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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung in Sachen des von Baud, Henri, Kanonier der Festungscompagnie Nr. 8, in Lausanne, gegen eine disciplinarische Strafverfügung des schweizerischen Militärdepartementes erhobenen Rekurses.

(Vom 11. Dezember 1900.)

Tit.

Baud, Henri, geb. 1878, wohnhaft in Lausanne, Kanonier der Festungscompagnie Nr. 8, erhielt, weil er am 21. März d. ,1s.

unentschuldigterweise und entgegen einem an ihn ergangenen Dienstbefehle nicht in die Gefreitenschule in Savatan eingerückt war, von unserem Militärdepartemente unterm 8. Mai 10 Tage Arrest zudiktiert. Zugleich wurde das Kommando der Befestigungen von St. Maurice angewiesen, den genannten Soldaten in den diesjährigen Wiederholungskurs für Nachdienstpflichtige der Festungstruppen nach Dailly einzuberufen.

Gegen diese Verfügung reichte Baud unterm 17. Mai ein Gesuch um Begnadigung oder Ermäßigung der Strafe ein; dasselbe wurde vom Militärdepartement des Kantons Waadt unserem Militärdepartemente überwiesen und von diesem unter Hinweis darauf, daß das schweizerische Militärdepartement in Disciplinarstrafsachen endgültig entscheide, abweisend beschieden. Am

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11. Oktober richtete Baud sodann ein ferneres Gesuch an die eidgenössischen Kate, in weichern er bat, es möchte ihm die verhängte Arreststrafe zum Teil erlassen, sowie er selbst von der Absolvierung eines Nachdienstes enthoben werden. Dabei machte der Rekurrent in Begründung seiner Eingabe geltend, daß er sich von jeher gegen die Einberufung in Cadreskutse gewehrt hätte, indem er überhaupt keine Zeit auf die Bestehung außerordentlicher Militärdienste zu verwenden habe. Er könne nämlich zu Hause nicht entbehrt werden, wo er für den Unterhalt seines schon betagten und daher nur wenig mehr erwerbsfähigen Vaters, sowie 8 noch unmündiger Geschwister zu sorgen habe, welche sonst während seiner Abwesenheit in Specialdiensten, weil ihres Ernährers beraubt, bittere Not leiden müßten. Übrigens habe er anfanglich geglaubt, daß es keine Verpflichtung zur Bestehung von Gefreitenschulen gebe ; er sei hierüber erst später eines bessern belehrt worden.

Wir haben es nun als notwendig erachtet, uns vorerst selbst mit der vorliegenden Eingabe zu befassen, bevor dieselbe an Ihre Behörde weitergeleitet würde, und haben sodann in Anbetracht dessen, daß das schweizerische Militärdepartement in Sachen endgültig kompetent ist, das Gesuch des Band am 17. Oktober aus formellen Gründen abgewiesen.

Am 19. Oktober hätte der genannte Soldat gemäß Verfügung unseres Militärdepartementes in den Wiederholungskurs für Nachdienstpflichtige in Dailly einrücken sollen. Band leistete jedoch auch dieses Mal dem an ihn ergangenen Aufgebote keine Folge und mußte daher Tags darauf dem Festungsbureau von St. Maurice polizeilich zugeführt werden. Derselbe wurde sodann wegen Vergehens im Sinne des Art. 97, Absatz 2, und Art. 70 des Bundesgesetzes über die Sfcrafrechtspflege für die eidgenössischen Truppen, vom 27. August 1851, in militärgerichtliche Untersuchung gezogen ; im Verlaufe derselben suchte der genannte Angeschuldigte sein erneutes Ausbleiben vom Dienste dadurch zu rechtfertigen, daß er geglaubt habe,- es sei der Entscheid des schweizerischen Militärdepartementes, das ihn in den Nachdieust berief, auf so lange in seiner Rechtskraft suspendiert, bis dio Bundesversammlung sich über die Beschwerdeangelegenheit, ausgesprochen haben werde. In dieser Annahme habe ihn vor allein der Umstand bestärkt, wonach der Vollzug der ihm im Mai
auferlegten Arreststrafe während seiner Rekursführung vorläufig aufgeschoben worden war. Er beteuerte, daß, wenn ihm die abweisende Schlußnahme des Bundesrates, statt erst am 19. Oktober,

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rechtzeitig, d. li. vor dem Einrückungstage zur Kenntnis gelangt, wäre, er sich ohne weiteres dem Marschbefehle gefügt haben würde ; so aber habe er sich als berechtigt angesehen, den fragliehen Wiederholungakurs vorderhand nicht zu bestehen.

Der Oberauditor hob nach einigen Tagen das gegen Band eröffnete militärgerichtliche Verfahren, in Anwendung von Art. 122 der Militärstrafgerichtsordnung, wieder auf und ordnete die disciplinarische Erledigung des Falles an.

