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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend die Gewährleistung des Verfassungsgesetzes des Kantons Tessin vom 2. Juli 1892.

(Vom 18. November 1892.)

Tit.

Durch Dekret vom 2. Juli 1892 hat der Verfassungsrath des Kantons Tessin ein neues Verfassungsgesetz beschlossen. Am 2. Oktober d. J. fand die Volksabstimmung über dasselbe statt.

Laut dem öffentlich bekannt gemachten Abstimmungsresultat wurde das Gesetz mit 11,115 gegen 2746 Stimmen angenommen.

Der Staatsrath des Kantons Tessin ersucht mit Schreiben vom 26. Oktober um die eidgenössische Gewährleistung der neuen Verfassungsbestimmungen.

Er begleitet sein Schreiben mit folgenden Bemerkungen : ,,Verschiedene geltende Bestimmungen sind ihres Inhaltes wegen mit keinen oder nur sehr geringen Abänderungen in die neue Verfassung herübergenommen worden. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn man die Vorlage in der Weise vervollständigt hätte, daß alle Bestimmungen, die im Kanton Tessin Geltung haben sollen, in einen einzigen, vollständigen Text vereinigt worden wären.

Der Verfassungsrath war jedoch zu einer Partialre.vision in Bezug auf bestimmte Punkte berufen; er glaubte deßhalb kein weitergehendes Mandat zu haben. Indessen wird wohl die Verwirklichung des oben ausgesprochenen Gedankens nicht lange auf sich warten lassen. Es scheint, daß die politischen Parteien bald vom Initiativrechte Gebrauch machen werden, welches Recht gestatten wird,

332 diesen oder jenen Grundsatz, der jetzt noch nicht Aufnahme fand, in das konstitutionelle Recht des Kantons einzuführen.

,,Es steht uns kein Urtheil über das Werk unseres Verfassungsrathes zu; wir glauben jedoch, daß keine Bestimmung der neuen Verfassung gegen das Bundesrecht verstößt, und sind daher überzeugt, daß der Bundesrath dieses Verfassungswerk den eidgenössischen Käthen in ihrer nächsten Wintersession mit einer Botschaft in empfehlendem Sinne vorlegen wird.

,,Nach der Meinung des Verfassungsrathes ist die neue Verfassung gemäß Art. 2 ihrer Uebergangsbestimmungen mit der Annahme durch das Volk in Kraft getreten. Deßhalb hat der Verfassungsrath von der ihm durch das Volk an Stelle des Großen Käthes eingeräumten gesetzgeberischen Gewalt Gebrauch gemacht und sich schon am 17. d. Mts. wieder versammelt, um zur Ausarbeitung der Ausführungsgesetze zu schreiten, was um so dringender war, als die Gesetze betreffend die Erneuerung der verfassungsmäßigen Behörden spätestens im Laufe dieses Jahres erlassen sein müssen."

Im Weitern hat der tessinische Staatsrath in seiner Eingabe an den Bundesrath den Inhalt des Verfassungsrevisionswerkes in einläßlicher Darstellung angegeben.

Wir theilen Ihnen nachstehend diese verdankeoswerthe, anderen Kantonsregierungen zur Nachahmung bei gegebenem Anlasse zu empfehlende Darstellung mit.

Tessinische Verfassungsrevision vom 2. Juli 1892.

Art. 1.

Dieser Artikel stellt die Unterscheidung und Trennung der drei Gewalten fest : g e s e t z g e b e n d e , v o l l z i e h e n d e und r i c h t e r l i e h e Gewalt. Er ersetzt den Art. 2 der Verfassung vom 23. Juni

1830.

A. Gesetzgebende Gewalt.

Art. 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12 und 13.

I. Das Recht zur Gesetzgebung steht einzig dem Großen Rathe zu. Die Initiative kann jedoch ausgehen (Art. 10) : a. vom Staatsrath; b. von irgend einem Mitglied des Großen Käthes; c. vom Volke. Bis jet'/.t war sie dem Staatsrathe (Art. 23, § 2, der Verfassung vom 23. Juni 1830) und dem Großen Rathe (Art. 2, Verfassung vom 1./4. März 1855J vorbehalten.

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II. Der Große Rath wird in der Weise gewählt, daß auf je 1200 Seelen niedergelassener tessinischer und schweizerischer Bevölkerung ein Abgeordneter entfällt. Bin Ueberschuß von mindestens 600 Seelen wird 1200 Seelen gleich gerechnet (Art. 2). Es ist dies die Bestimmung des einzigen Artikels der Reform vom 8. Januar 1880. Neu dagegen ist die den tessinisehen Bürgern, welche in eidgenössischem oder kantonalem öffentlichem Dienst im Auslande wohnen, eingeräumte Vergünstigung der Exterritorialität ; diese Bürger werden als im Kanton niedergelassen betrachtet.

III. Es sollen nicht mehr als zwölf Wahlkreise bestehen, die vom Gesetze in der Weise festzusetzen sind, daß jeder eine un- ' gerade Anzahl von Abgeordneten erhält und diese Zahl mindestens fünf beträgt. Diese und die anderen Bestimmungen betreffend die Art der Quotientenberechnung (Hondt'sches oder belgisches System) und die Nichtberücksichtigung einer Gruppe, die den Wahlquotienten nicht erreicht hat, stellen sich als Neuerungen gegenüber der Bestimmung in Art. l der Verfassungsreform vom 9. Februar 1891 dar und sind in der Absicht eingeführt worden, das bei der Wahl des Verfassungsrathes vom 6. März 1891 angewandte System der proportionalen Stimmgebung zu verbessern, indem dasselbe die Probe nicht in befriedigender Weise bestanden haben soll.

