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Bericht des

schweizerischen Bundesgerichts an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1899.

(Vom

23. Februar 1900.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren l Wir haben die Ehre, Ihnen nach Vorschrift des Art. 47 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege über unsere Geschäftsführung im Jahre 1899 Bericht zu erstatten.

A. Allgemeines.

Im Jahre 1899 hatte das Bundesgericht den Schmerz, eines seiner Mitglieder durch den Tod zu verlieren. Herr Bundesrichter Dr. Jean Broye wurde, nachdem er dem Gerichte nahezu seit dessen Bestehen, seit 1877, angehört und ihm in den Jahren 1894 und 1895 als Präsident vorgestanden hatte, am 19. Oktober 1899 nach kurzer Krankheit dahingerafft. An seine Stelle wählte die Bundesversammlung zum Mitgliede des Bundesgerichts am 14. Dezember 1899 Herrn Emile Perrier, von Châtel-St. Denis, Generalprokurator des Kantons Freiburg. Dieser trat sein Amt auf 1. Januar 1900 an; er wurde, in Ersetzung des Herrn Broye, der II. Abteilung des Bundesgerichts zugeteilt und in die Anklagekammer desselben gewählt.

Die Wahl des Herrn Dr. Huber zum Bundesgerichtssekretär an Stelle des demissionierenden Herrn Dr. Lansel ist bereits im letztjährigen Geschäftsberichte erwähnt worden. Im übrigen hat die Zusammensetzung des Bundesgerichts und seiner Kanzlei im Berichtsjahre eine Änderung nicht erfahren.

Dagegen hat das Bundesgericht am 20. Juli 1899 eine Abänderung seines Réglementes beschlossen; es hat beschlossen: 1. in

698 Art. III, Ziff. 3, des Réglementes für das schweizerische Bundesgericht vom 7. September 1893 beizufügen: ,,ans dem .Bundesgesetze über Schuldbetreibung und Konkurs11 ; 2. in Art. 2, Abs. 2T des Réglementes vom 13. Januar 1896: ,,Es sind den Mitgliedern auch Referate in Prozessen, welche in den Geschäftskreis der beiden ändern Abteihingen fallen, insbesondere in Prozessen aus dem Schuldbetreibungs- und Konkursgesetze, insoweit zuzuteilen, als sie infolge dieser Zuweisung nicht mehr belastet werden, als die Mitglieder der ändern Abteilungen.1' Diese Abänderung des Réglementes, durch welche die bisher zur Zuständigkeit der I. Abteilung gehörenden Berufungen aus dem Schuldbetreibungs- und Konkursgesetze der II. Abteilung zugewiesen wurden, war veranlaßt durch das rasche Anschwellen der Zahl der Berufungen, wie es im Berichtsjahre, und zwar seit dem Beginne desselben, erfolgte. Seit dem Jahre des Inkrafttretens des neuen Organisationsgesetzes (1893) bis zum Jahre 1898 war die Zahl der Berufungen ganz a l l m ä h l i c h , von 185 im Laufe des Jahres neu eingegangenen und 207 im ganzen anhängigen Fällen auf 244 und 257 gestiegen, also in 5 Jahren im ganzen um 59 und 50 Fälle, oder cirka 31% und 24%. Im Jahre 1899 nun aber stieg die Zahl der neu eingegangenen Berufungen auf 312 und die Gesamtzahl der anhängigen Berufungsfälle auf 337, was für dieses eine Jahr gegenüber dem Vorjahre eine Zunahme um 68 und 80 Fälle oder 27% und 31% ergiebt (und gegenüber dem Jahre 1893 eine solche um 117 und 130 Fälle = cirka 63% und 62%). Da nun die Berufungen nach dem Réglemente vom 7. September 1893 der Hauptmasse nach der I. Abteilung zugeteilt waren und auf der ändern Seite die staatsrechtlichen Rekurse nicht in gleicher Weise wie die Berufungen zunahmen, im Gegenteil einen kleinen, allerdings sehr unerheblichen, Rückgang -- ihre Gesamtzahl betrug im Jahre 1899 288 gegenüber 293 im Jahre 1898 -- aufwiesen, so erschien eine Abänderung des Réglementes im Sinne einer Überweisung eines Teils der bisher der I. Abteilung zugeteilten Berufungsfälle an die II. Abteilung als im Interesse einer gleichmäßigen Geschäftsverteilung gerechtfertigt.

Die Berufungen aus dem Schuldbetreibungs- und Konkursgesetze schienen sich hierzu, da sie eine mit dem Prozessrechte eng zusammenhängende und in sich ziemlich geschlossene Materie
betreffen, daher von den Streitigkeiten aus dem Obligationenrechte verhältnismäßig leicht abgegrenzt werden können, besonders zu eignen.

Dabei wurde dann gleichzeitig, um zur Bewältigung der an die II. Abteilung neu überwiesenen Berufungen auch die Mitglieder

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der ni. Abteilung herbeizuziehen, vorgesehen, daß die Mitglieder der III. Abteilung, welcher als Oberaufsichtsbehörde die Anwendung des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes in den zur Kompetenz der Aufsichtsbehörden gehörigen Fällen obliegt, in erster Linie auch zu Referaten in den das Schuldbetreibungs- und Konkursgeset» betreffen den Civilstreitigkeiten heranzuziehen seien, insoweit sie dadurch nicht übermäßig belastet werden.

Die Geschäftslast des Bundesgerichts, deren möglichst gleichmäßige Verteilung durch die erwähnte Revision angestrebt und wohl auch erreicht worden ist, war im Berichtsjahre eine erheblich gesteigerte. Die Gesamtzahl der anhängigen Geschäfte weist gegenüber dem Vorjahre eine Vermehrung um 227 (1320 gegenüber 1093) auf, diejenige der Erledigungen eine solche um 181 (1025 gegenüber 844, s. Tabelle S. 733). Darin sind allerdings die Expropriationsrekurse inbegriffen, deren im Berichtsjahre 165 mehr anhängig waren und 145 mehr erledigt wurden, als im Vorjahre, und welche, wenn es sich um die Würdigung der Geschäftslast handelt, nicht mit einem ihrer Zahl entsprechenden Gewichte in die Wagschale fallen. Allein auch wenn man von dieser Klasse von Geschäften, was natürlich nicht richtig wäre, ganz absehen wollte, so ergäbe sich immerhin eine Vermehrung der anhängigen Geschäfte um 62 und eine solche der erledigten um 36. Es ist also zweifellos eine erhebliche Vermehrung der Geschäftslast eingetreten, was sich um so klarer ergiebt, wenn man bedenkt, dass zu den im Berichtsjahre anhängigen und erledigten Geschäften auch außergewöhnlich wichtige und umfangreiche Streitigkeiten gehören, wie die durch den Eisenbahnrückkauf veranlaßten Streitigkeiten über die Grundsätze für Festsetzung des Reinertrages und des Anlagekapitals der Schweiz.

Centralbahn und Nordostbahn nach Maßgabe der Konzessionen.

Die wachsende Geschäftslast der Mitglieder aller Abteilungen hat nun zur Folge, daß bei Krankheit oder Verhinderung einzelner Richter dieselben nicht mehr im nämlichen Umfange wie früher durch Mitglieder anderer Abteilungen ersetzt werden können ; insbesondere können, nachdem die oben erwähnte Reglementsänderung in Kraft getreten ist, die Mitglieder der III. Abteilung, die nun bei Behandlung der Berufungen aus dem Schuldbetreibungs- und Konkursgesetze in der II. Abteilung regelmäßig als
Referenten mitzuwirken haben, und hierdurch erheblich in Anspruch genommen werden, nicht mehr im gleichen Umfange wie früher als Vertreter verhinderter Kollegen in ändern Fällen, speciell in solchen der I. Abteilung, einberufen werden. Es ist vielmehr nötig geworden, bei längere Zeit andauernden Krankheiten einzelner Mitglieder in

700

«rheblichem Umfange die Ersatzmänner des Bnndesgerichts heranzuziehen. Diese Notwendigkeit wird sich für solche Verhältnisse auch in Zukunft ergeben, und zwar kann es dabei, wenn, was sich zur Zeit noch nicht mit Sicherheit beurteilen läßt, der große Geschäftsandrang anhält, nötig werden, um die Geschäfte überhaupt bewältigen zu können, Ersatzmänner nicht nur zu den Sitzungen, sondern auch zu der Bearbeitung von Referaten heranzuziehen.

Es ist dies bereits im Berichtsjahre in einigen wenigen Fällen geschehen. Wenn die Geschäftslast sich weiter steigern sollte, so wird es nötig werden, dies in größerem Umfange zu thun. Angesichts dieser Verhältnisse stellt das Amt eines Ersatzmannes des Bundesgerichts nunmehr erheblich größere Anforderungen an seinen Inhaber als in früheren Jahren, und es ist der Wunsch nicht unberechtigt, es möchte bei den Ersatzmännern durchgängig die Bereitschaft vorhanden sein, diesen vermehrten Pflichten nachzukommen und, der Regel nach wenigstens, der Einberufung zur Mitwirkung im Gerichte Folge zu leisten. -- Die starke und plötzliche Steigerung der Geschäftslast im Berichtsjahre, in Verbindung mit längerer Krankheit einzelner Mitglieder hat naturgemäß auch einen hemmenden Einfluß auf den Geschäftsgang ausüben müssen. -- Da die Arbeiten für Einführung eines einheitlichen Privat- und Strafrechts im Fortschreiten begriffen sind, so mag es sich empfehlen, schon jetzt darauf hinzuweisen, daß mit dem Inkrafttreten eines einheitlichen Civil- und Strafrochts notwendigerweise eine fundamentale Umgestaltung der Organisation der Bundesrechtspflege verbunden sein wird, und daß es geraten sein möchte, die Vorarbeiten hierzu zeitig in Angriff zu nehmen.

Von dem G e n e r a i r e g i s t e r zu den Bänden X bis XIX der Amtliehen Sammlung der bundesgerichtlichen Entscheidungen ist im Berichtsjahr der II. (alphabetische) Teil erschienen und dasselbe somit zum Abschlüsse gelangt. Im Einverständnisse mit dem Schweiz.

