# S T #

Bundesrats eschluß über

die Rekurse 1. der Feuerversicherungsgesellschaften ,,Helvetia" in St. Gallen, ,,Bâloise" in Basel, ,,Schlesische" in Breslau, ,,Phénix" in Paris und 2. der Schweizerischen Mobilliarversicherungsgesellschaft in Bern gegen den Entscheid des Großen Rates des Kantons Bern vom 2. Februar 1900 betreffend Beiträge der Versicherungsgesellschaften an die Ausgaben für das Feuerlöschwesen.

(Vom 24. August 1900.)

Der schweizerische Bundesrat hat

nach Einsichtnahme von den Rekursen 1. der Feuerversicherungsgesellschaften ,,Helvetia" in St. Gallen, ,,Bâloise" in Basel, ,,Schlesische" in Breslau, ,,Phénix" in Paris und 2. der Schweizerischen Mobiliarversicherungsgesellschaft in Bern gegen die Entscheidung des Großen Rates des Kantons Bern vom 2. Februar 1900 betreffend die Beiträge der Versicherungsgesellschaften an die Ausgaben für das Feuerlöschwesen ; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Durch Beschluß vom 2. Februar 1900, veröffentlicht im Amtsblatte vom 10. Februar, hat der Große Rat des Kantons Bern den

Art. 20 des Dekretes vom 31. Januar 1884 über die Lüscheinrichtungen und den Dienst der Feuerwehr neuerdings abgeändert, in dem Sinne, daß die im Kantone arbeitenden schweizerischen und auswärtigen Feuerversicherungsgesellschaften an die Kosten des Lösch- und Feuerwehrwesens einen jährlichen Beitrag von 3 Rappen von Fr. 1000 ihres im Kanton gelegenen Versicherungskapitals, im Minimum Fr. 20, zu leisten haben.

Art. 20 des Dekretes vom 31. Januar 1884 über die Löscheinrichtungen und den Dienst der Feuerwehr setzte ursprünglich den von den schweizerischen und auswärtigen Feuerversicherungsgesellschaften an die Kosten des Lösch- und Feuerwehrwesens zu entrichtenden jährlichen Beitrag auf Fr. 100--500 fest, wobei die genauere Bestimmung des auf jede Gesellschaft nach Maßgabe ihres ißeschäftsumfanges entfallenden Betrages dem Regierungsrate überlassen wurde. Durch Beschluß vom 30. November 1888 hatte der "Große Rat diesen Artikel dahin abgeändert, daß der jährliche Beitrag für jede Gesellschaft auf 2 Rappen von Fr. 1000 ihres im Kanton gelegenen Versicherungskapitals angesetzt wurde.

II.

Gegen den Entscheid vom 2. Februar 1900 rekurrierten die a , die ,,Baloisea, die ,1Schlesischeu und der ,,Phénix" mit Eingabe vom 9./15. März 1900 an den Bundesrat mit dem Begehren : Der Bundesrat möge in Anwendung von Art. l, Absatz 3 und 4, des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1885 betretend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens die Aufhebung des obgenanuten Entscheides veranlassen.

Der Rekurs nimmt Bezug auf die Eingabe, welche die ,,Baldige^ und ,,Helvetia" betreffend die Beiträge der Feuerversicherungsgesellschaften unterm 19./22. Oktober 1887 an den Bundesrat gerichtet haben, sowie auf den Bundesratsbeschluß vom 24. Januar 1888 in Sachen ,,Schweizerische Mobiliarversicherungsgesellschafttt und ,,L'Union1-' contra Regierungsrat des Kantons Schaff'hausen.

Es wird ausgeführt, daß durch jenen Beschluß die Frage, wie hoch der von den Versicherungsgesellschaften zu erhebende Beitrag an die Kosten des Feuerlöschwesens bemessen werden dürfe, bereits dahin entschieden worden sei, daß jene Beiträge nur dann als ,,mäßig"1 gelten können, wenn sie 2 Rappen von Fr. 1000 des versicherten Kapitals nicht übersteigen.

