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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Schaffung einer Schweizerischen Filmkammer.

(Vom 13. Juli 1937.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen hiermit den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Schaffung einer Schweizerischen Filmkammer zu unterbreiten.

I. Vorgeschichte und Vorarbeiten.

1. Erste Veranlassungen.

Verschiedene Umstände bildeten für unser Departement des Innern den Anlass, seine Aufmerksamkeit der Lage und Entwicklung des schweizerischen Filmwesens zuzuwenden.

a. Im Frühjahr 1934 gelangten die schweizerischen Lichtspieltheater mit dem Gesuch an die Bundesbehörden, es möchte auf dem Wege des dringlichen Bundesbeschlusses ein Verbot der Errichtung und Eröffnung neuer Kinotheater erlassen werden (Eingaben der Association Cinématographique Suisse Eomande und des Schweizerischen Lichtspieltheater-Verbandes, deutsche und italienische Schweiz, an unser Volkswirtschaftsdepartement vom 20. April bzw. 24. Mai 1934). Den Beweggrund dieses Begehrens bildete die verschlechterte wirtschaftliche Lage des kinematographischen Gewerbes der Schweiz.

Die Frage der Ergreifung von Massnahmen gegen die Eröffnung neuer Lichtspieltheater hatte die Bundesbehörden schon früher beschäftigt. Durch Postulat des Herrn Nationalrat Dr. Zimmerli und Mitunterzeichner vom 25. Januar 1921 (angenommen durch Beschluss des Nationalrates vom 9. De-

475 zember gleichen Jahres) waren wir eingeladen worden, zu prüfen und Bericht darüber zu erstatten, «ob nicht in Art. 31 der Bundesverfassung eine Bestimmung aufzunehmen sei, welche den Kantonen die Befugnis einräumt, das Kinematographengewerbe den durch das öffentliche Wohl geforderten Beschränkungen zu unterwerfen». Dem Postulat lag der Gedanke zugrunde, dass die starke Vermehrung der Lichtspieltheater und die dadurch bedingte verschärfte Konkurrenz die Kinounternehmer veranlasse, sich gegenseitig durch ethisch und ästhetisch minderwertige Filme zu überbieten, und dass die Einführung der Bedürfnisklausel für Lichtspieltheater geeignet wäre, zur Beseitigung dieses Missstandes beizutragen. In den Schlussfolgerungen des Berichts, den wir Ihnen am 26. Mai 1925 zum Postulat Zimmerli erstatteten, anerkannten wir die aus dem Postulat sprechende Sorge um das öffentliche Wohl als vollkommen berechtigt ; dagegen vertraten wir den Standpunkt, dass die Einführung einer Bedürfnisklausel für Lichtspieltheater nicht als wirksame Waffe im Kampf gegen den schlechten Film erscheine, dass das Hauptgewicht hier vielmehr auf die Vorzensur, die Fernhaltung der Jugend vom schlechten Film und die Förderung des guten Films zu legen sei. Wir empfahlen die Einführung einer freiwilligen Vorzensur durch Konkordat auf regionaler Grundlage.

Der Nationalrat nahm am 8. Oktober 1926, der Ständerat am 22. März 1927 von unserm Bericht zustimmend Kenntnis. Vom Nationalrat war aber gleichzeitig der Wunsch ausgedrückt worden, dass die Initiative zum Abschluss interkantonaler Zensurabkommen von unserm Justiz- und Polizeidepartement ergriffen werde und dass das Departement weiter prüfe, ob nicht auf Grund eines Bundesgesetzes die Vorzensur noch besser geordnet werden könnte.

Nachdem der damalige Vorsteher unseres Justiz- und Polizeidepartements den Entwurf zu einem Konkordat über Kinozensur ausgearbeitet hatte, wurde die Angelegenheit durch die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren weiterverfolgt. An der Konferenz vom 22. November 1926 in Bern wurde mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass die Durchführung von Zensurkonkordaten auf grosse Schwierigkeiten stossen würde, weshalb die Konferenz sich in der Abstimmung mit 13 gegen 3 Stimmen für ein Bundesgesetz aussprach. Mit Eingabe vom 15. August 1931 ersuchten
verschiedene schweizerische Frauen verbände und gemeinnützige Organisationen die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, der Organisation der Filmkontrolle erneute Beachtung zu schenken. Die Eingabe kam an der Konferenz vom 7. und 8. September 1931 in Bern zur Sprache. Der damalige Vorsteher unseres Justiz- und Polizeidepartements äusserte sich dahin, dass die Angelegenheit im Auge behalten und weiter geprüft werden sollte. Die Konferenz erklärte sich hiermit einverstanden. -- Seither haben unser Justiz- und Polizeidepartement und die Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz sich mit der Sache nicht mehr befasst. Es sollte die weitere Entwicklung der Verhältnisse im schweizerischen Filmwesen abgewartet werden.

Den vorstehenden Darlegungen ist zu entnehmen, dass die Eingabe der Lichtspieltheaterverbände an unser Volkswirtschaftsdepartement vom Früh-

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jähr 1984 nicht als Fortsetzung der seinerzeit durch das Postulat Zimmerli ausgelösten Bestrebungen aufzufassen ist. Besteht zwischen dem Gegenstand der Eingaben und demjenigen des genannten Postulats auch eine gewisse Parallelität, so liegen die verfolgten Zwecke im einen und im andern Fall doch auf ganz verschiedenen Ebenen : hier Schutz der ideellen Interessen der Allgemeinheit, dort Schutz der wirtschaftlichen Interessen eines Gewerbes. -- Mit Bücksicht auf die kulturelle Seite der Angelegenheit wurde das Begehren der Lichtspieltheater im Mai 1984 unserm Departement des Innern zur Vemehmlassung unterbreitet. Ausgehend von der durch uns seinerzeit gegenüber dem Postulat Zimmerli vertretenen Auffassung, wonach die Einführung der Bedürfnisklausel für das Kinematographengewerbe nicht von selbst zu einer Hebung des moralischen und kulturellen Niveaus der Kinodarbietungen führen würde, gelangte das Departement zum Schluss, dass eine Beschränkung des freien Wettbewerbs im Kinogewerbe auf alle Fälle nur Platz greifen sollte, wenn gleichzeitig wenigstens ein Versuch unternommen würde, durch staatliche Massnahmen auf eine Verbesserung der Qualität der Kinoprogramme hinzuwirken. Das Departement wies dabei auf die Möglichkeit hin, ein allfälliges Verbot der Errichtung und Eröffnung neuer Lichtspieltheater für die bestehenden Unternehmungen, die dadurch eine gewisse Monopolstellung erhalten würden, an bestimmte Bedingungen oder Auflagen zu knüpfen.

b. Anlässlich der Behandlung unseres Geschäftsberichts für das Jahr 1983 im Ständerat (Junisession 1934) wies Herr Löpfe auf die unerquicklichen Verhältnisse im schweizerischen Kinowesen hin, die -- weitgehend bedingt durch die Abhängigkeit der Kinobesitzer von den ausländischen Filmproduzenten und von den Filmverleihern -- mit den kulturellen Aufgaben und der moralischen Bedeutung des Lichtspielwesens in einem bedenklichen Widerspruch stünden. Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates ersuchte uns Herr Löpfe, zu prüfen, in welcher Weise den genannten Übelständen wirksam entgegengetreten und das Niveau der kinematographischen Darbietungen gehoben werden könne. Es handle sich darum, eine Filmproduktion zurückzudrängen, die -- man möge weltanschaulich eingestellt sein wie man wolle -- als verwerflich bezeichnet werden müsse. Einmal sollte die Zahl
der Kinotheater wegen der schädlichen Auswirkungen einer erhöhten Konkurrenz nicht mehr vermehrt werden dürfen. Herr Löpfe griff hier wieder den Gedanken einer Bevision des Art. 31 der Bundesverfassung auf. Sodann müsse das schweizerische Lichtspielwesen von einem skrupellosen Ausbeutertum befreit werden. Die Sorge um das Land gebiete, nach Ansicht der einstimmigen Kommission, auf eine Änderung des gegenwärtigen Zustandes hinzuwirken. -- In seiner Antwort äusserte sich der Vorsteher des Departements des Innern dahin, dass er die vom Berichterstatter der ständerätlichen Kommission in bezug auf das Kinowesen vertretene Auffassung teile. Die Verhältnisse hätten sich mehr und mehr in einer Eichtung entwickelt, die es dem Staat zur Pflicht mache, eine den höhern Interessen des Landes entsprechende Lösung, zu suchen. Der gegenwärtige Zustand berge nicht nur ethische und kulturelle,

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·sondern auch politische Gefahren in sich. Der Vorsteher des Departements des Innern sagte denn auch eine Prüfung der aufgeworfenen Fragen zu.

c. Seit 1934 kamen in verschiedenen Teilen unseres Landes Bestrebungen zur Schaffung einer schweizerischen Filmindustrie in Gang. Zürich, Montreux und St. Gallen machten den Anfang; 1935 folgten Bern, Basel und Sitten, 1936 Lugano und Luzern. Es bildeten sich unabhängig voneinander Initiativkomitees für die Errichtung eines schweizerischen Tonfilmateliers. In einigen der genannten Städte verdichteten sich diese Bestrebungen zu eigentlichen Projekten, die in bezug auf Umfang und Charakter allerdings stark voneinander abwichen. Fast überall rechneten die Initianten mit einem namhaften Bundesbeitrag (in drei Fällen mit einem solchen von Fr. 500 000) aus den Arbeitsbeschaffungskrediten. Einige der beteiligten Behörden und Organisationen wandten sich deshalb in den Jahren 1935 und 1936 an die Bundesbehörden (Volkswirtschaftsdepartement und Departement des Innern). -- Angesichts der weittragenden Bedeutung des Filmwesens für das geistige, kulturelle und wirtschaftliche Leben eines Landes konnten die Bundesbehörden die vorgelegten Projekte unmöglich als blosse Angelegenheit der Arbeitsbeschaffung behandeln. Die Sache erheischte eine sorgfältige Prüfung unter allen in Betracht fallenden Gesichtspunkten. Übrigens schloss die Vielfältigkeit der genannten Versuche schon rein wirtschaftlich eine ernste Gefahr in sich. Eine rationelle Gestaltung all dieser Bestrebungen im Hinblick auf ein gemeinschweizerisches Ziel erschien als dringend notwendig.

2. Die allgemeine Lage im Filmwesen.

Standen die in vorstehenden Ausführungen erwähnten Vorgänge auch in keinem äussern Zusammenhang miteinander, so beruhten sie doch auf einer gemeinsamen tiefern Ursache. Sie waren als Symptome eines allgemeinen Zustandes zu bewerten, der im Filmwesen auf Grund der vorangegangenen Entwicklung der Verhältnisse allenthalben zu Entscheidungen drängte. Dieser Zustand machte sich im einen Lande zunächst mehr nach dieser, im andern mehr nach jener Eichtung geltend. Doch konnte bei genauerer Betrachtung nicht übersehen werden, dass das Filmwesen als Ganzes in ein Stadium der Entwicklung eingetreten war, das nach Ordnung und Neugestaltung rief. In diesem Sinne muss von einer umfassenden Krise im Filmwesen gesprochen werden. Bei der Erklärung dieser Situation gehen wir von den besondern wirtschaftlichen Lebensbedingungen des Filmes aus.

Die Verwirklichung eines Filmprojektes erheischt bedeutende Kapitalien, und zwar muss die Kapitalinvestition in einem Zeitpunkt einsetzen, da bestenfalls ein fertiges Drehbuch vorhegt. Da die Erfolgsaussichten eines Drehbuches sehr schwer zu beurteilen sind, hat das investierte Kapital ein grosses Eisiko zu übernehmen. Das Filmgeschäft weist also an sich einen stark spekulativen Charakter auf. Diese Tatsache hat bisher weitgehend das Gesicht des Filmes

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bestimmt. Für das Filmgeschäft hat sich bisher fast ausschliesslich das spekulative Kapital interessieren lassen. Es erstrebte dabei mit allen verfügbaren Mitteln eine Verkleinerung des Eisikos. Hier liegt eine der Haupttriebfedern des Starkults und des Spekulierens auf die niedern Instinkte. Die Auswirkungen des spekulativen Charakters des Filmgeschäfts wurden um so augenfälliger und verhängnisvoller, je mehr die Produktionskosten infolge der fortschreitenden Technik und der Notwendigkeit dauernder Wachhaltung des Filmhungers der Masse (Ausstattungs-, Starfilme usw.) stiegen und je mehr der internationale Filmmarkt durch Schranken mannigfacher Art eingeengt wurde. Es kam zu den bekannten Zusammenbrüchen von Filmtrusten. Die Notwendigkeit einer grundlegenden Neuordnung der Filmwirtschaft, die Aufgabe, dem Filmgeschäft eine seiner Eigengesetzlichkeit Eechnung tragende solide Grundlage zu geben, traten immer klarer zutage.

Neben dem spekulativen Moment bildet, wie bereits angedeutet, die Abhängigkeit von einer international geweiteten Basis ein Charakteristikum der Filmwirtschaft, jedenfalls der europäischen. Damit ist ein Doppeltes gesagt : der Bedarf des Kinogewerbes eines Landes kann in den meisten Fällen durch die inländische Filmproduktion nicht gedeckt werden; umgekehrt ist die Filmproduktion eines Landes für die Amortisation ihrer Kosten regelmässig auf den Absatz im Ausland angewiesen. Tatsächlich war der Film bis 1928 eine Art internationaler Kunst. Es zeigte sich allerdings schon damals, dass die geschickteste Filmtechnik und die raffinierteste Ausstattung auf die Dauer versagen, wenn nicht die künstlerische Leistung oder der filmdramatische Gehalt irgendwie zu fesseln vermag. Der Film war den Kinderschuhen längst entwachsen. Trotzdem war es ihm, von Ausnahmen abgesehen, nicht gelungen, die seinem Wesen und seinem innern Gesetz entsprechende Ausprägung zu finden. Mochten die Entwicklungshemmungen auch vorwiegend durch die bedenkliche Qualität des durchschnittlichen Publikumsgeschmackes bedingt sein: die Tatsache blieb bestehen. So konnte man im letzten Stummfilmjahr von einer Filmkrise sprechen, deren Ursachen nicht so sehr auf wirtschaftlicher als vielmehr auf filmästhetischer Ebene lagen. Der russische Film hatte zwar bereits neue Wege angebahnt und Elemente eines eigenen Stiles ausgebildet;
seine politische Tendenz legte sich seiner Verbreitung jedoch hindernd in den Weg.

Ein Ereignis von weittragender Bedeutung war der Übergang vom stummen Film zum Tonfilm. Die eben berührte Problematik des Films wurde dadurch keineswegs vereinfacht. Für die Filmwirtschaft zog die Notwendigkeit neuer Kapitalinvestitionen behufs entsprechender technischer Ausrüstung der Produktion und des Kinogewerbes ebenfalls Folgen nach sich. Bedeutsam ist in vorliegendem Zusammenhang aber vor allem die Tatsache, dass die Verbindung von Ton bzw. gesprochenem Wort und bewegtem Bild die Wirkungsmöglichkeiten des Films einerseits erweiterte, dass sie anderseits jedoch der Verbreitung des einzelnen (gesprochenen) Films bestimmte Schranken setzte.

Hand in Hand damit ging eine politische Entwicklung, die immer mehr das

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nationale Moment betonte. Alle diese Faktoren bewirkten zunächst einen Produktionsrückgang in den sogenannten Filmländern. Gleichzeitig begann sich eine Umlagerung der Produktionszentren zu vollziehen. Vor dem Weltkriege war Frankreich beherrschend gewesen, während des Krieges hatten sich Deutschland und vor allem Amerika entscheidende Positionen erobert : heute muss man schon mit der englischen und in bedingtem Masse auch mit der österreichischen und der italienischen Filmproduktion rechnen; in Polen, in der Tschechoslowakei, in Ungarn, in Jugoslawien, in den skandinavischen Ländern, in einigen Balkanländern -- überall erkennt man Ansätze zu nationalen Filmproduktionen. Die starke nationale Orientierung des Tonfilms, in Verbindung mit der Grenzsetzung durch die Sprache, haben eine völlige Kräfteverschiebung auf dem internationalen Filmmarkt zur Folge gehabt. Die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung trug das Ihrige zu dieser Verlagerung bei.

Eine Tatsache, mit der heute jedes Land, jeder Staat rechnen muss, ist der ausserordentlich starke Einfluss, den der Film auf die Haltung des modernen Menschen und auf die Meinungsbildung bei der Masse ausübt, infolge der Vorführung im abgedunkelten Kaum erreicht der Film den Zuschauer in einem besonders aufnahmebereiten Zustand. Das macht den Film zu einem Ausdrucksmittel von ungewöhnlicher suggestiver Kraft. Eine Fülle von Anschauungen, Gefühlen und Willensimpulsen werden durch das Kino täglich in die Besuchermassen getragen. Dabei greift der Film in die verschiedensten Sphären des Lebens ein : er berührt kulturelle, moralische, politische und wirtschaftliche Belange. Der Film hat sich, zumal im Laufe des letzten Jahrzehnts, zu einem kulturpolitischen und propagandistischen Faktor ersten Eanges entwickelt. Die Bedeutung dieses Faktors für das öffentliche Leben kann und darf nicht mehr unterschätzt werden. Damit ist das Interesse des Staates an der Ordnung und Förderung des Filmwesens gegeben, und zwar nicht nur im Innern, sondern auch nach aussen. Mit jedem Film läuft gewollt oder ungewollt eine Propaganda für die Kultur, die Sitten, das politische Eegime oder die Wirtschaft des herstellenden Landes durch die Welt. Bedenkt man, dass zurzeit schätzungsweise 65 000 Lichtspieltheater mit rund 35 Millionen Sitzplätzen auf dem Erdball bestehen, dass die Zahl
der Kinobesucher jährlich in die Milliarden geht und dass diesen Zahlen eine Jahresproduktion von bloss etwa 2100 Spielfilmen gegenübersteht, so kann man die Bedeutung des Films für das moderne Leben und die durch ihn gegebenen Möglichkeiten, in die Breite zu wirken, ermessen.

