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Bundesratsbeschluss betreffend

die Beschwerde des Othmar Braun, Landwirtes und Viehhändlers in Bronschhofen bei Wil (Kanton St. Gallen), wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit (Verpflichtung zur Lösung eines Viehhandelspatentes und zur Kautionsleistung bei Ankauf von Vieh im Kanton Zürich).

(Vom 27. November 1900.)

D e r schweiz. erische B u n d e s rat hat

über die Beschwerde des Othmar B r a u n , Landwirtes und Viehhändlers in Bronschhofen bei Wil (Kanton St. Gallen), wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit (Verpflichtung zur Lösung eines Viehhandelspatentes und zur Kautionsleistung bei Ankauf von Vieh im Kanton Zürich) ; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Durch Verfügimg des Statthalteramtes Dielsdorf(Kanton Zürich) ist Othmar Braun, Landwirt und Viehhändler in Bronschhofen bei

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Wil (Kanton St. Gallen), wegen Übertretung des zürcherischen Gesetzes betreffend den Viehverkehr vom 22. Dezember 1895 zu einer Polizeibuße von Fr. 60 verurteilt worden, weil er, ohne im Besitz eines Viehhandelspatentes zu sein und ohne die vorgeschriebene Kaution geleistet zu haben, auf den Viehmärkten von Bülach und Dielsdor im Kanton Zürich fünf Stück Vieh gekauft hat.

Vom Bezirksgericht aufgehoben, wurde diese Verfügung auf die Appellation der zürcherischen Staatsanwaltschaft hin durch Urteil der III. Appellationskammer des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 11./24. August 1900 bestätigt und Rekurrent zu den Koston verurteilt. Die Appellationskammer ließ sich von folgenden Gründen leiten : § 10 und §11, Abs. 1, des zürcherisehen Gesetzes betreffend den Viehverkehr vom 22. Dezember 1895 bestimmen : ,,Zur gewerbsmäßigen Betreibung des Viehhandels auf dem Gebiete des Kantons ist der Besitz eines Patentes erforderlich.

,,Der mit dem Betriebe eines landwirtschaftliehen Gewerbes ordentlicherweise verbundene Wechsel des Viehstandes, sowie der Verkauf von selbstgezüchtetem oder selbstgemästetem Vieh wird nicht als gewerbsmäßiger Viehhandel betrachtet.

"§ li. Die Viehhandelspatente werden von der Sanitätsdirektion auf die Dauer eines Jahres erteilt. Der Bewerber hat sich über den Besitz eines guten Leumundes auszuweisen und eine Real- oder Personalkaution im Betrage von Fr. 5000 zu leisten."

Braun hat im letzten Jahre cirka 900 Stück Vieh umgesetzt.

Es ist also keine Frage, daß, wenn er im Kanton Zürich wohnen würde, er im Sinne der §§ 10 und 11 des Gesetzes betreffend den Viehverkehr patent- und kautionspflichtig wäre. Es fragt sich daher lediglich, ob seine Einwendung, daß er nicht im Kanton wohne und das im Kanton Zürich gekaufte Vieh nicht auch hier wieder verkaufe, ihn von der Patentpflicht befreit. Diese Frage ist von der Appellationskammer schon in ihrem Entscheid vom o. .Oktober 1899 in Sachen Gallus Brandii in Baar verneint worden.

Ob diese Auslegung auch der ratio logis entspricht, ist des nähern nicht zu untersuchen ; der Richter ist an den Wortlaut des Gesetzegebunden und dieser läßt eine andere Deutung kaum zu. Warn der bloße Ankauf von Vieh im Kanton Zürich noch nicht patentpflichtig, auch wenn er in der Absicht geschieht, Handel zu treiben, so müßte man dazu gelangen, den Verkauf in einem andern Kanton ebenfalls als nicht patentpflichtig anzusehen, und der Händler hätte es in der Hand, das Gesetz auf höchst einfache Weise zu umgehen.

