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Bundesratsbeschluß über

die Beschwerde des B. Guillaume-Gentil, Apothekers, in Basel, gegen die Verordnung des Regierungsrates des Kantons Baselstadt vom 14. Oktober 1899, betreffend das Apothekenwesen.

(Vom 16. Juni 1900.)

Der schweizerische Bundes rat hat

über die Beschwerde des B. G u i l l a u m e - G e n t i l , Apothekers, in Basel, gegen die Verordnung des Regierungsrates des Kantons Baselstadt vom 14. Oktober 1899, betreffend das Apothekenwesen, auf den Bericht seines Justiz- und Polizeidepartements folgenden Beschluß gefaßt: A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Am 14. Oktober 1899 setzte der Regierungsrat des Kantons Baselstadt eine Verordnung betreffend das Apothekenwesen in Kraft, deren Art. 21, Absatz l, lautet: ,,Für die Rezeptur in den öffentlichen Apotheken ist die vom Sanitätsdepartement nach Anhörung von Vertretern der hiesigen Apotheker aufgestellte Arzneitaxe verbindlich; indessen ist nach freier Vereinbarung ein Rabatt für öffentliche oder gemeinnützige Anstalten statthaft".

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II.

Mit Eingabe vom 12. Dezember 1899 beschwert sich B. Guillaume-Gentil beim Bundesrat über diese Bestimmung und stellt das Rechtsbegehren, es sei die Regierung des Kautons Baselstadt anzuweisen, den § 21 der Verordnung betreffend das Apothekenwesen, vom 14. Oktober 1899, so umzuändern, daß eine für die Apotheker verbindliche Minimaltaxe nicht festgesetzt werde. Der Rekurrent bringt zur Begründung seiner Beschwerde vor : § 21 der Verordnung ist vom Vorsteher des Sanitätsdepartomentes, als die Regierung im Großen Rate über die Tragweite des Paragraphen interpelliert wurde, dahin interpretiert worden, es habe allerdings eine nach oben und unten verbindliche Taxe i'estgesetet werden wollen; daß der Apotheker seine Ware auch nicht unter der aufgestellten Arzneitaxe verkaufen dürfe, bezwecke, einer Verschlechterung der Arzneimittel vorzubeugen.

Von diesem Verbote wird der Beschwerdeführer betroffen, der seit dem Jahre 1893 die ihm gehörige Rosonapotheke in Basel betreibt; insbesondere wird ihm die Erfüllung eines mit dem Allgemeinen Konsumverein in Basel abgeschlossenen Vertrages verunmöglicht, wonach er die Arzneimittel an die Mitglieder dieses Vereins um 10 °/o billiger abzugeben hat als die andern Apotheker.

Die Pharmacie ist, wie der Bundesrat in wiederholten Entscheidungen ausgesprochen hat, weder eine bloß wissenschaftliche Berufsart, noch ein bloß kaufmännisches Gewerbe (Salis, II, Nr. 588); sie steht unter den für das kaufmännische Gewerbe geltenden Rechtssätzen, soweit sie dem Gewerbe des Kaufmannes gleichkommt. Diese Gleichheit liegt im direkten Kauf und Verkauf der Waren ; bezüglich Kaufs und Verkaufs der Arzneimittel dürfen daher Vorschriften üher die Ausübung des Apothekergewerbes den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht verletzen. Dies aber thut eine Vorschrift, die eine Minimaltaxe für den Verkaut von Arzneimitteln festsetzt, da es ganz dem Willen des Einzelnen überlassen bleiben muß, zu welchem Preise er seine Waren verkaufen will. Eine Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit im Apothekerwesen rechtfertigt sich nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und des gemeinen Wohles; können aber beide anders und besser geschützt werden als durch Besclmeidung verfassungsmäßiger Rechte der Bürger, so ist das Betreten dieses letztern Weges gewiß nicht zuzulassen. Eine solche Vorschrift kann auch auf die Apotheker keinen derartigen Druck ausüben, daß jeder rein deswegen nur Stoffe guter Qualität verarbeitet;