Aus der Erkenntnis der kultur- und staatspolitischen Bedeutung des Films haben verschiedene Staaten Europas schon vor Jahren weitgehende praktische Folgerungen gezogen. Das Filmwesen ist dort nicht nur ausserordentlich straff durchorganisiert, sondern überdies einer intensiven Beeinflussung durch Politik und staatliche Propaganda unterstellt worden. Ein äusserst aktiver staatspolitischer Wille hat das gesamte Filmwesen jener Staaten in den Dienst einer zielbewussten Filmpolitik gestellt. Um der Filmwirtschaft eine ihrer Eigengesetzlichkeit Eechnung tragende Grundlage

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zu geben und die Produktion zu fördern, wurden überdies halbstaatliche oder staatlich kontrollierte Filmfinanzierungsinstitute geschaffen.

Nichts wäre nun verfehlter als die Annahme, dass die Notwendigkeit einer staatlichen Ordnung und Förderung des Filmwesens im Prinzip von einer bestimmten rechtlichen und politischen Struktur des Staatswesens abhänge.

Angesichts der bedeutsamen Eolie, die der Film im geistigen, politischen und ökonomischen Leben der Völker nun einmal spielt, wird sich auf die Dauer kein Staat der Aufgabe entziehen können, sich auf eine seiner Eigenart gemässe Weise mit den Fragen des Filmwesens zu befassen und den Film seinem Lebens-, willen dienstbar zu machen. Tatsächlich kann heute denn auch in allen sogenannten Kulturländern der Erde beobachtet werden, dass der Staat sich in irgendeiner Form des Filmwesens annimmt oder sich hierzu anschickt. Diese Entwicklung ist überall durch die Wucht der Ereignisse -- Zusammenbrüche grosser Filmkonzerne, Arbeitslosigkeit der Filmschaffenden, politische Beeinflussungsversuche von Staat zu Staat durch den Film, unhaltbare Zustände im Kinowesen, Notwendigkeit verstärkter Propaganda für die bedrängte Volkswirtschaft usw. -- gewissermassen erzwungen worden. In fast allen europäischen Staaten wird heute versucht, das Filmwesen nach nationalen Grundsätzen zu ordnen. Die Entschlossenheit zur Abwehr unerwünschter ausländischer Einflüsse und der positive Wille, sich in der Gemeinschaft der Völker zur Geltung zu bringen, bilden die Grundkräfte dieses Prozesses.

So kann hier ausser auf Deutschland, Italien und Eussland auf Österreich, Ungarn, die Tschechoslowakei, Polen und Frankreich hingewiesen werden, um nur diese Länder zu nennen. Die heftige Krise, die jüngst über die Filmindustrie Englands hereingebrochen ist, wird auch diesen Staat zwingen, eine ihm konforme Neuordnung des Filmwesens anzustreben.

Für die Schweiz ist auszugehen von der Tatsache, dass unser Land über keine eigene Filmindustrie verfügt. Die schweizerische Filmproduktion ist bisher über rudimentäre Ansätze nicht hinausgekommen. Damit ist zugleich unsere völlige Abhängigkeit von der ausländischen Filmproduktion ausgesprochen. Dass dieser Zustand unter den geschilderten Verhältnissen die kulturellen und staatspolitischen Interessen unseres Landes sehr nahe berührt, ist unschwer
einzusehen. Es ist daher mehr als eine blosse Bedewendung, wenn gesagt wird, dass das Filmproblem auch für die Schweiz zur nationalen Frage geworden ist.

3. Vorarbeiten.

In Erkenntnis der erwähnten Tatsachen und Zusammenhänge und in der Erwägung, dass Einzelprobleme des Filmwesens nur im Zusammenhang mit dem Ganzen eine sachgemässe Lösung finden können, erachtete unser Departement des Innern den Zeitpunkt für gekommen, die Filmfrage einer umfassenden Prüfung vom schweizerischen Standpunkt aus zu unterziehen (mit dem Ausdruck «Filmfrage» ist ein ausserordentlich weitschichtiger Fragenkomplex bezeichnet, dessen verschiedenartige Bestandteile in engster Wechselwirkung zueinander stehen).

481 Das Departement berief auf den 8. Juli 1935 eine Konferenz nach Bern ein, an der ausser verschiedenen Abteilungen der Bundesverwaltung die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren und diejenige der kantonalen Polizeidirektoren, die einzelnen Sparten des Filmwesens (Produktion, Verleih, Lichtspieltheater, Filmschaffende usw.), eine Beihe schweizerischer Kulturverbände, die allgemeine Wirtschaft (einschliesslich Finanz und Verkehr) und weitere am Film interessierte Kreise vertreten waren. Durch diese Konferenz, die unter dem Vorsitz des Vorstehers des Departements des Innern insgesamt 85 Persönlichkeiten vereinigte, sollte eine gründliche Aussprache zwischen den beteiligten Kreisen herbeigeführt und einer Zusammenfassung der Kräfte unter Mitwirkung der staatlichen Organe der Weg geebnet werden. Das zu erreichende Ziel umschrieb der Vorsteher des Departements des Innern in seiner Wegweisung folgendermassen : Durch eine organische Zusammenarbeit zwischen privater Initiative und Staat soll a.uf dem Gebiete des Filmwesens jene Ordnung der Verhältnisse herbeigeführt werden, die vom kulturellen und vom wirtschaftlichen Standpunkt aus "für die Schweiz als geboten erscheint; der Staat soll dabei ordnend und fördernd auf die Privatwirtschaft einwirken und dafür Sorge tragen, dass das private Interesse sich dem nationalen, das wirtschaftliche Interesse sich dem kulturellen unterordne. Der Vorsitzende teilte der Konferenz mit, dass er im Hinblick auf das gesteckte Ziel die Schaffung einer Schweizerischen Filmkammer im Auge habe. Er ersuchte die Konferenz, besonders auch zu dieser Idee Stellung zu nehmen. -- In einer sehr regen Diskussion wurde die Filmfrage von den verschiedensten Seiten beleuchtet.

Die Konferenz erklärte sich mit der Schaffung einer Filmkammer einverstanden und begrüsste eine baldige Verwirklichung dieses Vorhabens. Zur Abklärung der dringlichsten Fragen und zur Vorbereitung der Fihnkammer wurde die Einsetzung einer Studienkommission durch das Departement des Innern angeregt.

Im Einvernehmen mit unserm Volkswirtschaftsdepartement schritt das Departement des Innern in der Folge zur Bestellung der Eidgenössischen Studienkommission für das Filmwesen. Die Kommission wurde aus zehn ordentlichen und einigen konsultativen Mitgliedern gebildet, bei gleichmassiger Vertretung von Filmwirtschaft
und Kultur. Als Präsident wurde Herr Dr. Albert Masnata in Lausanne, Direktor der Schweizerischen Zentrale für Handelsförderung und Präsident des Verbandes Schweizerischer Filmproduzenten, als Sekretär Herr Max Frikart in Zürich, Sekretär der Gesellschaft Schweizerischer Filmschaffender, bezeichnet. Als weitere ordentliche Mitglieder gehörten der Kommission an die Herren Dr. Armin Egli in St. Gallen, Präsident der Filmkommission des Schweizerischen Katholischen Volksvereins ; Dr. Max Bile in Zürich, Film-Finanzierungs-AG.; Dr. Gottlieb Tmbof in Basel, Leiter der Lehrfilmstelle Basel-Stadt; Joseph Lang in Zürich, Sekretär des Schweizerischen Lichtspieltheater-Verbandes ; Edmond Moreau in Genf, vom Filmverleiher-Verband in der Schweiz; Dr. Karl Naef in Zürich, Sekretär des Schweizerischen Schriftsteller-Vereins ; Hans Neumann in Bern, Sekretär

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der Schweizerischen Arbeiterbildungszentrale-; Prof. Giuseppe Zoppi, E. T. H., Zürich.

Die Studienkommission machte sich im Anschluss an ihre konstituierende Sitzung vom 22. Januar 1936 unverzüglich an die Arbeit. Das vom Departement des Innern genehmigte Arbeitsprogramm erstreckte sich auf die kulturelle, die allgemein-wirtschaftliche, die technisch-industrielle, die rechtliche und die organisatorische Seite der schweizerischen Filmfrage. Über die einzelnen Gegenstände erstatteten zunächst die als Eeferenten bezeichneten Kommissionsmitglieder Bericht; gestützt darauf erfolgte die Behandlung im Schoss der Arbeitsausschüsse ; dann nahm die Gesamtkommission Stellung. Im Zusammenhang mit diesen Arbeiten wurden zahlreiche Erhebungen durchgeführt und mehrere Konferenzen mit Vertretern einzelner Sparten des Filmwesens abgehalten. Eine vom Departement des Innern veranstaltete Enquete über die Ordnung des Filmwesens in sämtlichen europäischen und den wichtigeren aussereuropäischen Staaten, verschiedene Informationsreisen von Delegierten der Studienkommission ins Ausland und eine ständige Beobachtung der internationalen filmwirtschaftlichen und filmpolitischen Lage durch das Kommissionssekretariat zeitigten aufschlussreiche und für eine sachgemässe Behandlung der Filmprobleme zum Teil sehr wichtige Ergebnisse.

Am 18. November 1936 konnte die Studienkommission ihre Schlusssitzung abhalten. Die geleistete Arbeit fand ihren Niederschlag in einem umfangreichen Bericht, der kurz vor Weihnachten beim Departement des Innern eintraf. Je ein Sonderbericht war über die Frage des Baus eines schweizerischen Tonfilmateliers und über die Schaffung einer Schweizerischen Filmkammer ausgearbeitet worden (den Bericht über letztgenannten Gegenstand hatte die Kommission bereits im August 1936 eingereicht).

Der nachstehende Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis des umfangreichsten der genannten Dokumente, des «Allgemeinen Schlussberichts», vermag einen Begriff von der Weitschichtigkeit der von der Studienkommission bearbeiteten Materie zu geben. Der Inhalt des Berichts gliedert sich folgendermassen.

I. Grundsätzliche Erwägungen.

II. Filmkulturelle Fragen: 1. Einflussnahme auf die Programmgestaltung der Lichtspieltheater.

2. Förderung des guten Films (einschliesslich der Bekämpfung des Systems des sogenannten Blind- und
Blockbuchens).

3. Wochenschaufrage.

4. Anforderungen an eine schweizerische Filmindustrie in kultureller Hinsicht.

III. Filmwirtschaftliche Fragen: 1. Gegenwärtige Verhältnisse im schweizerischen Filmwesen (Produktion, Studios, Kopieranstalten, Verleih, Lichtspieltheater, finanzieller Anteil des Auslandes, Zolleinnahmen, Apparate-Industrie, Patentverhältnisse).

2. Volkswirtschaftlicher Wert einer Filmindustrie.

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3. Absatzmöglichkeiten einer schweizerischen Filmindustrie (Inlands- und Auslandsmarkt).

4. Gesetzliche und handelspolitische Massnahmen.

5. Clearing.

6. Mitwirkung der Lichtspieltheater beim Aufbau einer schweizerischen Filmproduktion.

7. Filmwerbung.

8. Arbeitsbeschaffung (Filmwesen und Arbeitsmarkt).

9. Produktionsfinanzierung (Filmkredit).

IV. Internationale Zusammenarbeit: 1. Abwehr unwillkommener Einflüsse.

2. Gemeinschaftsproduktion mit dem Ausland (kulturell und wirtschaftlich beurteilt).

8. Filmabkommen.

4. Internationale Filmkammer.

V. Spezialfragen : 1. Frage des sogenannten Kinobauverbots.

2. «Schweizerfilm».

8. Schmalfilmfrage.

Die Arbeiten der Studienkommission lassen keinen Zweifel mehr zu an der Notwendigkeit bestimmter staatlicher Massnahmen zur Ordnung und Förderung des schweizerischen Filmwesens. Sie haben den überzeugenden Nachweis erbracht, dass auf diesem Gebiete lebenswichtige Interessen unseres Landes im Spiele sind. Die Kommission hat mit allem Nachdruck auf die Notwendigkeit einer grundlegenden Ordnung des Bestehenden, einer aufmerksamen Verfolgung der ausländischen Einflüsse und gegebenenfalls ihrer Abwehr, endlich einer zielbewussten Zusammenfassung und Förderung aller auf bau willigen schweizerischen Kräfte im Filmwesen hingewiesen. Als Voraussetzung für die Ergreifung wirksamer und zweckdienlicher Massnahmen hat die Studienkommission ihrerseits die S c h a f f u n g eines zentralen Organs bezeichnet, in dem die öffentlichen, die kulturellen und die wirtschaftlichen Interessen durch sachkundige, repräsentative und ihrer Verantwortung gegenüber dem Volksganzen bewusste Persönlichkeiten vertreten sein würden; mit andern Worten: die Kommission hat in aller Form den Antrag auf Schaffung einer Schweizerischen Filmkammer gestellt.

Im Hinblick auf verschiedene dringliche Aufgaben und um zu verhüten, dass die Früchte der geleisteten Arbeit zum Teil verlorengehen oder in den Dienst von Sonderinteressen gestellt würden, empfahl die Studienkommission die unverzügliche Bestellung des genannten Organs. Sie wies dabei besonders auf die von verschiedenen Seiten unternommenen Versuche hin, die Bestrebungen um die Ordnung des schweizerischen Filmwesens aus egoistischen, spekulativen Beweggründen vor vollendete Tatsachen zu stellen, wobei vermutlich auch ausländische Interessen im Spiele seien. Aus diesen Gründen be-

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zeichnete die Kommission es als wünschenswert, dass sie durch die Schweizerische Fihnkammer in ihrer Tätigkeit unmittelbar abgelöst werde.

Eine derartige Beschleunigung des Vorgehens erwies sich aus verschiedenen Gründen als undurchführbar. Nachdem wir uns aber davon überzeugt hatten, dass die Tätigkeit der Studienkommission eine längere Unterbrechung in der Tat nicht duldete, erachteten wir es als unsere Pflicht, eine Zwischenlösung zu treffen. Gestützt auf Art. 104 der Bundesverfassung ermächtigten wir daher das Departement des Innern durch Beschluss vom 18. Juni 1987 zur Bestellung einer eidgenössischen Filmkommission, in der Meinung, dass diese Kommission als Fachorgan für das Filmwesen bis zu dem Zeitpunkt amten sollte, da die Schweizerische Filmkammer ihre Tätigkeit aufnehmen würde.

Den erforderlichen Kredit, berechnet für die Zeit bis Ende 1987, stellten wir der Eidgenössischen Filmkommission zu Lasten der Eubrik «Unvorhergesehenes» im Abschnitt «Verschiedenes» des Voranschlages der Eidgenossenschaft für 1987 zur Verfügung.

Bevor wir nun zur zusammenfassenden Begründung des Antrages auf Schaffung einer Schweizerischen Filmkammer und zur Darlegung unseres bezüglichen Projektes übergehen, möchten wir im folgenden Kapitel einen kritisch gehaltenen Überblick über die derzeitigen Verhältnisse im schweizerischen Filmwesen und in Kapitel III einige Hinweise auf die durch ausländische Staaten in bezug auf das Filmwesen getroffenen Vorkehrungen geben.

II. Das schweizerische Filmwesen.

1. Allgemeines.

Nur vereinzelte Kreise der schweizerischen Öffentlichkeit haben sich bisher eingehender mit der Filmfrage befasst. In erster Linie an ethischen Zielen orientiert waren die Bemühungen kirchlicher Kreise (Filmkommission des Schweizerischen Katholischen Volksvereins, Soziale Kommission des Evangelischen Kirchenbundes) und verschiedener um das sittliche Volkswohl und den Schutz der Jugend besorgter Organisationen (Schweizerische Kommission für Kinoreform, Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft, Schweizerische Vereinigung für sittliches Volkswohl, Bund schweizerischer Frauenvereine, u. a. m.). Andere Organisationen bemühen sich um den Ausbau des Filmes als Volksbildungsmittel (Schweizer Schul- und Volkskino, Bund Schweizerischer Kulturfilmgemeinden, Filmatelle des Schweizerischen Werkbundes, Schweizerische Arbeiterbildungszentrale) oder um den Ausbau des Unterrichtsfilmwesens in der Schweiz (Schweizerische Lehrfihnkammer, Basel, und Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Unterrichtskinematographie, Zürich). Erwähnt sei noch, dass der Schweizerische Schriftsteller-Verein und der Schweizerische Tonkünstlerverein aus kulturellen Gründen für die Schaffung eines «Schweizer Films» eingetreten sind.