T)Helvetia

Der Rekurs erinnert daran, daß das schweizerische Industrieund Landwirtschaftsdepartement bei Mitteilung jenes Beschlusses an die ,,Helvetia" unterm 8. Februar 1888 sich folgendermaßen äußerte: ,,Dieser Entscheid wird vorläufig wohl genügen, um die Kantone, welche höhere Beiträge haben, zu deren Ermäßigung zu veranlassen. Sonst würden weitere Rekurse hierzu führen, deren Erledigung nunmehr keine Schwierigkeiten bereiten kann. tc Die Rekurrenten glauben um so eher auf eine analoge Erledigung des vorliegenden Rekursfalles rechnen zu dürfen, als die Motivierung der Beitragserhöhung durch den bernischen Regierungsrat -- große Staatsleistungen zur Hebung des Feuerlöschwesens -- vom Bundesrate der Schaffhauser Regierung gegenüber als nicht durchschlagend abgelehnt worden ist. Von jeher haben die rekurrierenden Gesellschaften der guten Feuerpolizei und den verbesserten Lüseheinrichtungen durch entsprechende Ermäßigung ihrer Prämien Rechnung getragen.

III.

Mit Eingabe vom 27. März 1900 rekurriert die Schweizerische Mobiliarversicherungsgesellschaft gegen den Beschluß vom 2. Februar 1900. Sie macht dabei im wesentlichen folgendes geltend: Durch seinen Beschluß vom 24. Januar 1888 hat der Bundesrat grundsätzlich entschieden, daß ein Beitrag zu Feuerlöschzwecken nur dann als ,,mäßig1' gelten kann, wenn er 2 Rappen von Fr. 1000 des versicherten Kapitals nicht übersteigt; der Rekurs nimmt daher auf diesen Entscheid ausdrücklich Bezug. Es ist heute noch wahr, daß die Feuerversicherungsgesellschaften diese Beiträge auf die Versicherton des betreffenden Bezirkes abwälzen; diese, welche bereits ihre Steuern gleich allen andern Bürgern entrichten, werden so ungerochterweise von dem Staate für ihre Vorsicht noch besonders besteuert. Diese Mehrbelastung der Versicherten ist bei einer G-egenseitigkeitsanstalt wie die Rekurrentin besonders unvermeidlich. Es wird darauf hingewiesen, daß schon ein Beitrag von 0,02 %o eine ganz erhebliche Belastung bedeutet und daß die Verbesserungen im Lösch- und Feuerwehrwesen von den Gesellschaften schon bei Anwendung ihrer Tarife berücksichtigt werden.

Es bleibt auch zu untersuchen, fährt der Rekurs fort, ob für die einzelne Gesellschaft nach Maßgabe ihrer speciellen Verhältnisse ein Beitrag von O,OB °/oo noch als ,,mäßig" bezeichnet werden kann. Die Rekurrentin ist eine auf Gegenseitigkeit beruhende, gemeinnützige Gesellschaft, deren Bestrebungen nicht auf Gewinn gerichtet sind ; sie deckt ungefähr 5/s des im Kanton Bern ver-

6 sicherten Mobiliars und hätte sich somit auch im gleichen Verhältnis an den durch den Kanton bezogenen Beiträgen zu beteiligen.

Ein Beitrag von 0,os %" würde für die Rekurrentin im Kanton Bern eine jährliche Ausgabe von Fr. 15,085 erheischen; würde der gleiche Satz auch in allen andern Kantonen erhoben -- was bei Abweisung dieses Rekurses nicht lange auf sich warten ließe -- so hätte die Rekurrentin jährlich die unerhörte Summe von Fr. 59,162 als sogenannt ,,mäßigen" Beitrag zu leisten.