405 er wird nach wie vor möglichst billig kaufen und fabrizieren, wenn ihn der Staat nicht durch andere Mittel zwingt, nur gute Stoffe zu halten. Nun zeigt gerade die vorliegende Verordnung selbst, daß, wenn auch § 21 wegfiele, die öffentliche Sicherheit und das gemeine Wohl durch andere Büttel besser geschützt werden können, indem sie, um eine für die Konsumenten gefährliche Verschlechterung der Arzneimittel durch minderwertige Substanzen zu unterdrücken, in § 10 unter anderai bestimmt: ,,Der Apotheker ist für die Güte der in den Apothekräumen befindlichen Mittel verantwortlich, gleichviel ob er dieselben im Handelswege bezogen oder selbst hergestellt hatct. Außerdem sind in der Verordnung über den Verkauf vofl Giften und Geheimmitteln regelmäßige und außerordentliche Visitationen der Apotheken vorgesehen, so daß der Staat alle Mittel in der Hand hat, die Befolgung der Vorschrift des § 10 der Verordnung vom 14. Oktober 1899 zu kontrollieren. Daß das allgemeine Wohl durch die Festsetzung einer Minimaltaxe nicht geschützt wird, geht auch aus der neuen Apothekerordnung des Kantons Zürich und den in Deutschland erlassenen Verordnungen hervor, denn dort wird nirgends eine Minimal taxe aufgestellt.

Durch den zweiten Satz von Lemma l des § 21 wird ferner ein Kreis von Personen geschaffen, und zwar von juristischen Personen, denen vermöge ihrer öffentlichen und gemeinnützigen Zwecke von den Apothekern ein Rabatt gewährt werden darf.

Schon durch argumentum e contrario sind somit alle andern physischen wie juristischen Personen von dieser Vergünstigung ausgeschlossen. Auch dies ist eine Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit, die sich nicht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und des gemeinen Wohles rechtfertigt.

III.

Der Regierungsrat des Kantons Baselstadt beantragt unterm 3. Februar 1900 die Abweisung des Beschwerdeführers, indem er sich auf folgende Ausführungen stützt: Es ist richtig, daß die durch das Sanitätsdepartement aufgestellte Arzneitaxe nicht nur das Maximum, sondern auch das Minimum des Preises fixieren will, zu welchem die Arzneien durch die Apotheker verkauft werden können. Diese Vorschrift ist aber keine neue, denn § 21 der Verordnung vom 14. Oktober 1899 ist wörtlich gleichlautend mit § 9 der nunmehr aufgehobenen Verordnung vom 13. Juni 1879 betreffend das Apothekerwesen, dessen

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Anwendung zu keinen Rekursen Anlaß gegeben hat. Die Vorschrift enthält auch in der That keine Verletzung von Art. 31 der Bundesverfassung. Daß die Kantone befugt sind, über die Ausübung des Apothekergewerbes die im Interesse des Staates notwendigen Verfügungen zu treffen, sofern sie die Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigen, ist ein bundesrechtlich wiederholt anerkannter Satz (Salis, II, p. 198 ff.)- Ebensowenig kann bestritten werden, daß zu den Verfügungen, welche die Kantone zu treffen befugt sind, die Festsetzung der Taxe gehört. Es haben deshalb auch eine Reihe von Kantonen die Apothekertaxeri auf dem Wege der Verordnung geregelt In dieser Beziehung ist unter anderai auf die Apothekertaxe des Kantons Zürich, vom 1. November 1894 und 12. Mai 1898, zu verweisen, auf § 9 des Gesetzes des Kantons Bern über die Ausübung der medizinischen Berufsarten, vom 14. März 1865, welcher den Erlaß einer Taxe vorsieht, auf § 24 der Verordnung des Kantons St. Gallen, vom 18. April 1897, betreffend die medizinischen Berufsarten, und auf die Arzneimitteltaxe des Kantons Schaff hausen, vom 31. Juli 1895.