485 Unter all diesen Kreisen bestand bis jetzt wenig Zusammenarbeit. Vereinzelte Koordinationsversuche sind meist gescheitert. Die Gründe dazu liegen zum Teil an dem geringen Interesse, das die breite Öffentlichkeit der Filmfrage bisher entgegenbrachte. Ohne einen gewissen Widerhall in der Öffentlichkeit und ohne Unterstützung durch die Behörden musste der Arbeit der genannten Kreise eine tiefere Wirkung versagt bleiben. Obwohl der Film in unserm Lande eine immer grössere Verbreitung gefunden hat, kann man in weitem Umfang noch jene « Gleichgültigkeit, ja Feindseligkeit gegenüber dem Kinematographien» feststellen, von der in unserm Bericht vom 26. Mai 1925 zum Postulat Zimmerli die Rede gewesen ist. So hat denn ein Mitglied des zürcherischen Regierungsrates jüngst mit vollem Recht auf den ausländischen Film als auf «eine Quelle besonderer Gefahr, die in ihrer zersetzenden Wirkung bei uns immer noch in fahrlässiger Weise unterschätzt wird», hingewiesen.

Übersieht man die gegenwärtige Lage im schweizerischen Filmwesen, so muss man leider feststellen, dass sie einerseits durch einen Zustand gefährlicher Unordnung und eine ganz unzeitgemässe Zersplitterung der Kräfte, anderseits durch eine der Bedeutung der Filmfrage nicht gerecht werdende Interesselosigkeit charakterisiert ist.

Die Schweiz ist wie jedes andere Land in die Zusammenhänge der internationalen Filmwirtschaft und Filmpolitik hineingestellt. Filmpolitische Massnahmen ausländischer Staaten haben ihre sofortigen Auswirkungen im schweizerischen Filmwesen. Diese Auswirkungen sind um so stärker und gefährlicher, je weniger sie einer systematischen Kontrolle unterliegen. Dabei ist zu bedenken, dass der Schweiz infolge ihrer geographischen Lage und ihrer kulturellen und politischen Gegebenheiten eine besondere Bedeutung innerhalb der europäischen Filmpolitik und Filmwirtschaft zukommt. Diese Bedeutung spiegelt sich besonders deutlich in den Vorgängen im Filmverleihgewerbe der Schweiz wieder (vgl. unten Abschnitt 4).

2. Der Filmkonsum.

Die Eidgenössische Studienkommission für das Filmwesen hat zum erstenmal genauere Erhebungen nach dieser Richtung durchgeführt. Das Ergebnis ist, kurz zusammengefasst, folgendes: 1984 wurden eingeführt: Anzahl nach Sujets Anzahl Kopien

Spielfilme Beiprogrammfilme. . . . . . .

ITT i_ u j?-i Wochenschaufilme Total

515 541 l nrrn i 278 1334

Meterlänge

849 1 ß ._ 1645

2 067 916 m _ fiu_ 895 OK 257 m

2494

2 963 173 m

Der Anteil der einzelnen Produktionsländer, nach Spielfilmsujets gerechnet, betrug im gleichen Jahre:

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Deutschland 23,3% Österreich 3,1 % Prankreich 22,7% Italien ' 1,4% U. S. A 45,2% England 2,1% (Der Eest verteilt sich auf : Eussland, Dänemark, Polen, Tschechoslowakei und Ungarn.)

1935 zeigte der schweizerische Filmkonsum folgendes Bild: Anzahl nach Sujets Anzahl Kopien

Spielfilme Beiprogrammfilme TI7 l l j?'l Wocnenscnaufilme Total

482 594 l nnn t 338 J 1414

823 l t Ad

2552

Meterlänge

1981743 m O I i OÌ.Ì

XII

2 853 260 m

Der Anteil pro Produktionsland, wiederum nach Spielfilmsujets gerechnet, änderte sich 1935 wie folgt: Deutschland 17 % Österreich 4,6 % · Frankreich 19,1 % Italien 1,5 % U. S. A 53 % England 3,8% (Der Eest verteilt sich auf: Eussland, Dänemark und Tschechoslowakei.)

Zu beachten ist, dass für den Anteil der verschiedenen Produktionsländer an den · Programmen der schweizerischen Lichtspieltheater nicht die Zahl der Sujets der in die Schweiz eingeführten Filme, sondern die Zahl der eingeführten Kopien und der Grad der Auswertung dieser Kopien massgebend ist. In dieser Beziehung sei bemerkt, dass für die amerikanischen Filme Verhältnismassig bedeutend weniger Kopien eingeführt werden als für die deutschen und französischen. Die Auswertung der Kopien kann natürlich grosse Unterschiede aufweisen.

Die Beiprogrammfilme wurden in beiden Jahren nur durch folgende Länder geliefert: Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, U. S. A., England und Norwegen.

Die in der Schweiz vorgeführten W o c h e n s c h a u f i l m e stammen ausschliesslich aus Deutschland und Frankreich, indem die Bilder aus andern Ländern den Weg über Firmen dieser beiden Länder nehmen.

Die angeführten Zahlen können keinen Anspruch auf vollkommene Genauigkeit erheben, da die Möglichkeit einer zuverlässigen Kontrolle zurzeit fehlt. Auch ist der Schmalfilmverkehr dabei nicht erfasst.

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Auffallend ist der hohe Filmkonsum unseres Landes ; er erklärt sich zum Teil aus den sehr verschiedenartigen Bedürfnissen und Wünschen der einzelnen Landesteile.

Der Anteil des Auslandes am finanziellen Ertrag der Filme in der Schweiz betrug für die Saison 1935/36 rund Fr. 9 200 000, wobei die Lizenzen für den Filmverkehr ausserhalb der Lichtspieltheater (Schmalfilme, Vereinsfilme usw.)

nicht eingerechnet sind.

Neben dem erwähnten Filmkonsum fällt die landeseigene Filmproduktion der Schweiz weder kulturell noch wirtschaftlich ins Gewicht (vgl. unten Abschnitt 6). Daraus geht hervor, in welch hohem Masse die Schweiz durch ihren Filmkonsum vom Ausland abhängig ist. Diese Abhängigkeit schliesst bei der heutigen Weltlage ernste Gefahren in sich und ruft dringend nach gewissen behördlichen Massnahmen.

3. Die Filmeinfuhr.

Die Filmeinfuhr in die Schweiz wird heute rein zollpolitisch behandelt.

Überdies ist der Film im geltenden Zolltarif lediglich durch Sammelpositionen erfasst (Pos. 694 a: unbelichtete kinematographische Negativ- und Positivfilme; ferner Trockenplatten aus Glas, unbelichtete Plan- und Eollfilme aus Zelluloid etc.: Fr. 40 per q; Pos. 902 a: belichtete kinematographische Negativ- und Positivfilme, ferner photographische Negative und Positive und Projektionsbilder auf Glas oder Gelatine: Fr. 60 per q). Da der Zoll nicht per Film oder per Meter, sondern nach Gewicht erhoben wird, ist jede zuverlässige Kontrolle über Format (Normal- oder Schmalfilm) oder Gattung (Spiel-, Beiprogramm-, Kultur- oder Wochenschaufilm) der eingeführten Filme ausgeschlossen. Ausgeschlossen ist auf Grund der geltenden Eegelung auch eine genauere Kontrolle in bezug auf das Ursprungsland; denn meistens werden nicht die Negative, sondern die Positive der Filme eingeführt, und diese kommen häufig nicht aus dem Ursprungsland, sondern aus einem dritten Land, in das jenes sie bereits eingeführt hatte (so werden die amerikanischen Filme oft aus Deutschland in die Schweiz eingeführt, nachdem sie in deutschen Werkstätten nachsynchronisiert worden sind.)

Auf Grund der geltenden Gesetzgebung verfügen die Organe der Bundesverwaltung über eine Zugriffsmöglichkeit lediglich in bezug auf die Einfuhr unzüchtiger Filme (Art. 4, Ziff. l, des Bundesgesetzes vom 30. September 1925 betreffend die Bestrafung des Frauen- und
Kinderhandels sowie der Verbreitung und des Vertriebes von unzüchtigen Veröffentlichungen). Aber auch diese (durch die Zollorgane ausgeübte) Kontrolle erfasst meist nur besonders krasse Fälle, indem die Behörden infolge der zolltechnischen Eegelung auf ihren Spürsinn angewiesen sind.

Nachdem der Film heute zu einem der wirksamsten Mittel geistiger und politischer Beeinflussung der Massen geworden ist, drängt sich die Schaffung einer Kontrolle der Filmeinfuhr für ein völlig von der ausländischen Filmproduktion abhängiges Land geradezu auf. Diese Kontrolle ist um so notwendiger,

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als die Filmtechnik für die filmische Propaganda Aufführungsmöglichkeiten geschaffen hat (Schmalfilmwesen), die eine Kontrolle im Moment oder gar nach der Aufführung ausserordentlich erschweren. Die Abwehr unwillkommener Einflüsse aus dem Ausland kann nur durch eine Einfuhrkontrolle wirksam gestaltet werden.

Die Schaffung einer solchen Kontrolle erscheint auch aus wirtschaftlichen Gründen als angezeigt. Die Untersuchungen und Arbeiten der Eidgenössischen Studienkommission für das Filmwesen haben den berechtigten Verdacht aufkommen lassen, dass der Filmzahlungsverkehr das Clearing in hohem Masse umgehe, was dank den verwickelten Zusammenhängen in der internationalen Fihnwirtschaft (Filmtruste) sehr leicht möglich ist. Auch nach dieser Eichtung lässt sich eine wirksame Kontrolle nur durch besondere Massnahmen erzielen.

4. Der Filmverleih.

In der Schweiz sind 38 Verleihfirmen tätig. Davon sind fünf in direktem ausländischem Besitz.

Auf die Spielfilmkopienzahl berechnet, haben diese fünf ausländischen Verleihhäuser 1938 20,89% 1934 27,09% 1935 31,34% des gesamten Spielfilmbedarfs in Umlauf gebracht.

Wie stark der Filmverleih in der Schweiz konzentriert ist, zeigen folgende Zahlen:

1933 haben 13 Verleiher 89,24% 1934 » 14 » 89,16% 1935 » 15 » 90,15% aller Spielfilme verliehen (unter Einschluss der 5 oben genannten Firmen).

Es konnte in letzter Zeit beobachtet werden, dass vom Ausland her eine weitere Zusammenfassung des Filmverleihs in der Schweiz angestrebt wird.

Man muss also damit rechnen, dass die oben angeführten Prozentzahlen in nächster Zeit steigen werden. Eine solche Entwicklung liegt jedoch keineswegs im Interesse unseres Landes. Ganz abgesehen von den wirtschaftlichen Folgen für die unabhängigen schweizerischen Filmverleiher, wird dadurch bei den ausländischen Verleihhäusenf eine Macht konzentriert, die vom Ausland her nach bestimmten Gesichtspunkten dirigiert werden kann.

Dem Verleihgewerbe kommt innerhalb des Filmwesens eine wichtige Stellung zu, zumal die Verleiher sich in erheblichem Umfang an der Finanzierung der Filmproduktion beteiligen. Geordnete Verhältnisse im Filmverleih sind für ein gesundes Lichtspielwesen nicht minder notwendig als geordnete Zustände im Kinogewerbe selbst. Auf verschiedene das Verleih- und das Kinogewerbe gemeinsam berührende Fragen wird im nachstehenden Abschnitt hingewiesen werden.

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5. Die Lichtspieltheater.

Es bestehen in der Schweiz zurzeit 354 Lichtspieltheater mit insgesamt 132000 Sitzplätzen.

Auf 1000 Einwohner entfallen in Biel 103,.in Chaux-de-Fonds 84, in Lausanne 82, in Genf 75, in Luzern 63, in Basel 59, in Zürich 49, in St. Gallen 38, in Winterthur 37 und in Bern 34 Plätze. Das Mittel für die Schweiz beträgt 32 Kinoplätze auf 1000 Einwohner.

Diese Zahlen zeigen deutlich, dass die lebhafte Kinobautätigkeit an einzelnen Orten zu ungesunden Verhältnissen geführt hat. Die Auswirkungen liegen nicht nur auf der wirtschaftlichen, sondern auch auf der kulturellen und der moralischen Ebene. Obwohl wir nach wie vor der Auffassung sind, dass der Erlass eines sogenannten Kinobauverbots oder die Einführung der BedürfnisHäusel für das Kinogewerbe nicht an die Wurzel der Auswüchse im Lichtspieltheaterwesen greifen würde, muss auf Grund der Entwicklung im letzten Jahrzehnt der gesteigerte Konkurrenzkampf doch als Mitursache der derzeitigen Missstände betrachtet werden. Er veranlasst die Kinobesitzer, zu allen erdenklichen Mitteln zu greifen. Auf diese Weise ist die Kinoreklame in einigen Städten auf ein immer bedenklicheres Niveau gesunken. Welche Eolle dabei die erotische Komponente spielt, beweisen fast täglich die Inserate bestimmter Kinotheater. Der Mangel an guten Filmen im Verein mit dem Terschärften Konkurrenzkampfe veranlasst die Lichtspieltheaterbesitzer ferner zur Vorführung von Schundfilmen aller Art. Es handelt sich meist um Sensationsfilme (Kriminal- und Cowboyschlager), gegen welche die Kreise der Kinoreform immer und immer wieder mit Becht angekämpft haben. Über die verderblichen Einflüsse des schlechten Films ist schon so viel geschrieben worden, dass wir uns hier ein weiteres Eingehen erlassen können. Festgehalten sei nur, dass bei dieser Frage nicht nur die schädlichen Einwirkungen auf Jugendliche in Betracht zu ziehen sind, sondern dass es hier um das sittliche Wohl unseres Volkes überhaupt geht.

Die wirtschaftliche Lage der schweizerischen Kinos ist nach Angaben des schweizerischen Lichtspieltheater-Verbandes (deutsche und italienische Schweiz) sehr prekär. Bei einem Ausgabentotal von rund Fr. 29 200 000 hätten die 354 Kinos in der Saison 1935/36 ein Defizit von nahezu 2 Millionen Franken .gehabt (investiertes Kapital: rund Fr. 34500000). Mit diesen Zahlen
ist natürlich nicht gesagt, dass die wirtschaftliche Lage der schweizerischen Kinotheater durchwegs eine schlechte sei. Sie variiert nach Ort und Art des 'Kinos. Allgemein darf wohl gesagt werden, dass die bestehenden prekären Verhältnisse nicht allein durch die Wirtschaftskrise bedingt sind: der bereits ·erwähnte Mangel an guten Filmen, die starke Durchdringung der ausländischen Filmproduktion mit politischen Tendenzen und die ausserordentliche SteigeTung der Produktionskosten haben einen allgemeinen Zustand geschaffen, der ·einer grundsätzlichen Neuordnung des Filmwesens ruft; die Lage der Lichtspieltheater ist nur ein Ausdruck dieses Zustandes.

Bundesblatt. 89. Jahrg. Bd. II.

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Dadurch, dass die Schweiz ihren Filmbedarf fast ausschliesslich aus dem Ausland deckt, befinden sich auch die Kinotheater in sozusagen völliger Abhängigkeit von den ausländischen Filmtrusten und deren Vertriebsgesellschaften.

Diese Abhängigkeit wird durch das Verkaufssystem des sogenannten Blindund Blockbuchens weitgehend verschärft. Auf Grund dieses Systems sind die schweizerischen Verleiher und demnach auch die Kinobesitzer gezwungen, ganze Serien von Filmen im voraus und oft unbesehen zu übernehmen.

Der Kinobesitzer verliert dadurch die Freiheit in der Programmgestaltung; diese wird ihm von den Filmtrusten des Auslandes diktiert. Es braucht nicht besonders ausgeführt zu werden, dass der einzelne gegenüber diesem System machtlos ist; nur staatliche Massnahmen auf gesamtschweizerischer Basis werden hier Abhilfe zu schaffen vermögen.

Es ist selbstverständlich, dass eine Sanierung der Verhältnisse im Kinowesen nicht von den filmwirtschaftlichen Gegebenheiten abstrahieren kann.

Nur einer sorgfältig abwägenden und zugleich zielbewussten Filmpolitik wird es gelingen, eine durchgreifende und dauerhafte Besserung der Verhältnisse herbeizuführen.

Aus diesen Gründen wird der Erlass des von den Verbänden verlangten sogenannten Kinobauverbotes in.Erwägung zu ziehen sein. Dabei werden die ethischen und kulturellen Gesichtspunkte die Stellungnahme der Behörden entscheidend mitzubestimmen haben. Die Eidgenössische Studienkommission für das Filmwesen hat die vorliegende Frage infolge ihres umfassenden Arbeitspensums und wegen der Kürze des ihr zur Verfügung stehenden Zeitraumes nicht abschliessend behandeln können. Da es sich aber um eine einschneidende Massnahme handelt, bedarf die Frage zunächst einer gründlichen Abklärung nach allen Seiten. Hier würde eine der ersten Aufgaben der Schweizerischen Filmkammer liegen.

