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Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde der Basler Versicherungsgesellschaft gegen Feuerschaden in Basel gegen das Gesetz des Kantons Glarus betreffend die Feuerversicherung durch Privatgesellschaften vom 2. Mai 1915.

(Vom

20. April 1917.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t hat über die Beschwerde der Basler Versicherungsgesellschaft gegen Feuerschaden in Basel gegen das Gesetz des Kantons Glarus betreffend die Feuerversicherung durch Privatgesellschaften vom 2. Mai 1915, auf den Bericht des Justiz- und Polizeideparternents, folgenden Beschluss gefasst:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Am 2. Mai 1915 wurde von der Landsgemeinde des Kantons Glarus das Gesetz b e t r e f f e n d die F e u e r v e r s i c h e r u n g d u r c h Privatgesellschaften erlassen. Dieses Gesetz enthält folgende, hier in Betracht fallende Bestimmungen : ,,§ 1. Von allen Verträgen über Feuerversicherung, die nicht beim Kanton Glarus versicherte, aber in diesem befindliche Fahrhabe und Gebäude betreffen, sowie von jeder Erneuerung, Abänderung, Aufhebung oder Löschung dieser Verträge hat der Versicherte od.er der Vertreter (Agent) seiner Versicherungsgesellschaft dem Ortsgemeinderat binnen Monatsfrist nach den folgenden Vorschriften dieses Gesetzes Anzeige zu machen.

,,Bei Nichterfüllung dieser Anzeigepflicht ist der Agent vom Polizeigerichte mit einer Busse von Fr. 10 bis Fr. 50 zu bestraf en."

,,§ 3. Die Anzeige soll den Namen des Versicherten, die Nummer und das Datum der Police, die Art der versicherten

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Gegenstände, sowie die Höhe der Versicherungssumme enthalten und vom Agenten der versichernden Gesellschaft, sowie von dem Versicherten unterzeichnet sein. Der Agent hat bei gewöhnlichen Mobiliarversicherungen ausdrücklich zu bezeugen, dass er die versicherten Objekte persönlich besichtigt hat, dass sie in der in der Police angeführten Anzahl sich wirklich im Besitze des Versicherten befinden und nach ihrer Beschaffenheit den darin angesetzten Wert haben; bei Versicherungen von industriellen Geschäften oder Warenlagern ist einfach eine Abschrift der Police beizulegen."

,,§ 4. Über diese Anzeige haben die Gemeinderäte ein Verzeichnis nach den Weisungen des Regierungsrates zu führen, das alljährlich anfangs Januar einer genauen Prüfung zu unterziehen ist. Die Gemeinderäte haben ferner darüber zu wachen, dass keine Doppel- oder Überversicherung stattfindet. Sie sind auch pflichtig, falls ihnen die Versicherungssumme unrichtig erscheint, durch einen oder mehrere Sachverständige in oder ausser ihrer Mitte, Einsicht von der Police und von den versicherten Gegenständen im Beisein des Agenten zu nehmen, um eventuell die Versicherungssumme im Einverständnis mit dem Versicherten auf eine angemessene Höhe zu stellen.

,,Gelingt dies nicht, so hat der Gemeinderat darüber sofort der Militär- und Polizeidirektion zu berichten, und diese hat dafür zu sorgen, dass die versicherten Gegenstände durch die Schatzungskommission der betreffenden Gemeinde geschätzt und die Versicherungssumme im Höchstbetrag nach dieser Schätzung, festgesetzt wird."

,,§ 5. Stellt es sich bei der gemeinderätlichen Überwachung heraus, dass ein Agent beim Abschluss von Versicherungsverträgen nicht mit der nötigen Umsicht zu Werke gegangen ist, so ist er durch das Polizeigericht mit einer Busse von Fr. 50 bis Fr. 150 zu bestrafen und kann ihm die Militär- und Polizeidirektion im Wiederholungsfalle die Ausübung der Agentur untersagen."

II.

