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Schweizerisches Bundesblatt.

44. Jahrgang. L

Nr. 10.

9. März 1892.

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Druck und Expedition der Buchdruckerei Karl Stämpfli&C de. in Bern.

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Bericht des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Petition des Centralvorstandes des schweizerischen Bäcker- und Konditorenverbandes um Erlaß eines Bundesgesetzes über den Brodverkauf.

(Vom 1. März 1892.)

Tit.

Mit Zuschrift vom 4. Februar 1892 hat uns der Präsident des Nationalrathes eine aus La Chaux-de-Fonds von Seite des Centralvorstandes des schweizerischen Bäcker- und Konditorenverbandes an ihn gelangte, vom 1. Februar datirte Petition an den h. schweizerischen Nationalrath um Erlaß eines Bundesgesetzes über den Brodverkauf übermittelt, damit der Gegenstand, dem Begehren der Petitionäre gemäß, auf das Traktandenverzeichniß der nächsten Session der Bundesversammlung gesetzt werde.

Die Petition hat folgenden Wortlaut:

Petition an die n. eidgenössischen Käthe betreffend Einführung des Brodverkaufs nach Gewicht.

Hochgeachtete Herren Präsidenten !

Hochgeachtete Herren National- und Ständeräthe!

Anläßlich Ihrer Session erlauben sich die Unterzeichneten, Namens und aus Auftrag ihrer Mandanten respektive der Generalversammlung des schweizerischen Bäcker- und Konditorenverbandes, Baundesblatt. 44. Jahrg. Bd. I.

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Sie um Ausarbeitung und Erlaß eines Gesetzes betreffend den V e r kauf des Brodes nach dem vom Käufer verlangten ( r e e l l e n ) G e w i c h t , also nicht i n b e h ö r d l i c h v o r g e s c h r i e b e n e n f i x i r t e n B r o d g r ö ß e n , anzugehen. Zur Begründung unseres Gesuches führen wir Ihnen nachstehend einige besonders markante Fälle von -- nach unserer bescheidenen Ansicht -- unbilligem Eingreifen in die Geschäftssphäre des ehrsamen Bäckerhandwerks, Fälle, die an und für sich hinreichen dürften, eine Unifikation in der Verkaufsweise unserer Produkte herbeizuführen, abgesehen davon, daß nach Art. 4 der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 ,, a l l e S c h w e i z e r vor dem G e s e t z e g l e i c h s i n d " , daß jeder Kleinverkauf in Lebensmitteln, worunter die Backwaaren eine Hauptstelle einnehmen, in beliebigen Quantitäten (d. h. Gewichtsmengen) stattfindet. Endlich bewegt uns zu dieser Eingabe die peinliche Wahrnehmung, daß in mehreren Kantonen durch besondere Vorschriften die auch unserm Stande gewährleistete H a n d e l s - und G e w e r b e f r e i h e i t in ungebührlicher Weise beschränkt wird.

I.

Der h. Bundesrath, welcher über die richtige Ausführung des eidgenössischen Grundgesetzes wie aller andern legislatorischen Erlasse zu wachen hat, welchem die Wahrung der Rechte des einzelnen Schweizerbürgers übertragen, und welcher demnach in erster Linie berufen ist, die jeweiligen Vorschriften im Sinne des Gesetzgebers zu interpretiren, hat schon am 6. Juni 1882 einen Rekurs betreffend Geldbuße wegen Verkaufs von zu leichtem Brode begründet erklärt, wie folgender Bericht ausweist !

,,Laut der Verordnung des Landrathes von Uri, vom 28. Dezember 1870, sollen bei Angabe des Gewichtes der zu verkaufenden Brode keine Bruchtheile vorkommen, sondern die Bäcker sollen Brodlaibe im Gewichte von 5, 4, 2Va und 2 Pfunden ausgeben.

Auf Grund dieser Vorschrift wurden zwei Bäcker in Flfielen vorn Siebnergericht des Bezirks Uri jeder in eine Geldbuße von Fr. 10 und beide gemeinsam zu den Kosten verfallt, weil sie des Verkaufs, von zu leichtem Brod und' unrichtiger Gewichtsdeklaration sich schuldig gemacht hatten. -- Dieselben rekurrirten hiegegvn als einen Eingriff in die durch Art. 31 der Bundesverfassung gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit tm den Bundesrath, indem sie beanspruchen, es soll ihnen gestattet sein, auf Verlangen dan.