Infolge des fortschreitenden Besucherrückganges -- nach den Schätzungen der Eidgenössischen Studienkommission beträgt die Zahl der Kinobesucher in der Schweiz jährlich noch etwa 86 Millionen -- und der aus den verschiedensten Gründen erschwerten Geschäftstätigkeit der Kinounternehmer wurde 'am 1. Juli 1985 zwischen dem Schweizerischen Lichtspieltheater-Verband (deutsche und italienische Schweiz) und dem Film-Verleiher-Verband in der Schweiz ein Interessenvertrag abgeschlossen. Die Vereinbarung
stellt den Abschluss mehrjähriger Bemühungen zum Schutz der wirtschaftlichen Existenz der Mitglieder beider Verbände dar. Sie enthält die Bestimmung, dass die Mitglieder des einen Verbandes nur mit Mitgliedern des andern geschäftlich verkehren dürfen. Auf diese Weise sollte der Neubau weiterer Kinos verhindert werden. Anderseits haben die Verleiher sich von den Lichstspieltheatern die Zusicherung geben lassen, dass diese keine Filme in einem andern als dem Normal-Standard-Format vorführen würden; dadurch sollte die von den Verleihern gefürchtete Konkurrenz des Schmalfilmes eingedämmt werden. Die beteiligten Verbände haben dann gleichzeitig stillschweigend, zur Mitgliedersperre gegriffen.

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Zum Vertrag selbst äussern sich die Lichtspieltheaterbesitzer wie folgt: «Dieser Vertrag wurde nach mehrjährigen Bemühungen aus der Not unserer Zeit geboren. Nachdem die eidgenössischen Behörden der schweren wirtschaftlichen Not des Kinogewerbes kein Verständnis entgegenbrachten, sahen sich die Verbände gezwungen, zu Selbstschutzmassnahmen zu greifen, um die Kinobau-Spekulation etwas einzudämmen und die Existenz der bestehenden Theater, soweit dies durch private Massnahmen überhaupt möglich ist, einigermassen zu schützen.

Der Interessenvertrag bietet die Möglichkeit, neue Kinobauten zu verhindern, die Theaterbesitzer vor Mietzinsüberforderungen zu schützen und bei Zwangsliquidationen die Verschleuderung wertvoller Aktiven zu vermeiden.»

Nach dem Zustandekommen des Interessenvertrages wurde die Ausführung von 14 Kinobauprojekten unter 28 gänzlich verhindert.

Am 15. August 1935 kam zwischen den in der Association Cinématographique Suisse Bomande zusammengeschlossenen Lichtspieltheatern der französischen Schweiz und dem Film-Verleiher-Verband eine ähnliche Vereinbarung zustande.

Vom Standpunkt des schweizerischen Filmwesens aus stellen die genannten Verträge einen ersten Schritt zur Ordnung dar. Es ist jedoch klar, dass eine solche Ordnung nicht nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgen darf, sondern den ethischen, kulturellen und nationalen Interessen des Landes Eechnung tragen muss.

Bezeichnend für die Unstabilität der derzeitigen Verhältnisse im schweizerischen Filmwesen ist die Tatsache, dass der erstgenannte Interessenver,trag zu Beginn dieses Jahres auf Betreiben einer bestimmten Gruppe von Verleihern gekündigt worden ist. Am Tage nach der Kündigung wurde in Basel der Bau eines neuen Kinos in Angriff genommen. Von weiteren Bauprojekten wird gesprochen. Die Kündigung des Interessenvertrages (dessen Partner sich schliesslich auf eine Erstreckung der Geltung des Vertrages bis Ende 1937 geeinigt haben) kann je nach der weiteren Entwicklung der Dinge zu chaotischen Zuständen führen. Infolge der wirtschaftlichen Notlage des Kinogewerbes wird die Errichtung neuer Lichtspieltheater weitere Konkurse zur Folge haben (im Jahre 1936 sind in der Schweiz 8 Kinobetriebsgesellschaften in Konkurs geraten). Auf Grund bestimmter Beobachtungen besteht leider Anlass zu der Vermutung, dass von gewisser Seite bewusst auf diese Entwicklung spekuliert werde, um auf vorteilhafte Weise in den Besitz von Lichtspieltheatern zu gelangen. Dadurch gelänge es den betreffenden Kreisen, mit der Zeit einen erheblichen Teil des schweizerischen Theaterparks aufzukaufen und damit Positionen zu besetzen, die im geistigen, kulturellen und politischen Leben unseres Landes bereits eine wichtige Eolle spielen. Es dürfte sich erübrigen, die* ausserordentliche Gefährlichkeit einer solchen Entwicklung näher darzutun.

Die Spekulation auf den Zusammenbruch der Lichtspieltheater scheint übrigens mit den Konzentrationsbestrebungen im Filmverleih in einem gewissen Zusammenhang zu stehen. Gegen diese Entwicklung, die heute noch in den Anfängen steckt, gilt es mit aller Entschiedenheit einzuschreiten.

492 6. Die Filmproduktion.

An internationalen Massstäben gemessen, besitzt die Schweiz heute, wie bereits festgestellt, keine nennenswerte Filmproduktion. Die in unserm Land bestehenden Produktionsfirmen (die Eidgenössische Studienkommission zählt in ihrem Bericht deren 24 auf) beschäftigen sich zur Hauptsache mit den kleinen Fihnarten, wie Reklame-, Kultur-, Dokumentär- und Beiprogrammfilm.

Einige dieser Firmen haben versucht, einen schweizerischen Spielfilm zu schaffen. Soweit solche Filme auf dem internationalen Filmmarkt vertrieben werden sollten, sind sie in Gemeinschaft mit einem ausländischen Partner (Deutschland, Österreich oder Frankreich) hergestellt worden. Einige der betreffenden Firmen sind nach der Herstellung des Films zusammengebrochen.

Die zahlreichen Versuche zur Schaffung eines schweizerischen Dialektfilms sind aus der Presse bekannt. Die schweizerische Öffentlichkeit stand diesen Versuchen im grossen und ganzen sympathisch gegenüber. Von einem künstlerischen Erfolg auf diesem Gebiet kann bisher aber nicht gesprochen werden. Auch sind Dialektfilme auf dem internationalen Markt kaum auswertbar.

Eine grössere Aktivität ist in jüngster Zeit dank den Bemühungen der Schweizerischen Zentrale für Handelsförderung und der Schweizerischen Verkehrszentrale auf dem Gebiete des Kulturfilms festzustellen. Sie steht im Zusammenhang mit dem Ausbau der Filmpropaganda dieser vom Bund subventionierten Institutionen.

In einer ähnlichen Bichtung bewegen sich die Expeditionsfilme einer Zürcher Firma. Es handelt sich dabei um abendfüllende Filme, die über die betreffenden Länder und ihre Kultur Aufschluss geben sollen.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass in der Schweiz 6 Kopieranstalten arbeiten und dass sich in Basel und Zürich je ein kleines Tonfilmstudio befindet, geeignet für Aufnahmen im kleineren Massstab; die Einrichtung zweier weiterer Studios dieser Art soll geplant sein.

Eine eigene schweizerische Wochenschau besitzen wir nicht, nachdem die Ansätze zu ihrer Schaffung sich nicht entwickeln konnten.

Ein · Überblick über die gegenwärtige Filmproduktion unseres Landes zeigt, dass der Film -- gleich welcher Art -- viel zu wenig für unser Land, seine Kultur und seine Wirtschaft eingesetzt wird. Im Hinblick auf die Bedeutung des Films im modernen Kulturleben und auf seine
Propagandakraft wird die Schweiz in den nächsten Jahren ihre Filmproduktion ausbauen müssen.. Die eigene positive Leistung stellt erfahrungsgemäss das beste Mittel zur Bekämpfung unwillkommener Einwirkungen von dritter Seite dar. Es ist jedoch klar, dass der genannte Ausbau eine Zusammenfassung unserer Kräfte verlangt. Unser Land ist zu klein, um sich gegenüber der leistungsfähigen ausländischen Filmproduktion eine Zersplitterung der Kräfte leisten zu können.

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Klar ist ebenfalls, dass der Ausbau der schweizerischen Filmproduktion auf sorgfältig abgewogene Weise und in steter Berücksichtigung der eigenen Verhältnisse zu erfolgen haben wird. Es ist unmöglich, von einem Tag auf den andern eine grosse Filmproduktion aufzuziehen; ein solch unbesonnenes Vorgehen müsste früher oder später zu einem Zusammenbruch führen, was der an sich wichtigen Sache unendlichen Schaden zufügen würde.

Im Zusammenhang mit der Produktionsfrage sind eine Beihe wichtiger Probleme zu lösen, die sich aus der Eigenart des heutigen Filmwesens ergeben.

Die Lösung der Filmfinanzierungsfrage wird, wie die Erfahrungen des Auslandes zeigen, ohne moralische Mithilfe des Staates kaum möglich sein. Das Filmgeschäft ist in der Bankwelt, zu Eecht oder zu Unrecht, wenig beliebt, was sich auf jede Filmarbeit hemmend auswirkt. Hier muss im Interesse einer soliden schweizerischen Filmarbeit Abhilfe geschaffen werden. Durch die Ordnung des Filmwesens wird eine Sanierung des geschäftlichen Gebarens in der FilmWirtschaft möglich sein. Eine finanzielle Beteiligung oder Garantieleistung des Bundes wird dagegen unseres Erachtens nicht in Frage kommen.

Eine Frage von ausschlaggebender Wichtigkeit bildet sodann das Absatzproblem. Die Sicherung des Absatzes schweizerischer Filme verlangt ein eingehendes Studium der internationalen Marktverhältnisse; denn die Produktionskosten eines schweizerischen Grossfilmes können im Inland nur zu einem minimalen Bruchteil eingebracht'werden. Weiter haben die Arbeiten der Eidgenössischen Studienkommission mit aller Deutlichkeit gezeigt, dass der Clearingfrage für die Filmproduktion eine ausserordentliche Bedeutung zukommt. Alle die genannten Fragen werden in das Arbeitsgebiet einer Schweizerischen Filmkammer fallen.

Die Lösung dieser Probleme bildet die Voraussetzung für eine befriedigende Behandlung der Frage des Baus eines schweizerischen Tonfilmateliers.

Zu Unrecht ist diese Frage im letzten Jahr im Mittelpunkt der Filmdiskussion gestanden, wobei ihre Weitschichtigkeit meist verkannt wurde. Die Subventionierung eines Atelierbaus kann selbstverständlich nur unter der Voraussetzung in Frage kommen, dass der Atelierbetrieb weitgehend gewährleistet und der Absatz der erzeugten Filme aller Voraussicht nach sichergestellt ist.

Die jüngsten Vorkommnisse in Österreich
und in England zeigen, dass die Filmwirtschaft eines Landes eine rasche Scheinblüte erleben und sich dann plötzlich vor die grössten Schwierigkeiten gestellt sehen kann. Vor einem Unternehmen, das früher oder später nur noch auf staatlichen Krücken über Wasser gehalten werden könnte oder dann durch seinen Zusammenbruch gefährliche Einbruchsmöglichkeiten von Seiten des Auslandes schaffen würde, muss rechtzeitig gewarnt werden. Schliesslich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Frage der Filmproduktion unter den heutigen Verhältnissen auch im Zusammenhang mit dem Absatzproblem eine politische Seite aufweist.

Die Untersuchungen der Eidgenössischen Studienkommission für das Filmwesen haben gezeigt, dass der Ausbau einer schweizerischen Filmproduktion vor allem auf folgenden Gebieten ein dringendes Erfordernis ist:

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a. Wochenschau. Die Schweiz bezieht ihre Wochenschaufilme heute ausschliesslich aus dem Ausland. Als Lieferanten kommen nur französische und deutsche Firmen in Betracht, wobei der Anteil Deutschlands am Gesamtverbrauch im Jahre 1984 25,2 %, im Jahre 1985 28,1 % betragen hat. Nach Untersuchungen des «Instituts für Zeitungswissenschaft der Universität Berlin» hatten von den Aufnahmen der deutschen UFA-Wochenschau in der Zeit vom I.Juni 1985 bis zum 81. Mai 1986 46,8% politischen Charakter; dem Sport waren 26,6 %, der Wissenschaft und Technik 15,7 %, dem Feuilleton 6,9 % und der Sensation 4 % der Bilder gewidmet. Der stark politische Charakter der Wochenschau ist evident. Unsere Beobachtungen zeigen aber, dass heute auch die französischen Aktualitäten weitgehend nach politischen Gesichtspunkten zusammengestellt sind. Ausserdem wird diese Fihnart sehr stark für kulturelle, wirtschaftliche und sonstige Propagandazwecke, oft freilich in getarnter Form, benützt.

Unter diesen Umständen muss es als unhaltbar bezeichnet werden, wenn in den zahlreichen Kinos unseres Landes die ausländischen Wochenschauen ohne Kontrolle und ohne die geringste Eücksichtnahme auf schweizerische Bedürfnisse gezeigt werden. In Genf wurde im Herbst vorigen Jahres ein spezielles Wochenscbaukino eingerichtet, das bei der Bevölkerung grosses Interesse gefunden hat. Auch hier werden, wie einige Stichproben bewiesen haben, kaum schweizerische Bilder gezeigt. Es geht nicht an, dass die Bevölkerung unseres Landes in einer derart unkontrollierten Weise der getarnten ausländischen Propaganda ausgesetzt wird und dass dabei keinerlei Massnahmen im Sinne nationalpolitischer Erfordernisse getroffen werden. Wenn es sich natürlich auch nicht darum handelt, die Schweiz vom Ausland abzuschliessen, so muss infolge der gesamten Entwicklung des Filmwesens nichtsdestoweniger verlangt werden, dass die Wochenschau auch in den Dienst der schweizerischen Propaganda und Kultur gestellt werde. Ohne behördliche Massnahmen wird diese Frage aber nicht zu lösen sein ; das Schicksal der bisherigen Ansätze zu einer schweizerischen Wochenschau beweist es.

b. Propaganda durch den Film. Eine weitere naheliegende Aufgabe bildet der Ausbau unserer Kultur- und Dokumentarfilmproduktion. Die Schweiz muss den Film und seine Propagandakraft ihrer Kultur und ihrer
Volkswirtschaft dienstbar machen. Andere Länder stellen hier jährlich sehr hohe Mittel zur Verfügung und ermöglichen auf diese Weise die unentgeltliche Abgabe qualitativ hochstehender Kulturfilme mit allgemein werbendem Charakter an die ausländischen Kinotheater. Die Schweiz wird mit solchen Filmen geradezu überschwemmt.

In der Schweiz besteht auf diesem Gebiet eine unheilvolle Zersplitterung der geringen vorhandenen Kräfte. Im Interesse der Sparsamkeit, der rationellen Arbeit und der richtigen Verwendung der gegebenen Mittel muss eine Zusammenfassung der Filmwerbung für die Schweiz stattfinden. Diese Werbung muss im Auslande, soll sie wirksam sein, als etwas Geschlossenes und Einheitliches

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auftreten. Wichtig ist dabei, dass nicht nur das wirtschaftliche, sondern auch das künstlerische und kulturelle Moment zur Geltung komme.

Die Filmwerbung durch die Kultur- und Dokumentarfilme ist wegen ihrer Unaufdringlichkeit und ihres künstlerischen Charakters die beste Werbung.

Der Staat wird auch bei uns nicht umhin können, diesen Fragen im Interesse des Landes seine volle Aufmerksamkeit zu schenken. Eine Aufgabe der Schweizerischen Filmkammer würde darin bestehen, für eine zielbewusste Zusammenarbeit der verschiedenen, zum Teil vom Bund subventionierten Institutionen auf diesem Gebiete besorgt zu sein.

c. Lehrfilm. Das Ausland hat den Film weitgehend in den Dienst der Schule und der staatsbürgerlichen Erziehung gestellt. Dabei opfern die Staaten jährlich ausserordentlich hohe Summen. Die technische Entwicklung des Schmalfilms, der leicht zu handhaben und dabei wenig feuergefährlich ist, kam diesen Bestrebungen sehr entgegen.

In bezug auf unser Land muss festgestellt werden, dass schweizerische Fachmänner auf dem Gebiete des Unterrichtsfilmes (d. h. des Films als Unterrichtsmittel) bahnbrechend vorgearbeitet haben und dass ihre Ideen und Vorschläge heute in ausländischen Staaten verwirklicht werden. In der schweizerischen Öffentlichkeit wird die Bedeutung des Films zurzeit auch nach dieser Eichtung unterschätzt. Es wird allerdings nicht Aufgabe des Bundes sein, hier einzugreifen, indem das Unterrichtswesen grundsätzlich in die Zuständigkeit der Kantone fällt. Ein zentrales Organ, wie es die Filmkammer darstellen würde, könnte aber den kantonalen Behörden beratend zur Seite stehen und auf diese Weise fruchtbringende, dem Allgemeinwohl dienende Arbeit leisten.

Gleichzeitig könnte es seine beratende Funktion gegenüber privaten Verbänden und Organisationen ausüben.

Auf alle Fälle handelt es sich hier um ein Gebiet, das Wachsamkeit erheischt und nicht der privaten Spekulation überlassen bleiben darf.

d. Technische Entwicklung. Die Entwicklung der Filmtechnik (Schmalfilm, Farbenfilm, plastischer Film, Fernsehen) macht unaufhaltsame Fortschritte. Sie wird in absehbarer Zeit vollkommen neue Probleme aufwerfen. Gerade das Fernsehen wir,d unter Umständen tiefgehend auf das Kulturleben der Völker einwirken können. Es liegt im öffentlichen Interesse, dass diese Entwicklung durch ein sachverständiges
Organ aufmerksam verfolgt werde und dass die Behörden in der Lage seien, sich über den Stand der Entwicklung jederzeit zu orientieren, um allen Anforderungen unseres technischen Zeitalters gewachsen zu sein.

