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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Revision der Bundesverfassung (Gesetzgebung über die Schiffahrt).

(Vom 20. Oktober 1917.)

Wir beehren uns, Ihnen zu beantragen, durch einen neuen Verfassungsartikel dem Bunde das Recht der Gesetzgebung über die Schiffahrt zuzusprechen.

Die Gründe, die uns zu diesem Antrage veranlassen, liegen in der Entwicklung, die die Schiffahrt in den letzten Jahren genommen hat und in den neuen Aufgaben, die sich heute unserm Lande stellen. Wir halten dafür, dass der Bund diese Aufgaben au die Hand nehmen rauss und möchten ihm dazu die unzweideutige Kompetenz geben.

I.

In frühern Zeiten spielte die Schiffahrt in der Schweiz eine nicht geringe Eolle ; nicht nur die Seen, sondern auch eine Reihe von fliessenden Gewässern wie die Aare, die Zihl, die Limmat, die Linth und den Rhein belebte ein ziemlich reger Personenund Güterverkehr. Auch die Rhone, die Reuss, die Thur wurden mit Schiffen befahren. ,Um die Mitte des letzten Jahrhunderts, als die ersten Eisenbahnen gebaut wurden, wurde die Schiffahrt allerdings in erwähnenswertem Masse nur noch auf den Seen und einigen wenigen Flusstrecken betrieben. y>Nur der Rhein, die Aare und die Zihl können eigentlich schiffbar genannt werden", wie F r a n s c i n i sich in der Neuen Statistik der Schweiz, Bd. I, 1848, S. 269, ausdrückte, wozu noch die korrigierte Linth kam. Dagegen wurde auf diesen und auf manch andern Wasserläxifen die Flösseroi noch lebhaft betrieben. Der Verkehr wäre noch viel lebhafter gewesen, wenn ihn nicht zahllose Binnenaölle, speziell Wasserzölle, und Transportvorrechte gehemmt hätten.

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Die Bundesverfassung von 1848 ordnete die Aufhebung der Binnenzölle an und ermächtigte in Art. 30 den Bund, auch die Transportvorrechte abzuschaffen, was er z. T. selbst tat, z. T. den Kantonen zu tun überliess. Von diesen Fesseln befreit, hätte sich die Schiffahrt von nun an zweifellos bedeutend entwickelt, wenn ihr nicht zur gleichen Zeit in der Eisenbahn eine gefährliche Konkurrentin erwachsen wäre.

> .

In ihrem Bericht über die Anlage eines schweizerischen Eisenbahnnetzes vota 12. Oktober 1850 empfahlen die technischen Experten des Bundesrates, Robert Stephenson und Henry Swinburne, die Kosten des Werkes zu vermindern durch die Benutzung des Wasserweges von Genf bis Ouchy und von Ifferten bis Solothurn, letzteres allerdings in der Voraussetzung, dass die Schifffahrt durch die Korrektion der Juragewässer noch gehoben würde.

,,Es kann wahrlich nicht genug hervorgehoben werden, wie ungeeignet und unnütz es ist, die öffentlichen Hülfsquellen für Eisenbahnen zu verschleudern, wo treffliche Wasserstrassen, mit denen die Schweiz von der Natur so reichlich begabt ist, benützt werden können. Das Dampfboot bietet den Bewohnern der umliegenden Ufer weit mehr Vorteile, als die Eisenbahn je zu gewähren imstande ist. Die Schnelligkeit der Dampfschiffe erster Klasse ist nur sehr wenig von der eines Eisenbahnzuges, der an gleich vielen Stationen hält, verschieden.a Der Wechsel der Transportmittel wäre allerdings nachteilig, wenn die Wasserstrasse kurz wäre; bei langen Strecken, wie der Genfersee und die beiden Juraseen, sei das aber nicht der Fall (B. Bl. 1850, III, 471). Als selbstverständlich wurde es betrachtet, dass am Zürichsee keine Eisenbahn angelegt werde ; auch für die Strecke Rapperswil-Weesen wurde die Einrichtung der Schiffahrt als vorteilhafter bezeichnet. Ziegler war es namentlich, der die Wichtigkeit der Wasserstrassen als Teile des Eisenbahnnetzes betonte. Der Bundesrat schloss sieh in seiner Botschaft vom 7. April 1851 der Ansicht der Fachleute über die Benutzung des Wasserweges an, ,,für so lange wenigstens, als nicht die steigende Personenfrequenz die Erstellung der Schienenwege dringend erfordert" (B. Bl. 1851, I, 356). Die Eisenbahnstrecke Genf-Ouchy wurde indessen bald nach den daran anschliessenden gebaut, nämlich im Jahre 1858; die Eisenbahnverbindung Ifferten-Solothurn liess auch
nicht lange auf sich warten; sie wurde 1860 vollendet. Die Trajektschifffahrt, die ,,schwimmende Eisenbahn", die in Verbindung mit der Juragewässerkorrektion vorgeschlagen worden war, fiel im Jahre 1856 mit diesem Projekte für einmal dahin. Als blosse Bindeglieder zwischen gebrochenen Eisenbahnlinien konnten sich Bundesblau.

69. Jahrg. Bd. IV.

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die Schiffahrtswege nicht halten und würden sich auch heute nicht halten können. Als Vermittler des durchgehenden Verkehrs, als selbständige Verkehrsstrassen sind die Wasserwege dagegen in neuerer Zeit neben den Eisenbahnen wieder zu Ehren gezogen worden.

Anfangs dieses Jahrhunderts wurde die Schiffahrt, abgesehen von den Seen, nur noch auf wenigen Wasserläufen betrieben ; ein bedeutender Güterverkehr hat sich nirgends mehr erhalten.

Im Jahre 1895 hatte die Regierung von Elsass-Lothringen bei der Regierung des Kantons Basel-Stadt angefragt, unter welchen Bedingungen es ihr gestattet würde, im Rhein ein Wasserwerk auszuführen, um dem H ü n i n g e r k a n a l , welcher infolge der Senkung der Rheinsohle die zu seinem Betriebe erforderliche Wassermenge nicht mehr erhielt, wieder mehr Wasser zuzuführen.

Zugleich wurde bemerkt, dass der Kanal bis Basel geführt werden könne, so dass dann diese Stadt mit dem französischen und belgischen Eanalnetz in Verbindung stünde. Im Verlaufe der Verhandlungen wurde das Projekt eines Stauwehres wieder fallen gelassen und ein Stichkanal von Gross-Hüningen nach Basel projektiert, welcher durch ein Pumpwerk mit Wasser versorgt werden müsste. Nachdem sich die genannten Regierungen vorläufig geeinigt hatten, ersuchte der Kanton Basel-Stadt den Bund um einen Beitrag an die Kosten dieses Werkes und die Bundesversammlung bewilligte ihm an die Kosten der Weiterführung des Kanals, als eines für einen bedeutenden Teil der Eidgenossenschaft wichtigen Werkes, gemäss Art. 23 B.-V. einen Beitrag von einer Million (Bundesbeschluss vom 11. Juni 1896; A. S.

15, 473).

Das Projekt kam jedoch nicht zur Ausführung, wie es scheint wegen des Widerstandes verschiedener deutscher Staatseisenbahnen; die Subvention wurde dann im Jahre 1902 als dahingefallen erklärt. Heute lässt sich das Projekt in der damaligen Form nicht mehr ausführen, weil das Areal seither überbaut worden ist. Dagegen hat Elsass-Lothringen vor dem Kriege den Ausbau des Hüningerkanals begonnen. Der Kanal ist zur Zeit auf der 18,4 km langen Strecke Napoleonsinsel-Löchle für 290t-Schiffe, dagegen auf den obern 10 km bis Hüningen bloss für 200-t-8chiffe befahrbar. Von Hüningen können Kanalschiffe von 150 Tonnen Tragfähigkeit in den Rhein hinausgelangen.

Die S. B. B. haben sieh bereit erklärt, den erweiterten Kanal durch
ein Anschlussgeleise mit dem St. Johann-Bahnhof zu verbinden. Ob und wie er sich mit dem Rhein und mit den Basler Hafenanlagen verbinden und wie er sich aus dem Rhein speisen

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lasse, ist noch zu prüfen. Der Verkehr auf dem Hüningerkanal feetrug 1911: 43,006 t; 1912 57,553 t.

