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Bericht der

begutachtenden Kommission für Wirtschaftsgesetzgebung an das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement.

(Vom

4. Juni 1937.)

Sehr geehrter Herr Bundesrat!

Durch Verfügung Ihres Departements vom 21. Oktober 1936 wurde die begutachtende Kommission für Wirtschaftsgesetzgebung eingesetzt, bestehend aus den Herren: Bundesrat Obrecht, Vorsteher des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, Vorsitzender, Minister Stucki, Delegierter des Bundesrates für den Aussenhandel, Stellvertreter des Vorsitzenden, Fürsprech P. Renggli, Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Dr. Käppeli, Direktor der Abteilung für Landwirtschaft.

Mitglieder: W. Amstalden, Ständerat, Samen, Prof. Dr. G. Bachmann, Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank, Zürich, E. Baumann, alt Nationalrat, Generalsekretär der Union Helvetia, L u z e r n , E. Bratschi, Nationalrat, Bern, Dr. J. L. Cagianut, Präsident des schweizerischen Baumeisterverbandes, Zürich, E. Grimm, Nationalrat, Bern, P. Jaberg, Generaldirektor der Schweizerischen Bankgesellschaft, Zürich, Dr. B. Jäggi, Präsident des Aufsichtsrates des VSK, Basel, Dr. C. Köchlin, Präsident der Basler Handelskammer, Basel, Prof. Dr. E. L a u r , Direktor des schweizerischen Bauernsekretariates, Brugg,

904 Dr. J. M. Musy, Conseiller national, ancien Conseiller fédéral, Middes s.

Payerne, A. Picot, Conseiller national, Genève, P. Porchet, Conseiller d'Etat, Président de l'Union suisse des paysans, Lausanne, E. Beichling, Nationalrat, S t ä f a , Jos. Scherrer, Nationalrat, Präsident des christlich-sozialen Arbeiterbundes der Schweiz, St. Gallen, A. Schirmer, Nationalrat, Präsident des schweizerischen Gewerbeverbandes, St. Gallen, Dr. E. Schulthess, alt Bundesrat, Präsident der eidgenössischen Bankenkommission, Bern, Dr. M. Weber, volkswirtschaftlicher Befater des schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Bern, -> Dr. E. Wetter, Nationalrat, Vizepräsident des schweizerischen Handels- und Industrievereins, Zürich, F. Wüthrich, Nationalrat, Zürich.

Experten: Dr. E. Böhler, Professor an der eidgenössischen Technischen Hochschule, Zürich, Dr. P. Keller, Professor an der Handelshochschule St. Gallen, Dr. E. König, Professor an der Universität Bern.

Sekretär: Dr. M. Holzer, Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Bern.

Die Kommission wurde am 4. November 1936 zu einer ersten Sitzung einberufen, anlässlich welcher Bundesrat Obrecht in einem eingehenden Eeferat seine Auffassung über eine Neuorientierung unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik darlegte. Er führte unter anderem aus : «Durch ein am 23. September 1936.vo°m Nationalrat erheblich erklärtes Postulat von Herrn alt Bundesrat Musy wurde der Bundesrat eingeladen, zu prüfen, ,ob es nicht dringlich sei, ein umfassendes Programm des nationalen Wiederaufbaus vorzulegen, das koordinierte Lösungen der wirtschaftlichen und der finanziellen Probleme zu enthalten hätte'. Die inzwischen vorgenommene Anpassung unserer Währung hat eine neue Lage geschaffen, die nach einer Neuorientierung unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik ruft. Ich habe mich deshalb entschlossen, eine begutachtende Kommission für die Wirtschaftsgesetzgebung einzuberufen, um den ernsthaften Versuch zu machen, in den Fragen der Wirtschaftspolitik eine Verständigung auf

905 mittlerer Linie zu finden. Aus den Beratungen dieser Kommission sollte als Schlussergebnis ein neuer Verfassungartikel hervorgehen, der die verfassungsrechtliche Grundlage für die neue Wirtschaftspolitik bilden soll.

Die früheren Studien in dieser Eichtung, die zu einer' Eevision der Art. 81 und 34ter der Bundesverfassung hätten führen sollen, waren durch die Abstimmungskampagne für die Totalrevision unterbrochen worden. In der Folge hatte sich der Bund mit den dringenden Aufgaben der Krisenbekämpfung zu befassen, weshalb die Vorarbeiten vorläufig nicht weitergeführt wurden. Bevor in die Diskussion über den neuen Wirtschaftsartikel eingetreten wird, ist es notwendig, sich eine klare Einsicht in die künftige Wirtschaftsgestaltung unseres Landes zu verschaffen. In dieser Hinsicht möchte ich drei Etappen oder ·-- besser gesagt -- drei Aufgaben unterscheiden : 1. Die zeitlich und sachlich primäre Aufgabe besteht darin, den toten Punkt, über den unsere Wirtschaft aus eigenen Kräften nicht hinauskommen konnte, mit Hilfe der Abwertung endgültig zu überwinden, mit andern Worten, endlich den Ausweg aus der Wirtschaftskrise zu finden und die lahmgelegte Wirtschaft wieder in Gang zu setzen. In erster Linie handelt es sich darum, die von der Krise am stärksten betroffenen Wirtschaftszweige (Exportindustrie, Fremdenverkehr und Bauwirtschaft) wieder zu beleben. Der Gradmesser für die erfolgreiche Durchführung dieser Aufgabe wird der Eückgang der Arbeitslosenziffern sein.

2. Unmittelbar an diese erste Phase der Krisenüberwindung muss sich als zweite Aufgabe die Konsolidierung der Wirtschaft anschliessen. Sie muss eine weitere Eückbildung der Arbeitslosigkeit bringen. ' Sie wird die Periode sein einer schrittweisen, planmässigen Anpassung der Preise und Löhne, nach Massgabe der Wirtschaftsentwicklung, des bessern Geschäftsganges, nach Massgabe auch der Lebenskosten- und Produktionskosten-Verteuerung, soweit eine solche nicht vermieden werden kann.

3. Wenn auch diese Aufgabe gelöst sein wird, kann die Überleitung unserer Wirtschaft in eine definitive -Neuordnung ins Auge gefasst werden, wofür rechtzeitig die notwendigen Vorbereitungen getroffen werden müssen.

Schon die Durchführung der ersten beiden Aufgaben muss im Hinblick auf ,die neue Zeit in der Wirtschaft' und die künftige Neugestaltung der wirtschaftlichen
Verhältnisse vorgenommen werden.» Die Kommission wurde beauftragt, insbesondere folgende Fragen zu prüfen : a. Welche Massnahmen geeignet und tragbar erscheinen, unsere Wirtschaft nach der erfolgten Abwertung wieder aus der jahrelangen Stockung und Unabträglichkeit hinauszuführen ; b. welchen Gefahren dieser erhoffte Ausweg aus der Krise ausgesetzt erscheint und welche vorsorglichen Massnahmen dagegen zu treffen sind;

906 c. ob und wie weit es heute schon möglich erscheint, die Zukunft unseres Wirtschaft zu beurteilen, und wie ein entsprechendes, richtungsgebender Zukunftsprogramm gestaltet werden soll; d. welche Änderungen und Ergänzungen an den wirtschaftspolitischen Verfassungsbestimmungen, Gesetzen und Bundesbeschlüssen an die Hand zu nehmen sind. .

In einer zweiten Sitzung vom 26./27. November erhielten die Kommissionsmitglieder Gelegenheit, sich zu dem Exposé von Bundesrat Obrecht auszusprechen. Es fand eine allgemeine Aussprache über die Lage unserer Wirtschaft nach der Abwertung und die Gestaltung der künftigen Wirtschaftspolitik statt, die den Eindruck erweckte, dass über eine Eeihe wichtiger Fragen Einigkeit zu erzielen sei. Namentlich wurde von keiner Seite die Eückkehr zur uneingeschränkten Wirtschaftsfreiheit verlangt, während anderseits auch nicht die Einführung einer Planwirtschaft oder des staatlichen korporativen Systems empfohlen wurde.

Für die weiteren Arbeiten wurden vier Unterkommissionen gebildet: 1. eine Unterkommission für Aussenwirtschaft (Handelspolitik, Exportförderung und Fremdenverkehr) ; 2. eine Unterkommission für die innere Wirtschaftspolitik; 8. eine Unterkommission für Fragen des Geld- und Kapitalmarktes, welche ausserdem die Frage der Eücksichtnahme der öffentlichen · Finanzgebarung auf die Bedürfnisse der Wirtschaft studieren sollte; 4. eine juristisch-politische Kommission mit der Aufgabe, den Weg aufzuzeigen, auf dem die Postulate der Unterkommissionen I--III einer Lösung entgegengeführt werden können.

Die vier Kommissionen setzten sich wie folgt zusammen (die Mitglieder, welche der Plenarkommission angehören, sind mit einem Stern bezeichnet) : Unterkommission I.

Vorsitz: *Minister Stucki, Delegierter des Bundesrates für den Aussenhandel, Bern.

Mitglieder: *B. Baumann, alt Nationalrat, Generalsekretär der Union Helvetia, Luzern, Dr. F. Ehrensperger, Schweizerischer Fremdenverkehrsverband, Zürich, A. Gassmann, Oberzolldirektor, Bern, *E. Grimm, Nationalrat, Bern, Dr. J. Hotz, Direktor der Handelsabteilung, Bern, B. Jouvet, Präsident der Genfer Handelskammer, Genf, *Prof. Dr. E. Laur, Direktor des Schweizerischen Bauernsekretariats, Brugg, *A. Schirmer, Nationalrat, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes, St. Gallen,

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*Dr. E. Schulthess, alt Bundesrat, Präsident der eidgenössischen Bankenkommission, Bern, *Dr. E. Wetter, Natiohalrat, Vizepräsident des schweizerischen Handelsund Industrievereins, Zürich.

Sekretär: Fürsprech Britschgi, Bern.

Unterkommission u.

Vorsitz: *P. Eenggli, Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Bern.

Mitglieder: B.Bavier, Kantonsforstinspektor, Chur, *Dr. J. L. Cagianut, Präsident des schweizerischen Baumeisterverbandes, Zürich, Dr. E. Dübi, Generaldirektor der L. v. Eollschen Eisenwerke, Gerlafingen, *Dr. B. Jäggi, Präsident des Aufsichtsrates des VSK, Basel, *Prof. Dr. E. L au r, Direktor des Schweizerischen Bauernsekretariats, Brugg, *Dr. J. Kap p eli, Direktor der Abteilung für Landwirtschaft, Bern, *Dr. C. Köchlin, Präsident der Basler Handelskammer, Basel, E. Pahud, Delegierter für Preisfragen, Bern, E. Péquignot, Sekretär des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, Bern, *Jos. Scherrer, Nationalrat, Präsident des christlich-sozialen Arbeiterbundes der Schweiz, St. Gallen, *A. Schirmer, Nationalrat, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes, St. Gallen, Ph. Schmid-Euedin, Nationalrat, Generalsekretär des schweizerischen kaufmännischen Vereins, Zürich, Dr. H. Sulzer, Präsident des schweizerischen Handels- und Industrievereins, Winterthur, *Dr. M. Weber, volkswirtschaftlicher Berater des schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Bern.

Experten: *Prof. Dr. E. Bohle r, Professor an der eidgenössischen technischen Hochschule in Zürich, *Prof. Dr. P. Keller, Professor an der Handelshochschule St. Gallen, Sekretär: Dr. M. Holzer, Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Bern,

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Unterkommission III.

Vorsitz: *Prof. Dr. G. Bachmann, Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank, Zürich.

Mitglieder: *Dr. J. L. Cagianut, Präsident des schweizerischen Baumeisterverbandes, Zürich, Dr. H. Däniker, Direktor der Zürcher Kantonalbank, Zürich, H. Fischer, Präsident des Verbandes schweizerischer Lokalbanken, Spar- und Leihkassen, Aar au, *P. Jaberg, Generaldirektor der schweizerischen Bankgesellschaft, Zürich, *Dr. C. Köchlin, Präsident der Basler Handelskammer, Basel, E. La Boche, Präsident der schweizerischen Bankiervereinigung, Basel, *Dr. J. M. Musy, Conseiller national, ancien Conseiller fédéral, Middes s. Payerne, Dr. J. Oetiker, Direktor der eidgenössischen Finanz Verwaltung, Bern, *F. Porchet, Conseiller d'Etat, Président de l'Union suisse des paysans, Lausanne, H. B y f f e l , Direktor der eidgenössischen Finanzkontrolle, Bern, Dr. A. Seiler, Nationalrat und Kegierungsrat, Liestal, Dr. G. v. Schulthess, Sekretär des schweizerischen Städteverbandes, Zürich, Prof. Dr. F. Volmar, Direktor der Berner Alpenbahngesellschaft BLS, Bern, *Dr. M. Weber, volkswirtschaftlicher Berater des schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Bern.

Experten: H.Blau, Direktor der eidgenössischen Steuerverwaltung, Bern, Dr. Kellenberger, Direktorstellvertreter der eidgenössischen Finanzverwaltung, Bern, *Pfof. Dr. B. König, Professor an der Universität Bern, E. Scherz, Direktor der Kantonalbank des Kantons Bern, Bern.

Sekretär: Dr. Schwegler, Prokurist der Schweizerischen Nationalbank, Zürich.

Unterkommission IV.

Vorsitz: Bundesrat Obrecht.

Mitglieder: *W. Amstalden, Ständerat, Samen, *Prof. Dr. G.,,Bachmann, Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank, Zürich,

909 *E. Bratschi, Nationalrat, Bern, Prof. Dr. W. B u r c k h a r d t , Professor an der Universität Bern, *E. Grimm, Nationalrat, Bern, Dr. H. Huber, Bundesrichter, Lausanne, F. Joss, Nationalrat und Eegierungsrat, Bern, *Dr. J. M. Musy, Conseiller national, ancien Conseiller fédéral, M i d d e s s. Payerne, *A. Picot, Conseiller national, Genève, *E. Eeichling, Nationalrat, Stäfa, *Fürsprech P. Eenggli, Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Bern, *A. Schirmer, Nationalrat, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes, St. Gallen, *Dr. E. Schulthess, alt Bundesrat, Präsident der eidgenössischen Bankenkommission, Bern, *Minister Stucki, Delegierter des Bundesrates für den Aussenhandel, Bern, *Dr. E. Wetter, Nationalrat, Vizepräsident des Schweizerischen Handelsund Industrievereins, Zürich.

Experten: *Prof. Dr. Böhler, Professor an der eidgenössischen Technischen Hochschule, Zürich, *Prof. Dr. P. Keller, Professor an der Handelshochschule St. Gallen, *Prof. Dr. E. König, Professor an der Universität Bern.

Sekretär: Fürsprech W. Hauser, Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Bern.

Die Unterkommissionen I--III nahmen die Arbeit sofort auf und legten die Ergebnisse ihrer Beratungen in ausführlichen Berichten nieder, welche der Kommission IV übermittelt wurden, die zu prüfen hatte, in welcher Weise die aufgestellten Postulate zu verwirklichen seien. Die Unterkommission IV kam in ihrem Bericht zum Ergebnis, dass eine Eeihe von Postulaten sich durch bloss administrative Massnahmen verwirklichen lassen, während andere die Abänderung bestehender oder den Erlass neuer Gesetze erfordern und noch andere die Schaffung einer neuen verfassungsmässigen Grundlage voraussetzen, weshalb sie eine Partialrevision der Bundesverfassung in Vorschlag brachte.

Die Berichte der vier Unterkommissionen wurden der Plenarkommission unterbreitet, welche in zwei Sitzungen vom 20.--22. Mai und vom 4. Juni 1937 dazu Stellung nahm und sie in der hier nachfolgenden Form genehmigte.

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Die Kommission erblickte ihre' Hauptaufgabe darin, die verschiedenen Auffassungen über die Überwindung der Krise und die künftige Neugestaltung unserer Wirtschaft auf eine mittlere Linie zu vereinigen. Sie glaubt der Überzeugung Ausdruck geben zu dürfen, dass sie diese Aufgabe im wesentlichen erreicht habe. Die Beratungen waren vom Geiste der Verständigung getragen. Allerdings musste manche Forderung fallen gelassen werden, und die Einigung war vielfach nur durch Konzessionen erzielbar. Über die Mehrzahl der behandelten Fragen konnte Einigkeit erzielt werden; wo dies nicht der Fall war, wurde die Auffassung der Kommissionsminderheit ebenfalls wiedergegeben. Auf keinem Gebiete der Wirtschaftspolitik traten unüberbrückbare Gegensätze zutage, indem die einzelnen Gruppen ihre Grundsätze zur Führung der Wirtschaftspolitik zwar nicht aufgaben, sondern sie im Interesse einer tragbaren Lösung zurückstellten. Wo die Auffassungen auseinandergingen, handelte es sich schliesslich mehr um Fragen des Masses und des Tempos als um grundsätzliche Differenzen.

Wir lassen die vier Berichte im Wortlaut hier folgen:

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Feststellungen und Richtlinien zur Aussenwirtschaft.

(Bericht der Unterkommission I vom 22. Januar 1937.)

I. Vorbemerkungen.

Am 8. Januar 1937 hat sich die Unterkommission I für Handelspolitik und Fremdenverkehr besammelt und auf Grund eines einleitenden Eeferates des Delegierten des Bundesrates für den Aussenhandel den ganzen Fragenkomplex einlässlich erörtert.

Im Einverständnis mit dem Chef des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes wurden zu den Beratungen eingeladen als Vertreter des Fremdenverkehrs die Herren Dr. Ehrensperger in Zürich und alt Nationalrat Baumann in Luzern sowie als Vertreter der französischen Schweiz Herr E. Jouvet, Direktor der Genfer Handelskammer in Genf. Wegen Krankheit liess sich Herr Dr. Ehrensperger, wegen Abwesenheit von Bern Herr alt Bundesrat Schulthess entschuldigen. An Stelle des ebenfalls verhinderten Herrn Nationalrat Dr. Wetter nahm an den Beratungen teil Herr Dr. C. Koechlin, Präsident der Basler Handelskammer.

Der vorliegende Bericht ist vom Vorsitzenden der Kommission ausgearbeitet und von dieser in ihrer 2. Sitzung vom 22. Januar 1937 gutgeheissen ' worden.

Die Kommission hat die ihr zur Prüfung überwiesenen Probleme präzisiert einerseits im Sinne einer Einschränkung und anderseits im Sinne einer Ausdehnung; einer Einschränkung insofern, als sie die Fragen der Handelspolitik und des Fremdenverkehrs ausschliesslich mit, Eücksicht auf die Beziehungen zum Ausland untersuchte, die innerpolitische Seite somit nicht in den Kreis ihrer Betrachtungen zog ; einer Ausdehnung in dem Sinne, dass sie sich mit der Gesamtheit der Fragen der A u s s e n w i r t s c h a f t s p o l i t i k befasste, also neben dem zwischenstaatlichen Verkehr der Waren und der Personen auch denjenigen der Kapitalien mitberücksichtigte.

