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Schweizerisches Bundesblatt.

52. Jahrgang. III.

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Nr. 29.

18. Juli 1900.

Bericht und Antrag des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Entschädigungsbegehren des Killer, Albert, Soldat im Füsilierbataillon Nr. 61 Fabrikarbeiter in Baden.

(Vom 17. Juli 1900.)

Tit.

Mit Eingabe vom 22. Mai 1900 rekurriert Killer, Albert, Fabrikarbeiter in Baden, gegen unsere Schlußnahme vom 10. April 1900, wodurch derselbe mit seinem Begehren um Entschädigung wegen einer im Militärdienste erlittenen Mißhandlung abgewiesen worden ist.

Wir beehren uns, Ihnen anmi hierüber Bericht und Antrag zu unterbreiten.

Während der zweiten Rekrutensehule der V. Division, welche vom 9. Mai bis 24. Juni 1899 in Aarau stattfand, erhielt Killer am 9. Juni von Korporal Gloor in Wettingen eine Ohrfeige, welche die Perforation des rechten Trommelfells zur Folge hatte. Wegen dieser Körperverletzung wurde Korporal Gloor in Untersuchung gezogen ; nachdem derselbe jedoch bereits vom Schulkommando disciplnarisch bestraft worden war, wurde das gerichtliche Verfahren sistiert und der Geschädigte mit der Geltendmachung seiner civilrechtlichen Ansprüche an die bürgerlichen Gerichte gewiesen.

Diesen Weg hat jedoch Killer nicht betreten, sondern am 25. Januar 1900 dem Militärdepartemente eine Entschädigungsforderung von Fr. 3000 eingereicht.

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Nach seiner Verletzung wurde Killer gemäß den Bestimmungen in Art. 7 des Bundesgesetzes über Militärpensionen und Eutschädigungen vom 13. Wintermonat 1874 auf Kosten des Bundes gepflegt und erhielt während seines Spitalaufenthaltes den reglementarischen Sold, sowie eine tägliche Unfallentschädigung von Fr. 3 auf Grund der Vorschriften betreffend die Unfallversicherung des Militärs durch den Bund.

Als er am 15. Juli aus dorn Kantonsspital in Aarau entlassen wurde, war der Riß im Trommelfell beinahe geheilt, und sah der Spitalarzt haldige und völlige Heilung voraus. Am 7. August aber konstatierte Dr. Sporleder in Basel, den Killer konsultiert hatte, daß das verletzte Ohr seines Klienten noch nicht in Ordnung sei, und sprach die Ansicht aus, daß eine Vernarbung des Risses überhaupt nicht mehr erwartet werden dürfe. Angaben über die Hörfunktion des verletzten Ohres konnte Dr. Sporleder nicht machen, ,,da die Angaben des Patienten unsicher wären".

Angesichts der auseinandergehenden Meinungen des Herrn Dr. Bircher, Spitalarztes in Aarau, und des Herrn Dr. Sporleder verfügte das Militärdepartement am 17. März 1900, daß durch eine neue ärztliche Untersuchung festgestellt werden solle, ob Killer eine dauernde Beeinträchtigung seines Gehörvermögens erlitten habe oder nicht. Diese Untersuchung wurde durch einen Specialisten, Herrn Dr. Rohrer in Zürich, am 22. März 1900 vorgenommen.

Aus dessen Gutachten ging hervor, daß der Trommelfellriß, entgegen der Prognose des Herrn Dr. Sporleder, zugeheilt war, allerdings unter narbiger Veränderung und Verwachsung dos Trommelfells. Außer diesen Veränderungen konstatierte aber Dr. Rohrer bei Killer eine chronische Af'fektion des Nasenrachenraums mit zeitweiligem, konsekutivem Mittelohrkatarrh. Diese Affektion rührt nicht von der Verletzung her, sondern war schon vorher vorhanden und hat, wie auch von Prof. Siebenmann in Basel, welcher Killer bald nach seiner Verletzung untersuchte, betont worden ist, das Trommelfell vor der Verletzung atrophisch und durch Verkalkung spröde gemacht, so daß ein Riß leichter eintreten konnte als boi einem gesunden Ohre. Die von Killer erlittene Mißhandhing hat somit nicht ein gesundes, sondern ein bereits krankes Ohr getroffen, und es darf als höchst wahrscheinlich angenommen werden, daß, wenn Killer nicht schon vor der Verletzung
gehörleidend gewesen wäre, die Ohrfeige gar keine Folgen gehabt hätte.