Die Erhöhung des Beitrages darf nicht damit begründet werden, daß man sagt, die kantonale Brandversicherungsanstalt habe ihre Leistungen für Feuerlöschzwecke ebenfalls erhöht. Die kantonale Brandversicherungsanstalt ist ein staatliches Institut und kann mit dem Staate identifiziert werden; sie ist für alle Gebäudebesit/er obligatorisch. Der Staat hat das allergrößte Interesse an der Ausbildung des Feuerwohrwesens und an der Vervollkommnung der Löscheinrichtungen. Ihm und den Gemeinden liegt daher die Sorge dafür in erster Linie ob. Die Privatgesellschaften werden nach wie vor zu mäßigen Beiträgen bereit sein, aber die Beiträge, welche man fordert, sollen auch in angemessenem Verhältnis zu den von jeder Gesellschaft erzielten Geschäftsresultaten stehen. In den 73 Jahren ihres Bestehens (1826--1899) hat die Rekurrentin im Kanton Bern einen Verlust von Fr. 1,586,898 erlitten (Einnahmen Fr. 18,433,587, Ausgaben Fr. 20,020,485); die 10jährige Periode von 1889--1899 schließt im Kanton Bern mit einem Verlust von Fr. 340,895.

Würde man unter diesen Umständen den Beitrag erhöhen, so wäre dies gleichbedeutend mit einer direkten Belastung der Versicherten, denn es müßten entweder die Prämien erhöht oder die Mehrkosten von den Versicherten als Extraprämie erhoben werden ; eine solche Verteuerung der Versicherung würde aber die vom volkswirtschaftlichen Standpunkte aus so wünschbare Verallgemeinerung derselben keineswegs fördern. In dem Bestreben, den kleinen Leuten die Versicherung zu erleichtern, hat die Rekurrentin bei Versicherungen bis auf Fr. 5000 auf die Vergütung der Policekosten und Lokalagentengebühren verzichtet, unter der einzigen Bedingung, daß Staat und Gemeinde für solche Versicherungen ihrerseits weder Stempel noch Genehmigung«- oder Kontrollgebührcn verlangen. Die Rekurrentin würde es bedauern, wenn sie
durch die Erhöhung des Beitrages, welcher Gegenstand dieses Rekurses ist, sich gezwungen sähe, diese Erleichterung abzuschaffen, welche an sich schon eine namhafte Verminderung ihrer Einnahmen darstellt; es würden also in erster Linie die kleinen Leute dadurch betroffen.

IV.

Der Regierungsrat des Kantons Bern beantragt in seiner Vernehmlassung vom 9. Mai 1900 Abweisung der Rekurse und legt zur Begründung dieses Antrages vor: seinen Vortrag vom 26. Oktober 1899 an den Großen Rat zur Empfehlung des angefochtenen Beschlusses, ferner Abschrift eines von der Direktion der kantonalen Brandversicherungsanstalt unterm 23. April 1900 verfaßten Berichtes über gegenwärtige Rekurse, begleitet von einer vergleichenden Zusammenstellung der Leistungen der Privatfeuerversicherungsgesellschaften und der staatlichen Anstalten in der Schweiz und im Auslande an die Kosten des Feuerschutzes. Der Regierungsrat erklärt sich mit diesem Berichte der kantonalen Anstalt, auf deren Veranlassung der angefochtene Großratsbeschluß zu stände gekommen ist, einverstanden.

Der Vortrag an den Großen Rat macht geltend, daß der durch Beschluß vom 30. November 1888 auf 0,02 %° festgesetzte Beitrag nicht mehr in richtigem Verhältnisse zu den Leistungen der kantonalen Anstalt stehe. Durch Gesetz vom 20. November 1892 wurde das Maximum der Beiträge der kantonalen Brand Versicherungsanstalt von 0,05 %° auf O)1 °/°° erhöht, welches Maximum von der Anstalt seither auch immer ausgerichtet worden ist, so daß sie nunmehr jährlich rund Fr. 100,000 an die Kosten des Feuerlöschwesens beiträgt, während die Beiträge der Privatgesellschaften sich in 1897 nur auf Fr. 14,845 bezifferten. Dazu kommt noch, daß die kantonale Anstalt durch ihre Vorkehren zur Beseitigung feuergefährlicher Zustände an Gebäuden des Kantons vorbeugend für Hebung der Feuersicherheit wirkt und außerdem, gemäß § 48 der Feuerordnung vom 1. Februar 1897, die Hälfte der Kosten der staatlichen Feueraufsicht zu ihren Lasten nimmt.