Brod vorzuwagen und Brode auch von anderm als dem reglement.smäßig vorgeschriebenen Gewichte zu den in Verkaufslokalen öffentlich angeschlagenen Preisen zu verkaufen.

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,,Die Beschwerde wurde begründet erklärt unter folgender Motivirung: ,,Die Frage, ob es gestaltet sei, für den Verkauf des Brodes oder anderer Gegenstände ausschließlich bestimmte Gewichtsgrößen vorzuschreiben, ist zu verneinen. Eine solche Vorschrift schließt das Verbot in sich, seine Waare in beliebigen Quantitäten zu verkaufen, und beeinträchtigt dadurch die Freiheit des Handels in gleicher Weise, wie dies durch Bestimmung einesMaximalpreisess geschehen würde.

,,Aus diesem Grunde hat denn auch der Bundesrath schon im Jahre 1875 eine ähnliche kantonale Verordnung über das beim Brodverkauf zuläßige Gewicht als unvereinbar mit, der Bestimmung des Art. 31 der Bundesverfassung aufgehoben. a II.

Im Laufe des Monats April 1S89 lichteten die Bäckervereine des Kantons Zürich eine Petition an die h. Regierung, um Abänderung beziehungsweise Aufhebung der im (zürcherischen) Gesetze vom 20. Juni 1864 enthaltenen Bestimmung, wonach die Bäcker ,,das Brod (mit Ausnahme der Einschneidbrode und Kleiubrode) nur in Laiben von bestimmten Gewichtssätzen (*/2, l, l x /2 und 2 Kilo) verkaufen dürfen; dafür möchte vorgeschrieben werden: ,,Es sollen in Zukunft die Bäcker verpflichtet sein, dem Käufer die verlangte Gewichtsmenge Brodes ohne Weiteres zuzuwägen.

Die Petenten motivirten ihr Gesuch mit folgenden treffenden Sätzen : ,,1. Die Qualität des Mehles, welches zum Verbacken gelangt, ist nicht immer dieselbe Qualität, auch wenn die gleiche Marke von dem nämlichen Müller bezogen wird.

,,2. Die Heizkraft des Brennmaterials ist nicht immer dieselbe und kann unmöglich jeweilen zum Voraus bemessen werden.

,,3. Der Backofen selbst wird im Zeitpunkt der Brodbereitung weder zeitlich noch örtlich immer genau dieselbe konstante Heizfläche aufweisen.

,,4. Der Wechsel der Arbeiter macht seinen Einfluß geltend.

,,5. Die äußern Temperaturverhältnisse spielen mit. Endlich ,,6. Anforderungen und Geschmack des Publikums bezüglich des Produktes sind oft maßgebend bei der Art der Bestellung desselben."

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Leider fand sich die angerufene Behörde bis heute, d. h. nach Verlauf von mehr als 2 Jahren, nicht veranlaßt, den Gesuchstellern auch nur eine Empfangsbescheinigung für deren Eingabe zukommen zu lassen ! i

III.

Im ,,Intelligenzblatt, der Stadt Bern" vom 9. Dezember 1889 verlangte ein Einsender ,,aus dem Volke" in kategorischer Weise, daß in den Bäckereien das Brod den Kunden vorgewogen werde, was einem unserer Berner Kollegen Anlaß gibt, sich in einer jenem Verlangen zustimmenden Weise zu äußern. Er sagt nämlich u. A. : ,,Wir ersehen daraus, daß das Publikum das Vorwägen des Brodes wünscht und gewiß nicht mit Unrecht. Jeder Krämer oder Verkäufer muß seine Waare vorwägen oder vormessen, warum soll der Bäcker solches nicht thun? Der Bäcker verlangt vom Publikum Entgegenkommen, soll er da nicht selbst entgegenkommen?

,,Dann aber halten wir es als im eigenen Interesse der Bäcker selbst. Wird das Brodvorwägen eingeführt (am besten obligatorisch, durch Gesetz), so wird das Hausiren mit Brod bald von selbst aufhören.

,,Sodann würde den oft nicht unbegründeten, oft aber übertriebenen Vorwürfen über zu leichtes Gewicht einmal die Spitze abgebrochen.

