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Schweizerisches Bundesblatt

52. Jahrgang. IV.

Nr. 46.

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14. November 1900.

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Gesuch von 24 schweizerischen Zündholzfabrikanten um Schadenersatz.

(Vom 13. November 1900.)

Tit.

Mit Begleitschreiben vom 7. Juni dieses Jahres übermittelt Herr G. Fischer in Fehraltorf dem Bundesrat für sich und zu Händen der Bundesversammlung eine von 24 schweizerischen Zündholzfabrikanten unterzeichnete Eingabe vom Juni gleichen Jahres, dahin gehend, es möchte den Petenten eine ,,etwelche Vergütung des Schadens, den sie durch die Wiedereinführung des Phosphorverbotes (Bundesgesetz betreffend die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzchen vom 2. November 1898) erlitten huben und weiter erleiden", von Seiten des Bundes zugesprochen werden. Der Betrag wird auf Fr. 300,000--400,000, Fr. 1000 auf jeden beschäftigten Arbeiter, angegeben. Unterm Datuni vom 8. Juni laufenden Jahres haben der Nationalrat und der Ständerat die direkt an sie gelangte gleiche Eingabe dem Bundesrat zur Berichterstattung überwiesen.

Die Begründung des vorliegenden Gesuches wird von den Petenten in nachstehende fünf Punkte zusammengefaßt: ,,1. Manche zum Teil sehr wertvolle Maschinen und technische Einrichtungen, welche lediglich zur Fabrikation von Phosphorzündhölzern dienen, werden unbrauchbar und damit nahezu wertlos.

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Sie müssen durch neue Maschinen und Einrichtungen ersetzt werden.

Andere Maschinen und Einrichtungen erfordern wenigstens kostspielige Abänderungen.

,,2. In einer Reihe von Fällen können die bisherigen Arbeitsgebäude für die Herstellung von Sicherheitszündholzern nicht verwendet werden, weil sie entweder mehrstöckig sind, oder hinsichtlich der Höhe der Räume und Fenster und der Weite der Thüren den im Gesetz gestellten Anforderungen auch nicht im entferntesten entsprechen. Das Umbauen derselben würde annähernd gleich viel kosten, wie das Neubauen. Da sie zu einem andern Gewerbebetrieb ohne kostspielige Umänderungen in der Regel nicht zu gebrauchen oder zu verkaufen sind, so verlieren sie sehr viel am Wert. Alle für die neue Fabrikation gestatteten Gebäude bedürfen zum mindesten wesentlicher Umbauten.

,,3. Nicht unerhebliche Mengen vorhandener Rohstoffe werden unbrauchbar und damit zum Teil entwertet. Es ist nämlich besonders in größeren Betrieben, wo der Verbrauch von Rohmaterialien immer sehr schwankt, geradezu unmöglich, genau so viel zu bestellen, als man bis zum 1. Juli, dem Endtermin für die Fabrikation von Phosphorhölzchen, aufbrauchen kann.

,,4. In Voraussicht des Inkrafttretens des Bundesgesetzes sind große Mengen Phosphorzündhölzer eingeführt worden, so daß in den nächsten drei Jahren der Absatz an Sicherheitszündhölzern sehr gering sein wird und den Fabrikanten aus diesem Grunde ein sicherer Verdienstausfall bevorsteht.

,,5. Der Ertrag der Fabrikation von Sicherheitszündhölzern wird im allgemeinen bedeutend geringer sein, als derjenige der Fabrikation von Phosphorzündhölzern, unter anderm, weil das hierfür nötige Aspenholz, beziehungsweise der Holzdraht und die Schachteln fast ausschließlich aus dem Ausland bezogen werden müssen, so daß bedeutende Fracht- und Zollspesen neu entstehen.

