes über die Verpfändung und Zwangsliquidation
von Eisenbahn- und Schiffahrtsunternehmungon vom 25. September 1917. Es erscheint daher weder notwendig noch angebracht, im Gesetze etwas Näheres darüber zu erwähnen. Wichtig dagegen ist es, ausdrücklich zu bestimmen, dass es die Unternehmung ist, die nach der Erzielung der Verständigung das Kotige vorzukehren hat.

Unter den in Betracht kommenden Sanierungsmassnahmon ist nicht nur die Anbahnung der finanziellen Rekonstruktion zu verstehen, sondern auch die Erfüllung der Auflagen jeder Art, die der Unternehmung als Bedingung oder Voraussetzung der Bundeshilfe zugedacht worden sind. Dabei ist es selbstverständlich, dass das Post- und Eisenbahndepartement als Aufsichtsbehörde darüber wacht, dass die Umstellungen, die es zu besorgen geben wird, in einer Bundesblatt. 89. Jahrg. Bd, I.

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806 Art getroffen -werden, die mit den allgemeinen Verpflichtungen der Eisenbahiiunternehmung im Einklang steht.

Zu Art. 9.

Die im Zusammenhang mit der Durchführung des vorliegenden Gesetzes stattfindenden finanziellen Bekonstruktionen werden immer mit erheblichen Opfern verbunden sein., die zugunsten einer notleidenden Unternehmung von erheblichem öffentlichem Interesse gebracht werden sollen. Dies wird sowohl dann der Fall sein, wenn im Zusammenhang mit der Beteiligung der öffentlichen Hand neue Titel ausgegeben werden müssen, als auch dann, wenn anlässlich der Rekonstruktion alte Titel abzuändern sind. Es hiesse nun dem Zweck der Hilfeleistung direkt entgegenhandeln, wenn man diese noch durch Stempelabgaben verteuern wollte. Wir haben deshalb für diese Fälle im Gesetze, soweit sie vernünftigerweise in Betracht kommen kann, ausdrücklich die Stempelfreiheit vorgesehen.

Die Steuerbefreiung von Titeln, welche anlässlich der finanziellen Wiederauf rieh tung privater Eisenbahnunternehmungen neu ausgegeben oder abgeändert worden, kann sich indessen nur für die Emissionssteuern verstehen, Zur Befreiung solcher Titel von der Umsatzsteuer bei späteren Eigen tumsdbertragungen, sowie zur Befreiung ihres Ertrages von der Couponsteuer liegt zweifellos kern Anlass vor. In diesem Sinne haben wir die vorgeschlagene Gesetzesbestimmung präzisiert. Verstanden ist dabei, dass sich diese Befreiung von der Emissionssteuer auf alle Fälle beziehen soll, die in Anwendung des vorgeschlagenen Gesetzes erledigt werden. Ein Steuersonderrecht will damit natürlich nicht geschaffen werden. Jedenfalls wäre diese Steuerbefreiung auch in Anwendung des Bundesgesetzes vom 15. Februar 1921 betreffend Stundung und Erlass von Stempelabgaben herbeizuführen gewesen; doch ziehen wir vor, schon im vorliegenden Gesetz klar herauszusagen, was in diesem Falle geschehen soll. Dies ist formell die einfachste Lösung.

Zu Art. 10.

Die in diesem Artikel stehenden Bestimmungen entspringen der Sorge, alles mögliche vorzukehren, damit der laufende Betrieb einer Eisenbahnunternehmung, nachdem sich einmal der Bund an dieser beteiligt hat, unter tunlichster Wachsamkeit seiner leitenden Organe und mit grösster Schonung der vorhandenen Mittel abgewickelt werde.