,,Das Publikum wäre beruhigt, denn die Konkurrenz würde sorgen, daß nur Gutgebackenes Absatz fände, was auch dem richtigen Bäcker den Weg weisen müßte. Der Bäcker wllrde, einmal eingewöhnt, nicht mehr zurückkehren wollen, und so w ä r e Allen geholfen."

Aus T h u n wird uns in gleicher Angelegenheit berichtet : ,,Im Kanton Bern besteht noch die gesetzliche Vorschrift, daß das Brod in Laiben von l und 2 Kilo gebacken werden und 24 Stunden nachher noch volles Gewicht haben soll. Die Ortspolizei hat die Aufgabe, diese Vorschrift zu handhaben und bei den Bäckern das Brod nachzuwägen. Daß diese Aufgabe keine angenehme ist, bedarf wohl keiner Erklärung. Mehr noch aber wird solche Vorschrift öfter für die Bäcker unangenehm, ja sie kann geradezu verderblich werden. Wenn ein unbescholtener, in jeder Beziehung ehrlicher Bäcker das Mißgeschick hat, einmal das Brod wenige Minuten zu lange im Ofen zu lassen, daß es etwas stark gebacken wird, so ist die Möglichkeit vorhanden, daß dasselbe nicht vollgewichtig ist. Das Brod soll aber 24 Stunden nach dem Ausnehmen noch volles Gewicht haben. Hat nun der Bäcker nicht gerade

849 starken Vertrieb und das Brod bleibt liegen, so ist klar, daß es leichter wird. Trifft es sich nun, daß die Polizeiorgane in solchem Falle die Kontrole vornehmen, so wird das leichte Brod konfiszirt, der Bäcker dem Strafrichter überwiesen und als Betrüger bestraft.

Ginge es mit dem ab, so würde sich der Bäcker zuweilen darüber wegsetzen können, im Bewußtsein, keine böse Absicht gehegt zu haben. Aber die Sache wird publik, die Bevölkerung erhält Kenntniß und wie in andern Fällen wird die Geschichte aufgebauscht.

Die Kundsame nimmt deßhalb nicht zu.

,,Betrifft nun ein solcher Fall einen Anfänger, so kann ihm Lust und Liebe zum Handwerk abhanden kommen und sein Ruin in die Nähe gerückt werden."

IV.

Im letzten Quarta] des Jahres 1890 ließ die Stadtpolizei von Schaffhausen (wo ebenfalls der Brodverkauf in Laiben von bestimmten Gewichtssätzen vorgeschrieben ist) bei sämmtlichen Bäckermeistern an verschiedenen Tagen durch eine Privatperson unter amtlicher Aufsicht je ein zweipfündiges, neugebackenes Mittelbrod erheben, dessen Gewicht durch die Polizei festgestellt wurde. Von 35 der erhobenen Laibe zeigten allerdings 22 nicht das volle Gewicht; die Veröffentlichung der Gewichtsproben nebst den Namen dei- besuchten" Bäckermeister gaben aber leider dem Redaktor des ,,Schaffhauser Intelligenzblattes" den erwünschten Anlaß, die respektiven Bäckermeister -- durchwegs Ehrenmänner beziehungsweise ehrbare Bäckerswittwen ! -- in allerdings verblümter Weise eines unredlichen Gebahrens zu bezichtigen.

Polizei und Redaktor konnten oder wollten eben -- Mangels Fachkenntniß ! -- unmöglich wissen, daß, nach der Behauptung eines Dr. T., welcher wahrend 18 Monaten mehr als 300 Bäckereien (des Kantons Bern) einer genauen Inspektion unterworfen hatte, ,,auch bei genauem Abwägen des Teiges beim gleichen Einwürfe infolge etwas ungleicher Erwärmung des Ofens nicht alle Laibe gleich schwer werden (Vide Begründung der Zürcher Petition, Punkt 3.)

V.

Ein Fachmann berichtet uns über das Vorgehen der Gesundheitskommission von Männedorf gegenüber den Bäckermeistern des Ortes in wirklich anschaulicher Weise, wie folgt: ,,Im Kanton Zürich soll das Brod (mit Ausnahme der Einschneidebrode und Kleinbrode) nur iü Laiben von Vs, l Va. und 2 Kilo verkaul't werden.