Der Bericht der kantonalen Brandversicherungsanstalt anerkennt, daß der Bundesrat durch Beschluß vom 24. Januar 1888 ausgesprochen hat, was unter einem ,,mäßigen11 Beitrag zu verstehen sei ; dieser Ausspruch dürfte aber nicht für alle Zeiten Geltung haben. Derselbe stützte sich offenbar auf den damaligen Zustand der Feuerpolizei und auf den daraus für die Feuerversicherung sich ergebenden Nutzen. Heute sind die Verhältnisse ganz andere geworden : das Feuerwehrwesen im Kanton Bern hat eine bedeutende Vervollkommnung erfahren, dank den großen Opfern von Staat und Gemeinden und dank der Verdoppelung der Beiträge der kantonalen Anstalt. Die hieraus entspringenden Vorteile für die Feuerversicherung sind viel bedeutender als früher,

8

und die Grenze, bis zu welcher die Beiträge noch als ,,mäßig"1 gelten können, hat sich hierdurch nach oben verschoben ; sie kann auch schon mit Rücksicht auf die fortschreitende Entwertung des Geldes nicht stabil bleiben.

Es ist anzunehmen, daß die Rekurrenten gegen die ,,Mäßigkeita des Ansatzes von 0,os %o auch dem Kanton Bern gegenüber nichts einzuwenden gehabt hätten, wenn nicht der Kanton Zürich eine Erhöhung auf 0,os °/oo beabsichtigen würde.

Die Geschäftsresultate im Kanton Bern, welche die Schweizerische Mobiliarversicherungsgesellschaft mitteilt, beziehen sich gerade auf die Jahre, wo im Kanton Bern die größten Brandkatastropben stattgefunden haben. Übrigens ist es nicht richtig, die Geschäftsresultate den Leistungen an das Löschwesen gegenüberzustellen, da ja der Nutzen der seither eingeführten Verbesserungen im Feuerlöschwesen sich in der Hauptsache erst in der Zukunft einstellen wird. Unrichtig ist es auch, die Leistungen der kantonalen Brandversicherungsanstalt als Staatsleistungen zu bezeichnen, ja sogar diese Anstalt mit dem Staate zu identifizieren. Die kantonale Brandversicherungsanstalt ist ebensogut wie die Schweizerische Mobiliarversicherungsgesellschaft ein auf Gegenseitigkeit beruhendes und für Rechnung der Versicherten getrennt verwaltetes Institut. Die Billigkeit erheischt, daß nicht die Gebäudeversicherten fast ausschließlich für die Leistungen zur Hebung des Löschwesens aufkommen, sondern daß auch die Mobiliarversicherten hierzu ein Erkleckliches beitragen. Indem der Große Rat des Kantons Bern die Leistungen der letztern von 0,oa %° auf 0,03 %o erhöhte, angesichts eines Beitrages von 0,i °/oo der Brandversicherungsanstalt, hat er dabei eine weise Mäßigung an den Tag gelegt. Im Kanton Zürich zahlen die Rekurrenten schon seit Jahren ohne Protest 0,03

%0.

Der Bericht anerkennt gerne die Vergünstigungen, welche die Schweizerische Mobiliarversicherungsgesellschaft in gemeinnütziger Absicht den Versicherten der unbemittelten Klasse angedeihen läßt, aber diese Erleichterungen gewährt sie offenbar nicht bloß im Kanton Bern, sondern auch anderwärts, wie z. B. im Kanton Zürich. Die Drohung, sie werde, wenn sie im obschwebenden Rekursstreit unterliege, jene Erleichterungen im Kanton Bern aufheben, dürfte kaum ernst zu nehmen sein, da sie dies ja im Kanton Zürich, \vo schon lange 0,os %o gefordert werden, auch nicht gethan hat. Wenn die Schweizerische Mobiliarversicherungsgesellschaft es für angezeigt hält, die aus dem Großratsbeschluß ihr erwachsenden Mehrausgaben von cirka Fr. 5000 auf die bernischen

Versicherten abzuladen, so wird der Einzelne dies nicht stark fühlen, und er wird sich dabei noch immer besser stellen als die Gebäude versicherten, welche jährlich für rund Fr. 100,000 autzukommen haben.