Unter diesem Gesichtspunkt ist vor allein die Vorschrift zu beurteilen, nach welcher eine
derartige Unternehmung verpflichtet ist, jedes Jahr einen Voranschlag über Bau und Betrieb aufzustellen und ihn von ihrem Verwaltungsrate genehmigen zu lassen. Man konnte eine derartige Vorschrift für überflüssig erachten, in der Meinung, dass jede Unternehmung es als eine selbstverständliche Pflicht eines ordentlichen Kaufmannes betrachte, einen solchen Voranschlag aufzustellen und formgerecht genehmigen zu lassen. Die Er-

807 fahrungon zeigen jedoch, dass das Bewusstsein von dieser Pflicht noch nicht überallhin durchgodrungen ist. Deshalb muss unser Gesetz vorsichtshalber dafür sorgen, dass wenigstens diejenigen Unternehmungen, an denen sich der Bund beteiligt hat, nicht in die Gefahr kommen, aus einer bezüglichen Unterlassung Schaden zu nehmen. Das Vorhandensein eines verbindlichen Voranschlages wird der erste Ansporn zu haushälterischer Wirtschaft sein.

Im besondern muss aber ferner dafür gesorgt werden, dass eine derartige Unternehmung nicht durch entbehrliche Bauten und Anschaffungen eine unnötige neue Belastung erfahre. Es ist erinnerlich, dass wir auch im Entwurf zu einem neuen Bundesbahngesetz einen ähnlichen Gedanken berücksichtigt haben, indem für Bauten und Anschaffungen eine bestimmte Höchstgrenze festgesetzt und deren Überschreitruig nur unter erschwerende!! Bedingungen möglich gemacht wurde. Im vorliegenden Gesetz haben wir vorgesehen, dass die Vorwaltung nur dann hinsichtlich der Bauten und Anschaffungen wird selbständig entscheiden können, wenn diese sich innerhalb der normalen Bedürfnisse des Unterhaltes bewegen, wie sie der Voranschlag uaturgemäss ausweisen wird. Handelt es sich hingegen um Aufwendungen, die darüber hinausgehen, so dürfen sie, von Kleinigkeiten abgesehen, nur zulässig sein, wenn dafür die Zustimmung des Post- und Eisenbahndepartementes erhältlich ist. In gleicher Weise wäron Beteiligungen an andern Unternehmungen zu behandeln. Auch bezüglich der Veranlassung grundsätzlich neuer Betriebsausgaben ist eine entsprechende Vorsichtsmassnahme geboten; das gleiche ist heute schon rechtens bei Unternehmungen, die im Genuas der Krisenhilfe stehen.

Mit der Auf Stellung .derartiger Kautelen handelt es sich für uns nicht darum, das" Wirkungsfeld der Verwaltungen in unzulässiger Weise einzuengen, ihnen unnötige Schwierigkeiten zu bereiten oder einer fortschrittlichen Gestaltung des Betriebes im Wege zu stehen ; doch ver&etzt die Beanspruchung öffentlicher Mittel die betreffende Unternehmung in eine derart besondere Lage, dass keine Vorsichtsmassnahme, die zur Schonung ihrer Finanzen beitragen kann, überflussig ist.

Zu Art. 11.

Im Krisenhilfebeschluss vom 18. April 1933, Art. 9, ist votgesehen, dass, ·wenn die Hilfeleistung eingetreten ist, die Liquidation der Unternehmung während der Dauer der Vereinbarung nur auf Verlangen des Bundesrates oder, wenn sie von anderer Seite anbegehrt wird, nur mit dessert Zustimmung angeordnet werden kann. Es stellte sich die Erage, ob wir für die in unserem Verfahren zu erledigenden Eälle, die im Gegensatz zur Krisenhilfe auf eino dauernde Interessenahme des Bundes an Privatbahnen hinauslaufen, eine ähnliche Vorsichtsmassnahme ins Auge fassen müssen.