Am 1. Juli 1915 reichte die Basler Versicherungsgesellschaft gegen Feuerschaden als Präsidialgesellschaft der ,,Vereinigung in der Schweiz arbeitender Feuerversicherungsgesellschaften", jedoch in eigenem Namen, sowohl beim Bundesrat als beim Bundesgericht rechtzeitig eine Beschwerde ein gegen den Kanton Glarus, in der die angeführten Bestimmungen des glarnerischen

Gesetzes als bundesrechtswidrig angefochten werden, da sie dem Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechtes gegenüber dem kantonalen Recht widersprechen. Es wird geltend gemacht, einerseits, dass § 4 in das Bundesprivatrecht übergreife, indem er in Absatz l, Satz 2, und in Absatz 2 die nach Art. 51 bis 53 und 69, Absatz 2, des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag (WG) gestattete Doppel- und Überversicherung ,,schlankweg"' verbiete und in Absatz l, Satz 3, auch die Unterversicherung verhindern wolle, andererseits, dass die §§ l, 3, 4, Satz 3, und § 5, die das Verhältnis « des Agenten zur kantonalen Feuerversicherungsaufsicht regeln, gegen das Bundesgesetz betreffend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens vom 25. Juni 1885 (VAG), speziell gegen den Art. 15 desselben, verstossen. Ferner wird § l, Absatz 2, unter dem Gesichtspunkte der Rechtswillkür angefochten.

Die Rekursanträge lauten : 1. Die in § 4 des glarnerischen Gesetzes vom 2. Mai 1915 niedergelegten Vorschriften seien als bundesrechtswidrig aufzuheben. Der Kanton Glarus sei lediglich befugt, die in Art. 52 VVG vorgesehenen Kontrollmassnahmen zu treffen.

2. Die Vorschriften der §§ l, 3, 4 und 5 des glarnerischen Gesetzes seien als bundesrechtswidrig aufzuheben.

3. Es sei festzustellen, dass die Rekurrentin den Anforderungen der Präventivkontrolle in allen Fällen durch Vorlage eines Policendoppels (ohne Angabe der Vertragsdauer und des Prämiensatzes) genüge.

III.

Das Bundesgericht und der Bundesrat haben sich über die Kompetenzausseheidung dahin verständigt, dass das Bundesgericht zuständig sei für die Beurteilung der Verletzung des Bundesprivatrechtes, während der Bundesrat über die Verletzung des Bundesgesetzes polizeilichen Charakters (VAG) zu entscheiden habe.

Durch Urteil vom 17. Juli 1916 hat das Bundesgericht die ihm zufallenden Streitfragen der Beschwerde entschieden und ·§ 4, Satz 2, des glarnerischen Gesetzes als dem Bundesrecht widersprechend aufgehoben. Bezüglich der behaupteten Rechtswillkür des § l, Absatz 2, die im Zusammenhang mit der Behauptung der Verletzung des Bundespolizeigesetzes geltend gemacht wird, vertritt das Bundesgericht die Meinung, dass diese Frage nach dem Grundsatze der Zuständigkeitsattraktion vom Bundesrat zu entscheiden sei.

IV.

Zur Begründung ihrer Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend: Die angeführten Vorschriften des glarnerischen Gesetzes enthalten eine nach Art. 15 VAG unzulässige Reglementierung und Kontrollierung des Agenturgowerbes. Die in § l verlangte Anzeigepflicht könne nicht dem Agenten, der bloss Vermittler sei, sondern nur der Gesellschaft oder ihrem bevollmächtigten Vertreter auferlegt werden. § l, Absatz 2, enthalte eine Rechtswillkür, weil die Anzeige vom Versicherten oder dem Agenten verlangt, die Verletzung der Anzeigepflicht dagegen nur beim Agenten bestraft werde. Die in § 3, Satz l, nach Form und Inhalt festgestellte Anzeige bedeute eine lästige und nutzlose Geschäflserschwerung. Die Vorlage eines einfachen Policendoppels genüge an sich den berechtigten Anforderungen. Die Angabe des Prämiensatzes und der Vertragsdauer könne aber aus dem Grunde nicht gefordert werden, weil die Gefahr bestehe, dass die Angaben von der kantonalen Mobiliarversicherungsanstalt zu illoyalen Konkurrenzzwecken missbraucht werden. Die Beschwerde beruft sich hierbei auf das Urteil des Bundesgerichts vom 16. Oktober 1914 in Sachen Basler Versicherungsgesellschaft und Gladbacher Feuerversicherung gegen Graubünden (EBG 401, 511), das die Versicherungsgesellschalten für berechtigt erklärt, diese Angaben aus triftigen Gründen zu verweigern. § 3, Satz 2, mache die Gesellschaften und Agenten zu Gehülfen der kantonalen Feuerversicherungspolizei, wozu der Kanton nicht berechtigt sei.