Bis jetzt konnten wir inländisches Holz, sowie größtenteils im Inland fabrizierten Holzdraht und Schachteln verwenden. Diese Verschlechterung der Lage wird namentlich für die kleineren und mittleren Fabrikanten um so fühlbarer, als sich bereits große Gesellschaften zur Herstellung von Sichorheitszündhölzern im Inland gebildet haben, und zudem auch die ausländische Konkurrenz die größte Anstrengung macht, um den schweizerischen Zündholzmarkt an sich zu reißen. Die Konkurrenz wird sich in Zukunft für den kleineren und mittleren Fabrikanten fast unmöglich gestalten."

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Vom Bundesrat wurde die Eingabe dem Industriedepartement zur Berichterstattung überwiesen, das seinerseits das eidgenössische Fabrikinspektorat mit einem Gesamtgutachten beauftragte. Ebenso ist auch das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement in Bezug auf die rechtliche Seite des Gesuches um seine Ansicht befragt worden.

I.

Was die rechtliche Seite dor Frage betrifft, so haben die Petenten selber das Gefühl, daß von einer Schadenersatzpflicht des Bundes nicht die Rede sein könne ; denn sie schreiben in ihrer Eingabe : ,,Wenn auch der Bund zur Leistung von Schadenersatz rechtlich nicht verpflichtet sein mag, so stehen unserem Gesuche doch starke Gründe der Billigkeit zur Seite.

Das Bundesgesetz betreffend die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzchen, vom 2. November 1898, sieht in der That eine Entschädigung der Zündholzfabrikanten wegen des Phosphorverbotes nicht vor, und in seiner Botschaft vom 23. November 1897, betreffend den Gesetzesentwurf über Fabrikation, Einfuhr, Ausfuhr und Verkauf von Zündhölzchen mit gelbem Phosphor (siehe Bundesbl.

1897, IV, 996/1002) hat sieh der Bundesrat in Bezug auf die Entschädigungspflicht wie folgt ausgesprochen : ,,Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, fügen wir noch bei, daß unseres Erachtens bei Wiedereinführung des Phosphorverbotes so wenig von einer E n t s c h ä d i g u n g der F a b r i k a n t e n die Rede sein kann, wie beim Erlaß der Gesetze vom 23. De zember 1879 und vom 22. Juni 1882. Die rechtliche Begründung; dieses Standpunktes ist die nämliche, wie sie in unserem Bericht vom 1. Juni 1883 ,,über das Gesuch der Herren B. Bohy und Brack in Nyon, betreffend Entschädigung wegen Aufhebung des Phosphorverbotes" (Bundesbl. 1883, III, 152) dargelegt war, und von Ihnen durch Annahme unseres Antrages, das Entschädigungsgesuch als unbegründet abzuweisen, gutgeheißen wurde."

In diesem Bericht betreffend das Entschädigungsgesuch dor Herren E. Bohy und Brack in Nyon, äußert sich der Bundesrat folgendermaßen : ,,Was zunächst die rechtliche Seite dieser Angelegenheit betrifft, so ist die Frage, ob der Staat in Fällen, wie der vorliegende, entschädigungspflichtig sei, grundsätzlich zu verneinen. Diese Entschädigungspflicht kann im Verhältnis dos Staates zu den Privaten erst dann eintreten, wenn er deren w o h l -

568 e r w o r b e n e R e c h t e schmälert. Wohlerworbene Rechte sind begriffsgemäß b e s t i m m t e n Personen zu eigenem und selbständigem Gebrauche verliehen. Der Vorteil, welcher unter der Herrschaft einer gesetzlichen Bestimmung von einem jeden, der sich den betreffenden Bedingungen unterziehen will, für sich erreicht werden kann, bildet aber nicht das p r i v a t e R e c h t irgend eines Bürgers ; es fehlt ihm der Charakter der Selbständigkeit und Besonderheit. Wenn daher der Staat die gesetzlichen Bedingungen einer Privatthätigkeit früher oder später abändert, so kann daraus wohl dem Einzelnen ein Schaden erwachsen, es steht jedoch dorn Staat nicht ein S o n d e r r e c h t des Einzelnen gegenüber, welches er nur gegen Entschädigung aufzuheben befugt wäre.a Es waren, wie bekannt, ausschließlich Gründe humanitärer Natur, welche die Bundesbehörden veranlaßten, die Verbannung des gelben Phosphors aus der /ündhölzchenfabrikation durchzuführen; die hygieinische Besserstellung der in dieser Industrio arbeitenden Personen war der Endzweck des Bundesgesetzes vom 2. November 1898. Gesetzt den Fall, es haben die Petenten durch dieses Bundesgetz eine Schädigung ihrer Interessen erlitten, so ließ« sich daraus eine Entschädigungspflicht des Bundes nicht ableiten.