Wenn man mit der Einführung einer Liquidationssperre nur dazu gelangen könnte, die Gowissheit oder grösste Wahrscheinlichkeit dafür zu schaffen, dass der Bund seine Opfer nicht nutzlos bringe, wäre eine solche Gesetzes-

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bestimmung so außerordentlich sie ist, nicht genügend und daher noch nicht zu rechtfertigen. Sie vermöchte nämlich nicht zu verhindern, dass unter Umstanden eine unterstützte Bisenbahn neuerdings in Schwierigkeiten gerate, die den Bund zu einem weitern Einschreiten zu ihren Gunsten oder zur Duldung der Zwangsliquidation führen müssten. Doch liegt die Einführung einer solchen Sperre deshalb nahe, w eil sie, indem sie der mit Hilfe des Bundes sanierten Eisenbahn eine Schonzeit gewährt, eine wichtige Voraussetzung bildet zu deren ruhigen Erholung und ihrem Wiederaufstieg. Dies entspricht hinwiederum auch dem Interesse der an der Sanierung beteiligten öffentlichen Hand. Doch durfte die Rücksichtnahme auf dio wiederaufzurichtende Unternehmung nicht so weit gehen, dass man der Sperre eine unbefristete Geltung gab: die Bedurfnisse von Handel und Wandel und die Eücksicht auf Treu und Glauben im Verkehr und auf die Rechtssicherheit verlangten ihre zeitliche Beschrankung.

Unter diesen Umstanden haben wir vorgesehen, dass die Zwangsliquidation einer solchen Unternehmung während 5 Jahren von dem Zeitpunkt an, da die Beteiligung des Bundes an ihrer Wiederaufrichtung beschlossen ist, nur mit Zustimmung des Bundesrates angeordnet werden kann. Wir legten Wert darauf, zu verhindern, dass Verhandlungen über die Beteiligung des Bundes an einer notleidenden Eisenbahnunternehmung durch den Druck von Liquidationsbegehren gestört werden. Daher soll nach dem Entwürfe die Sperre beginnen, sobald der Bund auf die Prüfung des Gesuches einer Unternehmung einzutreten beschlossen hat. Anderseits soll die Sperre keine unbedingte sein, indem es der Bundesrat in der Hand hat, auch innerhalb der Sperrfrist der Weiterverfolgung eines Zwangsliquidationsbegehrens freien Lauf zu lassen, wenn die Umstände dies erheischen. Die in unserem Entwurf vorgeschlagene Bestimmung scheint uns eine annehmbare Mittellosung zu sein, die sowohl den Bedurfnissen der allgemeinen Rechtssicherheit wie denjenigen der Bahnunternehmung, die ohne einen zeitweiligen besondern Schutz in dieser Richtung kaum auszukommen vermochte, Rechnung tragt. Überdies besitzt eine Bahnunternehmung jederzeit die Möglichkeit, selbst vorsorglich, beim Bundesgericht um einen Nachlassvertrag einzukommen und für die Dauer desselben die Stundung bewilligt zu erhalten.

Wir nehmen
an, die geplante Liquidationssperre wurde eine allgemeine sein, sich also gegen alle Forderungen, alto und neue, richten, wobei aber immerhin, wio bei der ausserordentlichen Stundung, eine Ausnahme zu machen wäre .zugunsten von Besoldungen, Lohnen und Haftpflichtentschädigungen. Nicht gelten würde die Sperre für die Forderungen aus einem Nachlassvertrag im Sinne des Art. 74 des Bundesgesetzes über Verpfändung und Zwangsliquidation von Eisenbahn- und Schiffahrtsuntemehmungen

Zu Art. 12.