IV. Die Mitglieder des Großen Käthes bleiben vier Jahre im Amte und sind immer wiederwählbar. Die allgemeinen Wahlen finden alle vier Jahre am ersten Sonntag des März statt. Diese Bestimmungen sind aus frühern Verfassungen herübergenommen.

Die nächsten allgemeinen Wahlen werden im Jahr 1893 stattfinden.

V. Der Große Rath versammelt sich ordentlicherweise zweimal im Jahre: am dritten Montag des April und am ersten Montag (bis jetzt am dritten) des November. Die Artikel 4, 5, 6, 7 und 8 enthalten Bestimmungen über die Befugnisse und das Verfahren des Großen Käthes, die zum Theil mit den in den frühern Verfassungen (besonders derjenigen vom 23. Juni 1830, Art. 24 und 25) enthaltenen übereinstimmen. Dagegen sind die Befugnisse des Käthes wesentlich vermindert, insbesondere mit Bezug auf die, jetzt dem Volke übertragenen, Wahlen der Richter, des Staatsraths und der Ständeräthe.

VI. Der Artikel 10 führt als Neuerung das Initiativrecht des Großen Käthes und des Volkes in Gesetzgebungsangelegenheiten ein.
,,Unter Volksinitiative ist das Recht verstanden, dem Großen Käthe die Annahme, die Ausarbeitung, die Abänderung oder die Aufhebung eines Gesetzes oder Beschlusses zu beantragen. Das Begehren

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muß von mindestens fünftausend stimmberechtigten Bürgern unterzeichnet sein." Das Gesetz bestimmt die Art der Ausübung dieses Rechtes. Bis jetzt bestand das Recht der Volksinitiative blos in Verfassungsangelegenheiten (Art. 15 der Verfassungsrevision vom 20. November 1875).

Die Artikel 11, 12 und 13 enthalten noch Bestimmungen mit Beiug auf .die Ausarbeitung der Gesetze durch den Staatsrath oder den Großen Rath. Sie entsprechen den bis jetzt geltenden Verfassungs- oder Gesetzesbestimmungen.

Ständeräthe.

jM. 14.

Diese wurden bis jetzt jedes Jahr vom Großen Rallie in der Frühjahrssitzung gewählt (Art. 24, § 6, der Verfassung vom 23. Juni 1830). Von jetzt an werden die Ständeräthe vom Volke alle drei Jahre, am letzten Sonntag des Februar, in einem einzigen, aus dem ganzen Kauton gebildeten Wahlkreis gewählt.

D. Vollziehende Gewalt.

Art. 15.

Der Stiatsrath, der bis anhin vom Großen Rathe ernannt wurde ^VerfassungoL-evision vom 9. Februar 1881, Art. 5), wird von nun an vom Volke direkt nach dem proportionalen Wahlsystem in einem einzigen, aus dem ganzen Kanton gebildeten Wahlkreis gewählt.

Er steht 4 Jahre im Amt, und das Gesetz bestimmt den Zeivpunkt und das sonstige Verfahren für die Wahl. Eine Neuerung ist das Abberufungsrecht des Volkes; die Ausübung dieses Rechtes wird auf dem Wege der Gesetzgebung geordnet werden.

C. Richterliche Gewalt.

Art. 16--24 inkl.

Die hauptsächlichen Neuerungen sind : a, Herabsetzung der Amtsdauer der Friedensrichter von sechs auf vier Jahre. (Die Bezirksgerichte, das Appellationsgericht und die übrigen Gerichtsbehörden bleiben immer noch 6 Jahre im Amt.)

b. Die Bezirksgerichtspräsidenten werden direkt vom Volke gewählt, nach der Gesammtwahl der Gerichte. (Die Volkswahl der Gerichte erster Instanz wurde schon durch die Rffoiai vom 9. Februar 1891 [Art. 3] eingeführt)

335 c. Auch das Appellationsgericht wird vom Volke ernannt. Die Wahl geschieht in zwei Malen: in einem einzigen', aus dem ganzen Kanton gebildeten Wahlkreis wird zunächst nur der President gewählt ; am folgenden Sonntag werden die übrigen 6 Richter und die 6 Ersatzmänner in zwei Kreisen (Sopraund Sottoceneri) ernannt. Bisher wurde das Appellationsgericht vom Großen Rathe gewählt, der bei der Wahl der 5 Mitglieder und der 4 Ersatzmänner nur die persönlichen Eigenschaften der zu Wählenden zu berücksichtigen hatte (Verfassuogsievision vom 10. Februar 1883, Art. 1).

d. Die Adklagekammer besteht aus einem Präsidenten, der vom Volke nach den für die Wahl des Präsidenten des Appellationsgerichts geltenden Vorschriften gewählt wird, und aus zwei Mitgliedern, die der Große Rath aus den vom Volke gewählt' i Ersatzmännern des Appellationsgerichtes ernennt.