Justiz- und Polizeidepartement ist eine französische Übersetzung dieses Werkes veranstaltet worden ; die Ausführung derselben ist Herrn Dr. jur. Paul Piccard in Basel übertragen worden ; ein Teil der Übersetzung befindet sich bereits im Druck, und es wird dieselbe binnen Jahresfrist vollendet sein. -- Im Ständerate ist vom Berichterstatter der Kommission bei Beratung über die
Nachtragskredite für das Jahr 1899, II. Serie, der Wunsch ausgesprochen worden, daß die Vorarbeiten für das Generalregister der bundesgerichtlichen Entscheide jeweilen früher an die Hand genommen werden möchten, so daß das Register für eine bestimmte Periode bald nach deren Abschluß erscheinen könne.

701

Der Wunsch, daß das Generalregister der bundesgerichtlichen Entscheide für eine bestimmte Periode bald nach deren Abschluß erscheine, ist gewiß ein durchaus berechtigter, da derartige Register durch verspätetes Erscheinen einen guten Teil ihres Wertes verlieren.

Es ist auch sehr wohl möglich, ein solches Register rechtzeitig, d. h. bald nach Schluß der betreffenden Periode, erscheinen zu lassen, und es ist daher dafür zu sorgen, daß dies bei einem nächsten Registerband geschehe. Zweckmäßig dürfte aber sein, wenn dieser nächste Registerband nicht nur die seit dem Erscheinen des letzten Registers verflossenen Jahre umfassen, sondern ein zusammenfassendes Gesamtregister über sämtliche seit 1875 erschienene Bände der Amtlichen Sammlung der Entscheidungen enthalten würde. Es -würde dies die Benützung der Sammlung nicht unwesentlich erleichtern, und gleichzeitig wäre damit vielleicht, sofern die Unifikation des Privatrechts rasch gefördert wird, ein Gesamtregister über die bnndesgerichtliche Rechtsprechung, wie dieselbe sich bis zu der vollständigen Vereinheitlichung des Privatrechts gestaltete, geboten. -- In einem dem eidg. Justiz- und Polizeidepartemente erstatteten Gutachten hat das Bundesgericht eine vom politischen Departement ausgehende Anregung, es sei eine besondere amtliche Sammlung der Staats v ertrage der Schwein mit dem Auslande herauszugeben, unterstützt und einige Bemerkungen hinsichtlich der Art der Anlage einer solchen Sammlung gemacht.

Die Statistik der Betreibungen, Konkurse und N a c h l a ß v e r t r a g e für das Jahr 1897, deren Publikation nach dem letztjährigen Geschäftsberichte für das Berichtsjahr in Aussicht genommen war, hat bis jetzt noch nicht publiziert werden können. In der That erwies sich die Revision des von zahlreichen Betreibungsund Konkursämtern und Gerichtssteüen gelieferten, bei näherem Znsehen a,ls offenbar unzuverlässig sich herausstellenden Materials als eine ungemein mühsame und zeitraubende Arbeit. Gegenwärtig ist endlich, nach Überwindung dieser Schwierigkeiten, ^die kantonsweise Zusammenstellung'1 des gesammelten Materials für 1897 beendigt, und kann also die Veröffentlichung der wesentlichen Ergebnisse der Erhebung im laufenden Jahre erfolgen; dieselbe wird, wie wir glauben, interessante Beiträge zur Kenntnis der Handhabung des Gesetzes liefern.

Auch die
Erhebung für das Jahr 1898 ist noch ungefähr den gleichen Schwierigkeiten und Mißverständnissen, wie diejenige für das Jahr 1897, begegnet. Die Erfahrung hat dazu geführt, um alle Mißverständnisse nach Möglichkeit auszuschließen, einige übrigens Bundesblatt. 52. Jahrg. Bd. I.

48

702 rein redaktionelle Abänderungen an den aufgestellten Formularen, vorzunehmen, und es darf nun doch wohl angenommen werden, daß in Zukunft, nachdem die Sache den Beamten vertrauter geworden sein wird, die Erhebung leichter und sicherer von statten gehen werde.

Die Verwaltung der B e t r e i b u i i g s f o r m u h i r e gieW /u besonderen Bemerkungen keinen Anlaß.

Die Gesamtzahl der vom Buudesgerichte im Berichtsjahre abgehaltenen S i t z u n g e n beträgt 215, die sieh in folgender Weise verteilen: Sitzungen des Gesamtsgerichts 19, der I. Abteilung 78, der II. Abteilung 71, der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 44 und des Kassationshofes 3. Von den beiden Mitgliedern der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer hat das eine an 1(> Sitzungen der I. und 29 Sitzungen der II. Abteilung, das andere an 7 Sitzungen der I. und 18 Sitzungen der II. Abteilung teil genommen, wobei die Mitwirkung derselben an den Sitzungen der I. Abteilung last, ganz in die Zeit vor dem Inkrafttreten der oben erwähnten Reglementsrevision fallt.

B. Specieller Teil.

I. Civilreehtspflego.

« «:

£·§ Natur der Streitsache.

P 2§

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Neu II eingegangen.

Eine Übersicht Über die Civilsaclien, mit denen das Bundesgericht im Jahre 1899 beiaßt 'war, giebt die folgende Tabelle :

1. Erst- und letztinstanzlich zu beurteilende Civilsachen . . . . 27 26 2. Rekurse in Expropriationssachen 137 266 3. Berufungen gegen Urteile kan9,5 31?, tonaler Gerichte 4. Revisionsbegehren 2 7 5 . Erläuterungsbegehren . . . .

1 2 6. Kassationsbegehren 7 . Moderationsbegehren . . . .

3 191 617

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53 19 34 403 246 157 337 ?,99 38 9 9 1 1 2 2 3 3

808 579 229

703

Ad 1. Vom B U H cl e s g e r ich (; als e i n z i g e . I n s t a n z zu beurteilende Streitigkeiten.

Die 53 beim Bundesgerichte als einzige Instanz anhängigen Fälle verteilen sich folgendermaßen : 7 Prozesse zwischen dem Bunde als Beklagten und Privaten als Klägern ; 21 Prozesse zwischen Kantonen einerseits und Privaten oder Korporationen anderseits ; 2 Bürgerrechtsstreitigkeiten zwischen Gemeinden verschiedener Kantone ; 1 Prozeß zwischen Eisenbahngesellschaften betreffend den Art. 30 des Bundesgesetzes über Bau und Betrieb der Eisenbahnen, vom 23. Dezember 1872; l Klage aus Art. 23 des Bundesgesetzes vom 1. Mai 1850 über die Verbindlichkeit zur Abtretung von Privatrechten ; l Klage aus Art. 47 des gleichen Gesetzes; 19 durch Partei Vereinbarung direkt vor Bundesgericht gebrachte Prozesse : l andere Sache.

53

Die Erledigung dieser Geschäfte ist aus nachstehender Tabelle ersichtlich :

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Natur der Streitsache.

Abgewiesen.

Inkompetenz 1 oder sonstiges Nichteintreten. | Ganz oder teilweise gutgehelssen.

704

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1. Prozesse Privater als Kläger gegen den Bund als Beklagten 2. Prozesse zwischen Kantonen einerseits und Privaten oder Korporationen anderseits '.i. Bürgerrechts - Streitigkeiten zwischen Gemeinden verschiedener Kantone .

4. Prozeß zwischen Eisenbahngesellschaften aus Art. 30 des Bundesgesetzes über Bau und Betrieb der Bisenbahnen, vom 23. Dezember 1872 .

5. Klage aus Art. 23 des Bundesgesetzes vom 1. Mai 1850 über die Verbindlichkeit zur Abtretung von Privatrechten (>. Klage aus Art. 47 des gleichen Gesetzes 7. Prozesse, in welchen das Bundesgericht als vereinbarter Gerichtsstand angerufen wurde
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Die zwei erledigton P r o z e s s e g e g e n d e n B u n d sind durch Vergleich beendigt worden ; der eine betraf die Schädigung eines Dritten durch ein Militärpferd, der andere die Haftpflicht der Postverwaltung.

Von den 8 im Jahre 1899 erledigten S t r e i t i g k e i t e n x wisch e n den K a n t o n e n einerseits u n d P r i v a t e n o d e r K o r p o r a t i o n e n a n d e r s e i t s betrafen: 3 Schadenersatzklagen wegen behaupteter unerlaubter Handlungen kantonaler Behörden oder Beamten ; l Schadenersatzanspruch wegen Ver-

705 urteilung eines Unschuldigen ; l Schadenersatzanspruch des Inhabers einer Pfarrstelle wegen Aufhebung derselben ; l Kauf: 2 Eigentum.

Die vier im Berichtsjahre erledigten Prozesse, in welchen das B u n d e s g e r i c h t als v e r e i n b a r t e r G e r i c h t s s t a n d a n g e r u f e n w o r d e n w a r , betrafen: l Kauf, l Pacht, l Werkvertrag, i Erbteilung (d. h. eine für dieselbe präjudizielle Frage aus dem Bundesgesetze betreffend die civilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter).

In den drei Fällen, in welchen auf die Klage nicht eingetreten wurde, geschah dies teils (in einem Falle) wegen Inkompetenz des Gerichts, teils (in zwei Fällen) wegen Mängeln der Klageschrift.

Unter die zwei Abteilungen verteilen sich die beim Buridesgerichte als einzige Instanz anhängig gemachten (Zivilsachen folgendermaßen : 1. Abteilung. 2. Abteilung.

Total.

Von 1898 herüber genommene Prozesse 14 13 27 Irn Jahre 1899 neu eingegangene 15 11 26 Total Im Berichtsjahr erledigt . .

Pendent geblieben

29 12 17

24 7 17

53 19 34

Von den 34 nicht erledigten Fällen ist einer hängig seit 1888, einer seit 1896 (dieser Prozeß ist übrigens im laufenden Jahr durch Vergleich erledigt worden), 4 seit 1897, 9 seit 1898 ; die übrigen 19 sind im Berichtsjahr eingegangen.