782 Der im Kanton Zürich wohnende Viehhänder, der hier kauft und verkauft, wäre dann aber unter Umständen schlechter gestellt als der Händler außerhalb des Kantons, der im Kanton Zürich nur kauft und anderswo wieder verkauft. Ob das Gesetz betreffend den Viehverkehr mit der Bundesverfassung und speciell mit dem Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit in Widerspruch stehe, ist nicht zu erörtern.

11.

Gegen das Urteil des zürcherischen Obergerichtes ergreift Othmar Braun die staatsrechtliche Beschwerde an den Bundesrat und verlangt die Aufhebung des Urteils. Er bringt folgendes vor : Art. 31 der Bundesverfassung stipuliert den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit im ganzen Umfang der Eidgenossenschaft. Trotzdem nun zwar in litt, e des Art. 31 den Kantonen Verfüungen über die Ausübung von Handel und Gewerben vorbehalten werden und dieser Vorbehalt eigentlich das an der Spitze des Artikels stehende Prinzip auf den Kopf stellt, hat der Gesetzgeber immerhin klar genug zu erkennen gegeben, daß der Grundsatz von den Ausnahmen nicht alteriert werden solle, und wo immer hierüber Zweifel herrschen sollten, wird eben au gunsten des Prinzips und gegen die Ausnahme zu entscheiden sein. Speciell der Verkehr mit Vieh erfreute sich in der Schweiz von jeher großer Freiheit und wurde von alters her gegenseitig gewährleistet. Das neue zürcherische Gesetz betreffend den Viehverkehr vom 22. Dezember 1895 trat mit dem 1. Januar 1896 an Stelle des früheren Gesetzes vom 1. Oktober 1855. Die Vergleichung der beiden Gesetze ergiebt, daß, während das alte in That und Wahrheit von sanitätspolizeilichen Gesichtspunkten aus erlassen war, das neue wesentlich fiskalischen Charakter trägt. Allerdings fordern beide Gesetze für den gewerbsmäßigen Handel mit. Vieh den Besitz eines Patentes; aber erstens hatte laut § 14 des alten Gesetzes das Patent vier Jahre Gültigkeit, laut § 11 des neuen Gesetzes ist es nur ein Jahr gültig ; zweitens war laut § 14 des alten Gesetzes für das Patent außer der gesetzlichen Kanzlei- und Stempelgebühr eine Taxe von Fr. 6 in die Sanitätspolizeikasse zu bezahlen, während laut § 12 des neuen Gesetzes außer der Stempelgebühr eine Taxe von Fr. 50--500 zu zahlen ist, die laut § 15 zur Hälfte in die Staatskasse und zur Hälfte in denViehversicherungs-fonds lallt; drittens wurde laut § 15 des alten Gesetzes einem außerhalb des Kantons Zürich wohnenden Viehhänder, der im Kanton Zürich den Viehhandel betrieb, die vorgesehene Personal-

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oder Realkaution von Fr. 4000--6000 erlassen, sofern er gewisse Ausweise beibrachte, während nach § 11 des heutigen leisten haben; endlich haftete nach § 14 des alten Gesetzesdiie Kaution lediglich für Schadenersatz oder Bußen, in die der Patentierte etwa verfällt werden konnte, während nach § 14 dos neuen Gesetzes die Kaution auch für andere privatrechtliche Ansprüche aus dem Viehverkehr, alsoz.. B. auch für den Kaufpreis haftet.

Es steht nun zwar fest, daß Braun den Viehhandel gewerbsmäßig betreibt, aber im Kanton St. Gallen, wo er auch die Gewerbesteuer dafür entrichtet. Im Kanton Zürich hat er kein Vieh verkauft, sondern nur gekauft. Gewiß hat die erste Instanz mit Recht erklärt, daß der Gesetzgeber mit dem Patent nur die Einfuhr und den Handel im Kanton selbst treffen wollte, nicht aber den Ankauf im Kauton und die Ausfuhr aus dem Kanton.