Bis jetzt wurde die Anklagekammer vom Großen Rathe ernannt (Verfassungsrevision vom 10. Februar 1883, Art. 1).

e. Das Appellationsgericht wählt seinen Gerichtsschreiber (der bis jetzt vom Großen Rathe ernannt wurde) ; die Bezirksgerichte wählen ihre Weibel.

f. Die Gesammtwahlen der Mitglieder der Gerichte erster Instanz (Bezirksgerichte) und des Appellationsgerichts und ihrer Ersatzmänner finden nach dem System der beschränkten Stimmgabe statt, die Ersatzwahlen nach demjenigen der absoluten Mehrheit.

D. Revision der

Verfassung.

Art. 25--30 inkl. und 32.

Nach Art. 15 der Verfassungsrevision vom 20. November 1875 konnte die Verfassung ganz oder theilweise infolge der Initiative des Großen Käthes und des Volkes, aber nicht des Staatsrathes revidirt werden.

Die neue Verfassung räumt das Initiativrecht ausdrücklich ein : für die Totalrevision der Verfassung: a. dem Staatsrath, b. der Mehrheit des Großen Käthes, c. dem Volke, wenn 7000 Unterschriften sie verlangen ; für die Partialrevision : a. dem Staatsrath, b. dem Volke, wenn mindestens 7000 Unterschriften (Art. 26 und 27) vorliegen.

Der Art. 28 bestimmt, worin das Recht der Volksinitiative für eine Partialrevision der Verfassung besteht und welche Stellung der Große Rath ihr gegenüber einzunehmen befugt ist. Der Große

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Rath kann dem von den Iniüanten vorgeschlagenen Entwurfe beistimmen oder ihm einen andern über den gleichen Gegenstand entgegenstellen; beide müssen dann gleichzeitig der Volksabstimmung unterstellt werden. Wenn das Volksbegehren nur in der Form eines allgemein gehaltenen Antrags gestellt ist, so ist der Große Rath verpflichtet, einen Revisionsentwurf im Sinne des Begehrens auszuarbeiten.

Art. 30 bestimmt, daß eine Verfassungsrevision von der absoluten Mehrheit derjenigen Bürger, die an der Abstimmung theilnehmen, angenommen sein muß, ohne Berücksichtigung der leeren Stimmzettel. Man hat damit Beschlüssen wie dem des Bundesrathes Über den Rekurs gegen die tessinische Volksabstimmung vom 5. Oktober 1890 zuvorkommen wollen, in welchem der § 2 des Art. 15 der Verfassungsrevision vom 20. November 1875 anders ausgelegt worden war.

Durch die Vorgänge des Jahres 1890 belehrt, hat man zur Beseitigung jedes Zweifels in Art. 32, Absatz 2, festgesetzt, die Volksabstimmung müsse binnen 40 Tagen, von der Eingabe des Volksbegehrens an gerechnet, stattfinden, wenn diese Eingabe in den Monaten September, Oktober, November, Dezember und Januar erfolgt; in den andern Fällen am ersten Sonntag im November.

Eine Volksabstimmung darf nur in der Zeit vom ersten Sonntag des November bis zum ersten Sonntag des März (inklusive) stattfinden.

E. Gesetzes- und

Finanzreferendum.

Art. 31.

Eine Neuerung gegenüber dem Art. 7 der Verfassungsrevision vom 10. Februar 1883 liegt darin, daß auf das Begehren von 5000 Bürgern eine Referendumsabstimmung über Gesetze und Beschlüsse stattfinden muß, die eine Ausgabe von mehr als Fr. 200,000 zur Folge haben.

F. Politische Rechte der Tessiner.

Art. 33.

Die Tessiner und die Schweizerbürger üben in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten ihre politischen Rechte in der Gemeinde aus, wo sie seit drei Monaten niedergelassen sind. Die im Ausland niedergelassenen Tessiner, welche wieder im Kantone Wohnsitz nehmen, üben die politischen Rechte in der Gemeinde aus, wo sie seit 20 Tagen ihren wirklichen Wohnsitz haben.

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Der zweite Absatz des Artikels ist durchaus neu im Vergleich zu den frühern Verfassungen. Die Rechtsprechung war schwankend ; die Materie war durch Gesetz vom 5. Dezember 1890, das auf einem Kompromiß beruht, geregelt worden, wobei jedoch für die Tessiner, welche vom Auslande heimkehren, um ihre politischen Rechte in ihrer letzten Wohnsitzgemeinde im Kanton auszuüben, ein Aufenthalt zu Hause von einem Monat vorgeschrieben war.

Tit.

Im Anhange finden Sie die Uebersetzung des Wortlautes der neuen Verfassungsbestimmungen. Nach dem Umfange und der Bedeutung derselben liegt eine Totalrevision vor-. Es erscheint insbesondere als angezeigt, die neuen Bestimmungen auf ihre Uebereinstimmung mit den Vorschriften des Art. 6, litt, b und c, der Bundesverfassuug zu prüfen. Denn der Kanton Tessin hat in diesem Verfassungswerke die Ausübung der politischen Rechte auf neue Grundlagen gestellt und auch für die Möglichkeit der Abänderung der kantonalen Verfassung neues Recht geschaffen. Er ist ohne Rückhalt in die Reihen der demokratisch organisirten Kantone getreten.