7. Gesetzgebung.

An Vorschriften des eidgenössischen Eechts sind ausser den beiden einschlägigen Sammelpositionen des Zolltarifs eigentlich nur der Art. 4 des Bundesgesetzes vom 80. September 1925 betreffend die Bestrafung des Frauen- und

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Kinderhandels sowie der Verbreitung und des Vertriebes von unzüchtigen Veröffentlichungen, der auch für unzüchtige Filme gilt, und der Bundesbeschluss vom 21. März 1984 über die Genehmigung des am 11. Oktober 1933 in Genf unterzeichneten Abkommens zur Erleichterung des internationalen Verkehrs, mit Filmen erzieherischen Charakters zu nennen.

Das Kinogewerbe ist durch 65 Gesetze und Verordnungen der Kantone und Gemeinden normiert. Es gibt noch Kantone, in denen die Gesetzgebung über das Kinowesen mit derjenigen über den Markt- und Hausierverkehr verbunden ist. Die genannten Erlasse ordnen auch die Filmzensur. Diese weist von Kanton zu Kanton eine ausserordentliche Mannigfaltigkeit der Ausgestaltung auf. In den meisten Kantonen besteht keine Präventivzensur, sondern es wird nur auf Klage hin eingeschritten. Meistens besteht allerdings ein Anmelde- und Vorführungsbewilligungszwang.

Die fiskalische Belastung des Filmkonsums untersteht ebenfalls dem kantonalen Kecht.

8. Internationale Zusammenarbeit.

Da der Film sich zu einem ausserordentlich wichtigen Mittel modernen Kulturausdruckes entwickelt hat und in einigen Staaten in engem Zusammenhang mit dem politischen Wollen steht, erscheint es als folgerichtig, dass sich eine immer lebhaftere internationale Zusammenarbeit entwickelt hat. Sie ist auch wirtschaftlich bedingt. Eine Eeihe wichtiger filmwirtschaftlicher Probleme kann kein Staat ohne diese Zusammenarbeit lösen.

Die Schweiz ist den internationalen Filmkongressen und Filmausstellungen (Venedig) und den Tagungen der Internationalen Filmkammer (siehe unten, Kapitel III a. E.) offiziell bisher ferngeblieben. Sie wird ihre Haltung in Zukunft aber um so mehr ändern müssen, als unser Land für die Entwicklung des internationalen Filmwesens, wie gesagt, besonders empfindlich ist. Die Schweiz wird durch Teilnahme an der internationalen Zusammenarbeit die weitere Entwicklung an Ort und Stelle beobachten müssen. Auch in dieser Hinsicht muss sie eine aktivere und positivere Stellung einnehmen, will sie nicht riskieren, sich in absehbarer Zeit von der weitern Entwicklung selbst auszuschalten.

°

III. Massnahmen ausländischer Staaten auf dem Gebiete des Filmwesens.

Wie bereits in Kapitel I, Abschnitt 2, festgestellt worden ist, haben in den letzten Jahren zahlreiche ausländische Staaten aus der Erkenntnis der Bedeutung des Films für das öffentliche Leben die Konsequenzen gezogen.

Die Sorge um das öffentliche Wohl, verbunden mit Erwägungen nationalpolitischer Natur, haben die Staaten bestimmt, sich des Filmwesens in umfassender Weise anzunehmen. Dabei hat die staatliche Intervention, die sich

497 auf diesem Gebiet früher auf Massnahmen rein negativer Art (Zensur) beschränkt, hatte, immer mehr auch einen positiven, aufbauenden Charakter angenommen. Wir möchten hier einige Hinweise nach dieser Eichtung folgen lassen.

Dabei kann es sich natürlich nicht um einen umfassenden Überblick über dievon Seiten der ausländischen Staaten im einzelnen getroffenen Massnahmen.

handeln; der Zweck nachstehender Ausführungen besteht vielmehr darin,, einen allgemeinen Begriff vom Ergebnis der bisherigen Entwicklung im Ausland zu geben, unter spezieller Berücksichtigung der organisatorischen Vorr kehrungen. Natürlich haben die in den einzelnen Ländern bestehenden besondern Voraussetzungen auch zu besondern Gestaltungen geführt. Nichtsdestoweniger kann in den grossen Linien eine gewisse Konformität der Bestrebungen festgestellt werden. Sie ergibt sich aus der Natur der Sache und den Forderungen der Zeit. In einigen Staaten ist diese Entwicklung bereit» zu einem gewissen Abschluss gelangt, in andern ist sie im Werden begriffen oder befindet sich noch im Stadium der Vorbereitung (auch in den an der Spitze der Entwicklung marschierenden Ländern sind eine Eeihe aktueller Probleme des Filmwesens infolge ihrer Schwierigkeit über das Stadium der Bearbeitung; bisher nicht hinaus gediehen). Entscheidend ist aber die Tatsache, dass kein Land sich der zeitbedingten Entwicklung verschliessen konnte, indem alle Länder, sei es durch ihre Filmproduktion, sei es durch ihren Filmkonsum, ia die Zusammenhänge des internationalen Filmwesens gestellt sind.

1. Die einzelnen Länder.

Durch das Eeichsgesetz vom 14. Juli 1938 über die Errichtung einer vorläufigen Filmkammer ist das gesamte deutsche Filmgewerbe (Filmherstellung,, einschliesslich der Atelierbetriebe, der Bohfilmherstellung, der Kopieranstalten, und der Verwaltung von Urheber- und Patentrechten; Filmvertrieb im Inund Ausland; Filmvorführung; Filmschaffende) einer grundsätzlichen organisatorischen Neuordnung unterzogen worden. Das Eeichskulturkammergesetz vom 22. September 1938 hat die vorläufige Filmkammer als Eeichsfilmkammer der Beichskulturkammer eingegliedert, die ihrerseits unter der Aufsicht des Eeichsministers für Volksaufklärung und Propaganda steht.

Die Eeichsfilmkammer stellt eine Körperschaft des öffentlichen Eechts dar, mit der Aufgabe, «das deutsche Filmgewerbe im Eahmen der Gesamtwirtschaft zu fördern, die Belange der einzelnen Gruppen dieses Gewerbes untereinander sowie gegenüber Eeich, Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden) zu vertreten sowie einen gerechten Ausgleich zwischen den im Arbeitsleben auf diesem Gebiet Stehenden herbeizuführen». Wer sich in Deutschland gewerbsmässig oder gemeinnützig mit dem Film befasst, muss Mitglied der Beichsfihnkammer sein; er erwirbt diese Mitgliedschaft durch die Zugehörigkeit zum Fachverband der betreffenden Berufsgruppe. Die allgemeinen kulturellen Interessen sind in der Beichsfilmkammer nicht direkt vertreten; ihre Vertretung ist Sache der Eeichskulturkammer und der Eeichsregierung.

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Durch Eeichsgesetz vom 16. Februar 1934 ist das deutsche Lichtspielwesen grundlegend neugeordnet worden (Lichtspielgesetz). In der amtlichen Begründung zu diesem Gesetz wurde folgendes ausgeführt: «Es ergibt sich nunmehr' die Aufgabe, dem Film als Kultur- und PropagandaInstrument die ihm gebührende Stellung im neuen Staat einzuräumen und zu sichern.

Staatliche Beaufsichtigung kann hierbei nicht völlig entbehrt werden. Während jedoch die Wirkung der bisherigen gesetzlichen Regelung des Lichtspielwesens, insbesondere auf dem Gebiet der Filmzensur, eine rein negative gewesen ist, erwächst dem neuen Staat die Aufgabe und die Verantwortung, positiv am Werden des deutschen Films mitzuarbeiten. Dieser Aufgabe kann der Staat nur gerecht werden, wenn er dem .gesamten Herstellungsvorgang des Filmschaffens seine Aufmerksamkeit zuwendet.

Schon jetzt nimmt der Staat auf Grund des Gesetzes über die Vorführung ausländischer Bildstreifen vom 2. Juni 1933 auf die Besetzung der in Deutschland hergestellten Filme Einfluss. Nur durch eine intensive Beratung und Betreuung der Filmgestaltung kann verhindert werden, dass Filme zur Vorführung gelangen, die dem Geist der Zeit ·zuwiderlaufen.»

Im Zusammenhang mit dieser Neuordnung des Lichtspielwesens wurde ·im Beichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda die Stelle eines Reichsfilmdramaturgen geschaffen.

Durch die Gründung einer «Filmkredit G. m. b. H.», die heute, unter der Kontrolle der Eeichsregierung und der Eeichsfilmkammer, über 60 % der gesamten deutschen Filmproduktion finanziert, ist das deutsche Filmgeschäft auf ·eine grundsätzlich neue Basis gestellt worden.

Tm weitern hat das Reich den Film weitgehend den Zwecken des Unterrichts dienstbar gemacht. Das Eeichsministerium für Erziehung und Unterricht kontrolliert die «Reichsstelle für den Unterrichtsfilm G.m.b.H.», die ihrerseits 24 Landesbildstellen beaufsichtigt. Von hier aus wird die örtliche Filmarbeit in den Schulen organisiert. Eine besondere Abteilung «Hochschulfilm» bearbeitet selbständig alle einschlägigen Fragen.

Neben diesem umfangreichen staatlichen Apparat besteht bei der Reichspropagandaleitung der N. S. D. A. P. eine eigene Filmabteilung, welche die Gaufilmstellen, Kreisbildstellen und andern Parteiorganisationen mit Filmen und Apparaten versorgt. -Zwischen den staatlichen Filmstellen und denen der Partei besteht eine enge Zusammenarbeit, die sehr oft auch durch Personalunion der leitenden Persönlichkeiten gegeben ist.

Deutschland besitzt heute eine ausserordentlich straff organisierte Filmwirtschaft, die nach aussen als geschlossenes Ganzes auftreten kann. Die ·deutsche Filmpolitik verfügt daher über einen rasch funktionierenden Apparat.

Diese Tatsache wirkt sich naturgemäss nicht nur im Filmverkehr mit Deutschland, sondern darüber hinaus in der gesamten internationalen Fihnwirtischaft aus.

In Österreich ist das Filmwesen, mit Ausnahme der in die Zuständigkeit ·der Bundesländer fallenden Zensur, dem Amt für Wirtschaftspropaganda des Bundesministeriums für Handel und Verkehr unterstellt. Unter der Oberaufsicht dieses Amtes ist bei der Wiener Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie ein Filmbureau eingerichtet worden, das sich vor allem mit den film-

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wirtschaftlichen Fragen zu befassen hat. Um die. Verbindung mit der tätigen Filmwirtschaft herzustellen, wurde 1986 die «österreichische Filmkonferenz» geschaffen, ein beratendes Organ des Bundesministeriums für Handel und Verkehr.

In der österreichischen Filmkonferenz sind, ähnlich wie in der Eeichsfilmkammer, die verschiedenen Berufsgruppen der Filmwirtschaft vertreten (Atelierunternehmer, Spielfilmhersteller, Kurzfilmhersteller, Filmkopierunternehmer, Filmhändler und Filmverleiher, Lichtspielunternehmer, Arbeitnehmer der Filmwirtschaft). Die allgemeinen kulturellen Interessen sind in der Konferenz zurzeit nicht vertreten; doch soll hierin dem Vernehmen nach eine Änderung eintreten durch Einbeziehung des Wiener Instituts für Filmkultur und anderer am Film aus kulturellen Gründen interessierter Kreise.

Die direkte staatliche Einflussnahme auf die Filmproduktion beschränkt sich in Österreich auf die Wochenschau- und die Kulturfilmproduktion. Zur Förderung der einheimischen Spielfilmproduktion ist der Begriff «österreichischer Stamrofilm» geschaffen und eine Aufführungsbewilligung, verbunden mit einem Kontingentsystem für ausländische Filme, eingeführt worden.

; Die Entwicklung ist in Österreich noch nicht abgeschlossen; die österreichische Filmkonferenz stellt nur ein Zwischenstadium in der Neuordnung des Filmwesens dar.

In Italien untersteht das Filmwesen dem durch Kgl. Dekret vom 24. Juni 1985 geschaffenen Ministerium für Presse und Propaganda (jetzt: Ministerium der Volkskultur), dessen Filmabteilung (Direzione generale per la Cinematografia) für alle wirtschaftlichen, künstlerischen, technischen und nationalpolitischen Filmfragen zuständig ist. Eine beträchtliche Eeihe staatlicher Massnahmen dient der Förderung des italienischen Films. Die Sezione di Credito cinematografico der Banca Nazionale del Lavoro, der während fünf Jahren jährlich gegen 8 Millionen Lire zur Verfügung stehen, befasst sich mit der Neuordnung der Filmfinanzierung. Das Istituto Nazionale L. U. C. E.

soll eine regulatorische Tätigkeit auf ökonomischem Gebiet ausüben; ihm untersteht auch die Produktion der italienischen Wochenschau- und Kulturfilme.

Unter der Führung der Generaldirektion für das Filmwesen arbeitet ferner ein Institut für kinematographische Studien, in dem die faschistische Studentengruppe, die über 49
Filmsektionen verfügt, sich experimentell mit dem Film und der Filmpropaganda befasst. Dieses Institut dient auch der Ausbildung eines italienischen Filmnachwuchses. Durch die Prämiierung guter Filme soll das italienische Filmschaffen angeregt werden.

Eine spezielle Körperschaft, ähnlich der deutschen Beichsfilmkammer, besteht in Italien nicht. Die einzelnen Berufsgruppen sind in den zuständigen Korporationen organisiert. Die Einheitlichkeit und Geschlossenheit der italienischen Filmwirtschaft ist aber durch die Generaldirektion für das Filmwesen gewährleistet. Auch die jährlichen Filmkunstausstellungen in Venedig werden unter enger Mitarbeit dieser Direktion organisiert.

500 In Frankreich befindet sich die Neuordnung des Filmwesens erst in den Anfängen. Ein Gesetz oder eine Verordnung zum Zwecke einer umfassenden Eeform existiert bis heute nicht. Die Verhältnisse in der französischen Filmwirtschaft (überhöhte Produktionskosten, leichtfertiges und unseriöses Geschäftsgebaren, Zusammenbrüche der Filmgesellschaften und Filmkonzerne, erschwerte Absatzverhältnisse, wirtschaftliche Notlage der Lichtspieltheater usw.) haben jedoch einer lebhaften und gründlichen Diskussion über die Eeorganisation des französischen Filmwesens gerufen. Im Auftrag der Finanzkommission der Deputiertenkammer hat deren Mitglied Maurice Petsche die Filmfrage bearbeitet. Ein 90seitiger Bericht mit ziemlich umfangreichen Eeformvorschlägen bildet die Frucht dieser Untersuchungen (Bericht Nr. 558S der Deputiertenkammer vom 28. Juni 1935). Während sich heute fast sämtliche Ministerien der Kepublik in irgendeiner Weise mit dem Film zu befassen haben, schlägt der Bericht Petsche eine grundlegende Neuordnung vor: «Centraliser et coordonner sous la direction d'un seul Ministre tous les services existant actuellement dans divers Départements ministériels et chargés des questions concernant la cinématographie ; organiser ce service unique pour qu'il puisse faire face aux besoins divers desdits services, et lui attribuer l'ensemble des crédits qui leur sont affectés. Créer entre ce service et les services de presse, de radiodiffusion et, d'une façon générale, de propagande de la pensée française, une liaison de fait ou de droit. » (Vorschlag Nr. 21 dieses Berichtes, S. 88.)

In der Folge befasste sich auch der Conseil national économique mit der Filmfrage. Auf Grund eines aufschlussreichen Berichtes des Finanzinspektors de Carmoy fasste er am 17. Juli 1936 eine Eeihe von Beschlüssen, die im « Journal officiel de la Eépublique Française» vom 18. August 1936 veröffentlicht sind.

Diese Beschlüsse enthalten sehr weitgehende Eeformvorschläge. Wir entnehmen dem bezüglichen Dokument folgende Sätze: «La situation alarmante d'une industrie qui tient aujourd'hui une place importante dans l'activité économique, et dont l'influence sur les moeurs et la culture est considérable, a conduit le Conseil national économique à préconiser des mesures de redressement exceptionnelles, comportant l'intervention marquée de l'Etat
dans le cas où la profession ne se révélerait pas capable d'accomplir les réformes nécessaires.

Ces mesures de redressement ont trait à l'organisation professionnelle, à la protection douanière, à la fiscalité et à l'organisation du crédit.» Die Vorschläge des Nationalen Wirtschaftsrates führen praktisch zu den gleichen Eesultaten, die in andern Ländern auf andere Weise erzielt worden sind oder angestrebt werden. An der Aufzählung der Probleme und den Lösungsvorschlägen kann man auch hier erkennen, dass die Filmwirtschaft ganz allgemein in ein Stadium der Entwicklung gelangt ist, das mit Eücksicht auf das öffentliche Interesse nach einer Eeorganisation unter direkter Mitwirkung des Staates verlangt.

Schliesslich sind in Frankreich unter dem Druck der Eegierung die Confédération générale du Cinéma und die Caisse de centralisation et de répartition gegründet worden, Organe, die in andern Ländern der Filmkammer und der speziellen Filmkreditorganisation entsprechen.

501

Grossbritannien hat sich seiner Filmindustrie während langer Zeit nur durch handelspolitische Massnahmen angenommen. Daneben befasste sich die Gesetzgebung mit der Filmzensur.

