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Schweizerisches Bundesblatt.

52. Jahrgang. III.

Nr. 30.

25. Juli 1900.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung in Sachen des von Füsilier Emil Pasteur, Bataillon Nr. 10/II, in Genf, gegen einen bundesrätlichen Entscheid gerichteten Rekurses betreffend Bewilligung einer Entschädigung für Erkrankung nach dem Militärdienst.

(Vom 24. Juli 1900.)

Tit.

Am 31. Oktober 1899 erkrankte Füsilier Emil Pasteur, Bataillon Nr. 10/11, geboren 1874, wohnhaft in Genf, welcher als Nachdienstpflichtiger die Schießschule Nr. 6 zu Wallenstadt absolviert hatte, gleich nach Schluß dieses Dienstes an einer heftigen Darmentzündung. Derselbe konsultierte sofort die Herren Dr. Blanchard, Tondeur und Jeandin und wurde darauf auf den Bericht des letztgenannten Arztes hin unverzüglich in das Genfer Kantonsspital verbracht, wo er bis zum 24. November blieb. Da Pasteur in diesem Zeitpunkte noch nicht völlig wieder hergestellt war, so sah sich der Oberfeldarzt veranlaßt, dem betreffenden Spitalarzte, der die verfrühte Entlassung angeordnet, eine Bemerkung für sein vorschriftswidriges Verfahren zu machen. Am 9. Januar 1900 trat sodann der Patient auf die Weisung unseres Militärdepartements hin neuerdings in Spitalbehandlung, welche bis zum 18. Januar dauerte. Sein Darmleiden war mittlerweile geheilt; dagegen litt Pasteur an einer Augenaffektion, welche laut ärztlichem Gutachten durch eine chronische Bleivergiftung hervorgerufen war, welche Bundesblatt.

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710 sich derselbe in Ausübung seines Berufes als Schriftsetzer zugezogen haben mußte. Mit Rücksicht auf diese Affektion, welche mit dem Militärdienste in keinem ursächlichen Zusammenhang stund, wurde dem Patienten anläßlich seiner zweiten Entlassung aus dem Spital vom Arzte der Rat erteilt, während ungefähr 14 Tagen seine Augen noch zu schonen. Infolgedessen hat dann Pasteur seine bürgerliche Beschäftigung erst am 28. Januar wieder aufgenommen.

Mit Schreiben vom 13. und 25. Januar d. J. stellte nun Pasteur das Gesuch, es möchte ihm der während seiner Krankheitsperiode entgangene Arbeitslohn, sowie die Kosten der ärztlichen Konsultation von der Eidgenossenschaft ersetzt und ihm zu diesem Behufe eine Summe ausbezahlt werden, welche nach Abzug des während seines Aufenthaltes in der Heilanstalt bezogenen Soldes Fr. 702 betragen sollte. Nach den Berechnungen des Petenten stellt sich dieser Betrag aus folgenden Posten zusammen: 1. Lohnverlust (ein Taglohn von Fr. 7 während 90 Tagen, die oben erwähnte 14tägige Rekonvalescenzzeit Inbegriffen) Fr. 630 2. Kosten der im Oktober 1899 vor Eintritt in das Spital veranstalteten Konsultation ,, 100 Fr. 730

3. Hiervon abgezogen der tägliche Spitalsold, welcher während der Zeit vom 31. Oktober bis 24. November 1899 und vom 9. bis 18. Januar 1900 entrichtet worden war (Fr. 0,s X 35) . . . .

Bleibt eine Gesamtentschädigung von

,,

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Fr. 702

Mit seiner Forderung durch den einläßlichen Entscheid unseres Militärdepartements vom 12. Februar abgewiesen, erklärte Pasteur im März den Rekurs an den Bundesrat und hielt dabei alle seine Ansprüche aufrecht. Wir haben jedoch auf den Antrag unserer Departemente des Militärs und der Justiz das Begehren des Rokurrenteu durch Schlußnahme vom 6. April abgewiesen, mit der Begründung, daß nicht der Tagesverdienst, beziehungsweise der entgangene Gewinn die Grundlage für die Bemessung der Entschädigung bildet, sondern daß hierfür einzig die Bestimmungen des Bundesgesetzes über Militärpensionen und Entschädigungen vom 13. November 1874 maßgebend sind. Auch ist die Eidgenossenschaft nicht verpflichtet, dem Beschwerdeführer die Auslagen, welche derselbe durch Konsultierunso der eingangs IxezeichO i o O

711 neten Ärzte gehabt hatte, zu ersetzen. Ein/ig Herrn Dr. Jeandin, auf dessen Meldung hin die Überführung Pasteurs in das Kantonsspital erfolgt war, schuldete der Bund die reglementarische Gebühr von Fr. 5, welche seiner Zeit auch richtig ausbezahlt wurde.