Der angefochtene Entscheid, der das Gesetz schlechthin anwendet, wie das Gesetz selbst, stehen mit Art. 31 B.-V. im Widerspruch.

Es ist eine Einschränkung der Gewerbefreiheit, wenn der bloße Ankauf von Vieh in einem Kanton als Viehhandel im Sinne des § 10 des Viehverkehrsgesetzes betrachtet und das Recht hierzu vom Besitze eines Patentes abhängig gemacht wird, bloß weil der Käufer ein Auswärtiger ist, der zufälligerweise in seiner Heimat den Viehhandel betreibt, während der Private oder eine Gesellschaft, die auf einmal Dutzende von Viehstücken ankauft und ausführt, kein Patent bedarf und nichts zu bezahlen hat, sofern sie den Viehhandel nicht gewerbsmäßig betreiben. Indem die Vorinstanz, mit Hecht oder Unrecht, den 10 leg. cit. so auslegt, daß der von braun gemachte Vieheinkau im Kanton Zürich als Viehhandel betrachtet wird verletzt sie also nicht nur nur Art. 31 B.-V.

sondern,1 wie aus obigem hervorgeht, auch Art. 4 der BundesVerfassung, da die von der Patentpflicht Betroffenen ganz erheblich in der freien Ausübung ihres Gewerbes gehindert werden. Die Patentgebühr kann nicht als Besteuerung des Gewerbebetriebes im Sinne des Art. 31, litt, e, B.-V. aufrecht erhalten werden, denn der bloße Ankauf von Landesprodukten im Kanton Zürich ist doch kein Gewerbebetrieb, der vor allem darauf geht, einen Gewinn zu realisieren. Aus demselben Grund ist der Ankauf noch nicht Viehhandel im Sinne des § 10 des zürcherischen Gesetzes, denn es fehlt gerade das Essentiale, der den Gewinn bezweckende Verkauf im Kanton Zürich.

O

784 Der Entscheid des Obergerichtes und das Gesetz betreffend den Viehverkehr verletzen aber das Prinzip des Art. 31 der Bundesverfassung auch insofern, als sie den Betrieh des Viehhandels im Kanton Zürich mit solchen Taxen belegen, welche den Grundsatz der Geworbefreiheit beeinträchtigen. Denn wer, um ein Stück Vieh aus dem Kanton führen zu dürfen, 50, eventuell aber auch nur je 5 oder sogar nur Fr. 2 über alle sonstigen Spesen hinaus bezahlen muß, wird das Kaufen bleiben lassen oder möglichst einschränken. In concreto hat Braun 1899 von Bülach aus 5 Stück Vieh nach Bronschhofen abgeführt: falls er nun, was nicht einmal wahrscheinlich ist, für das Patent nur die Minimaltaxe hätte bezahlen müssen, so hätte er für jedes Stück Fr. 10 Ausfuhrgebühr bezahlt.

Darüber, daß der gewerbsmäßige Verkauf von Vieh im Kanton Zürich oder anderswo an sich einer Kontrolltaxe (Patentgebühr) unterstellt werden darf, besteht kein Streit. Kur die souchenpolizeiliche Kontrolle berechtigt aber den Kanton keineswegs, neben der üblichen Stempelgebühr eine Patentgebühr von Fr. 50 bis Fr. 500 per Jahr zu verlangen. Wenn Zürich so vorgehen dürfte, so müßte es auch den anderen Kantonen gestattet sein. Würden aber die anderen Kantone gleiche Bestimmungen aufstellen wie der Kanton Zürich, so hätte ein Viehhändler, der ja in Anbetracht des geringen Umfanges unseres Gebietes leicht in die Lage kommen kann, in allen Schweizorkantonen einige Stücke Vieh zu kaufen, in jedem Kanton ein Patent zu bezahlen und eine Kaution ZU erlogen, womit er im Minimum auf Fr. 1250 Patentgebühren und Fr. 125,000 Kautionsbeträge käme. Daß dies eine Absurdität und din Hohn auf Art. 31 der Bundesverfassung wäre, bedarf keiner weitern Ausführung. Aber wenn auch nur o Kantone solche Patentgebühren und Kautionsleistungen wie der Kanton Zürich verlangen würden, wäre es vielen bescheiden bemittelten Viehhändlern unmöglich, in anderen als dem Heimatkanton Vieh zu kaufen. Der Richter, der glaubt, daß beim Viehhandel so viel herausschaue, daß es sich wegen des Ankaufes eines oder weniger Stücke Vieh der Ausgabe der Minimaltaxe von Fr. 50 für ein Patent lohne, vorsteht jedenfalls wenig vom praktischen Leben.

