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Schweizerisches Bundesblatt

52. Jahrgang. IV.

Nr. 52.

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26. Dezember 1900.

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend den Rekurs der Direktion der Nordostbahn in Sachen der Erstellung zweiter Geleise und Verlängerung der Kreuzungsgeleise.

(Vom 20. Dezember 1900.)

Tit.

Durch Schlußnahme vom 30. März 1899 haben wir nach Einsicht eines Berichts unseres Eisenbahndepartements über Rückstände im Ausbau und Unterhalt auf den schweizerischen Hauptbahnen die Verwaltungen dieser Bahnen eingeladen, die vom genannten Departement als rückständig bezeichneten Arbeiten und Einrichtungen mit thunlichster Beförderung zur Ausführung HU bringen.

Für das Netz der Nordostbahn betraf diese Einladung unter anderai die E r s t e l l u n g z w e i t e r G e l e i s e auf den Strecken Stein-Brugg (Bötzbergbahn), Neuhausen-Sehaffhausen und Winterthur-Romanshorn, und die V e r l ä n g e r u n g d e r K r e u z u n g s g e l e i s e auf normale Länge in mehreren Stationen ; für die übrigen Hauptbahnen die zweiten Geleise der Strecken PalézieuxThörishaus-Bern, Delsberg-Basel, Wylerfeld-Gümligen und Immensee-Brunnen, bei einigen ebenfalls die Verlängerung der Ausweichgeleise.

Bundesblatt. 62. Jahrg. Bd. IV.

71

1022 Die Auflage der Erstellung zweiter Geleise und der Verlängerung der Kreuzungsgeleise wurde nun von der Direktion der N. 0. B. abgelehnt, und zwar erstere in der Hauptsache mit der Begründung, daß der Verkehr auf den betreffenden Linien eine solche Maßregel noch nicht rechtfertige und daß eine einspurige Linie genüge, solange sie nicht dermaßen mit einer großen Zahl von Zügen belegt sei, duß diese sich in ihrem Kurse gegenseitig stören.

In Bezug auf die Verlängerung der Kreuzungsgeleise hat die Bahndirektion einfach erklärt, daß ein Bedürfnis dafür nicht vorhanden sei.

Im Einklang mit einem Bericht unseres Eisenbahndepartements vom 27. April d. J. konnten wir diesen Standpunkt nicht teilen und beschlossen daher unterm 1. Mai d. J., auf Grund von Art. 14 und 31 des Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1872 an unserer Forderung vom 30. März 1899 festzuhalten.

Demgemäß wurde die Direktion der N. 0. B. mit Schreiben vom 10. Mai 1900 eingeladen, das zweite Geleise auf den genannten Strecken innerhalb 3 Jahren zu erstellen und die Verlängerung der Kreuzungsgeleise u. a. auf den Stationen Siggenthal, Düttingen, Siebnen, Hettlingen, Andelftngen, Töß, Wülßingen, Pfungen, Bmbraeh, Zweidien, Grlattbrugg, Rümlang, Bürglen, Erlen, Hörn, Arbon, Ober-Winterthur, Seuzach, Ossingen, Tägerweilon durchzuführen.

Gegen diese Verfügung hat die Direktion der N. 0. B. mit Eingabe vom 3./7. Juli d. J., gestützt auf Art. 14 des citicrten Gesetzes, den Rekurs an die hohe Bundesversammlung erklärt.

Sie bestreitet in dieser Eingabe in formeller Hinsicht das Verfügungsrecht des Bundesrates wegen Nichteinholung eines Gutachtens von Sachverständigen über die streitigen Fragen, sucht in materieller Hinsicht nachzuweisen, daß ein reelles Bedürfnis für die verlangten Anlagen nicht vorhanden sei, und schließt mit dem Antrag, es sei die bundesrätliche Auflage aufzuheben, eventuell eine vorgängige Expertise über die Bedürfnisfrage anzuordnen. Für alle Fälle legt die Bahnverwaltung Verwahrung ein gegen die Tragung der Kosten der verlangten Anlagen und behält sich vor, den Bund als künftigen Inhaber der Bundesbahnen für deren Bezahlung zu belangen, da es sich nur um Bauton für künftige Verkehrsbedürfnisse handeln könne.

Wir beehren uns nun, Ihnen über diesen Rekurs in Nachstehendem Bericht zu erstatten.