Was die rekurrierenden Aktiengesellschaften anbetrifit, so sagen sie nicht, wie sie die ihnen durch den angefochtenen G-roßratsbeschluß erwachsenden Mehrauslagen aufzubringen gedenken, ob durch Erhöhung der Prämien im Kanton Bern oder durch Reduktion der Dividende ; es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß sie letztem Weg wählen, obschon es hier nicht an Spielraum fehlen würde.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

I.

1. Die Zulässigkeit der vorliegenden Rekurse ist unbestritten und unanfechtbar (Art. 190, Abs. l, und 178 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege).

2. Ebenso ist unbestritten die Kompetenz des Bundesrates ; sie gebt ausdrücklich aus Art. l, Abs. 4, des Aufsichtsgesetzes vom 25. Juni 1885 hervor.

II.

1. Art. l, Abs. 3, des durch die Rekurse angerufenen Bundesgesetzes von 1885 lautet: ,,Den Kantonen bleibt vorbehalten, den Feuerversicherungsunternehmungen mäßige Beiträge zu Zwecken der Feuerpolizei und des Feuerlöschwesens aufzuerlegen/' 2. Für die Untersuchung, ob der angefochtene Beschluß mit der vorerwähnten Bestimmung im Einklang steht, sind zunächst eine Anzahl von Argumenten als belanglos auszuscheiden, welche von der einen oder andern Partei vorgebracht werden : Die Entwertung des Geldes könnte jedenfalls kein Hindernis für die Stabilität der im Jahre 1888 vom Bundesrate aufgestellten Beitragsgrenze bilden. Der Satz von 0,02 %o wird auf der versicherten Summe berechnet, die Entwertung des Geldes kommt somit bereits durch eine Erhöhung dieser Summe und -- auch wenn der Satz unverändert bleibt -- folgerichtig durch eine entsprechende Zunahme der Beitragssumme zur Berücksichtigung.

10 Ohne Bedeutung für die gegenwärtigen Rekurse ist auch, daß der Kanton Zürich einen Beitrag von 0,oa %o bezieht. Der Bundesrat hat sich hierüber nicht auszusprechen, da ein Rekurs gegen das zürcherische Verfahren nicht vorliegt.

Ebenso kommt nicht in Betracht, daß das Geschäft der Schweizerischen Mobiliarversicherungsgesellschaft im Kanton Bern einen Verlust aufweist. Der Beitrag, um den es sich handelt, ist keine Einkommensteuer. Es ist übrigens wohl möglich, daß ohne die Feuerpolizei und die Löscheinrichtungen, zu deren Kosten die Gesellschaft beitragen soll, der aus dem Berner Geschäfte resultierende Verlust -- bei gleichen Tarifen -- um so größer gewesen wäre.

Endlich ist es für die Rekurse ohne Belang, daß die Schweizerische Mobiliarversicherungsgesellschaft eine auf Gegenseitigkeit beruhende Unternehmung ist: es handelt sich nicht um eine Erwerbsfrage, und das Bundesgesetz von 1885 macht hinsichtlich der Beiträge zu Feuerlöschzwecken keinen Unterschied zwischen Aktiengesellschaften und Gegenseitigkeitsanstalten.

3. Indem Art. l, Abs. 3, des Bundesgesetzes von 1885 den Kantonen das Recht giebt, die Feuerversiclierungsgesellschaftcn zu mäßigen Beiträgen an die Kosten des Feuerlöschwesens anzuhalten, charakterisiert er sich offenbar als A u s n a h m e von dem in Art. 15, Abs. 2, des gleichen Gesetzes aufgestellten Grundsätze; letztere Bestimmung verbietet den Kantonen, die Versicherungsgesellschaften besondern Taxen zu unterwerfen, d. h. Taxen, welche unter gleichen Verhältnissen nicht auch von andern als Versicherungsgesellschaften erhoben werden (Bundesratsbeschlüsse, Buudesbl. 1897, IV, 236; 1898, I, 259). Dieser Ausnahmscharakter des Rechtes der Erhebung von Beiträgen zu Feuerlöschzwecken macht es unerläßlich, daß man sich hinsichtlich Bemessung der Beitragsquote auf einen beschränkenden Standpunkt stelle.