In der Regel vermöge der Agent die geforderte Erklärung auch gar nicht abzugeben, da der Abschluss der Versicherung keine Lokalbesichtigung voraussetze. Das gleiche gelte von der Verifikation des Bestandes und des Wertes des versicherten Objektes.

Alle diese Massnahmen würden den heutigen Agenturbetrieb unmöglich machen. Die Gesellschaft und der Agent könnten auch nicht verpflichtet werden, bei der amtlichen Verifikation der Versicherungssumme zugegen zu sein (§ 4, Absatz l, Satz 3).

Da dem Kanton ein Kontrollrecht weder gegenüber dem Vertragsabschluss, noch gegenüber dem Agenten zustehe, sei er auch nicht befugt, den Agenten wegen mangelnder'Umsieht beim Abschluss der Versicherung dem Strafrichter zu überweisen oder ihm gar die Ausübung des Agenturgewerbes zu untersagen. § 5 sei daher in seinem ganzen Umfange bundesrechtswidrig.

Die Regierung des Kantons Glarus beantragt gänzliche Abweisung der Beschwerde. Sie erwidert in ihrer Rekursantwort

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auf die Beschwerdegründe : Die Vorschriften des kantonalen Gesetzes verstossen nicht gegen Art. 15 VAG, da es den Geschäftsbetrieb der Versicherungsgesellschaft an keine b e s o n d e r e n B e d i n g u n g e n knüpfe. Die in § l verlangten Anzeigen bilden die selbstverständlichen Grundlagen der polizeilichen Vorschriften über die Feuerversicherung. Die Unterscheidung zwischen gewöhnlichem Agent und Abschlussagent sei bedeutungslos, da mit der Bezeichnung ,,Vertreter (Agent) seiner Gesellschaft11 derjenige Vertreter der Gesellschaft gemeint sei, der die Verträge abgeschlossen, verändert, erneuert und aufgehoben habe. § l, Absatz 2, behandle den Agenten hinsichtlich der Folgen einer Verletzung der Anzeigepflicht anders als den Versicherten, weil der Agent den Abschluss von Versicherungen als Gewerbe betreibe und ihm deshalb die Kenntnis der gewerblichen Vorschriften eher zugemutet werden könne als dem Versicherten, der nur selten in den Fall komme, eine Versicherung abzuschliessen.

Beim Agenten sei die Ausserachtlassung der gesetzlichen Vorschriften in der Regel Absicht, beim Versicherten Unkenntnis.

Die gleiche Art von Personen wurde gleich behandelt, und es könne daher von einer Reehtsungleichheit nicht gesprochen werden.

Die Vorschrift des § 3 sei notwendig und entspreche den primitivsten Anforderungen der kantonalen Versicherungspolizei. Satz l sei keine nutzlose Geschäftserschwerung und Satz 2 sei erlassen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, die verlange, dass der Vertreter der Gesellschaft sich beim Abschluss des Vertrages persönlich davon überzeuge, dass die Versicherungsobjekte wirklich vorhanden seien und ihrem Werte entsprechend versichert werden.

Auch die Vorschrift des § 4, Satz 3, dass der Agent der Prüfung durch die Sachverständigen beizuwohnen habe, sei versicherungspolizeilicher Natur und .widerspreche daher nicht dem ßundesrechte. Die Straf bestimmung des § 5 sei ein Ausfluss der Gesetzgebungskompetenz des Kantons im Gebiete der Feuerversicherung.

Der Kanton müsse die Vertreter der Versicherungsgesellschaften, welche die gesetzlichen Vorschriften wiederholt missachten, bestrafen oder ihnen den Abschluss von Versicherungsverträgen untersagen können. Schliesslich weist die Rekursantwort darauf hin, dass die Mitteilung der Prämie im Gesetz nicht verlangt werde und dass sie
bis jetzt auch nicht verlangt worden sei.

Die Vertragsdauer müsse jedoch der Kanton kennen, wenn er das Gesetz über die staatliche Mobiliarversicherung handhaben wolle. Der Vorwurf der illoyalen Konkurrenz wird abgelehnt.

Übrigens sei es nicht zulässig, die Stellung des Kantons Glarus als Gesetzgeber auf dem Gebiete der Feuerversicherungspolizei mit

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seinem Geschäftsgebaren als Inhaber einer Mobiliarversicherungsanstalt zu verquicken, da die Streitsache nur von dem Gesichtspunkte zu beurteilen sei, ob das angefochtene Gesetz eidgenössisches Recht verletze.