1023 Die Eingabe der Bahndirektion macht in erster Linie geltend, daß die Bestimmung des Art. 14, Absatz 3, des Eisenbahngesetzes, welche einer Schlußnahrne des Bundesrates vorgängig die Prüfung durch Sachverständige vorsieht, im vorliegenden Falle nicht befolgt worden sei, indem weder in den Beschlüssen des Bundesrates noch in den Kundgebungen des Departements von Bxpertengutachten die Rede sei.

Wir wollen zugeben, daß eine Prüfung über das Bedürfnis zur Erstellung der in Frage liegenden zweiten Geleise und der Stationserweiterungen durch außerhalb der Bundesvervvaltung stehende Sachverständige nicht stattgefunden hat, müssen aber sofort beifügen, daß dies bisher auch in andern Fällen, in dcnon der Bundesrat sich zu ähnlichen Auflagen gegenüber den Bahngosellschaften veranlaßt sah, nicht der Fall war. Die Beschlüsse wurden jeweilen auf das Gutachten der Organe des Eisenbahtidepartements hin gefaßt, und daß eine solche Praxis Platz gegriffen hat, läßt sich leicht erklären. Zur Zeit, als das Bundesgesetz über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen in Beratung lag, schwebte den Behörden eine Organisation der Aufsicht über die Bahnen, wie sie sich nach Erlaß dos Gesetzes successive ausgebildet hat, schwerlich vor, ansonst wohl in dieser Beziehung eine andere Regelung stattgefunden hätte.

Wir machen dabei aut Art. 17 des Eisenbahngesetzes aufmerksam, welcher die Betriebseröffnung1 einer Bahn ebenfalls von der Untersuchung derselben durch Experten des Bundesrates abhängig macht, als welche Experten aber jeweilen niemand anders als die Organe des Eisenbahndepartements thätig waren. Wir fügen noch bei, daß laut Botschaft des Bundesrates vom 18. Juni 1880 zum Rekurs der Centralbahn vom 21. März 1879 betreffend Erweiterung der Station Roggwil die beiden Inspektoren des Eisonbahndepartements als Sachverständige bezeichnet waren, ohne daß dagegen Einwendungen erhoben worden wären.

Im vorliegenden Falle hat denn auch eine Prüfung durch die technische Abteilung des Departements stattgefunden, wobei dieselbe u. a. von den Beobachtungen ausging, welche anläßlich der Behandlung der Fahrpläne und der Nachweise über Zugsverspätungen, sowie beim Bahnbetrieb überhaupt gemacht werden konnten, und es sind die nachstehenden Ausführungen in der Hauptsache als das Resultat dieser Untersuchung anzusehen.

"Wir wollen es immerhin den h. Räten anheimstellen, ob sie in dieser Frage noch weitere Sachverständige anhören wollen.

1024 In ihrer Rekursschrift kommt dio Direktion der Nordostbahn auch darauf zu sprechen, daß im Beschluß des Bundesrates ihre Ausführungen vom 25. März 1899 nicht widerlegt worden seien, beziehungsweise der Beschluß einer Motivierung entbehre. Wir haben hierauf zu entgegnen, daß sowohl unsere Programmo vom 21. Oktober 1898 und 30. März 1899 als auch unser Beschluß vom 1. Mai d. J. sich auf Berichte unseres Eisenbahndepartements stützten. Von diesen Berichten wurde jeweilen in unsern Erlassen ausdrücklich Erwähnung gethan.

Wir gehen nun zur Behandlung der Gegenstände des Rekurses selbst über.

1. Zweite Geleise.

Es wird nicht nötig sein, auf die Vorteile einer zweispurigen Bahn im allgemeinen hinzuweisen ; dieselben sind allseitig bekannt und auch von den Bahnverwaltungen sonst anerkannt.