Von der Erwägung ausgehend, dass dem allgemeinen Programm gemäss eine besondere Unterkommission die formalen Fragen der Gesetzgebungstechnik studieren wird, behandelte die Kommission nur die materiellen Probleme, ohne sich darüber auszusprechen, in welcher gesetzgeberischen Form die aufgestellten Postulate zu verwirklichen sind.

II. Allgemeine Richtlinien und Zielsetzung.

Die Aussenwirtschaftspolitik ist ein Teil der allgemeinen staatlichen Wirtschaftspolitik und unterliegt deren Zielsetzung. Das Ziel der allgemeinen Wirtschaftspolitik wird sein und bleiben müssen, der schweizerischen Bevölkerung Arbeit und allen Volkskreisen möglichst auskömmlichen Verdienst

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zu verschaffen. Dabei hat die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in der gegenwärtigen Zeit an Wichtigkeit und Bedeutung noch erheblich zugenommen.

Die Schweiz ist wirtschaftlich erstarkt, ihre Bevölkerung ist Verhältnismassig wohlhabend geworden und von grosser Arbeitslosigkeit verschont geblieben, ihr Nationalreichtum hat zugenommen in einer Zeit, als ihre Verbundenheit mit der Weltwirtschaft normal war und die aussenwirtschaftlichen Verhältnisse sich etwa wie folgt charakterisieren liessen: a. Die Währungen aller wichtigen Länder waren in bestimmter und fester Eelation zum Gold und auf lange Zeitperioden fast vollständig stabil. Dies ermöglichte sichere und langfristige Kalkulationen. Der Gläubiger konnte darauf rechnen, dass sein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Schuldner nicht durch staatliche Eingriffe an der Erfüllung seiner Pflicht gehindert werde.

b. Der Verkehr von Personen und Kapitalien von Land zu Land war frei.

c. Der Verkehr der Waren von Land zu Land kannte im allgemeinen keine andern Hindernisse als die bei der Einfuhr in ein anderes Zollgebiet zu entrichtenden Einfuhrzölle. Diese waren erträglich, durch ein ausgedehntes Netz langfristiger Handelsverträge stabilisiert und durch Anwendung der Meistbegünstigungsklausel für alle Provenienzen gleich.

Etwas anders ausgedrückt: Der Käufer konnte seine Waren dort kaufen, wo sie am besten und billigsten waren, der Schuldner das zahlen, was er schuldig war, und der Tourist seine Eeisen dorthin unternehmen, wo es ihm gefiel.

In dieser Zeit, die wir vor dem Kriege und wenigstens annähernd während der Konjunktur der Nachkriegszeit gekannt haben, beschränkte sich die schweizerische Aussênwirtschaftspolitik im wesentlichen auf die Zollpolitik, d. h. auf die Erstellung eines schweizerischen Zolltarifs und den Abschluss langfristiger Handelsverträge. Dabei hatte der Zolltarif eine dreifache Funktion zu erfüllen, nämlich ct. der einheimischen Produktion einen angemessenen Schutz zu sichern, b. als Verhandlungswaffe gegenüber dem Auslande zu dienen und c. dem Bundeshaushalt den grössten Teil seiner Erträgnisse zu beschaffen.

Leitender Grundsatz der schweizerischen Zollpolitik war im fernem die uneingeschränkte und unbedingte Anwendung der Meistbegünstigungsklausel in Zollsachen.

Die praktische Anwendung dieser Grundsätze führte zu einer für
die Schweiz passiven Handelsbilanz. Das Defizit im Warenverkehr wurde aber mehr als ausgeglichen durch die Erträgnisse des Fremdenverkehrs, durch die Zinseingänge für im Ausland angelegte Schweizerkapitalien und durch internationale Dienstleistungen aller Art. Die Schweiz hatte in dieser Zeit dauernd eine aktive Zahlungsbilanz und ist von Jahr zu Jahr reicher geworden, die Lebensbedingungen ihrer gesamten Bevölkerung haben sich entsprechend ständig verbessert.

Die Schweiz kann deshalb nur lebhaft bedauern, dass alle auf internationalem Boden unternommenen Versuche, den geschilderten Zustand wieder

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herbeizuführen oder sich ihm wenigstens weitgehend anzunähern, bis jetzt gescheitert sind. Sie soll auch in Zukunft alle derartigen Bestrebungen mit grösster Tatkraft unterstützen. Dabei muss allerdings in folgendem eine Einschränkung gemacht werden: Die Tatsache, dass die Erträgnisse der schweizerischen Wirtschaft weitgehend im Ausland angelegt worden sind, hat neben nicht zu bestreitenden Vorteilen auch schwere Nachteile gezeigt, die die heutige schweizerische Aussenwirtschaftspolitik sehr erschweren. Der Kapitalexport ist deshalb auch in Zukunft einer Aufsicht zu unterstellen.

III. Die Lage vor der Abwertung.

Nachdem alle vom Völkerbund, der Union für europäische Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiete und anderer internationaler Gebilde und Konferenzen gemachten Anstrengungen zur multilateralen Eegelung der Wirtschaftsfragen gescheitert waren, sah sich die Schweiz auf sich selber angewiesen, und sie hat eine zielbewusste, eigene aussenwirtschaftliche Politik getrieben.

Arm an Kohstof f en und ohne Zugang zum Meer lag und liegt ihre einzige aussenwirtschaftspolitische Waffe in ihrer verhältnismässig grossen Import- und Konsumkraft. Diese hat sie nach Möglichkeit in den Dienst ihrer aussenwirtschaftspolitischen Interessen, d.h. des Warenexportes, des Fremdenverkehrs und des Kapitaldienstes gestellt. Diejenigen Länder, die ihr in dieser Hinsicht erträgliche Gegenleistungen boten, hat sie in der Einfuhr nach Möglichkeit begünstigt. Dies führte einerseits zu einer gewissen Abkehr von der Meistbegünstigung und zu einer vorwiegend bilateralen Betrachtungsweise unseres wirtschaftlichen Verhältnisses zu den einzelnen Ländern und anderseits zu weitgehenden Vorschriften bezüglich der Länder, in welchen der schweizerische Importeur kaufen konnte. Diese Eingriffe wirkten im allgemeinen verteuernd auf die importierten Waren.

Um diese «Kompensationspolitik» und die nötigen Schutzmassnahmen für den einheimischen Markt durchzuführen, hatte die Schweiz die Wahl zwischen zwei handelspolitischen Mitteln: entweder der entsprechenden Handhabung des Zolltarifs oder der quantitativen Beschränkung und Dirigierung der Einfuhr. Sie hat sich gegen das erste und für das zweite dieser Mittel entschieden. Es erscheint der Kommission zweckmässig, ja sogar notwendig, an die hiefür massgabenden Gründe zu erinnern, da sie nicht nur für die jüngste Vergangenheit, sondern aller Voraussicht nach auch für die nächste Zukunft Geltung haben: Die von zahlreichen Ländern durchgeführten Währungsabwertungen, die aus diesen und andern Gründen stark gesteigerte Verschiedenartigkeit der Produktionskosten, die von vielen Staaten offen oder versteckt ausgerichteten Exportprämien und endlich die Tatsache, dass die Schweiz bis vor kurzem den Wert ihrer Währung voll aufrecht erhalten und weder vorher noch seither einseitige Eingriffe in die internationale Zahlungsfreiheit vorßundesblatt. 89. Jahrg. Bd. II.

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genommen hat, all dies bewirkte für zahlreiche Länder einen stark vermehrten Anreiz, ihre Waren in der Schweiz zu verkaufen, wodurch die einheimische Produktion einem Druck ausgesetzt wurde, dem sie ohne besondere Schutzmassnahmen hätte erliegen müssen. Die im allgemeinen massigen Ansätze des schweizerischen Zolltarifs konnten diesen Schutz nicht gewähren. Hätte man ihn suchen wollen in Zollerhöhungen, so wären diese zu kalkulieren gewesen nach den Preisverhältnissen der gefährlichsten Konkurrenz, d. h. die Zölle hätten auf der ganzen Linie vervielfacht werden müssen. Da nach ganz vorherrschender internationaler Auffassung, der, mit Eecht, auch die Schweiz treu geblieben ist, die Meistbegünstigung mit Bezug auf die Höhe der Zölle nach wie vor Anwendung finden muss, so hätte man diese starken Zollerhöhungen für die Einfuhr aus allen Ländern zur Anwendung bringen müssen. Ohne Kündigung wertvoller Handelsverträge wäre dies nicht möglich gewesen und hätte zudem die Einfuhr aus manchen Ländern gedrosselt, die verhältnismässig gute Abnehmer schweizerischer Produkte geblieben sind und gleichzeitig zu den am wenigsten gefährlichen Konkurrenten für die einheimische Produktion gehören. Schwere handelspolitische Konflikte und entsprechende neue Störungen für den schweizerischen Export wären nicht zu vermeiden gewesen. Zudem hätten allgemeine und starke Zollerhöhungen die ohnehin hohen schweizerischen Lebenshaltungs- und Produktionskosten noch weiter bedeutend erhöht und damit Warenexport und Fremdenverkehr weiter geschädigt. Es war deshalb nach Ansicht der Kommission richtig, dass die schweizerische Handelspolitik diesen Weg nicht gegangen ist, sondern im grossen und ganzen unter Beibehaltung der frühern Zollansätze und ihrer gleichmassigen Anwendung auf alle Provenienzen die nötigen Schutzmassnahmen getroffen hat durch quantitative Beschränkung der Einfuhr und deren Begulierung nach den gegenüber den verschiedenen Ländern bestehenden Verhältnissen und Interessen. Gewiss hat auch dieses System erhebliche Nachteile, sie sind aber nach Auffassung der Kommission wesentlich kleiner als diejenigen einer allgemeinen starken Zollerhöhung oder von nach den einzelnen Ländern differenzierten Zollansätzen.

Die für die Durchführung dieser Einfuhrbeschränkungen massgebenden Grundsätze betrachtet die Kommission als richtig,
nämlich: a. Anwendung soweit dies nötig ist zum Schütze einer lebensfähigen schweizerischen Produktion gegen abnormale Konkurrenz.

6. Grundsätzliche Ablehnung der Meistbegünstigung für Anwendung und Durchführung der Einfuhrbeschränkungen, da nur in diesem Falle den verschiedenartigen Konkurrenzbedingungen einerseits und der verschiedenen Bedeutung der einzelnen Staaten als Abnehmer schweizerischer Produkte anderseits Bechnung getragen werden kann.

c. Ausnützung des Instrumentes der Einfuhrbeschränkung für handelspolitische Zwecke in ähnlicher Weise wie in normalen Zeiten die Ansätze eines Generaltarifs zu beurteilen und zu verwenden sind.

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d. Möglichste Indienststellung der derartig kontrollierten und regulierten Importe für Warenexport, Fremdenverkehr und Kapitaldienst.

Zweifellos konnte mit diesem System für den schweizerischen Warenexport zum Teil auch für Fremdenverkehr und Kapitaldienst Wesentliches erreicht werden. Da aber trotzdem der schweizerische Export in beängstigender Weise zurückging und es nicht möglich war, die schweizerischen Produktionskosten spürbar herabzusetzen, so wurden weitere Mittel der staatlichen Handelspolitik eingesetzt, nämlich a. die produktive Arbeitslosenfürsorge, 6. die staatliche Garantie für das Exportrisiko, c. der Ausbau des Werbedienstes im Ausland.

Erleichterungen in der Exportfinanzierung wurden von verschiedener Seite verlangt, und ein gangbarer Weg ist auch gefunden worden.

IV. Die Lage nach der Abwertung des Schweizerfrankens.

Die Abwertung des Schweizerfrankens hat die Aussichten für Warenexport und Fremdenverkehr wesentlich verbessert. Ohne auf die Frage der relativen Bedeutung der Produktion für das Inland einerseits und der Exportindustrie und des Fremdenverkehrs anderseits eintreten zu wollen, ist die Kommission der bestimmten Auffassung, dass das oben umschriebene Ziel einer schweizerischen Wirtschaftspolitik nicht erreicht werden kann, wenn der Export von Waren und der Transport und die Beherbergung fremder Touristen nicht einem wesentlichen Teil der schweizerischen Bevölkerung Arbeit zu verschaffen vermögen und bedeutende Aktivposten der schweizerischen Zahlungsbilanz darstellen. Es ist deshalb Aufgabe der schweizerischen Wirtschaftspolitik auch nach der Abwertung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln planmässig dahin zu wirken, dass für diese beiden wichtigen Elemente der schweizerischen Wirtschaft die Vorteile der Währungsabwertung nicht nur erhalten, sondern durch andere Massnahmen nach Möglichkeit verstärkt werden. Selbstverständlich ist aber jede Massnahme der staatlichen Wirtschaftspolitik sorgfältig bezüglich ihrer Auswirkungen auf alle Wirtschaftskreise zu überprüfen.

Von dieser Überlegung ausgehend ergeben sich nach Ansicht der Kommission für die Aussenwirtschaftspolitik nach der Abwertung folgende Richtlinien : 1. Die jetzige Lage der für das Inland arbeitenden Produktion einerseits und der Lohnempfänger anderseits soll durch Massnahmen zugunsten von Export und Fremdenverkehr jedenfalls nicht verschlechtert werden.

2. Die oben unter III dargelegten Grundzüge der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik sind beizubehalten mit folgenden Abweichungen: a. Die Abwertungsvorteile für Warenexport und Fremdenverkehr werden sich in dem Masse verringern, als sie durch interne Preis- und Lohnerhöhungen

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kompensiert werden. Bisherige Massnahmen zugunsten von Export und Fremdenverkehr verlieren deshalb dann ihre Berechtigung, wenn sie in fühlbarer Weise preiserhöhende Tendenz haben. Unter diesem Gesichtspunkt soll grundsätzlich auf staatliche Massnahmen zur Erzwingung von Importen aus bestimmten Ländern dann verzichtet werden, wenn es sich um für die Gestaltung der Lebenshaltungs- und Produktionskosten der Schweiz wichtige Waren handelt und diese aus den betreffenden Ländern nur zu höhern als den Weltmarktpreisen erhältlich sind. Grundsätzlich sind deshalb Clearingverträge, die nur dann einigermassen befriedigende Erträgnisse abwerfen, wenn der Import.aus den betreffenden Ländern forciert und überzahlt wird, nach Möglichkeit durch ein anderes System zu ersetzen. Es ist nach Ansicht der Kommission auch gefährlich, immer mehr Exportforderungen gegenüber bestimmten Ländern sich ansammeln zu lassen, da die handelspolitische Situation um so schwächer wird, je grösser einem bestimmten Lande gegenüber die ausstehenden schweizerischen Forderungen sind.

b. Es ist notwendig, sich klar darüber Eechenschaft zu geben, dass die Abwertung die Aussichten des Warenexportes und des Fremdenverkehrs gegenüber denjenigen Staaten, die den freien internationalen Zahlungsverkehr unterbunden haben und die schweizerischen Waren sowie die Ausgaben in der Schweiz beherbergter Touristen nur durch Warenlieferungen zahlen lassen, nicht verbessert hat. Es ist deshalb im allgemeinen nicht zu rechtfertigen, den Warenexport nach und den Touristenzustrom aus solchen Ländern mit den Mitteln staatlicher Aussenwirtschaftspolitik zu unterstützen. Diese Mittel sollen und müssen vielmehr konzentriert werden auf diejenigen Länder, wo eine Steigerungsmöglichkeit auch wirklich vorhanden ist und nicht an der betreffenden Devisengesetzgebung scheitert. Dies gilt ebensosehr für Werbeaktionen zugunsten von Warenexport und Fremdenverkehr wie für direkte Unterstützungen (Exportrisikogarantie, Exportfinanzierung u. dgl.). Vorbehalten bleiben jene Fälle, wo ohne die Anwendung solcher Mittel vorhandene Export- und Zahlungsmöglichkeiten nicht ausgenützt werden können.

c. Wenn die Kommission auch verstehen und billigen kann, dass nach der Abwertung die gesetzgeberischen Grundlagen für die produktive Arbeitslosenfürsorge nicht aufgehoben worden sind,
weil in verschiederer Beziehung die Verhältnisse noch zu wenig abgeklärt und stabilisiert erscheinen, so gibt sie doch der bestimmten Auffassung Ausdruck, dass Unterstützungen solcher Art nur noch ausnahmsweise in ganz besonders gelagerten Fällen ausgerichtet werden sollen.

d. Die Abwertung hat im allgemeinen die Schutzmassnahmen zugunsten der einheimischen Produktion in fühlbarer Weise verstärkt. Man kann und muss sich deshalb fragen, ob die in den Einfuhrbeschränkungen liegenden ausserordentlichen Schutzmassnahmen nicht aufgehoben werden können und sollen und ob nicht auch eine allgemeine Ermässigung der Zölle zu rechtfertigen wäre. Die Ansicht der Kommission in dieser Beziehung ist die folgende:

917 aa. Die bisher vom Bundesrat autonom vorgenommenen Einfuhrerleichterungen haben ihre Aufgabe, die Anpassung der Inlandspreise an die neuen Bedingungen zurückzuhalten, erfüllt. Einzelne Zölle sollen aber, soweit es die Eücksichten auf die Inlandproduktion als angezeigt erscheinen lassen, wieder eingeführt oder wieder erhöht werden.

bb. Weitere Einfuhrerleichterungen sind möglich und namentlich vorzusehen, soweit dies anlässlich internationaler Verhandlungen in Verbindung mit adäquaten Erleichterungen für den schweizerischen Warenexport oder den schweizerischen Fremdenverkehr geschehen kann.

cc. Mit Rücksicht auf die grosse Bedeutung der Zollerträgnisse für den schweizerischen Finanzhaushalt sind weitere Einfuhrerleichterungen in erster Linie und vorwiegend auf dem Gebiete der Einfuhrbeschränkungen in Aussicht zu nehmen. Zollermässigungen sollen dann gewährt werden, wenn dies ohne ernstliche Gefährdung einer lebensfähigen schweizerischen Produktion möglich ist, eine allfällige Verminderung der Zolleinnahmen in erträglichen Grenzen bleibt und die Gegenleistung des Vertragspartners vom Standpunkte der Arbeitsbeschaffung aus mindestens gleichwertig ist.

da. Beim weitern, bilateralen Abbau der Einfuhrbeschränkungen ist auch zu berücksichtigen, dass auf diesem Wege der Handel von Fesseln befreit werden kann, unter denen er in der letzten Zeit ausserordentlich gelitten hat und dass sich für die junge kaufmännische Generation Wege zur Betätigung öffnen, die ihr bisher weitgehend verschlossen waren.

ee. Schliesslich macht die Kommission auch darauf aufmerksam, dass eine wesentliche Steigerung des schweizerischen Exportes nach den Ländern, die keine Einschränkung des internationalen Zahlungsverkehrs vorgenommen haben, kaum möglich sein dürfte, wenn wir nicht diesen Staaten auch grössere Absatzmöglichkeiten bei uns eröffnen.