Die Replik und die Duplik der Parteien bringen keine neuen Gesichtspunkte zur Beurteilung der Streitfragen.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: Art. 34, Absatz 2, der Bundesverfassung überträgt die Aufsicht über die Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens dem Bunde. In Ausführung dieses Verfassungsartikels wurde das Versicherungsaufsichtsgesetz erlassen, das die Aufsichtskompetenzen des Bundes regelt. Art. l, Absatz 3, desselben enthält einen Vorbehalt zugunsten der kantonalen Gesetzgebungshoheit, indem es den Kantonen die Befugnis gibt, über die Feuerversicherung polizeiliche Vorschriften zu erlassen. Art. 15 VAG findet in diesem Falle auf die kantonale Vorschrift keine Anwendung.

Wenn also festgestellt werden soll, ob die kantonalen, in das Gebiet der Versicherungsaufsicht eingreifenden Vorschriften mit dem ßundesrecht vereinbar seien, so ist stets davon auszugehen, ob ihnen feuerversicherungspolizeilicher Charakter zukomme. Da es sich hierbei um die Abgrenzung zwischen Bundes- und kantonalem Recht handelt, so muss bei der Beurteilung der Frage von einem strengen Gesichtspunkt ausgegangen werden ; als Ausnahmebestimmung ist Art. l, Absatz 3, VAG strikte zu interpretieren. Die mit dem Bundesgesetz in Widerspruch stehende kantonale Vorschrift wird nur dann als zulässig erachtet werden können, wenn sie tatsächlich geeignet ist, einen feuerversicherungspolizeilichen Zweck zu erfüllen, und wenn der gleiche Zweck nicht schon durch das Bundesgesetz erreicht wird. Die Behauptung der Beschwerde (S. 22), dass die Kantone nicht befugt seien, gegenüber den Agenten ein Kontrollrecht auszuüben, wäre nicht zutreffend, wenn ihr der Sinn beigelegt werden sollte, dass die Kantone überhaupt keine Vorschriften bezüglich der Agenten treffen können. Vielmehr sind die Kantone berechtigt, auch in bezug auf die Agenten Vorschriften zu erlassen, wenn diese nur tatsächlich feuerversicherungspolizeilichen Charakter tragen. Die von der Beschwerde angeführten Entscheide des Bundesrates vom 19. Juli 1887 (Bundesbl. 1887, III, Seite 702 ff.)

11 und vom 20. Januar 1888 (Bundesbl. I, S. 193) stehen dieser Auffassung nicht entgegen, während die ebenfalls zitierten Ausführungen von Waldkirchn (Die Staatsaufsicht über die privaten Versicherungsunternehmungen in der Schweiz, Seite 131 iF., insbesondere Seite 135) geradezu für diese Auffassung sprechen.

Die kantonalen Vorschriften des glarnerischen G-esetzes haben eine doppelte Bestimmung. Sie sollen einerseits die Durchführung des kantonalen V ersicherungsobligatoriums gewährleisten und anderseits der kantonalen Behörde die Möglichkeit geben, die Doppelversicherung und Überversicherung zu verhindern. Nun hat das Bundesgerieht das Verbot der Doppel- und Überversicherung aufgehoben. Soweit also die Vorschrift die Verwirklichung dieses Zweckes zum Gegenstand hat, könnte sie den Schutz des Art. l, Absatz 3, VAG nicht beanspruchen. Wohl aber müsste sie als berechtigt anerkannt werden, soweit sie bezweckt, dem Kanton die Kontrolle über die Überversicherung im engern Rahmen des Art. 52 VVG zu ermöglichen.

Für die Beurteilung der angefochtenen Bestimmungen des glarnerischen Gesetzes nach den angegebenen Gesichtspunkten ergeben sich folgende Erwägungen : § l verlangt, dass vom Versicherten oder von dem Vertreter der G-esellschaft (Agenten) dem Ortsgemeinderat vpn allen Feuerversichorungsverträgen, die nicht beim Kanton Glarus versicherte, aber in diesem befindliche Fahrhabe oder Gebäude betreffen, sowie von jeder Erneuerung, Abänderung, Aufhebung oder Löschung dieser Verträge binnen Monatsfrist Anzeige gemacht werde. Die Kenntnis dieser Tatsachen ist nun für die kantonale Behörde unentbehrlich, wenn sie wissen soll, ob dem vom kantonalen Gesetze vorgeschriebenen Obligatorium der Versicherung nachgelebt wird. Das Bundesgericht spricht sich in seinem Urteil vom 16. Oktober 1914 dahin aus, dass die Kantone gerade mit Rücksicht auf die Durchführung des Obligatoriums ein begründetes Interesse daran hätten, von den auf ihrem Gebiete abgeschlossenen Feuerversicherungsverträgen in vollem Umfange Kenntnis zu erhalten. Der Bundesrat teilt diese Auffassung des Buadesgerichtes und hat im vorliegenden Falle keinen Anlass, von derselben abzuweichen.

