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Bundesratsbeschluß über

die Beschwerde des Jakob Schneider im Mühlenthal (Schaffhausen) wegen Verweigerung der Übertragung eines Wirtschaftspatentes.

(Vom 7. November 1899.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s rat hat

über die Beschwerde des Jakob S c h n e i d e r im Mühlenthal (Sch äff hausen) wegen Verweigerung der Übertragung eines Wirtschaftspatentes, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt: 1.

Mit Beschluß vom 24. Mai 1899 wies der Regierungsrat des Kantons Schaff hausen das Begehren des Jakob Schneider im Mühlenthal um Übertragung seines auf die Wirtschaft zum "Becher" in Schaffhausen lautenden Patentes auf die Wirtschaft zum ,,Schweizerbund" im Mühlenthal, Schaff hausen, die Schneider gepachtet hatte, ab.

II.

Gegen diesen Beschluß beschwert sich Jakob Schneider am 29. Juni 1899 beim Bundesrat und stellt den Antrag, es möge

753 derselbe, weil mit der in Art. 31 der Bundesverfassung gewährleisteten Handels- und Gewerbefreiheit im Widerspruch stehend,' aufgehoben und die Regierung des Kantons Schaffhausen angewiesen werden, seinem Begehren zu entsprechen. Der Beschwerdeführer bringt vor: Die Lokalitäten sowohl wie die Einrichtung des vom Bekurrenten gepachteten Hauses zum ,,Hchweizerbund1- im Mühlenthal entsprechen allen zur Zeit bestehenden gesetzlichen Erfordernissen.

Ks ist in diesem Hause schon seit mehr als zehn Jahren eine Wirtschaft betrieben worden und das bisherige Patent von den zuständigen Behörden auch für das laufende Jahr 1899 erneuert o worden. Nun suchte aber der Inhaber dieses Patentes und unmittelbare Vorgänger des Rokurrenten auf der Wirtschaft, Namens Schlick, Anfang des Jahres 1899 um Übertragung seines Patentes vom Hause zum ,,Sclnveizerbund1'' auf ein von ihm neu erstelltes, dicht daneben liegendes Gebäude nach. Dagegen legte der Eigentümer des Hauses zum ,,Schweizerbund'" rechtzeitig bei den zuständigen Behörden Verwahrung ein mit dem Hinweis darauf, daß die Wirtschaft zum ,,Schweizerbund"1 nicht eingehen, sondern für dieselbe in gleicher Weise wie bisher ein Patent werde nachgesucht werden, und daß somit die Entscheidung über das Übertragungsgesuch Schlicks diejenige über die Frage in sich sehließe, ob die Eröffnung einer zweiten Wirtschaft im Mühlenthal mit Rücksicht auf den Bedürfnisartikel des Wirtschaftsgesetzes prinzipiell zulässig sei. In offenbarer Berücksichtigung dieser Eingabe haben dann der Stadtrat von Schaffhausen sowohl wie der Regieruugsrat des Kantons das Gesuch Schlicks, gestützt auf Art. 3 des Wirtschaftsgesetzes des Kantons Schaff hausen vom 28. November 1887, abgewiesen, da die Errichtung einer neuen Wirtschaft im Mühleuthal dem öffentlichen Wohle zuwider sei. Trotzdem wurde, als Schlick kurze Zeit nachher ein erneutes Gesuch um Bewilligung zur Übertragung des Wirtschaftspatentes auf sein neues Gebäude stellte, dem Begehren vom Regierungsrat entsprochen und damit grundsätzlich die Bewilligung für die Eröffnung einer neuen Wirtschaft im Mühlenthal erteilt. Es ist daher ein Akt der höchsten Willkür und eine Verletzung von Art. 31 der Bundesverfassung, wenn der Regierungsrat mit Beschluß vom 24. Mai 1899 das Gesuch des Rekurrenten um Bewilligung der Übertragung seines bisher
im Hause zum ,,Becher11 in Schafthausen ausgeübten Wirtschaftspatentes auf die alte Wirtschaft zum ,,Schweizerbund 1 - wegen mangelnden Bedürfnisses abwies. Wollte man eine neue Wirtschaft im Mühlenthal nicht bewilligen, so hätte die Regierung an

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ihrem frühern korrekten Beschlüsse festhalten und die von Schlick verlangte Wirtschaftsbewilligung verweigern sollen. Würde die Handhabung des Wirtschaftsgesetzes, wie sie der Regierungsrat zur Durchführung zu bringen beabsichtigt, vom Bundesrate zugelassen, so würde auf der Liegenschaft zum T)Schweizerbunda, bei Eingehen der Wirtschaft cirka 30,000 Fr. verloren gehen.

in.