,,Im Kanton Zürich darf langes Brod 30, aufgesetztes von 1 Kilo und rundes von Kilo darf 15 Gramm, Seehrod von 2 Kilo darf 25 Gramm, Rauchbrod von l und 2 Kilo 15 Gramm Gewichtsmangel haben. Auf Verlangen des Käufers soll das Brod vorgewogen werden. In Zürich muß dem Brode die Angabe des Gewichts und das Zeichen des Bäckers aufgedrückt werden. In Zürich sollen die Gesundheitskommissionen jährlich 4 Mal Nach-' schau hallen; zu leicht befundene Waare wird konfiszirt; Bußen für Nichtbeachtung dieser Vorschriften 2 bis 50 Franken.

,,Nun zur Sache! Also Samstags den 19. September hatte die Gesundheitskommission bei sämmtlichen Bäckern Männedorfs Brodschau gehalten: bei einigen frischen 1-Kilo-Broden des Kollegen Suter erzeigte sich ein Gewichtsmanko von 5--10 Gramm über das gesetzlich zuläßige Mindergewicht hinaus; Herr Suter wurde mit Fr. 15 gebüsst.

,,Bei Bäckermeister A. Schneebeli wurden fast sämmtliche Langbrode von l Kilo gewogen; die einen wogen etwas über, andere etwas weniger als l Kilo; in meiner Ablage in Weihern (zur hiesigen Gemeinde gehörend) fand sich dann 1-Kilo-Brod vor mit 35 Gramm, also 5 ganze Gramm unter dem gesetzlichen Mindergewicht. Dieser Gewichtsmanko führte dann zu einer Buße von -- sage -- 15 Franken !

,,Beim Kollegen Friek fanden sich ein Tag alte 2-Kilo-Brode mit ganz geringem Gewichtsmanko vor, er wurde ebenfalls zu Fr. 15 Buße verdonnert.

,,Schneeheli hat dann gerichtlichen Entscheid verlangt und stand Mitte Oktober vor den Schranken des Bezirksgerichtes Meilen.

Der gebüßte Seh. beschwerte sich über das hohe Strafmaß, indem er betonte, die Behörde habe eingesehen, daß keine unreellen Absichten obwalteten, indem das Brod ja auch in der betreffenden Ausschreibung als gut gebacken erfunden worden sei.

.,,Nach langer Zeit kam dann der bezirksgerichtliche Entscheid : die ausgesprochene Buße sei immerhin zu bezahlen nebst den Gerichtskosten. -- Das Gericht stützte sieh darauf, daß dem Beschwerdeführer vor zirka 15 Jahren einmal einige Brode konfiszirt und er dazumal wegen mangeldem Brodzeichen Fr. 5 gebüßt worden sei. -- Es gibt also da k e i n e V e r j ä h r u n g .

,,Eine Appellation an höhere Instanz bleibt ausgeschlossen ; -- wir mußten darum ,,blechen" -- Meine beiden Kollegen haben sich nicht an's Gericht gewandt, da sie eben auch früher einmal mit Bußen belegt worden waren. Die werthen Berufsgenossen und Leser werden hieraus entnehmen, daß für uns Zürcher nichts

851 Anderes übrig bleibt, als von dem Kantonsrath ein Gesetz zu verlangen darüber, daß das Brod nach seinem effektiven Gewicht verkauft resp. dem Käufer vorgewogen werden müsse. Wir können nach dem Gesetze den Kunden wohl das Brod vorwägen ; gleichwohl muß die Gesundheitsbehörde das Brod doch nach dem Gewicht kontroliren. Nach der jüngsten Ausschreibung der Gesundheitsbehörde Männedorf s o l l s o g a r B r o d , d a s a u s n a h m s w e i s e h a r t g e b a c k e n wurde, doch noch das gesetzliche Gewicht haben.a Die Stuttgarter ,,Bäcker- und Konditor-Zeitung" hatte von obigem Falle Kenntniß erhalten und theilte ihn sämmtlichen Lesern mit nebst der Bemerkung: ,,. . . Demnach scheinen die Schweizer doch noch recht harte, auf mittelalterliche Zustände berechnete Gesetze zu haben . . ."· VI.