Im Anschluss an den nationalen Lehrfilmkongress von 1929 wurde eine Commission on educational and cultural films gegründet, die ausser der Bearbeitung der kulturellen Filmfragen Vorschläge für die Schaffung einer zentralen Organisation auszuarbeiten hatte. 1932 überreichte diese Kommission ·der Begierung einen Bericht «The film in thè national life», in dem auf die dringende Notwendigkeit einer nationalen amtlichen Filminstanz hingewiesen wurde. Im folgenden Jahr ist dann das British National Film Institute gegründet worden, in dessen Aufgabenkreis nicht nur die Betreuung des Kultur-, Erziehungs- und Unterrichtsfilms gehört, sondern das auch den Begierungsstellen als beratendes Organ zur Verfügung steht. 12 Spezialkommissionen befassen sich mit sämtlichen Filmfragen ethischer, kultureller und wirtschaftlicher Art.

1936 wurde vom Board of Trade eine besondere Kommission zur Prüfung der gegenwärtigen Lage der englischen Filmindustrie eingesetzt. Diese Kommission kann der Begierung auch im Interesse der Allgemeinheit liegende Massnahmen vorschlagen.

Angesichts der in der englischen Filmproduktion jüngst erfolgten Zusammenbrüche, die zum Teil ausserordentlich hohe Verluste zur Folge gehabt haben, darf man annehmen, dass auch in Grossbritannien die Neuordnung des Filmwesens noch nicht abgeschlossen ist.

Auch in den bisher nicht genannten europäischen Staaten sind Ansätze zu einer grundsätzlichen Neuordnung des Filmwesens zu beobachten. In Ungarn wird das Filmwesen durch das Kultusministerium betreut. In Jugoslawien ist zum Zwecke der Überwachung der gesamten Filmwirtschaft eine der Oberaufsicht des Handels- und Industrieministeriums unterstehende staatliche Filmzentrale gegründet worden, in der sämtliche interessierten Ministerien vertreten sind. Polen hat seinen Obersten Filmrat, der der Begierung als beratendes Organ zur Verfügung steht. In der Tschechoslowakei besteht als Spitzenorganisation der filmwirtschaftlichen Verbände eine Filmkammer, die mit der Begierung in Verbindung steht. Schweden besitzt «in staatliches Kinematographenbureau. In Holland ist eine Zentralkommission für die Filmzensur geschaffen worden, die sich
mit den Fragen des Filmwesens zu befassen hat.

Die Ordnung des Filmwesens geht sehr oft konform mit den Versuchen zum Aufbau nationaler Filmproduktionen. Diese Bemühungen sind nicht nur für die oben genannten Länder charakteristisch, sondern auch in Finnland, Norwegen, Dänemark, Lettland, Bumänien, Spanien, Portugal u. a. m. zu beobachten. Überall werden sie mit der Bedeutung des Films im öffentlichen Leben der Gegenwart in Zusammenhang gebracht.

502

2. Internationale Filmpolitik.

Charakteristisch für die dem Film heute durch die Staaten beigemessene Bedeutung ist der Abschluss spezieller Filmabkommen zwischen einzelnen Staaten. Gegenstand solcher Abkommen sind nicht nur die handelspolitischen, sondern auch allgemeinere, grundsätzliche Probleme des zwischenstaatlichen Filmverkehrs. Es bestehen zurzeit besondere Filmabkommen zwischen Deutschland und Österreich (20. April 1986), Deutschland und Ungarn (28. Oktober 1936), Deutschland und der Tschechoslowakei (Ende 1986), Deutschland und Italien (9. April 1987), Frankreich und Deutschland-(28. Oktober 1983, jährlich erneuert), Frankreich und Italien (jährlich erneuert), Italien und Österreich.

Spezialabkommen über den Austausch von Dokumentär- und Erziehungsfilmen bestehen zwischen Frankreich und Ungarn (21. Dezember 1929) sowie Frankreich und Belgien (28. März 1929). Besondere Bestimmungen über den Film finden sich in dem allgemeinen Handelsabkommen zwischen Frankreich und Sowjetrussland vom 11. Januar 1934 und in demjenigen zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 11. Mai 1986. Das Handelsübereinkommen zwischen Frankreich und der Schweiz vom 29. März 1984 enthält in Art. 12 Bestimmungen über den gegenseitigen Austausch von Dokumentär- und Erziehungsfihnen.

Die zwischenstaatlichen Filmabkommen sind durch die Verhältnisse · in der internationalen Filmwirtschaft gewissermassen zwangsläufig bedingt.

Wir haben schon wiederholt darauf hingewiesen, dass das Filmwesen zahlreiche Probleme aufweist, die kein europäisches Land von sich aus, d. h. ohne Bücksicht auf die internationalen Zusammenhänge, in die sein Filmwesen verflochten ist, wirklich lösen kann. So wird beispielsweise eine wirksame Bekämpfung des Missbrauchs des sogenannten Bund- und Blockbuchens (Kap. II, Abschn. 4) nur auf dem Wege zwischenstaatlicher Verständigung möglich sein.

Dass die Politik der Filmabkommen zum Teil auch in einen allgemeineren staatspolitischen Eahmen fällt, sei hier lediglich festgestellt.

Zu erwähnen ist hier schliesslich noch das am 11. Oktober 1988 in Genf unterzeichnete Abkommen zur Erleichterung des internationalen Verkehrs mit Filmen erzieherischen Charakters, auf das bereits in anderm Zusammenhang (Kap. II, Abschn. 7) hingewiesen worden ist.

3. Die Internationale Filmkammer.
Die Internationale Filmkammer ist am 7. November 1935 in Paris gegründet worden, nachdem die Gründung im April 1935 am internationalen Filmkongress in Berlin beschlossen worden war. Sie stellt einen Zusammenschluss der nationalen filmwirtschaftlichen Spitzenverbände bzw., wo Solche nicht bestehen, der Verbände der Produktion, des Filmverleihs, des Theaterbesitzes und der Kulturfilmproduktion der einzelnen Länder dar. Der I. F. K.

sind heute folgende Länder angeschlossen: Belgien (Fachverbände), Deutschland (Beichsfilmkammer), Frankreich (Confédération générale du Cinéma),

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Italien (Federazione Nazionale Fascista Industriali dello Spettacolo), Österreich (Filmkonferenz), Polen (Oberster Filmrat), Schweden (Svenska Film- och Biografmannasällskapet), Tschechoslowakei (Filmkammer), Spanien (Fachyerbände), Ungarn (Fachverbände), Schweiz (Schweiz. LichtspieltheaterVerband) und Jugoslawien (Filmzentrale).

Das ziemlich umfangreiche Arbeitsprogramm der I. F. K. umfasst kulturelle und wirtschaftliche Fragen, einschüesslich der durch die technische Entwicklung des Films aufgeworfenen Probleme.

IT. Die Notwendigkeit staatlicher Massnahmen zur Ordnung und Förderung des schweizerischen Filmwesens.

1. In bezug auf die prinzipielle Notwendigkeit der Ordnung und Förderung des schweizerischen Filmwesens glauben wir uns nach den Darlegungen in.

den Kapiteln I und II kurz fassen zu dürfen. Sie ergibt sich einmal vom intern schweizerischen Standpunkt aus. Dabei handelt es sich einerseits um die Beseitigung von Missständen, die einer gesunden Entwicklung des Filmwesens entgegenstehen, anderseits um den Ausbau und die tatkräftige Förderung dieses Zweiges unseres Kultur- und Wirtschaftslebens. Eine grundsätzlich negative Einstellung gegenüber dem Film ist heute einfach nicht mehr möglich. Der Film ist seinem Wesen nach zu fruchtbarem, segensreichem.

Wirken auf den Gebieten der Erziehung, der Volksbildung und des höhern Kulturschaffens bestimmt. Er hat Proben davon abgelegt. Die Aufgabe besteht darin, diese Möglichkeiten zu erkennen und sie im Dienste der geistigen und kulturellen Interessen unseres Landes fruchtbar werden zu lassen. Dass dem Filmwesen für die Schweiz auch in wirtschaftlicher Hinsicht beträchtliches Bedeutung zukommt, beweisen die in Kapitel II angeführten Zahlen.

Die Ordnung des Filmwesens im Innern bildet die Voraussetzung für wirksame Massnahmen im Verhältnis zum Ausland. Dass solche Massnahmen sich aufdrängen, dürfte auf Grund unserer bisherigen Ausführungen keinen Zweifel mehr dulden. Mit Absicht haben wir auf diese Seite des Problems immer wieder hingewiesen. Unser Land ist -- ob es will oder nicht -- in die internationale Verflechtung des Filmwesens einbezogen, und zwar in besonders starkem Masse infolge seiner fast 100 %igen Abhängigkeit von der ausländischen Produktion.

Auch im Hinblick auf das Ausland stellen sich Aufgaben negativer und solche positiver Art. Die erstem betreffen die Abwehr wesensfremder Einflüsse auf unser Volk. Vor einer Bagatellisierung der von Seiten des ausländischen Films nach dieser Eichtung drohenden Gefahren muss nachdrücklich gewarnt werden.

Man vergesse nicht, dass der Film die breitesten Schichten der Bevölkerung; erreicht und dass er in seiner heutigen, technisch durchgebildeten Gestalt, in Verbindung mit dem Ton über Möglichkeiten von einer suggestiven Kraft verfügt, wie kaum ein zweites Propagandamittel. Zudem wirkt die in einen Film aufgenommene Tendenz nach allgemeinen psychologischen Gesetzen.

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um so stärker, je vertarnter sie auftritt. Ein Spielfilm beispielsweise, der die 'Tendenz in geschickter Dosierung auf die richtigen Punkte eines scheinbar :neutralen Stoffes verteilt, dann aber mit dem vollen Einsatz seiner suggestiven Mittel spielen lässt, ist seiner Wirkung sicherer denn ein von vorneherein als Propagandafilm abgestempelter Bildstreifen, der seine Absicht offen zur Schau trägt und dadurch den Zuschauer nach dem bekannten Dichterwort verstimmt.

-- Selbstverständlich kann es sich bei der Abwehr unerwünschter ausländischer Einflüsse nicht um die Unterbindung der geistigen und kulturellen Beziehungen unseres Landes zum Ausland handeln. Eine derartige Abschnürung würde übrigens geradezu einem Grundelement des schweizerischen Staatsgedankens, ·der Idee einer geistigen Gemeinschaft der Völker, widersprechen. Unser Land >erhebt seinerseits den Anspruch, im Ausland für seine Kultur und seine Wirtschaft zu werben. Damit ist zugleich eine der in vorliegendem Zusammenhang sich stellenden positiven Aufgaben genannt. Entfaltung des eigenen Wesens ist die trefflichste Art der Bekämpfung fremdartiger Einwirkungen. In wirtschaftlicher Hinsicht wäre hier auf die direkte und indirekte Bedeutung einer schweizerischen Filmproduktion für ungern Aussenhandel und unsere Fremdenindustrie hinzuweisen. Eine weitere positive Aufgabe besteht in der Erstrebung -der internationalen Zusammenarbeit, ohne die eine Beihe von Problemen des .Filmwesens keine wirkliche und dauerhafte Lösung finden können.

Betonen möchten wir nochmals, dass nur ein in sich geordnetes und gesundes Filmwesen die nötige Widerstandsfähigkeit gegenüber schädlichen Einwirkungen von aussen und die erforderliche Spannkraft zur schöpferischen Leistung besitzen kann. Die gegenwärtige Unordnung im schweizerischen ^Filmwesen --· von einer solchen muss leider gesprochen werden -- ruft nicht .·zuletzt deshalb dringend nach Abhilfe, weil sie zahlreichen Bestrebungen Vorschub leistet, die dem nationalen Interesse unseres Landes stracks zuwiderlaufen.

Alles in allem handelt es sich für die Schweiz darum, dem Film nunmehr ·eine seiner Bedeutung für das moderne Kultur- und Staatsleben gerecht werdende Behandlung angedeihen zu lassen.

2. Die Frage, ob der Staat die Ordnung und Förderung des Filmwesens :nicht der privaten Initiative überlassen dürfe,
muss in dieser allgemeinen Form verneint werden. Der Film und die Organisation des Filmwesens berühren in weitgehendem Masse und in mannigfacher Beziehung das öffentliche Interesse, dessen berufener Vertreter der Staat ist. Der Film kann sozusagen jedem Zweck zur Verfügung gestellt werden und wird es tatsächlich auch.

Er kann in einem gewissen Sinne mit der ganzen sichtbaren und mit einem .grossen Teil der hörbaren Welt, der wirklichen wie der gedachten (gespielten), willkürlich schalten und walten. Da seine technischen Gegebenheiten überdies ·eine zugleich intensive und in die Breite gehende Wirkung bedingen, ist klar, was es für die Allgemeinheit bedeutet, wenn das Filmwesen zum Tummelplatz ·einer unverantwortlichen Spekulation auf der einen und zersetzender Tendenzen aller Art auf der andern Seite wird. Gegenüber diesen hartnäckigen

505 Faktoren ist die private Initiative, auch wo sie das Gemeinwohl im Auge hat, zu schwach. Was die Fachverbände betrifft, so sind sie schon durch ihren Zweck einseitig orientiert. Der Staat mus s sich daher des Filmwesens annehmen. Er muss ordnend und fördernd eingreifen im Sinne der Harmonisierung des privaten mit dem öffentlichen Interesse. Er soll die auf dem Gebiete des Filmwesens tätigen verantwortungsbewussten Kräfte und die weiteren am Film interessierten Kreise zur aufbauenden Arbeit im Dienste des gemeinsamen Zieles zusammenführen. Die Privatwirtschaft soll dabei nicht verdrängt oder vergewaltigt werden; das wäre weder zweckmässig noch innerlich gerechtfertigt. Der Einsatz der staatlichen Autorität hat aber dort zu erfolgen, -wo der Wille zur freiwilligen und sinnvollen Zusammenarbeit im Interesse der "Gesamtheit erlahmt oder von egoistischen Sonderinteressen überwuchert wird. Man kann das Filmwesen in seiner Weitschichtigkeit mit einem Räderwerk vergleichen, das nur funktioniert, wenn alle Räder aufeinander abgestimmt und am richtigen Ort befestigt sind.

Die Mitwirkung des Staates bei der Ordnung und Förderung des Filmwesens grundsätzlich als ungesunden «Etatismus» zu bezeichnen, wäre nach dem Gesagten durchaus unangebracht. Es gibt Dinge, mit denen der Staat sich naturgemäss zu befassen hat. Dazu gehört das Filmwesen heute um so mehr, als es weitgehend mit der Politik verquickt ist und damit Bezirke tangiert, ·die oft mit den Grundlagen des Staates identisch sind. Überblickt man die Gebiete, in die der Staat seit Jahrhunderten ordnend eingreift, so muss man anerkennen, dass ihnen zum Teil eine viel geringere Bedeutung für die Allgemeinheit zukommt als dem heutigen Filmwesen. Hat der Staat sich des letztern bei uns bisher kaum angenommen, so einfach deshalb, weil es sich um ein verhältnismässig junges Gebiet handelt und die Konsequenzen aus dessen Entwicklung eben erst zu ziehen 'sind.

8. Für die Schweiz erhebt sich nun sogleich die Frage, ob die Ordnung fund Förderung des Filmwesens, soweit der Staat sich damit befassen muss, Sache der Eidgenossenschaft oder Sache der Kantone ist bzw. sein soll.

Eine Untersuchung der verfassungsrechtlichen Frage erübrigt sich hier, da ·eine Änderung der in Betracht fallenden konstitutionellen Grundlagen vorläufig îiicht beabsichtigt ist, wie die
nachstehenden Ausführungen zeigen werden.

Geht man in ganz allgemeiner Weise von der Struktur unseres Staatswesens aus, so ist zu sagen, dass der Bund sich nur mit den Aufgaben befassen soll, die aus irgendeinem Grunde die K r a f t der Kantone übersteigen. Der Kreis dieser Aufgaben reicht auf dem Gebiete des Filmwesens allerdings ziemlich weit. Das hängt mit der Eigenart des Filmwesens sowie mit dessen faktischer Organisation zusammen.

Der Film weist neben der frei gestaltenden eine technische Komponente auf.

Dass die letztere nicht ohne Einfluss auf sein Wesen sein kann, leuchtet ein.

Technik aber bedeutet Eationalisierung, Schematisierung und stellt insofern einen Gegensatz zum Individuellen, Einmaligen dar. Das kommt einmal in künstlerischer Hinsicht zur Geltung : die Filmschöpfung ist weit weniger im menschlich Bundesblatt. 89. Jahrg. Bd. II.

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Individuellen verwurzelt als beispielsweise das Werk der Malerei oder des Schrifttums. Das Gesagte wirkt sich aber auch räumlich aus: wo das Filmwesen Wurzel fasst, da strebt es naturnotwendig sogleich über das Lokale und Eegionale hinaus. Das Filmwesen ist ohne Zweifel weniger «bodenständig» als die älteren Zweige kulturellen Schaffens. So erscheint es denn als ganz natürlich, dass die Belange des Filmwesens in einem Bundesstaat -- zumal in einem solchen von geringer Ausdehnung -- in ansehnlichem Masse der Sphäre der Zentralgewalt zugewiesen werden. Sie grundsätzlich und ausschliesslich an die Zuständigkeit der Gliedstaaten festzubinden, würde der Eigenart des Filmwesens widersprechen und wäre gleichbedeutend mit einer Zersplitterung der Kräfte. Bei der bildenden Kunst, deren die Eidgenossenschaft sich längst angenommen hat, liess sich dies viel weniger aus der Natur der Sache ableiten.