Auch der Beschwerdeführer scheint die Zvilässigkeit einer amtlichen Taxe an und für sich nicht zu bestreiten. Er verlangt nur, daß sie nicht als verbindliche Minimaltaxe, sondern nur als Maximaltaxe Geltung haben solle.

Diese Unterscheidung ist aber keine logische. Mit der absoluten Handels- und Gewerbefreiheit ist jede amtliche Regelung des Preises, zu welchem verkauft werden darf, unvereinbar. Sobald aber eine Regelung bundesrechtlich zulässig ist, besteht kein prinzipieller Unterschied zwischen einer Minimal- und einer Maximaltaxe. Beide greifen in gleicher Weise in den freien Willen des Handeltreibenden ein ; das Verbot, unter einer Taxe zu verkaufen, ist keine größere Beschränkung der Handelsfreiheit als dasjenige, eine bestimmte Taxe nicht zu überschreiten.

Nun hat der Bundesrat in seinem Entscheid vom 17. Februar 1887 über einen Rekurs gegen verschiedene Bestimmungen des baselstädtischen Gesetzes über das Hausierwesen die Rekurrenten abgewiesen, ,,weil das in Frage stehende Gesetz nicht die Ausübung eines der genannten Gewerbe beeinträchtigt oder unmöglich macht, sondern den Gewerbebetrieb bestimmten im öffentlichen Interesse liegenden Bedingungen und Beschränkungen unterwirft" (Salis, II, S. 155).
Daß die Ausübung des Apothekergewerbes nicht beeinträchtigt oder unmöglich gemacht wird, zeigt schon der Umstand, daß sämtliche Apotheken des Kantons Baselstadt seit 1879 unter der Herrschaft der gleichen Vorschrift

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stehen, die heute angefochten wird, und daß das öffentliche Interesse eine möglichst vollkommene Ordnung im Apothekenwesen absolut verlangt, liegt auf der Hand. Das öffentliche Interesse verlangt nicht nur, daß die Arzneien zu einem angemessenen Preise abgegeben werden und eine Ausbeutung des Publikums beim Verkauf dieses Artikels unmöglich sei ; es verlangt ebenso gebieterisch, daß die Apotheker die Arzneien in tadellosem Zustande abgeben, da minderwertige, nicht frische Arzneimittel oder solche, deren lagredienzierr nicht von bester Qualität sind, eine große Gefahr für das Publikum bilden. Eines der Mittel, um diese Gefahr nach Möglichkeit auszuschließen, ist die Festsetzung einer Minimaltaxe, weil sie weniger gewissenhafte Apotheker verhindert, auf Kosten der Qualität durch billigere Taxen das Publikum anzuziehen und so ihre Konkurrenten zu nötigen, auf gleiche Weise vorzugehen. Allerdings ist diese Minimaltaxe nicht das einzige Mittel, das dem Staate zu Gebote steht, und für sich allein würde es nicht genügen. Es muß ergänzt werden durch Visitationen, die konstatieren sollen, ob die Vorschriften der Verordnung genau innegehalten werden. Zu diesen Visitationen ist das Sanitätsdepartement nach § 23 der Verordnung befugt. Beide Blaßregeln gehen Hand in Hand ; daraus, daß die Minimaltaxe nicht das einzige und auch nicht das für sich allein genügende Mittel ist, das dem Staat zu Gebote steht, folgt aber nicht, daß der Staat es nicht anwenden dürfe.

Übrigens ist vom Bundesrat einzig zu untersuchen, ob es gegen die Vorschrift des Art. 31 der Bundesverfassung verstößt. Ist dies nicht der Fall, so hat die Bundesbehörde nicht zu untersuchen, ob der Zweck der Verordnung wirklich erreicht werden könnte (Entscheidung des Bundesrates vom 19. Dezember 1881 über die Beschwerde des Joseph Bucher ; Salis, II, S. l38).

IV.