//. Eine vollständige Abschaffung der Einfuhrbeschränkungen und eine Aufhebung ihrer rechtlichen Grundlagen kann die Kommission aus zwei Gründen zurzeit nicht empfehlen: Einmal sind die Verhältnisse auf dem Gebiete der Währung wie in anderer Beziehung noch ausserordentlich unsicher und unabgeklärt, und sodann würde der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik durch vollständige Abschaffung der Einfuhrbeschränkungen jede Möglichkeit genommen, im Interesse von Warenexport,
Fremdenverkehr und Kapitaldienst diejenigen Staaten zu bevorzugen, die für uns interessant und wichtig sind und auf die andern einen Druck auszuüben.

e. Es ist in der Kommission auch die Frage der Ausarbeitung eines neuen schweizerischen Zolltarifs aufgeworfen worden. Zweifellos ist der Text unseres gegenwärtigen, noch aus dem Jahre 1902 stammenden Zolltarifs veraltet, und auch seine Ansätze bedürfen der Überprüfung. Der Entwurf des Bundesrates zu einem neuen schweizerischen Generaltarif ist am 9. Januar 1925 den eidgenössischen Eäten unterbreitet und von der nationalrätlichen Zollkom-

918 mission behandelt worden. Diese hat aber mit Bücksicht auf die inzwischen eingetretene wesentliche Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Einvernehmen mit dem Bundesrat ihre Arbeiten eingestellt. Nach Ansicht der Kommission sind aber auch heute die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht genügend abgeklärt und stabilisiert, um die Arbeiten für einen neuen Zolltarif fortzuführen bzw. auf neuer Grundlage aufzunehmen. Es wird dies geschehen können und geschehen müssen, sobald begründete Aussicht besteht, dass nicht nur in der Schweiz, sondern auch in den wichtigsten andern Ländern die Zollansätze gegenüber andern den internationalen Handel beeinflussenden Massnahmen wieder ihre ursprüngliche und ausschlaggebende Bedeutung zurückgewonnen haben werden. Es dürfte alsdann von wesentlichem Interesse sein, für die Ausarbeitung eines neuen Zolltarifs die Arbeiten des Wirtschaftsausschusses des Völkerbunds für eine internationale Zollnomenklatur weitgehend zu berücksichtigen.

/. Die Kommission ist damit einverstanden, dass für die Werbung zugunsten von Warenexport und Fremdenverkehr grössere staatliche Mittel eingesetzt werden. Sie betont aber die Notwendigkeit, dabei jede Kräftezersplitterung zu vermeiden, die Aktionen wohl zu überlegen und zu konzentrieren und für die beiden genannten Wirtschaftszweige nach einheitlichen Eichtlinien durchzuführen. Was insbesondere den Ausbau des Wirtschaftsdienstes bei unsern Gesandtschaften und Konsulaten im Ausland anbelangt, so sollte diese ganze Tätigkeit vollständig beim Volkswirtschaftsdepartement konzentriert bzw. von diesem geleitet werden. Das sich mit dem Wirtschaftsdienst befassende Personal der Gesandtschaften und Konsulate ist sorgfältig auszuwählen und auszubilden, direkt dem Volkswirtschaftsdepartement zu unterstellen und bei Bewährung sozial und finanziell möglichst gut zu stellen.

8. Vom Standpunkte der Aussenwirtschaftspolitik aus ist, konsequenter noch als bisher, der Fremdenverkehr gleich zu würdigen und gleich zu behandeln wie die Exportindustrie. Dies gilt sowohl für alle Fragen der Auslandswerbung wie auch für die Berücksichtigung bei Clearing- und Kompensationsabkommen.

Mit Bezug auf die Frage der Berücksichtigung von Warenexport und Fremdenverkehr einerseits und Kapitalinteressen anderseits ist die Kommission der Ansicht, dass sich
schematische Eichtlinien nicht aufstellen lassen, die bisherigen Lösungen aber ungefähr das Richtige getroffen haben.

4. Die Kommission hat im weitern einige Probleme in den Kreis ihrer Beratungen gezogen, ohne mit Bezug auf sie zu bestimmten Schlüssen und Vorschlägen zu gelangen. Sie begnügt sich für den Augenblick damit, diese Fragen der Aufmerksamkeit der Plenarkommission und der Bundesbehörde zu empfehlen. Es handelt sich um folgende Punkte: o. Staatliche Überwachung und eventuell Begulierung des Importes fremder Kapitalien. Was den Kapitalexport anbelangt, so hat sie ihrer Ansicht über die Notwendigkeit einer Aufsicht bereits Ausdruck gegeben.

919

b. Da es nach Ansicht der Kommission auch im besten Falle voraussichtlich unmöglich sein wird, alle Arbeitslosen wieder ausreichend zu beschäftigen, stellt sich neben der Frage der Fürsorge für ältere Arbeitslose das Problem einer zielbewussten staatlichen Auswandererpolitik.

c. Es wird den Exporteuren schweizerischer Waren vorgeworfen, einerseits auf Kosten der Erhöhung des Exportvolumens zu hohe Preise zu fordern und anderseits den Exporterlös durch rücksichtslose gegenseitige Unterbietungen auf den Auslandsmärkten unnötig zu vermindern. Es stellt sich hier die gleiche Frage, die für die inländische Produktion durch eine andere Unterkommission zu untersuchen ist, nämlich ob allfällige von Berufsorganisationen getroffene Preisverabredungen durch staatliche Machtmittel allgemein verbindlich erklärt werden sollen.

920

Feststellungen und Richtlinien zur innern Wirtschaftspolitik.

(Bericht der Unterkommission II vom 11. März 1937.)

I. Allgemeine Grundsätze der innern Wirtschaftspolitik.

1. In voller Anerkennung der wirtschaftlichen und sozialen Fortschritte, die unter der Herrschaft des Prinzips der Wirtschaftsfreiheit erreicht werden konnten, ist die Kommission der Auffassung, dass mit Eücksicht auf das erhöhte Ausmass staatlicher Intervention im Ausland, auf die ununterbrochenen Veränderungen in den wirtschaftlichen Grundlagen, auf die wachsende Komplizierung des Wirtschaftslebens und deren soziale Kückwirkungen, sowie auf gewisse Missbräuche der freien Konkurrenz auf absehbare Zeit vermehrte Anstrengungen zur Selbsthilfe in den einzelnen Wirtschaftszweigen und eine stärkere staatliche Intervention im Wirtschaftsleben e r f o r d e r l i c h sein d ü r f t e n , als dies vor dem Kriege der Fall war, womit aber keineswegs gesagt sein soll, dass die bestehenden Beschränkungen in ihrer jetzigen Form und in ihrem jetzigen Umfang aufrecht zu erhalten seien.

2. Die Kommission ist dabei der Meinung, dass diese Neuorientierung nicht eine Preisgabe des Prinzips der wirtschaftlichen Freiheit bedeutet, sondern die Wiederherstellung des Leistungsprinzips und der persönlichen Verantwortung im Dienste des Volksganzen unter Anpassung an die veränderten Wirtschaftsbedingungen.

Abgesehen von der Überwachung und Wiederherstellung gesunder Grundsätze freier Konkurrenz und der Selbstregulierung der Wirtschaft kommen staatliche Ordnungsmassnahmen nur so weit in Betracht, als durch Missbräuche der wirtschaftlichen Freiheit erhebliche und o f f e n sichtliche nationale Interessen bedroht sind. Schutzmassnahmen zugunsten besonders gefährdeter Berufe oder von selbständig Erwerbenden, die unter ausserordentlichen Umständen ihren Unternehmeraufgaben nicht voll gewachsen sind, dürfen nur dann g e t r o f f e n werden, wenn die Existenz von B e r u f s g r u p p e n , die unter wirtschaftlich normalen Verhältnissen lebensfähig und für die Allgemeinheit von Bedeutung sind, in Frage steht und nicht nur unbequeme Konkurrenzrücksichten massgebend sind.

3. Das Hauptmittel zum Schütze bedrohter Schichten der selbständig Erwerbenden sieht die Kommission in der Stärkung der bet r e f f e n d e n Betriebe von innen heraus durch Hebung der Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung und durch Erziehung der Betriebs-

921 Inhaber zu moralisch einwandfreier Geschäftsgebarung sowie zu b e r u f l i c h e r und wirtschaftlicher Tüchtigkeit. Bei der Lösung dieser Aufgaben fällt den Berufsverbänden eine wichtige Eolle zu.

Im Hinblick darauf ist die Frage zu prüfen, ob nicht eine Eevision de:, rechtlichen Bestimmungen über die W i r t s c h a f t s v e r b ä n d e angezeigt wäre.

4. Dagegen betrachtet die Kommission die E in schränkung der Grossbetriebe durch Polizeivorschriften, den.Brlass von E r ö f f n u n g s - und Erweiterungsverboten, die A n w e n d u n g der B e d ü r f n i s k l a u s e l sowie die E i n f ü h r u n g von P r o d u k t i o n s b e s c h r ä n k u n g e n mit staatlichem Zwang auf die Dauer nicht al-s geeignete Mittel der Wirtschaftspolitik.

Ohne in Abrede stellen zu wollen, dass in Notzeiten und sonstigen ausserordentlichen Fällen solche Massnahmen vorübergehend und im Einzelfall gerechtfertigt sein können, ist die Kommission der Auffassung, dass diese Mittel keine allgemeine Anwendung finden d ü r f e n .

Es wird darauf hingewiesen, dass der Staat auf die Dauer über die Zweckmässigkeit der verschiedenen Betriebsformen nicht bestimmen kann, dass die Erweiterungsverbote umgangen werden, dass sie die technische Entwicklung hemmen und überdies unliebsame Eückwirkungen auf das Baugewerbe haben, dass die Anwendung der Bedürfnisklausel monopolartige Verhältnisse für die bestehenden Betriebe schafft und den Eintritt tüchtigen Nachwuchses ins Erwerbsleben hemmt. Überdies wäre zu befürchten, dass die privilegierten Betriebe so teuer bezahlt werden, dass der ganze Versuch nach kurzer Zeit illusorisch würde.

In bezug auf den Warenhausbeschluss gingen die Meinungen auseinander. Während sich ein Teil der Mitglieder gegen eine Erneuerung dieses Bundesbeschlusses aussprach, waren andere der Auffassung, dass man ihn der Volksabstimmung unterbreiten sollte, während andere für seine Erneuerung eintraten. Die Auffassung, dass die Genossenschaften in Zukunft vom Filialverbot befreit werden sollten, wurde mehrheitlich, aber nicht einstimmig, vertreten.

5. Die Kommission ist daher der Meinung, dass die B e k ä m p f u n g der Missbräuche in erster Linie durch eine freie Verständigung zwischen den beteiligten Kreisen, gegebenenfalls unter Mitwirkung des Staates, erreicht werden sollte.

Für den Fall, dass
dieser Weg der freien Verständigung nicht zum Ziele führt, sollte die rechtliche Möglichkeit g e s c h a f f e n werden, Vereinbarungen und Beschlüsse von Verbänden für die b e t r e f f e n d e Berufsgruppe allgemein verbindlich zu erklären, sofern die Existenzgrundlagen von Berufsgruppen, die unter wirtschaftlich normalen Verhältnissen lebensfähig und für die Allgemeinheit von Bedeutung sind, offensichtlich gefährdet erscheinen.

922

6. Dabei ist sich die Kommission bewusst, dass genügende Sicherheiten zur Verhinderung eines Missbrauches dieser Einrichtung geschaffen werden müssen, insbesondere hinsichtlich des Vorgehens bei der Einführung des Verfahrens und des Geltungsbereiches.

7. Da über das Funktionieren dieser Einrichtung weder im Ausland noch im Inland ausreichende und eindeutige Erfahrungen vorliegen, ist die Kommission der Auffassung, dass diese Einrichtung organisch wachsen und nicht als geschlossenes System schematisch eingeführt werden sollte.

8. Um zu erreichen, dass alle durch eine Verbindlicherklärung berührten privaten und öffentlichen Interessen zur Geltung kommen, ist zur materiellen P r ü f u n g der von den Verbänden eingereichten Anträge zur Verbindlichkeitserklärung ein von den wirtschaftlichen und politischen Interessengruppen unabhängiges, durch den Staat bestelltes Kollegium, bestehend aus 3--5 in W i r t s c h a f t s f r a g e n Sachverständigen, zu schaffen, ohne dessen mehrheitliche Zustimmung keine Allgemeinverbindlichkeit seitens des Bundesrates ausgesprochen werden darf.

Ausserdem ist dafür zu sorgen, dass die Spitzenverbände der Wirtschaft und alle b e t r o f f e n e n Kreise Gelegenheit erhalten, sich zu dem Antrag zu äussern.

Ferner ist durch zweckentsprechende Umschreibung der Voraussetzungen, welche die Berufsverbände zur Gültigkeit ihrer Anträge zu erfüllen haben, dafür zu sorgen, dass die Minderheiten angemessen zur Geltung kommen.

Endlich sind Berufungsmöglichkeiten und ausreichende Eevisionsmöglichkeiten beim Vorliegen von Missbräuchen oder offensichtlichen Nachteilen vorzusehen. Zu diesem Zwecke ist für eine angemessene Publikation der Vereinbarungen und Beschlüsse zu sorgen.

Durch solche Vereinbarungen darf das interne Verfügungsrecht der Betriebsinhaber, einschliesslich der Genossenschaften, über die Verteilung des Reingewinns nicht berührt werden.

9. In bezug auf den materiellen Inhalt der Verträge und Beschlüsse, die allgemein verbindlich erklärt werden dürfen, hält die Kommission eine sorgfältige Umschreibung der Kompetenzen nach der Enumerationsmethode und eine vorsichtige Anwendung als für den Erfolg des Versuches entscheidend.

Wenn auch grundsätzlich keine Frage von dieser Regelung ausgeschlossen werden sollte, so muss mit allen Mitteln verhindert werden, dass durch
dieses Verfahren der Preis- und Marktmechanismus ohne Not in seinem Funktionieren gestört wird. Im allgemeinen soll das Gebiet der Preise und der Produktionsregelung nicht zum Gegenstand der Allgemein-

923

Verbindlichkeit gemacht werden. Von diesem Grundsatz soll höchstens im Einzelfall beim Vorliegen eines ausserordentlichen Notstandes abgewichen werden, im Sinne einer vorübergehenden und befristeten Massnahme und unter besonderen Erschwerungen und wirksamer Kontrolle der betreffenden Betriebe.

Die ungesunde Preisbildung soll namentlich durch entsprechende Vorschriften über Buchhaltung, durch Normalisierung der Kalkulation und unter Umständen durch Auskunftspflicht gegenüber neutralen Stellen b e k ä m p f t werden. Für die Verhältnisse in der Landwirtschaft sollen die in Abschnitt III (Agrarpolitik) angeführten Grundsätze sinngemäss Anwendung finden.

Ebensowenig darf die Verbindlichkeitserklärung als ein Mittel der Diskriminierung gegenüber bestimmten Betriebsformen benutzt werden, sofern dafür gesorgt wird, dass gesunde Konkurrenzgrundsätze und die Verpflichtungen gegenüber Dritten eingehalten werden.

Wo die Verbindlichkeitserklärung zu einem materiellen Schutz führt, ist d a f ü r zu sorgen, dass nicht die am wenigsten leistungsfähigen Betriebe als Norm betrachtet werden, sondern ein tüchtiger und rationell arbeitender Betrieb.

Um zu verhindern, dass durch die Verbindlichkeitserklärung unberechtigte Monopolgewinne oder Leistungsverroinderung eintreten, ist gegebenenfalls eine vermehrte Auskunftspflicht, insbesondere über die Ertragsverhältnisse, vorzusehen.

Ebenso sollte die Möglichkeit vorgesehen werden, die Erteilung der Verbindlichkeitserklärung von gewissen Voraussetzungen in bezug auf Organisation und Wirtschaftlichkeit der betreffenden Berufsgruppen abhängig zu machen.

10. Nach der Meinung der Kommission sind geeignete Massnahmen gegen den unlauteren Wettbewerb zu treffen, wobei einerseits eine zu weitgehende Schematisierung zu vermeiden, anderseits aber den speziellen Verhältnissen der einzelnen Berufsgruppen Eechnung zu tragen ist.

Ausserdem sollte die Gesetzgebung und Gerichtspraxis gegenüber Firmen, die ihre Zahlungsunfähigkeit betrügerisch oder fahrlässig h e r b e i f ü h r e n , verschärft werden.

11. Die Kommission ist der Überzeugung, dass diese Vorschläge keine Preisgabe des Prinzips der wirtschaftlichen Freiheit bedeuten sollen, sondern lediglich die Ausmerzung einer nicht auf höherer Leistung beruhenden Konkurrenz von Betrieben, die sich nur durch unterdurchschnittliche
Bezahlung der Arbeiter, durch Nichteinhaltung ihrer Schuldverpflichtungen und durch qualitativ ungenügende Arbeit behaupten können.

Eine auf loyaler Grundlage beruhende Konkurrenz betrachtet dagegen die Kommission nach wie vor als notwendig,

924

t.

um eine Erstarrung und Monopolisierung des Wirtschaftslebens zu verhindern und um den technischen Fortschritt nicht zu gefährden.

12. Die Kommission empfiehlt, die Frage einer Kartellgesetzgebung zu prüfen.

13. Die Kommission empfiehlt eine rasche P r ü f u n g der Frage, wie diese Postulate gesetzliche Form erhalten können. Bis zu ihrer endgültigen Verwirklichung soll nach der Meinung der Kommission die B e k ä m p f u n g der N o t s t ä n d e , wie bis anhin, als Krisenmassnahmen, jedoch imEahmen der gemachten Vorschläge, unter Fühlungnahme mit den Interessenten und den wirtschaftlichen Spitzenverbänden und, wenn nötig, unter Einsetzung von Fachkommissionen, geregelt werden.

II. Gewerfoepolitik.

1. Die Erhaltung eines selbständigen Mittelstandes in Gewerbe und Handel ist eine wichtige A u f g a b e der staatlichen Wirtschaftspolitik.

2. Die Handels- und Gewerbefreiheit, welche die unerlässliche Grundlage für das wirtschaftliche Gedeihen und für den technischen Fortschritt im Gewerbe bildet, hat aber auch Auswüchse gezeitigt, unter denen die Geltendmachung des persönlichen Leistungsprinzips und der persönlichen Verantwortung auf gesunder Grundlage nicht immer und überall, besonders nicht in Krisenzeiten, möglich geworden ist. Darunter leidet die überwiegende Zahl der Klein- und Mittelbetriebe, die deshalb einer vermehrten staatlichen Förderung unter stärkerer Mitwirkung der Verbände und Genossenschaften bedürfen.

8. Die Stärkung dieser Betriebe muss namentlich von innen heraus durch Hebung ihrer Qualität und Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit erfolgen. Auf diesem Wege sind sichere und dauernde Erfolge zu erzielen.

Es ist deshalb Aufgabe der staatlichen Wirtschaftspolitik, die gesetzlichen Vorkehren für eine solche Entwicklung zu treffen.