Wenn die Direktion der Nordostbahn in der Begründung ihres Rekurses gleichwohl darauf verweist, daß auch die Doppclspur unter Umständen zur Quelle von ebensovielcn Unfällen werden könne wie die eine Spur, so würdiget die Direktion dabei die Vorteile der Doppelspur entschieden zu wenig und führt anderseits Nachteile derselben an, die thatsächlich geringe Bedeutung haben. Die Doppelspur ist ein wichtiger Faktor für die regelmäßige Abwicklung des Verkehrs, und in dieser Regelmäßigkeit liegt eine große Garantie für die Sicherheit des Betriebes. Man darf daher mit der Erstellung des zweiten Geleises nicht zuwarton, bis der Verkehr so dicht wird, daß die Einhaltung des Fahrplanes sich als unmöglich erweist und Unfälle als Folge zu dichten Verkehrs zu beklagen sind. Wie neuerliche Vorkommnisse gezeigt haben, schließen die Zugsverspätungen und die Einspurigkeit stark befahrener Linien immer Gefahren in sich. Die Ansicht, daß das zweite Geleise nicht nötig sei, solange die Möglichkeit vorliege, auf einer Linie so viele Züge einzulegen, daß sich diese in ihrem Kurse nicht gegenseitig stören, können wir daher nicht gelten lassen. Wie schon im Bericht des Eisenbahndepartements vom 27. April d. J. gesagt ist, könnte diese Annahme nur dann einigermaßen zutreffen, wenn angenommen werden dürfte, daß jeder Zug stets fahrplanmäßig verkehrt, daß durch die Anschlüsse anderer Bahnen, durch starken Reisendenandrang etc. keine Verspätungen eintreten, daß keine Defekte am Rollmaterial etc. mehr vorkommen. Solche Zufälle werden

1025 aber nie ganz zu vermeiden sein, und treten sie ein, so wird der Verkehr gestört und die Unregelmäßigkeit auf der einspurigen Bahn auch auf die Gegenzüge übertragen, und wenn es sich dabei um Schnellzüge mit gespannter Fahrzeit handelt, so wird die Störung um so mehr empfunden. Es kann sich im Bahnbetrieb nicht nur darum handeln, mit den Zügen überhaupt noch durchzukommen, sondern es muß auch die Regelmäßigkeit im Gang derselben gewahrt werden; denn jede Unregelmäßigkeit -- und hierher gehören u. a. auch die Kreuzungsverlegungen -- bedeutet eine Betriebsgefahr.

Wir wollen hier allgemein anführen., daß die gegenwärtig bestehenden doppelspurigen Linien des schweizerischen Bahnnetzes zu einer Zeit auf die Doppelspur ausgebaut wurden, da der Verkehr auf denselben geringer war, als er auf den heute in PYage stehenden Linien der N. 0. B. ist.

Bei den Fahrplankonferenzen wird der Einwand häufig gehört, daß diese oder jene Verbesserung in der Zugslage, odor die Erzielung eines bessern Anschlusses nicht durchgeführt werden könne, weil man durch diese oder jene Zugskreuzung auf der Linie gebunden sei.

Daß der Ausbau des schweizerischen Bahnnetzes aut die zweite Spur mit der Dichtigkeit des Verkehrs nicht Schritt gehalten hat, dürfte übrigens aus nachstehender Gegenüberstellung im Bericht des Eisenbahndepartements vom 27. April 1900 betreffend Zugsverspätungen hervorgehen : 1890.

Verspätungen überhaupt.

J. S N. 0. B.

. . .

S. G. lì V. S. B G. B

1898.

E en Eigene.

Verspätungen überhaupt.

Ei Eigene.

993 533

643 201

2695 1955

1692 784

353 352 258

79 129 127

1376 534 565

381 354 151

Der Prozentsatz dor verspäteten Züge betrug: r, 30.

1898.

J. S

0,79

l,li l

N. 0. B

0.24

0.60

8. C. E

0.16

V. S. B G. ß

0.35 0.87

0,33

0,79 0,,0

1026 Es hat somit der Prozentsatz der eigenen Zugsverspätungen auf der J. 8., N. 0. B., S. C. B. und V. S. B. bedeutend zugenommen, während er auf der G. B. erheblich zurückgegangen ist.

Die Dichtigkeit des Verkehrs hat zugenommen wie folgt: Auf einen Bahnkilometer entfielen Achskilometer: 1890.

J. S 134,938 N. 0. B. . . . 166,721 S. C. B. . . . 204,311 V.S.B. . . . 153,496 G. B 237,682

1898.

+

183,548 = 48,610 210,822 = 44,101 288,885 = 84,574 176,551 = 23,055 318,868 = 81,186

Obschon die G. B. eine gewaltige Verkehrszunahme aufweist, ist der Prozentsatz zurückgegangen, was offenbar in der Hauptsache auf die successive Legung des zweiten Geleises zurückzuführen ist, obschon ja auch Zufälligkeiten mitwirken. Der Prozentsatz war bei der Gr. B. im Jahr 1891 (Bundesfeier) ausnahmsweise hoch, nämlich l,äs und 1897 wegen Eröffnung von Zug-Goldau 1.10 Soviel über das Bedürfnis nach zweiten Geleisen im allgemeinen.