In den vom Regierungsrat des Kantons Baselstadt namhaft gemachten Erlassen der Kantone Zürich, St. Gallen und Schaffhausen wird der Preis der Arzneien durch die gesetzliche Taxe in dem Sinne festgelegt, daß dieselbe als Maximaltaxe betrachtet wird, welche durch die Apotheker in keinem Falle Überschritten werden dürfe ; im Kanton Bern besteht keine gesetzlich fixierte Taxe.

V.

Mit Schreiben vom 2. März 1900 ersuchte das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement das schweizerische Gesundheitsamt

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um seine Meinungsäußerung darüber, ob nach der besonderen Natur des Handels mit Arzneien die Verordnung des Regierungsrates des Kantons Baselstadt den von ihr gewollten Zweck, zu verhindern, daß die Apotheker durch schrankenlose Konkurrenz mit Unterbietung der Preise die Qualität der Arzneien verschlechtern, thatsächlich zu erreichen im stände sei.

Das Amt beantwortete die Anfrage unterm 23. April 1900 im wesentlichen mit den folgenden Ausführungen : Da das Publikum außer stände ist, eine Kontrolle darüber auszuüben, ob die Qualität der von den Apothekern abgegebenen Arzneien eine gute ist, so hat der Staat überall Sicherungsmittel zur Erzielung und Garantie einer bestimmten Qualität der Waren eingeführt. Als solche gelten allgemein: 1. die Vorschrift, nur solche Arzneistoffe vorrätig zu halten, welche den Anforderungen des offiziellen Arzneibuches (Pharmakopöe) entsprechen ; 2. die Apothekenvisitationen, bei denen nicht nur die Räume, Utensilien etc. zu inspizieren sind, sondern namentlich auch die Qualität der "vorhandenen Arzneistoffe genau kontrolliert werden soll ; 3. die Bestrafung im Falle der Zuwiderhandlung gegen die sub l genannte Vorschrift.

Als weiteres Mittel, diesen Zweck zu erreichen, betrachtet der Regierungsrat des Kantons Baselstadt die Festsetzung einer Arzneimitteltaxe, die nicht nur als Maximal-, sondern auch als Minimaltaxe zu gelten hat.

In den meisten Staatswesen, wo überhaupt eine Taxe festgesetzt ist, hat der Gesetzgeber nicht allgemein davon Gebrauch gemacht, zu verbieten, daß u n t e r der Taxe verkauft werde, und die Kontrolle der Apotheken und Arzneien für genügend erachtet.

Es kann aber deswegen doch nicht gesagt werden, daß die Aufstellung einer amtlichen Minimaltaxe vom sanitätspolizeiliehen Standpunkte aus durchaus ungerechtfertigt sei. Wenn dieselbe freilich nicht absolute Gewähr dafür bietet, daß der Apotheker nur tadellose Arzneien liefert, so stellt sie doch ein nicht zu unterschätzendes Schutzmittel gegen eine schrankenlose Konkurrenz dar, die geeignet ist, eine Verschlechterung der Qualität der in den Apotheken gehaltenen Heilmittel herbeizuführen. In der That ermöglicht eine Minimaltaxe dem Apotheker, beim Einkauf soiner Waren auf gute Qualität und nicht in erster Linie auf billigen Preis zu sehen. Wenn aber die durch keine offizielle Taxe be-

409 * hinderte weitgehende Konkurrenz die Verkaufspreise der Medikamente soweit herabdrückt, daß der erzielte Gewinn ein ganz geringer ist, so wird auch der gewissenhafteste Apotheker gezwungen, so billig als nur möglich, d. h. die geringste noch zulässige Qualität einzukaufen, um die Konkurrenz aushalten zu können ; es wird somit zweifellos die durchschnittliche Qualität der in den Apotheken gehaltenen Arzneimittel verschlechtert. Für weniger gewissenhafte Apotheker liegt zudem noch unter solchen Verhältnissen die Versuchung sehr nahe, minderwertige Heilmittel als vollwertige an das Publikum abzugeben. Freilich ist auch eine Minimaltaxe nicht immer im stände, derartige betrügerische Manipulationen zu verhindern ; sicherlich werden sie aber beim Bestehen einer solchen weniger leicht vorkommen.