Im Jahre 1902 erschien eine kleine Broschüre: ,,Die Ausdehnung der Grosschiffahrt auf dem Rheine von Strassburg bis Basel", von Ing. Rudolf G e l p k e , in Basel, in welcher nachgewiesen wurde, dasa der Rhein bis Basel unter gewissen Voraussetzungen heute schon als Wasserstrasse für die Beförderung von Massengütern Verwendung finden könnte, obwohl die in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts im Interesse der Hochwasserabsenkung vorgenommene Korrektion die Schiffahrt in mancher Beziehung eher erschwert hatte. Die in der Tagespresse (Basler Nachrichten, Jahrgang 1902, Nr. 8, 9, 92 und 174) und in öffentlichen Vorträgen betriebene lebhafte Propaganda führte insofern zum Ziele, als im Jahre 1903 durch Vermittlung des Herrn B mil Ziegler in Basel die Reederei vormals J. Knipscheer in Verbindung mit der Kohlen- und Schiffahrtsgesellschaft Piepmeyer und Oppenharst in Ruhrort zu den ersten praktischen Versuchen ermuntert werden konnte.

In den Tagen vom 24.--26. August 1903 gelang es dem Schleppdampfer ,,Justitia" von 200 ind. PS, einem Schraubenboot von 1,60 m Eintauchung die 127 km lange Fahrt von Strassburg bis Basel und zurück auf dem offenen Strom durchzuführen. Im Juni des Jahres 1904 traf der erste Rheinschleppzug in Basel ein, bestehend aus dem Doppelschraubendampfer ,,Knipscheer IX" und dem Anhangkahn ,,Christina". Auch diesmal verlief die Bergfahrt gut; bei der am 13. Juni unternommenen Talfahrt riss sich zufolge eines misslungenen Wendemanövers der Kahn vom Schleppstrang los und zerschellte an den Eisbrechern der Hüninger Schiffbrücke.

Die ersten Versuchsfahrten ergaben zunächst befriedigende Ergebnisse in Hinsicht auf die vorzügliche Eignung der Stromfahrrinne bei günstigem Wasserstande für Beförderungszwecke.

Dagegen erwiesen sich die viel zu engen Durchlässe der sieben Schiffbrücken, sowie die viel zu tief gelegenen beiden festen Kehler Brücken als in hohem Grade verkehrsstörend. Seither hat sich manches gebessert, die Durchlässe wurden etwas erweitert, einige Eisbrecher entfernt, Drahtseile erhöht und an der Kehler Eisenbahnbrücke die am Untergurt angebrachten Laufschienen entfernt. Weiteren Begehren der Schiffahrtsinteressenten aber, die die raschere Öffnung der Schiffbrücken durch elektrische Motoren, die gänzliche Beseitigung der Eisbrecher, die Hebung der beiden Kehler Brücken und die Ausbaggerung einiger Kies-

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Schwellen-Übergänge zum Gegenstände hatten, wurde z. T. wegen ihrer bedeutenden Kosten bisher nicht Rechnung getragen.

Vom Jahre 1905 an nahm der am 3. Dezember 1904 in Basel gegründete ,,Verein für die Schiffahrt auf dem Oberrhein1* die Versuchsfahrten an die Hand und im Februar 1906 schloss die Regierung von Basel-Stadt mit der Aktiengesellschaft für Transport- und Schleppschiffahrt, vormals Job. Knipscheer, in Ruhrort, die schon früher nach Basel gefahren war, einen Vertrag über die Durchführung von mindestens 15 Probefahrten, gegen bestimmte Entschädigungen ; von diesen Fahrten wurden aber nur 12 ausgeführt. Sechs im Jahre 1906 und sechs im Jahre 1907. Basel-Stadt leistete daran einen Beitrag von 53,000 Franken. Da die provisorischen Landungs- und Umschlagsvorrichtungen auf dem linken Ufer bei der Grasanstalt nicht mehr genügten, bewilligte der Grosse Rat die nötigen Kredite für die Erweiterung dieser Anlagen, die im Zusammenhang mit der Korrektion des Rheinufei-s ausgeführt werden sollten. Der Bund leistete an diese, auf Fr. 305,000 veranschlagten Ausgaben für die Schifiahrt, sowie an die oben erwähnte Subvention Basels an die Probefahrten, einen Beitrag von 50 °/o, d. h. Fr. 190,000 (Bundesbeschluss vom 21. Juni 1907; A. S. 23, 247). Es wurden darauf längs des Rheinufers zum Anlegen der Schiffe eine Kaianlage von 600 m Länge erstellt und sieben Kranen aufgestellt.

Nach Erlöschen des Vertrages mit der Aktiengesellschaft vormals Knipscheer schloss die Basier Regierung einen neuen Vertrag mit der Rheinschiffahrtaktiengesellechaft vormals Fendei in Mannheim, wodurch dieser Firma für ihre Fahrten eine nach Warengattung und -menge abgestufte Subvention zugesichert wurde ; durch einen neuen Vertrag im folgenden Jahre verpflichtete sich die Schiffahrtsgesellschaft, in den Jahren 1909 und 1910 je 16,000 t und in den Jahren 1911 bis 1915 je 10,000 t, im ganzen 82,000 t Kohlen nach Basel zu schleppen, und zwar die drei ersten Jahre mit, die folgenden Jahre ohne Subvention. Von diesen Ausgaben, sowie von den Kosten zur Erweiterung der Schiffahrtseinrichtungen und Geleiseanlagen bei der Gasanstalt, im Gesamtbetrage von Fr. 592,871, übernahm der Bund wiederum die Hälfte (Fr. 296,436) durch Bundesbeschluss vom 15. April 1910 (A. S.

26, 159).

Wir fügen noch bei, dass sich am 21. Juni 1907 die Rheinhafenaktiengeseltschaft mit einem Kapital von Fr. 250,000 konstituierte, dor der Kanton Basel-Stadt einen Lagerplatz von zirka

301 28,000 m* auf dreissig Jahre verpachtete und die den Betrieb der Hafenanlagen übernahm. Für die Gründung einer schweizerischen Rheinschiffahrtgesellschaft mit eigenem Schiffspark und in Betriebsgemeinschaft mit einem oberrheinischen Reedereikonzern sind Unterhandlungen im Gange, deren Abschluss durch den Krieg verzögert wird.

Auf dieser Grundlage nahm der Güterverkehr mit Basel einen erfreulichen Aufschwung, wie sich aus folgenden Zahlen ergibt : die Zahl der Schleppzüge (Bergfahrt) betrug in den ersten drei Jahren 1905, 1906 und 1907^je 6; in den folgenden Jahren: 30 (1908), 70 (1909), 93 (1910), 44 (1911), 62 (1912), 98 (1913), 80 (1914).

Es wurden befördert in Tonnen: Bergfahrt

Talfahrt

Zusammen

1905 2,028 1,121 3,149 .

1906 2,722 740 3,462 1907 2,750 1,084 3,834 1908 13,877 1,600 15,477 1909 35,634 5,185 40,819 1910 48,561 16,139 64,700 1911 27,654 8,080 35,734 1912 47,149 24,051 71,200 1913 62,376 34,277 96,653 1914 61,527 28,492 90,019 Am 1. August 1914 wurde die Schiffahrt durch den Krieg unterbrochen, sonst hätte der Verkehr in jenem Jahr wahrscheinlich 120,000 t erreicht. Die Abfuhr steht zur Zufuhr in dem relativ günstigen Verhältnis von durchschnittlich zirka 35 "/o. In der vierjährigen Periode 1910--1913 waren die Kohlentransporte am Gesamtverkehr mit 31%--38°/o beteiligt. Daneben sind noch zu erwähnen Phosphat (1913: 7099 t), Roheisen (5875), Holz (3131), Blei (2347); an der Abfuhr waren am meisten beteiligt: kondensierte Milch (1913: 8896 t), Zement (7604), Karbid (4141), Pyritasche (3589), Ferrosilicium (3358), Aluminium (2768) und Asphalt (2238). Die Frachtersparnis ist für das Jahr 1913 für die Zufuhr auf Fr. 1. 82 per Tonne, insgesamt auf Fr. 113,500, für die Abfuhr auf Fr. 4. 53 per Tonne, insgesamt auf Fr. 155,354 berechnet worden.

Wenn man diese Ziffern mit denjenigen der gesamten Einund Ausfuhr über Basel vergleicht, so mögen sie noch klein erscheinen : . im Jahre 1913 betrug die Gütermenge, die über

302 Basel ein- imd ausgeführt wurde (einschliesslich die Dienstkohle der S. B. ß.) 4,5 Millionen Tonnen, wovon 2,i Millionen Tonnen Kohlen, Koks und Briketts, 410,000 t Getreide und Mühlenfabrikate, 150,000 t Eisen und 219,000 t andere Massengüter.