Im Beschlüsse vom 24. Januar 1888 (Bundesbl. 1888, I, 162) hat der Bundesrat außerdem einläßlich (Erwägungen l--3) dargethan, daß der Vorbehalt betrefiend die Beiträge zu Feuerlöschzwecken dem ursprünglichen Gesetzesentwurf beigefügt worden ist mit Rücksicht auf Beiträge dieser Art, welche schon damals von einigen Kantonen erhoben wurden. Der Beschluß machte geltend, daß, um die .,,Mäßigkeit" eines Beitrages zu beurteilen, es sich daher empfehle, die Sätze ins Auge zu fassen, welche
zur Zeit des Gesetzeserlasses in den Kantonen allgemein zur Anwendung kamen. Von fünf Kantonen war nur ein einziger, bei welchem der Beitrag den Satz von 0,oa %o des versicherten Kapitals über-

11 stieg. ,,Wenn sich nun der Bundesgesetzgeber", fügt der Beschluß bei, ,,schon damals veranlaßt sah, die mäßige Bemessung der Zuschüsse einzuschärfen und dem Bundesrate eine Moderationsbefugnis vorzubehalten, so ergiebt sich daraus für die entscheidende Behörde die Pflicht, der Tendenz zur Erhöhung entgegenzutreten.'1 Diese Erwägungen, den Umständen entsprossen, welche zu dem betrefienden Vorbehalte führten, haben noch heute ihren vollen Wert bewahrt; sie hauptsächlich scheinen den Bundesrat veranlaßt zu haben, in 1888 den Satz von 0,02 %o als äußerste Grenze dessen zu erklären, was noch unter den Begriff ,,mäßig'1 gebracht werden konnte.

4. In den ihrer Vernehmlassung zu den Rekursen beigefügten Akten weist die bernische Regierung zu gunsten einer Erhöhung des vom Bundesrate im Jahr 1888 für die Privatgesellschaften als zulässig erklärten Maximums von 0,02 %o hauptsächlich auf die immer größer werdenden Beiträge der kantonalen Brandversicherungsanstalt an das Feuerlöschwesen und insbesondere auf die Thatsache hin, daß das Gesetz vom 20. November 1892 (Art. 2J in Abänderung von Art. 9 des Gesetzes vom 30. Oktober 1881 das Beitragsmaximum von 0,os %o auf 0,i °/oo erhöht hat.

Die Vernehmlassung betont mit Recht, daß die kantonale Anstalt nicht mit dem Staat identifiziert werden dürfe und daß sie ein auf Gegenseitigkeit beruhendes, getrennt und für Rechnung der Versicherten verwaltetes Institut sei. Aber es ist darum nicht weniger wahr, daß der Staat, welcher die Verwaltung dieser Anstalt organisiert und leitet (Art. 11 des Gesetzes vom 30. Oktober 1881, Dekret vom 21. Februar 1889), ihr auf gesetzgeberischem Wege einen Teil seiner Souveränität oder seiner Machtvollkommenheit überträgt: er verpflichtet zur Versicherung der Gebäude bei dieser Anstalt, unter Ausschluß jeder andern Versicherungsuntornehmung (Art. l, 2 und 6 des Gesetzes), und verleiht der kantonalen Anstalt gewisse Kompetenzen betreffend Feuerpolizei (vido Vernehmlassung). Da die .Versicherimg aller Gebäude bei der kantonalen Anstalt o b l i g a t o r i s c h ist, kommen die dieser Anstalt auferlegten Beiträge einer a l l g e m e i n e n Besteuerung des Gebäudebesitzes gleich.

Die von den Privatgesellschaften zu leistenden Beiträge haben einen andern Charakter und andere Folgen : Die Erfahrung zeigt, und es ist auch von den Parteien
ausdrücklich zugegeben, daß die Beiträge wie alle Unkosten (ordentliche Steuern der Gesellschaften, Stempel etc.} schließlich zu Lasten der Versicherten selbst fallen, sei es in Form einer Zuschlagsprämie, sei es als Erhöhung

12 der eigentlichen Prämie. Diese schließliche Abwälzung des Beitrages auf die Gesamtheit der Versicherten -- oder, was richtiger ist, auf die Versicherten des betreffenden Bezirkes -- findet sowohl bei Aktiengesellschaften als auch bei Gegenseitigkeitsanstalten statt, bei welch letztern dies schon durch das Wesen der Gesellschaft bedingt ist. Die Versicherung des Mobiliars durch die Privatunternehmungen ist f a k u l t a t i v , die Versicherton werden somit durch den Beitrag an das Feuerlöschwesen außer den ihnen als gewöhnlichen Steuerpflichtigen aufliegenden Steuern noch mit einer b e s o n d e r n Steuer belastet für Einrichtungen von eminent öffentlicher Natur, die jedem Besitzer, ob versichert oder nicht, unterschiedslos zu gute kommen.