Übrigens hatte, beiläufig bemerkt, der Rekurrent gleich Fr. 100 für diese von ihm veranlaßten Arztkosten verlangt, während die Summe der von ihm nachträglich eingesandten Rechnungen nur Fr. 37 beträgt.

Gegen unsern Entscheid erhob Pasteur unterm 21. Mai nunmehr noch Berufung an die Bundesversammlung.

An seinem vermeintlichen Ansprüche auf Ersatz des entgangenen Arbeitslohnes festhaltend, läßt derselbe immerhin in der letzten Instanz die ganz unhaltbare Forderung auf Vergütung der Arztkosten im Betrage von Fr. 100 fallen, so daß sich die von ihm verlangte Entschädigung auf Fr. 602 reduziert. Demgegenüber sehen wir uns jedoch in Anbetracht dessen, daß vom Beschwerdeführer in seiner letzten Eingabe keine neuen Thatsachen von Belang geltend gemacht werden, nicht veranlaßt, auf unsern Entscheid vom 6. April im Sinne einer Abänderung zurückzukommen. Vielmehr halten wir auch das nunmehrige Begehren Pasteurs für vollständig unannehmbar und erlauben uns, Sie bei der Behandlung der vorliegenden Beschwerde namentlich auf folgende Punkte aufmerksam zu machen : 1. Rekurrent hat während der Zeit seines ersten und zweiten Spitalaufenthaltes (31. Oktober bis 24. November 1899 und 9. bis 18. Januar 1900) freie Verpflegung, sowie nebstdem an Spitalsold (während 35 Tagen täglich 80 Cts.) einen Betrag von Fr. 28 erhalten.

2. Zudem hat derselbe für die Zeit häuslicher Verpflegung (25. November bis 31. Dezember 1899 == 37 Tage) Anspruch auf das Spitalgeldäquivalent von Fr. 2. 50 nebst 80 Cts. Sold, was pro Tag einen Betrag von Fr. 3. 30 und für den erwähnten Zeitabschnitt eine Entschädigung von rund Fr. 130 ausmacht.

In gleicher Weise ist der Beschwerdeführer berechtigt, für die Zeit vom 1.-bis 8. Januar 1900, welche er ebenfalls zu Hause verbrachte, sich einen fernem Betrag von Fr. 30 (Fr. 3. 30 X 8 = Fr. 26. 40, rund Fr. 30) ausbezahlen zu lassen.

Diese beiden zuletzt aufgezählten Beträge, welche eine Gresamtentschädigung von Fr. 160 ausmachen, sind Pasteur von unserm Militärdepartement und hinwiederum von uns selbst anläßlich der Erledigung seiner frühern Eingaben angeboten worden ; derselbe hat jedoch die genannte Summe als ungenügend zurückgewiesen.

712 3. Für die 14tägige Rekonvalescenzzeit nach der am 18. Januar 1900 erfolgten Entlassung aus dem Spital hat Pasteur dagegen kein Anrecht auf Entschädigung, da diese Erholungsfrist lediglich wegen seines Augenleidens notwendig geworden war, welch letzteres, wie schon früher bemerkt, als eine Folge der in beruflicher Thätigkeit erworbenen Bleivergiftung zu betrachten ist.

Wie die vorstehenden Ausführungen beweisen, hat dor Beschwerdeführer alle Leistungen, auf die er gemäß dem eidgenössischen Pensionsgesetz Anspruch erheben konnte, erhalten. Anderseits steht fest, daß die Forderung desselben auf Vergütung des Lohnverlustes, weil auf keiner gesetzlichen Bestimmung beruhend, vollständig unhaltbar ist.

