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Bundesrathsbeschluß über

den Rekurs von C. Huber, in Altdorf, betreffend die Anwendung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs.

(Vom 23. Februar 1892.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s rat h hat

in Sachen des Rekurses des C. H u b e r, Namens der Aktiengesellschaft zum Schützengarten in Altdorf, betreffend die Anwendung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs; auf das Gutachten des eidgenössischen Rathes für Schuldbetreibung und Konkurs und den gleichlautenden Antrag des Justizund Polizeidepartements ; nach Feststellung folgender aktenmäßiger Thatsachen : I.

Die Aktiengesellschaft zum Schützengarten in Altdorf ließ am 16. Dezember 1891 ihrem gewesenen Miether Karl Lierer, der ihr pro Martini 1891 einen Miethzins von Fr. 60 schuldig geblieben war, weibelamtlich anzeigen, daß sie am 11. Januar 1892 vor der Gerichtskommission die Versteigerung und Verwerthung des von ihr retinirten Hausrathes verlangen werde, wofern er nicht Fr. 60 zahle.

Vor der Gerichtskommission, am 11. Januar 1892, erhob Lierer keine Einsprache, die Gerichtskommission trat aber auf das klägerische Begehren nicht ein, weil mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs am 3. Januar 1892 die Betreibung nach eidgenössischem Recht neu angehoben werden mUsse.

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Die Klägerin beschwerte sich gegen diesen Entscheid bei der kantonalen Aufsichtsbehörde (Regierungsrath). Diese aber, mit Beschluß vom 23. Januar, weigerte sich, auf die Beschwerde einzutreten.

Die Weigerung der Aufsichtsbehörde stützt sich auf die Erwägung, daß die Klägerin, indem sie mit ihrem Verwerthungsbegehren an die Gerichtskommission gelangte, diese Behörde als erste Instanz anerkannt habe und nunmehr den Weiterzug nicht bei der Administrativbehörde, sondern gemäß Art. 66, litt, b, der Kantonsverfassung auf dem Rekurswege oder Kassationswege beim Obergericht geltend machen müsse.

(Die angeführte Veiiassungsbestimmung lautet : ,,Das Obergericht ist die höchste richterliche Behörde und entscheidet: b. als Rekurs- und Kassationsinstanz über alle Rekurse und Kassationsbegehren gegen Entscheide der untern Gerichtsinstanzen.tt)

II.

MH Rekursschrift vom 3. Februar 1892 erhob Herr C. Huber ' Namens der Aktiengesellschaft zum Schützengarten gegen den obigen Beschluß der Aufsichtsbehörde von Uri Beschwerde beim Bundesrathe.

Die angeführte Bestimmung der Verfassung von Uri, so führt die Rekurrentin aus, gebe ' ihr allerdings das Recht, gegen den Entscheid der Gerichtskommission an das Obergericht zu rekurriren, allein mit Bezug auf Streitigkeiten über die Frage, ob in einem einzelnen Falle das bisherige kantonale Recht oder das Bundesgesetz anwendbar sei, gewähre Art. 334 des. Betreibungsgesetzes das Recht zum Rekurs an die kantolalen Aufsichtsbehörden und an den Bundesrath. Diesen Art. 334 ignorire der angefochtene Regierungsbeschluß vollständig.

Die Rekurrentin stellt daher das Gesuch, es möge die Aufsichtsbehörde von Uri (der Regierungsrath) verhalten werden, daß sie auf den Rekurs der Schützengarten-Gesellschaft eintrete und darüber entscheide, und es sei in diesem Sinne deren Beschluß vom 23. Januar 1892 aufzuheben ; i n E r w ä go u n g : 1. Art. 334 des Betreibungsgesetzes lautet: ,,Alle Streitigkeiten, welche über die Frage entstehen, ob in einem einzelnen Falle das bisherige kantonale Recht oder das Bundesgesetz anwendbar sei, können auf dem Wege des Rekurses dem Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörde und des Bundesrathes unterbreitet werden.a

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2. Indem die Rekürrentin versuchte, die Verwerthung der von ihr innegehabten ßetentionsgegenstände nach Maßgabe des bisherigen kantonalen Rechts zu erwirken, die hiefür angesprochene Behörde aber ihre Mitwirkung ablehnte, indem sie das neue Recht anwendbar erklärte, ist eine der in Art. 334 B.-G. vorgesehenen Streitigkeiten entstanden. Die Aufsichtsbehörde von Uri ist demnach verpflichtet, diese Streitigkeit zu entscheiden, und zwar ohne Weiteres, da das Betreibungsgesetz von der vorgängigen Erschöpfung eines anderweitigen Instanzenzuges vollständig absieht, beschlossen: 1. Der Beschluß des ßegierungsrathes von Uri vom 23. Januar wird aufgehoben und die genannte Behörde, in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs, angehalten, auf den Rekurs der Aktiengesellschaft zum Schützengarteu, vom 14. Januar 1892, einzutreten und darüber zu entscheiden.

2. Kenntnißgabe an den Regierungsrath von Uri uad, unter Rückschluß der drei Beilagen, an den Vertreter der Rekurrentin.

B e r n , den 23. Februar

1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Hauser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

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Bundesrathsbeschluß über den Rekurs von C. Huber, in Altdorf, betreffend die Anwendung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs. (Vom 23. Februar 1892.)

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02.03.1892

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