Im fernem leistet das Gutachten des Herrn Dr. Rohrer den sichern Nachweis, daß Killer ein Simulant ist, indem er den

fiso Glauben erwecken wollte, am rechten Ohre völlig taub zu sein, dann aber, der Simulation überführt, positive Angaben machte.

Dieses Verhalten Killers stimmt mit den Angaben überein, welche Dr. Sporleder machte.

infolge der Simulation konnte die Schädigung des Hörvermögens des Killer durch Dr. Rohrer nicht genau bestimmt werden.

Derselbe äußert sich jedoch dahin, es 'könne eine Einbuße von 25 °/o der Funktion des Gesamthörorgans dem Trauma zugeschrieben werden.

Für die Frage, ob dem Killer infolge dieses bleibenden Nachteils noch eine weitere Entschädigung, außer der während seines Spitalaufenthalts bereits bezogenen, zuzuerkennen sei, sind die Bestimmungen des Pensionsgesetzes und die Vorschriften betreffend die Unfallversicherung des Militärs durch dea Bund allein maßgebend.

Gemäß Art. 4, letztes Alinea, des Pensionsgesetzes anerkennt der Bund keine Entschädigungspflicht, wo der Lebensunterhalt, sei es des Invaliden oder der Hinterlassenen, in keiner Weise beeinträchtigt ist. Nach Art. 4, Ziffer 2, der Vorschriften über Unfallversicherung hängt die Beurteilung geringerer Invaliditätsgrade davon ab, ob und inwieweit die Erwerbsfähigkeit des Versicherten unter Berücksichtiaruns; seines Civilberufes,t seiner Kenntnisse und ö O Fähigkeiten durch die Unfallsfolge beeinträchtigt worden ist.

Eine Schmälerung des Lebensunterhaltes oder der Erwerbsfähigkeit infolge der erhaltenen Verletzung ist nicht nachgewiesen.

Killer war früher Landwirt und vertauschte erst seit seiner Verletzung diesen Beruf mit dem eines Fabrikarbeiters im Geschäfte Brown, Boveri & Cie. in Baden. Er übt somit keinen Beruf aus, der an das Gehörorgan besondere Anforderuagen stellt, und ist übrigens, wie durch Dr. Rohrer konstatiert wurde, die Schwerhörigkeit als eine leichte und nur einseitige zu bezeichnen, welche auch die fernere Diensttauglichkeit Killers als Soldat nicht zu beseitigen vermag.

Die Behauptung Killers in seinem Rekurse vom 22. Blai, daß «r mit der Zeit infolge des erlittenen Schlages wahrscheinlich sein ganzes Gehör einbüßen werde, ist unrichtig. Möglich ist allerdings, daß sich das Gehör Killers noch verschlechtern wird, doch wird dies nicht eine Folge der Mißhandlung sein, sondern vielmehr des chronischen Rachenkatarrhs und des konsekutiven Mittelohrkatarrhs, an dem Killer schon seit langer Zeit gelitten hat.

Eine Invalidität, die auf den Lebensunterhalt und die Erwerbsfähigkeit Killers hindernd einwirkt und als Folge der Verletzung

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anzusehen ist, liegt nicht vor, und ist daher die Ausrichtung einer Entschädigung auf Grund der vorerwähnten Bestimmungen nicht begründet.

Auf Grund dieser Ausführungen beantragen wir Ihnen : Es sei das Entschädigungsbegehren des Killer, Albert, in Baden, abzuweisen.

B e r n , den Ì7. Juli 1900.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates^ Der Vizepräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bericht und Antrag des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Entschädigungsbegehren des Killer, Albert, Soldat im Füsilierbataillon Nr. 61, Fabrikarbeiter in Baden. (Vom 17. Juli 1900.)

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18.07.1900

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