Die Verpflichtung, diese Mitteilung zu erstatten, kann somit nicht als bundesrechtswidrig, bezeichnet werden.

Die Beschwerde bestreitet dem Kanton Glarus die
Befugnis, dem A g e n t e n die im Gesetz vorgesehene Anzeigepflicht aufzuerlegen, da der gewöhnliche Agent bloss Vermittler sei. Diese Anzeigepflicht könne nur der Versicherungsgesellschaft oder ihrem

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b e v o l l m ä c h t i g t e n V e r t r e t e r (dem A b s c h l u s s a g e n t e n ) zugemutet werden. Die Beschwerde verweist diesbezüglich auf den Kommentar von H. Roelli zu Art. 34 VVG (Art. 34, Anmerkung 6, Seite 420 ff.). Der genannte Kommentar befasst sich indessen ausschliesslich mit dem privaten Recht, so dass seine Ausführungen nicht ohne weiteres für die hier in Betracht kommenden öffentlichrechtlichen Gesichtspunkte massgebend sein können. Es ist jedoch zu beachten, dass auch nach der Auffassung des Kommentars sich mit dem Ausdruck A g e n t in der Theorie und in der Praxis kein bestimmter, festumgrenzter Begriff verbindet. ,,Der Ausdruck Agent ist kein festgeschlossener Rechtsbegriff. Es prägt sich in ihm weder die rechtliche Stellung des Agenten zum Geschäftsherrn, noch der- Umfang der dem Agenten zustehenden Vertretungsbefugnis aus. . . . Darnach muss unter Versicherungsagent jede Person verstanden werden, die den geschäftlichen Verkehr des Versicherers mit den Versicherungsinteressenten vermittelt hat. Gleichgültig ist das interne, zwischen Versicherer und Agenten bestehende Rechts Verhältnis.a (Roelli, Kommentar, Seite 415, Anmerkung 3.) Der Ausdruck Agent kann also jede Art von Agent umfassen, und aus dieser Tatsache ist auch die Bestimmung des Art. 34 VVG zu erklären.

Der Begriff ,,Agent" nach § l des kantonalen Gesetzes erstreckt sich also jedenfalls auch auf den Abschlussagenten, für den die Beschwerde eine Anzeigepflicht als zulässig anerkennt. Dass dies auch der Sinn des glarnerischen Gesetzes ist, ergibt sich aus dem Umstände, dass der Ausdruck ,,Agent" als Parenthese der Bezeichnung ,,Vertreter seiner Versicherungsgesellschaft" beigefügt wurde. Dem Agenten sollen nach der Meinung des Gesetzgebers offenbar Vertretungsbei'ugnisse zukommen, und er soll auch befähigt sein, die verlangten Angaben zu machen. Die Behauptung, dass unter dem Agenten, da eine nähere Bezeichnung fehle, nur der Vermittlungsagent verstanden werden könne, erscheint nicht als zutreffend. · « In welchem Sinn nun die Einwendung gegen die Bestimmung des glarnerischen Gesetzes, die dem Agenten die Anzeigepflicht auferlegt, gemacht wird, sagt die Beschwerde nicht. Gemeint ist wohl, dass der Vorschrift keine feuerpolizeiliche Wirkung zukomme, da sie vou der Person, an die sie sich richtet, nicht erfüllt
werden könne. Ein anderer Gesichtspunkt, unter dem die Einwendung rechtlich begründet werden könnte, ist nicht ersichtlich. Diese Voraussetzung trifft aber, wie gezeigt wurde, nicht zu. Da nach richtiger Interpretation des Gesetzes

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unter dem Agenten ein Vertreter der Gesellschaft zu verstehen ist, der zur Mitteilung der geforderten Angaben befähigt ist, so ist damit auch die Möglichkeit einer feuerversicherungspolizeilichen Wirkung der Vorschrift gekennzeichnet.