Auch der Präsident des schweizerischen Apothekervereins hat sich in dieser Sache, wie er betont, in Übereinstimmung mit der Mehrzahl der schweizerischen Apotheker dahin geäußert, daß, wenn er auch eine staatliche Arzneitaxe nicht mit dem Grundsatze der Handels- und Gewerbefreiheit vereinbar erachte, eine nach Anhörung von Vertretern der Apotheker festgestellte Minimaltaxe für die Arzneien im Interesse des Publikums selbst sei.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: 1. Infolge des in Art. 31, litt, c, der Bundesverfassung enthaltenen Vorbehaltes sind die Kantone zu gewerbe- und sanitätspolizeilichen Verfügungen über Ausübung von Handel und Gewerbe berechtigt. Die Schranke dieser Verfügungsberechtigung ist, daß die Verfügung des Kantons die Handels- und Gewerbefreiheit dem Grundsatze nach nicht beeinträchtigen darf.

2. Daß der Verkauf von Arzneimitteln durch Apotheker sowohl der gewerbepolizeilichen als der sanitätspolizeilichen Regelung unterstellt werden darf, ist vom Rekurrenten selbst nicht bestritten ; er wendet sich nur gegen das Maß der aufgestellten polizeilichen Beschränkung, indem er die Festsetzung eines M i n i mal preises für Apothekerwaren als bundesverfassungswidrig ansieht.

3. Wenn man die Wirkung der Festsetzung eines Minimalpreises überblickt, so darf soviel zugegeben werden, daß damit ein absolut freies gegenseitiges Unterbieten im Apothekergewerbe ausgeschlossen wird. Dem Apotheker werden zwei Limiten ge-

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setzlich vorgeschrieben, Minimal- und Maximalpreis, innerhalb deren sich sein Angebot auf dem Markte zu bewegen hat.

Während sich der Maximalpreis direkt auf den Schutz des Publikums vor Übervorteilung bezieht, hat der Minimalpreis, wie der Regierungsrat von Baselstadt ausführt, den Zweck, die Abgabe der Arzneien in mögliehst tadellosem Zustande zu bewirken.

4. Dies wird auch durch das Gutachten des schweizerischen Gesundheitsamtes bestätigt, welches dahin schließt, daß eine Minimalarzneitaxe in Verbindung mit Visitationen ein nicht zu unterschätzendes Hiilfsrnittel bildet, um die Abgabe guter Medikamente in den Apotheken zu sichern.

5. Die Berechtigung der Kantone, in gewissen polizeilich geregelten Gewerben eine Maximaltaxe aufzustellen, ist allgemein anerkannt und wird auch vom Rekurrenten nicht bestritten. Dagegen hat allerdings der Bundesrat im Jahre 1874 im Kutschergewerbe die Aufstellung einer Minimaltaxe als unzulässig erklärt (Salis, II, Nr. 603). Es fragt sich, ob die damals aufgestellten Grundsätze auch heute noch festzuhalten sind.

6. Wenn sich auch nicht verkennen läßt, daß seit dein Ende der 70er Jahre die bundesrechtliche Praxis in Bezug auf den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit von der früher beliebten rein theoretischen und deshalb den wirklichen Bedürfnissen des Lebens zu wenig Rechnung tragenden Auffassung und Anwendung des Freiheitsbcgriffes mehr und mehr zurückgekommen ist (Salis, II, Nr. 548), und daß von don Bundesbehörden selbst die Beschränkung der Zahl der Gewerbetreibenden bei gewissen Betrieben mit Art. 31 als vereinbar erklärt wurde (vergleiche Kaminfeger, Salis, II, Nr. 602, und Bundesbl. 1897, I, 999 und Geschäftsbericht des Justizdepartementes pro 1897, Bundesbl. 1898, I, 453, wo der den Beschluß des Bundesrates aufhebende Entscheid der Bundesversammlung, vom 30. September und 15. Oktober 1897, angeführt ist, wonach es mit den Grundsätzen des Art. '.i'l der Bundesverfassung vereinbar ist, den Kaminfcgcrberuf zu einem öffentlichen Amte zu machen; ferner Archiv für Schuldbetreibung und Konkurs, V, Nr. 14, Monopol der baselstädtischen Amtleute als Vertreter in Betreibungssachen), so sind diese weitgehenden Beschränkungen doch nur da zugelassen worden, wo es sich um die Organisation eines Gewerbes als öffentlichen Dienst handelte.