4. In diesem Zusammenhang erscheint es als unerlässlich, den Zustrom ungeeigneter Elemente zum Kleingewerbe und zum Detailhandel zu verhindern.

Zu diesem Zwecke betrachtet es die Kommission als grundsätzlich wünschenswert, den obligatorischen Fähigkeitsausweis zur selbständigen Ausübung eines B e r u f e s e i n z u f ü h r e n . Die Einführung dieses Ausweises in den einzelnen Berufen hätte auf Antrag eines interessierten Spitzenverbandes zu erfolgen, wobei zu prüfen wäre, ob die Meisterprüfungen nach dem heutigen Berufsbildungsgesetz zur Erreichung dieses Fähigkeitsausweises dienen können. Aufgabe des Staates müsste es bleiben, dafür zu

925

sorgen, dass diese Prüfungen nicht zur Abschliessung einzelner Berufe dienen, sondern dass der Zugang allen tüchtigen Bewerbern offen steht.

5. Die Kommission ist ferner der Auffassung, dass alle Bestrebungen u n t e r s t ü t z t werden sollten, die der Steigerung der Leistungsfähigkeit der mittelständischen Betriebe dienen. Zu diesem Zwecke empfiehlt die Kommission: a. die Erhaltung und Entwicklung des gewerblichen und kaufmännischen Bildungswesens, wobei jedoch von einer zu weitgehenden Spezialisierung abgesehen werden soll; 6. die Unterstützung der Bestrebungen zur Hebung der W i r t s c h a f t lichkeit der einzelnen Betriebe; c. die Förderung des betriebliehen Eechnungswesens und einer richtigen Preiskalkulation ; d. zweckmässige Betriebsberatung, die zugleich eine Ausdehnung des gewerblichen Kleinkredites und die Sanierung notleidender Betriebe ermöglicht ; e. die Schaffung vertraglicher Vereinbarungen mit Lieferanten und Abnehmern über Lieferungs- und Kreditbedingungen, um eine zunehmende Verschuldung der Betriebe des Mittelstandes zu verhindern.

6. Die Kommission glaubt, dass diese Ziele am zweckmässigsten durch eine freie Verständigung oder durch Vereinbarungen und Beschlüsse von Verbänden mit der Möglichkeit der Verbindlicherklärung im Sinne von Ziffer 5, sowie durch die ergänzenden gesetzlichen Massnahmenim Sinne der Ziffern 3 und 10 der allgemeinen Grundsätze der innern Wirtschaftspolitik erreicht werden könnten.

7. Die Kommission glaubt, dass auf dem Wege von Vereinbarungen auch eine gewisse Verständigung mit den Grossbetrieben möglich wäre, wobei unter Umständen der Abschluss solcher Vereinbarungen durch die Mitwirkung der Bundesverwaltung erleichtert werden könnte.

8. Die Kommission ist der Überzeugung, dass im Eahmen der Grundsätze der allgemeinen Wirtschaftspolitik es dem Mittelstande damit möglich ist, auf dem Wege der Selbsthilfe seine Existenzgrundlagen zu erhalten.

III. Agrarpolitik.

1. Die Kommission bejaht einhellig die Notwendigkeit von Schutzmassnahmen zur Erhaltung eines gesunden schweizerischen Bauernstandes. Sie erachtet eine möglichst vielseitige und rationelle Nutzung der agraren Produktivkräfte des Landes für richtig. Die Erreichung dieses Zieles darf jedoch nicht bloss von staatlichen Massnahmen erwartet werden; es ist dafür der höchstmögliche Einsatz der Berufstätigen und ihrer Organisationen im Sinne der Selbsthilfe ebenso wichtig.

926

2. Die Entwertung ausländischer Währungen und die Verschiebungen in der ausländischen Agrarproduktion haben besondere Stützungsmassnahmen zugunsten der schweizerischen Bauernschaft notwendig gemacht.

Die A b w e r t u n g des Schweizerfrankens hat der schweizerischen Landwirtschaft in der Form steigender Exportpreise, besonders für Käse, sowie in der Gestalt von Schuldzinsverminderungen -- bis jetzt allerdings nur vereinzelt und in bescheidenem Umfang -- eine gewisse Erleichterung gebracht.

Die Besserung des bäuerlichen Einkommens darf auch von einer Absatzbelebung als Folge der durch die Abwertung eingeleiteten gesamtwirtschaftlichen Erholung erwartet werden.

Die Kommission wünscht deshalb eine Ü b e r p r ü f u n g der staatlichen Preisstützungsmassnahmen (unter Berücksichtigung der veränderten Produktionskosten) auf die Möglichkeit ihres Abbaus.

8. Die bestehenden Einkommensverhältnisse in der schweizerischen Landwirtschaft lassen zurzeit noch das For t bestehen eines staatlichen Preisschutzes wünschbar erscheinen. Dieser Preisschutz darf nicht als staatliche Sicherung eines bestimmten Einkommens betrachtet werden. Persönliche Befähigung und rationelle Betriebsführung müssen die notwendigen Voraussetzungen des Erfolges bleiben und trotz des staatlichen Schutzes eine möglichst billige Beschaffung landwirtschaftlicher Erzeugnisse gewährleisten. In diesem Sinne unterstützt die Kommission das Streben der schweizerischen Bauernschaft auf Produktpreise, welche den Produktionskosten in rationell geführten und zu wirtschaftlich vernünftigen Preisen erworbenen Bauernbetrieben entsprechen. Die Produktionskosten sind so zu berechnen, dass dem Bauern und seinen regelmässig im Betrieb mitarbeitenden erwachsenen Familiengliedern ausser einer landesüblichen, der Sicherheit der Anlage Bechnung tragenden Verzinsung des in der Landwirtschaft angelegten Vermögens ein Arbeitsverdienst ermöglicht wird, der mindestens den Dienstbotenlöhnen entspricht.

Zur Erreichung einer zeitgemässen Betriebsführung in der Landwirtschaft unterstützt die Kommission die staatliche Förderung der Fachbildung.

4. Die staatlichen Eingriffe in die Preisbildung bäuerlicher Erzeugnisse bedingen eine staatliche und verbandliche Eegelung der agraren Produktion. Sie soll nach der Ansicht der Kommission nur ganz ausnahmsweise mit dem Mittel
der Produktionskontingentierung, in der Regel aber durch eine entsprechende Handhabung der Einfuhrpolitik erfolgen.

5. Als Hauptursache der schlimmen wirtschaftlichen Lage vieler bäuerlicher Betriebe erkennt die Kommission die Überbewertung und Überbezahlung des landwirtschaftlich genutzten Bodens. Die Überbewertung des Bodens hat in vielen Fällen zu einer Bodenverschuldung geführt, welche durch den wirklichen Ertrag nicht mehr gerechtfertigt wird. Wenn auch die Kommission die Möglichkeit sieht, dass durch eine bäuerliche Einkommensvermehrung (über bessere Exportpreise und einen steigenden Inlandabsatz von landwirtschaftlichen Erzeugnissen) ein günstigeres Verhältnis zwischen Ertrag und

-927 Schuldbelastung geschaffen werden wird, so erkennt sie doch die Notwendigkeit der Sanierung jener Betriebe, die zu sehr überschuldet sind, als dass ihnen von der Preis- und Umsatzseite her noch geholfen werden könnte. Sie befürwortet ein Sanierungsverfahren, das demjenigen der gutverwalteten kantonalen Bauernhilf skassen entspricht und welches unter Inanspruchnahme der Gläubiger, Bürgen und staatlicher Zuschüsse die vorhandenen fiktiven Werte ausmerzt.

6. Zur Verhinderung einer Neuverschuldung befürwortet die Kommission die Festlegung einer Verschuldungsgrenze und die Verbindlicherklärung des Ertragwertprinzips für den bäuerlichen Erbgang.

Sie ist der Auffassung, dass diese Massnahmen unverzüglich zu ergreifen sind.

Da es zweifelhaft ist, ob diese Massnahmen genügen, so ist eine besondere gesetzliche Eegelung des bäuerlichen Liegenschaftsmarktes und des Bürgschaftswesens ins Auge zu fassen. Die Kommission ist ferner der Auffassung, dass das bestehende Verbot der Veräusserung landwirtschaftlicher Grundstücke während einer Sperrfrist aufrecht erhalten werden sollte.

7. Die Kommission erachtet die bäuerliche Bergbevölkerung für besonders schutzbedürftig. Sie begrüsst die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten durch die Förderung der Meliorationen, des Holzabsatzes und der bäuerlichen Heimarbeit.

IT. Arbeitszeit in Industrie und Gewerbe.

A. Arbeitszeitbestimmungen des Fabrikgesetzes.

1. Die Kommission anerkennt, dassdieAuswirkungen der 48-StundenWoche des bestehenden Fabrikgesetzes im grossen und ganzen b e f r i e digend waren. Soweit Änderungen gewünscht werden, kommt nur der gesetzliche Weg in Betracht, nicht aber der Weg dringlicher Bundesbeschlüsse.

2. Die Kommission spricht sich im Interesse der Aufrechterhaltung der Konkurrenzfähigkeit mit dem Ausland für eine elastische Handhabung der Arbeitszeitbestimmungen des Fabrikgesetzes aus. Sie billigt jedoch die Zurückhaltung in der Erteilung von Bewilligungen für Arbeitszeitverlängerungen im Sinne der abgeänderten Normalarbeitswoche (Art. 41 FG) und für Überzeitarbeit (Art. 48) überall da, wo die praktische Möglichkeit besteht, den vermehrten Arbeitsbedarf in den betreffenden Betrieben durch Wiedereinstellung Arbeitsloser zu decken.

3. Eine Verkürzung der im ununterbrochenen Betrieb zulässigen 56-Stunden-Woche wird nicht verlangt, wohl aber eine grössere Z u r ü c k h a l t u n g in der Bewilligung von Sonntagsarbeit aus Eücksicht auf das Familienleben der Arbeiter.

Es besteht Einigkeit darüber, dass Sonntagsarbeit bewilligt werden sollte, soweit diese aus technischen Gründen unentbehrlich ist.

Ein Teil der Mitglieder empfiehlt Ablehnung von Gesuchen nach Sonntagsarbeit aus wirtschaftlichen Gründen, während die übrigen an der Bestimmung von Art, 53 F G festhalten.

928 B. Arbeitszeit in Handel und Gewerbe.

4.Von g e w e r k s c h a f t l i c h e r Seite wird verlangt, dass die seitlangem in Angriff genommene Gesetzgebung über eine einheitliche Eegelung der Arbeitszeit in Handel und Gewerbe v o r w ä r t s gebracht werden sollte. Den besonderen Verhältnissen im Gewerbe könnte durch eine elastischere Gestaltung der Vorschriften sowie durch die Gewährung einer Anpassungszeit Eechnung getragen werden. Da auf diese Weise ein Teil der Schmutzkonkurrenz beseitigt würde und sich auch auf diesem Gebiet die 48-Stunden-Woche als ein Hebel des Fortschritts erweisen werde, lasse sich ihre Einführung ohne Kostenüberwälzung verwirklichen.

Demgegenüber wird von den Gewerbevertretern betont, dass diese Frage erst in Angriff genommen werden könne, wenn die w i r t s c h a f t l i c h e n Probleme des Gewerbes gelöst seien; das Gewerbe ertrage eine derartige Belastung heute nicht, da zahlreiche Gewerbetreibende schlechter gestellt seien als ihre Arbeiter. Überdies wird auf die Schwierigkeiten der Überwachung der mehr als hunderttausend Betriebe sowie auf die Verschiedenheit der Verhältnisse zwischen den einzelnen Erwerbszweigen hingewiesen.

Die Mehrheit der Kommission anerkennt die grundsätzliche Wünschbarkeit einer solchen Eegelung vom sozialen Standpunkt, ist jedoch der Meinung, dass der gegenwärtige Z e i t p u n k t zu ihrer Verwirklichung aus w i r t s c h a f t l i c h e n Gründen nicht geeignet ist. Nachdem eben durch die Abwertung der Anschluss an den Weltmarkt wieder hergestellt wurde, muss alles getan werden, um zu verhindern, dass die Konkurrenzfähigkeit der schweizerischen Industrie erneut in Frage gestellt werde.

Unter diesen Umständen hält es die Kommission mehrheitlich für inopp o r t u n , die Einzelheiten einer D u r c h f ü h r u n g einer bundesgesetzlichen Arbeitszeitregelung in Handel und Gewerbe im gegenwärtigen Zeitpunkt zu besprechen. Dagegen ist die Kommission der Auffassung, dass die Frage auf dem Wege von Verbandsvereinbarungen geregelt werden sollte, sobald die Voraussetzungen für die Verbindlicherklärung geschaffen sind, wobei ein Bahmengesetz das Zustandekommen einer solchen Eegelung zu sichern hätte.

5. Dagegen ist die Kommission der Meinung, dass alle Kreise der Privatwirtschaft mithelfen sollten, die Arbeitslosigkeit so rasch wie möglich
zum Verschwinden zu bringen, indem sie bei einer Steigerung der Beschäftigung nach Möglichkeit den vermehrten Arbeitsbedarf durch Neueinstellung von A r b e i t s k r ä f t e n und nicht durch länger dauernde Überzeit- und Nachtarbeit decken.

C. Weitere Verkürzung der Arbeitszeit in Fabriken.

(40-Stunden-Woche.)

6. Es besteht Übereinstimmung darin, dass eine plötzliche und schematische Eeduktion der Arbeitszeit im gegenwärtigen Zeit-

929

punkt nicht in Frage kommt, weil dadurch der Exportindustrie zugrosse Lasten auferlegt und die Tendenz zur Mechanisierung verschärft würde.

Dagegen wurde von Arbeitnehmerseite die Auffassung vertreten, dass die Möglichkeit einer differenzierten Verkürzung für einzelne Erwerbszweige als Mittel der Krisenbekämpfung ohne Lohnausgleich ins Auge gefasst werden sollte. Es kämen dafür hauptsächlich Erwerbszweige in Betracht, in denen stark rationalisiert worden ist, so dass trotz starker Erhöhung des Beschäftigungsgrades die vorhandenen Arbeitskräfte nicht wieder Beschäftigung finden dürften.

Wenn auch von mehreren Seiten Bedenken gegen diesen Vorschlag erhoben wurden, war die Kommission einverstanden, dass die Frage studiert werde, unter der Voraussetzung, dass es sich um eine freiwillige Eegelung von Fall zu Fall im Einverständnis mit den beteiligten Kreisen handle.

7. Über die Wünschbarkeit einer weiteren Verkürzung der Arbeitszeit auf längere Sicht traten entgegengesetzte Auffassungen zutage.

Die Vertreter der Arbeitnehmer sprechen sich teilweise zugunsten einer weiteren Verkürzung aus, um durch die Erhöhung der Lebenshaltung die Entwicklung der Volkswirtschaft zu fördern und um den erhöhten Anforderungen Eechnung zu tragen, die in einzelnen Erwerbszweigen infolge der Bationalisierung an den Arbeiter gestellt werden.

Die Vertreter der Exportindustrie betrachten dagegen eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit vom Standpunkt der Konkurrenzfähigkeit aus als untragbar, da die wirtschaftliche Besserung auf einer unsicheren Grundlage ruhe. Sie sei zum Teil eine Folge der Büstungskonjunktur, die vorübergehend die ausländischen Staaten veranlasse, den Spitzenbedarf in der Schweiz zu decken. Überdies könne diese Beschäftigung nur erhalten werden, wenn die Elastizität der Arbeitszeitgestaltung bestehen bleibe. Ferner habe die Schweiz ständig mit der Konkurrenz von Ländern zu rechnen, die sich wenig an Arbeitszeitbestimmungen hielten. Endlich würde die Arbeitszeitverkürzung infolge der Kostenverteuerung die Vorteile der Abwertung in Frage stellen.

8. Die Kommission selbst bringt einmütig volles Verständnis für die weitere Hebung der Lage der Arbeiter und Angestellten zum Ausdruck. Sie ist der Auffassung, dass der soziale und wirtschaftliche Fortschritt aufs engste miteinander verbunden sind. Nachdem durch
die vorangegangene Krise das Eealeinkommen der Volkswirtschaft stark reduziert worden ist, handelt es sich nunmehr darum, dessen früheren Stand wieder zu gewinnen, was nur möglich ist, wenn auch die Konkurrenzfähigkeit mit dem Ausland aufrecht erhalten werden kann. Die Hebung der Lage der Arbeiter und Angestellten muss zunächst durch die Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den Arbeitsprozess angestrebt werden.

Bundesblatt. 89. Jahrg. Bd. II.

66 '

930 Wie weit eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit mit entsprechendem Lohnausgleich eintreten sollte, darüber gehen die Meinungen auseinander.

In jedem Fall kann die Schweiz als kleines, auf den Export angewiesenes Land an die Verwirklichung dieses Postulates erst denken, wenn auch die massgebenden grösseren Konkurrenzländer diese Beform verwirklicht haben.

D. Einführung bezahlter Ferien.

9. Das soziale Postulat der Gewährung bezahlter Ferien ist grundsätzlich unbestritten.

Die Kommission ist jedoch mehrheitlich der Auffassung, dass bei den bestehenden wirtschaftlichen Verhältnissen der Privatwirtschaft Gelegenheit gegeben werden sollte, das Postulat von sich aus unter Ausschluss gesetzlicher Eegelung, eventuell unter Mitwirkung der Verbände, zu verwirklichen.

Die Vertreter der Arbeitgeber erklären dafür einzustehen, dass Industrie, Gewerbe und Handel alles tun werden, um die frühere Praxis, die in der Krise teilweise eingeschränkt wurde, wieder einzuführen und soweit als möglich zu verallgemeinern.

Die Vertreter der Arbeitnehmer wünschen eine Ausdehnung der Feriengewährung und postulieren die gesetzliche Festlegung eines Mindestmasses.

T. Erhöhung des Mindestalters für den Eintritt ins Erwerbsleben.

1. Die Frage, ob das Mindesteintrittsalter ins Erwerbsleben für diejenigen Berufe, die der Gesetzgebung des Bundes unterstehen (also mit Ausnahme der Land- und Forstwirtschaftschaft und des Haushalts), auf fünfzehn Jahre erhöht werden soll, wird von Arbeitnehmerseite begrüsst, nicht nur mit Bücksicht darauf, dass der Arbeitsmarkt um 8000--4000 Personen entlastet werden könnte, sondern auch deshalb, weil infolge der Bationälisierung die Ansprüche an die Jugendlichen gestiegen sind und sie durch die Hinauf setzung des Mindestalters diesen Anforderungen besser gewachsen sein werden.

Kommissionsmitglieder aus Arbeitgeberkreisen erklären, dass sie, angesichts der Beschlüsse, die seinerzeit in ihren Verbänden gefasst worden sind, nicht in der Lage seien, der Neuerung zuzustimmen, dass sie aber bereit seien, die Frage innerhalb ihrer Organisationen nochmals zu prüfen.

