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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des August Frey, Stationsvorstandes in Suhr, und des Heinrich Lattmann, Lokomotivführers in Aarau.

(Vom 6. Dezember 1900.)

Tit.

Die Fetenten wurden durch Urteil des Obergerichts des Kautons Aargau, Abteilung für Strafsachen, vom 11. Oktober 1900, der fahrlässigen Betriebsgefährdung im Sinne von Art. 67, litt, b, des Bundesstrafrechtes schuldig erklärt, und in Anwendung dieses Gesetzes mit je einem Tag Gefängnis, außerdem August Frey mit einer Buße von Fr. 15, Heinrich Lattmann mit einer solchen von Ff. '25 bestraft, eventuell für den Fall der Zahlungsunfähigkeit mit je l Tag Gefängnis an Stelle von Fr. 5 Geldbuße. Im fernem verurteilte das Gericht die Bestraften zu solidarischer Tragung der Gerichtskosten.

Nunmehr reicht Herr Fürsprech kurz in Aarau, namens der Verurteilten, das Gesuch ein, daß ihnen durch die Bundesversammlung die Gefängnisstrafe erlassen werden möchte, weil diese Strafart nicht im Einklang stehe mit der Natur des begangenen Deliktes und zu gunsten der sonst pflichtgetreuen und wohlbeleumdeten Fehlbaren ihre besonders große Arbeitsbelastung zur kritischen Zeit und die Schwierigkeit ihrer Dienstaufgaben berücksichtig werden müssen, welche durch eine plötzliche Zug-Kreuzungsver legung noch vermehrt worden sei.

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Bezüglich Lattmann wird speciell hervorgehoben, der Strafrichter habe ihm mit Unrecht eine Dienstverletzung durch Unterlassung der Kontrolle der Weichenstellung zur Last gelegt, da eine reglementarische Vorschrift für die Lokomotivführer zu solcher Kontrolle nicht bestehe.

Diese letztere Argumentation ist zwar unrichtig, denn sowohl das allgemeine Dienstreglement für die Lokomotivführer und Heizer der schweizerischen Normalbahnen, Art. 24, 2, als auch das allgemeine Reglement über den Fahrdienst, Art. 46, 4, verpflichten die Lokomotivführer ausdrücklich zu beständiger Beobachtung der Signale bei Abfahrt und während der Fahrt. Im übrigen aber entspricht der Nachlaß der Gefängnisstrafe im vorliegenden Falle so sehr der Praxis der h. Bundesversammlung und den Grundsätzen, welche dem Entwurfe zur Revision des Art. 67 des Bundessirafrechtes zu Grunde liegen (Bundesbl. 1900, IV, 157), daß wir eine Begnadigung im vorliegenden Falle für gerechtfertigt halten.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei den Petenten die durch das vorgenannte Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau auferlegte Gefängnisstrafe von je einem Tag in Gnaden zu erlassen.

B e r n , den B.Dezember 1900.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Hauser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des August Frey, Stationsvorstandes in Suhr, und des Heinrich Lattmann, Lokomotivführers in Aarau. (Vom 6. Dezember 1900.)

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12.12.1900

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