Wie die angeführten Zahlen ergeben, spielen unter den direkt beim Bundesgerichte anhängig gemachten Prozessen diejenigen, bei welchen der bundesgerichtliche Gerichtsstand auf Vereinbarung der Parteien beruht, eine verhältnismäßig nicht unerhebliche Rolle; diese Prozesse sind auch gewöhnlich verwickelter und weitschiclitiger Art, so daß sie eine eingehende Instruktion erfordern. Es muß nun betont werden, daß wenn die Parteien durch die Prorogation an das Bundesgericht eine Abkürzung der Dauer des Verfahrens bezwecken, es durchaus nicht sicher ist, da3 sie diesen Zweck erreichen, da in der That auf eine schleunige Erledigung dieser Sachen beim Bundesgerichte nicht gerechnet werden kann.

Die ordentliche Geschäftslast der Mitglieder des Bundesgerichts ist eine so große geworden, daß es nicht möglich ist, daneben

706

auch noch diese dem Gerichte durch den Parteiwillen außerordentlicherweise überwiesenen Geschäfte mit gewünschter Raschheit zu erledigen. Die Parteien, welche Sachen an das Bundesgericht prorogieren, müssen daher darauf gefaßt sein, daß die Instruktion ihrer Prozesse längere Zeit dauern kann. Übrigens darf wohl, wie das Bundesgericht bereits anläßlich der Beratung des Organisationsgesetzes von 1893 betont hat, bemerkt werden, daß der legislative Wert der Bestimmung, welche gestattet, Sachen, zumal solche, in welchen gesetzlich die Berufung an das'Bundesgericht statthaft wäre, durch Parteivereinbarung direkt vor dasselbe zu bringen, ein sehr zweifelhafter ist. Es wird dadurch insbesondere größeren Unternehmungen ermöglicht, sich eine Art von befreitem Gerichtsstande zu schaffen, und wird das Bundesgericht mit der Instruktion von Prozessen befaßt, welche meist gar kein wesentliches, grundsätzliches juristisches Interesse besitzen, dagegen ausgedehnte Beweiserhebungen nötig machen, die überhaupt besser vor gemischten, juristisch technischen Schiedsgerichten als vor den ordentlichen Gerichten stattfänden. Die Hauptthätigkeit des Bundesgerichts auf civilrechtlichem Gebiete ist diejenige der Rechtsmittelinstanz, welche die Einheit der Anwendung des eidgenössischen Rechts zu wahren hat. Je mehr nun diese Thätigkeit an Ausdehnung zunimmt, um so schwieriger wird es, daneben noch als erste und einzige Instanz Prozesse zu instruieren und zu entscheiden. Es durfte sich daher empfehlen, bei einer zukünftigen Änderung der Gerichtsorganisation die erst- und letztinstanzliche Kompetenz des Bundesgerichts auf das Unerläßlichste fauf größere Prozesse, in welchen Bund oder Kantone Partei sind) zu beschränken.

Ad 2. R e k u r s e in E x p r o p r i a ti o ti ss a c h e n.

Die Gesamtzahl der im Berichtsjahre anhängigen Rekurse gegen Entscheidungen eidgenössischer Schätzungskommissionen belief sich auf 403. Davon wurden 137 Fälle aus dem Vorjahre übernommen ; 266 Fälle sind neu eingegangen.

Dieselben verteilen sich folgendermaßen auf die Expropriante!) : Bund (Befestigungen, Zollgebäude) 4 Baselstadt, Kanton (Schießplatz) 5(1 Stadtgemeinde Zürich (Elektrische Straßenbahn Zürich) · l Eisenbahngesellschat'ten : Centralbahn 70 Übertrag i:M

707

Übertrag Nordostbahn Jura-Simplon-Balm Vereinigte Schweizerbahneu Grotthardbahii Burgdorf-Thun-Bahn Spiez-Erlenbach Thunerseebahn Önsingen-Balstlial Bern-Neuenburg G iirbethalbahn Spiez-Frutigen Jurigiraubahn Elektrische Straßenbahn Stansstad-Engelberg Lausanne-Ouchy Lausanne-Signal Elektrische Bahn Aigle-Lej'siri Drahtseilbahn Vevey-Chardonue-Pelerin

131 65 29 13 7 1.04 l l 2 4 5 l 1 2:1 2 4 11 1 103

Die Art der Erledigung dieser Fälle ist aus folgender Tabelle ersichtlich : Rückzug oder Gegeustandlosigkeit d e s Rekurses . . . . 1 1 9 Erledigung durch Vergleich · .

1.1 Erledigung durch Annahme des Urteilsantrages der Instruktionskommission 90 Erledigung durch Entscheidung des Bundesgerichts, kraft welcher auf Rekurse wegen Verwirkung des Rekursrechts nicht eingetreten wurde 14 Erledigung durch Saehurteil d e s Bundesgerichts . . . .

12 Total der im Berichtsjahre erledigten Fälle . . . . . . 24B Auf das Jahr 1900 übertragene 157

lös Von den im Jahr 1899 nicht erledigten Fällen stammen l aus dem Jahre 1896, l ans dem Jahre 1897, 2(i ans dem Jahre 1898, die übrigen 129 sind im Berichtsjahre eingegangen und zwar zum größten Teile (95 Fälle) in der zweiten Hälfte des Jahres.

Der aus dem Jahre 1896 datierende Fall konnte nicht früher erledigt werden, weil die Sachverständigen zu definitiver Erstattungihres Gutachtens die Wirkungen des vollen normalen Betriebes

708

der Bahnanlage abwarten mußten ; die Sache ist nunmehr spruchreif geworden. In dem aus dem Jahre 1897 stammenden Falle, in welchem übrigens die Hauptstreitpunkte materiell durcli Annahme des Urteilsantrages erledigt sind, hat sich die definitive Erledigung deshalb verzögert, weil über einen streitig gebliebenen Nebenpunk), Vergleichsunterhandlungen zwischen den Parteien eingeleitet wurden.

In den aus dem Jahre 1898 und Anfang des Jahres 189H anhängig gebliebenen Fällen waren durchweg weitläufige und zeitraubende Expertisen erforderlich ; eine größere Zahl dieser Fälle hängt zudem unter sich und mit später eingegangenen Fällen derart zusammen, daß es wünschbar schien, daß Sachverständige und .Richter die sämtlichen einzelnen Fälle erst erledigen, nachdem sie einen Überblick über die Gesamtheit erworben haben.

Von den ungewöhnlich zahlreichen Rekursen, welche im Berichtsjahre durch Rückzug oder infolge Gegenstandslosigkeit des Rekurses erledigt wurden, entfällt der größte Teil (nämlich 92) auf die Enteignungen, welche bei der Burgdorf-Thun-Bahn nachträglich zum Zwecke des Erwerbes des Rechts, die Primärleitung über Privateigentum führen zu dürfen, stattfanden. Diese -nachträglichen Enteignungen erklären auch die hohe Ziffer der die Burgdorf-Thun-Bahn betreffenden Rekurse.

In den 14 Fälleti, in welchen das Bundesgericht auf den Hekurs wegen Verwirkung des Rekursrechts nicht eintrat, geschah dies deshalb, weil die Expropriaten binnen der Planauflagefrist keine Eingabe gemacht hatten.

In den sämtlichen 12 Fällen, in welchen das Plenum des Bundesgerichts in der Sache selbst zu entscheiden hatte, hat dasselbe den Antrag seiner Instrnktionskommission im wesentlichen unverändert zum Urteil erhoben.

Ad 3. B e r u f u n g e n gegen C i v i l u r t e i l e k a n t o n a l e r (lerichte.

Von diesen 337 Sachen betrafen durch das eidgenössische Recht geregelte Materien : Ehescheidungen Kheeinsprachen Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschifi'ahrtsunternehmungen 15 Haftpflicht aus Fabrik- und Gewerbebetrieb . . . .

34 Persönliche Handlungsfähigkeit 2 Übertrag 80

709 Obligationenrecht : Furchterregung Stellvertretung Unerlaubte Handlungen Ungerechtfertigte Bereicherung Hinterlegung Verjährung Konventionalstrafe Novation Cession Subrogation Eigentum Pfandrecht Retentionsrechf Kauf Miete Pacht Darlehen Dienstvertrag Werkvertrag Auftrag Kommission Hinterlegungsvertrag Anweisung Verlagsvertrag Bürgschaft Einfache Gesellschaft Kollektivgesellschaft Kommanditgesellschaft Aktiengesellschaft Aktienkommanditgesellschaft Vereins- und Genossenschaftsrecht Weehselrecht Firmenrecht Lebensversicherung Unfallversicherung Feuerversicherung Leibreritenvertrag Sonstige Vertrage

Übertrag .

:

.

.

80 l l 40 l l l 5 l 3 l 13 3 l 19 5 4 7 15 13 10 3 l l l 9 3 5 l 4 l l 3 2 l 7 l l 3

193 193 Übertrag 273

710 Übertrag Urheberrecht Fabrik- und Handelsmarken Erfindungspatente Anfechtungsklage Andere das Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz betreffende Fälle

273 5 5 6 13 _lfi

HH Durch das kantonale oder ausländische Recht geregelte Materien

1t) 337

Über die Art der Erledigung und die Herkunft der im Berichtsjahre behandelten Berufungen giebt folgende Tabelle Auskunft :

Aargau Appenzell A.-Rh. .

Appenzell I.-Rh.

Basellandschaft .

Baselstadt . . . .

Bern (deutscher Teil) ., (franz. Teil) . .

Freiburg Genf Glarus Graubünden . . . .

Luzern Neuenburg . . . .

Nidwalden . . . .

Obwaiden . . . .

Schaffhausen Schvvyz Solothurn . . . .

S t . Gallen . . . .

Tessin Thurgau Uri Waadt Wallis Zug Zürich Total

3 1

2 6 5 2 1 9 1 6 2

2 1

9 1 4 16

1 2

2 4 5

3 3

4 8

5 2 1

1 3 2 10 1 6 1

1 1 1 1

9

2 1

22 3 3 16

ROckwelsung 1!

an die kantonale Instant.