Abgesehen von diesen Vorbehalten wird aus dem Kreise der Mitglieder kein Einspruch erhoben. Ein Vertreter des Gewerbes betont, dass die Zustimmung des Gewerbeverbandes seinerzeit unter der Voraussetzung erfolgt sei, dass gleichzeitig die Schulpflicht der Neuregelung angepasst werde, da sonst die Beschäftigung von Jugendlichen in gewerblichen Betrieben kaum verhindert werden könne.

2. Um in den Kantonen, in denen das Schulalter nicht bis zum 15. Lebensjahr geht und infolgedessen eine Lücke zwischen Schulaustritt und Berufs-

931 eintritt entsteht, die Gefahren einer allfälligen Untätigkeit der Jugendlichen zu vermeiden, wird empfohlen, die Bestrebungen zur Unterbringung dieser Kinder in Landwirtschaft und Haushalt zu fördern, unter Umständen auch durch Einschiebung eines Landjahres, jedoch unter der Voraussetzung, dass kein Obligatorium geschaffen werde und eine ausreichende Kontrolle bestehe, durch die Missbräuche verhindert werden. Die landwirtschaftlichen Verbände wären bereit, diese Bestrebungen zu unterstützen.

Die Ausrichtung einer finanziellen Beihilfe an die .Eltern wird abgelehnt, da der Vorschlag einer solchen Subventionierung den Widerstand gegen die Neuerung erhöhen würde.

Eine Förderung der Institutionen, die sich die Beschäftigung der fraglichen Kinder zur Aufgabe machen, wird begrüsst, sofern dadurch keine Subventionen erforderlich werden," die über diejenigen für das Berufsschulwesen hinausgehen.

3. Der Ausschuss erklärt sich (mit den früher genannten Vorbehalten) damit einverstanden, dass den Kantonen nahegelegt wird, sich mit ihrer Primarschulgesetzgebung der Bundesgesetzgebung über das Mindesteintrittsälter ins Erwerbsleben anzupassen.

Verschiedene Mitglieder sind jedoch der Auffassung, dass es unzweckmässig wäre, dies durch eine allgemeine Erhöhung des Eintrittsalters in die Schule zu erreichen; dagegen könne es den Eltern gestattet werden, den Eintritt ihres Kindes in die Schule um ein Jahr hinauszuschieben. Bei einer allfälligen Verlängerung der Schulzeit wäre eine Überschulung zu vermeiden und das Schwergewicht auf die Vorbereitung für die Praxis zu legen.

VI. Erhaltung des Arbeitsfriedens.

1. Der Bundesratsbeschluss über ausserordentliche Massnahmen betreffend die Kosten der Lebenshaltung vom 27. September 1936 sagt in Art. l : «Um eine ungerechtfertigte Erhöhung der Kosten der Lebenshaltung zu vermeiden und die Anpassung der Volkswirtschaft an die durch die Abwertung der Währung geschaffenen Verhältnisse zu erleichtern, wird das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt : a. (betrifft Warenpreise); b. (betrifft Bestandesaufnahme); c. schiedsgerichtlich und endgültig über kollektive Lohn Streitigkeiten, die durch Verständigung der Parteien nicht beigelegt werden, zu entscheiden.» Durch diesen Beschluss, der in Ausführung der Frankenabwertung gefasst wurde, nahm sich der Bundesrat die Befugnis zum Schiedsspruch in Lohnkonflikten.

2. Die Kommission (mit Ausnahme von Herrn Nationalrat Schmid-Euedin) ist der Meinung, dass eine dauernde, obligatorische staatliche Schiedsgerichtsbarkeit in Lohnkonflikten durchaus unerwünscht sei. Sie hegt die

932

stärksten Bedenken gegen staatliche Lohnfestsetzungen und weist darauf hin, dass die bisherigen Erfahrungen des Auslandes mit der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit in Lohnkonflikten die grossen staatspolitischen -Gefahren eines solchen Vorgehens aufzeigen.

8. Eine Mehrheit der Kommission stimmt der Eegelung, wie sie der angeführte Bundesratsbeschluss vom 27. September 1986 geschaffen hat, für die Dauer des Jahres 1937 in der Annahme zu, dass der Bundesrat von der Ermächtigung zum Schiedspruch mit der grössten Zurückhaltung Gebrauch machen und mit der Durchführung besondere, ausserhalb der staatlichen Verwaltung stehende Schiedsstellen betrauen werde.

Eine Minderheit der Kommission wendet sich auch gegen eine solch vorübergehende staatliche Schiedsgerichtsbarkeit in Lohnkonflikten; denn sie fürchtet eine Gefährdung der staatlichen Autorität sowie des politischen und wirtschaftlichen Friedens.

4. Über die Zusammensetzung der Schiedsstellen gehen die Meinungen auseinander. Eine Mehrheit wünscht die ausschliessliche Berufung neutraler, von den Parteien völlig unabhängiger Persönlichkeiten, während eine Minderheit der Kommission darüber hinaus noch j e einen Vertreter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerschaft fordert.

Die Kommission macht dem Bundesrat die Anregung, dass er vor der Besetzung der Schiedsstellen mit den betroffenen Parteien in Verbindung trete, um, wenn immer möglich, ihre Zustimmung zu den in Aussicht genommenen Schiedsrichtern zu erlangen und damit eine für die Verhandlungen günstige Vertrauensbasis zu schaffen.

5. Die Kommission ist der Ansicht, dass die eidgenössischen Schiedsstellen den Wirkungsbereich ihrer Schiedssprüche im einzahlen Falle selbst festzulegen und dabei auf die Konkurrenzverhältnisse in den betroffenen Wirtschaftsgebieten gebührend Eücksicht zu nehmen haben.

6. Die Kommission ist einhellig der Meinung, dass a. für das Jahr 1937 eine Meldepflicht für Lohnkonflikte bestehen solle, um den Bundesbehörden zu ermöglichen, alle Massnahmen zu treffen, welche den Ausbruch offener Konflikte vermeiden lassen; b. während der Dauer eines Schlichtungs- und Schiedsverfahrens für die Parteien sowohl Friedenspflicht, wie Erscheinungs- und Verhandlungspflicht zu gelten haben.

7. Die Kommission erachtet das bestehende freiwillige Schlichtungswesen für ausbaufähig. Von
gewerkschaftlicher Seite wird die Überprüfung-eines solchen Ausbaues in folgender Hinsicht gewünscht: a. die Möglichkeit der Ausdehnung des Schlichtungswesens auf nicht dem Fabrikgesetz unterstellte Betriebe; b. die Möglichkeit der Schaffung einer ständigen eidgenössischen Schlichtungsinstanz für Lohnkonflikte, welche über das Gebiet eines Kantons

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hinausreichen, sowie als Appellationsinstanz in lokalen Lohnkonflikten, in denen die Verhandlungen vor der örtlichen Schlichtungsstelle nicht zu einer Einigung führten.

YII. Preispolitik.

1. Die Kommission anerkennt einhellig die Notwendigkeit einer staatlichen Preiskontrolle zur D u r c h f ü h r u n g der Abwertung.

Sie erachtet den Zeitpunkt für die Aufhebung der bezüglichen Preiskontrolle heute noch nicht für gekommen, da eine freie Preisbildung das Hauptziel der Abwertung: die Wiederherstellung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz im internationalen Verkehr zur Zeit noch gefährden könnte.

2. Die Kommission befürwortet aber die fortschreitende Lockerung der geltenden Preis Vorschriften im Sinne der allmählichen Durchsetzung von Preisaufschlägen, welche durch die neue Kursgestaltung des Frankens und das Steigen gewisser Weltmarktpreise notwendig werden. Sie erwartet von einer langsamen Hebung des inländischen Preisniveaus, zusammen mit einer Umsatzbelebung und einer Steigerung der Einkommen der privaten Arbeitnehmerschaft durch Mehrbeschäftigung und durch Anpassung der während der Krise stark gesenkten Löhne eine weitreichende Erholung auch der Inland Wirtschaft.

8. Nach Massgabe der sich durchsetzenden wirtschaftlichen Erholung inuss die staatliche Preiskontrolle auf die Funktion der Überwachung «staatlich geschützter und durch kartellmässige Abreden gebundener Preise» zurückgeführt werden, die ihr im Bundesbeschluss vom 20. Juni 1936 und in der Verordnung vom 29. Juni 1986 betreffend die Überwachung von Warenpreisen als Aufgabe gestellt ist.

4. Die staatliche Preisbeeinflussung soll auf Grund einer Verständigung zwischen den staatlichen Organen und der Privatwirtschaft erfolgen. Staatliche Preisdiktate sind nur Notbehelfe ; der Staat soll durch seine Massnahmen den Übergang zur freien Preisbildung fördern.

Till. Arbeitsbeschaffung und Prodnktionsförderung.

I. Arbeitsbeschaffung.

A. Allgemeine Grundsätze.

1. Die Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den Arbeitsprozess wird allgemein als dringendste Aufgabe der schweizerischen Wirt- Schaftspolitik betrachtet.

2. Da die Beschäftigung der Arbeitslosen in ihren eigentlichen Berufen die erwünschteste Form der Arbeitsbeschaffung bildet, erwartet die Kommission die Wiedereinstellung der Arbeitslosen in erster Linie von ·der Wiederbelebung der P r i v a t w i r t s c h a f t und von den Massnahmen der allgemeinen Wirtschaftspolitik, die geeignet sind, die

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Belebung der Wirtschaft zu begünstigen (Exportförderung, Verbilligung der Zinssätze usw.). Die staatliche Arbeitsbeschaffung im engeren Sinne, d. h.

die Erteilung staatlicher Bauaufträge oder die Subventionierung privater Arbeiten, wird daher als subsidiäre Massnahme betrachtet.

3. Da es aber für unwahrscheinlich angesehen wird, dass die jetzige, überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit, insbesondere im Baugewerbe, sofort und in vollem Umfang verschwinden werde, ist die Kommission der Auffassung, dass ein gewisses Mass der staatlichen A r b e i t s b e s c h a f f u n g als Übergangsmassnahme erforderlich ist.

4 Die grundsätzliche Bejahung der Notwendigkeit staatlicher Arbeitsbeschaffung im gegenwärtigen Moment erfolgt jedoch nur unter folgenden Bedingungen: a. Es muss sich um wirtschaftlich nützliche Objekte von ausreichender volkswirtschaftlicher Wichtigkeit oder um A u f g a b e n der Landesverteidigung handeln.

b. Die Projekte müssen technisch genau vorbereitet sein, rechtzeitig in Angriff genommen und entsprechend der Entwicklung der Arbeitslosigkeit verwirklicht werden.

c. Die erforderlichen Summen müssen finanziell tragbar sein und zu keiner wesentlichen Mehrbelastung der produktiven Wirtschaft führen.

Eine gewisse Abweichung vom Prinzip des Budgetausgleichs wird für vertretbar angesehen, wenn für eine strenge Amortisation der aufgewendeten Summen gesorgt wird.

5. Die Arbeitsbeschaffung hat in erster Linie der Linderung der konjunkturellen Arbeitslosigkeit zu dienen. Daneben ist durch andere Massnahmen (Umschulung, Arbeitsnachweis, Fürsorge für ältere Arbeitslose usw.) auch die strukturelle und saisonmässige Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.

6. Es besteht Übereinstimmung darüber, dass sich gegenwärtig die Arbeitsbeschaffung hauptsächlich auf das Baugewerbe erstrecken muss, da die Mehrzahl der Arbeitslosen direkt oder indirekt auf das Baugewerbe entfallen.

Es wurde jedoch der Erwartung Ausdruck gegeben, dass ein Teil der in den letzten Jahren dem Baugewerbe zugeflossenen Arbeitskräfte wieder von andern Erwerbszweigen aufgenommen werde, aus denen sie ursprünglich stammen.

7. Die Kommission ist der Auffassung, dass das jetzige Arbeitsbeschaffungsprogramm des Bundes in seiner Grundrichtung den Bedürfnissen angepasst ist. Sollte die Krise im Baugewerbe im bisherigen Umfang weiter bestehen,
so ist eine Ausdehnung der Arbeiten in Aussicht zu nehmen, wofür schon heute ein umfassendes Programm aufzustellen und technisch vorzubereiten ist.

Eine Minderheit der Kommission hält den Bundesbeschluss vom 28. Dezember 1936 über Krisenbekämpfung und Arbeitsbeschaffung für unzureichend, um die Arbeitslosigkeit im wünschenswerten und möglichen Masse zu vermindern.

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B. Auswahl der Objekte.

8. Die Auswahl der geeigneten Objekte zur Arbeitsbeschaffung kann im einzelnen nur durch die Verwaltung erfolgen, wobei auf die Qualifikation der Arbeitslosen, die verfügbaren baureifen Objekte sowie auf den Arbeits- und Kapitalbedarf Bücksicht zu nehmen ist. Die Kommission kann sich nur über das Grundsätzliche aussprechen.

9. Was zunächst den Vergleich zwischen den möglichen Gebieten der Arbeitsbeschaffung angeht, so wurde hervorgehoben, dass die Subventionierung der privaten Produktion gegenüber den Arbeiten der öffentlichen Hand den Vorteil besitzt, dass für die Wirtschaftlichkeit der Projekte eine vermehrte Garantie gegeben ist und sie überdies eine geringere öffentliche Kapitalbelastung bedeutet, da der Hauptteil der Finanzierung von der Privatwirtschaft getragen wird. Dieser Form der Arbeitsbeschaffung ist daher g r u n d sätzlich der Vorzug zu geben. Dabei muss jedoch verhindert werden, dass Arbeiten subventioniert werden, die heute auch sonst unternommen würden.

Bei der direkten staatlichen Arbeitsbeschaffung sind die normalen B a u a u f t r ä g e der ö f f e n t l i c h e n Hand gegenüber den Notstandsarbeiten vorzuziehen, weil es sich dort in der Eegel um volkswirtschaftlich nützlichere Aufgaben handelt. Vor allem ist zu vermeiden, dass normale Bauaufträge gekürzt, dafür aber die gleichen Mittel für ausserordentliche Arbeitsbeschaffungsmassnahmen mit geringerem Wirkungsgrad verbraucht werden.

Innerhalb der Notstands arbeiten ist wiederum denjenigen Projekten, durch welche die wirtschaftlichen oder militärischen Leistungsfähigkeiten des Landes erhöht werden, gegenüber den Arbeiten mit blossem Unterstützungscharakter der Vorzug zu geben.

10. Als B a u a u f t r ä g e der öffentlichen Hand oder als Notstandsarbeiten, die sich für die Arbeitsbeschaffung eignen würden, sind in der Beratung genannt worden: a. Werke und Anlagen, die der Landesverteidigung dienen; b. Verbesserungsarbeiten der 8BB unter dem Gesichtspunkt der Landesverteidigung oder der kommerziellen Leistungsfähigkeit (wie Modernisierung des Wagenmaterials, Ausbau der Doppelspur, Beseitigung der Niveauübergänge); c. Ausbau des Strassennetzes, ebenfalls unter militärischem Gesichtspunkt (Erstellung neuer Alpenstrassen und von Durchgangsstrassen im Flachland); d. Fluss- und Gewässerkorrektionen,
forstliche Bauarbeiten usw.

11. Auf dem Gebiete der Subventionierung privater Produktionstätigkeit billigt die Kommission die tatsächliche Sistierung der sogenannten produktiven Arbeitslosenfürsorge. Die rechtliche Möglichkeit solcher Leistungen sollte dagegen bis zur endgültigen Abklärung der

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wirtschaftlichen Verhältnisse im Ausland offengehalten werden, insbesondere als Gegenmassnahme gegen ausländisches Dumping.

Die Exportrisikogarantie wird dagegen als unentbehrliches Mittel der Exportförderung angesehen, doch sollten die Ansätze wesentlich erhöht, die Vorschriften gelockert und das Verfahren beschleunigt werden.

Die Kommission erblickt in der Gestaltung der Handelspolitik (Einsetzung der schweizerischen Kaufkraft im Dienste der Exportförderung, in Form von Handelsverträgen, Clearings- und Kompensationsabkommen) einen besonders wichtigen Bestandteil der staatlichen Wirtschaftsförderung.

Als Hauptgebiet der Subventionierung privater Tätigkeit werden die Eeparaturarbeiten der Hausbesitzer genannt.

Ferner werden als geeignete Objekte erwähnt: die beschleunigte Zusammenlegung und Vermessung von Grundstücken, sowie von land- und forstwirtschaftlicher Seite, die Durchführung land- und forstwirtschaftlicher Meliorationen, die Intensivierung der Landwirtschaft, Ausdehnung des Weinbaus, des Gemüsebaus, der Hühnerhaltung, der Winterarbeit im Walde und der bäuerlichen Heimarbeit, wobei jedoch eine Verteuerung der Lebenshaltung vermieden werden sollte.

Auf alle Fälle ist aber zu verhindern, dass die Subventionierung in der Privatwirtschaft zur Gewohnheit wird und nur noch subventionierte Arbeiten unternommen werden. Das System ist daher mit der Besserung der Wirtschaftslage rechtzeitig abzubauen. Die Subventionierung der Eeparaturarbeiten sollte im Interesse einer beschleunigten Durchführung auf das Jahr 1987 befristet werden.

Ferner ist zu Vermeiden, dass die Subventionierung zu einer Konkurrenz zwischen verschiedenen Gemeinden oder Kantonen führt, die im ganzen keine zusätzliche Arbeit, sondern nur eine Verschiebung der Produktion innerhalb des Landes bedeutet.

C. Finanzierung.

12. Es besteht Übereinstimmung darüber, dass die Bücksicht auf die staatlichen Finanzen ein wichtiger Gesichtspunkt ist, der bei der Festsetzung des Ausmasses der Arbeitsbeschaffung mitberücksichtigt werden muss, weil eine Überspannung der finanziellen Belastung sehr rasch zu einer Beunruhigung des Kapitalmarktes und daher zu einer Störung der Erholung der Privatwirtschaft führen könnte.

Demgegenüber ist von einigen Mitgliedern betont worden, dass den Mehrausgaben für Arbeitsbeschaffung vielfach auch Minderausgaben für Arbeitslosenunterstützungen und Mehreinnahmen in Form von Steuern gegenüber stehen, so dass bei der Beurteilung der Belastung auch die Steigerung des Gesamteinkommens der Volkswirtschaft berücksichtigt werden müsse.

18. Die Beurteilung der finanztechnischen Probleme der Arbeitsbeschaffung gehört nicht in den Aufgabenkreis der Unterkommission II. Gè-

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legentliche Äusserungen über die Verwendung des sogenannten Abwertungsgewinnes der Nationalbank gingen stark auseinander. Übereinstimmend wird auf die Wichtigkeit einer möglichst raschen Amortisation der finanziellen Aufwendungen hingewiesen.

D. Organisation.

14. Um eine zweckentsprechende und rationelle Durchführung der Massnahmen zu sichern, ist eine Zusammenarbeit und Koordination zwischen den verschiedenen amtlichen Stellen für Arbeitsbeschaffung unerlässlich. Die Zentralstelle für Arbeitsbeschaffung sollte so ausgebaut werden, dass sie diesen Anforderungen nach allen Eichtungen genügen kann.

