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Schweizerisches Bundesblatt.

52. Jahrgang. I.

Nr. 5.

31. Januar 1900.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des Jakob Fitzi, Malers in Birrenlauf (Kanton Aargau).

(Vom

26. Januar 1900.)

Tit.

Pètent wurde von den Gerichten des Kantons Aargau schuldig befunden, am 31. März 1899 ungefähr um Mitternacht gemeinsam mit dem unbekannt wo abwesenden Malergehülfen Jakob Künzli dadurch in fahrlässiger Weise den Eisenbahnbetrieb gefährdet zu haben, daß die Genannten auf der Station Schinznach mehrere Weichen umstellten und einen großen offenen Eisenbahnwagen über das Verbindungsgeleise gegen die -Station schoben und daß sie sodann mit dem auf Station Schinznach-Bad stehenden Rollwagen auf den Hauptgeleisen in- und außerhalb der Station herumfuhren. Für diese Handlungen bestrafte das Bezirksgericht Brugg den Fitzi und den Künzli mit je drei Wochen Gefängnis und Fr. 10 Geldbuße und das Obergericht des Kantons Aargau bestätigte das Erkenntnis unter Abweisung der dagegen erklärten Appellation in allen Teilen.

Fitzi hat selbst die Richtigkeit der thatsächlichen Behauptungen der Anklage nicht in Abrede gestellt; er beschrieb vielmehr im Verhör vor Bezirksamt Brugg vom'15. April 1899 den fraglichen Vorfall in folgender Weise : Bundesblatt. 52. Jahrg. Bd. I.

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162 ,,Am betreffenden Abend, als wir unseren Zimmerschlüssel auf dem Bureau des Stationsvorstandes holen wollten, ersuchte uns der Volontär Doswald, mit ihm zu kommen, die Linie zu kontrollieren, und als wir nicht wollten, versprach er, uns ein Bier zu zahlen, üoswald machte uns dann auf den Rollwagen aufmerksam, wir hätten ja nicht gewußt, daß ein solcher zur Verfügung stände. Doswald half dann auch den ändern Wagen weiter schieben, da wir zvcei das nicht im stände gewesen. Doswald fuhr allerdings nicht mit auf dem Rollwagen, er sagte uns nur einmal, wir sollen das Fahren sein lassen, Herr Schieß könnte sonst erwachen; dagegen zeigte er uns die Handhabung der Weichen.

Doswald hat dann nur zu seiner eigenen Sicherheit Herrn Schieß benachrichtigt, weil er ihn sonst fortjage, wenn er es vernehme.

Doswald ist aber jetzt gleichwohl daraus gelaufen, er war ein unzuverlässiger Bursche. Eine Gefährdung des Bahnbetriebs haben wir nicht beabsichtigt, Doswald hätte ja das alles wieder ordnen können. Künzli ist auch schon etwa vierzehn Tage fort, wohin, ist mir unbekannt.a (Wörtlich aus Nr. 3 der Akten des Bezirksamtes Brugg.)

Wie aber Fitzi in diesem Verhör bereits angefangen, so suchte er auch vor Gericht und sucht er nun durch seinen Vertreter im Begnadigungsverfahren jede strafrechtliche Verantwortung für das Geschehene auf den Stationsgehülfen Doswald abzuladen, von dem er behauptet, daß er ihn und Künzli zu dem Beiseiteschieben des Güterwagens und zur Benutzung des Rollwagens aufgemuntert und daß er ihnen zur Öffnung der Weichen Anleitung gegeben habe.

In dem Begnadigungsgesuche wird, ähnlich wie in der AppellationsBegründung, dieser Thatbestand als nachgewiesen allen weitern Schlußfolgerungen zu Grunde gelegt. Nun steht damit aber nicht nur die Sachdarstellung des Stationsgeliülfen Doswald irn Widerspruch; sie harmoniert auch nicht damit, daß dieser letztere den Stationsvorstand Schieß zur Hülfe herbeigerufen hat, um dem Treiben des Fitzi und des Kiinzli ein Ende zu bereiten, sondern sie ist geradezu mit Rücksicht auf die eben citierte eigene Aussage des Fitzi vor Verhör unglaubwürdig. Nach der letztern ist Doswald n i c h t mitgefahren auf dem Rollwagen und hat er auch die Veränderung der Weichenstellung nicht vorgenommen, vielmehr haben das Fitzi und Künzli gethan, und seine Herbeiziehung des
Stationsvorstandes erklärt sich auf natürliche Weise nur dadurch, daß er dieses Treiben mißbilligte. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, daß Doswald, nachdem er alles in Scene gesetzt, aut den ,,teuflischen Gedanken1'" verfallen soi, ,,selbst um Hülfe zu rufen, um

163 den Verdacht, selber der Urheber dieser verbotenen RollwagenFahrten zu sein, sofort von sich abzuwälzen". (AppellationsBegründung pag. 4/5.)

Wäre dem so, so hätte ganz sicher Fitzi bei der ersten Ent· Deckung des Geschehenen dem Stationsvorstande entsprechende Mitteilung gemacht; daß das nicht geschehen, muß dem Rapport dieses Beamten vom 17. April ,(Akt. Nr. 5 des Bezirksamtes) entnommen werden und spricht entschieden gegen die nachträgliche Sachdarstellung Fitzis. Was die Verteidigung noch weiter vorbringt, um den Doswald als einen verworfenen Menschen und den Fitzi als verführte Unschuld darzustellen, ist von der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau in ihrer Rekursbeantwortung richtig gewürdigt worden und entbehrt jedweden schlüssigen Beweises.

Mag auch Doswald sich im Dienst als unzuverlässig erwiesen und Grund zur Entlassung gegeben haben, so rechtfertigt das keineswegs die zur Verteidigung von Fitzi vorgebrachte Sachdarstellung.

Der letztere bleibt unter allen Umständen für die selbst vorgenommenen Handlungen dem Strafrichter verantwortlich, und darüber, daß in denselben eine schwere Gefährdung des Eisenbahnbetriebes lag, zu deren Repression eine energische Strafe gehört, dürfte irgend ein Zweifel nicht bestehen.

Der Bundesrat stellt aus diesen Gründen bei Ihrer hohen Versammlung deu A nt r ag:

Es sei dem Gesuch des F i t z i n i c h t zu entsprechen.

B e r n , den 26. Januar 1900.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Hauser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des Jakob Fitzi, Malers in Birrenlauf (Kanton Aargau). (Vom 26. Januar 1900.)

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31.01.1900

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161-163

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