In einem Kreisschreiben vom Monat Oktober 1891 empfiehlt die Regierung des Eantons Aargau den Gemeinde- und Bezirksbehörden eine gewissenhafte B r o d k o n t r o i e durch periodische Untersuchung der Bäckereien, Gewichtsproben, und unnachsichtliche Bestrafung der Fehlbaren. Diese offiziell verlangten Brodnachwägungen sagen zur Genüge, daß die aargauische Oberbehörde den Bäckern ein bestimmtes Gewicht vorschreiben will, seien es nun Va, l, l*/2 und 2 Kilo-Laibe. ,,Es sind denn auch", wie unser Aarauer Gewährsmann schreibt, ,,unsere Gemeinderäthe und derea Polizeiorgane mit Wucht drauf los gestürzt, scheinbar fehlbare Bäckermeister zu erwischen, was zur Folge hatte, daß vielen unserer ehrbarsten Kollegen wegen geringfügigem Gewichtsmanko, sogar bei sehr stark ausgebackenen Laiben, eine Buße von Fr. 5 aufgesalzeo wurde. Es muß besondern Reiz haben, den im Schweiße seines Angesichtes arbeitenden Bürger ,,auf einem nicht mehr ungewöhnlichen Wegett um ein so schönes Fünffrankenstück zu erleichtern; da helfen alle noch so begründeten Entschuldigungen gar nichts ; zahlen muß er, denn -- der Fiskus braucht Geld .. ."·

VII.

Das schon erwähnte Stuttgarter Fachblatt enthält folgende kurze, aber inhaltsvolle Notiz betreffend Bayern : ,,... · Mit Rücksicht auf die hohen ßrodpreise wird jetzt überall in Bayern das Gewicht des Brodes einer genauen Kontrole unterzogen, w o b e i es an K o n f i s k a t i o n e n n i c h t f e h l t , obschon m a n weiß, d a ß e i n g e n a u e s A u s h a c k e n n a c h G e w i c h t t e c h n i s c h u n m ö g l i c h i s t.a

Die B e r l i n e r B ä c k e r z e i t u n g vom 24. Januar 1892 berichtet u. A. : ,,Eine von Herrn Dr. Sonne in der chemischen Prüfungsanstalt für Gewerbe in Darmstadt vorgenommene eingehende Untersuchung ü b e r d i e G e w i c h t s m i n d e r u n g e n d e s Brodes beim Lagern ergab bei einem 4 P f u n d - B r o d nach dem 1. Tage einen Gewichtsverlust von 26 Gramm, o 41 Y)

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VIII.

Es freut uns doppelt, an dieser Stelle zur nachdrücklichen Unterstützung des Begehrens unserer Kollegen in den oben erwähnten und andern Kantonen um einheitliche Regelung vorwürfiger Frage betonen zu dürfen, daß im Kanton N e u e n b u r g die Handels- und Gewerbefreiheit gemäß Art. 31 der Bundesverfassung auch für die Bäcker ganz und voll zur Geltung kommt, indem hier schon seit Jahren alles Brod den Käufern vorgewogen wird; Produzent und Konsument befinden sich hiebei ganz wohl. Bei uns finden darum auch keine Nachwägungen statt; der Kunde erhält für sein Geld das verlangte Gewicht, und polizeiliche Vexationen, wie sie an der Taxesordnung sind in Kantonen, wo der Brodverschleiß nach der alten Methode (Gewichtssatz der Laibe) stattfindet, kennt unser Gewerbe hier nicht. Im Hinblick auf die Devise : Alle für Einen, Einer für Alle" halten wir es darum für unsere Pflicht und Schuldigkeit, den übrigen Kollegen zu der uns als zweckmäßig erprobten Abgabeart für Backwaaren auf ebenso legalem als loyalem Wege zu verhelfen.

IX.

Es liegt uns ferne, Ihnen die Form des Erlasses gewünschter Bestimmungen vorzuschreiben. Es genügt uns, Sie durch obige Mittheilungen -- wir hoffen hinlänglich! -- von der dringenden Notwendigkeit desselben überzeugt zu haben. Sie werden unserem Verlangen nach Beseitigung der A u s n a h m e s t e l l u n g u n s e r e s Handwerks hinsichtlich des Verkaufs seiner P r o d u k t e eher entsprechen, wenn Sie sich vergegenwärtigen, daß die Unterzeichneten sprechen Namens eines wohlgefügten, gutorganisirten Bundes, der in 19 Kantonen, worunter die an Einwohnerzahl, politisch, industriell und wirthschaftlich bedeutendsten, Zweigvereine besitzt; daß über 1400 Bäckermeister (weitaus die Mehrzahl unseres Landes) in treuer Liebe zum V e r b ä n d e halten, dessen Organ als Sprechsaal jedem derselben offen steht, täglich

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neue Leser gewinnt und dem Centralverein immer mehr frischeKräfte in Orts- und Bezirkavereinen zuführt.