Was nun die Linien der N. 0. B. anbetrifft, für welche der Ausbau auf die Doppelspur verlangt wird, so ist vorab zu bemerken, daß S t e i n - B r ugg im Unterbau -- mit Ausnahme der Eisenkonstruktion der Brücken -- zweispurig angelegt ist; ebenso zum Teil N e u h a u s e n - S c h a f f h a u s e n .

Die Legung des zweiten Geleises wirddaherr hier einen wesentlichen Aufwand nicht erfordern. Dazu kommt übrigens, daß für die Gemeinschaftsstrecke Stein-Brugg die 8. C. B. die Hälfte der Kosten zu übernehmen hat.

Auf der Linie W i n t e r t h u r - R o m a n s h o r n ist der Unterbau nur einspurig angelegt und wird deshalb die Erstellung der zweiten Spur zu grüßern Ausgaben führen. Immerhin sind die Bauschwierigkeiten in dem im allgemeinen flachen Gelände verhältnismäßig gering, so daß die Gesamtkosten den Betrag von Fr. 4,500,000 nicht übersteigen werden.

Die Direktion weist zur Begründung ihrer ablehnenden Haltung darauf hin, daß die N. 0. B. in Bezug auf Verspätungen unter den Hauptbahnen den günstigsten Rang einnehme, nämlich (im Jahr 1899):

1027 N. 0. B V. S. B G. B S. C. B

0,49 % 0,5o ,, 0,09 ., 0,82 ,,

J. S

2,25

,,

Abgesehen davon, daß die N. 0. B. sich nicht immer so günstig stellte wie 1899 -- wie nachstehende Tabelle aufweist -- 1892.

1890.

1891.

1893.

1894.

°/o % °/o °/o °/°

J.B. . .

N. 0. B.

S. C. B. .

V. S. B. .

G. B.

J. S. . .

N. 0. B.

S. C. B. .

7. S. B. .

G. B. .

.

.

.

.

.

.

.

0,79

0,93

0,47

0,92

0,83

.

.

.

0,24

0,85

0,28

0,37

0,96

.

.

.

0,10

0,49

0,29

0,41

0,53

.

.

.

0,35

0,29

0,ä8

0,57

1,03

.

·

·

0,87

1.88

1-)01

0,83

1895.

>

1896.

°/o

1897.

1898.

%

1,98

0,95

1,16

1,16

2,25

0,30

^,07

O,GO

0,d9

.

.

.

.

»/o

0,48

1899.

»/o

.

.

.

0,83

0,70

0,55

0,82

.

.

.

0,79

0,91

0,65

0,79

0,50

.

.

.

0.70

0.91

1.10

0.50

0.59

0,72 1,00

geben obige Ziffern kein richtiges Bild der geringern oder grüßern Regelmäßigkeit des Zugsverkehrs auf e i n e r e i n z e l n e n L i n i e oder auf einem ganzen Netze, indem in denselben dio von andern Bahnen kommenden Verspätungen nicht berücksichtigt sind, und zwar auch diejenigen nicht, welche durch eine Kreuzung mit einem verspätet von auswärts kommenden Zuge verursacht werden.

Wenn Zug 89 Basel-Zürich durch die badische Bahn verspätet wird und sodann der Zug 89 auf der Kreuzung in Brugg den Zug 90 verspätet, so werden die Verspätungen dieser beiden Züge nicht zu Lasten der N. 0. B. geschrieben. EH sind nun aber gerade die von andern Netzen und namentlich die vom Auslande übernommenen Verspätungen, welche eine bedenkliche Unordnung in den eigenen Fahrplan bringen und welche dalier durch Anlage der Doppelspur möglichst unschädlich gemacht werden sollten.

Wenn die N. 0. B. mit den Zahlen, welche, sie weiter aufführt, den Nachweis leisten will, daß in der Einspurigkeit im allgemeinen keine größere Ursache der Verspätungen als in der Doppelspur zu erkennen sei, so ist ihr entgegenzuhalten, daß laut ihren Nachweisen, welche nur die bedeutenderen Verspätungen

1028 enthalten, in den Monaten Juni bis September 1900 durch K r e u z u n g e n auf der Linie Winterthur-Romanshorn 195 Fälle von Verspätungen von zusammen 1063 Minuten vorgekommen sind, und auf der Linie Stein-Brugg 42 Fälle mit zusammen 322 Minuten.

In der gleichen Zeit des Vorjahres auf der Linie Winterthur-Romanshorn 53 Fälle von zusammen 148 Minuten, und auf der Linie Stein-Brugg 35 Fälle von zusammen 135 Minuten.