Wenn es als zulässig erklärt werden muss, dem Agenten feuerversicherungspolizeiliche Pflichten aufzuerlegen, so muss dem Kanton auch das Recht zuerkannt werden, Verletzungen dieser Pflichten zu strafen. Ohne diese Befugnis würde die den Kantonen durch Art. l, Absatz 3, VAG- eingeräumte Kompetenz in der Luft stehen.

Das glarnerische Gesetz macht von dieser Strafbefugnis Gebrauch, und zwar in dem Sinne, dass es nur den Agenten, nicht aber den Versicherten, bei einer Verletzung der Anzeigepflicht mit Busse bedroht. Diese Vorschrift wird von der Beschwerde angefochten mit der Begründung, dass hierin eine ungleiche Behandlung liege, und dass sie somit eine Rechtswillkür enthalte.

Die Entscheidung der Frage, ob die angefochtene Bestimmung gegen die in Art. 4 BV garantierte Rechtsgleichheit verstosse, hängt davon ab, ob die ungleiche Behandlung innerlich begründet sei und ob die Bestimmung auf eine Kategorie von Personen, bei denen die gleichen Voraussetzungen zutreffen, allgemein Anwendung finde. Der Regierungsrat des Kantons Glarus macht geltend, dass der Gesetzgeber den Agenten absichtlich anders behandeln wollte als den Versicherten, in der Erwägung, dass der Agent das Versicherungsgeschäft als Gewerbe betreibe, und dass ihm daher die Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften eher zugemutet werden könne als dem Versicherten, der nur ganz selten einen Feuerversicherungsvertrag abschliesse. Die verschiedene Behandlung ist wohl erwogen und geht aus von einer Tatsache, deren Allgemeingültigkeit ausser Frage steht und die ja auch im Gesetz über den Versicherungsvertrag in mancher Beziehung berücksichtigt wurde. Die Vorschrift findet auch ausnahmslos Anwendung auf einen gewissen Kreis von Berufspersonen (Agenten), bei denen die Voraussetzungen, von denen die Gesetzesbestimmung ausgeht, allgemein zutreffen. Sie erscheint somit nicht als rechtswillkürlich und kann daher auch nicht unter Hinweis auf Art. 4 BV angefochten werden.

§ 3 umschreibt die in § 1 des Gesetzes ausgesprochene Anzeigepflicht genauer. Satz l verlangt die Angabe des Namens des Versicherten, die Nummer und das Datum der Police, die A'rt der versicherten Gegenstände und die Höhe der Versicherungssumme. Alle diese Angaben sind geeignet, der kantonalen

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Behörde Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage zu geben, ob und wie die obligatorische Versicherung durchgeführt wird, und z. T. bilden sie auch die Grundlage für eine Kontrollmassnahme im Sinne des Art. 52 WG.

Sie erfüllen somit feuerversicherungspolizeiliche Zwecke und können daher vom Standpunkte des Versicherungsaufsichtsgesetzes mit Recht nicht angefochten werden. Das ßundesgericht geht, wie gezeigt wurde, in dem schon zitierten Urteil vom 16. Oktober 1914 noch weiter (EBG 40 l, 511), indem es bemerkt, dass die Kantone, um festzustellen, ob der Versicherungspflicht nachgekommen sei, ein Interesse daran hätten, vom gesamten Vertragsinhalte, einschliesslich der Vertragsduuer und des Prämiensatzes, Kenntnis zu erhalten. Auch die Beschwerde teilt grundsätzlich diese Auffassung. Sie bezeichnet zwar die in § 3, Satz l, nach Form und Inhalt festgestellte Anzeige als ,,eine ebenso lästige wie nutzlose Geschäftserschwerung"', andererseits anerkennt sie die Pflicht zur Vorlage eines Policendoppels. Die Police enthält noch weitergehende Angaben über den Vertragsinhalt, als sie im glarnerischen Gesetz verlangt werden; um so mehr muss der Kanton berechtigt erscheinen, Angaben in beschränkterem Umfange zu verlangen.

Die Form der Anzeige ist übrigens im Gesetz nicht vorgeschrieben, und es ist deshalb aus der Bestimmung nicht ersichtlich, dass vom Agenten die Erfüllung der Anzeigepflicht in einer Weise verlangt werde, die eine übermässige, mit dem feuerpolizeilichen Zweck der Bestimmung in keinem Verhältnis stehende Belastung darstelle.