Pendent 1 geblieben.

Kantone.

Abgewiesen.

Inkompetenz !

oder sonstiges Nichteintreten.

Rückzug !

oder Vergleich.

Ganz 1 oder teilweise gutgahelssen.

711

1

2 1

1 1 1

1 5

1

4 1 2 7

2

10 2

9

9

8

19

56

36

58 141

8

5 29 11 2

6

1

1

26 3 1 8 29 40 6 12 45

1 1

1 1 1 3 10 1 2 2

1

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1

4 2 7 14

2 1

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4

4 4

--

7

30 3 2 50

8

38

337

Die Gründe, aus welchen das Bundesgericht in 56 Fällen auf die Berufung nicht eintreten konnte, waren folgende : In 17 Fällen war das Bundesgericht nicht kompetent, weil entweder (in 14 Fällen) kantonales oder (in 3 Fällen) ausländisches Recht anwendbar war.

In 18 Fällen war die angefochtene Entscheidung kein Haupturteil im Sinne des Organisationsgesetzes.

712

In 5 Fällen erreichte der Streitwert den gesetzlichen Betrag nicht.

In 16 Fällen waren Form oder Frist des Rechtsmittels nicht gewahrt.

In 54 von diesen 56 Fällen ist ein Referent nicht bestellt, sondern die Sache der zuständigen Abteilung direkt vom Präsidenten derselben vorgelegt worden.

Von den 58 Fällen, in denen das kantonale Urteil ganz oder teilweise abgeändert wurde, betrafen : f> Ehescheidung; 1 Eheeinsprache; 2 Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsuntcrnelimungen; 8 Haftpflicht ans Fabrik- und Gewerbebetrieb; :!5 Obligationerirecht (Stellvertretung l, Verjährung l, unerlaubte Handlungen 7, Pfandrecht l, Retentionsrecht l, Kauf 6, Pacht l, Darlehen 2, Dienstvertrag 4, Werkvertrag l, Auftrag l, Kommission l, Hinterlegungsvertrag l, Bürgschaft l, Kollektivgesellschaft l, Aktiengesellschaft l, Aktienkommanditgesellschalt l, Unfallversicherung 2, Feuerversicherung 1) : l Urheberrecht ; l Fabrik- und Handelsmarken ; l Erfindimgspatente ; 1 Anfechtungsklage ; 2 andere das Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz betreffende Fälle.

58 Von den 8 an die Vorinstanz zurückgewiesenen Fällen betrafen : l Eheeinsprache, l Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschifiahrtsunternehmungen, l Haftpflicht aus Fabrik- und Gewerbebetrieb, l ungerechtfertigte Bereicherung, l Werkvertrag, l Auftrag, l Aktiengesellschaft, l Erfindungspatente.

Das schriftliche Verfahren, das für Sachen, deren Streitwert Fr. 4000 nicht erreicht, vorgeschrieben ist, kam in 58 Fällen zur Anwendung.

Die Berufungen verteilten sich auf die beiden Abteilungen des Bundesgerichts folgendermaßen :

713 Erste Abteilung.

Zweite Abteilung.

Total.

Aus dem Vorjahre herübergenommene Fälle . . . .

N e u eingegangene . . . .

18 227

7 85

25 312

Total Im Berichtsjahre erledigt . .

245 219

92 80

387 299

26

12

38

Pendent geblieben

. . . .

Von den 38 Ende des Jahres anhängig gebliebenen Berufungen sind 33 in den Monaten November und Dezember 1899 eingegangen. Die älteste anhängig gebliebene Berufung datiert aus dem Monat April 1899, sodarm folgt je eine aus den Monaten Juni, Juli, August und September. Der Grund, warum einzelne Berufungen außergewöhnlich lange anhängig bleiben, liegt in der Mehrzahl der Fälle darin, daß der Berufung vorgängig kantonale Rechtsmittel der Kassation oder Revision erledigt werden müssen, hie und da auch im Tode oder Konkurse einer Partei oder in zwischen den Parteien geführten Vergleichsunterhandlungcii.

Aus der Rechtsprechung, für welche wir im übrigen auf die Amtliche Sammhing der Entscheidungen verweisen, möge auf einige für das wirtschaftliche Leben in weitern Kreisen besonders bedeutsame Entscheidungen besonders hingewiesen werden: 1. Es ist festgestellt worden, daß unter den Begriff des Betriebsunfalls im Sinne der Fabrik-Haftpflichtgesetze alle Unfälle gehören, welche die Folgen einer Gefahr sind, welchen der Arbeiter infolge seiner Dienstverrichtungen in erhöhtem Maße ausgesetzt ist, und welche sich während der Arbeit ereignen. (Entscheidung vom 2. Februar in Sachen Zeller contra Krieger, Amtliche Sammlung, 11. Teil, S. 168 ff.). 2. In Bestätigung früherer Entscheidungen ist festgehalten worden, daß der Dienstherr (sofern der Dienstpflichtige unter seiner Leitung zu arbeiten hat) kraft, kontraktlicher Pflicht, diejenigen Maßregeln zum Schütze des Arbeiters gegen Gefahren für Leib und Leben zu treffen hat, welche die Natur der übertragenen Dienstleistungen zuläßt und Welche ohne nach den Umständen unbillige Belastung des Dienstherrn möglich sind (Entscheidung in Sachen Wartmann gegen Hirschi vom 20. Mai, Amtliche Sammlung, I. Teil, S. 44 ff.). 3. In der Entscheidung vom .14. Oktober in Sachen Boujon und Genossen contra Stucker-Book hat sich das Buridesgericht über die Rechtsmäßigkeit der Verhängung der Sperre (des Boycot) über ein gewerbliches Etablissement (durch

714 eine Gewerkschaft) und in der Entscheidung vom 29. September in Sachen Weber-Pfeiffer und Konsorten contra Vogelsiuiger (Amtliche Sammlung, II. Teil, S. 624 ff.) über diejenige des von einem Kreditschutzverein gegen die säumigen Schuldner seiner Mitglieder geübten Malniverfnhrens u. s. w. ;uisgesprochen ; in beiden Fällen hat es die Rechtmäßigkeit der gctroH'eiien Maßnahmen sooin.lcr Selbsthülfe im Prinzip anerkannt. 4. In der Entscheidung vom 27. Januar in Sachen der Gesellschaft Schweiz. Metzgermeister contra Leuen berger (Amtliche Sammlung, II. Teil, Ö. IS 11'.) ist ausgesprochen worden, daß nach schweizerischem Hechte die l!estimmungen eines Aktierigesellschaftsstatuts, welche den Aktionären eine Pflicht zu Warenlieferungen etc., überhaupt eine andere Pflicht., als diejenige zur Einzahlung eines f'estbestimmten Beitrages UM diis Grundkapital der Gesellschaft auferlegen, ungültig seien. 5. In der Entscheidung vom 23. September in Sachen Konkursmasse Kaufmann & Cie. contra, Gebr. Oswald (Amtliche Sammlung, I I . Teil, S. 620) ist ausgeführt worden, daß in der WechselbegeLmng ;ui sich, aueh in der Begebung von Kunden wechseln in /wischen dem Aussteller und seinem Banquier vereinbartem ständigem Diskontoverkehr, eine Abtretung der dem Aussteller gegenüber dem bezogenen zustehenden Forderungen nicht liege.

Bemerkt werden mag noch, daß nicht selten von einzelnen kantonalen Gerichten die Vorschrift des Art. 63, Ziff. 3, des Orgiinisationsgesetzes hinsichtlich der Feststellung des Ergebnisses der Beweisführung nicht in richtiger Weise angewendet wird. Dadurch wird die Aufgabe des Bundesgerichts wesentlich erschwert und kann, wenn dieses dadurch genötigt wird, das Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung zurückzuweisen, für die Parteien eine sehr erhebliche, bei richtiger Handhabung des Gesetzes leicht zu vermeidende Kostenvermehrung entstehen. Es wäre daher sehr wünschbar, wenn die kantonalen Gerichte sämtlich der Feststellung der Thatsachen die erforderliche Aufmerksamkeit schenken würden.

Ad 4 und 5.

begehren.

R e v i si o n s- und

K r l ä « t e r u n ;;· s -

Von den 9 im Berichtsjahre behandelten R e v i s i o n s b c g e h r e n in civilrechtlichen Sachen waren (i bei der I. Abteilung, 3 beim (resamtbundesgerichte anhängig. Die 3 letztern, welche sich auf Expropriationsrekurse bezogen, wurden sämtlich abgewiesen. Von den bei der I. Abteilung anhängigen Gesuchen wurden 3 als unbegründet abgewiesen, auf 2 wurde wegen Verspätung nicht eingetreten, eines wurde für begründet erklärt.

715

Das eine eingereichte E r l ä u t e r u n g s g e s u c h bezog siel i auf einen Expropriationsfall, welcher durch Annahme des Urteilwantrages erledigt worden war. Die Erläuterung wurde von der betreffenden Instruktionskomrnissiori erteilt, wobei die Parteien sich beruhigten. 'Die prinzipielle Frage, ob ein Urteilsantrag einer Instruktionskommission, welcher von beiden Parteien angenommen und hierauf gestüzt vom Bundesgerichte oder seinem Präsidenten ;ils in ,,Rechtskraft erwachsen'1 erklärt worden ist, als ein bundesg e r i c h t l i c h e s U r t e i l zu erachten (und demnach hinsichtlich der Revision, Erläuterung und Vollstreckung nach den für die bundesgerichtlichen Urteile geltenden Regeln zu behandeln) sei,, ist dabei nicht zur gerichtlichen Entscheidung gelangt.

Ad 6. K a s s a t i o n s b e g e h r eri.

Von den 2 (bei der I.Abteilung) anhängigen K a s s a t i o n s b e g e h r e n wurde das eine gutgeheißen, auf das andere, weil, gegenstandslos geworden, nicht eingetreten.

Ad 7. M o d e r a t i o n s b e g e h r e n .