Im Gegensatze zu den Beiträgen einer Anstalt, bei welcher a l l e Gebäude o b l i g a t o r i s c h versichert sind, gestalten sich die Beiträge derjenigen, welche ihre Fahrhabe bei einer Privatgesellschaft f r e i w i l l i g versichern, zu einer speci eilen Besteuerung der Vorsichtigen, zum ausschließlichen Vorteil derjenigen, welche sich nicht versichern; diese Steuer kann die Verallgemeinerung der dadurch verteuerton Versicherung nur erschweren, und muß daher vom wirtschaftlichen Standpunkte aus als mißlich betrachtet werden.

Auch abgesehen von dieser volkswirtschaftlichen Erwägung ist somit aus der Vergleichung der Beitragsquote der kantonalen Anstalt einerseits und der Privatunternehmungen anderseits kein Schluß zu ziehen. Gegen eine Vergleichung kann auch geltend gemacht werden, daß die kantonale Anstalt nicht wie die Privatgesellschaften dem Bundesgesetze von 1885 unterstellt ist (vide Art. l, Abs. 5, 1. c.) und daß sie daher den Vorteil der in den Rekursen angerufenen Garantie einer ^ mäßigen11 Beitragspflicht nicht genießt; es würde sich übrigens fragen, ob der Unterschied in der Bcitragsquote der kantonalen Anstalt und der Privatunternehmungen sich nicht durch ein größeres Interesse der Gebäudeversicherung am Feuerlöschwesen rechtfertigt.

Nach vorstehenden Erwägungen ist es nicht nötig, auf die von der bernischen Regierung vorgelegte Tabelle betreffend die in den verschiedenen Kantonen und im Auslande den privaten Feuerversicherungsgesellschaften und den staatlichen Anstalten auferlegten Beitragsquoten für das Feuerlöschwesen im einzelnen
einzutreten ; übrigens berechtigt hinsichtlich fremder Staaten nichts zu der Annahme, daß dort der Gesetzgeber wie in der Schweiz für den Beitrag der Privatunternehmungen ausdrücklich eine Mäßigkeitsgrenze vorbehalten habe. Immerhin gestattet die Tabelle, zu konstatieren, daß die Beitragsquote der Staatsanstalten im allgemeinen

13 -- namentlich in der Schweiz (Appenzell A.-Rh., Baselstadt, Schafihausen, St. Gallen, Zürich) -- höher als diejenige der Privatunternehmungen ist; in St. Gallen ist das Verhältnis 0,ai6 : 0,02, in Zürich 0,22 : 0,os, und in Schaffhausen -- gerade auf Grund des Bundesratsbeschlusses vom 24. Januar 1888 -- stellt es sich auf 0,135:0,02; in Bern betrug dasselbe seit 1892 und bis zum angefochtenen Großratsbeschluß 0,i : 0,os.

5. Ohne dem, was später über den Einfluß des Feuerlöschwesens auf die Versicherungstarifsätze gesagt wird, vorzugreifen, muß man zugeben -- mit dem Beschlüsse vom 24. Januar 1888 und mit der Antwort auf gegenwärtige Rekurse -- daß der Charakter der ,,Mäßigkeit" eines Beitrages bis zu einem gewissen Punkte vom Zustande der Entwicklung und Vervollkommnung des Feuerlöschwesens in der betreffenden Gegend abhängt. Aber gerade mit Rücksicht auf die guten Einrichtungen des Kantons Schaffhausen und seiner Gemeinden hat der Bundesrat im Jahre 1888 den Maximalbetrag für diesen Kanton auf 0,02 %o angesetzt : es ist durch nichts bewiesen, daß heute im Kanton Bern das Feuerwehrund Löschwesen erheblich besser und ausgebildeter sei, als es damals im Kanton Schaffhausen war. Es wäre übrigens unbillig, die Beitragsquote .fortwährend mit der Entwicklung des Feuerlöschwesens Schritt halten zu lassen, da ja diese Entwicklung zur Folge hat, die Versicherung wohlfeiler und damit auch allgemeiner zu machen, wodurch sich von selbst -- auch unter Beibehaltung der bisherigen Quote -- eine Zunahme in dem Ergebnis der Beiträge herausstellt.