Bedenkt man aber, dass der natürliche Schiffahrtsweg StrassburgBasel noch in keiner Weise verbessert worden ist, dass vielmehr die Schiffahrt noch durch eine Reihe kunstlicher Hindernisse erschwert wird, dass in Basel nur die notwendigsten Schiffahrtseinrichtungen bestehen und dass die Schiffahrt gegenwärtig infolge mangelnder Niederwasserschleppdampfer nur während beschränkter Zeit, nämlich während zirka 200 Tagen im Jahre betrieben werden kann, so muss man zugeben, dass der Schiffahrtsverkehr schon eine ansehnliche Entwicklung genommen hat, die in Zukunft noch einer grossen Steigerung fähig ist ; die Rheinschiffahrt bis Basel hat sich als wirtschaftlich durchaus lebensfähig erwiesen.

Die S t r e c k e B a s e l - B o d e n s e e ist zum Teil natürlich schiffbar, zum Teil ist sie schiffbar geworden durch die künstliche Stauung des Wasserlaufes bei den Kraftwerken; zum Teil ist sie noch nicht schiffbar. Natürlich schiffbar war der Strom schon vor der Erstellung des Kraftwerkes Äugst-Wyhlen auf der Stromstrecke Baael-Rheinfelden. Die erste Dampferfahrt auf dem Rheinstrom über Basel hinaus bis nach Rheinfelden unternahm Ingenieur Gelpke mit dem von ihm gemieteten Doppelschraubendampfer Kuipscheer IX von 300 ind. PS am 14. Mai 1907. Auf der Etappe Sohaffhausen-Konstanz wird seit Jahrzehnten ein lebhafter Verkehr mit Dampf booten aufrecht erhalten. Beide Strecken zusammen haben eine Länge von 20 -|- 44 = 64 km. Die Kraftwerke Äugst-Wyhlen, Rheinfelden und Laufenburg haben den Fluss im Stau ihrer Wehre zu seeartigen Becken von 6,s km, 2,& km und 8,3 km umgewandelt. Äugst-Wyhlen hat eine Schiffahrtsschleuse von 90 m Länge, 12 m Breite und 7,a m Hubhöhe ; Laufenburg eine solche von 30 m Länge und 12 m Breite, die aber auf eine Länge von 100 m ausgebaut werden kann ; ihre Hubhöhe betragt ll,a m. Das Kraftwerk Rheinfelden hat keine Schiffahrtsschleuse, sondern nur eine Flossgasse. Wir erinnern daran, dass der Bund an die Mehrkosten, die dem Konzessionär durch den Einbau der Schleuse erwachsen sind, erhebliche Beiträge --- für Augst-Wyhlen Fr. 50,000 -- geleistet
hat. Das ebenfalls konzessionierte Werk von Eglisaü wird eine Schiffahrtsschleuse von 18 m Lange, dio auf 100 m gebracht werden kann, und 12 m Breite, mit einer Hubhöhe von 9,u m einbauen, wodurch eine Staufläche von 13,s km entstehen wird ; an die Kosten dieser Schleuse hat der Bund einen Beitrag von Fr. 15,000 zu-

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gesagt. Nimmt man noch hinzu die bei Sohwörstadt, Dogern, Waidehut, Reckingen, Rheinau, Neuhausen und vielleicht auch noch bei Säckingen projektierten Werke, so wird eine weite Strecke des natürlichen Fmsslaufes kanalisiert und ein bedeutender Höhenunterschied durch Schleusen überwunden. Der 168 km lange Stromschiffahrtsweg Basel-Konstanz führt dann teils über regulierte, teils über kanalisierte Strecken; eine Etappe von 19 km Länge führt über den Untersee. Die R h o n e war früher schiffbar bis Seyesel, d. h. 60 km unterhalb der Schweizergrenze ; Seyssel hat noch ausgedehnte, jetzt nicht mehr benützte Kais. Heute wird die Schiffahrt von Marseille bis le Sault-Brénaz betrieben.

Marseille ist mit Arles durch einen der Vollendung nahen Kanal verbunden: um von Arles bis Lyon und von hier aufwärts durchweg günstige Schiffahrtsbedingungen zu erhalten, bedürfte aber der Fluss auf längern Strecken noch der Verbesserung.

Tatsächlich wird er "oberhalb Lyon noch auf 56 km Länge, bis Sault-Brénaz befahren, aber zurzeit nur in Talfahrt; auf den nächstobern 84 km bis Seyssel hat die Grossschiffahrt vollständig aufgehört. Die zirka 60 km lange Strecke Seyssel-Genfersee muas der Grossschiffahrt erst zugänglich gemacht werden.

Der Verbindungsweg zwischen der italienischen Schweiz und dem Adriatischen Meer wird durch den Langensee, den Tessin und den Po hergestellt. Der Po weist im ganzen günstige Bedingungen für die Schiffahrt auf: die Wassermenge, das Gefalle, die Breite würden die Schiffahrt bis zur Mündung des Tessins während zirka 330 Tagen im Jahre gestatten. Was ihr gegenwärtig hinderlich ist, sind die Sandbänke an der Mündung und im Flusslanfe selbst, die Kiesschwellen, zwischen der Mündung des Tessins und Piacenza auch eine Felsenschwelle. Im untern Teile bis Oglio (205 km mit nur 15 m Höhenunterschied) ist die Fahrtiefe überall -- ausgenommen an drei Stellen -- mehr als 2 m ; im mittlern Teil, von Oglio bis zur Mündung der Adda (112 km mit 20 m Höhenunterschied) beträgt die Fahrtiefe das ganze Jahr auch mehr als 2 m, ausgenommen bei den hier viel zahlreichern Kiesschwellen, und ähnlich verhält es sich im dritten Teil, von der Adda bis zum Tessin (108 km und 20 m Höhenunterschied). Auch jetzt könnte aber ein Schiff von nicht mehr als 0,8 m Eintauchung während 330 Tagen vom Meer bis zur Addamündung fahren,
und ein Schiff von 1,75 m Eintauchung noch während 217 Tagen, also ungefähr wie auf dem Rhein bis Mannheim vor der Regulierung. Die Regulierung des Pos und die Korrektion seiner viel Geschiebe führenden nördlichen Zuflüsse würde die Schiffahrtsbedingungen bedeutend verbessern;

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nach einem Bericht der ministeriellen Kommission für Binnenschiffahrt wäre in Aussicht genommen, auf dem Po bis zur Tessinmündung während des ganzen Jahres eine Fahrtiefe von 2 m zu erhallen.

Der Tessin selbst ist für kleine Kähne schiffbar, die Schifffahrt ist aber durch künstliche Hindernisse sehr erschwert und wird von Sesto Calende im natürlichen Flusslaufe nur noch auf 11 km bis zur Abzweigung des Vizzolakanals betrieben.

Um leistungsfähige Schiffahrtswege zu schaffen oder die vorhandenen Wege auf ihre volle Leistungsfähigkeit zu bringen, bedarf es also überall beträchtlicher Arbeiten; es fragt sich nun, ob es sich verlohnt, die Schiffahrtsverbindungen der Schweiz mit dem Ausland und im Innern zu erweitern und zu verbessern.

Die schweizerische Binnenschiffahrt hat -- soll sie bedeutenden wirtschaftlichen Interessen dienen und die erforderlichen Aufwendungen rechtfertigen -- zur Voraussetzung die Möglichkeit der Befahrung der von der Schweiz zum Meer führenden ausländischen Wasserwege.

Diese Möglichkeit ist in bezug auf den Rhein sowohl tatsächlich als rechtlich bereits vorhanden.

Durch den ersten Pariser Frieden vom 30. Mai 1814 und die Wiener Schlussakte vom 9. Juni 1815 ist der völkerrechtliche Grundsatz aufgestellt worden, dass die Schiffahrtsfreiheit für jedermann bestehe auf denjenigen schiffbaren Flüssen, welche verschiedene Staatsgebiete berühren. Für den Rhein, sowie auch für den Po ist dieses Prinzip der Internationalität ausdrücklich statuiert worden.

Die ,,Revidierte Rheinschiffahrtsakte"1 vom 17. Oktober 1868, in welcher die Rheinuferstaaten gemäss einem internationalen Mandat einheitliche polizeiliche Vorschriften für die Rheinschifffahrt festsetzten, sagt in Art. l, Absatz l und 2: ,,Die Schiffahrt auf dem Rheine und seinen Ausflüssen von Basel bis in das offene Meer soll, sowohl aufwärts als abwärts, unter Beachtung der in diesem Vertrage festgesetzten Bestimmungen und der zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicherheit erforderlichen polizeilichen Vorschriften, den Fahrzeugen aller Nationen zum Transport von Waren und Personen gestattet sein."