Die grundsätzliche Wünschbarkeit des Ausbaus des Arbeitsdienstes wird aus ethischen Gründen bejaht, sofern dies infolge der zukünftigen Entwicklung der Arbeitslosigkeit erforderlich sein sollte. Dagegen wird ein Obligatorium unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsbeschaffung als unzweckmässig und unnötig erachtet, da die Anmeldungen die freien Plätze übersteigen.

Sofern das Obligatorium aus andern Gründen gefordert würde, müsste die Frage auf umfassenderer Grundlage untersucht werden. Eine sorgfältigere Durcharbeitung der Projekte vom technisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus wird als wünschenswert bezeichnet, wozu nach Möglichkeit private Bauunternehmer herangezogen werden sollen, die gegenwärtig beschäftigungslos sind.

Ferner wird eine verstärkte Berücksichtigung der Berufslager verlangt, um den Übergang zur regulären Berufsarbeit zu erleichtern.

Endlich wird der Wunsch ausgesprochen, dass der Berufsberatung eine erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werde.

E. Einzelgrundsätze für die Durchführung.

15. Die bisherigen Grundsätze für die Durchführung der Subventio-nierung werden im grossen und ganzen gutgeheissen.

16. Wenn auch nach wie vor die Unterbringung älterer Arbeitsloser, insbesondere solcher aus kaufmännischen Berufen, grossie Aufmerksamkeit zu schenken ist, sollten bei Notstandsarbeiten nicht ausschliesslich ältere und verheiratete Bauarbeiter berücksichtigt werden, sondern auch den Jüngern Arbeitern Gelegenheit gegeben werden, sich in ihren Beruf einzuarbeiten.

Die Kommission spricht den Wunsch aus, dass die Ersetzung von Männern durch Frauen möglichst vermieden werde. Ferner wird die Unterbringung zurückgekehrter Auslandschweizör besonderer Aufmerksamkeit empfohlen.

17. Um der Beschäftigungslosigkeit der Betriebsinhaber Eechnung zu tragen, sind die A u f t r ä g e der ö f f e n t l i c h e n Hand grundsätzlich privaten U n t e r n e h m e r n zu übertragen.

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18. Bei der Subventionierung öffentlicher Arbeiten wird es als wünschenswert bezeichnet, unter besonderen Umständen, wenn die Finanzierung andernfalls nicht möglich wäre, auf das Obligatorium der kantonalen und kommunalen Beiträge zu verzichten.

19. Eine A b s t u f u n g der Subventionen für private Bauarbeiten nach der B e d ü r f t i g k e i t des Bauherrn wird als unzweckmässig angesehen, weil nicht die Hausbesitzer unterstützt, sondern Arbeit beschafft werden soll.

20. Die bewilligten Mittel sind so rasch wie möglich einzusetzen, um der Erholung einen möglichst raschen und starken Antrieb zu geben.

21. Auf die Dauer ist eine Verteilung der öffentlichen B a u a u f träge in dem Sinne anzustreben, dass sie in der günstigen Konjunktur zurückgestellt und in der Depression eingesetzt werden. Auch dem jahreszeitlichen Ausgleich ist alle Aufmerksamkeit zu schenken.

II. Sonstige Massnahmen der Produktionsförderung.

1. Die Bestrebungen zur Einführung neuer Produktionszweige werden von der Kommission begrüsst, soweit es sich um zusätzliche Produkte handelt, die ohne besondere Vergünstigungen zu Weltmarktpreisen konkurrenzfähig sind.

Dagegen wurde mit allem Nachdruck betont, dass die Neuaufnahme der inländischen Herstellung keines Produktes erfolgen sollte, das sich nur kraft eines hohen Zollschutzes halten könnte und dadurch zu einer Erhöhung des inländischen Preisniveaus und einer Verschlechterung der Konkurrenzfähigkeit der schon bestehenden Exportindustrien führen würde.

Als Ausnahmen von dieser These wurden Produktionszweige anerkannt, die für die Landesverteidigung erforderlich sind oder der Verwertung inländischer Eohstoffe oder N a t u r k r ä f t e dienen, für die letzteren jedoch mit den Vorbehalten des folgenden Abschnitts.

2. Über das Ausmass, bis zu welchem es volkswirtschaftlich zweckmässig ist, einheimische Eohstoffe zu verwenden, gingen die Meinungen auseinander.

Es herrschte Einigkeit darüber, dass es im Interesse der Entwicklung der Wirtschaft und der Arbeitsbeschaffung liegt, eine möglichst weitgehende Verwendung einheimischer Bohstoffe (z.B. des Holzes) zu erreichen, sofern diese ohne wesentliche Kostenunterschiede verwertet werden können.

Wo dagegen der inländische Eohstoff nur zu wesentlich höheren Kosten verfügbar ist, wurde von einem Teil der Mitglieder auf die Gefährdung
des Exportes hingewiesen, während ein anderer Teil der Mitglieder der Auffassung war, dass kein Land bei der Entwicklung der nationalen Produktion auf die bisherige Einfuhr Eücksicht nehme. Schliesslich wurde betont, dass es auch hier ein optimales Verhältnis von Inlands- und Auslandsproduktion gebe,

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bei dem die Gesamtversorgung der Allgemeinheit und die Gesamtbeschäftigung der nationalen Kräfte am höchsten wird, während bei einseitiger Verfolgung des Prinzips der Verwertung einheimischer Eohstoffe ohne Rücksicht auf die Kosten die Gesamtversorgung und Gesamtbeschäftigung geringer würden.

3. Es wurde allgemein anerkannt, dass in der Schweiz dem Staate auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Forschung eine wichtige Eolle zukommt, weil die kleinere Produktion eine geringere Belastung mit Entwicklungsspesen verträgt, als dies in den meisten andern Ländern der Fall ist, wo überdies die Staaten aus kriegswirtschaftlichen Gründen grosse Summen für Forschungsaufgaben zur Verfügung stellen. Die Kommission ist auch einstimmig der Meinung, dass der Staat diese Aufgabe übernehmen kann und soll.

Voraussetzung für ihre Verwirklichung ist die Zusammenarbeit der Produzenten zur Entwicklung eines Forschungsprogramms sowie ein engerer Kontakt zwischen Praxis und Hochschulen. Es wird auch die Frage aufgeworfen, ob nicht die neuen Wehrkredite die Möglichkeit geben, Mittel für wichtige Forschungsaufgaben zur Verfügung zu stellen.

4. Während allgemein anerkannt wurde, dass Kredit für den laufenden Bedarf bestehender Betriebe teilweise sogar in überreichlichem Masse zur Verfügung steht, ist hervorgehoben worden, dass die Finanzierung ausländischer Projekte auf bestimmten Gebieten (z. B. Bauprojekte) gewissen Schwierigkeiten begegne, durch deren Lösung nicht nur zahlreiche schweizerische Ingenieure beschäftigt, sondern auch Materialbezüge aus der Schweiz erwartet werden könnten.

5. Ausserdem wurde erneut die Wünschbarkeit einer engeren Verknüpfung von Kapitalexport und der Lieferung schweizerischer Waren an das Ausland ausgesprochen (vgl. Bericht der Unterkommission III, S. 45/46).

IX. Innenkolonisation und Auswanderung.

I. Innenkolonisation.

1. Die Kommission sieht in den bisherigen Massnahmen des Bundes zur Förderung der Innenkolonisation (Bundesbeschluss vom 20. Juni 1936) eine Grundlage, welche zur Fortsetzung der Siedlungsversuche und zur Sammlung weiterer Erfahrungen sich eignet und vorläufig genügt.

2. Sie hegt eine starke Skepsis gegen Siedlungsunternehmungen grösseren Stils und fordert vor deren Inangriffnahme eine volle Berücksichtigung des volkswirtschaftlichen Interesses, das unter Umständen eine Vermehrung des Grasbaus auf bisherigen Streu- und Moorböden als unerwünscht erscheinen lassen kann.

Sie begrüsst dagegen die Einzelsiedlung, wie sie im Zusammenhang mit Meliorationen und Güterzusammenlegungen, sowie nach den Studien der

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Schweizerischen Vereinigung für Innenkolonisation und industrielle Landwirtschaft möglich scheint.

8. Die Kommission bejaht die Zweckmässigkeit einer Vermehrung der Meliorationskredite und fordert eine enge Zusammenarbeit zwischen den Amtsstellen, die sich mit dem Siedlungswesen, und denjenigen, die sich mit der Arbeitsbeschaffung befassen.

4. Die Kommission wünscht die Abklärung der Frage, mit welchen Bechtsmitteln (Pacht, Belastungsverbot, zeitlich begrenzte Veräusserungssperre) eine privatwirtschaftliche Spekulation mit jener Wertvermehrung der Siedlung verhindert werden kann, welche im wesentlichen aus staatlicher Subventionierung stammt.

u. Auswanderung.

1. Die Kommission billigt die bisherige Bundespolitik, welche von grösseren staatlichen Kolonisationsplänen absieht und dem Einzelauswanderer beizustehen sucht.

2. Sie wünscht die Förderung der Auswanderung; mit Bezug auf die bäuerliche Auswanderung, insbesondere nach europäischen Ländern, soll dies durch die Errichtung eines oder mehrerer grösserer landwirtschaftlicher Betriebe in den Siedlungszentren geschehen, damit über sie die schweizerischen Einwanderer mit den örtlichen Verhältnissen technisch und wirtschaftlich vertraut gemacht werden können.

8. Sie fordert den Ausbau des staatlichen und verbandlichen Informationsdienstes, durch welchen nicht bloss Siedlungsmöglichkeiten, sondern auch Arbeitsgelegenheiten für andere Berufe im Ausland nachgewiesen und überprüft werden sollen.

4. Die Kommission unterstützt die Aktion für die Schweizer im Ausland. Sie erkennt in den Auslandschweizern wichtige Aussenposten, deren enge kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen zur Heimat mit geeigneten Mitteln in vermehrtem Masse zu erhalten und zu fördern sind.

X. Kriegswirtschaft.

Die Kommission erachtet die sofortige und energische Förderung der Vorbereitungsmassnahmen zur Sicherung der wirtschaftlichen und finanziellen Kriegsbereitschaft der Schweiz einstimmig für notwendig.

Sie begrüsst die zu diesem Zwecke vom eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement geplanten organisatorischen Massnahmen und wünscht die gebührende Berücksichtigung wehrwirtschaftlicher Forderungen in der künftigen Wirtschaftspolitik.

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Feststellungen und Richtlinien zum Finanz- und Kreditwesen.

(Bericht der Unterkommission III vom 6. März 1987.)

I. Erhaltung und Förderung der Flüssigkeit am Geldmarkt.

a. Voraussetzungen und Vorkehrungen zur Erhaltung des Vertrauens in die öffentlichen Finanzen.

1. Herbeiführung und Aufrechterhaltung des Gleichgewichtes, einschliesslich Tilgungen, in den Haushaltungsrechnungen des Bundes, der Kantone und Gemeinden.

a. Die Finanzpolitik der öffentlichen Hand soll vom Willen durchdrungen sein, dass die vorhandenen Mittel äusserst haushälterisch zu verwalten sind. Die Ausgaben sind einer strengen Kontrolle über die zweckbestimmte Verwendung zu unterstellen.

b. Für ausserordentliche und festumgrenzte, durch die Krise verursachte Übergangsmassnahmen können vermehrte Mittel eingesetzt werden, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass für die betreffenden Aufwendungen innerhalb einer relativ kurzen Zeit grössere laufende Tilgungen mit entsprechender laufender Deckung in Bechnung gestellt werden.

2. Die anhaltenden Fehlbeträge in den öffentlichen Haushaltsrechnungen sind weitgehend die Folge der durch die Krise bedingten Unterstützungsmassnahmen der öffentlichen Körperschaften. Mit der fortschreitenden Verbesserung der Wirtschaftslage sollen sie abgebaut oder höchstenfalls im Eahmen der vorhandenen Mittel weitergeführt werden.

8. Die Sanierung der Schweizerischen Bundesbahnen, einschliesslich der Personalversicherungs- und Pensionskassen der Bundesbahnen und des Bundes, ist ein integrierender Bestandteil der Massnahmen zur Wiederherstellung des Budgetgleichgewichtes und zur Erhaltung des Kredites des Bundes.

4. Von den Kantonen wird erwartet, dass sie der Finanzlage der Gemeinden ihre volle Aufmerksamkeit schenken und durch rechtzeitige Massnahmen ^Finanzausgleich zwischen Kantonen und Gemeinden) dafür sorgen, dass das Vertrauen in den öffentlichen Kredit nicht gefährdet wird.

Um stark krisenbetroffenen Gemeinden, die trotz kantonaler Überwachungs- und Zwangsmassnahmen ihren öffentlichen Pflichten nicht mehr zu genügen vermögen, die Bückkehr in geordnete Verhältnisse zu ermöglichen, sollte in Ausnahmefällen ihre finanzielle Unterstützung durch den Bund über die Kantone dort nicht ausgeschlossen sein, wo die Kantone selber, zufolge unverschuldeter Erschöpfung ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit, die Unterstützung solcher Gemeinden nicht mehr zu übernehmen imstande sind.

5. Es soll versucht werden, raschmöglich einen zuverlässigen Einblick in die finanzielle Verfassung der Kantone und Gemeinden zu erhalten. Zu

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diesem Zweck ist anzustreben, das Bechnungswesen der Kantone und Gemeinden zu vereinheitlichen, oder es sind auf anderem Wege Anhaltspunkte für die Vergleichbarkeit der Finanzgebarung der öffentlichen Körperschaften zu gewinnen. Für die Gemeinden wäre insbesondere auch die statistische Erfassung der Armenlasten erwünscht.

Diese Frage hat ihre Bedeutung auch hinsichtlich der eidgenössischen Besteuerung, die durch die Steuerpraxis der Kantone beeinflusst wird.

b. Voraussetzungen und Vorkehrungen zur Erhaltung des Vertrauens in die Banken.

1. Das Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1984 schafft durch a. die Überwachung der Kapitalanlagetätigkeit im Ausland, b. die Eindämmung der ungesunden Geschäftsexpansion im Inland, c. die neutrale Kontrolle der Banken durch fachmännische Eevisionen die erforderlichen Voraussetzungen für eine gesunde Kreditpraxis der Banken und damit für die Bückkehr des Vertrauens in die Banken auf lange Sicht.

2. Über die Bestimmungen des eidgenössischen Bankengesetzes hinausgehende gesetzgeberische und behördliche Zwangsmassnahmen gegen die Banken wären geeignet, das Vertrauen des Sparerpublikums zu schädigen und sollen deshalb vermieden werden.

3. Zur Erhaltung des Vertrauens in die Banken ist eine auf gesunden Prinzipien beruhende Finanz- und Währungspolitik dringendes Erfordernis.

c. Vorkehrungen zur Erhaltung des Vertrauens in die Wirtschart im allgemeinen.

1. Herstellung und Sicherung der Ertragsfähigkeit und Kentabilität der Privatwirtschaft.

Die Erreichung dieses Zieles erfordert einerseits zugunsten der Exportindustrie eine möglichst dauerhafte Wahrung der im Gefolge der Frankenabwertung eingetretenen Produktionskostenangleichung an das Ausland; anderseits ist dazu notwendig, die Entwicklung der Landwirtschaft, der Inlandindustrie und des Gewerbes zu begünstigen und deren Schutz zu gewährleisten, soweit ein solcher vom Standpunkt der gesamten Volkswirtschaft aus seine Berechtigung hat.

2. Die Erhaltung des Vertrauens in die Wirtschaft setzt im gleichen Grade die Schaffung und Sicherung geordneter Zustände in den Finanzen der öffentlich-rechtlichen Körperschaften und der Bundesbahnen sowie die Wahrung stabiler Währungsverhältnisse voraus.

3. Es wird anerkannt, dass während einer Übergangsperiode Stützungsmassnahmen zugunsten der Wirtschaft für diejenigen Teile der Export- und

943 Inlandwirtschaft, die unter einigermassen normalen Verhältnissen lebensfähig oder für das Land lebenswichtig sind, weiterhin am Platz erscheinen, um die Überleitung der Krisenwirtschaft in eine normale Wirtschaftsgestaltung durchführen zu können.

4. Vermeidung jeglicher steuerlichen Belastung, die eine Substanzaufzehrung zur Folge hätte.

5. Förderung der objektiven und sachlichen Wirtschaftspublizität zur Aufklärung der öffentlichen Meinung im In- und Ausland (häufigeres Erscheinen der Berichte der Kommission für Konjunkturbeobachtung).

d. Eindämmung des Zuflusses ausländischer Gelder durch Herabsetzung oder Sistierung der Verzinsung.

Der starke Einstrom fremder Fluchtkapitalien ist geeignet, eine übermässige Geldfülle zu schaffen, die unter Umständen eine unnatürliche Aufblähung des Kreditvolumens zur Folge haben könnte. Mit Eücksicht darauf und im Hinblick auf den unsteten Charakter dieser Gelder, deren möglicher Wiederabfluss geeignet wäre, auf dem schweizerischen Geld- und Kapitalmarkt Beunruhigung auszulosen, ist die Einwanderung ausländischer Gelder in zu grossem Ausmasse, vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen, unerwünscht.

Zur Abbremsung dieses Kapitalzustroms sind u. a. folgende Massnahmen zu empfehlen: a. Die unter den Mitgliedern der Schweizerischen Bankiervereinigung bestehende Vereinbarung, wonach in- und ausländischen Banken gehörende Sichtgelder nicht verzinst werden, ist auf die von ausländischen Firmen und Privaten herrührenden Sichtanlagen auszudehnen.

b. Um eine stärkere Überleitung ausländischer Gelder auf Sparkassen-, Depositen- und Einlagehefte schweizerischer Banken zu verhindern, sollte der Zinssatz für Gelder ausländischer Einleger herabgesetzt werden.

c. Zum wirksamen Schutz der Banken gegen massive Geldabzüge, namentlich seitens ausländischer Einleger, würden sich eine strenge Abstufung und Handhabung der Kündigungsfristen als zweckmässig erweisen.

II. Vorkehren zur Ermässigung der Zinssätze, namentlich durch Überleitung der Geldflüssigkeit auf den Kapitalmarkt.

a. Vermehrte Wechselkreierung und Akzepterteilung durch die Banken, um Handel, Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft den billigen Wechseldiskont zugänglich zu machen.

Eine vermehrte Anwendung des Wechselakzeptes im kommerziellen Verkehr ist geschäftlich möglich und volkswirtschaftlich erwünscht.

Dem Gewerbe und den Organisationen der Landwirtschaft könnte eine ausgedehntere Pflege des Wechselgeschäftes zur Erhaltung billiger Betriebs-

944 kredite namhafte Vorteile einbringen. Trassierungen auf Banken zur Finanzierung langfristiger Geschäfte, zur Flüssigmachung immobilisierter Kredite sowie zu spekulativen Zwecken sollen dagegen unterbleiben.

b. Herabsetzung der Passiv- und Aktivzinssätze der Banken unter Wahrung der erforderlichen Zinsdifferenzen.