Die Konsequenz des Vorgehens des Kantons Zürich ist, daß eine Reihe von Viehhändlern abgehalten werden, Vieh da au kaufen, wo so hohe Patentgebühren bezogen
werden ; daß ferner in diesen Kantonen das Vieh nur schwer und zu billigeren Preisen abgesetzt werden kann, und daß sich mir wohlsituierte Leute mit dem Viehhandel befassen können. Es wird der Viehhandel zum Monopol

785 einiger Großhändler. Schon jetzt hat der Entscheid des Obergerichtes auf den Besuch zürcherischer Viehmärkte einen sehr fühlbaren Einfluß gehabt und in ländlichen Kreisen eine tiefe Mißstimmung erzeugt.

III.

Zur Vernehmlassung auf die Beschwerde eingeladen, beantragt der Regierungsrat des Kantons Zürich die Abweisung des Rekurrenten und führt folgendes aus : Rekurrent verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils vom 11. August 1900 mit der Begründung, 1. weildass Gesetz vom 22. Dezember 1895 betreffend denViehverkehrr mit Art. 31 B.-V.

in Widerspruch stehe, da das Gesetz eine Einschränkung des Viehhandels beabsichtige, und 2. weil das Gesetz die Patentpflicht nur beim Handel voraussehe, der aber im bloßen Ankauf von Vieh nicht gefunden werden könne. Beide Standpunkte sind falsch.

Das frühere Gesetz betreffend den Viehverkehr vom 1. Oktober 1855 hatte ganz die gleichen Tendenzen wie das angefochtene; auch jenes bezweckte Regelung des Viehhandels in verkehrspolizeilicher Hinsicht in Verbindung mit Befriedigung fiskalischer Interessen durch Schaffung gewisser Einnahmen für den Staat bei der ErhebungC von Patentsebühren.

Jenes Gesetz ist durch Entscheidungen O o des Bundesrates geschützt und als verfassungsgemäß erklärt worden (Entscheidung des Bundesrates vom 22. März 1892, Bundesbl. 18!)2, 1). Die Umarbeitung und Abänderung des alten Gesetzes wurden veranlaßt durch Begehren der landwirtschaftlichen Bevölkerung des Kantons, wie die regierungsrätliche Weisung zum Gesetz vom 1. November 1895 zeigt. Der Regierungsrat. hat dort sieh über das Gesetz folgendermaßen ausgesprochen: Die Zahl der im Kanton Zürich patentierten Viehhändler betrug Ende 1894 428, 350 waren Kantonseinwohner, 58 in der Schweiz und 20 im Ausland niedergelassen.Die Leichtigkeit, mit der jeder die Berechtigung zum Viehhandel erlangen konnte, hat die Zahl der Viehhändler von Jahr zu Jahr vermehrt und die Folge ist, daß der direkte Verkehr der Produzenten, des Viehmästers und Züchters mit den Melkern, sowie der Landwirte unter sich, die in erster Linie Nutzvieh nach Bedarf kaufen, fast ganz aufgehört hat. Des fernem ist der gewerbsmäßige Viehhandel dazu angethan, Einschleppung und Verbereitung von Seuchen zu begünstigen. Es ist konstatiert, daß das Auftreten der Maul- und Klauenseuche immer und immer wieder