In diesem Artikel ist ein vielleicht selbstverständlich scheinender, aber doch wichtiger Grundsatz niedergelegt, indem jegliches Präjudiz der vorgesehenen Beteiligung des Bundes an der finanziellen Wiederaufrichtung not-

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leidender privater Eisenbahnunternebmuiigen für den Fall des Rückkaufs verneint wird. Namentlich soll es ausgeschlossen sein, dass der Bund Leistungen zugunsten der Eisenbahnen, die er im Verlaufe des uns beschäftigenden Verfahrens gemacht hat, etwa bei der Gelegenheit des Rückkaufs nochmals wiederholen muss. Auch soll die Berücksichtigung bestimmter Eisenbahnen im gegenwärtig erörterten Verfahren ihnen in keiner Weise vor andern ein Vorrecht in der Richtung einräumen, dass sie für den Fall der Anhandnahme wetterer Verstaatlichungen durch den Bund damit in erster Linie an die Reihe kommen würden : Der Bund soll vollständig frei bleiben, und es wird für die Erwerbung weiterer Eisenbahnen durch ihn ausschliesslich Art. 2 des Entwurfes zum neuen Bundesbahngesetz gelten bzw. diejenige Bestimmung dos endgültigen Gesetzes, die aus ihm hervorgehen wird.

Zu Art. 13.

Nachdem wir in den vorstehenden Artikeln das Wesentliche über dio Umgrenzung der Fälle, auf die das vorliegende Gesetz angewendet werden soll, sowie über die Art und den Umfang dieser Anwendung und das einzuschlagende Verfahren festgelegt haben, bleibt für den vorliegenden Artikel noch übrig, den Ausnahmefall zu ordnen, in welchem wir das Gesetz dem Zustandekommen von Fusionen kleinerer Unternehmungen, die für sich allein die Voraussetzungen des Art. l nicht erfüllen, zu einer grössern Unternehmung, die diese Voraussetzungen erfüllt, dienstbar machen möchten. Wir haben in unsern allgemeinen Ausführungen über die Umgrenzung der Bundeshilfe zu diesem Punkte das Wesentliche ausgeführt, so dass wir auf das dort Gesagte verweisen zu dürfen glauben.

Es bleibt nur beizufügen, dass auch in eincin derartigen Falle, so gut wie in den vom Gesetze in erster Linie erfassten, eine angemessene Mitwirkung der Kantone die unbedingte Voraussetzung für das Einschreiten des Bundes wird bilden müssen.

Zu Art. 14.

Hier ist dem Sinne nach eine im Art. 11 des Kriseuhilfebeschlussos von 1938 stehende Bestimmung wiederholt, wonach den konzessionierten Eisenbahn- und Schiffsunternehmungen, gleichgültig, ob sie Anspruch auf finanzielle Unterstützung haben oder nicht, vom Bundesrat auch Erleichterungen in bezug auf die konzessionsgemässen oder gesetzlichen Verpflichtungen gewährt werden können. Eine ähnliche Bestimmung ist auch in dem nächstens von uns zu behandelnden
Vorentwurf zu einem neuen Eisenbahngesetz enthalten, das den entsprechenden Erlass vom 23. Dezember 1872 ersetzen und in naher Zeit für die parlamentarische Beratung reif -werden soll. Unter diesen Umständen könnte man sich fragen, ob der Artikel im vorliegenden Gesetze nicht entbehrt werden könnte, Wir haben vorgezogen, ihn dennoch in den Entwurf einzufügen, weil der Krisenhilfebeschluss Ende 1937 seine Gültigkeit verliert und sein Ersatz dann unter Umständen eine ent-

810.

sprechende Bestimmung nicht mehr zu enthalten braucht und weil anderseits noch nicht abzusehen ist, wie rasch das neue Eisenbahngesetz zustande kommen wird.

Sachlich ist, wie auch aus unsern allgemeinen Ausführungen zum vorliegenden Gesetzentwurf erhellt, eine derartige Bestimmung zugunsten der dauernd notleidenden Unternehmungen ohne weiteres gerechtfertigt. Unter Erleichterungen verstehen wir dabei natürlich nur solche Massnahmen, welche der Gesellschaft wirklich nützen können, nicht aber Massnahmen, die nur zum Schein entlastend wirken. Die Aufhebung von Abschreibungen zum Beispiel, die, auf weite Sicht betrachtet, die Notlage einer Unternehmung nur zu erhöhen geeignet wäre, fiele nicht darunter.