Unsere Prüfung ergibt, daß die neue Tessiner Verfassung nichts dem Bundesrechte Zuwiderlaufendes enthält.

Demgemäß beantragen wir Ihnen, derselben die nachgesuchte Bundesgarantie nach dem in Beilage folgenden Beschlussesentwurfe zu ertheilen.

Genehmigen Sie, Tit., auch bei diesem Anlasse die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 18. November

1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Hanser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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.Anliang.

"Verfassvmgsg'esetz vorn. 2. Juli 1893.

Der Verfassungsratii des Kantons Tessin beschließt: Art. 1. Die Souveränetät des Kantons beruht ihrem Wesen nach in der Gesammtheit der Bürger. Sie wird vom Volke entweder direkt in der durch die Verfassung angegebenen Weise oder durch die, unter sich verschiedenen und getrennten, drei Gewalten, die gesetzgebende, die vollziehende und die richterliche Gewalt,' ausgeübt.

Art. 2. Die gesetzgebende Gewalt wird von einem direkt vom Volke gewählten Großen Rathe ausgeübt. Auf je eintausend zweihundert Seelen der niedergelassenen tessinischen und schweizerischen Bevölkerung wird ein Abgeordneter gewählt.

Ein Bruchtheil, der nicht weniger als die Hälfte beträgt, wird als ein Ganzes berechnet.

Von der "Berechnung der Bevölkerung sind, abgesehen von den Ausländern, diejenigen Tessiner ausgeschlossen, welche ihren hauptsächlichen und dauernden Wohnsitz außerhalb des Kantons haben.

Zu dieser Kategorie gehören die Tessiner nicht, die in öffentlicher, eidgenössischer oder kantonaler, Dienststellung im Auslande wohnen.

Art. 3. Die Ernennung der Abgeordneten in den Großen Rath und in den Verfassungsrath findet nach dem proportionalen Wahlsystem statt, wobei es dem Wähler freisteht, für Kandidaten verschiedener Gruppen zu stimmen. Der Wahlquotient entsteht, wenn man die Gesammtsumme der von den verschiedenen Gruppen in dem betreffenden Kreise erhaltenen Stimmen durch die um eins vermehrte Zahl der zu wählenden Abgeordneten theilt.

Die Gruppen, welche diesen Quotienten nicht erreicht haben, fallen bei der Zutheilung außer Betracht.

339 Das Gesetz bestimmt das nähere Verfahren für die Handhabung des proportionalen Wahlsystems und umschreibt die Wahlkreise; letztere dürfen die Zahl 12 nicht übersteigen. Die Zahl der in einem Kreise zu wählenden Abgeordneten muß eine ungerade sein und^mindestens fünf betragen.

Die Mitglieder des Großen Käthes stehen vier Jahre im Amt und sind immer wieder wählbar.

Die Wahlen in den Großen Rath finden alle vier Jahre je am ersten Sonntag im März statt.

§. Ersatzwahlen für nicht mehr als zwei Abgeordnete erfolgen nach dem System der absoluten Mehrheit.

Art. 4. Der Große Rath hält jedes Jahr zwei ordentliche Tagungen, von denen die erste am dritten Montag im April und die zweite am erslen Montag im November eröffnet wird.

Außerdem versammelt er sich in außerordentlicher Tagung, wenn er einberufen wird : a. vom Staatsrath; b. vom Präsidenten des Großen Käthes, auf ein schriftliches Gesuch von wenigstens dreißig Mitgliedern dieser Behörde hin. In diesem Gesuche muß der Berathungsgegenstand angegeben sein.

§. Die Tagungen dürfen nicht ohne die Zustimmung des Staatsrathes geschlossen werden, wenn nicht der Große ßath alle ihm vorgelegten Gegenstände berathen hat.

Ar!,. 5. Der Große Rath wählt für jede Tagung seinen Präsidenten, der für die nächstfolgende nicht wiederwählbar ist.

Art. 6. Der Große Rath hat folgende Befugnisse: 1. Er prüft die Wahlakten seiner Mitglieder.

2. Er nimmt an, ändert ab oder verwirft die Vorschläge für Gesetze oder Beschlüsse, die ihm in der für die Ausübung des Initiativrechts festgestellten Form vorgelegt werden.

3. Er bestimmt die Steuern und bewilligt die Ausgaben und Anleihen zu Lasten des Staates, mit Ausnahme derjenigen, die durch die Einnahmen des laufenden Geschäftsjahres gedeckt werden müssen.

4. Er stellt auf den Vorschlag des Staatsrathes das Budget der Einnahmen und Ausgaben des Staates fest.

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5. Er prüft alljährlich die Verwaltung und Rechnungsführung des Staates auf Grund eines vom Staatsrath zu erstattenden Berichtes und verhandelt über deren Genehmigung.

6. Er bewilligt oder genehmigt die Veräußerung von Staatsgut.

7. Er setzt die Besoldungen der öffentlichen Beamten und Angestellten fest, insofern nicht das Gesetz deren Bestimmung dem Staatsrathe zuweist.