Die Beschwerde verwahrt sich dagegen, dass die Angabe des Prämiensatzes und der Vertragsdauer verlangt werde, da dieso Angaben von der kantonalen Mobiliarversicherungsanstalt zu illoyaler Konkurrenz missbraucht werden könnten. Schon im Schriftenwechsel (Rekursantwort S. 8, Replik S. 3) wurde festgestellt, dass das Gesetz die Angabo des Prämiensatzes nicht verlangt. Das Gleiche ist bezüglich der Angabe der Vertragsdauer zu sagen. Die Rekursantwort ist zwar der Meinung, dass die Pflicht zur Angabe der Vertragsdauer in der Bestimmung enthalten sei, wonach 'das ,,Datum der Police" mitgeteilt werden müsse. Unter diesem Ausdruck wurde die Angabe von Beginn und Ende des Vertrages verstanden. Diese Auslegung gibt indessen dem Be°'riff ,,Datum" einen Sinn, der sich nach
allgemeinem Sprachgebrauch mit diesem Wort nicht verbindet. Das Datum gibt nicht eine Zeitdauer, sondern einen Zeitpunkt air, und zwar ist das Datum der Police der Zeitpunkt ihrer Ausstel-,

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hing. Da die kantonale Regierung zur authentischen Interpretation des Gesetzes nicht befugt ist, kann sie auch einer Gesetzesbestimmung nicht einen Sinn beimessen, der ihr nach richtiger Auslegung nicht zukommt. Nach § l hat der Agent von der Aufhebung eines Versicherungsvertrages Mitteilung zu machen, er ist aber durch das Gesetz nicht verpflichtet, beim Abschluss des Vertrages die Dauer desselben anzugeben. Damit wird dieser Beschwerdepunkt gegenstandslos, ebenso der Antrag 3 des Rekurses, der lediglich die Feststellung dessen bezweckt, was sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt. Unter diesen Umständen ist nicht zu untersuchen, ob die Angabe der Vertragsdauer deshalb bundesrechtswidrig sei, weil sie von der kantonalen Anstalt zu Konkurrenzzwecken missbraucht werden könnte.

Die Vorschrift, dass der Agent bei der gewöhnlichen Mobiliarversicherung zu bezeugen habe, dass er die versicherten Objekte persönlich besichtigt habe, dass sie in der in der Police angeführten Anzahl sich im Besitze des Versicherten befinden und nach ihrer Beschaffenheit den darin angesetzten Wert haben, dient dein gleichen feuerversicherungspolizeilichen Zwecke wie die Angabe des Vertragsinhaltes. Sie soll den kantonalen Behörden die Gewissheit geben, dass die Angaben der Police den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Sie ist von diesem Gesichtspunkte aus geeignet, einen feuerversicherungspolizeilichen Zweck zu erfüllen.

Wenn die Beschwerde bemerkt, dass der Agent die Erklärung in der Regel nicht abzugeben vermöge, da der Abschluss der Versicherung keine Lokalbesichtigung voraussetze, so ist dem gegenüber darauf hinzuweisen, dass der Kanton bei der Aufstellung feuerversicherungspolizeilicher Vorschriften nicht von einer bestehenden Übung auszugehen hat, sondern dass er der Gesellschaft oder ihren Vertretern auch besondere Pflichten auferlegen kann, sofern diese nur feuerversicherungspolizeilicher Natur sind.

§ 4, Satz 3, verpflichtet den Agenten, der Besichtigung der versicherten Objekte, die von den Sachverständigen des Kantons zur Prüfung des Versicherungswertes vorgenommen wird, beizuwohnen. Diese Besichtigung kann dem Kanton die Handhabe geben zu der in Art. 52 VVG vorgesehenen Massnahme. Bei der Beantwortung der Frage, ob dem Agenten zugemutet werden könne, bei der Besichtigung anwesend zu sein, · ist nicht
ausser acht zu lassen, dass der Agent schon bei Abschluss der Versicherung eine Erklärung über die Richtigkeit der in der Police enthaltenen Angaben nach persönlicher Besichtigung abgegeben hat. Es ist nun nicht einzusehen, welchen feuerversicherungs-

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polizeilichen Zweck die Vorschrift haben soll, die von ihm die persönliche Anwesenheit bei der Überprüfung seiner Angaben verlangt. Da die Beauftragten der kantonalen Behörde Sachverständige sind, sollen sie auch in der Lage sein, die Feststellungen selbständig vorzunehmen. Die Vorschrift könnte nur dann bundesrechtlich als zulässig betrachtet werden, wenn angenommen würde, dass sie der Gesellschaft oder ihrem Vertreter das Recht geben wollte, die Auffassung des Versicherers zu begründen und seine Interessen zu wahren. Dann müsste aber die Vergünstigung aus der Vorschrift ersichtlich sein, und die Zuziehung des Agenten zur Kontrolle müsste als ein Recht und nicht als eine Pflicht desselben erscheinen.