Nach der Praxis des Bundesgerichtes (s. bundesgerichtl. Entscheide XXII, 626, in Sachen Meyer und Keller contra Bundestiskus) wird Schadenersatzpflicht nur hinsichtlich solchen Schadens ausgesprochen, der durch die Enteignung von Privatrcchten entsteht. Einen Eingriff in die Rechtssphäre der Petenten enthält das erwähnte Bundesgesetz nicht. Wohl ist die freie Ausübung von Handel und Gewerbe gewährt, aber das individuelle Recht ist kein unbegrenztes, es findet seine natürliche Beschränkung in dem gleichen Rechte des andern, und in dem Schutze, welchen den Arbeitern angedeihen zu lassen, Pflicht des Staates ist.

Da also ein Privatrecht der Petenten nicht vorletzt worden ist, ist der Bund auch rechtlich nicht verpflichtet, dieselben zu.

entschädigen.

II.

Wenn andrerseits die 24 schweizerischen Zündholzfabrikanten in ihrer Eingabe sich darauf berufen, daß ihrem Gesuche starke Gründe der Billigkeit zur Seite stehen, und auf den bereits erwähnten Bericht des Bundosrates in Sachen der Herren E. Bohy und Brack in Nyon hinweisen, worin bei deren Gesuch solche Billigkeitsgründe prinzipiell anerkannt worden seien, so ist die Schlußfolgerung der Petenten durchaus unrichtig. Der Bericht des

569 Bundesrates betreffend das Gesuch E. Bohy und Brack lautet diesbezüglich : ,,Es giebt aber noch andere, mehr nebensächliche Gründe, welche gegen eine, allenfalls der Billigkeit halber geboten erscheinende Entschädigung sprechen." Der Bundesrat deutet hier nur auf eine ,, a l l e n f a l l s " der Billigkeit halber geboten erscheinende Entschädigung hin, in eine Erörterung dieses Standpunktes ist er gar nicht eingetreten, weshalb sich die Potenten auch nicht auf diesen Bericht des Bundesrates berufen können.

Untersuchen wir die in der Eingabe angeführten Gründe, welche für die Billigkeit sprechen sollen, so kann nachgewiesen werden, daß sie im Grunde wenig stichhaltig sind. Es ist Thatsaclie, daß der Verbrauch von Zündhölzchen nach schwedischem Recopt seit Jahren immer mehr zu-, derjenige von Zündhölzchen mit gelbem Phosphor dagegen abgenommen hat, ein Umstand, der naturgemäß auf die Preise der letztern nachteilig wirken mußte.

Wenn nun auch diese Preise seit Einführung des Phosyhorverbotes wieder gestiegen sind, so würden doch die früheren gedrückten Preisverhältnisse sofort wieder eintreten, sobald das Phosphorverbot neuerdings aufgehoben würde. Eine Ausnahmesituution dürfen «ber die Petenten nicht zur Basis der Berechnung ihres Schadens machen.