Von den 3 M o d e r a t i o n s b e g e h r e n betraf das eine einen vom Gesamtbundesgericht erledigten Expropriationsfall aus dem Kanton Zürich. Die beiden andern stammten aus dem Kanton Genf und waren das eine von der ersten, das andere von der zweiten Abteilung zu behandeln. In allen drei Fällen wurde das Moderationsbegehren vom Anwalte gestellt, und wurde die Anwaltsrechnung vom Gerichte festgestellt.

R e k u r s e g e g e n E n t s c h e i d e d e s Masse V e r w a l t e r s i n Z w a n g s l i q u i d a t i o n v o n E i s e n b a h n e n u n d Bes c h w e r d e n in A m o r t i s a t i o n s s a c h e n waren im Bericbts.jähre nicht zu behandeln.

II. Strafrechtspflege.

Die A n k l a g e k a m m e r , die K r i m i n a l k a m m e r und das B u n d e s s t r a f g e r i c h t hatten im Berichtsjahre erfreulicherweise nicht in Thätigkeit zu treten.

Dagegen waren beim K a s s a t i o n s h o f e zehn .Beschwerden anhängig, wovon drei aus dem Jahre 1898 übertragen waren, die andern sieben neu eingegangen sind. Von denselben wurden sieben im Berichtsjahre erledigt, drei auf das folgende Jahr übertragen.

716 Von den erledigten Beschwerden betrafen: 2 den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken, 3 den Schutz des litterarischen und künstlerischen Urheberrechts, l das Gesetz über die Patenttaxen der Handelsreisenden, l das Gesetz über Maß und Gewicht.

Von den nicht erledigten Beschwerden beziehen sich zwei auf Erfindungsschutz, eine auf Viehseuchcnpolizei.

Ihrer Herkunft nach stammen 3 Beschwerden aus dem Kanton Zürich, drei aus dem Kanton Luzern, je l aus dem Kanton Baselstadt, Graubünden, Tessin und Uri.

Von den erledigten 7 Beschwerden wurden drei (2 aus dein Kanton Zürich, l aus dem Kanton Baselstadt) abgewiesen ; in . 4 Fällen (wovon 2 auf den Kanton Luzern, je l auf die Kantone Uri und Tessin entfielen) wurde auf die Beschwerde nicht eingetreten, teils weil (in 2 Fällen) die angefochtene Entscheidung kein Haupturteil, teils weil die angefochtene Entscheidung keine solche der letzten kantonalen Instanz, oder eidgenössisches Kecht in der Sache überhaupt nicht anwendbar war. Letzteres betraf eine Beschwerde über Nichtanwendung der prozessualen Vorschriften des Bundesgesetzes betreffend das Verfahren bei Übertretungen fiskalischer und polizeilicher Bundesgesetze vom 30. Juni 1849 auf die Verfolgung einer Übertretung des Bundesgesetzes Über Maß'und Gewicht.

III. Staatsrechtliche Streitigkeiten.

Die im Jahre 1899 beim Bundesgerichte |anhängigen staatsrechtlichen Streitigkeiten verteilen sich wie folgt:

Natur der Streitsache.

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1. Kompetenzkonflikte zwischen Bundes- und kantonalen Behörden .

2. Staatsrechtliche Streitigkeiten zwischen Kantonen 3. Auslieferungen '.

4. Beschwerden von Privaten oder Korporationen 5. Einsprachen gegen Verzicht auf das Schweizerbürgerrecht .

6. Streitigkeiten zwischen dem Bundesrate und den Eisenbahngesellschaften betreffend das Rechnungswesen der letztem 7 . Revisionsbegehren . . . . . .

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35

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10 --

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12 4

8 4 4 --

49

270 319 271 48

Ad 1. K o m p e t e n z k o n f l i k t e z w i s c h e n B u n d e s - u n d kantonalen Behörden.

Der im Berichtsjahre erledigte Kompetenzkonflikt betrifft einen Anstand zwischen dem Bundesrate und den Gerichten des Kantons Uri über die Kompetenz zur Beurteilung von Entschädigungsforderungen für durch Truppenübungen verursachten Landschaden.

Die Entscheidung des Bundesgerichts ist abgedruckt in der Amtlichen Sammlung, Abteilung I, S. 13 ff.

Ad 2. S t a a t s r e c h t l i c h e S t r e i t i g k e i t e n z w i s c h e n Kantonen.

Von den drei im Berichtsjahre erledigten Streitigkeiten be:trafen zwei die Anwendung des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1891 über die civilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter, die dritte ein auf das Bundesgesetz vom 24. Juli 1852 gestütztes Auslieferungsbegehren. Letzteres, vom Kanton Bern gegenüber dem Kanton Luzern gestellt, wurde abgewiesen 5 von den zwei das Bundesgesetz vom 25. Juni 1891 betreffenden Bundesblatt. 52. Jahrg. Bd. I.

49

718 Streitigkeiten wurde in der einen die Klage gutgeheißen, in der ändern abgewiesen. Im erstem Falle war der Kanton Waadt Kläger, der Kanton Tessin Beklagter, im letztern der Kanton Zürich Kläger und der Kanton Appenzell A.-Rh. Beklagter. · Die anhängig gebliebenen Fälle betreffen einen Streit über Hoheitsrechte an der Sihl zwischen den Kantonen Zug und Zürich und einen Streit über die Gebietshoheit betreffend die Vornahme von Schießübungen zwischen den Kantonen Solothurn und Aargau.

Ad 3, A u s l i e f e r u n g e n .

Von den sieben im Berichtsjahre beurteilten Auslieferungsbegehren. gingen drei (die Verbrechen des Vertrauensmißbrauchs, der Urkundenfälschung und der Unterschlagung betreffend) von Italien, eines (betreffend Vertrauensmißbrauch) von Frankreich, eines (betreffend Verleitung zum falschen Zeugnisse) vom deutschen Reiche, eines (betreffend Diebstahl und Unterschlagung) von Bayern und eines (betreffend Beihülfe zum Abtreibungsversuche) von Baden aus. Die sämtlichen Auslieferungsbegehren wurden bewilligt. Ein am letzten Tage des Berichtsjahres eingelangtes Auslieferungsbegehren Frankreichs mußte auf das* laufende Jahr verschoben werden ; es ist in den ersten Tagen des Januars erledigt worden.

Ad 4. B e s c h w e r d e n von P r i v a t e n oder K o r p o r a t i o n en.

Nach der Natur der Bestimmungen, deren Verletzung der Rekurrent behauptete, verteilen sich die 288 im Jahre 1899 anhängigen staatsrechtlichen Rekurse folgendermaßen:

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«rs-§ a. Verletzung der Bundesververfassung 6. Verletzung von Bundesgesetzen c. Verletzung von Kantons Verfassungen d. Verletzung von Staatsverträgen e. Verletzung von Konkordaten zwischen Kantonen .

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23

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45

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45

8

1

9

10

10

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1

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1

35

253

1

288

247

41

a. Die 199 Rekurse wegen V e r l e t z u n g der B u n d e s v e r f a s s u n g betrafen folgende Verfassungsbestimmungen: Art. 4 (Gleichheit vor dem Gesetze, Rechtsverweigerung) 136 ,, 31, 33, 34 und Art. 5 der Übergangsbestimmungen (Handels- und Gewerbefreiheit, Freizügigkeit der wissenschaftlichen Berufsarten u . s . w.) . . . .

5 45 (Niederlassung) 7 46 (Doppelbesteuerung) 19 a 49 und 50 (Konfessionelle Artikel) .

l ,, 55 (Preßfreiheit} 58 (Gewährleistung des natürlichen Richters und Verbot von Ausnahmegerichten) 3 59, Alinea l (Gewährleistung des Gerichtsstandes des Wohnsitzes für persönliche Ansprachen und andere Gerichtsstandsfragen) 19 5 9 , Alinea 2 (Aufhebung d e s Schuldverhaftes) . . .

2 60 (Gleichbehandlung aller Schweizerbürger mit den Angehörigen des eigenen Kantons) l 61 (Vollziehung von Civilurteilen) 2 2 der Übergangsbestimmungen (Bundesrecht bricht Kantonalrecht} l 1Î99

720 b. Die 25 Rekurse wegen V e r l e t z u n g von B u n d e s g e s e t z e n betrafen : Bundesgesetz über Auslieferung von Verbrechern und Angeschuldigten von 1852 . . v: 4 Bundesgesetz über Civilstand und Ehe 8 ,, ., d i e persönliche Handlungsfähigkeit . . .

8 ,.

.n die civilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen u n d Aufenthalter . . . .

7 ., Schuldbetreibung u n d Konkurs . . . .

2 ..

., Beaufsichtigung der Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens . .

l 25 c. Die 53 Rekurse wegen Verletzung von K a n t o n s v e r f a s s u n g e n betrafen sehr verschiedenartige Gegenstände; eine genaue Klassifikation derselben wäre kaum durchführbar. Immerhin mag bemerkt werden, daß zu denjenigen Bestimmungen der kantonalen Verfassungen, welche in Rekursen am häufigsten angerufen werden, die Garantien der wohlerworbenen Privatrechte, der persönlichen Freiheit (speciell der Grundsatz nulla poena sine lege), der Gewaltentrennung, der Gemeindeautonomie und sodann die steuerrechtlichen Grundsätze gehören.

d. Von den 10 Rekursen wegen Verletzung von Staatsv e r t r ä g e n betrafen: den Gerichtsstandsvertrag mit Frankreich 8 ., Niederlassungsvertrag ,, l fl ,, ,, ., Italien l 10

e. Der eine Rekurs wegen Verletzung eines K o n k o r d a t e s betraf das zwischen den Kantonen Bern und Solothurn am 17. Februar 1875 über kirchliche Verhältnisse abgeschlossene Konkordat.

H e r k u n f t und A r t der E r l e d i g u n g der 288 Rekurse von Privaten und Korporationen ergiebt sich aus folgender Tabelle :

Aarsau Appenzell A.-Rh.

Appenzell I.-Rh.

Baselland Baselstadt Bern .

Freiburg Genf Glarus Graubünden Luzern .