,,Abgesehen von diesen Vorschriften soll kein Hindernis, welcher Art es auch sein mag, der freien Schiffahrt entgegen-

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gesetzt werden"1. Von den hier allen Nationen zugestandenen Rechten machen nicht nur die Uferstaaten, sondern auch andere Länder, z. B, Grossbritannien Gebrauch. Um so weniger kann es einem Zweifel unterliegen, dass die Schweiz als Uferstaat den Rhein befahren darf. Obwohl sie nämlich bisher an den besondern Abmachungen der Rheinuferstaaten sieh nicht beteiligt hat, ist sie unbestreitbar ein Uferstaat im Sinne der Wiener Schlussakte und der darauf sich stützenden Vereinbarungen. Schon das Reglement vom 24. März 1815 und so auch die heute geltende Rheinschiffahrtsakte bezeichnen Basel als obere Grenze des konventionellen Rheines. Die Rheinsohiffahrt erstreckt sich heute und erstreckte sich schon früher tatsächlich bis nach Basel und sogar darüber hinaus. Die Schweiz hat demgemäss ausser dem Recht der Schiffahrtsfreiheit auch Anspruch darauf, teilzunehmen an den besondern Regelungen, welche das Völkerrecht den Uferstaaten internationaler Flüsse vorbehält.

Während die schiffbare Rhone kein internationaler Fluss ist, ihr« Erschliessung für die Schiffahrt somit Gegenstand besonderer Abmachungen der interessierten Staaten bilden muss, ist der Wasserweg vom Langensee durch den Tessin und Po in die Adria als ein von Natur schiffbarer und daher internationaler zu betrachten.

Die Wasserstrasse hat heute in erster Linie eine Aufgabe zu erfüllen, die die Eisenbahn nur unvollkommen erfüllen kann: den Transport von Schwergütern. Im ganzen wird die Eisenbahn stets die weitaus grosste Menge der Güter befordern, und ihre Frachttarife bilden daher gewissermassen den Massstab, an dem sich der wirtschaftliche Vorteil der Beförderung zu Wasser beinisst. Wo sich erhebliche Verbilligungen der Frachten erzielen lassen, ist die Anlegung von Schiffahrtswegen gerechtfertigt. Die Eisenbahn wird vor der Schiffahrt stets gewisse Vorzüge haben, vor allem den der Schnelligkeit dann, den eines das ganze Land umspannenden Netzes, das ihr zu allen Teilen des Gebietes Zugang verschafft, und endlich, wo die Schiffahrt von einem veränderlichen Wasserstande und vom Elima abhängig ist, den der grössern Zuverlässigkeit und Stetigkeit. Die Schiffahrt dagegen bietet den Vorzug der Massenbeförderung und weit geringerer Frachtsätze, als Folge der geringem Anschaffungskosten der Transportgefässe, eines bessern Verhältnisses von toter Last zu Nutzlast, geringern Personalbedarfes und, bei geeigneten Voraus-

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Setzungen, geringern Aufwandes für bewegende Kraft. Dazu gesellen sich die Vorteile der freien Benutzung der Wasserstrasse durch dìo privatwirtschaftlichen Interessenten, überhaupt der grössern individuellen Anpassungsfähigheit der Schiffahrt an die Wirtschaftsbedürfnisse. Das Schiff eignet sich daher vorab für die Beförderung billiger Massengüter auf langen Strecken, aber auch für hochwertige Güter ist der Schifftransport unter Umständen lohnend; für kleinere Distanzen empfiehlt sich die Beförderung zu Wasser nicht, zufolge der hohen Umschlagsspesen.

Die Wasserstrassen im Innern des Landes werden daher nur als Fortsetzungen der Zufahrtestrassen vom Auslande her gebaut werden können, also erst nachdem diese Zufahrtsatrassen den Betrieb aufgenommen haben.

Der Ansohluss an die Schiffahrtswege des Auslandes ist für die Schweiz von besonderer Bedeutung wegen ihrer eigenartigen geographischen Lage. Die grosse Entfernung unseres Landes vom Meere und von den Zentren der Gewinnung der wichtigsten Rohstoffe erschwert unserm Lande die Zufuhr seiner industriellen Roh- und Hülfsstoffe und die Abfuhr seiner Erzeugnisse. Die Schweiz hat sich deshalb sowohl in der Landwirtschaft wie in der Industrie auf die Produktion hochwertiger Güter beschränkt und sich die Produktion von Schwergütern versagen müssen, wie die Vergleichung der Gewichtsziffern des Aussenhandels deutlich zeigt. 1910 z. B. importierte die Schweiz 6,767,993 t und exportierte nur 723,945 t; 1912 betrug der Import 7,713,885 t, der Export 871,929 t ; 1913 7,759,780 und 856,024 t. Der Export macht dem Gewichte nach nur etwa 10 °/0 des Gesamtaussenhandels aus. Jede Verbilligung der Transportkosten würde daher der Schweiz bedeutende Vorteile bringen. Die billigere Beförderung der Schwergüter auf dem Wasserwege würde ihr gestatten, ihre Schwerindustrie zu entwickeln, namentlich wenn es gelingt, auch die Binnengewässer der Schweiz, in Verbindung mit der Ausbeutung der Wasserkräfte der Schiffahrt zu eröffnen und dadurch die sogenannten Wasserindustrien anzuziehen. An den mit Schiff zu erreichenden Gewässern werden sich voraussichtlich Industrien ansiedeln, die heute vor der ausländischen Konkurrenz nicht bestehen könnten. Wenn die Wasserstrassen, die im Innern der Schweiz angelegt werden, dem Güterverkehr wirkliche Vorteile bringen, so darf auch die
Befürchtung, dass sie den Verkehr der Eisenbahnen nachteilig beeinflussen könnten, nicht zu sehr ins Gewicht fallen; die Erfahrung in den andern Ländern beweist, dass leistungsfähige Wasserstrassen durch die Steigerung des allgemeinen Verkehrs, den sie zur Folge haben,

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den Eisenbahnen mehr Vorteile zuwenden als sie ihnen durch die Beförderung der Schwergüter wegnehmen.

Um zu entscheiden, welche dieser Wasserwege für die Schweiz volkswirtschaftlichen Nutzen bringen, muss untersucht werden, wie hoch sich die Kosten des Baues, Unterhaltes und Betriebes der Wasserstrasse belaufen, anderseits wie grosse Frachtersparnisse sich mit der Eröffnung jedes Verkehrsweges voraussichtlich erzielen lassen, zwei Untersuchungen, die sich allerdings nicht unabhängig voneinander durchführen lassen. Diese Untersuchungen, die technische wie die wirtschaftliche, sind für die schweizerischen Wasserstrassen noch nicht abgeschlossen, ja für einzelne noch nicht angefangen; wir möchten uns daher hier nicht über die Frage äussern. welche Wasserstraßen für die Schweiz volkswirtschaftlich gerechtfertigt seien.

Was zunächst den R h e i n anbelangt, so ist der Strom durch Regulierungsarbeiten bis Strassburg für Kähne von 1800 t schiffbar gemacht worden. Dieselben Schiffstypen P in den Abmessungen von 85,9 m Länge und 11 m Breite können nach durchgeführter Niederwasser - Regulierung auf der Stromstrecke Strassburg Schweizergrenze bis nach Basel hinauf gelangen. Wahrend vor der Ausführung dieser Verbesserungen im Jahre 1906 der Verkehr von Strassburg 635,389 t betragen hatte, stieg er nach Vollendung eines Teiles der Regulierung, im Jahre 1912, auf 1,668,000 t und im Jahre 1913 auf 1,988,000 l an.

Was die Frage der W i r t s c h a f t l i c h k e i t der Schiffahrt von Strassburg nach Basel anbelangt, so haben die praktischen Ergehnisse des Schlepp verkehre die in zahlreichen Veröffentlichungen der Zeitschrift ,,Die Rheinquellen" angeführten Daten in Hinsicht auf die Transportkostenersparnisse vollauf bestätigt. Ebenso abgeklärt ist die Frage der Wirtschaftlichkeit der Stromstrecke Basel-Bodensee auf Grund von zwei Gutachten, erstattet von Ingenieur R. Gelpke im Jahre 1909 (,,Die Schiffbarmachung des Badisch-Schweizerischen Rheines", im Auftrage der internationalen Vereinigung zur Förderung der Schiffbarmachung des Rheines bis zum Bodensee, sowie des nordostschweizerischen Schiffahrtsverbandes, mit Planmaterial), und von Dr. Leo Sympher in Berlin, im Jahre 1914, an die Bodensee - Rheinschiffahrtsverbände in Konstanz und in St. Gallen. In Hinsicht auf die grossen wirtschaftlichen Gesichtspunkte
gelangen beide Gutachten zu denselben Ergebnissen. Interessant ist dabei die Feststellung, dase sich beispielsweise die im Jahre 1913 im Rheinschiffahrtsverkehr nach Basel erzielten Frachtersparnisse bei einem Totalverkehr von

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96,653 Tonnen auf Fr. 268,854 beliefen. Pro Gütertonne wurden hierbei an Transportkosten erspart: a. beim Bergverkehr Fr. 1. 82 ; b. beim Talverkehr ,, 4. 53 ; c. im Mittel ,, 2.78.