1. Die Zinssatzsenkung ist zurzeit auf der ganzen Linie in vollem Gang und soll durch eine umsichtige Geld- und Kapitalmarktpolitik auf organischem Weg gefördert werden. Institute, die hinsichtlich der allgemeinen Entwicklung nicht den vollen Überblick haben, sind von zuständiger Seite (Bankenorganisationen, Behörden oder Nationalbank) einzuladen, die gegenwärtige Entwicklung des Geld- und Kapitalmarktes im Sinne der Zinssatzverbilligung nach Möglichkeit zu unterstützen.

2. So sehr es erwünscht ist, die Geldbeschaffung zu billigen Zinssätzen im Interesse von Industrie, Handel, Gewerbe und Landwirtschaft zu fördern, so soll eine Forcierung der Zinssatzsenkung durch künstliche Massnahmen aus folgenden Erwägungen vermieden werden *) : a. Zu tiefe Gläubigersätze wirken prohibitiv. Sie sind geeignet, auf die Spartätigkeit einen ungünstigen Einfluss auszuüben und geben dem Kapital Anlass zur Abwanderung in Sachwerte im In- und Ausland oder zur Thesaurierung.

b. Zu tiefe Zinssätze schmälern das Einkommen der auf den Zinsertrag angewiesenen Bevölkerungskreise und drücken auf die Verzinsungsbasis der Versicherungs-, Pensionskassen- und Fürsorgefonds, die zufolge der eintretenden versicherungstechnischen Defizite in eine bedrängte Lage geraten können.

c. Tiefe Aktivzinssätze bilden einen Anreiz zu neuer Verschuldung und zu Kapitalinvestitionen, zu deren Wirtschaftlichkeit die erforderlichen Voraussetzungen vorderhand fehlen.

d. Vor der Einführung von gesetzlichen Zinsfussmaxima, sei es auf Aktivoder Passivzinssätzen, ist dringend abzuraten, da sie nach allen Erfahrungen nicht nur unwirksam sind, sondern auch die Gefahr in sich schliessen, das Vertrauen des Sparerpublikums zu schädigen.

e. Eine forcierte Herabsetzung der Aktivzinssätze hätte eine Beeinträchtigung der Eentabilität der Banken zur Folge, da die fremden Gelder, soweit sie in der Form von noch nicht fälligen mittel- oder längerfristigen Obligationen bestehen, zu beträchtlichen Beträgen einstweilen noch an höhere Zinssätze gebunden sind.

*) Gegen die Ziffer 2, insbesondere gegen lit. d (Ablehnung der Einführung von gesetzlichen Zinsfusamaxima), wurden in der Plenarkommission von bäuerlicher Seite Vorbehalte gemacht.

945 /. Eine langsame Bewegung in der Zinssatzverbilligung ist einer künstlich beschleunigten Satzsenkung auch deswegen vorzuziehen, weil eine abermalige Kreditverteuerung als Folge politischer Ereignisse oder einer unvorhergesehenen Wirtschaftsbelebung nicht zum vorneherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Anpassung einer auf niedrigste Zinsberechnung eingestellten Wirtschaft an höhere Zinsen wäre nicht ohne nachteilige Polgen für die Ökonomie des Landes.

c. Förderung der Pfandbriefausgabe.

1. Da der Pfandbrief kraft seiner Langfristigkeit die Fähigkeit hat, einen billigen Zins über die Zeit höherer Marktsätze hinaus festzuhalten, ist dringend zu wünschen, dass die Hypothekarinstitute in der nächsten Zeit die günstige Gelegenheit benützen, um möglichst viele Kassaobligationen in Pfandbriefdarlehen umzuwandeln.

2. Um dem Pfandbrief höhere Anreize im Publikum zu verleihen und zur Förderung seiner Marktfähigkeit und Negoziabilität soll der Ausgabe tilgbarer Pfandbriefe erhöhte Beachtung geschenkt werden.

8. Bei staatlichen Fonds und bei Versicherungsanstalten ist eine vermehrte Placierung von Pfandbriefen anzustreben. Es sollen folgende Möglichkeiten geprüft werden: a. Nach Art. 7 des Anlagegesetzes des Bundes vom 28. Juni 1928 soll das Vermögen der Spezialfonds der Eidgenossenschaft bis zu mindestens einem Drittel in Pfandbriefen oder Obligationen schweizerischer Bodenkreditanstalten und in Grundpfandtiteln angelegt werden. Diese Quote ist noch nicht erreicht. Es erschiene deshalb erwünscht und zweckmässig, wenn der Bund einen Teil der im Portefeuille der Spezialfonds Hegenden Obligationen heute zu günstigen Kursen veräussern würde zum Zwecke der Aufnahme niederverzinslicher Pfandbriefe, wodurch die Verbilligung langfristiger fremder Gelder der Hypothekarbanken zur Entlastung des Hypothekarmarktes gefördert werden könnte.

b. Was die Fonds der Kantone und Gemeinden anbelangt, fehlen die verfassungsrechtlichen Grundlägen dazu, für diese Körperschaften von Bundes wegen Anlagevorschriften aufzustellen. Kantone und Gemeinden sollen indessen von den Bundesbehörden eingeladen werden, in der Anlage ihrer Fonds dem Pfandbrief vermehrte Berücksichtigung zu tragen.

Die Verbreitung des Pfandbriefes würde dadurch eine willkommene Begünstigung erfahren.

c. Der Bund soll kraft seines Oberaufsichtsrechtes gemäss Art. 50 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt zu vermehrter Anlage ihrer Kapitalien in Pfandbriefen verhalten.

d. Unter den Anlagen der Sicherungsfonds der schweizerischen Lebensversicherungsgesellschaften machten die Pfandbriefe 1935 nur rund 1%,, Bundesblatt. 89. Jahrg. Bd. II.

67

946

aus. Gemäss Art. 12 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1980 über die Anlage von Sicherungsfonds hat der Bundesrat auf dem Verordnungsweg zu bestimmen, welche Werte zur Bildung des Sicherungsfonds zugelassen werden und in welchem Umfang der Fonds in schweizerischen Werten zu bestellen ist. Es soll zuständigenorts die Frage geprüft werden, ob der Bundesrat kraft dieses Verfügungsrechtes die Möglichkeit hätte oder, wenn dies nicht zutrifft, sich die Kompetenz verschaffen könnte, die Lebensversicherungsanstalten zu veranlassen, eine bestimmte Quote ihrer Sicherungsfonds in Pfandbriefen anzulegen.

d. Schaffung einer Postsparkasse.

(Minderheitsantrag Dr. Max Weber.)

Zum Zwecke der weiteren Verbilligung der Kapitalverzinsung soll die Errichtung einer eidgenössischen Postsparkasse geprüft werden. Eine solche wäre geeignet, die zinstragende Anlage kleiner Sparvermögen auch in entlegenen Gegenden zu fördern, womit auch wiederum grössere Möglichkeiten geboten wäre, die Kapitalanlage in Pfandbriefen zu begünstigen.

e. Schaffung einer schwebenden Schuld des Bundes.

Die gänzlich veränderten Verhältnisse auf dem Geld- und Kapitalmarkt und die deshalb fast völlig ausbleibende Beanspruchung der Notenbank im Kreditgeschäft lassen es als zweckmässig erscheinen, durch das Mittel der Schatzscheine des Bundes (Eeskriptionen) eine Beeinflussung des Geld- und weiterhin des Kapitalmarktes anzustreben und gleichzeitig damit auf dem Wege einer schwebenden Schuld des Bundes diesem billiges Geld zuzuhalten.

Für den nicht konvertierten Teil von Bundesanleihen würden, soweit nötig, die Mittel zur Eückzahlung auf dem Wege der Begebung von Schatzscheinen an die Notenbank beschafft. Dadurch wird erreicht: a. weitere Verflüssigung des Geldmarktes, indem die Notenbank dem Bund gegen Schatzscheine die Mittel gibt zur Eückzahlung fälliger Anleihen. Anderseits ergibt sich auch für die Notenbank durch das Mittel der Weitergabe dieser Schatzscheine an den Markt die Möglichkeit, diesen im Sinne einer Verminderung der Geldflüssigkeit zu beeinflussen, (Politik des offenen Marktes); b. Förderung der Zinssatzverbilligung am Kapitalmarkt; c. günstigere Vorbedingungen zur Konsolidierung der schwebenden Schulden der Kantone und Gemeinden zu billigen Zinssätzen.

f. Gewährung von Reskriptionenkrediten durch die Nationalbank.

Zum Zwecke der Arbeitsbeschaffung und Krediterleichterung ist die Nationalbank bereit, Kantonen und Gemeinden auf dem Weg über die Banken

947

Eeskriptionenkredite zu gewähren. Diese Gelder sind von den Banken mit einem angemessenen, jedoch möglichst massigen Aufschlag über der offiziellen Diskontorate abzugeben. Die Eeskriptionen tragen die Unterschrift der kreditgebenden Banken.

Die Eeskriptionenkredite sind entweder zeitlich kurzbefristet und nach Massgabe der Steuereingänge wieder abzudecken, oder sie können auf der finanziellen Grundlage besonderer Arbeitsbeschaffungsmassnahmen mit geregelten Eückzahlungsbedingungen für eine längere Zeitdauer gewährt werden.

III. Ansammlung schweizerischer und ausländischer Kapitalien bei schweizerischen Banken und Anlage dieser Kapitalien im Ausland.

1. Die allgemein gültige Peststellung, wonach den vorhandenen Geldmitteln gegenüber zurzeit geeignete Anlagemöglichkeiten in genügendem Ausmass nicht bestehen, lässt die Frage der Kapitalanlage im Ausland wieder aktuell werden.

2. Es besteht in grundsätzlicher Hinsicht zum Problem der Kapitalanlagen im Ausland die Meinung, dass sie sowohl aus wirtschaftlichen wie auch aus währungspolitischen Gründen berechtigt und erwünscht sind, sofern dabei auf die Bedürfnisse der schweizerischen Wirtschaft Eücksicht genommen wird und der Kapitalbedarf in der schweizerischen Wirtschaft selber zu annehmbaren Bedingungen gedeckt werden kann.

8. Die Kapitalanlagen im Ausland sind nach den Ereignissen der letzten Jahre zu einer Angelegenheit des öffentlichen Interesses geworden. Ihre Tätigung bedarf deshalb einer von wirtschaftlichen, geldmarkt- und valutapolitischen Überlegungen bedingten Überwachung. Die zu diesem Zweck in Art. 8 des eidgenössischen Bankengesetzes aufgestellten Vorschriften über die Kapitalanlagen im Ausland tragen dem öffentlichen Interesse weitgehend Bechnung, so dass weitere Kautelen zur Überwachung und Eegelung der Anlagetätigkeit im Ausland nicht in Erwägung zu ziehen sind und angenommen werden kann, dass die genannten Vorschriften den Bedürfnissen der Zeit gerecht werden, vorausgesetzt, dass sie auch in vollem Umfang zur Anwendung gelangen.

4. Solange die Geldfülle, die sich vorderhand zur Hauptsache auf wenige Institute konzentriert, keine befriedigende Ausdehnung auf den gesamten Kreditorganismus und damit auf die Wirtschaft im allgemeinen erfährt, erscheint die Gewährung grösserer Auslandskredite oder die Übernahme von Auslandsanleihen durch die Banken grundsätzlich nicht erwünscht.

Ausleihungen an das Ausland, die der schweizerischen Wirtschaft unmittelbar namhafte Vorteile einzubringen geeignet sind, sei es auf handelspolitischem Gebiet, sei es durch das Mittel der Exportförderung, sei es endlich in Form anderer Gegenleistungen, sollen jedoch in massigem Umfang schon in der Übergangsperiode getätigt werden können.

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Minderheitsantrag Jaberg zur Ersetzung der Z i f f . 4 hievor.

(Mit Zustimmung von 5 Kommissionsmitgliedern.)

4 a. Mit Bücksicht darauf, dass in den letzten Jahren sehr grosse Beträge ausländischer Kredite und Anleihen zurückbezahlt worden sind und in der nächsten Zeit weiter zurückbezahlt werden, erscheint die Gewährung grösserer Auslandskredite oder die Übernahme von Auslandsanleihen, sofern sie die nötige Garantie bieten und sofern keine Transferschwierigkeiten zu gewärtigen sind, in massigem Umfange als statthaft, namentlich in den Fällen, in denen für die schweizerische Wirtschaft unmittelbare Vorteile, sei es auf handelspolitischem Gebiet, sei es durch die Einführung von Lieferungsklauseln, gesichert werden können.

5. Lässt die weitere Verflüssigung des Geld- und Kapitalmarktes die normale Kapitalanlagetätigkeit im Ausland in den Bereich der praktischen Möglichkeiten rücken, so ist bei der Gewährung von Auslandskrediten oder bei der Übernahme von Auslandsanleihen durch die Banken Gewicht darauf zu legen, solche Kapitaltransaktionen wenn immer möglich mit wirtschaftlichen Gegenleistungen seitens des kreditnehmenden Landes im Interesse der Arbeitsbeschaffung in unserem Lande zu verknüpfen. Neben der Grossindustrie ist dabei seitens der Banken auch eine vermehrte Berücksichtigung gewerblicher Erwerbskreise, insbesondere die Unterstützung von Planung und Ausführung grosser Bauarbeiten im Ausland, erwünscht.

6. Um für einen Teil der ausländischen Gelder die währungspolitisch erwünschte valutarische Deckung zu verschaffen und um solchen Geldern, die nach ausländischer Anlage streben, diese letztere zu ermöglichen, ist die Einführung erstklassiger ausländischer Börsenwerte an schweizerischen Börsen vorzusehen. Um die Einführung solcher Börsenwerte nach Gesichtspunkten, wie sie nach Massgabe des eidgenössischen Bankengesetzes für Auslandsemissionen zur Anwendung gelangen, einheitlich zu regem, ist die Bildung einer zentralen Zulassungsinstanz auf dem Wege freiwilliger Vereinbarung zwischen den verschiedenen Effektenbörsen erwünscht. Zu einer solchen Eegelung sind insofern bereits Ansätze vorhanden, als die drei führenden Landesbörsen durch eine freiwillige Abmachung unter den schweizerischen Börsen eine Verständigung herbeizuführen bereit sind, um künftighin die Zulassung ausländischer Wertpapiere
an den Börsen nach einheitlichen Gesichtspunkten zu ordnen. Vorgesehen wäre dabei in Anlehnung an Art. 8 des eidgenössischen Bankengesetzes für den Bundesrat und die Schweizerische Nationalbank das Becht, gegen die Zulassung ausländischer Wertpapiere im Sinne der Berücksichtigung der jeweiligen geld- und kapitalmarkt- sowie valutapolitischen Lage oder zur Wahrung wirtschaftlicher Interessen Einsprache zu erheben oder an die Zulassung Bedingungen zu knüpfen.

949

Feststellungen und Richtlinien für eine Revision der Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung.

(Bericht der Unterkommission IV vom 4. Mai 1937.)

I.

Nach Prüfung der Berichte der Unterkommissionen I--III ist die Unter kommission IV übereinstimmend zur Auffassung gelangt, dass die Verwirklichung einer Eeihe von Postulaten, welche in diesen Berichten enthalten sind, eine Änderung der geltenden Bundesverfassung notwendig mache. Das gilt namentlich für die Einführung der Allgemeinverbindlicherklärung von Verträgen und Beschlüssen und für verschiedene Postulate der Agrarpolitik.

Die Frage, ob auch für die Verwirklichung der Wünsche betreffend Eegulierung des Kapitalimportes und betreffend Kartellgesetzgebung eine Verfassungsänderung unerlässlich sei, konnte nicht abschliessend beantwortet werden, da ihre Beantwortung vom Inhalt der zu erlassenden Ausführungsgesetze abhängt. Die Kommission hält es immerhin für angebracht, dem Bunde die Kompetenz zur Gesetzgebung über Kartelle und Trusts ausdrücklich einzuräumen.

Die Postulate betreffend Finanz- und Kreditwesen wurden ausgeschieden, insoweit sie im Zusammenhang mit der Eevision der Finanzartikel der Bundesverfassung zu behandeln sind.

II.

Die Kommission stellte fest, dass ein befristeter Krisen- oder Notstandsartikel (im Sinne einer Übergangslösung) zur Verwirklichung der aufgestellten Postulate nicht geeignet wäre, da namentlich die gewerblichen und landwirtschaftlichen Postulate nicht nur auf den Erlass von Krisenmassnahmen, sondern auf eine dauernde Ordnung abzielen. Es wurde insbesondere allgemein anerkannt, dass für die Agrarpolitik, für die bisher eine Verfassungsbestimmung fehlte, eine ausreichende verfassungsmässige Grundlage geschaffen werden müsse. Aus diesen Gründen empfiehlt die Kommission die Aufnahme eines für die Dauer berechneten Wirtschaftsartikels.

III.

Die Kommission ist der Auffassung, dass der neue Verfassungsartikel alle für die Verwirklichung der aufgestellten Postulate notwendigen Grundsätze enthalten soll, ohne auf Einzelheiten, die der Ausführungsgesetzgebung überlassen bleiben müssen, einzutreten. Es sollen jedoch nicht nur die erforderlichen Kompetenzbestimmungen aufgenommen werden, sondern ausserdem einige Grundsätze materieller Natur, welche die Eichtung der einzuschlagenden Wirtschaftspolitik verdeutlichen.

950 IV.

Die Kommission ist der Auffassung, dass der Staat nur dort in die Wirtschaft eingreifen soll, wo es unbedingt erforderlich ist (wie z. B. zum Schütze von wichtigen, in ihrer Existenz gefährdeten Wirtschaftszweigen und Berufsgruppen), und dass im übrigen für alle Wirtschaftszweige, die der staatlichen Hilfe nicht bedürfen, nach wie vor der Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit gelten soll. Aus diesem Grunde soll Art. 81 BV grundsätzlich aufrechterhalten bleiben, vorbehaltlich der Gesetzgebung auf Grund des neuen Wirtschaftsartikels.

V.

Die Kommission erachtet es für zweckmässig, die neuen Verfassungsbestimmungen in zwei Artikel zu gliedern, wovon der eine sich mit der Wirtschaftspolitik, der andere mit der Arbeitslosigkeit befasst. Sie empfiehlt bei dieser Gelegenheit die verschiedenen Verfassungsartikel, welche die Wirtschaft betreffen, zu bereinigen und gleichzeitig die alte Streitfrage über das Verhältnis zwischen Art. 81 und 84ter BV engültig abzuklären. Zu diesemZwecke schlägt sie vor : a. Art. 81, Abs. 2 BV, der die Vorbehalte zur Handels- und Gewerbefreiheit einzeln aufzählt, zu revidieren und durch einen allgemeinen Vorbehalt zu ersetzen; b. den neuen Wirtschaftsartikel an Stelle von Art. 32 der geltenden BV, der seit dem Jahre 1890 obsolet ist, einzufügen; c. den bisherigen Art. 84ter in den neuen Wirtschaftsartikel hineinzuarbeiten und ihn durch einen neuen Artikel über Massnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu ersetzen.