Bei der Beurteilung des vom Angeschuldigten begangenen groben Ordnungsfehlers kam als Milderangsgrund namentlich der Umstand in Betracht, daß Band, dessen Rekurs zur Zeit des Beginnes des Nachdienstkurses noch nicht beantwortet war, bezüglich des zweiten Dienstentzuges sich in gutem Glauben befunden haben mag. Außerdem verdiente die prekäre Lage, seiner Angehörigen, deren Lebensunterhalt wirklich von seinem Verdienste abhängt, Berücksichtigung. Dessenungeachtet blieb natürlich die Thatsache der absichtlichen nnd unentschuldigten Dienstversäumnis bestehen, denn der genannte Soldat hatte dein von einer kompetenten Behörde erlassenen und unwiderrufenen Marschbefehl unbedingt zn gehorchen. Dadurch, daß Baud dies nicht that, hat sich derselbe einer Dienstverletzung im Sinne von Art, 97 des Militärstrafgesetzbuches schuldig gemacht ; er wurde deshalb von unserem Miltärdepartemente laut Verfügung vom 31. Oktober abhin mit 20 Tagen scharfen Arrestes, abzüglich der ausgestandenen Untersuchungshaft, bestraft. Zudem wurde ungeordnet, daß der genannte Soldat die am 8. Mai über ihn verhängten 10 Tage Arrest ebenfalls abzubüßen nnd überdies im nächsten Jahre den versäumten Dienst nachzuholen habe.

Baud hat, nun seine am 11. Oktober an die Bundesversammlung gerichtete Eingabe, welche vorerst von uns geprüft und sodann wegen Inkompetenz abgewiesen worden war, aufrecht erhalten. In einem an Herrn Bundeskanzler Ringier gerichteten Briefe vom 6. dieses Monats läßt jedoch der Beschwerdeführer den ersten Punkt seines Rekurses, welcher die Aufhebung der ausgesprochenen Strafe bezweckt, fallen, nnd er beschränkt sich darauf, von neuem das Gesuch zu stellen, es möchte ihm die Absolvierung eines Nachdienstes erlassen werden. Baud hat nämlich unterdessen seine Freiheitsstrafe ganz abgebüßt, nnd dies zwar gemäß dem im Dienstreglement aufgestellten Grundsätze, wonach die Beschwerdeführüng den Vollzug der Strafe nicht hemmen darf.

991 In vorliegender Angelegenheit fallt nun vor allem formell in Betracht, daß nach der von uns konstant beobachteten Praxis das schweizerische Militärdepartement Disciplinarstraffälle als oberste Instanz endgültig erledigt, und daß eine Weiterziehung der von dieser Behörde getroffenen Entscheide an den Bundesrat nicht zulässig ist. Wir erlauben uns in dieser Beziehung auf unsere Beschlüsse vom 28. Oktober 1892, 13. Dezember 1897 und 16. März 1900, sowie auf die in den beiden letzten Fallen allgegebenen Berichte des Justizdepartements zu verweisen. Dieser Rechtsanschauung haben Sie im Falle J. Sommer (16. März 1900), der an die eidgenössischen Kate weitergezogen wurde, mit Schlußnahm vom 23./29. Juni 1900 beigepflichtet, d. h. Sie sind auf den fraglichen Rekurs wegen Unzuständigkeit nicht eingetreten.

In gleicher Weise kann die Frage, ob ein Marschbefehl, der auf die Anordnung des schweizerischen Militärdepartements hin von zuständiger Seite erlassen wurde, gesetzlich sei, nicht, zum Gegenstand eines Rekurses an den Bundesrat beziehungsweise an die Bundesversammlung gemacht werden.

Der von Band eingereichte Rekurs enthielt in seiner ursprünglichen Form zugleich ein Begnadigungsgesuch, welches der Rekurrent jedoch, weil gegenstandslos geworden, später fallen gelassen hat.

Aber auch abgesehen hiervon hätte dieses

Art. 214 der Militärstrafgerichtsordnung kann eine Begnadigung nur gegenüber einem Urteil eines Militärgerichts Platz greifen, und ein solches liegt in casu nicht vor. Wir verweisen in dieser Hinsicht wiederum auf den Beschluß des Bundesrates im citierten Fall Sommer, sowie auf den erwähnten Mitbericht unseresJustiz-departements in gleicher Angelegenheit.

Was schließlich die materielle Seite der vorliegenden Eingabe anbelangt, so ist diese letztere, wie wir bereits früher dargethan haben, nach dieser Richtung hin ebenfalls unbegründet. Wir fügen nur noch bei, daß Band gestützt auf Art. 76 der Militar organisation zur Bekleidung eines Grades verhalten werden konnte: die Einberufung desselben in die Gefreitenschule der Festungstruppen war demnach durchaus gesetzlich.

In Umfassung des Angebrachten beehren wir uns, Ihnen in erster Linie zu beantragen, Sie wollen auf den Rekurs des H. Baud wegen Inkompetenz nicht eintreten ; in zweiter Linie beantragen wir, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

992 Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 11. Dezember 1900.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Hauser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung in Sachen des von Baud, Henri, Kanonier der Festungscompagnie Nr. 8, in Lausanne, gegen eine disciplinarische Strafverfügung des schweizerischen Militärdepartementes erhobenen Rekurses. (Vom 11.

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