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mit der Einfuhr von fremdem Vieh, besonders italienischer und österreichischer Herkunft, zusammenfällt. Die im § 11 dos neuen Gesetzes vorgesehene Leistung einer Real- oder Personalkaution .sowie die namhafte Erhöhung der Patenttaxe nach § 12 soll der stetem Vermehrung der Geschäftsleute, die gewerbsmäßig Viehhandel treiben, die nötigen Schranken setzen. Die Kaution, welche die Patentinhaber zu hinterlegen haben, haftet nach § 14 i'ur allen Schaden, der durch Verschulden der Patentinhaber bei Verschleppung von Seuchen entsteht, ferner für Bußen, in welche die Händler im Verschuldungsfalle verfällt werden, sowie für privatrechtliche Ansprüche, die sich aus dem Viehverkehr ergeben.

Die Patenttaxen fallen zur Hälfte der Staatskasse zu und bilden so eine teilweise Deckung der Auslagen, welche die sanitätspolizeilichen Maßregeln dem Staat heim Ausbruch von Tierseuchen verursachen ; zur andern Hälfte werden sie im Sinne von § 7, litt, d, des Gesetzes betreffend die obligatorische Viehversicherung vom 19. Mai 1895 der Verwaltung des kantonalen Viehversicherungsfonds überwiesen. Es steht zu hoffen, daß bei Annahme der Gesetzesvorlage die seit Jahren fühlbaren Mangel und Gebrechen des Viehverkehrs gehoben und die den Land will so schädigenden Viehseuchen sich vermindern werden.

Soweit die Weisung.

Durch die Erhöhung der Patenttaxe und durch die Bestimmung, daß j e d e r Viehhändler eine Kaution zu leisten habe, sollte dem Schwindel und der unreellen Konkurrenz entgegengearbeitet, insolvente Händler lerne gehalten und das Auftreten sporadischer Agenten eingedämmt werden. Diese Tendenzen sind vom Bundesrat stets unterstützt und nie als eine Beeinträchtigung der Handelsfreiheit angesehen worden.

Die Behauptung, es liege im Ankauf allein kein Handel, ist schon vom Obergericht widerlegt worden. Eben so falsch ist die Behauptung, der Ankauf von Landesprodukten sei kein Gewerbebetrieb, der vor allem darauf ausgehe, einen Gewinn zu realisieren.

Braun ist ja bekanntermaßen Viehhändler und betreibt sein Geschäft im Kanton Thurgau im großen Styl, hat er letztes Jahr doch, im Kanton Thurgau nach den Feststellungen des Übergewichtes cirka 900 Stück gehandelt. Rekurrent hat ferner anerkannt, da li die Einkäufe im Kanton Zürich zu seinem Geschäftskreise gehören und vorgenommen werden, um das angekaufte Vieh anderwärts wieder abzusetzen. Zum Handel gehört aber sowohl der Ankauf wie der Verkauf. Wer nur ankauft, um die Ware in seinem

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eigenen Gewerbe zu verwerten, ist ebensowenig Händler wie der., welcher nur verkauft, was er im eigenen Gewerbe produziert.

Bndlich bringt Rekurrent vor, der bloße Ankauf könne deswegen nicht zürn patentpflichtigen Handel gerechnet werden, weil der Ankauf und Export keine Gefahr zur Verbreitung einer Seuche in sich berge. Dem ist aber, wie bereits ausgeführt, nicht so.

weil die Kaution im weitern auch für Bußen und privatrechtliche Ansprüche haften soll.