Wenn jedoch auch die Einführung des Verbots von gelbem Phosphor bei der Zündhölzchenfabrikation nicht stattgefunden hätte, so wäre der bisherige Zustand in derselben so wie so unhaltbar gewesen. Übrigens verweisen wir nun, namentlich da es sich auch um technische Fragen handelt, auf die nachfolgenden Ausführungen, die im gemeinsamen Gutachten der eidgenössischen Fabrikiuspektoren, vom 20. September 1900, enthalten sind: ,,Es gab eine Zeit, wo die Zündholzfabrikanten bedauerten, gegen das Zündholzmonopol, das sie entschädigt hätte, aufgetreten zu sein. Sie jammerten deshalb, weil sie sich durch die gegenseitige Konkurrenz die Preise so herabgedrückt hatten, daß sie die Kiste Phosphorhölzer zu Fr. 4. 80 bis Fr. 5 verkaufen mußten, also um die Brstellungskosten. Heute, nach Verbot des gelben Phosphors, verdienen sie wieder reichlich, da sie die Kisto um Fr. 7. 50 bis Fr. 8 verkaufen. Den Verzieht auf diesen Protit wollen sie dem Bunde als ihre Einbuße anrechnen, während sie selbst bei einer etwaigen Wiederaufhebung des Phosphorverbotes bald genug für die erbittertste Konkurrenz und das Verschwinden des Profits sorgen würden.

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,,Übrigens hätte der Staat auch bei fortdauernder Verwendung des gelben Phosphors die Pflicht gehabt, der Gefährdung der Arbeiter durch schlechte Bauten und Lokale, Unreinlichkeit und Unordnung, schlechte Betriebseinrichtungen entgegenzutreten. Schon längst hat das Fabrikinspektorat nachgewiesen, daß dio Mehrzahl der Zündholzfabrikanten gar nicht mehr lebensfähig wäre, wenn man dafür sorgen und die Gesetze so anwenden wollte, daß sie nicht mehr Vergiftungsanstalten für ihre Arbeiter sind.

,,So wenig als der Staat andern Industrien gegenüber zu einer Entschädigung verpflichtet ist, wenn er sie zu Ausgaben im Interesse des Arbeiterschutzes nötigt, so wenig wird er den Zündholzfabrikanten aus Billigkeitsrücksichten eine Entschädigung gewähren wollen. Niemals sind auch von anderer Seite derartige Forderungen gestellt worden, auch in Fällen nicht, in welchen einzelnen Fabrikanten für Verbesserung ihrer Einrichtungen Kosten erwachsen sind in der Höhe von Fr. 30--50,000. Als durch den Bundesratsbeschluß vom 29. November 1884 den Jacquardwebereien die weitere Verwendung von Bleigewichten verboten wurde, mußten sich die Weber dazu bequemen, auf eigene Kosten und ohne irgend welche Entschädigung den Ersatz der Bleigewichte durchzufUhren.

Er hat auch die Inhaber von Dampfkesseln verpflichtet, diese alljährlich durch Sachverständige prüfen zu lassen, und damit den Betreffenden namhafte und immer wiederkehrende Kosten auferlegt. Noch niemand hatte die Empfindung, es sei diesen Leuten ein Unrecht geschehen. Und warum sollte auch einem Schreiner oder Drechsler die Erstellung einer Staubabsonderung mit einer Auslage von Tausenden zugemutet werden, dem Zündholzfabrikanten aber eine viel geringere Ausgabe erspart bleiben oder sogar ersetzt werden? Wo wäre da die Gleichheit vor dem Gesetz?

,.,Treten .wir nunmehr nach diesen allgemeinen Bemerkungen auf die Würdigung der in der Eingabe sub l--5 angeführten Billigkeitsgründe ein !

,,Wenn die Petenten unter Ziffer l der Begründung ihres Schadens darthun, wie manche wertvolle Maschinen und technische Einrichtungen wertlos werden, wie manches ersetzt und abgeändert werden müsse, so soll hierzu bemerkt werden, daß bei einer Anfang Juli vorgenommenen Inspektion des größten Teiles der Zündholzfabrikanten noch keine einzige wesentliche Änderung an Maschinen und Einrichtungen
nachgewiesen werden konnte. Ebenso verhält es sich mit den Bauten, indem von 15 Fabrikanten trotz Fristverlängerung erst zwei mit den durch das neue Gesetz resp.