Die im Durchschnitte pro Tonnenkilometer auf der Stromstrecke Strassburg-Basel erzielten Ersparnisse betrugen für das betreffende Schiffahrtsjahr 2,a Cts. Die Ergebnisse in Hinsicht auf die Transportkostenersparnisse sind somit als überaus günstige zu bezeichnen. Seit dem Jahre 1905 sind bis August 1914 auf dem Rhein bis und von Basel 425,047 Tonnen Güter, welche an Transportkostenersparnissen rund eine Million Franken eintrugen, verfrachtet worden. Erwähnenswert ist hierbei die Tatsache, dass für die Verbesserung der Stromfahrrinne bisher keinerlei Aufwendungen gemacht wurden.

Die t e c h n i s c h e n Pläne für die Niederwasser-Regulierung der Stromstrecke Strassburg-Basel sind noch nicht ausgearbeitet.

Dagegen liegen im Auftrage der Bodensee-Schiffahrtsverbände angefertigte generelle Entwürfe vor über die Schiffbarmachung des badisch-schweizerischen Stromlaufes. Die mutmasslichen Erstellungskosten der Niederwasser-Regulierung der Rheinstrecke Strassburg-Basel belaufen sich auf 25 Millionen Franken und die Kosten für die Schiffbarmaehung des badisch-schweizerischen Rheinlaufes für die erste Phase der Schiffahrtsentwioklung : Einbau einfacher Kammerschleusen, auf 35--40 Millionen. Franken.

Für die Strecke Basel-Konstanz wurde zwischen der Schweiz und Baden im Jahre 1911 vereinbart, dass ein internationaler Wettbewerb für die Aufstellung eines Projektes eröffnet werden solle, für den die Unterlagen von jedem Staate zu beschaffen und den drei schon erwähnten Schiffahrtsverbänden zur Verfügung zu stellen seien. Die Ausschreibung fand statt im Mai 19J 3 ; das Preisgericht wurde bestellt und der Termin für die Einreichung der Entwürfe wurde auf den 14. Dezember 1914 gestellt ; infolge des Krieges musste er aber auf unbestimmte Zeit verlängert werden. Endlich sei erwähnt, dass im Zusammenhang mit der Schiffahrt auch die Regulierung der Wasserstände des Bodensees erörtert worden ist. Die erste Studie dieser Art datiert vom Jahre 1904 von Ingenieur Gelpke, wo eine Verlängerung der Schiffahrtsdauer um 86 Tage im Jahre vermittelst der BodenseeRegulierung angeregt wird. (,,Zur Kritik der oberrheinischen Binnen-Schiffahrtsprojekte", S. 23--33, Basel 1904, Verlag von Helbing und Lichtenhahn). Mit derselben Frage befassten sich

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dann die an der Bodenseeachiffahrt beteiligten schweizerischen Kantone und sodann die Uferstaaten. Ein internationaler Studienausschuss wurde bestellt zur Untersuchung der technischen und wirtschaftlichen Seite der Frage und zur Bearbeitung eines Entwurfes für die Abflussregulierung ; dieser Ausschuss verteilte die Arbeit an drei Spezialausschüsse. Die Erledigung wurde aber auch hier durch den Krieg verhindert.

Obschon die Studien noch nicht abgeschlossen sind, kann man schon mit Sicherheit annehmen, dass die Schweiz ein bedeutendes Interesse an der Verbesserung der Fahrrinne des Rheines bis Basel hat, sowie an der Verlängerung der Schiffahrt von Basel stromaufwärts bis Konstanz. Sie wird daher auch der Ausführung dieses internationalen Werkes ihre Mitwirkungv nicht versagen, vorausgesetzt, dass ihre Beteiligung an den Kosten in billigem Verhältnisse zu ihrem Interesse bleibe. Wie bekannt, hat sich das Grossherzogtum Baden bestimmt dahin ausgesprochen, dass es sich an der Verbesserung der Fahrrinne des Rheines bis Basel nur beteilige unter der Bedingung, dass der Rhein bis zum Bodensee schiffbar gemacht werde ; in dieser Ausdehnung scheint aber das Werk auch der Unterstützung aller deutschen Staaten sicher zu sein.

Weniger abgeklärt ist die Verbindung des Genfersees mit dem Mittelmeer durch die R h o n e . In Frankreich wird die Wasserstrasse für den Verkehr von 600-t-Kähnen von Marseille bis Lyon zurzeit wesentlich verbessert.

Auch die Schiffahrt von Lyon bis Genf ist in Aussicht genommen, wobei die untere Strecke reguliert und die obere kanalisiert werden soll. Die Schiffahrt von Lyon bis Genf hängt wesentlich ab von der Ausführung des Kraftwerkes von G-enissiat, mit dessen Hülfe die Gefällstufe der Perte du Rhône von 27 m ·überwunden und darüber hinaus noch 42 m Gefalle, also im ganzen zirka 69 m gewonnen werden sollen. Für die Ausführung dieses Riesenwerkes, das 325,000 PS liefern soll, stehen sich 2wei Varianten gegenüber ^ nach der einen soll die Wasserkraft in einer einzigen Gefällstufe ausgenutzt werden, nach der andern in zweien. Welcher dieser Entwürfe zur Ausführung kommen soll, hat die französische Verwaltung noch nicht entschieden.

Den Konzessionären wird wahrscheinlich die Pflicht auferlegt werden, die Rhone bis zur Schweizergrenze schiffbar zu machen, wodurch ein guter Teil des Problems gelöst wäre. Von der Grenze an werden die gestauten Haltungen der projektierten Kraftwerke von Pougny-Chancy und von La Plaine und des

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bestehenden Werkes von Chèvres die Schiffahrt erleichtern. Diese Werke müssen mit Schleusen von geeigneten Abmessungen versehen werden, wozu sie die Konzessionen bereits verpflichten.

Beim Werke von Chèvres ist der Einbau einer Schleuse von 110 m Länge und 9 m Breite, mit einer Hubhöhe von 8,is m vorgesehen.

Was die Rhone von der französischen Grenze bis in den Genfersee betrifft, so hat das Syndicat suisse pour l'étude de la voie navigable du Rhône au Rhin über die Schiffbarmachung dieser Strecke für 600-t-Kähne und für einen grossen internationalen Verkehr eine Untersuchung veranlasst. Durch die Stadt Genf kann die Rhone nicht zur Schiffahrt benutzt werden ; es werden daher an Stelle dieses Weges verschiedene andere Lösungen vorgeschlagen.

Die Kosten der Schiffbarmachung der Rhone von der Landesgrenze bis in den 8ee, die Anlage des Genfer Handelshafens Inbegriffen, werden von der Association auf 28 Millionen Franken geschätzt.

Genaue Untersuchungen über die Wirtschaftlichkeit der Schiffahrt Marseille - Genf sind unseres Wissens noch nicht angestellt worden ; es wird zunächst Sache der französischen Behörden sein, diese Studien in Angriff zu nehmen. Zum Vergleich mit dein jetzigen Verkehr über Basel bemerken wir, dass 1913 die Gütermenge, die über Genf ein- und ausgeführt wurde, zirka l,s Millionen Tonnen betrug; durch eine gute Schiffahrtsstrasse könnte sich dieser Verkehr noch erheblich steigern.

In I t a l i e n gehen bedeutende Pläne der Verwirklichung entgegen: Das grundlegende Gesetz vom 2. Januar 1910 (lex Bertolini) verpflichtet den Staat, für die Wiederherstellung der bestehenden Schiffahrtswege zu sorgen ; was die Eröffnung neuer anbelangt, so überlässt das Gesetz die Initiative den Interessenten (Gemeinden), denen der Staat die Ausführung zu konzessionieren hat. Die Kosten sind durch Staat, Provinzen und Gemeinden im Verhaltinis von 3/& für den Staat und % für die Kommunalverbände zu tragen. Wenn die finanzielle Lage der Provinzen und Gemeinden ihnen nicht gestattet, ihren Anteil aus eigenen Mitteln aufzubringen, können sie Schiffahrtsabgaben erheben. In Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze wurde durch besonderes Gesetz vom 8. April 1915 eine Ausgabe von 9 Millionen beschlossen für den Bau eines Kanals zwischen Venedig und dem Po über Brondolo, und vor kurzem, am 6. März 1917, legte die Regierung dem Parlament einen weitern Gesetzesentwurf vor,

311 der beinahe ohne Diskussion angenommen worden ist. Das Gesetz genehmigt einen Konzessionsvertrag zwischen der Regierung und der Gemeinde Mailand, wodurch sich diese verpflichtet, einen für 600-t-Kähne angelegten Kanal von Mailand über Lodi und Pizzighettone bis zur Mündung der Adda, als Teilstück des Schiffahrtsweges 2. Klasse Mailand-Lodi-Cremona-Po-Lavanella-(Po-) Conca di Brondolo-Chioggia-Venedig zu erstellen. Der Staat übernimmt 3/5 der wirklichen, auf 45 Millionen veranschlagten Kosten, und zur Entlastung der Kommunalverbände wird ohne Rücksicht auf ihre finanzielle Lage die Erhebung von Schiffahrtsabgaben gestattet. Die Regulierung des Pos selbst wird zweifellos nicht mehr lange ausbleiben.