Was Rekurrent über die Verweisung des Obergerichtes auf das Präjudiz vom 5. Oktober 1899 sagt, ist unrichtig. Es wurde im Obergericht lediglich gesagt, daß vielleicht der Gesetzgeber die nun zu Tage tretende Konsequenz der §§ 10 und 14, die in einer möglicherweise eintretenden Einschränkung des Viehexportes in die Nachbarkantone bestehe, nicht vorausgesehen habe, daß aber der Wortlaut des Gesetzes klar sei und somit die Entscheidung nicht zweifelhaft sein könne.

Bndlich hält die Regierung den Bundesrat zur Entscheidung der Frage, ob der Ankauf als Handel anzusehen sei, nicht für zuständig; diese Frage ist lediglich eine Frage der Interpretation des kantonalen Gesetzes ; insofern diese nicht in einer die Bundesverfassung verletzenden Art geschieht, ist die Rekursinstanz zur Überprüfung nicht kompetent (Salis, Bundesrecht II, Nr. (524).

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: Der Beschwerdeführer verlangt vom Bundesrat unter Berufungauf Art. 31 B.-V. die Aufhebung des Urteils der III. Appellationskammer des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 11. August.

1900, weil dasselbe, indem es ihn in Anwendung des zürcherischen Gesetzes betreffend den Viehverkehr vom 22. Dezember 1895 zur Lösung eines Viehhandelspatentes für den Minimalbetrag von Fr. 50 (Art. 12 des Gesetzes), sowie zur Erlegung einer Kaution im Kotrage von Fr. 5000 (Art. 11, Absatz 1, des Gesetzes) zwingt, ihm den Ankauf von Vieh im Kanton Zürich verunmögliche.

In den Ausführungen der Rekursschrift licht der Beschwerde führer, ohne indes dahin gehende Anträge zu formulieren, die Vorfassungsmässigkeit des zürcherischen Viehverkehrsgesetzes seihst an.

Auf diese Ausführungen kann von vornherein nicht eingetreten werden, da eine staatsrechtliche Beschwerde gegen das Gesetz seihst angesichts des Datums der Erhebung der Beschwerde vom

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6. Oktober 1900 und des Datums des Gesetzes, das mit dem Bericht des zürcherischen Regierungsrates am 1. November 1895 veröffentlicht worden ist, verspätet wäre.

Es ist daher nur die Frage zu entscheiden, oh durch Unterstellung unter die Vorschriften des Gesetzes der Viehhandel des Beschwerdeführers im Kanton Zurich, sei es, daß er ihn im bisherigen Umfange des bloßen Ankaufs und Exports von Vieh, sei es in größerem Maßstabe durch Kauf und Verkauf des Viehes im Kanton betreiben will, verunmöglicht wird.

Es darf wohl ohne weiteres angenommen werden, daß der gewinnbringende Hotrieb des Viehhandels durch die Erhebung einer jährlichen Patenttaxe von im Minimum Fr. 50 und durch die Forderu der Hinterlegung einer Kaution im Betrage von Fr. 5000 nicht verunmöglicht wird und daher eine Verletzung von Art. 31 der Bundesverfassung nicht vorliegt (vgl. Entscheidung des Bundesrates in Sachen Elise Dreyfuß vom 30. März 1899, Bundesbl. 1899, II, 535). In Anbetracht der für die Handelsobjektc bezahlten Summen muß der Viehhandel mit relativ großen Werten rechnen und verlangt er von vornherein das Einsetzen eines verhältnismäßig großen Betriebskapitals. Der Höhe der notwendigen Kapitaleinlage entsprechend ist auch der Ertrag; die Beschwerung des Viehhandels mit einer Patenttaxe von Fr. 50 ist daher nicht übertrieben. Die Kaution in der Höhe von Fr. 5000 findet ihre Berechtigung in den vom Regierungsrat des Kantons Zürich ausführlic dargelegten Gründen, indem die Kaution dem Schwindel und unreellen Konkurrenz entgegenarbeitet, insolvente Händler fernhält und indem sie ein Unterpfa,nd für die aus dein Betrieb des Viehhandels entstehenden öffentlich- und privatrechtlichen Ansprüche bietet ; daß diese Ansprüche mit Leichtigkeit die Höhe der Kaution erreichen können, steht außer Frage. Der Beschwerdeführer behauptet, eine Taxe, bei welcher ein Stück Vieh mit Fr. 5, 2, ja sogar nur mit Fr. l belastet werde, vernichte den Viehhandel Überhaupt; er hat aber diese Behauptung durch nichts bewiesen und nicht einmal zu beweisen unternommen. Und wenn er sagt, daß mit der Kaution in der vom zürcherischen Gesetz verlangten Höhe der Viehhandel doch jedenfalls bei einigen Großhändlern monopolisiert werde, so ist dies deshalb unrichtig weil es angesichts der aus dem Betrieb des Viehhandels möglicherweise entstellenden großen
Verbindlichkeiten eben überhaupt schon, wie bereits ausgeführt, eines gewissen Kapitales bedarf, um den Handel rationell und reell betreiben zu können. Wenn aber der Staat einen solchen Betrieb bei der Feststellung der Höhe seiner Patent-