8. Er bewilligt und genehmigt die Verträge über den Salzankauf.

9. Er trifft die ihm laut Verfassung oder Gesetz zustehenden Wahlen.

10. Er nimmt die Berichterstattung des Staatsrathes über die Ausführung der Gesetze, Beschlüsse und Verordnungen entgegen.

11. Er übt das Recht der Amnestie und der Begnadigung aus.

12. Er beschließt über die Aufnahme in's Kantonsbürgerrecht.

13. Er übt alle Souveränitätsbefugnisse aus, die nicht in der Verfassung ausdrücklich einer andern Behörde vorbehalten sind.

Art. 7. Der Große Rath kann nicht berathen, wenn nicht die absolute Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist.

Art. 8. Die Sitzungen des .Großen Käthes sind öflentlich, außer in den Fällen, wo mit zwei Dritteln der Stimmen anders verfügt wird.

Art. 9. Der Große Rath stellt ein Geschäftsreglement für seine Verhandlungen und Berathungen auf.

Art. 10. Das Recht der Initiative in Gesetzgebungssachen kommt zu : 1. dem Staatsrath; 2. jedem Mitglied des Großen Käthes; 3. dem Volke.

§ 1. Die Mitglieder des Großen Rathes üben das Recht der Initiative aus: a. indem sie den Entwurf zu einem Gesetze oder einem Beschlüsse einbringen ; l), indem sie den Autrag stellen, der Staatsrath oder der Große Rath sei einzuladen, durch eine Gesetzgebungskommission oder eine nicht aus seiner Mitte gewählte Spezialkommission einen Gesetzesentwurf über einen bestimmten Gegenstand ausarbeiten zu lassen.

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§ 2. Unter Volksinitiative ist das Recht verstanden, dem Großen Rathe die Annahme, die Ausarbeitung, die Abänderung oder die Aufhebung eines Gesetzes oder eines Beschlusses zu beantragen.

Das Begehren muß von mindestens fünftausend stimmberechtigten Bürgern unterzeichnet sein.

Das Gesetz bestimmt das nähere Verfahren bei der Ausübung des Volksrechts der Initiative und dessen Tragweite im Verhältnisse zu den Befugnissen des Großen Käthes.

Art. 11. Dem Staatsrathe steht die Befugniß zu, einen aus seiner Initiative hervorgegangenen Entwurf eines Gesetzes oder eines Beschlusses vor der endgültigen Annahme zurückzuziehen.

Art. 12. Ebenso kann auch ein Abgeordneter, der vermöge seines Initiativrechts den Entwurf zu einem Gesetze oder einem Beschlüsse eingebracht hat, diesen vor seiner endgültigen Annahme zurückziehen. Es steht jedoch einem andern Abgeordneten frei, den von seinem Kollegen fallen gelassenen Antrag wieder aufzunehmen.

Art. 13. Jeder Entwurf eines Gesetzes oder eines Beschlusses muß vom Großen Rathe in zwei Lesungen, die in zwei verschiedenen Tagungen stattfinden, berathen und angenommen werden, außer wenn der Staatsrath erklärt, er nehme das Gesetz oder den Beschluß in der vom Großen Rathe in der ersten Lesung gutgeheißenen Form an.

Zwischen der ersten und zweiten Lesung wird der Entwurf dem Staatsrathe zur Begutachtung zurückgestellt.

Art. 14. Die Abgeordneten in den Ständerath werden direkt vom Volke gewählt.

Sie bleiben drei Jahre im Amte und sind stets wiederwählbar.

Die Wahl findet alle drei Jahre am letzten Sonntag des Monats Februar in einem einzigen Wahlkreise statt.

Art. 15. Die vollziehende Gewalt wird von einem aus fünf Mitgliedern bestehenden Staatsrath ausgeübt, der vom Volke direkt in einem aus dem ganzen Kanton bestehenden Wahlkreise gewählt wird. Die Wahl geschieht nach dem Proportionalsystem, wobei es dem Wähler frei steht, für Kandidaten verschiedener Gruppen zu stimmen. Die Mitglieder des Staatsraths stehen vier Jahre im Amt und sind immer wiederwählbar.

§ 1. Bei den Ersatzwahlen für nicht mehr als zwei Staatsrathe entscheidet die absolute Mehrheit.

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§ 2. Der Staatsrath erwählt aus seiner Mitte einen Präsidenten, einen Vicepräsidenten und den Staatsschreiber; ihre Amtsdauer beträgt ein Jahr.

Der Präsident ist nicht sofort wiederwählbar.

§ 3. Dem Volke wird das Recht der Abberufung des Staatsrath s eingeräumt.

Das Gesetz stellt die Ausübung dieses Rechtes fest.

Art. 16. Die richterliche Gewalt wird ausgeübt : a. Von den Friedensrichterämtern; b. von den Gerichten erster Instanz; b. vom Appellationsgericht.

Das Gesetz bestimmt die Befugnisse dieser Behörden.

Art. 17. Jedes Friedensrichteramt besteht aus einem Friedensrichter, einem Stellvertreter und einem Sekretär, der zugleich Beisitzer ist. Diese Beamten werden in den Gemeindeversammlungen des Kreises direkt vom Volke gewählt.

Die Mitglieder des Friedensrichteramtes werden auf vier Jahre ernannt und sind immer wiederwählbar.