Bei allem unserem Thun leiten uns weder Einseitigkeit noch Selbstsucht; wir fassen bei allen unseren Schritten auch das Wohl in's Auge des konsumirenden Publikums, von dem wir ja doch auch abhängen, und das wir durch den von Ihnen erbetenen gesetzgeberischen Akt vor jeder, auch nur scheinbaren, Benachtheiligung schützen wollen.

Eine Genossenschaft von Handwerksmeistern, wie unser Verband sie darstellt, darf umsomehr berücksichtigt werden, als sie wohl die zahlreichste der bei uns bestehenden Fachvereinigungen bildet und dem Großlheile der schweizerischen Bevölkerung das Hauptnahrungsmittel liefert. Wir werden auch in Zukunft, wie bisher, gewissenhaft unsere Rechte als würdige Landessöhne ausüben, ebenso willig aber auch allen Verpflichtungen gegenüber Eidgenossenschaft, Kanton unii Gemeinde nachkommen. Dagegen hoffen wir wohl nicht vergebens, Sie, Tit., werden uns durch Erfüllung des Eingangs erwähnten Gesuches mit thunlichster Beschleunigung den übrigen Gewerbetreibenden gleichstellen.

In dieser Hoffnnng bitten wir Sie, hochgeachtete Herren Präsidenten ! hochgeachtete National- und Ständeräthe ! entgegenzunehmen die Versicherung aufrichtiger Ergebenheit, womit zeichnen Namens des Centralkomite vom schweizerischen Bäcker- und Konditorenverbande, Der Präsident: (sig.) J. J. WUscher.

Der Vizepräsident: (sig.) G. Nuding.

Der Sekretär:

Der Kassier:

(aig.) G. Richli.

(sig.) P. Kollros.

Tit.

Wir glauben Ihrem Wunsche gemäß zu handeln, wenn wir sofort, ohne eine Einladung hiezu abzuwarten, unsere Anschauungsweise über die vorliegende Petition Ihnen rnittheilen.

Das Bundesgesetz über Maß und Gewicht vom 3. Juli 1875 erklärt in Art. 21 den Erlaß von speziellen Verordnungen über den Verkauf von Lebensmitteln, Brennmaterialien etc. als Sache der Kantone.

834 Demnach könnte ein Bundesgesetz über den Verkauf des Brodes nach dem Gewicht nur in Aufhebung dieser bereits bestehenden bundesgesetzlichen Bestimmung erlassen werden.

Wir halten es für überflüssig, hier die Frage zu erörtern, ob dem Bunde auf Grund des Art. 40 der Bundesverfassung die Kompetenz zum Erlaß eines Gesetzes im Sinne der Petenten zustehe.

Denn es gibt einen viel einfachem und viel rascher zum Ziele führenden Weg, wenn Sie die Petition des Bäcker- und Konditorenverbandes in Betracht ziehen und erheblich erklären wollen. Sie haben bloß auf Ihren Beschluß vom 9. April 1883 zurückzukommen, «durch den Sie in Aufhebung zweier Bundesrathsbeschlüsse vom 27. Januar 1882 einen sachhezüglichen Rekurs der Regierung von Bern guthießen und damit den Anspruch Berns billigten, durch kantonale Verordnung ein bestimmtes Brodgewicht als obligatorisch au erklaren.

Wie wir Ihnen im Eingänge eines umfassenden Berichtes vom 9. März 1883 (Bundesbl. 1883, I, 359) betreffend die kantonalen Bestimmungen über Maß und Gewicht beim Verkauf der Lebensmittel, insbesondere des Brodes, darlegten, hat der Bundesrath gleich nach dem Inkrafttreten der Bundesverfassung von 1874 Beschwerden gegen den Fortbestand oder die Einführung; der Vorschrift eines bestimmten Verkaufsgewichtes für Brod als begründet erklärt, weil eine solche Vorschrift mit Art. 31 der Bundesverfassung unvereinbar sei. So gegenüber Schwyz, Uri und -- durch die obenerwähnten Beschlüsse vom 27. Januar 1882 (Bundesbl.