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taxe und Kaution vorausgesetzt hat und mit seiner auf diese Voraussetzung gegründeten Fixierung der Höhe schwindelhafte Unternehmungen von vornherein verunmöglicht, so liegt darin jedenfalls keine Verletzung von Art. 31 der Bundesverfassung.

Liegt nun aber nicht darin eine Verletzung von Art. 31, dass schon der bloße Ankauf von Vieh im Kanton Zürich unter die Vorschriften betreffend den Viehhandel gestellt wird? So wie der Beschwerdeführer die Frage stellt, beschränkt er sich nicht darauf, die Interpretation des Gesetzes als eine dem Willen des kantonalen Gesetzgebers nicht, entsprechende anzufechten, sondern er behauptet, dieselbe in vol viere auch eine Verletzung von Art. 31 der Bundesverfassung. Während, wie der zürcherische Regierungsrat mit Recht ausführt, der Bundesrat für den ersten Anfechtungsgrund nicht kompetent ist, giebt ihm Art. 189 des Organisationsgesetzes die Kompetenz zur Beurteilung des zweiten.

Vorliegenden Falles ist nun festzustellen, daß Rekurrent seihst zugesteht, sein Vieh im Kanton Zürich gekauft zu haben, um es weiter zu verkaufen. Ein Ankauf mit dieser Absicht des Wiederverkaufes ist aber Handel, und es hat das Gesetz vom 22. Dezember 1895 eine in diesem Sinne durchaus berechtigte Unterscheidung gemacht, indem es in Absatz 2 des § 10 den ,,mit dem Betrieb eines landwirtschaftlichen Gewerbes ordentlicherweise verbundenen Wechsel des Viehstandes nicht als Viehhandel betrachtet. K» rechtfertigt sich somit auch die Verpflichtung, daß auch derjenige, der den bloßen Ankauf von Vieh im Kanton betreibt, zur Bezahlung der Viehpatenttaxe herangezogen wird. Ob die dem Viehhändler für den bloßen Ankauf neben der Taxe auferlegte Kaution durch die ratio legis begründet wird oder nicht, ist vom Bundesrat nicht zu untersuchen.

Wohl aber ist festzustellen, daß, wenn in diesem Falle dio Kaution nicht den Zweck haben kann, die Einschleppung von Seuchen zu verhindern, sie doch zur Sicherstellung aller jener privat- und öffentlichrechtlichen Ansprüche dient, die schon dem Ankauf allein zu entstehen vermögen.

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Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 27. November 1900.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, D e r Bundespräsident Hanser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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Bundesratsbeschluss betreffend die Beschwerde des Othmar Braun, Landwirtes und Viehhändlers in Bronschhofen bei Wil (Kanton St. Gallen), wegen Verletzung der Handelsund Gewerbefreiheit (Verpflichtung zur Lösung eines Viehhandelspatentes und zur Kau...

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