Der Regierungsrat des Kantons Schafihausen beantragt in seiner Vernehmlassung vom 17. August und 25. September 1899 die Abweisung des Beschwerdeführers, indem er ausführt : Als Pächter Schlick hart neben dem Gasthaus zum .,,Schweizerbund11'' ein neues Gebäude errichtete, um die Wirtschaft dorthin ·MI verlegen, protestierte zwar der Eigentümer des ,,Schweizerbunda dem Scheine nach gegen den Wegzug ; ob es ihm dabei ' aber Ernst gewesen, steht sehr in Frage, da er obensogut wie er nachträglich eine Schadenersatzklage gegen den Pächter eingeleitet hat, sich von vornherein gegen die Schädigung hätte rechtlich wehren können; zudem ist diese Schadenersatzklage durch einen ganz merkwürdigen Vergleich erledigt worden. Obwohl nun der Regierungsrat anfangs auf das Übertragungsgesuch Schlicks nicht hat eintreten wollen, hat er es in .der Folge auf ein erneutes Gesuch hin dennoch bewilligt, da Schlick mit Recht behauptete, er sei auf Grund von Art. 8 des Wirtsehaftsgesetzes berechtigt, soin Patent zu dislocieren, und bestimmt versicherte, daß die Wirtschaft zum ^Schweizerbund"1 bei seinem Wegzug sofort geschlossen werde, also eine Vermehrung der Wirtschaften nicht eintrete. Indem also der Regierungsrat die Übertragung des Patentes Schlicks auf dessen neues Gebäude gestattete, that er es, von der Annahme ausgehend, der TiSchweizerhundtt bleibe als Wirtschaft geschlossen, und es sei Sache des Pächters, gütlich oder auf dem Rechtswege sich mit seinem Pächter abzufinden.

Kaum war aber die neue Wirtschaft bezogen, so kam schon der Eigentümer der alten und ließ durch einen Mittelmann, Jakob Meßmer-Meier, um ein neues Patent, als Ersatz für das des weggezogenen Pächters, nachsuchen. Dem Gesuche wurde nicht entsprochen, weil jetzt der ,,Schweizerbund"1 eine neue Wirtschaft gewesen wäre. Als auf diese Weise es nicht gelang, eine neue Wirtschaft einzuschmuggeln, versuchte man es mit dem Mittel der Übertragung des Patentes der Wirtschaft zum .^Becher"1, und es stellte daraufhin der Rekurrent Jakob Schneider sein Gesuch

755 um Übertragung. Das Gesuch mußte aber vom Regierungsnit abgewiesen werden, weil es, wie bereits im Rekurs Kriops ausgeführt worden ist, bloß auf eine Umgehung des Gesetzes abzielte.

Es ist klar, daß der Inhaber eines Wirtschaftspatentes nicht gestutzt auf Art. 8 des Wirtschaftsgeselzes unter allen Umständen eine Verlegung seines Patentes verlangen kann, da das in dem genannten Artikel gewährte Recht auf Übertragung des Wirtschaftspatentes durch die übrigen Bestimmungen des Gesetzes, insbesondere durch Art. 3, bedingt und eingeschränkt wird. Wenn also in einem abgelegenen Quartier eine Wirtschaft besteht, die gerade nicht ein dringendes Bedürfnis ist, die aber auch keine Gefährdung des öffentlichen Wohles bedeutet, und der Eigentümer dieselbe, weil schlecht rentierend, aufgeben will, so kann er sie nicht in irgend ein anderes Quartier derselben oder eine andere Gemeinde verlegen, die bereits mit Wirtschaften überfüllt sind, denn damit würde dem Gesetze einfach eine Nase gedreht und die ganzo Tendenz, auf eine Reduktion der Wirtschaften Bedacht zu nehmen, wäre vereitelt. Auch in casu mußte sich der Regierungsrat der Bewilligung einer neuen Wirtschaft widersetzen, weil jede Vermehrung der Wirtschaften im Mühlenthal-Schaffhausen, dem öffentlichen Wohle nur schädlich sein konnte. Daß in Schaffhausen kein Bedürfnis mehr besteht, geht daraus hervor, daß sich daselbst bereits 23 Gastwirtschaften, 118 Speise- und Sehenkwirtschaften, 33 Stellen für den Kleinverkauf von Wein, Most und Bier über die Gasse und 9 Stellen für den Kleinverkauf von gebrannten Wassern befinden, was bei einer Bevölkerung von 14,860 Seelen, auf 80 Seelen eine Wirtschaft oder Alkoholverkaufsstelle ausmacht.

Speciell im Mühlenthal bestehen 6 Speise- und Sehenkwirtschaften und l Stelle für den Kleinverkauf über die Gasse. Das Quartier besteht größtenteils aus den Fabriketablissementen der Aktiengesellschaft der Eisen- und Stahlwerke von G. Fischer. Dieses etwa 800 Arbeiter beschäftigende Etablissement baut gegenwärtig eine Kantine für dieselben, und zweifelsohne wird die Regierung einem solchen Institut, das dem schädlichen Wirtshausbesuch entgegentritt, die Konzession erteilen. Es liegt also im hohen Interesse des öffentlichen Wohles, in diesem Quartier die Entstehung einer neuen Wirtschaft zu verhindern.

