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Schweizerisches Bundesblatt.

52. Jahrgang. III.

Nr. 32.

8. August 1900.

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Schreiben des

Bundesrates an die Kommission des Nationalrates für das Tarifgesetz der schweizerischen Bundesbahnen.

(Vom 31. Juli 1900.)

Tit.

In der Botschaft des Bundesrates vom 17. November 1899 zum Tarifgesetz der Bundesbahnen ist darauf aufmerksam gemacht worden, daß im direkten Verkehre mit ausländischen Bahnen sich Anstände ergeben können, wenn für die Einführung von Taxerhöhungen oder für die Aufhebung von Tarifen in der Schweiz eine längere Publikationsfrist vorgeschrieben sei als im Ausland.

Es wurde daher in Art. 3, Absatz 3, des Entwurfes eine Kürzung der P u b l i k a t i o n s f r i s t mit Zustimmung des Bundesrates für den Fall zulässig erklärt, wenn die Taxerhöhung nur die Folge einer Änderung der ausländischen Taxanteile sei.

Von der schweizerischen Centralbahn wird uns mit Zuschrift vom 20. Juli 1900 mitgeteilt, daß sich im norddeutsch-schweizerischen Eisenbahnverband ein weiterer Anstand ergeben habe.

Die Vertreter der preußischen Staatsbahnen hätten die Erklärung abgegeben, sie und ihre Aufsichtsbehörde könnten für den Fall einer etwaigen Frachterhöhung auf ihrem Gebiete sich unmöglich an die in der Schweiz geltende minimale e i n j ä h r i g e Geltungsf r i s t für Gütertarife binden ; sie beriefen sich hierfür unter anderm auf Art. 14 der bestehenden Satzungen des norddeutsch-schweizerischen Eisenbahnverbandes, wo unter anderm bestimmt sei : Bundesblatt. 52. Jahrg. Bd. III.

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,,Zur Wiederaufhebung einzelner Tarife ist jede der dabei beteiligten Verwaltungen nach vorhergegangener dreimonatlicher Kündigung berechtigt."'- Sie hätten beigefügt, die schweizerische Aufsichtsbehörde könnte doch wohl im direkten Verkehr einer etwaigen Aufhebung von Frachtsätzen auch vor Ablauf eines Jahres · seit deren Einführung zustimmen, wenn die Erhöhung sich ausschließlich auf dio a u ß e r s c h w e i z e r i s c h e n Frachtanteile beziehe, indem ja da, wo direkte Frachtsätze nicht bestehen, eine auf deutschem Gebiet eintretende Frachterhöhung auch ohne weiteres in Wirksamkeit trete.

Seitens der schweizerischen Bahnen sei hierauf erwidert worden, die gesetzliche Bestimmung, wonach die Erhöhung eines ermäßigten Frachtsatzes nicht vor Ablauf eines Jahres nach der Einführung erfolgen könne, werde von der schweizerischen Aufsichtsbehörde auch auf den Verkehr mit dem Ausland angewendet. Demnach werde eine Erhöhung, beziehungsweise die Publikation einer Kündigung des alten Frachtsatzes vor Ablauf eines Jahres einfach nicht zugelassen ; infolgedessen behalte das Publikum den Anspruch auf den alten Frachtsatz und könne denselben gegenüber den schweizerischen Verwaltungen geltend machon. So seien diese letztem in einer Zwangslage, und wenn die preußischen Verwaltungen dieser Situation unter Hinweisung auf das in den Satzungen stipulierte dreimonatliche Kündigungsrecht nicht mehr, wie bisher geschehen, Rechnung tragen würden, bliebe den schweizerischen Verwaltungen nur die gänzliche Kündigung der Verbandssatzungen und eventuell der Rücktritt vom direkten Verkehr übrig.

Hierauf sei von den deutschen Bahnen der Wunsch ausgesprochen worden, die schweizerischen Verwaltungen möchten ihre Aufsichtsbehörde auf die bestehenden Schwierigkeiten aufmerksam machen und eine Änderung im Sinne der Gestaltung kürzerer Fristen im internationalen Verkehr anregen. Eine Modifikation der oben citierten Bestimmung von Art. 14 der ,,Satzungen" im Sinne eines Vorbehaltes gesetzlicher Vorschriften sei abgelehnt worden ; eine Kündigung einzelner Bestimmungen der ,,Satzungen" sei nicht zulässig.