Dieses Verhältnis erseheint ungünstig genug, um zum Aufsehen zu mahnen. In der llekurseingahe der N. 0. B. sind mit Bezug auf die Linie Winterthur-Romanshorn 15(> Falle von Verspätungen und Überholungen im Sommer 1899, oder dreimal mehr als in den monatlichen Nachweisen, angegeben. Nimmt man an, es sei das Verhältnis im Sommer 1900 ungefähr gleich gewesen, so müssen in dieser Zeit in Wirklichkeit 600 derartige Fälle vorgekommen sein.

Die N. 0. B. hat Vergleichungen mit den Linien LuzernAarburg, Olten-Solothurn und Winterthur-St. Gallen angestellt, und da ergiebt sich allerdings, daß auf der erstgenannten die meisten Verspätungen durch Kreuzungen entstehet!, wobei aber sofort zu bemerken ist, daß diese Linie in naher Zeit ebenfalls auf die zweite Spur auszubauen sein wird. Sie stand denn auch auf dem bezüglichen Programm, und wenn der Bimdesrat nicht auf die sofortige Anhandnalime der Ausführung gedrungen hat, so geschah dies im wesentlichen mit Rücksicht darauf, daß durch die Bahnhofbauten in Basel, Ölten, Sissach etc. das Personal der Centralbahn so in Anspruch genommen ist, daß die Verwaltung erklärt, weitere Projekte einstweilen nicht vorbereiten zu können.

Hier ist überdies daran zu erinnern, daß durch den Bundesratsbesahluß vom I.Mai 1900 der Centralbahn die Ausführung des zweiten Geleises Thürishaus-Bern und Wylerfeld-Gümligen auferlegt worden ist.

Wir haben schon weiter oben darauf hingewiesen, daß die besiehenden zweiten Geleise zu einer Zeit erstellt wurden, als auf den betreffenden Linien weniger Züge verkehrten, als heute auf Stein-Brugg oder Winterthur-Romanshorn cirkulieren. So fuhren, als die Anlage der Doppelspur beschlossen wurde, auf Liiusanne^illeneuve 24, Pratteln-Stein 22, Zollikofon-Horzogenbuchsee 24 regelmäßige Züge.

Auf den altern Ilauptlinien verkehrten noch weniger Zügee als das zweite Geleise gelegt wurde. Die damalige Zahl der Zug, kann allerdings mangels graphischer Fahrpläne vor 1880 nicht fest-

1029 gestellt werden ; dagegen ist zu verzeichnen, daß im Jahre 1880 auf den damals schon zweispurigen Linien Genf-Lausanne 20, Basel-Olten 20, Olten-Aarau 18, Brugg-Winterthur 24 regelmäßige Züge fuhren. Dem gegenüber ist zu betonen, daß S t e i n - B r u g g im letzten Sommer 38 regelmäßige Züge und W i n t o r t h u r R o r n a n s h o r n deren 26 hatte.

Bei allen diesen Vergleichungen darf auch die Gattung der Züge nicht außer acht gelassen werden, und da ist nun hervorzuheben, daß auf der Linie Stein-Brugg im letzten Sommer 13 Schnellzüge verkehrt haben, welche an ausländische Schnellzüge anschließen. Es darf daher der Bötzberglinie mit Recht der Charakter einer internationalen Route zuerkannt werden, was ohne Zweifel die Direktion der N. 0. B. im Jahr 1891 ebenfalls angenommen hat, als sie auf der Strecke Pratteln-Stein die zweite Spur projektierte, obschon die Zahl der regelmäßigen Züge -- darunter 4 Schnellzüge -- nur 22 betragen hat.

Ähnliches ist zu bemerken in Bezug auf die Linie Win t e rt h u r - R o m a n s h o r n , auf welcher zur Zeit 26 Züge, inklusive 6 Schnellzüge, verkehren. Es ergiebt sich namentlich, daß bei Einlage von Schnellzügen mit ausländischen Anschlüssen die Zahl der Verspätungen zunimmt, wie dies insbesondere auch die Erfahrungen im Sommer 1900 gelehrt haben. Die monatlichen Verspätungsnachweise, in welchen nur die bedeutendem Verspätungen aufgeführt sind, enthielten für die vier Sommermonate 1899 nur 53 Fälle von Verspätungen durch Kreuzungen, für die Sommermonate 1900 dagegen, auf welche Zeit die Nordostbahn neue Schnellzüge München-Zürich-München einlegte und einen bereits bestehenden Schnellzug München-Zürich beschleunigte, 195 derartige Fälle.

