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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Constant Müller, Hausierers, von und in Bonfol (Kanton Bern).

(Vom 6. Dezember 1900.)

Tit.

Pctcnt wurde vom Polizeirichter in Delsberg durch Urteil vom 17. Januar 1900 wegen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz vom 2. November 1898 betreffend die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzchen mit Fr. 100 Geldbuße bestraft und zur Tragung der sich auf Fr. 3. 80 belaufenden Kosten verpflichtet.

In einem an den Großen Rat des Kantons Bern gerichteten, wegen Unzuständigkeit dieser Behörde an den Bundesrat zu Händen der Bundesversammlung ühergeleiteten Gesuche bittet der Verurteilte um gnadenweise Erlaß der über ihn verhängten Strafe.

Aus den Akten ergiebt sich in thatsächlicher Beziehung folgendes: Müller wurde von dem in Courtetelle stationierten bernischen Polizisten am 30. Dezember 1899 angehalten, weil er ein Paket Zündhölzchen bei sich. trug, bestehend aus 10 Schachteln preussischer Zündhölzchen, die er von Haus zu Haus kolportierte, um sie zu verkaufen. Der Polizeibedienstete konstatierte, daß Müller kein Patent besaß und sequestrierte das Paket, weil die preussischen Zündhölzchen in der Schweiz verboten seien. Weder von ihm, noch vom Polizeirichter wurde Müller über die Provenienz der verdächtigen" Ware befragt. Er unterzog sich freiwillig dein gerichtlichen Entscheid, durch welchen wegen Übertretung von Art. 4 des Bundesgesetzes das in Art. 9, lemma l, des Gesetzes angedrohte 8 traf mi n i m um von Fr. 100 über ihn verhängt wurde.

Die Frage, ob auch eine Verletzung des Hausiergesetzes begangen worden sei, blieb in diesem Verfahren unberührt.

In dem Begnadigungsgesuche behauptet nun Müller, er habe die fraglichen Zündhölzer nicht selbst in die Schweiz eingeführt,

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sondern sie von einem Constant Bregnar in Beurnevesin gekauft, der seinerseits am 31. Mai 1899 in ordnungsgemäßer Weise und mit gehöriger Verzollung eine größere Partie solcher Ware aus Deutschland bezogen habe. Zürn Beweise hierfür legt er ein schriftliches Zeugnis des Bregnard und eine Quittung- der Zollstation Bonfol vor.

Die Unrichtigkeit dieser neuen Angaben darf nicht vorausgesetzt werden. Wenn sie aber der rechtlichen Beurteilung der Handlungsweise des Petenten zu Grunde gelegt werden, so ergiebt sich, daß seine Bestrafung eine irrtümliche war, denn der bloße Verkauf von Zündhölzchen mit gelbem Phosphor (Phosphor blanc) war nach dem Bundesratsbeschluß vom 10. März 1899 betreffend das Inkrafttreten des Gesetzes vom 2. November 1898 erst vom 1. Januar 1900, ja nach der Verordnung vom 30. Dezember 1899 erst vom 1. April 15)01 an strafbar (A. S. n. F. XVII, 80 und 748/749).

Der Regierungsrat des Kantons Bern empfiehlt das vorliegende Begnadigungsgesuch mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles, sowie die zahlreiche Familie des ganz mittellosen Bittstellers. Er spricht zudem die Ansicht aus, daß, wenn Müller die nachträglich heimbrachten Zeugnisse, durch welche dargethan wird, daß die von ihm kolportierten Zündhölzchen vor dem Inkrafttreten des Verbotes eingeführt worden sind, dem Richter rechtzeitig produziert hätte, jedenfalls seine Verurteilung wegen Widerhandlung gegen jenes Verbot nicht erfolgt wäre.

In Anbetracht der vorliegenden Verhältnisse halten wir eine Begnadigung für gerechtfertigt und stellen bei Ihrer hohen Versammlung den À n t r a g: Es sei dein Petenten die ihm vom Polizeirichter von Delsberg unterm 17. Januar 1. J. auferlegte Polizeistrafe in Gnaden zu erlassen.

B e r n , den ti. Dezember 1900.

Im Namen des Schweiz. Bundesraten, Der Bundespräsident:

Hanser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Constant Müller, Hausierers, von und in Bonfol (Kanton Bern). (Vom 6. Dezember 1900.)

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