V.

Die angeführten Art. 3 und 8 des Wirtschaftsgesetzes für den Kanton Schaffhausen vom 28. November 1887 bestimmen:

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Art. 'i : ÌVDie Bewilligung für die Errichtung einer neuen Wirtschaft soll verweigert werden, wenn das Entstehen einer solchen am betreffenden Ort dem öffentlichen Wohle zuwider ist."1 Art. 8 : ,,Alle Wirtschaftsbewilligungen werden bestimmten Personen für bestimmte Lokale erteilt. Will daher der Inhaber eines Patentes eine Wirtschaft auf einen ändern übertragen, so hat letzterer, sofern gegen eine Patentierung nichts einzuwenden ist, ein neues Patent zu erwerben, jedoch keine neue Taxe dafür zu bezahlen, wohl aber eine Kanzleigebühr von 5 Fr.

,,Es ist einem Wirte gestattet, seine Wirtschaft in ein anderes Lokal oder eine andere Gemeinde zu verlegen. In solchen Fällen bleibt es dem Regierungsrate vorbehalten, die Taxe zu erhöhen oder herabzusetzen ; immerhin ist eine Kanzleigebühr von 5 Fr.

zu bezahlen.a

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: Es wird von dem Beschwerdeführer behauptet, daß der Hegierungsrat des Kantons Schaffhausen einen Akt der Willkür begangen habe, indem er die Eröffnung einer neuen Wirtschaft gestattete, dagegen mit Beschluß vom 24. Mai 1899 die Bewilligung eines Wirtschaftspatentes auf ein Haus, in dem bisher eine Wirtschaft betrieben worden war, wegen mangelnden Bedürfnisses verweigerte.

Es geht aus den Akten hervor, daß der Rcgierungsrat nach den vorliegenden Verhältnissen, insbesondere nach dem zwischen dem Pächter Schlick und dem Eigentümer des Hauses zum .,Schweizerbunda abgeschlossenen Vergleiche, annehmen durfte, es werde die bisherige Wirtschaft zum .,Schweizerbundu als Wirtschaft aufgegeben, und es handle sich demnach bei der Bewilligung der Eröffnung der Wirtschaft in der Neubaute Schlicks um eine bloße Übertragung eines Wirtschaftspatentes im Sinne von Art. 8, Abs. 2, des Gesetzes vom 28. November 1887. Er hat damit also keine neue Wirtschaft bewilligt. Er konnte demnach, als später trotzdem die Wiedereröffnung der Wirtschaft im Hause zum .,,Schweizerbund"' verlangt wurde, diesem Gesuche gegenüber mit Recht die Bedürfnisfrage aufwerfen und es, da er ein Bedürfnis nicht annahm, abweisen; er hat aber damit keine alte Wirtschaft eingehen lassen. Daß Jakob Schneider selbst bereits im Besitze eines Patentes ist, und ebenfalls auf Grund von Art. 8, Abs. 2, dessen Übertragung auf das Haus zum .,,Schweizerbund"1 begehrte,

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konnte die Entscheidung des Regierungsrates nicht ändern, weil, wenn der Regierungsrat dem Beschwerdeführer auch das Recht nicht abspricht, sein Patent auf eine andere Lokalität, sei es in der gleichen, sei es in einer ändern Gemeinde, übertragen zu lassen, er doch nicht zulassen konnte, daß es in eine Ortschaft oder einen Stadtteil verlegt werde, wo das öffentliche Wohl die Eröffnung einer neuen Wirtschaft verbot. Allerdings hat der Regierungsrat dabei das Recht des Wirtschaftspatentinhabers auf Übertragung seines Patentes dadurch beschränkt, daß er es nur unter Wahrung des öffentlichen Wohles, wie es ihm nach Art. 3 des Wirtschaftsgesetzes auferlegt wird, anerkennt; diese Interpretation und Vereinigung der Art. 3 und 8 trägt aber nichts Willkürliches an sich. Ob endlich die Bedürfnisfrage vom Regierungsrat "des Kantons Sehaffhausen mit Recht verneint worden sei, hat der Bundesrat vorliegenden Falles nicht zu untersuchen, da der Beschwerdeführer den Entscheid des Regierungsrates in dieser Hinsicht nicht anficht.

Was schließlich den Schaden von Fr. 30,000 betrifft, den der Eigentümer des Hauses zum ,,Schweizerbund" durch das Aufhören der Wirtschaft zu erleiden behauptet, so steht dem Bundesrate keine Kompetenz zu, auf die Frage einer eventuellen Entschädigung einzutreten. Zudem wäre der Pächter des ,,Schweizerbund" gar nicht legitimiert, diese einzig den Eigentümer der Liegenschaft berührende Frage zur Entscheidung zu bringen.

Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 7. November 1899.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bundesratsbeschluß über die Beschwerde des Jakob Schneider im Mühlenthal (Schaffhausen) wegen Verweigerung der Übertragung eines Wirtschaftspatentes. (Vom 7.

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