Von der Weiterführung der Schiffahrtsstrasse nach dem Langensee sagt das Gesetz nichts. Der Bericht bemerkt nur, dass man die Verbindung des neuen Kanals mit dem Langensee und Locarno durch einen bessern, d. h. für 600-t-Kähne fahrbaren Schiffahrtsweg voraussehen muss. Wir können auch unserseits die Idee, Locamo und die Schweiz durch einen 533 km langen Schiffahrtsweg mit der Adria zu verbinden, nur warm begrüssen.

Das Verbindungsstück nach dem Langensee würde anfangs auf 50 km Länge dem Naviglio Grande bis Tornavento folgen; weiter hinauf erfolgt die Schiffbarmachung in Verbindung mit der Kraftausnutzung des Tessins. Der tessinische Wasserwirtschaftsverband nimmt sich dieser Bestrebungen mit grossem Interesse an.

Die Verbindung der Schweiz durch die Wasserstrassen mit dem Meer ist die Voraussetzung für die Anlage von Wasserstrassen im Innern des Landes. Eine Reihe solcher Wasserstrassen sind bereits diskutiert und mehr oder weniger einlässlich studiert worden.

Zunächst die Verbindung zwischen dem Rhein und Z ü r i c h .

Es sind zwei verschiedene Lösungen vorgeschlagen worden : die eine würde die Limmat benutzen und bis in den See gelangen; die andere, um die Durchquerung der Stadt Zürich und andere Hindernisse zu vermeiden, würde nicht der Limmat, sondern der kanalisierten Glatt ab Eglisau folgen, vorderhand bis Oerlikon, wo der Umschlag für Zürich stattzufinden hätte. Von Oerlikon aus wäre ein Verbindungskanal von 9 km Länge nach dem Altstetter Limmatbecken vorgesehen. Die schiffbare Verbindung des Altstetter-Beckens mit dem Zürichsee hätte durch einen 9 km langen städtischen Umleitungskanal
über Wiedikon nach dem See bei Wollishofen zu erfolgen. Auf Grund der generellen Studien belaufen sich die Gesamtkosten der 38 km langen Glatt-ZürichseeWasserstrasse auf 45 Millionen Franken.

312 Die Verbindung der Rheinwasserstrasse mit L uz e r o kann bewerkstelligt werden über die Reuss oder über die Lorze und den Zugersee mit einem Verbindungskanal zwischen diesem und dem Vierwaldstättersee. Die Entfernung über Basel-Flüelen auf dem Wasserwege würde Über Luzern 181 km, über den Zugersee und Küssnacht zirka 173 km betragen; die Bahnlinie beträgt 148 km. Die generellen Kosten werden für die Luzernerroute auf 62 Millionen Franken, für die Lorze - Zugerseeroute auf 44 Millionen Franken angegeben. Ausführliche Pläne sind nicht ausgearbeitet worden.

Endlich, um nur die wichtigern zu erwähnen, ist die V e r bindung des Rheines mit den Juraseen und mit der R h o n e Gegenstand lebhafter Bestrebungen. Die Association pour la navigation du Rhône au Rhin hat in verdankenswerter Weise schon eine Reihe von Vorstudien durchgeführt. Von den 286,7 km, welche Chancy von Koblenz trennen, entfallen 96 km auf Seestrecken, 48 km auf bereits schiffbare Flussstrecken, 62,s km aul Etappen und 80,4 auf Kanäle.

Der Kanal von Entreroches, der den Grenfersee mit dem Neuenburgersee verbinden soll, stellt wohl den schwierigsten Teil des Werkes dar. Das von der Association ernannte Syndicat pour l'étude de la navigation du Rhône au Rhin schätzt die Ausgabe für die Anlage einer Wasserstrasse, die 600-t-Kahne aufnehmen könnte, auf 98,« Millionen Franken ; den Verkehr schätzt sie, nach einer von ihr vorgenommenen Untersuchung, für das erste Jahr auf 655,000 t, für den entwickelten Verkehr 10 Jahre später auf 1,873,000 t ; wenn dieser Verkehr mit einer Abgabe von 0,7 Rappen per t-km belastet würde, so würde er jährlich Fr. 621,975, bzw. 1,777,480 abwerfen.

Die Verbindung sowohl mit der Nordsee, wie mit dem Mittelmeer hätte zweifellos für die Schweiz unschätzbare Vorteile, und diese Vorteile würden noch vermehrt durch eine Rhein und Rhone verbindende leistungsfähige Wasserstrasse ; jede Verbilligung der Zufuhr unserer Rohstoffe und Lebensmittel ist von unmittelbarem Nutzen für das ganze Land im Frieden; jeder neue Verkehrsweg erleichtert die Versorgung des Landes in Kriegszeiten. Allein so vielversprechend diese Pläne sind, SO sehr bedürfen sie noch der Nachprüfung, sowohl in technischer wie in wirtschaftlicher Beziehung. Ein so grosses Werk darf nicht begoonen werden, bevor man über die technische, finanzielle und wirtschaftliche Tragweite hinreichend orientiert ist.

31S

Mit den im vorstehenden erwähnten internationalen und nationalen Plänen wollen wir daher nicht ein festes Arbeitsprogramm unserer Wasserwirtschaft umschrieben haben, sondern nur die Wichtigkeit der Aufgaben andeuten, die der Lösung harren. Wie sie gelöst werden sollen, darüber möchten wir uns heute noch nicht aussprechen. Sie stellen eine Reihe interessanter Probleme dar, nicht nur in technischer, sondern auch in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht, die für uns zum Teil ganz neu sind. Wir werden sie mit aller Sorgfalt prüfen, vor allem darauf bedacht, die Volkswohlfahrt des ganzen Landes, der Zukunft wie der Gegenwart, zu fördern. Selbstverständlich inuss mau aber auch auf die finanzielle Lage des Staates Rücksicht nehmen: auch für ein hervorragend gemeinnütziges Werk kann der Staat nur diejenigen Opfer bringen, die im Verhältnis zu seinen Mitteln stehen.

II.

Wir haben bis jetzt gegenüber den Schiffahrtsbeetrebungen eine wohlwollende, aber abwartende Haltung eingenommen. Der Buud konnte sich nicht verpflichten, für bestimmte Schiffahrtspläne einzustehen, weil, wie schon bemerkt, die Vorstudien dafür noch nicht weit genug gediehen waren ; er wollte aber immerhin dazu beitragen, diese Studien zu fördern und der zukünftigen Entwicklung der Schiffahrt die Bahn freizuhalten. Deshalb unterstützte er in mehrfacher Weise die von Behörden und Vereinen vorgenommenen Untersuchungen, und deshalb leistete er auch an die Schiffahrtsschleusen der Kraftwerke am Rhein namhafte Beiträge ; für den erstgenannten Zweck hat er bis jetzt rund Fr. 65,000, für den /weiten rund Fr. 100,000 ausgegeben.

Wenn wir Ihnen heute beantragen, dem Bunde durch eine ausdrückliche Verfassungsbestimmung die Kompetenz zur Regelung der Schiffahrt zu übertragen, so geschieht es, um gerüstet zu sein, wenn die Frage vom Stadium der Untersuchung in das der Ausführung übertreten wird ; wann das geschehen wird, lässt sich in der gegenwärtigen Kriegszeit nicht voraussagen; die Gelegenheit lässt vielleicht noch lange auf sich warten, sie kann aber auch unerwartet schnell kommen.

Das wird man wohl nicht bestreiten, dass niemand anders als der Bund die Grosschiffahrt auf schweizerischem Gebiete ins Leben rufen und gesetzgeberisch ordnen kann. Musate doch schon jetzt der Band in der Regel eingreifen, wenn es galt, die lokale Schiffahrt auf interkantonalen Gewässern unter eine einBundesblatt. 69, Jahrg. Bd. IV.