Art. 18. In den Bezirken Bellenz-Riviera zusammengenommen und in einem jeden andern besteht ein aus drei Mitgliedern zusammengesetztes Gericht erster Instanz zur Beurtheilung von Civilund Kriminalsachen.

Die Mitglieder der Gerichte werden in den zu dem Bezirke gehörenden Gemeinden vom Volke direkt gewählt.

Jeder Gerichtsbezirk ernennt außerdem sechs Ersatzmänner.

Außer in dem im folgenden Paragraphen genannten Falle erhalten die Ersatzmänner keine Besoldung, sondern nur eine einfache Entschädigung für jeden Sitzungstag.

§ 1. Wo es nöthig ist, kann das Gesetz unter Zuhülfenahme der Ersatzmänner ein Gericht in zwei Abtheilungen theilen und diese mit je drei Mitgliedern bestellen, wobei die Befugnisse einer jeden Abtheilung genau abgegrenzt werden sollen.

§ 2. Das Gesetz bestimmt die Wählbarkeitserfordernisse und die Gründe für Amtsentsetzung oder Amtseinstellung.

Art. 19. Die Präsidenten der Gerichte erster Instanz werden in den Gemeinden der Gerichtskreise vom Volke direkt aus den Mitgliedern des Gerichts mit dem absoluten Mehr gewählt.

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Die Schreiber der Gerichte erster Instanz werden vom Großen Rathe gewählt.

Art. 20. Für den ganzen Kanton besteht ein Appellationsgericht, das in letzter Instanz urtheilt, insoweit nicht gegentheilige Bestimmungen der Bundesverfassung und darauf bezügliche Gesetze in Civil- und Strafsachen bestehen.

Das Gesetz kann dem Appellationsgerichte direkt die Entscheidung derjenigen Civilrechtsstreitigkeiten zuweisen, bei denen ein Weiterzug an^s Bundesgericht zulässig ist.

Es besteht eine aus einem Präsidenten und zwei Mitgliedern zusammengesetzten Anklagekammer. Diese letztern werden vom Großen Rathe aus den Ersatzmännern des Appellationsgerichtes gewählt.

Art. 21. Das Appellationsgericht besteht aus einem Präsidenten und aus sechs direkt vom Volke gewählten Mitgliedern.

Die Ernennung des Präsidenten geschieht in einem einzigen, aus dem ganzen Kanton gebildeten Wahlkreis und findet an dem Sonntage statt, der dem Wahlsonntag für die übrigen Mitglieder des Gerichts vorausgeht.

Für die Wahl der Appellationsrichter ist der Kanton in zwei Kreise getheilt, von denen der erste die Bezirke Mendrisio und Lugano, der zweite die anderen Bezirke umfaßt.

Jeder Kreis ernennt drei Richter und drei Ersatzmänner.

Die Ersatzmänner des Appellationsgerichts, welche nicht Mitglieder der Anklagekammer sind, erhalten keine Besoldung und beziehen nur ein Taggeld für jeden Sitzungstag.

Das Appellationsgericht ernennt seinen Schreiber selbst.

§. Die Wahl des Präsidenten der Anklagekammer findet nach dem für die Wahl des Präsidenten des Appellationsgerichts geltenden Verfahren statt.

Art. 22. Die allgemeinen Wahlen der Mitglieder der Gerichte erster Instanz und des Appellationsgerichts, sowie der Ersatzmänner, finden nach dem System der beschränkten Stimmgabe statt.

Das Gesetz bestimmt das dabei zu beobachtende Verfahren.

Bei den Ersatzwahlen gilt die absolute Mehrheit.

§. Jedes Gericht wählt seine Weibel.

Art. 23. Der Präsident und die Mitglieder des Appellationsgerichtes müssen das juristische Doktorexamen bestanden oder die Bewilligung zur Ausübung des Advokatenberufes erlangt haben.

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Das Gesetz bestimmt die Gründe für eine Amtseinstellung oder Amtsentsetzung.

Art. 24. Die Ausübung des Advokatenberufes ist unvereinbar mit der Ausübung gerichtlicher Amtsthätigkeit, abgesehen von derjenigen eines Ersatzmannes bei einem Gerichte erster Instanz oder beim Appellationsgericht.

Art. 25. Die Kantonsverfassung kann einer Total- oder einer Partialrevision unterzogen werden.

Art. 26. Die Totalrevision der Verfassung kann stattfinden : a. infolge Initiative des Staatsraths, in der durch die Verfassung für die kantonale Gesetzgebung bestimmten Form; b. infolge Initiative der Mehrheit der Großrathsmitglieder ; c. infolge eines von siebentausend stimmberechtigten Bürgern in der vorn Gesetze festgestellten Art und Zeitfrist eingereichten Initiativbegehrens.

In ,den unter b und c angeführten Fällen hat der Staatsrath dem Volke in erster Linie die Frage vorzulegen, ob es eine Revision der Verfassung wünsche oder nicht, und bejahendenfalls, ob der Entwurf vom Großen Rath oder von einem Verfassungsrath ausgearbeitet werden solle, welch1 letzterer gegebenenfalls nach dem gleichen Verfahren wie der Große Rath gewählt wird.

Art. 27. Die Partialrevision der Verfassung findet entweder infolge Initiative des Staatsrathes in der durch die kantonale Gesetzgebung bestimmten Form oder infolge eines vom Volke gestellten Initiativbegehrens statt.