Die Eigenheit des Filmwesens hat in der Geschlossenheit der ausländischen Filmorganisationen und in der internationalen Verflechtung und Vertrustung des gesamten Filmwesens (Produktion und Konsum) seinen folgerichtigen Ausdruck gefunden. Auf diese Zusammenhänge ist in den vorangehenden Kapiteln zur Genüge hingewiesen worden. Der kantonale Wille vermag sich gegenüber den ausländischen Machtgruppen jedoch schwerlich durchzusetzen; ein wirksamer Einfluss kann nur von einer gesamtschweizerischen Basis aus gewonnen werden. Die Ordnung und Förderung des Filmwesens ist im grossen und ganzen eine gesamtschweizerische Angelegenheit, weshalb der ordnende Wille, unter voller Eücksichtnahme auf die besondere Struktur unseres Staatswesens (darüber weiter unten), von der Eidgenossenschaft ausgehen muss.

Das wird besonders klar, wenn man bedenkt, in welchem Mass der Film heute in den Dienst der Politik gestellt ist und dass die Wahrung der Interessen der Eidgenossenschaft nach aussen zu 'den verfassungsmässigen Aufgaben des Bundes gehört. Der förmlichen Vertretung der schweizerischen Filminteressen gegenüber dem Ausland kommt überhaupt eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Ferner sei hier an die Aufgaben einer systematischen schweizerischen Kultur- und Wirtschaftspropaganda durch den Film im Ausland erinnert. Unter all diesen Gesichtspunkten drängt sich eine Zusammenfassung der Kräfte im eigenen Land 'geradezu auf. Je
deutlicher und positiver ein gesamtschweizerischer Wille zur Ordnung und Zusammenarbeit in Erscheinung treten wird, um so besser und leichter werden sich die Beziehungen zum Filmausland gestalten lassen.

Dass eine gewisse Konzentration auf dem Gebiete der staatlichen Ordnung und Betreuung des Filmwesens einem wirklichen Bedürfnis entspricht, beweist auch die sofortige starke Inanspruchnahme des neuen Eessorts «Filmwesen» bei unserm Departement des Innern durch Behörden, Verbände und Angehörige der verschiedenen Sparten des Filmgewerbes. Nicht zuletzt aus Fachkreisen sind im Hinblick auf unhaltbar gewordene Zustände wiederholt Gesuche um Intervention an die Bundesbehörde gerichtet worden. Man war sich von vorneherein darüber im klaren, dass kantonale Massnahmen nach den

507

betreffenden Kichtungen -- wenn solche Massnahmen überhaupt ergriffen würden -- wirkungslos bleiben müssten.

Auf Grund der bestehenden Gesetzgebung und Verwaltungsorganisation bieten sich dem Bund bereits eine Eeihe von Möglichkeiten, auf das Filmwesen nach bestimmten Eichtungen einen regulierenden oder gar fördernden Einfluss auszuüben. Man denke an die Gebiete der Zoll- und Handelspolitik, der Fremdenpolizei, der Aussenpolitik, des Verkehrswesens u. a. Bei planvoller Koordination innerhalb der Bundesverwaltung und zielbewusstem Vorgehen lässt sich schon ein gewisses Eesultat erzielen. Die Fäden hätten dabei beim Departement des Innern als Fachdepartement zusammenzulaufen.

Bin weiterer Ausbau der Gesetzgebung -- Art. 84ter der Bundesverfassung, wonach der Bund befugt ist, auf dem Gebiete des Gewerbewesens einheitliche Bestimmungen aufzustellen, erstreckt sich zweifellos auch auf das Filmgewerbe -- wird Gegenstand sorgfältigster Prüfung sein müssen. Auf alle Fälle aber ist jede ungerechtfertigte Zentralisation zu vermeiden. Nichts widerstrebt dem Wesen unseres Bundesstaates mehr als eine unnötige Gleichmacherei. Auch im Filmwesen gibt es Gebiete, deren gesetzgeberische und administrative Ordnung mit Eücksicht auf die Verschiedenheit der Verhältnisse der einzelnen Landesteile nach wie vor bei den Kantonen liegen muss. Wir nennen bloss die Zensur, die Jugendschutzbestimmungen und das Lehrfilmwesen. Was die Zensur betrifft, so wird allerdings die Frage der Einführung einer eidgenössischen Filmkontrolle unter den Gesichtspunkten der Wahrung der äussern und innern Sicherheit des Landes, der Behauptung seiner Unabhängigkeit und Neutralität, der Handhabung von Euhe und Ordnung im Innern -- alles Belange, hinsichtlich deren der Bund von vorneherein zuständig ist -- abzuklären sein. Eine derartige eidgenössische Minimalzensur, die neben die umfassende kantonale Zensur treten würde, wird aber möglicherweise durch zweckmässige Ausgestaltung und wirksame Handhabung einer Kontrolle der Filmeinfuhr überflüssig gemacht werden können. -- Die im Interesse der öffentlichen Sittlichkeit gebotenen Massnahmen auf dem Gebiete des Kinowesens dürften im allgemeinen zu den spezifisch kantonalen Aufgaben gehören. Dass nach dieser Eichtung aber konsequenter vorgegangen werden muss als bisher, liegt auf der Hand. Wir haben
schon in früherem Zusammenhang hervorgehoben, dass es hier nicht nur um das Wohl unserer Jugend, sondern um dasjenige des Volksganzen geht. Das Schwinden der geistigen Zucht und der sittlichen Widerstandskraft eines Volkes ist, wie die Geschichte lehrt, stets das Zeichen eines allgemeinen Verfalls.

Abschliessend möchten wir in bezug auf das Verhältnis der Eidgenossenschaft zu den Kantonen bei der staatlichen Ordnung und Förderung des Filmwesens bemerken, dass die Ablehnung zentralistischer Bestrebungen nicht zum Doktrinarismus erstarren darf, der einem politischen Axiom zuliebe die aus der Entwicklung der Eealität sich ergebenden Notwendigkeiten und damit die Erfordernisse des Gemeinwohls, dem jede staatliche Tätigkeit letztlich dienen soll, übersieht. Die Eigenheit des Filmwesens erfordert in mancherlei

508

Beziehung eine besondere gesetzgeberische und administrative Behandlung.

Übrigens ist hier zum Teil auch das interkantonale Konkordat berufen, eine bedeutsame Eolle zu spielen.

4. Mit vorstehenden Ausführungen ist eigentlich bereits zum Ausdruck gebracht, dass die Lösung der schweizerischen Filmfrage nicht einfach nach diesem oder jenem ausländischen Muster erfolgen darf, sondern dass sie der Eigenart unseres Staatswesens und unseres kulturellen Lebens entsprechen muss. Das wird dann der Fall sein, wenn sie dem Prinzip der Zusammenarbeit entspringt: Zusammenarbeit der privaten Verbände unter sich, Zusammenarbeit zwischen Staat und Verbänden, Zusammenarbeit der Kantone untereinander, Zusammenarbeit endlich zwischen Bund und Kantonen.

Eine staatliche Filmproduktion oder Filmfinanzierung wird für die Schweiz, soweit es sich nicht um Bedürfnisse des Staates selbst (militärische Ausbildung, Verkehrswerbung usw.) handelt, schwerlich in Frage kommen.

Die Frage des Erlasses eines sogenannten eidgenössischen Eahmengesetzes über das Filmwesen, wie es in der Öffentlichkeit schon gefordert worden ist, wird den Gegenstand sorgfältigster Prüfung bilden müssen.

Dass es sich bei der von uns als notwendig bezeichneten staatlichen Ordnung und Betreuung des schweizerischen Filmwesens nicht einfach um eine Nachahmung des Auslandes handelt, geht schon daraus hervor, dass gerade die Sorge um die Erhaltung des geistigen Antlitzes und der kulturellen und politischen Eigenart der Schweiz eines der Hauptmotive einer solchen Aktion bildet.

Y. Schaffung einer Schweizerischen Filmkaminer.

Soll die Eidgenossenschaft den ihr auf dem Gebiete des Filmwesens zufallenden Aufgaben gerecht werden, so ist die Schaffung eines zentralen Fachorgans unerlässlich. Dieses Organ wäre die Schweizerische Filmkammer, von der in den Kapiteln I und II wiederholt die Bede gewesen ist. Die Einsetzung einer Filmkammer ist von unserm Departement des Innern bereits vor drei Jahren ins Auge gefasst worden. Der Gedanke fand die Billigung der vom Departement einberufenen Filmkonferenz vom 3. Juli 1935. Sehliesslich hat die Eidgenössische Studienkommission für das Filmwesen die Gründung einer Schweizerischen Filmkammer ihrerseits als dringend notwendig bezeichnet.

Dass die Schaffung eines solchen Organs eine Voraussetzung für die gedeihliche Weiterentwicklung des schweizerischen Filmwesens bildet, haben nicht zuletzt die verschiedenen Auslandsreisen der Delegierten der Studienkommission und die in den betreffenden Ländern mit den zuständigen Kreisen geführten Besprechungen mit aller Deutlichkeit erwiesen.

Die Schweizerische Filmkammer wäre die Trägerin der im vorangehenden Kapitel erwähnten, dem Wesen unseres Bundesstaates gemässen Zusammenarbeit zwischen den am schweizerischen Filmwesen beteiligten oder interessierten Kreisen. Im weitern würde sie als Beratungsorgan der Behörden amten.

509 Endlich hätte sie die Interessen des schweizerischen Filmwesens gegenüber dem Ausland zu vertreten.

In der Filmkammer müssten die kulturellen, die wirtschaftlichen und die allgemeinen ótt'entlichen Interessen angemessen vertreten sein. Soll das Organ fruchtbare Arbeit leisten, so müssen sachkundige und unabhängige Persönlichkeiten, die nicht nur die einzelnen filminteressierten Kreise des Landes vertreten, sondern auch das Interesse der Gesamtheit im Auge haben, zur Mitarbeit herangezogen werden.

Beabsichtigt ist vorläufig also nur die Schaffung eines solchen Organs und keine Änderung des materiellen Eechtszustandes. Für weitere in die Zuständigkeit Ihrer Behörde fallende Massnahmen wären · zu gegebener Zeit, eben auf Grund der Arbeiten der Filmkammer, besondere Vorlagen auszuarbeiten.

1. Funktionen der Filmkammer.

Im einzelnen würden der Schweizerischen Fihnkammer folgende Funktionen zukommen: a. Verbindung zwischen den Bundesbehörden und den am schweizerischen Filmwesen beteiligten oder interessierten Organisationen und zwischen den letztern unter sich im Sinne der Zusammenarbeit zur Ordnung und Förderung des schweizerischen Filmwesens und zur Wahrung seiner gemeinsamen Interessen kultureller, wirtschaftlicher und rechtlicher Art; b. fortlaufende Beobachtung der Lage und der Entwicklung des Filmwesens im In- und Ausland; c. Begutachtung von Fragen des Filmwesens zuhanden der Bundesbehörden ; d. Anregung oder Unterstützung von Massnahmen zur Ordnung und Förderung des schweizerischen Filmwesens; e. Ausarbeitung von Vorschlägen für gesetzgeberische Massnahmen der Eidgenossenschaft auf dem Gebiete des Filmwesens und Förderung der interkantonalen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet; /. Mitwirkung beim Vollzug eidgenössischer Erlasse über Gegenstände des Filmwesens und Ausübung allfälliger Entscheidungsbefugnisse nach Massgabe dieser Erlasse; g. Vertretung der Interessen des schweizerischen Filmwesens gegenüber dem Ausland (im Eahmen der jeweiligen Zuständigkeiten); h. Vermittlung zwischen den einzelnen Gruppen der schweizerischen Filmwirtschaft zwecks Überbrückung von Interessengegensätzen und Förderung der gütlichen Erledigung von Konflikten.

Gewicht ist darauf zu legen, dass die Filmkammer als Fachorgan für sämtliche Angelegenheiten des Filmwesens, mit denen die Bundesverwaltung sich zu befassen
hat, zu amten hätte. Alle wichtigeren einschlägigen Geschäfte der eidgenössischen Verwaltung wären ihr zur Prüfung und Begutachtung vorzulegen. Dadurch würden, in Verbindung mit der Bezeichnung des Depar-

510 tements des Innern als Pachdepartement für Angelegenheiten des Filmwesens, die Zusammenfassung der Kräfte und die Wahrung einer einheitlichen Linie innerhalb der Bundesverwaltung gewährleistet.

Für die unter lit. c--e genannten Zwecke würde die Schweizerische Filmkammer auch den Kantonen zur Verfügung stehen.

2. Form und Organisation.

Die Frage nach der für eine Schweizerische Filmkammer zu wählenden rechtlichen Form bereitete etwelche Schwierigkeiten. Unser Departement des Innern hat verschiedene Lösungsmöglichkeiten geprüft. Auf Grund des von der Studienkommission abgegebenen Sonderberichts über die Schaffung - einer Filmkammer wurde zunächst die Gründung einer vom Bund zu subventionierenden privatrechtlichen Genossenschaft in Erwägung gezogen.

Eine solche Genossenschaft müsste mit Eücksicht auf ihren Zweck von vorneherein mit gewissen öffentlich-rechtlichen Elementen durchsetzt und im Laufe der weiteren Entwicklung sukzessive mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen ausgestattet werden. Bei näherer Prüfung müsste dieses Projekt fallen gelassen werden. Erhoben sich schon unter dem bisherigen Genossenschaftsrecht schwerwiegende Bedenken dagegen, so erst recht unter dem am 1. Juli 1937 in Kraft getretenen neuen Eecht. Die Genossenschaft ist nach Art. 828 rev. OB «eine als Körperschaft organisierte Verbindung einer nicht geschlossenen Zahl von Personen oder Handelsgesellschaften, die in der Hauptsache die Förderung oder Sicherung bestimmter wirtschaftlicher Interessen ihrer Mitglieder in gemeinsamer Selbsthilfe bezweckt». Der Grundsatz der nicht geschlossenen Mitgliederzahl ist zwingenden Eechts (vgl. auch Art. 839 rev. OE). Oberstes Organ der Genossenschaft ist die Generalversammlung der Genossenschafter, der als unübertragbare Befugnisse u. a. die Festsetzung und Änderung der Statuten und die Wahl der Verwaltung zustehen (Art. 879 rev. OE). Dabei schliesst die zwingende Norm des Art. 885 rev. OE eine Abstufung des Stimmrechts der Genossenschafter aus. -- Schon aus diesen Bestimmungen lässt sich ableiten, dass die Genossenschaft schwerlich die geeignete Eechtsform für eine Filmkammer darstellt, die im kulturellen und wirtschaftlichen Interesse der Allgemeinheit tätig werden und reibungslos funktionieren soll. Ganz abgesehen vom Primat des wirtschaftlichen Zwecks bei der Genossenschaft stünde
man hier einem viel zu komplizierten Apparat gegenüber. Es würde sich sogleich das Bedürfnis geltend machen, die Funktionen der Filmkammer im Sinne der Ausführungen sub Ziff. l hiervor der Verwaltung der Genossenschaft zu übertragen. Auf Grund der unabänderlichen gesetzlichen Vorschriften wäre die Willensbildung letztlich aber doch von der mehr oder weniger zufälligen Zusammensetzung des Mitgliederbestandes der Genossenschaft (Generalversammlung) abhängig. Was das bei den gegenwärtigen ungeordneten Verhältnissen im schweizerischen Filmwesen -- die es ja gerade zu ordnen gilt -- bedeuten würde, ist leicht zu ermessen. Anderseits würde die Ver-

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mischung privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Elemente voraussichtlich in mancherlei Hinsicht zu unklaren Bechtsverhältnissen führen, die ebenfalls nicht im Interesse der Sache liegen.

Alle diese Überlegungen, die zur Hauptsache gegen eine Lösung auf privatrechtlicher Grundlage überhaupt sprechen, lassen die Schaffung eines ö f f e n t lich-rechtlichen Organs als die einfachere, zweckmässigere und konsequentere Lösung erscheinen. Auf diese Weise kann ein von vorneherein auf seinen Zweck zugeschnittenes, der Behörde voll verantwortliches, arbeitsfähiges Organ geschaffen werden. Wir haben uns denn auch in diesem Sinne entschieden.

Im angeschlossenen Entwurf eines Bundesbeschlusses ist vorgesehen, dass Sie uns zur Schaffung des in Frage stehenden Organs und zur Festsetzung seiner Organisation ermächtigen. Da es sich um ein amtliches Organ handelt, könnte die Bezeichnung «Eidgenössische Filmkammer» als gegeben erscheinen.

Wir möchten nichtsdestoweniger dem Namen «Schweizerische Filmkammer» den Vorzug geben, einmal mit Eücksicht auf die ausländischen Kreise, mit denen die Filmkammer in Beziehung zu treten haben wird (die Bezeichnung «eidgenössisch», vor allem aber das französische «fédéral» wäre für viele dieser Kreise nicht hinreichend deutlich bzw. unterscheidend), sodann, weil in dem weniger offiziell klingenden Namen der Gedanke der Zusammenarbeit zwischen privater Initiative und Staat besser zum Ausdruck kommt.