Um Missverständnisse zu vermeiden, haben wir ferner ausdrücklich beigefügt, dass unter den Erleichterungen, die nach Massgabe des Entwurfes in bezug auf die konzessionsmässigen oder gesetzlichen Verpflichtungen gewährt werden können, nur diejenigen gemeint sind, welche nicht schon die einzelnen Gesetze und Verordnungen selbst ordnen. Wenn nämlich ein Gesetz, wie z. B. das Arbeitszeitgesetz, selber ausdrücklich die Möglichkeit der Gewährung von Erleichterungen in seinem Vollzug eröffnet, so richtet sich die Möglichkeit, solche Erleichterungen zu gewähren, ausschliesslich nach ihm selbst. Es kann natürlich von unserem Gesetze nicht verlangt werden, dass es ganz einfach die Möglichkeit unbeschränkter und unbestimmter Erleichterungen, die über die in don Spezialerlassen besonders geregelten hinausgeben, schatte.

Zu Ari. 15.

Unser Gesetzentwurf spricht sowohl in der Überschrift als auch in den bisherigen Artikeln nur von Eisenbahnen, nicht aber von den konzessionierten Schiffahrtsunternehmungen, Grundsätzlich wäre es nicht gerechtfertigt, die letztern anders zu behandeln als die ersten: Sie erfüllen ihre Aufgabe parallel zu den Eisenbahnen, und ihre Notlage ist leider so wenig wie diejenige der Privatbahnen zu bezweifeln. Die Gleichbehandlung entspricht auch der überlieferten Praxis, die unter anderem bei der Ordnung der Krisenhilfe zum Ausdruck gekommen ist. Daher rechtfertigt sich die Aufnahme einer allgemeinen Bestimmung in den Entwurf, wonach, sofern Scbiffahrtsunternehmungen die Voraussetzungen der Art. l und 8 des Gesetzes erfüllen, mithin im Hinblick auf ihre Bedeutung den vom Gesetz umschriebenen Anforderungen entsprechen und sich in einer dauernden Notlage befinden, auch zu ihren Gunsten die Beteiligung des Bundes an der finanziellen Wiederaufrichtung, in Verbindung mit den Kantonen, in Betracht kommen kann.

Die Aufnahme dieser Bestimmung will jedoch noch nicht bedeuten, dass sich unter den konzessionierten schweizerischen Schiffahrtsunternehmungen wirklich solche befinden, auf die das Gesetz anwendbar sein wird. Ein Entscheid hierüber wird später zu fällen sein, im Gefolge der genaueren Prüfung der eventuell hiefür augemeldeten Fälle. Was dabei herauskommen wird,

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lässt sich angesichts des Umstandes, dass die betreffenden Unternehmungen bestenfalls an der untern Grenze derjenigen stehen, die Art. l des Gesetzes noch umfassen könnte, zurzeit nicht sagen.

Wir empfehlen Ihnen, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, den nachstehenden Gesetzesentwurf zur Annahme und benützen die Gelegenheit, Sie aufs neue unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 28. April 1937.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Motta.

Der Bundeskanzler: Gr. Bovet.

812 (Entwurf.)

Bundesgesetz über

die Beteiligung des Bundes an der finanziellen Wiederaufrichtung notleidender privater Eisenbahnunternehmungen.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 23 und 26 der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 28. April 1937, beschliesst :

Art. 1.

1

Der Bund beteiligt sich nach Massgabe dieses Gesetzes an der finanziellen Wiederaufrichtung notleidender privater Eisenbabnunternehmungen, die wegen ihrer volkswirtschaftlichen oder militärischen Bedeutung den Interessen der Eidgenossenschaft oder eines grösseren Teiles derselben dienen.