Höchstens bleibt noch die Frage zu erörtern, ob nicht dem Rekurrenten außerordentlicherweise wegen bedrängter finanzieller Verhältnisse eine Zulage zum Spitalsolde gewährt werden sollte.

In dieser Hinsicht ist jedoch zu konstatieren, daß Pasteur es stets abgelehnt hat, eine amtliche Bescheinigung seiner Bedürftigkeit vorzulegen, und daß er über diesen Punkt auch in seiner an die eidgenössischen Räte gerichteten Rekursschrift mit einigen kräftigen Worten hinweggeht. Wir sind daher völlig zu der Annahme berechtigt, daß eine Notlage, welche eine außerordentliche Zuwendung rechtfertigen würde, im vorliegenden Falle nicht besteht.

Nachdem wir nachgewiesen haben, daß dem Beschwerdeführer weder aus rechtlichen Gründen noch aus kommiserativen Rücksichten eine über die bereits bezogenen, beziehungsweise angebotenen Entschädigungen hinausgehende Vergütung gebührt, gestatten wir uns,, zur BeleuchtungO der Angelegenheit noch kurz o O nachstehendes beizufügen : Es ist überhaupt sehr zweifelhaft, ob die Darmkrankheit Pasteurs dem Militärdienste zur Last, gelegt werden kann, un bemerkt der Oberfeldarzt in seinem Berichte vom 20. März diesfalls : ,,Es ist bei der im Spitale konstatierton Existenz einer Bleivergiftung sehr wahrscheinlich, daß die Darmerkrankung des Potenten durchaus nicht mit einer "pérityphlite à rechutes" zusammenhing, wie zuerst, allerdings unter Zweifeln, vom Spitalarzt vermutet worden war, sondern ebenfalls als eine Konsequenz der beruflichen Bleivergiftung desselben aufzufassen ist. Es batto somit Pasteur überhaupt keinen Anspruch auf Bundehülfe gehabt."

Auf die Wahrscheinlichkeit dieses Zusammenhanges kommt der Oberfeldarzt in seiner letzten Vernehmlassung vom 28. Juni noch einmal zurück und weist in weiterer Ausführung darauf hin,

713 daß die Darmkrankheit des Rekurrenten um so mehr der Bleivergiftung zugeschrieben werden dürfe, als derselbe im Verlaufe des Wiederholungskurses in Wallenstadt gar keine Gelegenheit gehabt hat, sich anzustrengen und infolge von Übermüdung eine Krankheit zuzuziehen. Es muß nämlich, wenn der Beschwerdeführer sich in seiner Eingabe über Strapazen, die er während der Schießschule erduldet haben will, beklagt, dieser Behauptung die Thatsache entgegengehalten werden, daß Pasteur, welcher sich bereits zu Anfang des betreffenden Kurses krank gemeldet hatte, von 17 Diensttagen 9 wegen ^Rheumatismen" im Krankenzimmer zugebracht hat, so daß er auch am Ausmarsch der Schule nicht teilnehmen konnte. Die an sich schon unglaublich klingende Angabe des Rekurrenten, er habe während seines Unwohlseins in Wallenstadt jeglicher Pflege entbehren müssen, weisen wir aber als ganz unwahr zurück.

Am Schlüsse unseres Berichtes angelangt, wollen wir nicht unerwähnt lassen, daß es nach wie vor die Ansicht der unterzeichneten Behörde ist, daß eine Berufung gegen Entscheide des Bundesrates in Sachen von Militärpensionen und Entschädigungen nicht erhoben werden kann. Da jedoch die Bundesversammlung die Frage, ob die eidgenössischen Räte in Bezug auf die materielle Prüfung von Beschwerden der vorliegenden Art zuständig seien, in ihrer bisherigen Praxis bejaht hat, so sehen wir in dieser Angelegenheit davon ab, die Kompetenzfrage von neuem aufzuwerfen.

In Umfassung des Angebrachten und gestützt auf das vorhandene Aktenmaterial beehren wir uns daher, Ihnen zu beantragen, .Sie wollen den Rekurs des Emil Pasteur als unbegründet abweisen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

B e r n , den 24. Juli 1900.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der V i z e p r ä s i d e n t :

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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