1882, III, 703 ff.) -- gegenüber Bern.

Die Regierung des Kantons Bern ergriff gegen unsere Beschlüsse den Rekurs an die Bundesversammlung, und diese hat, wie schon gesagt, am 9. April 1883 den Rekurs gutgeheißen.

In beiden eidgenössischen Käthen beantragten die Kommissionen einstimmig diese Gutheißung, und die Räthe stimmten dem Antrage ihrer Kommissionen ohne Diskussion bei.

Zu Ihrer Orientirung lassen wir hiernach die sachbezügliche Berichterstattung der Kommission des Nationalrathes nach dem substantiellen Protokoll dieses Rathes vorn 2. April 1883 in extenso folgen.

Auszug aus dein Protokoll der Sitzung des schweizerischen Nationalrathes vom 2. April 1883.

Zur Verhandlung gelaugt Nr. 25 R e k u r s d e r R e g i e r u n g des K a n t o n s B e r n gegen zwei bundesräthliche Entscheide

855 vom 27. Januar 1882 betreffend die V o r s c h r i f t , daß das B r o d n u r i n b e s t i m m t e n G e w i c h t s e i n h e i t e n abg e w o g e n , r es p. v e r k a u f t w e r d e n d ü r f e .

Die bernische Regierung erließ nämlich den 20. Dezember 1876 eine Verordnung über die Maße und Gewichte bei Verkauf der wichtigsten Lebensmittel und Brennmaterialien, welche n. A. folgende Bestimmung enthält : ,,Alles Brod, welches auf den Verkauf gebacken wird, soll in Laiben von 500 Grammen oder ein, zwei oder mehr ganzen Kilogrammen abgewogen und verbacken werden, so zwar, daß das verbackene Brod auch nach 24 Stunden, nachdem es gebacken worden, das bestimmte Gewicht hat."

Gegen diese Bestimmung erhoben sich der B a c k e r ve r ein in B e r n u n d die Bäcker J. Iseli und J. H e r t i g in dort, sowie Bäcker F r i e d r i c h S c h m u t z in U r s e n b a c h , mit der Behauptung, sie verstoße gegen die in Art. 31 der Bundesverfassung garantirle Handels- und Gewerbefreiheit, und der Bundesrath erklärte die bezüglichen Beschwerden in der That für begründet.

Hinwieder legte die Regierung von Bern gegen diese bundesräthlichen Entscheide Rekurs ein, der auch von anderer Seite unterstützt wird.

Nachdem der Bundesrath eine Zusammenstellung der zur Zeit in Kraft bestehenden kantonalen Vorschriften angeordnet und im Uebrigen seine Entscheide mit dem Hinweis auf eine konstante, durch die Bundesversammlung stillschweigend gebilligte Praxis in dieser Materie gerechtfertigt hat, liegen nun folgende Imprimate vor : 1) Bundesrathsbeschluß vom 27. Januar 1882 betreffend den Rekurs des Bäckervereins Bern, 2) Bundesrathsbeschluss vom 27. Januar 1882 betreffend Rekurs F. Schmutz, 3) Bericht über die vorgenannte Zusammenstellung vom 9. März 1883.

Die Kommission beantragt durch das Organ ihrer B e r i c h t e r s t a t t e r , S t r ä u b u n d M a r m i e r , u n d z w a r einstimmig, den Rekurs gutzuheißen.

Eine Prüfung der historischen Entwicklung der Idee der Handels- und Gewerbefreiheit in der eidgenössischen Gesetzgebung leiste den Beweis, daß die 1874er Verfassung gegenüber derjenigen von 1848 auf der einen Seite eine Erweiterung, auf der andern eine Einschränkung des Prinzips enthalte. Eine Erweiterung inso-

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fern, als das Prinzip nicht nur im Verkehr von Kanton zu Kanton, sondern ganz absolut und überall zur Anwendung kommen solle, womit dann auch konsequenter Weise der in Art. 41, Ziff. 4, der 1848er Verfassung zu Gunsten der Niedergelassenen gemachte Vorbehalt als überflüssig hinweggefallen sei. Eine Einschränkung insofern, als nicht nur polizeiliche Verfügungen betreffend Handel und Gewerbe, sondern derartige Verfügungen überhaupt vorbehalten, resp. in die Kompetenz der Kantone gelegt worden seien.