Die Centralbahn konstatiert nun, daß nach diesen Verhandlungen der Stein des Anstoßes weniger in der dreimonatlichen Publikationsfrist für Aufhebung von Tarifen und für Taxerhöhungen besteht, als in dem Satze, wonach Gütertarife
m i n d e s t e n s e i n J a h r in Kraft bleiben müssen.

Nach dein bei den eidgenössischen Räten in Behandlung liegenden Entwurf eines Tarifgesetzes für die Bundesbahnen bestehe

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nun die Absicht, für internationale Tarife die erwähnte d r e i m o n a t l i c h e Frist zu verkürzen, wenn die beabsichtigte Erhöhung nur eine Folge der Änderung der ausländischen Taxanteile ist.

Konsequenterweise sollte eine analoge Ausnahme auch für die minimale G e l t u n g s f r i s t von e i n e m J a h r , innerhalb welcher doch nur selten eine Kündigung erfolgen werde, bewilligt werden.

Es läßt sich nicht bestreiten, daß sich für den direkten Verkehr zwischen zwei Staaten überall da unangenehme Anstände ergeben, wo eine Frage durch die Gesetzgebung der verschiedenen Länder verschieden gelöst ist. In dein vorliegenden Falle legt die schweizerische Gesetzgebung das Hauptgewicht auf die Stabilität der Tarife ; bestehende Erleichterungen sollen mindestens ein Jahr unverändert bleiben. Die deutschen Vorschriften halten die Beweglichkeit der Tariferstellung für wichtiger; dieselbe soll sich den Anforderungen des Verkehrs rasch anpassen können. Für beide Gesichtspunkte sprechen gute Gründe, und es kann sich nur darum handeln, eine billige Ausgleichung zu suchen.

Es ist nun zuzugeben, daß es etwas Stoßendes hat, wenn auf deutschem Gebiete Tarifänderungen entgegen den dort anerkannten Grundsätzen während eines ganzen Jahres nicht sollen vorgenommen werden können, weil für das schweizerische Gebiet abweichende Vorschriften bestehen. Thatsächlich wird ein Hinübergreifen einheimischer Regeln auf fremdes Gebiet beansprucht.

Der Fall ist nun allerdings denkbar, daß die ausländischen Bahnen es ablehnen könnten, zur Erstellung direkter Tarife weiter Hand zu bieten, ein Vorgehen, welches für den Verkehr Schädigungen zur Folge haben müßte. Unter diesen Umständen dürfte es sich empfehlen, den Bundesrat zu ermächtigen, nötigenfalls eine Kürzung der Geltungsdauer der Tarife eintreten zu lassen.

Wir gestatten uns daher, Ihnen zu Art. 3 des Tarifgesetzentwurfes folgende Änderungen vorzuschlagen : I. Art. 3, A b s a t z 3. Streichung des letzten Satzes, welcher lautet: ,,Für internationale Tarife, die erhöht werden sollen, kann diese Frist, wenn die Erhöhung nur die Folge einer Änderung der ausländischen Taxanteile ist, auf die für die betreffenden ausländischen Bahnen geltenden Fristen herabgesetzt werden.tl II. A r t . 3, n e u e r A b s a t z 7: ,,Ebenso können bei internationalen Tarifen, wenn deren
Erhöhung oder Aufhebung nur die Folge einer Änderung der ausländischen Taxanteile ist, die in den Absätzen 3 bis und mit 5 dieses Artikels festgesetzten Fristen mit

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Bewilligung des Bundesrates auf die für die betreffenden ausländischen Bahnen geltenden Fristen herabgesetzt werden."

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 31. Juli Î900.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Schreiben des Bundesrates an die Kommission des Nationalrates für das Tarifgesetz der schweizerischen Bundesbahnen. (Vom 31. Juli 1900.)

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