Gestützt auf diese Erwägungen bringt die Kommission IV die nachfolgenden Verfassungsänderungen in Vorschlag: Art. 81.

Die Freiheit des Handels und der Gewerbe ist im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft gewährleistet.

Vorschriften über die Ausübung von Handel und Gewerbe und über die Besteuerung des Gewerbebetriebes sind zulässig; sie dürfen jedoch, wo die Verfassung nichts anderes vorsieht, den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst nicht beeinträchtigen.

Art. 82 *).

Der Bund kann, unter Wahrung der Handels- und Gewerbefreiheit, im Eahmen der dauernden Interessen einer gesunden Gesamtwirtschaft einheitliche Bestimmungen aufstellen und Massnahmen ergreifen zur Förderung von Landwirtschaft, Industrie, Gewerbe und Handel, sowie zum Schütze der Arbeit.

*) Der bisherige Art. 82 würde als obsolet gestrichen, ebenso Art. 6 der Übergangsbestimmungen zur Bundesverfassung.

951

Er ist befugt, unter Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit Vorschriften zu erlassen: a. zur Erhaltung eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen Landwirtschaft sowie zur Festigung des bäuerlichen Grundbesitzes; 6. zum Schütze von wichtigen, in ihrer Existenz gefährdeten Wirtschaftszweigen und Berufsgruppen: c. über die Mitwirkung der Berufs- und Wirtschaftsverbände bei der Durchführung gesetzlicher Erlasse und über die Allgemeinverbindlicherklärung von Vereinbarungen und Beschlüssen von Berufsverbänden und ähnlichen Wirtschaftsorganisationen auf den Gebieten der Berufsbildung, der Arbeitsbedingungen und des Wettbewerbs, unter Wahrung der Gesamtinteressen sowie begründeter Minderheitsinteressen; d. über Kartelle und Trusts.

Die Gesetzgebung entscheidet über die Mitwirkung der Kantone und bestimmt, welche Gebiete und Eechte diesen vorbehalten bleiben.

Art. S黫* *).

Der Bund bekämpft die Arbeitslosigkeit und mildert ihre Polgen.

Er kann über den Arbeitsnachweis, die Arbeitslosenversicherung und für Zeiten eines Notstandes über die Arbeitsbeschaffung und ihre Finanzierung einheitliche Bestimmungen aufstellen.

Die Gesetzgebung entscheidet über die Mitwirkung der Kantone und bestimmt, welche Gebiete und Eechte diesen vorbehalten bleiben.

VI.

Die Kommission hat ferner die Frage aufgeworfen, ob im Zusammenhang mit der Schaffung einer neuen verfassungsmässigen Grundlage für die Wirtschaftspolitik nicht auch eine Neuordnung der dringlichen Bundesbeschlüsse verbunden werden sollte. Es wurde geltend gemacht, dass angesichts der Unpopularität der dringlichen Bundesbeschlüsse die Annahme der Vorlage erleichtert würde, wenn gleichzeitig im Sinne mindestens einer Erschwerung eine Neuordnung der Bestimmungen über die dringlichen Bundesbeschlüsse in Vorschlag gebracht würde. Zu diesem Zwecke müsste auch der Art. 89 BV in die Eevision miteinbezogen werden.

Dieser Anregung wurde entgegengehalten, dass ein Eevisionsvorschlag betreffend die dringlichen Bundesbeschlüsse im allgemeinen über den Eahmen der Aufgabe einer begutachtenden Expertenkommission für Wirtschaftsgesetzgebung hinausgehen würde. Art. 89 BV lasse bei Dringlichkeit die Ausschaltung des Eeferendums zu nicht nur für Beschlüsse, die die Wirtschaft betreffen, sondern für Beschlüsse irgendwelchen andern Inhalts.

*) Der bisherige Art. 34'" würde hinfällig, weil in Art. 32 neu enthalten.

952

Eine Einigung über diese Frage konnte in der Unterkommission IV nicht erzielt werden. Die Frage wurde deshalb offen gelassen in der Meinung, dass es den Behörden oder dem Initiativrecht vorbehalten bleiben solle, dieses Problem für sich aufzuwerfen und eventuell weiter zu verfolgen.

VII.

Die Kommission hält es ferner für notwendig, die Geltungsdauer der bis Ende 1987 befristeten dringlichen Bundesbeschlüsse um zwei Jahre zu verlängern in der Meinung, dass während dieser Zeit die vorgeschlagene erforderliche Verfassungsrevision ausgearbeitet und dem Volke zur Abstimmung vorgelegt werden soll. Ferner muss die notwendige Zeit eingerechnet werden für die entsprechenden Ausführungsgesetze. Bei den zu verlängernden Bundesbeschlüssen handelt es sich um folgende: 1. BB vom 27. September 1935 über das Verbot der Eröffnung und Erweiterung von Warenhäusern, Kaufhäusern, Einheitspreisgeschäften und Filialgeschäften ; 2. BB vom 11. Dezember 1985 über die Erneuerung des BB vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Auslande; 8. BB vom 20. Juni 1986 betreffend die Überwachung von Warenpreisen; 4. BB vom 29. September 1936 über wirtschaftliche Notmassnahmen.

Es wird Sache näherer Prüfung durch das Volkswirtschaftsdepartement und seiner Abteilungen sein, die Frage abzuklären, ob diese Beschlüsse in ihrer Gesamtheit verlängert werden müssen oder ob im Gegenteil einzelne davon fallen gelassen werden können oder abgeändert werden müssen.

Soweit die Berichte der Unterkommissionen.

Im Ansehluss an das Postulat der Unterkommission II betreffend die gesetzliche Eegelung des Bürgschaftswesens in der Landwirtschaft wurde in der Plenarkommission die Frage aufgeworfen, ob nicht sanierende Massnahmen im Bürgschaftswesen im allgemeinen in die Wege geleitet werden sollten. Es wurde darauf hingewiesen, dass in vielen Teilen des Landes die Eingehung von Bürgschaftsverpflichtungen dermassen überhand genommen habe, dass sie sich zu einem schweren Übelstand auszuwachsen drohen. Im Kanton Solothum haben diese Verhältnisse zu einer Volksinitiative geführt, die den Zweck verfolgte, unter Führung des Staates eine Art Bürgschafts Versicherung einzuführen. Auf diesem Wege kann nach der Auffassung der Plenarkommission das Problem nicht gelöst werden. Dagegen legt sie den Bundesbehörden nahe, die Frage zu prüfen, ob nicht durch eine Revision der entsprechenden Bestimmungen des Obligationenrechtes eine Beschränkung der persönlichen Bürgschaft herbeigeführt werden könnte, unter anderm dadurch, dass die Anlage von Bürgschaftsregistern vorgeschrieben würde, aus denen die Überlastung der einzelnen Bürgen mit Bürgschaftsverpflichtungen hervorgehen würde.

953

Zu dem im Bericht der Unterkommission III enthaltenen Teil über Fragen der Börsenordnung hat die Plenarkommission die Auffassung vertreten, dass die Bundesbehörden den Erlass eines eidgenössischen Börsengesetzes prüfen sollten, falls auf dem Wege freiwilliger Vereinbarungen unter den Börsen keine befriedigende Eegelung der postulierten Neuordnung erzielt werden könnte.

Die Unterkommission III hatte sich ausser mit Fragen des Geld- und Kapitalmarktes auch mit den Massnahmen zur Einleitung einer planmässigen Bückbildung des Übermasses an Schulden bei den öffentlichen Körperschaften, bei den öffentlichen und privaten Verkehrsunternehmen sowie in der privaten Wirtschaft im allgemeinen (Landwirtschaft, Gewerbe und Hôtellerie) befasst.

Angesichts der'Bedeutung der Finanzpolitik für die Gestaltung der Wirtschaftspolitik hatte sie ferner über das Verhältnis zwischen der Finanzgebarung der öffentlichen Körperschaften und der Wirtschaft eine Beihe von Grundsätzen aufgestellt. Von der Erwägung ausgehend, dass es sich dabei einesteils um Fragen handle, zu denen der Bundesrat bereits Stellung genommen hat (wie die Entschuldung der Landwirtschaft und die Sanierung der SBB sowie der Privatbahnen), andernteils um Fragen, die in den Aufgabenkreis anderer Departemente, insbesondere den Bereich des eidgenössischen Finanz- und Zolldepartements fallen, nahm die Plenarkommission davon Umgang, diesen Teil des Berichtes der Unterkommission III in ihren Bericht ebenfalls aufzunehmen.

Sie beschloss jedoch, die bezüglichen Teile des Berichtes gleichwohl dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement zu unterbreiten in der Erwartung, dass die darin enthaltenen Anregungen dem Bundesrat und den in Betracht fallenden Departementen als Meinungsäusserung der Unterkommission III zur Kenntnis gebracht werden.

Die Berichte der Unterkommissionen I--IV wurden in der Form, in der sie hier wiedergegeben sind, von der Plenarkommission genehmigt, mit Ausnahme des Entwurfes der Kommission IV für die neuen Wirtschaftsartikel. Nach eingehenden Beratungen beschloss das Plenum, dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement nachfolgenden Text für eine Eevision der Art. 31, 32 und 34ter jjy vorzuschlagen: Art. 31.

Die Freiheit des Handels und der Gewerbe ist im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft gewährleistet.

Vorschriften über die
Ausübung von Handel und Gewerbe und über die Besteuerung des Gewerbebetriebes sind zulässig; sie dürfen jedoch, wo die Verfassung nichts anderes vorsieht, den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigen.

Art. 32.

Der Bund kann im Bahmen der dauernden Interessen einer gesunden Gesamtwirtschaft, unter Vorbehalt der Handels- und Gewerbefreiheit, einheitliche Be-

954 Stimmungen aufstellen .und Massnahmen ergreifen zur Förderung von Gewerbe, Handel, Industrie, Landwirtschaft und Verkehr.

Er ist befugt, ohne an die Schranken der Handels- und Gewerbefreiiieit gebunden zu sein, unter Wahrung der Gesamtinteressen Vorschriften zu erlassen: a. zur Erhaltung eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen Landwirtschaft sowie zur Festigung des bäuerlichen Grundbesitzes; b. zum Schütze von wichtigen, in ihrer Existenz gefährdeten Wirtschaftsziveigen und Berufsgruppen; c. über Kartelle und ähnliche Organisationen; d. über die behördliche Allgemeinverbindlicherklärung von Vereinbarungen und Beschlüssen von Berufsverbänden und ähnlichen Wirtschaftsorganisationen auf den Gebieten der Berufsbildung, der Arbeitsbedingungen mit Einschluss sozialer Nebenleistungen sowie der Bekämpfung des unlautern Wettbewerbes, sofern sie begründeten Minderheitsinteressen angemessen Rechnung tragen, die Verbandsfreiheit nicht beeinträchtigen und von unabhängigen Sachverständigen befürwortet werden.

Die Ausführung der Bestimmungen in Abs. l und 2 erfolgt auf dem Wege der Gesetzgebung. Diese berücksichtigt die Mitwirkung der Kantone und behält ümen Rechtsgebiete vor, die keiner allgemeinen Regelung bedürfen. Sie ordnet ferner die Mitwirkung von Berufsverbänden und ähnlichen Wirtschaftsorganisationen bei der Durchführung gesetzlicher Erlasse.

Art. 34^T.

Der Bund ist befugt, zum Schütze der Arbeitnehmer sowie über die Arbeitsvermittlung und die Arbeitslosenversicherung auf dem Wege der Gesetzgebung einheitliche Bestimmungen aufzustellen.

Er bekämpft die Arbeitslosigkeit und mildert ihre Folgen; für Zeiten der Not kann er über die Arbeitsbeschaffung und ihre Finanzierung gesetzlicJie Vorschriften erlassen.

Die Mitwirkung der Kantone ist gewährleistet.

Der Vertreter der Genossenschaften beantragte, in Art. 81 oder 82 folgendes Alinea beizufügen: «Genossenschaften, die auf Grundlage der gegenseitigen Selbsthilfe hauptsächlich ihren Mitgliedern auf dem Gebiete der Produktion, der Produktionsverwertung oder der Deckung des -wirtschaftlichen und hauswirtschaftlichen Bedarfes dienen sollen, dürfen durch die Gesetzgebung weder an ihrem Entstehen noch an ihrem Wirken und ihrer Entwicklung beeinträchtigt werden.» Die Plenarkommission verzichtete auf eine besondere Erwähnung der Genossenschaften
in der Bundesverfassung in der Erwägung, dass der von ihr vorgeschlagene Text den Genossenschaften keinen Grund zu Befürchtungen biete und in der Annahme, dass keinerlei Absicht bestehe, irgendwelche Sondergesetze zum Nachteil der Genossenschaften zu erlassen, ganz abgesehen davon,

955 dass die auf Grund von Art. 82 zu erlassenden Ausführungsgesetze dem Beferendum unterliegen.

Die Kommission legt Gewicht auf die Feststellung, dass die neuen Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung und der Kommissionsbericht zusammen ein Ganzes bilden. Der Bericht, der die Aufgaben der schweizerischen Wirtschaftspolitik umreisst, ist gleichzeitig als Erläuterung der neuen Verfassungsbestimmungen zu betrachten. Die Kommission konnte selbstverständlich das Wirtschaftsprogramm nicht in den Verfassungsartikel aufnehmen; sie hielt es jedoch für notwendig, ein detailliertes Programm auszuarbeiten, welches das Ziel der einzuschlagenden Wirtschaftspolitik und der Verfassungsrevision deutlich umschreibt.

Die Vorschläge, welche die Kommission nach reiflicher Überlegung hiemit dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement unterbreitet, halten sich im Eahmen des praktisch Erreichbaren. Sie enthalten keine revolutionären Zielsetzungen, sondern beschränken sich auf Postulate, die unter den heutigen Verhältnissen durchführbar sind und zum Teil schon seit Jahren diskutiert werden. Die Kommission befasste sich im Verlauf ihrer Beratungen auch mit grundsätzlich neuen Wirtschaftsformen, wie korporativer Wirtschaftsordnung und Planwirtschaft. Nach der Überzeugung der Kommission sind weder staatlich gebildete Korporationen noch eine Planwirtschaft unter zentraler Leitung für die schweizerischen Verhältnisse eine zweckmässige Lösung. Es herrschte ferner Einigkeit darüber, dass unter den heutigen Verhältnissen weder eine Eückkehr zum Wirtschaftsliberalismus alten Stils noch eine allgemeine Förderungs- und Stützungspolitik für alle Wirtschaftszweige, die schliesslich zu einem planlosen Interventionismus führen müsste, in Frage komme. Das Verhältnis von Staat und Wirtschaft lässt sich nicht auf eine einfache Formel bringen. Zweifelsohne können und sollen zahlreiche Beschränkungen, die der Staat der Wirtschaft während der Krise auferlegen müsste, mit der Besserung der Wirtschaftslage wieder abgebaut werden; anderseits muss für einzelne Wirtschaftszweige und Berufsgruppen auch in Zukunft die Möglichkeit des Schutzes durch den Staat vorhanden sein. Die Kommission hat ihre Auffassung über das Verhältnis von Staat und Wirtschaft in einer Eeihe von Grundsätzen niedergelegt, die im einleitenden Kapitel zu den Eichtlinien
über die innere Wirtschaftspolitik zusammengefasst sind.

Der Grundsatz des Art. 81 soll aufrechterhalten bleiben, vorbehaltlich der Gesetzgebung auf Grund des neuen Wirtschaftsartikels. Der Staat soll nur dort in die Wirtschaft eingreifen, wo es zur Bekämpfung von Missbräuchen der Wirtschaftsfreiheit oder zur Wahrung wichtiger allgemeiner Interessen erforderlich ist, während im übrigen nach wie vor der Grundsatz der Handelsund Gewerbefreiheit gelten soll.

Die Kommission will mit ihren Vorschlägen nicht einem neuen Wirtschaftssystem Eingang verschaffen, sondern der Wirtschaftspolitik einen gangbaren Weg weisen, auf dem sie, unter Berücksichtigung der natürlichen Gegebenheiten unserer Wirtschaft und der freiheitlichen Tradition unseres

956

Volkes, ihr Ziel -- die Versorgung der Nation mit allen lebenswichtigen Gütern auf die Dauer zu gewährleisten und der schweizerischen Bevölkerung Arbeit und Verdienst zu verschaffen -- erreichen kann.

Die Kommission gestattet sich, den Bundesbehörden den dringenden Wunsch auszusprechen, dass die Regelung der grossen finanzpolitischen Fragen des Landes so rasch als irgendmöglich an die Hand genommen werde.

Sie erlaubt sich im fernem, den Bundesbehörden folgende Anregungen zur Prüfung zu unterbreiten: a. Es wurde darauf hingewiesen, dass in der Schweiz die statistischen Grundlagen für die Beurteilung der Wirtschaftsentwicklung unvollständig und unvollkommen sind. Die wirtschaftlichen Verhältnisse, die sich in viel rascherem Flusse befinden als vor dem Kriege, erfordern eine fortlaufende Kontrolle. Die Wirtschaftsstatistik sollte deshalb, auch im Hinblick auf die erhöhten Aufgaben des Staates, ausgebaut werden.

b. Ferner wurde der Wunsch nach einem Ausbau des wirtschaftlichen Publizitätsdienstes geäussert, um die Öffentlichkeit im In- und Auslande in vermehrtem Masse, als dies bisher geschehen ist, über die wirtschaftlichen Massnahmen des Staates zu orientieren. Die Kommission glaubt, dass durch eine zweckentsprechende Organisation und durch Konzentration der eingesetzten Mittel ohne erhebliche Mehrbelastung des Staates auf diesem Gebiete bessere Eesultate erzielt werden könnten.

c. Schliesslich weist die Kommission darauf hin, dass der Staat durch Art. 84ter (neu) B V eine gewisse Verantwortung für die Beeinflussung des Konjunkturablaufes übernimmt. Die Erfahrungen der vergangenen Krisenjahre sollten deshalb nutzbar gemacht werden, und es sollten schon jetzt Massnahmen zur Verhinderung bzw. Milderung künftiger Krisen, soweit sie im Bereiche der schweizerischen Wirtschaftspolitik liegen, eine sorgfältige, gründliche Prüfung erfahren.

Dies, hochgeehrter Herr Bundesrat, sind die Vorschläge und Empfehlungen zur Neugestaltung der schweizerischen Wirtschaftspolitik, welche die Kommission nach gründlicher Prüfung Ihnen zuhanden des Gesamtbundesrates unterbreitet.

Genehmigen Sie, Herr Bundesrat, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Namens der begutachtenden Kommission für Wirtschaftsgesetzgebung, Der Stellvertreter des Vorsitzenden: gez. Stucki.

Der Sekretär: 44Sa gez. Holzer.

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Bericht der begutachtenden Kommission für Wirtschaftsgesetzgebung an das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement. (Vom 4. Juni 1937.)

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1937

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37

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15.09.1937

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