7. Als solcher öffentlicher Dienst ist das Apothekergewerbe im Kanton Baselstadt bis jetzt wenigstens nicht organisiert.

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8. Zieht man weiter in Betracht, daß dem Staate bei der weitgehenden Kontrolle über das Apothekergewerbe (staatliche an Ablegung eines Examens geknüpfte Gewerbebewilligung, Visitationsbefugnis) hinreichende Mittel an die Hand gegeben sind, um die vom Apotheker verkauften Waren in ihrer Qualität auf einem allen Anforderungen entsprechenden Stande zu erhalten, so muß allerdings die Festsetzung eines Minimalpreises für die zu verkaufenden Apothekerwaren als eine unzulässige Beschränkung der Handelsfreiheit erscheinen. Denn zum Wesen derselben gehört ein gewisses Maß der Bewegungsfreiheit in Beziehung auf Konkurrenz in Festsetzung der Preise. Bestimmt der Staat das Maximum des Preises, .um das Publikum vor Ausbeutung zu schützen, so ist damit die Grenze der zulässigen Einschränkung der Gewerbefreiheit erreicht.

Aus dem Gutachten des schweizerischen Gesundheitsamtes geht hervor, daß in keiner einzigen Gesetzgebung Rezopturtaxen mit verbindlichen Minimalpreisen existieren, es ist also nicht ganz richtig, wenn in dem Gutachten gesagt ist, es werde nicht ,, a l l g e m e i n " von dem von der Basier Regierung angewendeten Mittel die Güte der Apothekerwaren sichern zu helfen Gebrauch gemacht, sondern es wird überhaupt von diesem Mittel in der Gesetzgebunggar kein Gebrauch gemacht.

9. Der vom Regierungsrate von Baselstadt angeführte Entscheid des Bundesrates (Salis, U, Nr. 535, p. 138) steht den erstehenden Ausführungen nicht entgegen; denn soweit es sich um eine Verletzung des Grundsatzes der Handels- und Gewerbefreiheit handelt, darf allerdings der Zweck der in Frage stehenden kantonalen Entscheidung untersucht werden, wie übrigens Erwägung 3 des citierten Entscheides eine solche Prüfung der damals angefochtenen gesetzlichen Bestimmung des Kantons Obwalden enthält.

10. Der Zweck der Baselstadt ist nun allerdings polizei liegender; aber der dieser Zweck durch die reichen läßt.

Verordnung des Rcgierungsrates von ein im Bereiche der Ziele der SanitätsNachweis ist nicht erbracht, daß sich in Aussicht genommenen Mittel er-

11. Die übrigen vom Rekurrenten angeführten Gründe brauchen bei dieser Sachlage nicht weiter in Erwägung gezogen zu werden, wobei auch bemerkt werden mag, daß dem Bekurrenten die Legitimation dazu fehlen würde, sieh über den an öffentliche oder gemeinnützige Anstalten zu gewährenden Rabatt zu beschweren.

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Demnach wird erkannt: 1. Die Beschwerde wird als begründet erklärt.

2. Der Regiemngsrat von Baselstadt wird eingeladen, Art. 2 der Verordnung betreffend das Apothekenwesen dahin abzuändern, daß die verbindliche Minimaltaxe für den Verkauf von Apothekerwaren darin beseitigt wird.

B e r n , den 16. Juni 1900.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Hauser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesratsbeschluß über die Beschwerde des B. Guillaume-Gentil, Apothekers, in Basel, gegen die Verordnung des Regierungsrates des Kantons Baselstadt vom 14. Oktober 1899, betreffend das Apothekenwesen. (Vom 16. Juni 1900.)

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