23

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heitliche Ordnung zu stellen ; wenn es sich nun um dio durchgehende, auf den Massenverkehr eingerichtete Schiffahrt handelt, ist die Einheit der Anlage und der technischen und administrativen Normen des Betriebes noch viel dringender geboten. Schon der Einheit dieser grossen Verkehrsanlage wegen musa die Kompetenz von vornherein in die Hand einer einzigen Behörde gelegt werden ; den Kantonen das entscheidende Wort zu überlassen, hätte keinen Sinn, weil sie die Aufgabe nicht einzeln durchführen könnton, sondern nur durch Verständigung auf einen gemeinsamen, einheitlichen Plan ; die Zersplitterung der Kompetenz wäre also nur ein mühseliger Umweg, um wieder zur Einheitlichkeit zu gelangen. Es wäre aber auch aus andern Gründen nicht richtig, die Schiffahrt als kantonale Angelegenheit zu behandeln. Täte man es, so hatten allein die Kantone, auf deren Gebiet die Schiffahrtswege angelegt werden, zu entscheiden, während doch offenbar die Verbindung der Schweiz mit dem offenen Meere eine nationale Angelegenheit ist, eine Angelegenheit, die nicht nur diejenigen Kantone angeht, deren Gebiet der Schiffahrtsweg zufällig berührt, sondern alle Kantone, das ganze Land, wie auch billig das ganze Land zur Aufbringung der Mittel beitragen soll und schon beigetragen hat. Der Bund ist es ja ohnehin, der mit den Nachbarstaaten über den Anschluss an ihre Wasserwege wird verhandeln müssen ; er kann es nicht tun, ohne dadurch tatsächlich die Anlage des Werkes im Innern zu präjudizieren. Er hat auch schon auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft eine Reihe von Kompetenzen, die in enger Berührung mit der Schiffahrt stehen, wie die Oberaufsicht über die Fischerei, den Uferschutz und namentlich die Kraftausnutzung (Bundesgesetz vom 22, Dezember 1916); den Entscheidungen, die er kraft .dieser Kompetenzen zu treffen hat, muss er notwendig schon eine bestimmte Auffassung über das zu verwirklichende Schiffahrtsprogramm zugrunde legen. Und endlich würden wir es für einen Fehler ansehen, wenn der Bund, der das andere grosse Verkehrsmittel beherrscht, die Verwaltung der Wasserstrassen in fremde Hände legte; Eisenbahn- und Wasserstrasse müssen beide nach einheitlichen verkehrspolitischen G-esichtspunkten betrieben werden, wenn sie nicht einander hemmen und schaden, statt, wie es richtig ist, einander unterstützen und indirekt fördern
sollen. Wir meinen damit keineswegs, dass die Schiffahrt den Interessen der S. B. B. untergeordnet werden soll; die Eisenbahnen sollen so wenig wie die Schiffahrt Selbstzweck oder Mittel bloss fiskalischer Zwecke sein; sie müssen vor allem als Träger wichtiger volkswirtschaftlicher Funktionen betrachtet wer-

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den. Damit aber beide ihre volkswirtschaftlichen Funktionen richtig erfüllen, müssen sie nach einheitlichem Plane angelegt und betrieben werden, und das erreicht man am besten dadurch, dass man beide dem Bunde unterstellt.

Dem Bund also muss die Entscheidung zustehen ; aber selbstverständlich wird er hier, wie auf dem ganzen Gebiet der Wasserwirtschaft, Fühlung mit den Kantonen behalten und ihren Interessen so weit wie möglich Rechnung tragen. In wie manchen Fragen der Bund mit den Kantonen wird zusammenarbeiten müssen, ergibt sich, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Aufgaben dem Bunde durch die Einführung der Schiffahrt zuwachsen werden.

Diese Aufgaben lassen sich in folgender Weise gruppieren : 1. Bau der W a s s e r s t r a s s e n . Der Bund wird zunächst, ·wie es schon im eidg, Wasserrechtsgesetz, Art, 24, vorgesehen ist, bestimmen müssen, welche Schiffahrtswege anzulegen sind ; sodann wie sie anzulegen sind, als selbständiger Kanal oder durch Benutzung natürlicher Wasserläufe, vielleicht in Verbindung mit Kraflausnutzung und Abflussregulierung, Des weitern sind die bei der Schiffahrt nötigen Hülfsanstalten vorzusehen und in Verbindung mit Kantonen und Gemeinden zu schaffen : Ladeplätze, Liege-, Sicherheits- und Umschlagshäfen ; Bezeichnung der Fahrrinne u. a. m. Bndlich gilt es für die Unterhaltung der geschaffenen Wasserwege zu sorgen.

2. B e n u t z u n g der W a s s e r s t r a s s e n . Es wird zu bestimmen sein, welche Fahrzeuge, nach Ausmessungen, Wassertüchtigkeit und Fortbewegungsart zugelassen werden können, wie diese Bedingungen zu kontrollieren sind, wie die Schiffe zu besetzen und gegebenenfalls mit Lotsen zu versehen sind; sodann wird die Fahrordnung und die Schleppordnung, sowie die polizeiliche Aufsicht darüber festzusetzen sein.

3. R e c h t s v e r h ä l t n i s s e des S c h i f f a h r t s g e w e r b e s .

Das Recht am Schiff, die Formen der Veräusserung und der Verpfandung, das Verhältnis zwischen Schiffer und Besatzung in privatrechtlioher und öffentlich-rechtlicher Beziehung, das Verhältnis zwischen Schiffer und Verfrachter, und das zwischen Schiffer und Dritten fin bezug auf Schadenshaftung), endlich der Schleppvertrag, bedürfen einer selbständigen Regelung ; nicht alles übrigens mit derselben Dringlichkeit, Wir sprechen nicht besonders von der Befugnis, Gebühren und Abgaben zu erheben, die uns mit der Regelung der Benutzung der Wasserstrassen gegeben zu sein scheint, wie auch die Kan-

316 tone oder Gemeinden für die Benutzung ihrer Häfen, Lagerplätze oder anderer Einrichtungen werden Gebühren erheben können.

Und wir erwähnen nur im Vorbeigehen, dass, wenn die schweizerische Schiffahrt, wie wir es hoffen, zu stetiger Entwicklung kommen soll, dem Staat noch oine Reihe von Aufgaben der Verwaltungspflege zufallen, wie die Ausbildung von schweizerischen Schiffern und Schiffetechnikern, die Gründung einer schweizerischen Handelsflotte, die soziale Fürsorge ftlr das Schiffspersonal und seine Familien.

Der Bund besitzt nun schon heute eine Reihe von Kompetenzen, die vielleicht ausreichen würden zur Lösung der soeben skizzierten gesetzgeberischen Aufgaben. Die Staatsverträge, die zur Regelung des internationalen Verhältnisses nötig sind, kann der Bund zweifellos ohne Verfassungsrevision abschliessen, und ebenso hat er das Recht die zur Ausführung der Staatsverträgo erforderlichen internen Bestimmungen zu treffen, auch da, wo diese auf kantonales Rechtsgebiet sich erstrecken. Auf Grund des Art. 23 B.-V. kann der Bund im Innern der Schweiz Schiffahrtsstraesen anlegen, wie er ja bereits durch die oben erwähnten Bundesbeschlüsse vom 11. Juni 1896, 2l. Juni 1907 und 15.

April 1910 anerkannt hat, dass der Bau von Schiffahrtskanälen und die Schiff bar machung natürlicher Gewässer zu den öffentlichen Werken zählen, die im Interesse der Eidgenossenschaft oder eines grossen Teiles derselben liegen können, und wie namentlich die Linthkorrektion zeigt, die auch z. T. der Schiffahrt dienen sollte und gedieut hat. Auf Grund der Art. 15, 16, 24 bis 27 des eidgenössischen Wasserrechtsgesetzes kann er nun die der Schiffahrt zu eröffnenden Gewässerstrecken bezeichnen ; er kann im Interesse der Schiffahrt künstliche Sammelbecken schaffen oder, wie er es schon mehrmals auf Grund des Art. 23 der B.-V. getan hat, den Wasserstand und den Abfluss der Seen regulieren, und er kann die Interessen der Schiffahrt ' bei der Anlage von Kraftwerken oder andern Bauten wahren. Die regelmässige und periodische Beförderung von Personen, sowie die Beförderung von verschlossenen Gegenständen bis 5 kg fallen unter das Postregal und sind nach Art. 4 und 8 des Postgesetzes konzessionspflichtig. Alle privatrechtlichen Vorschriften endlich kann der Bund kraft Art. 64, die gewerbepolizeilichen kraft Art. 34llär und die für
beide notwendigen strafrechtlichen Sanktionen kraft Art. 64b'B der gegenwärtigen Verfassung aufstellen.