6. Die Beiträge der privaten Gesellschaften an die Kosten des Feuerlöschwesens rufen überdies einer prinzipiellen Einwendung: Die Erfahrung beweist, daß, schon mit Rücksicht auf die lebhafte Konkurrenz unter den Privatgesellschaften, letztere bei Anwendung ihrer Tarife dem jeweiligen Zustande der Feuerlöscheinrichtungen einer Gegend Rechnung tragen: dieser Zustand bildet in der That ebenso wie derjenige der baulichen Konstruktionen für den Versicherer einen wesentlichen Faktor zur Beurteilung eines Risikos und zur Bemessung der Prämie. Die Vollkommenheit der Feuerlöscheinrichtungen hat also das glückliche Resultat, nicht etwa den Versicherer zu bereichern, der sie bei Aufstellung der Tarife in Berücksichtigung zieht, sondern die Versicherung wohlfeiler zu machen und
gleichzeitig auch die G-efahr für die nichtVersicherten Eigentümer zu vermindern. Wenn nun der Staat von den Versicherern wegen des Feuerlöschwesens eine Steuer erhebt, so muß naturgemäß der Prämiensatz, wie weiter

14

oben dargethan wurde, zum ausschließlichen Vorteil der nichtversicherten Eigentümer erhöht werden.

7. Auf eine in der Schweiz durch die Privatgesellschaften in 1898 versicherte Summe von Fr. 6,754,082,397 ergiebt ein Beitrag von 0,02 °/oo schon eine Specialsteuer von Fr. 135,082 ; eine Erhöhung von 0,oi%o käme einem Mehrbetrag von Fr. 67,541 gleich und würde die Steuer auf Fr. 202,623 bringen, welcher Betrag 24,7 °/oo der durch die gleichen Gesellschaften im Jahre 1898 in der Schweiz vereinnahmten Prämien (Fr. 8,208,546) darstellt, während 0,02 %o der versicherten Summe schon 16,s %o der Prämien ausmachen.

8. Durch die Antwort auf die Rekurse ist keine Thatsache und auch keine Begründung vorgebracht worden, welche den Bundesrat bewegen könnten, den von ihm im Beschlüsse vom 24. Januar 1888 (Bundesbl. 1888, I, 162) und in demjenigen vom 4. März 1890 (Bundesbl. 1890, I, 499) eingenommenen Standpunkt zu verlassen ; der erstere Beschluß ist infolge Rekurses an die Bundesversammlung von dieser am 6. April/ 17. Juni 1889 bestätigt worden (Bundesbl. 1889, I, 780; 1890, II, 780).

Demnach wird erkannt: In Anwendung von Art. l, Abs. 3 und 4, des Bundesgesetzes betreffend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens, vom 25. Juni 1885, werden die gegenwärtigen Rekurse als begründet erklärt, soweit der vom Kanton Bern verlangte Beitrag den Satz von 2 Rappen von Fr. 1000 versichertes Kapital übersteigt.

Bern, den 24. August 1900.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Hauser.

Der I. Vizekanzler: Sch atzmann.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluß über die Rekurse 1. der Feuerversicherungsgesellschaften ,,Helvetia" in St. Gallen, ,,Bâloise" in Basel, ,,Schlesische" in Breslau, ,,Phénix" in Paris und 2. der Schweizerischen Mobilliarversicherungsgesellschaft in Bern gegen den Ents...

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1900

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

36

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

05.09.1900

Date Data Seite

3-14

Page Pagina Ref. No

10 019 337

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.