Der Willkür der kantonalen Behörden sei allerdings durch das letzte Alinea des Art. 31 der Bundesverfassung eine Schranke gezogen. Dieses schreibe nämlich vor, daß jene Verfügungen den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst nicht beeinträchtigen dürfen.

Allein eine derartige Beeinträchtigung liege überall da nicht vor, wo jene Verfügungen sich darauf beschränken, lediglich dio Art und Weise der Ausübung eines bestimmten Gewerbes näher zu präzisiren, und zugleich sich davor hüten, odiöse Privilegien zu schaffen.

Von beiden Gesichtspunkten aus erscheine die angegriffene Bestimmung der bernischen Regierungsverordnung als unanfechtbar und lasse sich keineswegs mit einer Verfügung zusammenstellen, welche beispielsweise den Preis des Brodes zu fixiren unternähme.

Jeder Zweifel müsse übrigens schwinden, wenn man das Bundesgesetz über Maß und Gewicht vom 3. Juli 1875 selbst in's Auge fasse.

0 Wenn die gesetzgebenden Käthe der Eidgenossenschaft es mit Art. 3l der Bundesverfassung nicht unvereinbar gefunden haben, vorzuschreiben, daß gewisse Getränke nur in bestimmten Hohlmaßen ausgeschenkt werdeu dürfen, so könne es ebenso wenig gegen Sinn und Geist desselben streiten, wenn die bernisc-hen Behörden anordnen, daß das Brod nur in bestimmten Gewichtseinheiten vorgewogen, resp. verkauft werden dürfe.

Der Erlaß derartiger Bestimmungen resp. spezieller Verordnungen über den Verkauf der Lebensrnittel, Brennmaterialien etc.

sei übrigens in Art. 21 des citirten Gesetzes ausdrücklich in die Kompetenz der Kantonsregierungen gelegt. Die angefochtenen bundesräthlichen Entscheidungen seien daher unhaltbar.

Nur in einem Punkt, scheine die Verordnung der heroischen Regierung etwas zu weit zu gehen, in der Bestimmung nämlich, daß das verbackene Brod das bestimmte Gewicht auch nach 24 Stunden noch haben solle. So genau könne allerdings der Bäcker nicht arbeiten, daß nicht eine gewisse Fehlergrenze als ein Gebot

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der Billigkeit zu admittiren sei. Es werde daher den bernischen Behörden der Wunsch nahe gelegt, daß sie in dieser Richtung sich nicht allzu sehr an den Buchstaben klammern möchten.

Da Niemand m e h r das Wort ergreift, w i r d der R e k u r s , in Aufhebung der angefochtenen bundesräthlichen Entscheide, g u t g e h e i ß e n .

Tit.

Der Bundesrath stellt es Ihnen anheim, zu erwägen, ob Sie angesichts der Petition des schweizerischen Bäcker- und Kooditorenverbandes vorn 1. Februar 1892 von Ihrer im April 1883 kundgegebenen Anschauung zurückkommen und sich nunmehr zu der Auffassung bekennen wollen, welche wir von 1874 bis 1883, d. h.

bis zu Ihrem gegenteiligen Beschlüsse, festgehalten haben und die dahin geht, daß der Grundsatz der Handels- und Gewerbefreibeit ein Verbot, das Brod in beliebigem, vom Käufer bestimmten Gewicht zu verkaufen, nicht zulasse.

Falls Sie dem Begehren der Petitionäre grundsätzlich beistimmen und ihm Folge geben wollen, so können Sie dies auf kürzestem Wege dadurch thun, daß Sie den Bundesrath einladen, künftighin Beschwerden gegen kantonale Verordnungen, die ein bestimmtes Brodverkaufsgewicht vorschreiben, als begründet zu erklären.

Offenbar wären damit die Petenten durchaus zufriedengestellt.

Sagen sie doch ausdrücklich, daß es ihnen ferne liege, der Bundesversammlung die Form des Erlasses der von ihnen gewünschten Bestimmungen vorzuschreiben.

Es könnte also füglich die Petition durch einen in diesem Sinne gefaßten Beschluß als erledigt betrachtet werden.

Genehmigen Sie, Tit., bei diesem Anlasse die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 1. März 1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Hanser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Petition des Centralvorstandes des schweizerischen Bäcker- und Konditorenverbandes um Erlaß eines Bundesgesetzes über den Brodverkauf. (Vom 1. März 1892.)

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