2 Zu diesem Zwecke wird dem Bundesrat ein Kredit von 150 Millionen Franken bewilligt.

Art. 2.

1

Der in Art. l erwähnte Kredit ist, unter Vorbehalt der Bestimmung des Abs. 2, von der Kapitalrechnung vorzustrecken und planmässig zu tilgen.

2 Zur Bestreitung dieses Kredites sind 10 Millionen Franken dem nach Ari. 52, Abs. l, des Finanzprogramms vom 31. Januar 1936 geäufneten Fonds zu entnehmen, ebenso 5 Millionen Franken für jedes weitere Jahr, in dem dieser Fonds nach dem Jahr 1937 geaufnet werden sollte.

3 Erträgnisse aus Beteiligungen des Bundes im Siane dieses Gesetzes i'lie&sen in die Staatskasse und sind zur Verstärkung der Tilgung zu verwenden. Sie dürfen nicht zur Erhöhung des in Art. l, Abs. 2, festgesetzten Kredites verwendet werden.

Art. 3.

Eine Notlage einer Unternehmung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn der nach Bestreitung der Betriebsausgaben und Vornahme der jahrlichen

813 Abschreibungen verbleibende Einnahmenüberschuss voraussichtlich dauernd erheblich hinter dem Betrag zurückstehen wird, der für die Verzinsung der Schulden notwendig ist.

Art. 4.

1 Der Bundesrat entscheidet unter Würdigung aller Umstände und Bedürfnisse, ob eine Unternehmung der in diesem Gesetze vorgesehenen Bundeshilfe teilhaftig werden soll. Er bestimmt im Eahmen des zu diesem Zwecke bewilligten Kredites Art und Umfang dieser Hilfe. An Stelle von Beteiligungen oder neben ihnen kann den notleidenden Unternehmungen auch die Entlastung von Verbindlichkeiten, die sie dem Bunde gegenüber haben, bewilligt werden.

2 Der Bund kann seine Beteiligung an Bedingungen knüpfen. Insbesondere kann er die Unternehmung dazu anhalten, diejenigen organisatorischen, administrativen, finanziellen oder technischen Massnahmen durchzuführen, die er für die Wiederaufrichtung als erforderlich erachtet,

Art. 5.

Die Beteiligung des Bundes an der finanziellen Wiederaufrichtung einer Unternehmung setzt die Mitwirkung der interessierten Kantone voraus.

2 Der Bundesrat setzt dio Beteiligung der Kantone fest. Sie soll derjenigen des Bundes mindestens gleichwertig sein. Frühere Leistungen der Kantone, Inbegriffen diejenigen ihrer öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder Anstalten, zugunsten der wiederaufzurichtenden Unternehmung sind in billiger Weise anzurechnen.

Art. 6.

1 Die Unternehmung, welche die Beteiligung des Bundes wünscht, hat ihr Gesuch mit den erforderlichen Nachweisen zu belegen.

2 Sie ist verpflichtet, der Behörde jede zweckdienliche Auskunft zu erteilen.

1

Art. 7.

Zur Prüfung der eingehenden Gesuche besteht beim Post- und Eisenbahndepartement eine Expertenkommission. Die Kantone sind berechtigt, mit beratender Stimme an den Verhandlungen der Kommission über dio finanzielle Wiederaufrichtung von Unternehmungen teilzunehmen, deren Bahnen in ihrem Gebiete liegen.

2 Erachtet die Kommission die in Art. l und 3 genannten Voraussetzungen als erfüllt, so stellt sie ihre Anträge.

3 Bei der weitern Behandlung hat sich die Kommission auch darüber auszusprechon, in welchem Umfange sie eine Mitwirkung der interessierten Kantone an der Wiederaufrichtung der gesuchstellenden Unternehmung für angezeigt erachtet.