571 Vollziehungsverordnung geforderten Veränderungen begonnen hatten.

Von diesen 15 Fabrikanten haben übrigens nur 4 bauliche Veränderungen von etwelcher Bedeutung vorzunehmen und nur eine Firma beabsichtigt, neu zu bauen. Aus diesen Gründen wäre es zur Zeit durchaus unmöglich, auf die Würdigung der von don Petenten unter Ziffer l und 2 angeführten Schadenfaktoren einzutreten.

Es fällt uns übrigens auf, wie die Eingabe das Entgegenkommen vollständig ignoriert, das man den Fabrikanten betreffend Zulassung von Lokalen erwiesen hat, welche den Vorschriften nicht ganz entsprechen, aber ohne erhebliche sanitarische Nachteile oder sonstige Gefährdung benützt werden können. Sie übertreibt auch, wenn sie behauptet, obere Stockwerke seien von der Verwendung ausgeschlossen.

,,Nach unsern Erhebungen sind die Vorräte an Rohstofien nicht mehr so bedeutend, indem der wichtigste derselben, der gelbe Phosphor, laut Mitteilung verschiedener Fabrikanten beinahe aufgebraucht worden ist, da, wie man uns sagte, die Fabrikanten sich bis zum Endtermin der Fabrikation gegenseitig mit ihren Vorräten ausgeholfen haben. Verschiedene Besitzer größerer Quantitäten Phosphors scheinen für denselben bereits Absatz gefunden zu haben. Die andern Rohmaterialien können meist wieder verwendet werden und somit dürfte der unter Ziffer 3 rubrizierte Schaden kein namhafter sein.

,,Nun wußte aber jeder Fabrikant, wie viel er fabrizieren könne, und konnte demnach seinen Bedarf ausrechnen. Wenn er sich verrechnet hat, trägt er selbst die Schuld daran und nicht der Bund, der ihm in entgegenkommendster Weise die Endfristen behufs Aufarbeitung der Vorräte verlängert hat.

,,Ob der Absatz an Sicherheitszündhölzchen in den nächsten drei Jahren wirklich so gering sein wird, wie unter Ziffer 4 behauptet werden will, vermögen wir nicht zu beurteilen. Thatsache ist, daß die Einfuhr von Zündhölzchen und Streichkerzchen gegenüber früher bedeutend zugenommen hat, aber nicht erst in den letzten Jahren, sondern schon von 1894 an. Unter den eingeführten Waren dürften sich übrigens sehr viele Sicherheitshöker befinden und wir können annehmen, daß die vermehrte Einfuhr ebensogut oder zum Teil wenigstens auf das sich im Publikum stetsfort steigernde Bedürfnis nach guten Streichholzern schwedischer Art zurückführen ließe. Hierfür spricht auch eine Notiz aus der Feder einer Autorität in der Zündwarenindustrie, die wir der Chemikerzeitung Nr. 39 entnehmen. Dort spricht sich W. Jette],

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Rodaktor der Zeitschrift für Zündwarenfabrikation und Vorstand des Vereins der deutschen Zündwarenfabrikanten, folgendermaßen aus : ,,Die Fabrikation von Phosphorhölzern nimmt ganz von selbst a b . . . Die Nachfrage nach Phosphorhölzern wird also geringer und deshalb auch die Produktion. Ganz in demselben Sinne hat sich der nämliche Fachmann schon früher in seinem Werke über die Zündwarenfabrikation (Wien 1897) ausgesprochen.

,,Wir sind auch der Überzeugung, daß nicht zum wenigsten die in den letzten Jahren forderte inländische Produktion von Phosphorhölzchen wesentlich zum Anhäufen der signalisierten Vorräte beigetragen hat. Deshalb haben sich auch die Fabrikanten, wie übrigens weiter oben schon erwähnt, den allfälligen Verdienstausfall wohl zu einem großen Teile selbst zuzuschreiben.