Neuenburg Nidwaiden Obwalden Schaffhausen Schwyz Solothurn St. Gallen Tessin Thurgau . . . .

Uri Waadt . . . . .

Wallis Zug Zürich .

r:.1et| SUI "?1 ·> » 3

1 1 3 1 2

8 2

1

2

2

3

1 1 1 5 4 9 4 5

1 1

2

1 1 1

2 . .

Total

1

1 4

1 2

1

18

23

2 3 1

43

Abgewiesen.

Kantone.

Gutgehelssen.

Nichteinlreten.

721

-s·s -sè

li

Dl

14

6

3 4 28 6 24 1 8 20 3

1

2 2 1 1 1 10 2 2 16 2 3 9 163

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26

1

1 6 6 47 18 37 1 14 34 4 1 5 3 4 4 2 15 8 6 25 4 4 13

41

288

3 5 2 1 5 1 1 2 1 1 4 4 1 1 1

Von den 41 p en d e n t g e b l i e b e n e n R e k u r s e n rührt e i n e r , in welchem das Verfahren bis nach Erledigung eines konnexen Civilprozesses sistiert ist, aus dem Jahre 1896 her, zwei stammen aus dem Jahre 1898, die übrigen 38 sind im Berichtsjahre eingegangen, und zwar : 2 im März, l im April, l im Juni, 2 im Juli, 4 im August, 2 im September, l im Oktober, 8 im November und 17 im Dezember. Von den aus dem Jahre 1898 datierenden Fällen ist der eine wegen schwebenden Vergleichs-

722 Verhandlungen verschoben worden. Der andere war bis zur Entscheidung des kantonalen großen Rates über die Sache sistiert und ist nunmehr, nachdem diese Entscheidung erfolgt ist, zur Beurteilung vertagt.

Die Gründe des N i e h t e i n t r e t e n s in 18 Fällen waren folgende : in 6 Fällen Inkompetenz des Gerichts, in 7 Fällen Verspätung, in 3 Fällen mangelnde Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges, in 2 Fällen Mangel eines gehörigen Begehrens.

Von den 43 als b e g r ü n d e t e r k l ä r t e n R e k u r s e n waren l gegen einen Beschluß der kantonalen gesetzgebenden Behörde, 15 gegen Beschlüsse der Vollziehungs- oder Verwaltungsbehörden und 27 gegen Entscheide gerichtlicher Behörden gerichtet.

Nach der N a t u r der Streitsache bezogen sich diese Fälle : 13 auf Art. 4 der Bundesverfassung (Gleichheit vor dem Gesetze, Rechtsverweigerung) ; 3 ., ,, 45 der Bundesverfassung (Niederlassung); 6 ,, ,, 46 ,, ,, (Doppelbesteuerung); 9 ., ,, 59, Abs. l, der Bundesverfassung (Gerichtsstand des Wohnortes und andere Gerichtsstandsfragen) ; 1 ,, ,, 2 der Übergangsbestimmungen zur Bundesverfassung (Bundesrecht bricht Kantonalrecht) ; 4 fl Verletzung der durch die Kantonsverfassung gewährleisteten Rechte ; 2 .0 das Bundesgesetz betr. Auslieferung von Verbrechern und Angeschuldigten von 1852; 2 ,. das Bundesgesetz betr. die persönliche Handlungsfähigkeit; 1 ., das Bundesgesetz betr. die Beaufsichtigung der Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens; 2 ,, den Gerichtsstandsvertrag mit Frankreich vom 15. Juni 1869.

43 In 44 Fällen, in welchen der Rekurs ohne weiteres als unzulässig oder unbegründet sich darstellte, wurde von der Bestellung eines Instruktionsrichters Umgang genommen und die Sache detti. Abteilung direkt durch ihren Präsidenten vorgelegt.

Von diesen Fällen betrifft eine erhebliche Zahl Beschwerden wegen sog. Rechtsverweigerung. Dieses Schlagwort wird, was einzig die große Zahl von Beschwerden wegen Rechtsverweigerung erklärt, sehr häufig zu dem Versuche mißbraucht, Beschwerden wegen angeblichen oder wirklichen Gesetzesverletzungen, die'sich

723 der Kognition des Bundesgerichts durchaus entziehen, vor dasselbe au bringen.

.

Beim Präsidenten der II. Abteilung giengen überdies 39 Gesuche um Erlaß vorsorglicher Verfügungen im Sinne des Art. 185 des Organisationsgesetzes ein. Davon wurden 10 abgewiesen; 29 wurden bewilligt (20 davon deshalb, weil die Gegenpartei sich ihrem Erlasse nicht widersetzte).

Aus der s t a a t s r e c h t l i c h e n R e c h t s p r e c h u n g mag, indem im übrigen auf die Amtliche Sammlung verwiesen wird, nur folgendes hervorgehoben werden : 1. In Abweichung von einem früher aufgestellten Grundsatze ist ausgesprochen worden, daß der in der Schweiz domizilierte aufrechtstehende Schuldner auch gegenüber der Vollziehung von Urteilen fremder Staaten sich auf Art. 59, Abs. l, B.-V. berufen könne (Entsch. i. S. Espanet vom 9. Februar, Amtliche Sammlung, I. Teil, S. 93).

2. In der Entscheidung in Sachen Gonet frères vom 6. Juli {Amtliche Sammlung, I. Teil, S. 325) ist ausgesprochen worden, daß Art. 31 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes für alle in diesem Gesetze normierten Fristen, insbesondere auch für die Frist des Art. 107 des Gesetzes gilt, so daß hinsichtlich des Endes dieser Frist die Bestimmungen kantonaler Prozeßgesetze, welche den letzten Tag einer Frist erst 8 Uhr abends zu Ende gehen lassen, n i c h t zur Anwendung gebracht werden dürfen.

3. Die Bestimmung eines kantonalen Gesetzes, daß nach erfolgtem Rechtsvorschlage binnen Frist Klage zu erheben sei bei Verlust des Klagerechts, ist als gegen die Normen des eidg. Rechtes (des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes) verstoßend und daher -als ungültig erklärt worden (Entsch. vom 15. Juli i. S. Hediger u. Söhne, Amtliche Sammlung, I. Teil, S. 183 ff.).

4. Hinsichtlich der Gestaltung des Rechts der Volksinitiative nach baselstädtischem Verfassungsrechte ist auf die Entscheidung i. S. Kündig vom 2. März, Amtliche Sammlung, I. Teil, S. 71 ff.

IM verweisen.

Erwähnt werden mag auch noch, daß zwei Streitigkeiten aus Art. 50, Abs. 3, der Bundesverfassung zwischen römisch-katholischen und christkatholischen Religionsgenossenschaften unter Mitwirkung der Instruktionsrichter durch Vergleich erledigt wurden.

In einem am 13. März 1899 hinsichtlich der Kompetenz zur Beurteilung einer Beschwerde wegen Verletzung des Bundesgesetzes

724

über die Auslieferung von Verbrechern und Augeschuldigten vour 24. Juli 1852 an den Bundesrat gerichteten Schreiben hat das Bundesgericht u. a. ausgeführt : ,,Die Rekurrentin glaubt, die Bestimmungen des Auslieferungsgesetzes begründen ein Recht der Bürger darauf, daß sie nur in den darin aufgeführten Fällen ausgeliefert werden dürfen. Die Rekurrentin nimmt somit ein Individualrecht in Anspruch, das ihr bundesgesetzlich zugesichert seiWir halten nun dafür, daß eine Beschwerde wegen Verletzung eines derartigen Rechtes nach Art. 113, Ziff. 3, der Bundesverfassung und Art. 175, Ziff. 3, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 in die Kompetenz des Bundesgerichts falle, dem dann selbstverständlich auch der Entscheid darüber zusteht, ob das behauptete Recht überhaupt bestehe. Denn zu den verfassungsmäßigen Rechten der Bürger, die.

nach den genannten Bestimmungen unter dem Schütze des Bundesgerichtes stehen, zählen wir auch solche Rechte persönlicher Natur, die sich auf ein in Ausführung der Bundesverfassung erlassenes' Bundesgesetz stützen. Mit dieser Auffassung glauben wir uns in Übereinstimmung mit dem Bundesrate zu befinden, der in einer Zuschrift an das Bundesgericht vom 4. Juni 1895 bei Anlaß einer gegenseitigen Aussprache über die Kompetenz zur Beurteilung von Beschwerden wegen Verletzung des Bundesgesetzes über die persönliche Handlungsfähigkeit sich dahin geäußert hat : ,,Wo ein verfassungsmäßiges Recht des Bürgers in Frage kommt, da soll mit Ausnahme der in Art. 189, Ziff. l--6, angegebenen Materien und mit Ausnahme des politischen Stimmrechts die Kompetenz des Bundesgerichts begründet sein, und zwar auch dann, wenn das Individualrecht nicht in der Bundesverfassung selbst, sondern in einem Bundesgesetze festgestellt und entwickelt ist." Der Bundesrat hat seine fortdauernde Übereinstimmung mit dieser Auffassung ausgesprochen und danach die Kompetenz des Bundesgerichts zu Beurteilung der fraglichen Beschwerden anerkannt.

Ad 5. Einsprachen gegen Verzichte auf das Schweizerbürgerrecht.