4 Das Post- und Eisenbahndepartement kann die Kommission überdies zu seiner Beratung über alle mit der Ausführung dieses Gesetzes zusammenhängenden Massnahmen heranziehen.

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Art. 8.

Ist über die finanzielle Wiederaufrichtung einer Unternehmung, an der sieh der Bund beteiligen soll, nach Anhörung der Unternehmung zwischen Bund und Kantonen eine Verständigung erzielt, so hat sie im Einvernehmen mit dorn Post- und Eisenbahndepartement die notwendigen Sanierungsmassnahmen durchzuführen.

Art. 9.

Die Titel, welche anlässlich der finanziellen Wiederaufrichtung einer Unternehmung neu ausgegeben oder abgeändert werden, sind von den im Zeitpunkt ihrer Entstehung oder Abänderung im Sinne des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1917 über die Stempelabgaben verfallenden Emissionssteuern befreit.

Art. 10.

1 Eine Unternehmung, an deren finanziellen Wiederaufrichtung sich der Bund beteiligt hat, ist vorpflichtet, jedes Jahr einen Voranschlag über Bau und Betrieb aufzustellen und durch ihren Verwaltungsrat genehmigen zu lassen.

2 Grössere neue Betriebsausgaben und bedeutendere Bauton und Anschaffungen, die über die normalen Bedürfnisse des Unterhaltes hinausgehen, sowie Beteiligungen an andern Unternehmungen, bedürfen der Zustimmung des Post- und Eisenbahndepartements.

Art. 11.

Von der Einreichung eines Gesuches einer Unternehmung um Beteiligung an ihrer finanziellen Wiederaufrichtung bis zur Beschlussfassung des Bundesrates, sowie wahrend 5 Jahren, nachdem die Beteiligung des Bundes beschlossen worden ist, kann die Zwangsliquidation der Unternehmung nur mit Zustimmung des Bundesrates angeordnet werden.

Art. 12.

Im Ealle eines spätern Rückkaufs ist den Leistungen Eechnung zu tragen, dio seitens öffentlicher Gemeinwesen zugunsten der finanziellen Wiederaufrichtung einer notleidenden Unternehmung im Sinne dieses Gesetzes gemacht worden sind; die den Parteien bei Anlass des Buckkaufes zustehenden Rechte bleiben im übrigen unberührt.

Art. 13.

Der Bund kann durch eine Hilfeleistung im Sinne dieses Gesetzes die Eusion notleidender Unternehmungen, von denen jede für sich allein die Voraussetzungen des Art. l nicht erfüllt, fördern, sofern durch eine solche Fusion eine Unternehmung gebildet wird, die den Anforderungen des Art. l entspricht, und dadurch sichere und erhebliche Vorteile für den Betrieb erzielbar sind.

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Voraussetzung für ein Einschreiten des Bundes ist die Mitwirkung der Kantone im Sinne des Art. 5.

Art. 14.

Der Bundesrat kann dauernd notleidenden Unternehmungen auch Erleichterungen gewähren in bezug auf ihre konzessionsmassigen oder gesetzlichen Verpflichtungen; soweit jedoch solche Erleichterungen schon in Gesetzen und Verordnungen selbst vorgesehen sind, dürfen sie nicht darüber hinausgehen.

Art. 15.

Sofern konzessionierte Schiffahrtsunternehmungen die Voraussetzungen der Art. l und 3 erfüllen, finden ihre Bestimmungen auf sie entsprechende Anwendung.

Art. 16.

Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes und trifft dio zu seinem Vollzug erforderlichen Maßnahmen.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurfe eines Bundesgesetzes über die Beteiligung des Bundes an der finanziellen Wiederaufrichtung notleidender privater Eisenbahnunternehmungen. (Vom 28. April 1937.)

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Jahr

1937

Année Anno Band

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Volume Volume Heft

17

Cahier Numero Geschäftsnummer

3557

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

28.04.1937

Date Data Seite

741-815

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