,,Die unter Ziffer 5 aufgestellte Behauptung, daß der Ertrag der Fabrikation von Sicherheitszündhölzchen im allgemeinen bedeutend geringer sein werde, als derjenige der Fabrikation von Gelbphosphorhölzern, können wir darum nicht so ohne weiteres gelten lassen, weil von jeher wohl dio Mehrzahl unserer Zündholzfabrikanten den erforderlichen Holzdraht aus dem Auslande bezogen hat. Wir können auch hier wieder als unbefangenen Zeugen die schon erwähnte Autorität in Zündholzfragen anrufen. W. Jettel schreibt nämlich in seinem vorgenannten Werke über diese Angelegenheit wie folgt: ",Man hat damals, als den Schweizer Fabrikanten Vorwürfe darüber gemacht wurden, daß sie die Fabrikation der Sicherheitszündhölzer nicht eingeführt hätten, eingewendet, daß der Bezug von Aspenholz und Draht zu große Schwierigkeiten gemacht hätte; mit Unrecht, d e n n a u c h h e u t e n o c h (1897) b e z i e h t die Mehrzahl der S c h w e i z e r F a b r i k a n t e n d e n H o l z d r a h t zu Phosphorhölzern -- aus dem Böhmerwald."

,,Die Fabrikanten brauchen also nur zu thun, was sie bisanhin gethan haben, nämlich wieder den Holzdraht aus dem Auslande zu beziehen. Dänemark mit seiner blühenden Zündholz industrie ist für den Bezug von Aspenholz ganz auf das Ausland angewiesen und zum Teil auch Deutschland, also steht die Sache nicht so schlimm, namentlich, wenn man in Betracht zieht, daß das Publikum daran gewöhnt ist, für Sicherheitshölzer, wenigstens für solche guter Qualität, etwas höhere Preise anzulegen. Im übrigen sind auch bereits
schon Versuche mit der Verwendung anderer Holzarten, wie Weiden-, Pappel-, Linden- und Birkenholz für die Zündholzindustrie und zwar mit Erfolg gemacht werden, so daß

573 wohl auch ein Teil des Bedarfs wird im Tnlande gedeckt werden können.

,,Auch die Schachtelfabrikation im Inlande dürfte nicht wesentliche Einbuße erleiden, denn aus den zu Anfang des Jahres gemachten Eingaben der Zündholzfabrikanten und aus den eingesandten Mustern ist zu schließen, daß die Mehrzahl derselben die bisanhin gebräuchlichen Schachtelmodelle weiter verwenden will.

,,Es können sich übrigens für Materialbezüge die kleineren Fabrikanten zusammenthun und so wird es ihnen möglich werden, Holzdraht und Schachteln so billig zu beschaffen wie große Unternehmungen.

,,Wenn in der Eingabe behauptet wird, bei strengern sanitarischen Vorschriften und Belassung des gelben Phosphors wären die unter Ziffer 5 genannten Schadenfaktoren nicht in Frage gekommen, so mag dies für die großen Betriebe vielleicht seine Richtigkeit haben, nicht aber für die diese Behauptung ebenfalls unterwtützonden kleinen Fabriken, denn, wie schon an anderer Stelle bemerkt wurde, hätten bei Fortdauer der Gelbphosphorfabrikation ganz andere, strengere Vorschriften erlassen und an die Beschaffenheit der Lokale viel weitgehendere Anforderungen gestellt worden müssen, als es bis jetzt der Fall war, und diesen Ansprüchen hatten doch nur wenige oder keine der kleinen Geschäfte genügen können.

Gab es doch schon längst Betriebe genug, welche trotz hohen Einfuhrzolles von der deutschen Konkurrenz erdrückt zu werden behaupteten !