In dem einen während des Berichtsjahres erledigten Falle wurde die (vom Kanton Zürich erhobene) Einsprache gegen den Verzicht gutgeheißen. Die Entscheidung ist abgedruckt AmtlicheSammlung, Teil l, S. 349 u. f. ' Ad 6. Streitigkeiten zwischen dem Bundesrate und den Eisenbahngesellschaften b e t r e f f e n d das Rechnungswesen der letztern. ·

72 &

Von den 8 erledigten Rekursen betrafen : 2 (ausgehend von der 8. C. B. und N. 0. B.) die Grundsätzefür die Feststellung des Reingewinnes und der Anlagekosten im Sinne der Konzessionen. Diese beiden Rekurse wurden durch Urteile des Gesamtbundesgerichts erledigt. Durch die, nach eingehender Verhandlung gefällten, Entscheidungen wurden die Grundsätze für die Feststellung des Reingewinns und der Anlagekosten im Sinne der Konzessionen in allen Hauptpunkten festgestellt; dagegen wurde ausgesprochen, daß über die vom Bunde (mit Rücksicht auf den Zustand der Bahnanlagen) beanspruchten Abzüge von der Rückkaufsentschädigung nicht jetzt, sondern erst bei der Übernahme der Bahnen durch den Bund im Civilprozeßwege zu entscheiden sei. Soweit dieselben danach jetzt zu lösen waren,, sind die mit dem Rückkaufe der Eisenbahnen zusammenhängenden grundsätzlichen Rechtsfragen durch die beiden angeführten Urteile im wesentlichen gelöst. Da die Urteile in Bd. 25, Teil II, S. 195 ff, und S. 629 ff. der Amtlichen Sammlung der bundesgerichtlicheu Entscheidungen vollinhaltlich abgedruckt sind, so ist hier auf deren Inhalt nicht näher einzugehen ; 2 (von der N. 0. B. ausgehend) die Feststellung des Baukontos für die Jahre 1896 und 1897. Diese Rekurse wurden vom Gesamtbundesgericht abgewiesen ; es handelte sich bei denselben um die Frage der Verrechnung von sogen. Bauzinsen auf Baukonto. Das Gericht entschied, in Übereinstimmung mit dem Bundesrate, daß, und zwar auch bereits nach dem Rechnungsgesetze vom 21. Dezember 1883, nur wirklich bezahlte Bauzinsen auf Baukonto getragen werden dürfen (nicht dagegen ,., üblichea aber nicht wirklich verausgabte Zinsansätze); 4, wovon 3 auf die Jahre 1896, 1897 und 1898 bezügliche von der Gotthardbahn, l auf das Jahr 1896 bezüglicher von der N. 0. B. ausgingen, die Einlagen in den Erneuerungsfonds. Diese 4 Rekurse richteten sich gegen bloß provisorische, vorläufige Entscheidungen des Bundesrates; nachdem diese vorläufigen Entscheidungen durch definitive ersetzt worden waren, wurden die Rekurse als gegenstandslos geworden abgeschrieben.

Von den anhängig gebliebenen v i e r Rekursen betreffen d r e i , von den Vereinigten Schweizer-Bahnen, der Gotthardbahn und der Jura-Simplon-Bahn ausgehend, die Grundsätze für Feststellung des Reingewinnes und der Anlagekosten, der v i e r t e , ein gemeinsamer Rekurs der fünf großen Eisenbahngesellschaften, die Festsetzung der Einlagen in den Erneuerungsftmds. Die drei

726

erstem Rekurse werden, auf Grund der bereits über die einschlägigen Fragen gefällten Entscheidungen in Bälde erledig!

werden können. Dagegen wird der auf die Festsetzung der Einlagen in den Erneuerungsfonds bezügliche Rekurs ein umfangreiches Beweisverfahren (durch Sachverständige) nötig machen.

Ad 7. R e v i s i o n s b e g e h r e n .

Von den 4 anhängigen, auf staatsrechtliche Streitigkeiten bezüglichen Revisionsbegehren wurden 3 abgewiesen, l für begründet erklärt.

IV. Oberaufsicht über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen.

Die Gesamtzahl der im Berichtsjahre anhängigen Rekurse betrug 181 ; davon waren aus dem Vorjahre übernommen 6 ; im Laufe des Jahres eingegangen 175. Erledigt wurden im Jahre 1899 167 Beschwerden, so daß auf das Jahr 1900 übertragen wurden 14 Fälle.

Von diesen Beschwerden bezogen sich: 5 auf die Organisation der Betreibungs- und Konkursämter oder die Pflichten der betreffenden Beamten ; 7 auf Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung ; 1 auf die Art der Betreibung; : 2 auf den Ort der Betreibung; 4 auf Zahlungsbefehle ; 5 auf Zustellung der Betreibungsurkunden ; 8 auf Rechtsvorschlag; 3 auf Rechtsöffnung ; 29 auf Pfändung, Vollziehung derselben, und unpfändbare Gegenstände ; 12 auf Lohnpfändung; 4 auf Anschlußpfändung; · 15 auf Eigentums- oder Pfandrechtsansprachen im Pfändungsverfahren ; 2 auf Verwertungsbegehren; 12 auf Verwertung beweglicher Sachen oder Forderungen ; 12 auf Verwertung von Liegenschaften; 3 auf Kollökatioh und Verteilung im Pfändungsverfahren ; 2 auf Fortsetzung der Betreibung; 1.26 Übertrag.

.

;

727 126 Übertrag.

7 auf Konkursbetreibung; 4 auf Konkurserkenntnisse; 8 auf Konkursverwaltung; 1 auf Verwertung der Konkursmasse ; 2 auf Eigentumsansprachen im Konkurse ; 4 auf Verteilung im Konkurse ; 6 auf Arrest und seine Vollziehung; 2 auf Nachlaß vertrag ; l auf Verlustschein; 4 auf Betreibungs- und Konkurskosten; l auf Prozeßführung im Konkurse; l auf Betreibungsferien.

167.

.

'

'

.

.

-

Über die V e r t e i l u n g der Geschäfte nach K a n t o n e n und über das S c h i c k s a l der Beschwerden giebt die nachfolgende Tabelle Auskunft:

728

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Kantone.

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1 f S _o Z

Aareau Appenzell A.-Rh. .

Appenzell I.-Rh Basel-Landschaft' . . . .

Baselstadt Bern (deutscher Teil) Bern (französischer Teil) Freiburg Genf Glarus Graubünden Luzcrn Neuenburg Nidwaiden . . . .

Obwalden Schaffhausen Schwyz Solothurn St. Gallen Tessin Thurgau Uri Waadt Wallis Zug Zürich Total

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36 101 14 181

729 Die Gründe des Nichteintretens auf 25 Beschwerden bestanden meistens in der Inkompetenz der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer, in einigen wenigen Fällen in Verspätung der Beschwerde.

Die 36 für begründet erklärten Rekurse betrafen folgende Gegenstände : 1 Amtsführung des Betreibungsbeamten; 2 Zustellung des Zahlungsbefehles; 2 Rechtsvorschlag; 2 Fortsetzung der Betreibung; 5 Kompetenzstücke; 4 Lohnpfändung; 1 Anschlußpfändung ; 2 Eigentumsansprache im Pfändungsverfahren; l Pfandverwertung im Konkurse ; 5 Verwertung von Mobilien ; l Verwertung von Liegenschaften ; l Verteilungsliste ; 4 Konkursverwaltung; l Verwertung der Konkursmasse ; 3 Verteilungsliste; i Arrest.

367

Die bundesrätliche Verordnung Nr. l zum ßundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 18. Dezember 1891, Abschnitt ,,Erläuterungen" bestimmt, daß bei A d r e s s i e r u n g des B e t r e i bungsbegehrens die Angabe der Gemeinde, zu welcher der Betreibungsort (B.-G. Art. 46--52) gehöre, genüge, und daß die.

Postverwaltung ein so adressiertes Begehren an das für den Betreibungsort zuständige Betreibungsamt befördere. Es hatte nun die Postverwaltung demgemäß adressierte Begehren in Fällen, wo der Aufgabeort und der Wohnort des Schuldners im Lokalrayon lagen, der Sitz des zuständigen Betreibungsamtes dagegen außerhalb desselben sich befand, mit Nachtaxe belegt. Das davon betroffene Betreibungsamt Aigle ersuchte daraufhin den Bundesrat um Rückerstattung der erhobenen Nachtaxen, indem die Postverwaltung zu deren Erhebung nach Mitgabe der erwähnten Verordnung nicht berechtigt gewesen sei. Das schweizerische Postdepartement wies dieses Begehren in Anwendung der Art. 2 und 9 des Posttaxengesetzes ab, woraufhin der Betreibungsbeamte von Aigle rekursweise eine weitere Eingabe an den Bundesrat richtete, in welcher er für den Fall, daß die Entscheidung des Postdepartements.

730

aufrechterhalten würde, die Frage auf warf, ob das Betreibungsamt berechtigt sei, die Annahme solcher mit Nachtaxe belegten Briefe zu verweigern. Nun überwies das Postdepartement die Angelegenheit, speciell zur Prüfung und eventuell Erledigung des letzterwähnten Punktes an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer, welche sich dem Departement und auf Veranlassung des letztern nachher auch dem Bundesrate gegenüber in folgendem Sinne ausgesprochen hat: Für die Lösung der entstandenen Schwierigkeit bestehen drei Möglichkeiten : E n t w e d e r bezahlt wie bisher der Betreibungsbeamte die Nachtaxen ; o d e r er refüsiert die Annahme von derartig taxierten Briefen ; o d e r die Postverwaltung befördert solche Briefe vom Adreßorte bis zum Orte des Sitzes des Betreibungsamtes taxfrei.

Die erste Lösung kann dem Betreibungsamte nicht zugemutet werden. Dasselbe sieht es in den meisten Fällen einem taxbeschwerten Briefe nicht an, ob er einen auch zur Deckung eines Überportos genügenden Vorschuß enthalte oder ob er von einem Absender komme, der bereits Vorschüsse geleistet habe. Der Betreibungsbeamte würde sehr oft einen Ersatz für das ausgelegte Porto gar nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Umtrieben erhalten können.

Auch die zweite Lösung ist unstatthaft; sie würde die wohlbegründete Erleichterung, die der Bundesrat mit Abs. i der Erläuterungen in der Verordnung vom 18. Dezember 1891 beabsichtigte, im wesentlichen illusorisch machen. Das war ja gerade gewollt, daß der Gläubiger nicht lange zu ermitteln brauche, wo der Sitz des Betreibungsamtes sei, sondern daß er das Betreibungsbegehren einfach an den Wohnort seines Schuldners adressieren könne. Hat er so adressiert, so hat er das, was die einschlägige eidgenössische Vorschrift von ihm verlangt, gethan, und er soll dann nicht noch mit der Anforderung von Nachfrankaturen behelligt werden. Die Rücksendung der Briefe vom Betreibungsbeamten an den Absender würde zu Komplikationen und Zeitverlusten führen.