Art. 28. Ein Initiativbegehrea des Volkes muß von wenigstens siebentausend stimmberechtigten Bürgern eingereicht werden und die Annahme oder Abänderung oder Aufhebuag bestimmter Artikel der Kantonsverfassung oder auch die Annahme gewisser Artikel und die Abänderung oder Aufhebung anderer zum Zwecke haben.

Wenn das Initiativbegehren die Annahme oder Abänderung oder Aufhebung mehrerer und auf verschiedene Gebiete bezüglicher Artikel bezweckt, so muß für jedes einzelne Gebiet ein besonderes Initiativbegehren eingereicht werden.

Das Initiativbegehren kann entweder in Form eines allgemein gehaltenen Antrags oder eines vollständig ausgearbeiteten Entwurfs gestellt werden.

Im erstem Falle ist der Große Rath verpflichtet, den Entwurf einer Partialrevision im Sinne des Begehrens auszuarbeiten.

345 Es steht ihm jedoch frei, dem aus dem Volksbegehren hervorgegangenen Entwurf einen eigenen Entwurf über den gleichen Gegenstand entgegenzustellen; beide Entwürfe müssen dann gleichzeitig «1er Volksabstimmung unterbreitet werden.

Im zweiten Falle wird der Entwurf, wenn der Große Rath ·demselben beistimmt, der Volksabstimmung zur Annahme oder Verwerfung unterstellt.

Stimmt der Große Rath nicht bei, so kann er einen eigenen Entwurf über den nämlichen Gegenstand ausarbeiten, der dann gleichzeitig mit demjenigen der Initianten der Volksabstimmung zu unterbreiten ist.

In jedem Falle muß der Große Rath zwischen den zwei auf ·die Einreichung des Begehrens folgenden ordentlichen Sessionen den Entwurf im Sinne des Initiativbegehrens ausarbeiten und entweder dem Initiativhegehren ausdrücklich zustimmen oder seinen eigenen Entwurf entgegenstellen.

Art. 29. Ein Gesetz bestimmt das nähere Verfahren bei der Ausübung des Volksrechts der Initiative, die Form der Abstimmung über die Verfassuagsrevision und das für den Fall, daß mehrere Begehren zusammen vorliegen, zu beobachtende Verfahren.

Art. 30. Eine Total- oder Partialrevision der Kantonsverfassung kann nicht vorgenommen werden, außer wenn die absolute Mehrheit der Bürger, die an der Abstimmung theilgenommen haben, sich dafür -erklärt. Die leeren Stimmzettel fallen außer Betracht.

Art. 31. Nicht dringliche Gesetze, sowie Beschlüsse, die allgemein verbindlicher Natur sind, oder die zwar dringlich sind, aber eine Ausgabe von mehr als Fr. 200,000 bedingen, müssen der Volksabstimmung zur Annahme oder Verwerfung unterbreitet werden, wenn 5000 stimmberechtigte Bürger innerhalb eines Monats von der Veröffentlichung im Amtsblatte an ein derartiges Begehren stellen.

Die Volksabstimmung hat innerhalb des im zweiten Abschnitt ·des folgenden Artikels angegebenen Zeitraums stattzufinden.

Art. 32. Die Volksabstimmungen über Total- oder Partialrevisionen der Verfassung oder über solche Gesetze und Beschlüsse, die nach Maßgabe des vorigen Artikels der Volksabstimmung zu unterbreiten siad, dürfen nur in der Zeit vom ersten Sonntag im November bis und mit dem ersten Sonntag im März stattfinden.

In den in litt. 6 und c des Art. 25 erwähnten Fällen muß die Frage, ob man die Kantonsverfassung revidiren wolle oder nicht,, und ob bejahenden Falls der Entwurf vom Großen ßathe oder von Bandesblatt. 44. Jahrg. Bd. V.

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einem Verfassungsrathe auszuarbeiten sei, binnen vierzig Tagen von der Einreichung des Begehrens an der Volksabstimmung unterbreitet werden, wenn die Einreichung in den Monaten September, Oktober^ November, Dezember und Januar stattgefunden hat, in den anderà Fällen am ersten Sonntag im November.

Art. 33. Die Tessiner und Schweizerbürger üben ihre politischen: Rechte in kantonalen und Gemeinde-Angelegenheiten in der Gemeinde aus, wo sie seit drei Monaten niedergelassen sind.

Die im Ausland niedergelassenen Tessiner, welche wieder im Kanton Wohnsitz nehmen, üben ihre politischen 'Rechte in der Gemeinde aus, wo sie seit zwanzig Tagen ihren wirklichen Wohnsitz haben.

Uebergcmgs- und

Aufhebungsbestimmungen.

Art. 1. Die Mitglieder des Staatsrathes, des Appellationsgerichts, der Anklagekammer und der Gerichte erster Instanz, die nach Maßgabe der vor dem Inkrafttreten der gegenwärtigen Verfassungsrevision geltenden Verfassungs- oder Gesetzesbestimmungen gewählt worden sind oder noch gewählt werden, verbleiben in ihrem Amte bis zur Gesammterneuerung dieser Behörden, welche gemäß den Bestimmungen der Artikel 15, 18, 19, 21 und 22 und zwar innerhalb des in Art. 32 vorgesehenen Zeitabschnittes stattzufinden hat, sobald die darauf bezüglichen Ausführungsgesetze endgültig angenommen sind.