§ 5 des glarnerischen Gesetzes bedroht den Agenten mit einer Busse von Fr. 50 bis 150 und im Wiederholungsfalle mit dem Verbot der Ausübung des Agenturgewerbes im Kanton Glarus, wenn er ,,beim Abschluss von Versicherungsverträgen nicht mit der nötigen Umsicht zu Werke gegangen ista. Die Straf bestimmung ist ganz allgemein gefasst und beschränkt sich nicht auf die Bestrafung einer Verletzung der im Gesetz vorgeschriebenen Pflichten.

Als besonderen strafbaren Tatbestand stellt sie die mangelnde Umsicht beim Vertragsabschluss auf. Es liegt somit ganz im Ermessen der kantonalen Behörde, zu bestimmen, ob irgend ein Verhalten des Agenten dem feuerversicherungspolizeilichen Interesse des Kantons zuwiderlaufe und daher die im Gesetz vorgesehenen Straffolgen nach sich ziehe. Eine so unbestimmte Regelung der kantonalen Feuerversicherungspolizei geht über die dem Kanton in Art. l, Absatz 3, VAG vorgehaltene Kompetenz hinaus, die dem Kanton die Befugnis gibt, über die Feuerversicherung polizeiliche V o r s c h r i f t e n zu erlassen. Da es sich um die Abgrenzung zwischen kantonalem Recht und Bundesrecht handelt, müssen in der Vorschrift die Pflichten und die Tatbestände, auf die eine Bestrafung gesetzt ist, scharf umschrieben sein. Mit Recht bemerkt die Beschwerde, dass § 5 eine unzulässige Kontrolle des Vertragsabschlusses darstelle. Sie greift in bundesrechtlich nicht zulässiger Weise in das Bundesrecht über, das den Abschluss der Versicherungsverträge in privatrechtlicher Hinsicht dem Bundesprivatrecht und in öffentlichrechtlicher Hinsicht dem Versicherungsaufsichtsgesetz unterstellt. § 5 ist aus den
angegebenen Gründen jedenfalls in dieser Fassung nicht haltbar.

Es braucht deshalb auch nicht untersucht zu werden, ob das Verbot der Ausübung des Agenturgewerbes im Kanton Glarus an sich bundesrechtswidrig sei.

17 Gestützt auf die vorgebrachten Erwägungen wird erkannt: 1. Auf Antrag l des Rekurses, der den § 4 des glarnerischen Gesetzes, als dem Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag vom 2. April 1908 widersprechend, anfleht, wird nicht eingetreten.

2. Antrag 2 des Rekurses wird insoweit begründet erklärt, als er die Bestimmung in § 4, Satz 3, des glarnerischen Gesetzes, die die Anwesenheit des Agenten bei der Prüfung des Versicherungswertes verlangt, und den § 5 wegen Widerspruchs zum Bundesgesetz betreffend Beaufsichtigung von Privatunteruehmungen im Gebiete des Versicherungswesens vom 25. Juni 1885 anficht, und demgemäss werden diese Bestimmungen des glarnerischen Gesetzes aufgehoben.

Soweit Antrag 2 des Rekurses die §§ l, 3 und den Rest des § 4 des glarnerischen Gesetzes wegen Widerspruchs zum Bundesgesetz vom 25. Juni 1885 anficht, wird er als unbegründet abgewiesen.

3. Antrag 3 des Rekurses, dahingehend, es sei festzustellen, dass die Rekurrentin den Anforderungen der Präventivkontrolle in allen Fällen durch Vorlage eines Policendoppels (ohne Angabe der Vertragsdauer und des Prämiensatzes) genüge, wird im Sinne der Erwägungen gegenstandslos erklärt.

B e r n , den 20. April 1917.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schulthess.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Schatzmann.

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Bundeablatt. 69. Jahrg. Bd. III.

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Bundesratsbeschluss über die Beschwerde der Basler Versicherungsgesellschaft gegen Feuerschaden in Basel gegen das Gesetz des Kantons Glarus betreffend die Feuerversicherung durch Privatgesellschaften vom 2. Mai 1915. (Vom 20. April 1917.)

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02.05.1917

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