Es bleibt also nur die dritte Lösung, die taxfreie Weiterbeförderung der Briefe durch die Postverwaltung. Sie liegt wohl schon in Abs. l der gedachten Erläuterungen. Denn hier wird der Postverwaltung die amtliche Aufgabe überbunden, ein an den Wohnort des Schuldners gesandtes Schreiben an das zuständige B e t r e i b u n g s a m t zu b e f ö r d e r n ; und das kann nur unent-

731 geltlich geschehen, wenn anders nicht dem Beamten eine ganz ungerechtfertigte Belastung auferlegt werden will. Gegenüber der Postverwaltung ist ein an den Wohnort des Schuldners adressierter Brief richtig adressiert; das weitere ist Sache der Postverwaltung.

Es scheint uns denn auch der Art. 9 des Bundesgesetzes betreffend die Posttaxen auf Fälle, wie den vorliegenden, die eben eigenartige sind, seinem Sinne nach gar nicht zuzutreffen.

Die Einbuße an Porti, die der Postverwaltung erwachsen kann, wird häufig dadurch kompensiert werden, daß Gläubiger, die im Lokalrayon des Amtes liegen, ihre Briefe an den außerhalb des Lokalrayons liegenden Wohnort des Schuldners senden ' und auch entsprechend, d. h. mit der Taxe für den großen Rayon, frankieren. Überhaupt aber ist die finanzielle Tragweite der ganzen Frage offenbar eine so minime, daß sie als bestimmend wohl gar nicht in Betracht fallen kann.

Aus Anlaß eines Specialfalles, in welchem sich die Frage nach den W i r k u n g e n des nachträglichen Rechtsvorschlages mit Bezug auf die seit dem Zahlungsbefehl vollzogenen Betreibungshandlungen, speciell die Pfändung bot, hat die Kammer sich dahin ausgesprochen, daß die Bewilligung des nachträglichen Rechtsvorschlages lediglich die Fortsetzung des Betreibungsverfahrens hemme, daß dagegen die vollzogenen Betreibungshandlungen nicht ohne weiteres als aufgehoben zu betrachten seien, und sie hat demnach mit einem Kreisschreiben an die kantonalen Aufsichtsbehörden die Betreibungsbeamten angewiesen, in den Fällen, in denen ein nachträglicher Rechtsvorschlag bewilligt wird, den betreibenden Gläubigern, für die bereits eine Pfändung vollzogen. wurde, eine Frist von zehn Tagen anzusetzen, binnen deren sie entweder Rechtsöffnung zu verlangen oder Klage auf Anerkennung ihrer Forderung anzuheben haben, widrigenfalls die Pfändung als dahingefallen betrachtet werde.

V. Freiwillige Gerichtsbarkeit.

Zu Anfang des Jahres wurde gegen eine Lokalbahngesellschaft für eine aus Landabtretung herrührende Forderung das Liquidationsbegehren gestellt. Dasselbe wurde indes wieder zurückgezogen, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die fragliche Forderung" bereits, nur nicht an den Expropriaten persönlich, sondern an die zuständige kantonale Amtsstelle zu seinen Händen, bezahlt und die

732 Erhebung eines Rechtsvorschlags von der Bahngesellschaft lediglich aus Versehen unterlassen worden war.

Dagegen mußte durch Beschluß des Bundesgerichts vom 18. August 1899 die Liquidation über das Vermögen der Gesellschaft der e l e k t r i s c h e n S t r a ß e n b a h n S t a n s s t a d - S t a n s angeordnet werden, nachdem die Generalversammlung dieser Gesellschaft, auf ein von einem Pfandgläubiger gestelltes Liquidationsbegehren hin, die Insolvenzerklärung der Gesellschaft beschlossen hatte. Zum Massaverwalter wurde bestellt Herr Advokat Dominik Jost in Luzern ; dieser sorgte für den einstweiligen Fortbetrieb der Bahn auf Rechnung der Masse und nahm die Aufstellung des Vermögens- und Schuldenverzeichnisses der Gesellschaft vor. Zum Zwecke der Schätzung des Gesellschaftsvermögens wurden als Experten die Herren Direktor Schmidlin in Hochdorf und Ingenieur Gicot in Luzern bezeichnet; da vorauszusehen war, daß eine Schätzung der Bahn nach dem Verkehrswerte als Bahn wohl nur einen ganz minimen Wert erreichen werde, so wurden die Experten vom Bundesgericht beauftragt, die Schätzung unter einem doppelten Gesichtspunkte vorzunehmen, nämlich einerseits den Verkaufswert der Bahn samt Zubehörden mit Rücksicht auf den Bauwert und die Betriebsergebnisse unter der Voraussetzung zu schätzen, daß die Bahn auf Grundlage der Konzession verräußert, und im Betriebe erhalten werde, anderseits den Wert der Bahnanlage samt Zubehürden unter der Voraussetzung des Verkaufs auf Abbruch zu schätzen. Der Expertenbericht ist erst nach Abiaul' des Berichtsjahres eingegangen ; die Fortsetzung und Beendigung der Liquidation hat daher im laufenden Jahre stattzufinden.

VI. Zusammenstellung und mittlere Dauer der Streitsachen.

Verteilung derselben nach den Nationalsprachen.

Folgende Tabelle giebt eine Übersicht über die beim Bundesgerichte im Berichtsjahre anhängigen und die von ihm erledigten .Geschäfte unter Vergleichung mit dem vorhergehenden Jahre :

733

Gesamtzahl der Geschäfte.

Natur der Streitsache.

1898.

I. Civilsachen: 1. Erst- und letztinstanzliche Prozesse 2 . Expropriationen . . . .

3. Berufungen 4. Revisionsbegebren 5. Erläutorungsbegehren 6. Kassationsbegehren 7. Moderationsbegehren .

II.

Strafsachen: Kassationsbeschwerden

10

.

III. Staatsrechtliche Streitigheiten : 1. Kompetenzkonfliktezwischen Bundes- und kantonalen Behörden 2. Staatsrechtliche Streitigkeiten zwischen Kantonen .

3 . Auslieferungen . . . .

4. Beschwerden von Privaten und Korporationen 5. Verzichte auf das Schweizerin ürgerrecht 6. Rechnungswesen der Eisenbahnen 7. Revisionsbegehren IV. Beschwerden betreffend das Schuldbetreibungs- und Korilauirswesen .

V. Freiwillige Gerichtsbarkeit .

Total

Bundesblatt. 52. Jahrg. Bd. I.

61 238 257 4 3 4 3

1899.

Erledigt.

1899.

1898.

34 53 403 101 337 232 9 2 3 1 2 4 3 3

19 246 299 9 1 2 3

7

7

10

2

1

2

1

6 7

5 8

4 5

3 7

293

288

258

247

1

1

1

1

10 12

12 4

-- 12

8 4

180

181

174

167

2

2

2

1093 1320

1

844 1025 50

Nach den N a t i o n a l s p r a c h e n verteilen sich die im Berichtsjahre anhängig gewesenen Fälle wie folgt: Deutsche Schweiz.

Französische Schweiz.

Italienische Schweiz.

I. Cwilsachen: 1. Erst- und letztinstanzliche Prozesse .

2. Expropriationen .

3 . Berufungen . . . .

4. Andere Civilsachen

43 = 81.18 % 352 = 87.34 % 226 = 67.06 % 9 = 57 %

51 = 12.60 % 107 = 31.75 % 5 = 36 %

4 = l.» % 1= 7 «/o

Total der Civilsachen

630 = 77.97 %

173 = 21.41 °/o

5=

Strafsachen.

Kassationsbeschwerden III. Staatsrechtliche StreitigJieiten IV. Beschwerden betr. Scliuldbetreibungs- und KonTturswesen V. IreùvûUge Gerichtsbarkeit .

10 = 18.87

%

0.02 %

Total.

53 = 100% 403 = 100% 337 = 100% 15 = 100% 808 = 100 %

II.

Total

2 = 20 %

8 = 80 °/o 202 = 63.82 °/o

99 = 31.03 %

18 =

120 = 66

45 = 25

16= 9

%

%

1 = 50 °/o

1 = 50 %

961 = 72.80 °/o

318 = 24.09 %

41 =

5.65

%

10 =

100%

319 =

100%

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181 =100% 2 = 100%

3.1l °/o

1320 = 100%

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ZHéTTa u e r aer Streitsachen ergieot sich aus nacftîoigenaer TaDelle : o> fc o

Dauer bis zum Urteil

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sS esl1 m I. Civilsachen.

l. Erst- und letztinstanzliche Prozesse 2. Expropriationen 3. Berufungen 4. Revisions- und Erläutcrungsbegehren .

.

.

5 . Kassationsbegehren . . . .

6. Moderationsbegehren . . .

11. Strafsachen.

Kassationsbeschwerden . . .



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Ill.StaatsrechtlicheStreitigkeiten.

-- 1. Zwischen Kantonen . . .

3 -- 2 y 7 -- 2 Auslieferungen 3. Beschwerden von Privaten u n d Korporationen . . . . 247 43 29 79 64 4. Verzicht auf das Schweizer1 1 bürgerrecht -- 5 . Eevisionsbegehreu . . . .

4 1 1 6. Kompetenz -Konflikte (Bund 1 1 !

und Kantone) .

7. Eeehnnngswes.d. Eisenbahnen 8 -- -- : i -- IV. Beschwerden betr. Schuldbetreibungs- und Konkurswesen 167 58 34 45 29 V. Freiwillige Gerichtsbarkeit .

1 -- 1 JZ_!

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736

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

L a u s a n n e , den 23. Februar 1900.

Im Namen des Schweiz. Bundesgerichts, Der Präsident: Rott.

Der

Gerichtsschreiber: Honegger.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des schweizerischen Bundesgerichts an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1899. (Vom 23. Februar 1900.)

In

Bundesblatt

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Jahr

1900

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

11

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

14.03.1900

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697-736

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10 019 119

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