Die Auffassung liesse sich also vertreten, dass man ohne Verfassungsrevision auskäme. Allein wir fürchten, dass, wenn man dem Bunde nicht durch eine ausdrückliche umfassende Verfas-

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aungsbestimniung die zur Regelung der Schiffahrt nötigen Kompetenzen zuerkennt, seine Zuständigkeit in einzelnen Punkten bezweifelt werden könnte; z. B. eeine Befugnis, die Schiffahrt nicht nur auf den schiffbar gemachten, sondern auch auf deu schon 'natürlich schiffbaren Strecken, wie den Seen, gesetzgeberisch zu regeln, oder seine Befugnis, Schiffahrtsabgaben zu erheben, oder endlich die Befugnis, auf gewissen Strecken das Schloppmonopol einzuführen. Obschon wir diese Zweifel nicht teilen, möchten wir es doch vermeiden, dass im Laufe der gesetzgeberischen Arbeiten die Kompetenzfrage stets aufgeworfen werden könne und so den gedeihlichen Fortgang der Beratungen und die sachgemässe Erledigung störe ; der Bund sollte, wenn er an die Arbeit geht, die unbestrittene und uneingeschränkte Kompetenz der Gesetzgebung haben. Eine zentrale und unmissverständliche Bestimmung schafft hierfür eine bessere Rechtsgrundlage als die zerstreuten, schon geltenden Bestimmungen, deren keine den ganzen Gegenstand umfasst. Dieser Gegenstand, wie er sich uns heute darstellt, hat eine solche Wichtigkeit erlangt, dass er in einer besondern Verfassungsbestimmung vorgesehen werden sollte. Wir begrüssen auch den Anlass, Volk und Standen Gelegenheit zu geben, sich darüber auszusprechen, ob der Bund eine so weittragende Aufgabe übernehmen soll, wie es die Anlage eines schweizerischen Wasserstrasaennetzes ist; es ist uns von Wert, schon zu Beginn zu wissen, dass Bundesversammlung und Schweizervolk unsere Bestrebungen für die Förderung der Schiffahrt unterstützen werden. Aus diesen Gründen legen wir Ihnen den nachstehenden Entwurf eines Art, 24"" der B.-V. vor.

Wir werden selbstverständlich unsere vorbereitenden Studien nicht einstellen und die mit den Nachbarstaaten zu pflegenden Verhandlungen nicht hinausschieben, bis dieser Verfassungsartikel angenommen ist; wir möchten Sie aber nichtsdestoweniger ersuchen, die Behandlung unseres Antrages nicht zu verzögern, damit die grundsätzliche Frage, die er stellt, möglichst bald klargestellt sei.

Wir schlagen Ihnen vor, als Art. 241er, also in Fortsetzung der beiden Artikel, die von der Wasserbaupolizei und von der Ausnutzung der Wasserkräfte handeln, folgende Bestimmung aufzunehmen : ,,Die Gesetzgebung Ober die Schiffahrt ist Bundessache".

Die Fassung lehnt sich an an die des Art. 26 : ,,Die Gesetzgebung über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen ist Bundessache". Wir sprechen von der ,,Schiffahrt" in der Meinung,

318 dass darunter nicht nur die Tätigkeit des Schiffahrtsgewerbes zu verstehen ist, sondern die ganze Verkehrseinrichtung, sowohl die Ermöglichung der Schiffahrt durch Anlegung von Schiffahrtswegen wie die Ausübung der Schiffahrt selbst und ihre Förderung; alle einschlägigen Fragen jeder Art unterliegen der Bun-' deskompetenz.

Wenn der Bundesrat heute den Antrag stellt, dem Bunde eine unbeschränkte Zuständigkeit zur Gesetzgebung über die Schiffahrt zu geben, so geschieht dies mit Rücksicht auf dio Binnenschiffahrt, die in beschränktem Umfang jetzt schon besteht und deren Entwicklung in einer nicht fernen Zukunft zu gewärtigen ist. Wir glauben aber, dass die Zuständigkeit des Bundes sich nicht allein auf die Binnenschiffahrt erstrecken sollte. Vielmehr ist die Aufnahme eines Art. 24ter in die Bundesverfassung der Anlass, um festzustellen, dass die Schweiz als souveräner Staat auch Anspruch auf die Benutzung des Meeres hat und dass, wenn die Interessen der schweizerischen Volkswirtschaft sie je dazu führen sollte, dieses Recht auszuüben, dem Bund die volle Kompetenz zustünde über diesen Gegenstand zu legiferieren.

Die Frage einer Schiffahrt, zur See unter Schweizerflagge hat die eidg. Behörden schon häutig beschäftigt. In seiner Botschaft vom 25. November 1864 hatte der Bundesrat sich für die Einführung der schweizerischen Flagge ausgesprochen, und die Bundesversammlung hatte sich grundsätzlich dieser Auffassung durch ihren Beschluss vom 17. Dezember 1864 angeschlossen.

Die Ausführung unterblieb allerdings, weil die. in Betracht kommenden wirtschaftlichen Interessen die Überwindung der mannigfachen Schwierigkeiten politischer Natur, insbesondere die Schaffung einer umfangreichen Gesetzgebung nicht zu rechtfertigen schienen.

Die Verhaltnisse sind heute indessen andere geworden, und es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die Frage der maritimen Schiffahrt unter schweizerischer Flagge ernstlich in Erwägung gezogen werden dürfte. Für ein Land, das einen so bedeutenden Aussenhandel hat und grosse Mengen unentbehrlicher Lebensmittel über See bezieht, ist die Sicherung des notigen (heute und voraussichtlich noch lange Zeit beschränkten} Frachtraums eine Angelegenheit von ausserordentlicher Wichtigkeit. Auch abgesehen von den durch den Krieg geschaffenen Schwierigkeiten der Meerscbiffahrt wird letztere durch die Binnenschiffahrt für die Schweiz eine erhöhte Bedeutung erhalten, da die Erschliessung der Binnenwasserstraasen die Schweiz mit den Meerhâfen in Ver-

319 bindung bringen und Schweizer Schiffe wenigstens bis ans Meer führen soll. Auch würde die n otw endiger weise zu schaffende Schiffahrtsgesetzgebung in erheblichem Umfange gleichzeitig den Interessen der Binnen- wie der Meerschiffahrt dienen können.

Dass gegebenenfalls die Ordnung der Meerschiffahrt, welche sieh nach der Natur der Sache ganz ausserhalb unseres Gebietes vollziehen würde, ausschliesslich vom Bund und nicht von den Kantonen geschaffen werden müsste, darf als unbestreitbar gelten.

Wir sprechen im oben vorgeschlagenen Verfassungsartikel von der ,,Gesetzgebung" in der Meinung, dass es dem Bunde zustehen soll, alle Anordnungen zu treffen, die der Einführung oder Pflege der Schiffahrt dienen, auch solche, die nicht eigentlich einen gesetzgeberischen, d. h. allgemeinverbindlichen Inhalt haben, z. B. Beschlüsse über die Anlage von Schiffahrtestrassen, ja diese in erster.-Linie, mögen diese Beschlüsse nun in Form eines Gesetzes oder bloss eines Bundesbeschlusses gefasst werden.

Wir möchten uns mit einer reinen Kompetenzbestimmung begnügen, dem Bunde also nur die Kompetenz zusprechen, diese Materie zu ordnen, ohne der Ordnung selbst durch materielle Vorschriften vorzugreifen. Wenn irgendwo, so rechtfertigt es sich hier, wo alles noch neu und in der Entwicklung begriffen ist, die Fragen nicht lösen zu wollen, bevor man sie in konkreter Gestalt vor sich hat. Es sind in technischer, finanzieller und administrativer Beziehung verschiedene Lösungen der Schiffahrtsfrage denkbar, auch verschiedene nebeneinander für die verschiedenen Teile des Netzes; man sollte keine dieser Lösungen zum voraus ausschliessen. Die Kompetenz des eidgenössischen Gesetzgebers soll eine unbeschränkte sein.

Wir empfehlen Ihnen die Annahme unseres Antrages.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 20. Oktober 1917.

Im Namen des Schweiz, Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schulthess.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schatzmann.

320 (Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend ter

die Aufnahme eines Art, 24" in die Bundesverfassung (Schiffahrt).

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 20. Oktober 1917, beschliesst: I Die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 erhalt folgenden Zusatz : Art. 24ter.

Die Gesetzgebung Über die Schiffahrt ist Bundessache.

II. Dieser Zusatz wird dem Volke und den Ständen zur Abstimmung unterbreitet.

III. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung des Beschlusses beauftragt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Revision der Bundesverfassung (Gesetzgebung über die Schiffahrt). (Vom 20. Oktober 1917.)

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1917

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4

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44

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809

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24.10.1917

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296-320

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