Das Gesetz bestimmt den Zeitpunkt, an dem die Amtsperiode der gemäß den Bestimmungen der gegenwärtigen Verfassungsrevision gewählten Behörden beginnen soll.

Art. 2. Die Volksabstimmung über die vorliegende Partialrévision findet am ersten Sonntag im Oktober statt.

Binnen acht Tagen nach der Volksabstimmung macht der Staatsralh in öffentlicher Sitzung das Ergebniß bekannt, und wenn es sich herausstellt, daß die Revision von der absoluten Mehrheit der an der Abstimmung theilnehmenden Bürger -- nach Abzug der leeren Stimmzettel -- angenommen worden ist, sucht er sofort die eidgenössische Gewährleistung dafür nach. Die theilweise revidirte Verfassung tritt mit der Annahme durch das Volk, beziehungsweise mit der Annahme der vom Verfassungsrathe auszuarbeitenden Ausführungsgesetze, in Kraft. Falls die vorliegende Revision von der Mehrheit des Volkes angenommen wird, versammelt sich der Ver; fassungsrath nochmals am zweiten Montag nach der Bekanntmachung des Ergebnisses, um zur Ausarbeitung der vorerwähnten Gesetze zu schreiten.

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Die Gesetze, welche die Erneuerung der verfassungsmäßigen Behörden betreffen, müssen vom Verfassungsrathe spätestens im Laufe dieses Jahres erlassen werden.

Art. 3. Mit dem Inkrafttreten dieser Verfassungsbestiminungen sind aufgehoben: a. die Artikel 2, 24, 25, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 40, 46 und 47 der Verfassung vom 23. Juni 1830 ; b. das Verfassungsdekret vom 1./4. März 1855; c. das Verfassungsdekret vom 21. November 18615 d. die Artikel 4 und 15 des Verfassungsdekrets vom 20. November 1875; e. das Verfassungsdekret vom 24. November 1876 ; f. das Verfassungsdekret vom 8. Januar 1880; g. der erste Theil des Art. l, die Artikel 2, 5, 6 und 7 des Verfassungsdekrets vom 10. Februar 1883; 7i. die Artikel 3 und 5 des Verfassungsdekrets vom 9. Februar 1891.

Außerdem jede andere entgegenstehende oder unvereinbare Bestimmung.

B e l l e n z , den 2. Juli 1892.

Für den Verfassungsrath, Der Präsident : Adv. F. Bonzanigo.

Die Abgeordneten und Sekretäre : lag. E. Andreazzi.

A. Balli.

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(Entwurf.)

Bnndesbeschluß betreffend

die eidgenössische Gewährleistung des tessinischen Verfassungsgesetzes vom 2. Juli 1892.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 18. November 1892 über das tessinische Verfassungsgesetz vom 2. Juli 1892, in Betracht: daß dieses Gesetz nichts enthält, was den Vorschriften der Bundesverfassung zuwiderliefe; daß es die Ausübung der politischen · Rechte nach republikanischen Formen sichert; daß es die Revision der kantonalen Verfassung gestattet, wenn die absolute Mehrheit der an der Abstimmung theilnehmenden Bürger sie verlangt; daß es in der Volksabstimmung vom 2. Oktober 1892 von der absoluten Mehrheit der stimmenden Bilrger angenommen worden ist; in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung, beschließt: 1. Dem Verfassungsgesetze des Kantons Tessin vom 2. Juli 1892 wird die Bundesgarantie ertheilt.

2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung zu dem Bundesgesetze betreffend die Besoldungen der Beamten des eidgenössischen Militärdepartementes.

(Vom 21. November 1892.)

Tit.

In dem Berichte vom 29. November 1886, veranlaßt durch zwei Postulate der Bundesversammlung, durch welche der Bundesrath eingeladen worden war, einen Gesetzesentwurf über die Besoldung der eidgenössischen Beamten einzubringen, hat der Bundesrath seine Ansichten betreffend das Vorgehen in Sachen der Besoldung der eidgenössischen Beamten auseinandergesetzt. In Würdigung aller Verhältnisse hat der Bundesrath der Bundesversammlung damals den Vorschlag unterbreitet, es möchte für einstweilen von der Forderung eines neuen Besoldungsgesetzes für die sämmtlichen Beamten der Bundesverwaltung abgesehen, dagegen als zulässig erklärt werden, daß der Bundesrath behufs Beseitigung unbilliger Ungleichheiten in den Besoldungsansätzen einzelner Departetnente Speziai vorläge einbringe.

Diesem Vorsehlage des Bundesrathes hat die Bundesversammlung in der Märzsession 1887 beigestimmt.

Inzwischen haben Sie uns durch Postulat vom 19. Dezember 1890 ausdrücklich eingeladen, für die dem Militärdepartement unterstellten Beamten und Angestellten ein Besoldungsgesetz auszuarbeiten und vorzulegen.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend die Gewährleistung des Verfassungsgesetzes des Kantons Tessin vom 2. Juli 1892. (Vom 18. November 1892.)

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1892

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30.11.1892

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331-349

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