Zu der Linie W in terthur-Rom anshorn ist im übrigen hervorzuheben, daß sie, nachdem zwischen Lausanne und Bern dio zweite Spur gemäß Auflage des Bundesrates an die J. S. und H. 0. B.

ausgeführt sein wird, das einzige Stück der Hauptverbindung Genf-Bodensee mit nur einem Geleise wäre. Die durchgehend* zweispurige Anlage dieser Hauptverbindung wurde aber von jeher ins Auge gefaßt und dieselbe daher auch in die jeweiligen Programme aufgenommen. Wir erinnern hier noch an die Eingaben, welche die Regierung von Thurgau anno 1895/iMi zu gunsten der Erstellung der zweiten Geleise Winterthur-Romaushorn gemacht hat, und betonen überdies, daß diese Linie vermöge ihrer günstigen Steigungsverhältnisse stets eine Hauptverkehrslinie

1030 bleiben wird. Wenn die Direktion der N. 0. B. davon spricht, die Linien Stein-Brugg und Winterthur-Romanshorn nötigenfalls durch Ablenkung des Güterverkehrs oder Einführung des Nachtdienstes zu entlasten, so ist darauf zu erwidern, daß es weniger die Güterzüge mit ihrem reichlichen Spielraum an Fahrzeit sind, welche den Verkehr stören, als vielmehr die Personen führenden Züge, und zwar namentlich die internationalen Schnellzüge.

Betreffend die Strecke N e u h a u s e n - S c h a ff h a u s e n ist zu bemerken, daß dieselbe, wie schon erwähnt, im Unterbau zum großen Teil zweigeleisig angelegt ist, also die Erstellung des zweiten Geleises einen bedeutenden Aufwand nicht erfordert, während anderseits die Züge der sich in Neuhausen vereinigenden Linien Zürich-Eglisau-Schaffhausen und Winterthur-Schaffhausen mit Hülfe des zweiten Geleises regelmäßiger werden verkehren können.

Schon vor Jahren wurde uns übrigens berichtet, daß die N. O. lì. daran denke, das zweite Geleise zu legen, und als im Jahr 1898 Herr Luchsinger in Schaffhausen das Gesuch um Gewährung eines Geleiseanschlusses an den dortigen Bahnhof stellte, wurde derselbe abgewiesen mit der Begründung, daß das Terrain früher oder später für die Anlage des zweiten Geleises erforderlich sein werde.

Wenn die Direktion der N. 0. B. sich gegen die Tragung der Kosten, welche der Bau der zweiten -Spuren auf den genannten Linien mit sich bringt, verwahrt, so bemerken wir, daß diese Kosten selbstverständlich nicht dem Bund überbunden werden können.

2. Verlängerung der Kreuzungsgeleise.

Wir nehmen Vormerk davon, daß die Nordostbahn auf einer Anzahl der von uns genannten Stationen die Kreuzungsgeleise auf die Länge von 320 m. bringen will. Was die übrigen Stationen anbetrifft, welche auf die Linien Turgi-Waldshut, Winterthur-Schaffhausen und Winterthur - Etzwileri-Konstanz-Rorschach entfallen, so fällt vorab der Einwand der N. 0. B., daß es sieh hier um Nebenlinien handle, dahin, indem dieselben durch Beschluß des Bundesrates vom 10. August d. J. zu den Hauptbahnen eingereiht wurden.

Die Anlage der Ausweichgeleise mindestens auf die angegebene Länge bildet ein Postulat, das seit Jahren aufgestellt

1031 wurde, und zwar im Interesse des Civilbetriebes. Wir sehen deshalb keinen Grund, auf dasselbe zu verzichten.

In Bezug auf Tragung der Kosten haben wir unsere zu den zweiten Geleisen gemachte Bemerkung zu wiederholen.

Wir beantragen zum Schlüsse, es wolle die Bundesversammlung den Rekurs der Nordostbahn gegen den Bundesratsbeschluß vom 1. Mai d. J. betreffend zweite Geleise und Verlängerung der Kreuzungsgeleise in allen Teilen abschlägig bescheiden.

Bern, den 20. Dezember 1900.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Haus er.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend den Rekurs der Direktion der Nordostbahn in Sachen der Erstellung zweiter Geleise und Verlängerung der Kreuzungsgeleise. (Vom 20. Dezember 1900.)

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26.12.1900

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