,,Sehr eigentümlich nimmt sich das Verlangen aus, daß der Berechnung einer allfìillig auszurichtenden Entschädigung di;: Arbeitorzahl der beiden letzten Jahre zu Grunde gelegt werde. Verschiedene Fabriken waren jahrelang geschlossen und erst weit dem Steigen der Preise für Gelbphosphorhölzchen, d. h. seit Krlal.l des Phosphorverbotes ist in denselben wieder gearbeitet worden : andere haben, um die Produktion zu forcieren, die Arbeiteraahl vermehrt und nun sollen diese außergewöhnlichen Verhältnisse als Grundlage der Berechnung dienen !

,,Wir können uns nicht versagen, in einigen Beispielen die nach dem vorgeschlagenen Schema zu berechnenden Entschädigungssummen dem eigentlichen Werte von Gebäude und Inventar gegenüberzustellen. Die Wertziffern, vrelehe sich auf einige der kleinsten Fabriken beziehen, sind im Jahre 1891 erhoben

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worden ; Änderungen an Bau und Einrichtungen haben in denselben seit jener Zeit nicht stattgefunden.

,,Die Fabrik des A repräsentierte nach der Brandsteuerschatzung einen Wert von Fr. 2800, das vorhandene Inventar wurde nach dem von uns angewandten einheitlichen Schema mit Fr. 2500 jedenfalls hoch taxiert, der Total wert für Gebäude und Inventar hat sich somit 1891 auf Fr. 5300 belaufen und dürfte sich auch heute nicht wesentlich höher stellen. In den letzten zwei Jahren hat der Fabrikant durchschnittlich vier Arbeiter beschäftigt und müßte demnach mit Fr. 4000, oder mit rund 75 °/o des Schatzungswertes entschädigt werden.

,,B's Fabrik stand im Brandsteuerregister mit Fr. 6850, das Inventar war zu Fr. 3450 taxiert, der Totalwert konnte also zu Fr. 10,300 angenommen werden. Die durchschnittliche Arbeiter/ahl der letzten beiden Jahre war acht ; die Entschädigung müßte sich somit belaufen auf Fr. 8000 oder 77 °/o des Schätzungswertes von 1891.

,,Die Fabrik des C stand in der Brandsteuerschatzung mit Fr. 3100, das Inventar war zu Fr. 1110 gewertet. Die Entschädigungssumme für die durchschnittliche Zahl von sechs Arbeitern würde sich auf Fr. 6000 belaufen, welcher Betrag 142 % des früher ermittelten Wertes gleichkommen würde.

,,Aus allem dem geht hervor, daß die Entschädigungsansprüche der Petenten viel zu hoch gegriffen sind und deshalb auch dann nicht berücksichtigt werden könnten, wenn wirklich Billigkeitsgründe für sie sprechen würden. Aber diese sind nach unserer Überzeugung nicht vorhanden und somit gelangen wir einstimmig dazu, Ihnen Abweisung des Gesuches zu beantragen.a Diesen Erörterungen haben wir wenig mehr beizufügen. Die Petenten haben einen Beweis der angeblichen Schädigung der Zündhölzchenindustrie durch das Phosphorverbot nicht erbracht; Umänderungen von Fabrikanlagen sind nur zu einem ganz geringen Teile gemacht worden. Der Fortschritt der Technik ist eben auch hier, wie bei vielen andern Industriezweigen, der größte Gegner der kleinern Fabrikanten ; dort und in der Konkurrenz auf dem Weltmarkte müssen die Potenten die Ursachen suchen, daß die Zündhölzchenfabrikation bei uns im allgemeinen einen schweren Stand hat.

Wir beantragen daher, das Gesuch der 24 schweizerischen Zündholzfabrikanten um Vergiltung des durch Wiedereinführung des Phosphorverbotes vermeintlich erlittenen Schadens abzulehnen.

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Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B'ern, den 13. November 1900.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Hauser.

Der I. Vizekanzler : Schatzmann.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Gesuch von 24 schweizerischen Zündholzfabrikanten um Schadenersatz. (Vom 13. November 1900.)

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14.11.1900

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