Die Organisation der Filmkammer hätte sich nach den jeweiligen Bedürfnissen zu richten. Für den Anfang könnte man mit einer sehr einfachen Organisation auskommen. Wir haben eine formale Anlehnung an den Typus der Verwaltungskommission in Aussicht genommen. Je nach der weiteren Entwicklung der Dinge (Gesetzgebung, Organisation des Filmwesens usw.)

und den gesammelten Erfahrungen wäre die Organisation später dann auszubauen. Insbesondere möchten wir uns vorbehalten, die Filmkammer als selbständige Öffentliche Körperschaft oder Anstalt zu organisieren. Die Ermächtigung hierzu ist im angeschlossenen Beschlussesentwurf ausdrücklich vorgesehen.

Angesichts der Notwendigkeit, die organisatorische Ausgestaltung der Filmkammer den jeweiligen Verhältnissen anzupassen, müsste die Begelung dieser Materie einem besondern Erlass unserer Behörde vorbehalten bleiben.

Der Entwurf eines solchen
Organisationsreglements ist ausgearbeitet und steht Ihren vorberatenden Kommissionen zur Verfügung. Nach diesem Entwurf würde die Organisation der Filmkammer sich im wesentlichen wie folgt gestalten : Die Schweizerische Filmkammer besteht aus 18 Mitgliedern, die auf Antrag des Departements des Innern durch unsere Behörde jeweilen für eine Amtsdauer von 3 Jahren gewählt werden. Es sollen i Tir angehören: je l Vertreter der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren und der Konferenz der kantonalen Polizeidirektoren, 7 Vertreter der Filmwirtschaft (worunter Produktion: l, Verleih: 2, Lichtspieltheater: 2, Filmschaffende: l, die Be-

512 Setzung des 7. Sitzes hat unter besonderer Berücksichtigung des jeweiligen Entwicklungsstadiums des schweizerischen Filmwesens zu erfolgen), 7 Vertreter der Kultur, Kunst und Wissenschaft (wobei der Kinoreform 2 Vertreter zuzuweisen sind) und 2 Vertreter des allgemeinen Handels und Verkehrs.

Der Erziehungs- und der Polizeidirektorenkonferenz sowie der Filmwirtschaft steht das Eecht zu, dem Departement des Innern Vorschläge für ihre Vertretung in der Filmkammer einzureichen; die Filmwirtschaft übt dieses Eecht durch ihre schweizerischen Verbände aus. Bei der Bestellung der Filmkammer sind die verschiedenen Kulturgebiete des Landes angemessen zu berücksichtigen.

Nach Ablauf der dreijährigen Amtsdauer werden, soweit während derselben keine Ersatzwahlen stattgefunden haben, mindestens 8 Mitglieder der Filmkammer durch neue ersetzt. Durch die obligatorische Partialerneuerung soll der Gefahr der Erstarrung vorgebeugt werden.

Präsident und Vizepräsident der Filmkammer werden durch unsere Behörde bezeichnet. Die Filmkammer besitzt ein ständiges Sekretariat. Der Sekretär, der durch das Departement des Innern vertraglich angestellt wird, ist nicht Mitglied der Filmkammer, hat aber beratende Stimme.

Der Geschäftsverkehr der Filmkammer mit unserer Behörde vollzieht sich über das Departement des Innern, das als Fachdepartement die unmittelbare Aufsicht über die Filmkammer führt und das auch deren Verkehr mit den übrigen Departementen und den ihnen untergeordneten Amtsstellen vermittelt.

Auf Ende jedes Jahres erstattet die Filmkammer dem Departement des Innern zuhanden unserer Behörde einen zusammenfassenden Bericht über ihre Tätigkeit.

Präsident, Vizepräsident und Sekretär bilden das Bureau der Filmkammer.

Diesem obliegen die Vorberatung der Verhandlungsgegenstände und die Ausführung der Beschlüsse. Das Bureau kann ferner vom Departement des Innern zur gutachtlichen Äusserung und zur Antragstellung herangezogen werden, so oft das Departement es als notwendig erachtet.

Die Filmkammer kann für bestimmte Arbeitsgebiete Fachausschüsse aus ihrer Mitte bestellen. Ferner ist sie befugt, für die Behandlung einzelner Fragen besondere Sachverständige beizuziehen.

Im Eahmen der Bestimmungen des Organisationsreglements ist die Filmkammer ermächtigt, ein Eéglement über ihre Geschäftsführung und über die
Organisation und die Aufgaben der Fachausschüsse zu erlassen. Ein solches Eeglement unterliegt jedoch der Genehmigung des Departements des Innern.

3. Auigabenkreis.

Der stoffliche Aufgabenkreis einer Schweizerischen Filmkammer wird sehr umfassend und vielgestaltig sein. Wir können diesbezüglich auf die Ausführungen der Kapitel I und II verweisen. An einigen Stellen des Kapitels II ist auf spezielle Aufgaben einer Schweizerischen Filmkammer ausdrücklich

51$ hingewiesen worden. Im folgenden möchten wir nun noch, gestützt auf dert Sonderbericht der Eidgenössischen Studienkommission für das Filmwesen,, eine stichwortartige Übersicht über die wichtigsten Fragen und Aufgaben geben, mit denen die Filmkammer sich unter den gegenwärtigen Verhältnissen, in dieser oder jener Funktion (selbständige Studien, Begutachtungen zuhanden der Behörden, vermittelnde Funktion, Vertretung des schweizerischen Filmwesens usw.; vgl. darüber Abschnitt l hiervor) zu befassen hätte. Natürlich werden die Weiterentwicklung des Filmwesens und die Entwicklung der einschlägigen Gesetzgebung auch den Tätigkeitsbereich und das Arbeitsprogramm, der Filmkammer beeinflussen.

Die nachstehende Übersicht, die, wie gesagt, keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, gruppiert die einzelnen Fragen und Aufgaben nach den verschiedenen Instanzen der Zusammenarbeit. Dabei muss man sich bewusst sein, dass zahlreiche Fragen mehreren dieser Gruppen zugleich zugeteilt werden müssten, wovon hier, um Wiederholungen zu vermeiden, Umgang genommen wird. Der Anordnung innerhalb der Gruppe «Zusammenarbeit mit den Behörden» liegt kein gegenständliches Kriterium, sondern die gesetzliche Eeihenfolge der eidgenössischen Departemente zugrunde. Festzuhalten ist dabei, dass das Departement des Innern als Fachdepartement, und Aufsichtsinstanz sich jedenfalls informatorisch mit dem gesamten Aufgabenkreis der Filmkammer zu befassen haben wird.

Zusammenarbeit mit den Behörden: Beobachtung der Entwicklung des internationalen Filmwesens, insbesondere im Hinblick auf die politischen Zusammenhänge.

Aufstellung von Grundsätzen und Eichtlinien einer schweizerischen Filmpolitik!

Der Film im Ausstellungswesen.

Ausbau einer schweizerischen Filmstatistik (insbesondere in bezug auf das Kinowesen, den Filmkonsum und die schweizerischen Arbeitskräfte).

Firmengründungen im Filmwesen (Gutachten für das Eidgenössische Amt für das Handelsregister).

Ausländische Arbeitnehmer im schweizerischen Filmwesen (Gutachten für die Eidgenössische Fremdenpolizei).

Kontrolle der ausländischen Einflüsse, die ausgehen a. von den Filmen; b. von den im Filmwesen Tätigen; c. von den Gesellschaften (internationalen Trusten) (Zusammenarbeit mit der Bundespolizei).

Urheber- und patentrechtliche Fragen.

Einfuhrkontrolle für Filme (kulturelle, politische und wirtschaftliche Gesichtspunkte).

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Studium des ausländischen Filmmarktes.

Filmhandelspolitik im Hinblick auf a. den Clearingverkehr; b. den Abschluss von Filmabkommen mit ausländischen Staaten; c. den Kompensationsverkehr.

Kinobauverbot (Voraussetzungen, Bedingungen usw.).

Aufbau einer schweizerischen Filmindustrie und Bau eines Tonfilm·ateliers (auch im Zusammenhang mit der Arbeitsbeschaffung).

Schweizerische Filmschaffende im Ausland (Führung eines Verzeichnisses).

Ausbau einer systematischen Filmpropaganda.

Interkantonale Zensurkonkordate (Zusammenarbeit mit der Konferenz -der kantonalen Erziehungsdirektoren und derjenigen der kantonalen PolizeiDirektoren).

Internationale Z u s a m m e n a r b e i t : Mitarbeit in den internationalen Filmorganisationen.

Beteiligung an internationalen Filmveranstaltungen.

Mitarbeit bei der Lösung wichtiger Fragen wie: «. Bekämpfung des Systems des sogenannten* Blind- und Blockbuchens ; b. Bekämpfung des Schundfilmes; c. Ausbau des Lehrfilmwesens; d. Autorrecht; e. Stargagen; j. Tantiemen.

Zusammenarbeit mit den Verbänden: » Förderung des guten Filmes.

Förderung des Unterrichtsfilmes.

Programmgestaltung der Kinos.

Förderung der unabhängigen Filmkritik.

Verwendung des Films zur Förderung des innern Zusammenhanges der verschiedenen Kulturgebiete unseres Landes.

Verwendung des Filmes als Bindeglied zwischen den Auslandschweizern wnd der Heimat.

Förderung der Filmarbeit schweizerischer Schriftsteller, Tonkünstler, Darsteller usw.

Frage des «Schweizerfilms».

Schaffung einer schweizerischen Wochenschau.

Nachwuchs schweizerischer Filmschaffender.

Zusammenarbeit mit Theater und Rundfunk.

Studium der technischen Entwicklung des Filmes (Farbenfilm, plastischer Film, Fernsehen usw.).

515 Ausbau des Schmalfilmwesens.

Schaffung eines nationalen Filmfonds.

Förderung des Filmkredits.

Tarifverträge.

*4. Finanzielles.

Was die zur Deckung der Ausgaben einer Schweizerischen Filmkammer erforderlichen Mittel betrifft, so ist in Betracht zu ziehen, dass die Filmkammer von Anfang an eine sehr intensive Tätigkeit zu entfalten und somit zahlreiche Plenar- und Ausschusssitzungen abzuhalten haben wird. Dabei werden die Mitglieder gemäss den jeweiligen Bestimmungen über die Taggelder und Beiseentschädigungen der Mitglieder eidgenössischer Verwaltungskommissionen entschädigt werden müssen. Eine Herabsetzung der vorgesehenen Mitgliederzahl der Filmkammer (18) fällt deshalb ausser Betracht, weil die Siebenervertretung der Filmwirtschaft ein Minimum darstellt und demgegenüber auch die kulturellen sowie die allgemeinen öffentlichen und wirtschaftlichen Interessen entsprechend vertreten sein müssen. Dem Präsidenten der Filmkammer wird ausser den Sitzungsgeldern eine jährliche angemessene Entschädigung für die mit einer beträchtlichen Verantwortung verbundene Geschäftsleitung auszurichten sein. Ein Gleiches wird sich eventuell auch für die Ausschussleiter als notwendig erweisen. Dazu werden verhältnismässig kostspielige Spezialexpertisen kommen, wofür in gewissen Fällen die Beiziehung zuverlässiger ausländischer Sachverständiger unabweislich sein wird. Soll die Filmkammer den ihr zu übertragenden Aufgaben gerecht werden, so werden angesichts der im Filmwesen bestehenden besondem Verhältnisse nicht selten auch Auslandsreisen zu unternehmen sein. Als weitere ansehnliche Ausgabenposten werden die Kosten des Filmkammersekretariats hinzukommen : Gehälter des Sekretärs und einer Hilfskraft; Miete, Heizung und Beleuchtung für zwei Bäume; Mobiliar und Bureaukosten (Bureaumaterial,Drucksachen, Bureaumaschinen usw.).

Endlich sind die Anschaffung von Fachliteratur, die Zeitungs- und Zeitschriftenabonnemente und verschiedenes anderes in Bechnung zu stellen.

Alles in allem ist vorauszusehen, dass der jährliche Finanzbedarf einer Schweizerischen Filmkammer bei knapper Bemessung der einzelnen Kredite anfänglich die Höhe von ca. Fr. 40 000 erreichen und dass er, soll die Filmkammer den an sie zu stellenden Anforderungen gerecht werden können, allmählich auf Fr. 50 000 steigen wird. Vergleichsweise darf darauf
hingewiesen werden, dass der Ausgabenetat der fünfgliedrigen Eidgenössischen Bankenkommission für das Jahr 1937 sich auf rund Fr. 76 000 beläuft (s. den Voranschlag der Eidgenossenschaft für 1937, S. 61).

Im Hinblick auf die Notwendigkeit einer strengen Sparpolitik ist in Art. 2 des angeschlossenen Beschlussentwurfes vorgesehen, dass der jährliche Gesamtkredit für die Filmkammer und ihr Sekretariat auf Fr. 50 000 im Maximum festgesetzt wird. Es versteht sich von selbst, dass das Filmkammerbudget jeweilen der durch die Finanzlage des Bundes gebotenen

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sorgfältigen Prüfung unterzogen würde. Der Entwurf eines ersten Jahresbudgets der Filmkammer wird Ihren vorberatenden Kommissionen zur Verfügung stehen.

Verglichen mit den Summen, die ausländische Staaten für ihr Filmwesen opfern, ist ein jährlicher Gesamtkredit von höchstens Fr. 50 000 als überaus bescheiden zu bezeichnen. Dasselbe gilt im Vergleich zu den Kiesensummen, die der Bund, zumal in den letzten Jahren, für wirtschaftliche Zwecke zur Verfügung gestellt hat. Dabei ist zu bedenken, dass ganz abgesehen von dem Vorrang, der den geistigen und kulturellen Werten ihrer Natur nach zukommt, auch das wirtschaftliche Wohl eines Landes letzten Endes nicht nur auf materiellen Grundlagen beruht. Wenn die finanziellen Aufwendungen der Eidgenossenschaft für kulturelle Zwecke sich von jeher in bescheidenem Mass gehalten haben (abgesehen von den wissenschaftlichen Anstalten des Bundes), so war dies durch die verfassungsmässige Teilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen bis zu einem gewissen Grad gerechtfertigt. In den letzten Jahren haben die Verhältnisse sich aber derart gewandelt, dass auch die Eidgenossenschaft sich der Erfüllung bestimmter Aufgaben auf diesem Gebiete nicht mehr entziehen darf. Es geht hier um den Schutz von Interessen, die geradezu den Lebensnerv der Schweiz berühren. Und zwar ist die Lage heute so, dass, wenn irgendwo, so hier von Dringlichkeit gesprochen werden kann.

Die derzeitigen ungeordneten Verhältnisse im schweizerischen Filmwesen und die dadurch ermöglichten Einflüsse, Bestrebungen und Machenschaften aller Art, in die wir einigen Einblick gewonnen haben, schliessen sehr ernste Gefahren für das Land in sich. Wir erlauben uns daher, Sie darauf aufmerksam zu machen, dass die Schweizerische Filmkammer wenn immer möglich ihre Tätigkeit zu Beginn des Jahres 1938 sollte aufnehmen können.

Gestützt auf die Ausführungen dieser Botschaft empfehlen wir Ihnen, auf die Beratung der Vorlage beförderlich einzutreten und den angeschlossenen Entwurf durch Ihre Genehmigung zum Beschluss zu erheben.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 18. Juli 1937.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Bundeskanzler: G. Boret.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Schaffung einer Schweizerischen Filmkammer.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 18. Juli 1937, beschliesst :

Art. 1.

Der Bundesrat wird beauftragt, zum Zwecke der Zusammenfassung und der wirksamen Gestaltung der Bestrebungen zur Ordnung und Förderung des schweizerischen Filmwesens eine Schweizerische Filmkammer zu errichten.

Die Filmkammer soll auf eine planmässige Zusammenarbeit der am schweizerischen Filmwesen beteiligten oder interessierten Kreise im Sinne 'des geistigen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Landesinteresses hinwirken. Sie soll den zuständigen Behörden als beratendes und antragstellendes Fachorgan zur Seite stehen und kann von ihnen mit der Vertretung der schweizerischen Filminteressen gegenüber dem Auslande betraut werden.

Die Filmkammer kann auch zur Mitwirkung beim Vollzug eidgenössischer Erlasse über Gegenstände des Filmwesens herangezogen werden.

Der Bundesrat bestimmt die Organisation der Filmkammer und umschreibt deren Obliegenheiten und Befugnisse im Eahmen der verfassungsmässigen und gesetzlichen Zuständigkeiten. Er ist ermächtigt, die Filmkammer mit eigener Eechtspersönlichkeit auszustatten.

Die Schweizerische Filmkammer ist der Aufsicht des Eidgenössischen Departements des Innern und der Oberaufsicht des Bundesrates zu unterstellen. Das Nähere über ihr Verhältnis zur Bundesverwaltung wird durch den Bundesrat festgesetzt.

Art. 2.

Der für die Schweizerische Filmkammer und ihr Sekretariat bestimmte Jahreskredit ist jeweilen in den Voranschlag der Eidgenossenschaft einzustellen.

Er soll die Höhe von Fr. 50 000 nicht übersteigen.

Art. 3 Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

Der Bundesrat ist mit der Vollziehung beauftragt.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Schaffung einer Schweizerischen Filmkammer. (Vom 13. Juli 1937.)

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1937

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28

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14.07.1937

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474-517

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