28

# S T #

Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde von Notar Dr. P. Ronus namens der Eheleute Sturzenegger-Gysin in Basel, betreffend Verweigerung der Eintragung eines Nachrückungsrechtes im Grundbuch.

(Vom 5. September 1917.)

Der schweizerische Bundesrat

hat über die Beschwerde von Notar Dr. P. Ronus namens der Eheleute Sturzenegger-Gysin in Basel wegen der Verweigerung der Eintragung eines Nachrückungsrechtes im Grundbuch, auf den Bericht seines Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluss gefasst: T

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Die Liegenschaft der Eheleute Sturzenegger-Gysin, Sektion VIL, Parzelle 28, Webergasse 15, Grundbuch Basel, ist mit folgenden Pfandrechten belastet: im I. Ratig Fr. 55,800.-- im II. ,, ,, 9,500. -- (Kredit) ohne Recht des Nachrückens, im III. ,, ,, 2,250.-- mit Vormerkung des Nachrückens, im IV. ,, 6,000.-- (Kredit), mit Vormerkung des Nach,, rückens.

Durch notarielle Erklärung vom 23. April 1917 räumten die Ehegatten Sturzenegger-Gysin auch dem Gläubiger des vorgenannten Grundpfandrechtes im zweiten Rang das Nachrückungsrecht ein und beauftragten Dr. P. Konus als Urkundsperson mit

29 der Anmeldung dieses Nachriiekungsrechtes zürn Zwecke der Vormerkung im Grundbuch von Basel.

Der Grundbuchverwalter lehnte mit Verfügung vom 1. Mai 1917 die Vormerkung dieses Nachrückungsrechtes im Grundbuch ab, weil die Zustimmung der Gläubiger der bereits nachrückungsberechtigten Pfandrechte dritten und vierten Ranges fehle.

Gegen diese Verfügung führte Notar Dr. Konus zuerst bei der Justizkommission und hierauf beim Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt Beschwerde, wurde aber von beiden Instanzen, zuletzt mit Entscheid vom 30. Juni 1917, abgewiesen. Justizkommission und Regierungsrat von Basel-Stadt stützten sich bei ihren Entscheidungen in der Hauptsache auf folgende Erwägungen : In dem Recht auf Nachrücken sei, entgegen der Auffassung des beschwerdeführenden Notars, ohne weiteres auch das Recht enthalten, gegebenenfalls eine im Range vorgehende feste Pfandstelle zu überspringen. Die nachrückungsberechtigten Pfandgläubiger im dritten und vierten Rang hätten somit bisher auch Anspruch darauf gehabt, bei Löschung des Pfandrechtes im ersten Rang in die dadurch entstehende Lücke einzurücken und das Pfandrecht im zweiten Rang zu überspringen. Sobald jedoch auch zugunsten des Pfandgläubigers im zweiten Rang ein Nachrückungsrecht im Grundbuch vorgemerkt werde, sei die Verwirklichung jenes Anspruches für die Pfandgläubiger im dritten und vierten Rang nicht mehr möglich. Hieraus ergebe sich ohne weiteres, dass ein Nachrückungsrecht zugunsten des Pfandgläubigers im zweiten Rang nur mit ausdrücklicher Zustimmung der bereits nachrückungsberechtigten Pfandgläubiger dritten und vierten Ranges im Grundbuch vorgemerkt werden könne. Der Grundbuchverwalter von Basel habe daher mit Recht die Eintragung der gewünschten Vormerkung im Grundbuch verweigert.

II.

Mit Eingabe vom 9. Juli 1917 führt Notar Dr. P. Ronus namens der Ehegatten Sturzenegger-Gysin über den Entscheid des Regierungsrates von Basel-Stadt vom 30. Juni 1917 beim Bundesrat Beschwerde und verlangt Aufhebung dieses Entscheides, verbunden mit der Anordnung der grundbuchlichen Vormerkung des neubegründeten Nachrückungsrechtes zugunsten des Pfandgläubigers im zweiten Rang.

Zur Begründung seines Begehrens wiederholt der Beschwerdeführer vor allem die schon vor den untern Instanzen angebrachte Behauptung, dass unter dem Nachrückungsrecht des Artikels 814,

30 Absatz 3, ZGB, nur die Befugnis zu verstehen sei, bei Löschung des unmittelbar im Range vorgehenden Pfandrechtes in die entstehende freie Pfandstelle einzurücken. Die Grundbuchbehörden von Basel-Stadt hätten zu Unrecht das Nachrückungsrecht in dem weiten Sinne ausgelegt, dass der berechtigte Pfandgläubiger damit in eine beliebige vorgehende Pfandstelle einrücken und gegebenenfalls vorgehende Pfandrechte überspringen könne. Diese Annahme widerspreche zweifellos den Absichten des Gesetzgebers und stelle einen allzu starken Eingriff in das gesetzliche System der festen Pfandstelle dar. Auch aus praktischen Gründen erscheine diese Auslegung nicht als empfehlenswert, da deren Durchführung unter Umständen eine Verteilung eines Pfandrechtes auf mehrere Pfandstellen mit verschiedenem Range zur Folge habe.

"Wenn man dagegen, in Übereinstimmung mit der Entstehungsgeschichte des ZGB, die Nachrückungsklausel in dem engern Sinne auffasse, dass damit nur das Recht zum Nachrücken in die unmittelbar im Range vorgehende Pfandstelle eingeräumt werde, so seien im vorliegenden Fall die Zustimmungserklärungen der Pfandgläubiger dritten und vierten Ranges überflüssig. Diese Pfaudgläubiger hätten ja selbst alles Interesse daran, dass auch dem Pfandgläubiger im zweiten Rang das Nachrückungsrecht bewilligt werde ; denn nur unter dieser Voraussetzung könnten bei einer Löschung des Pfandrechtes im ersten Rang auch die Pfandrechte im dritten und vierten Rang ihre Stellung verbessern und sich in die freiwerdende Pfandstelle im zweiten Rang einsohieben.

Die Nachrückungsklausel, deren Vormerkung im Grundbuch der Rekurrent zugunsten des Pfandgläubigors im zweiten Rang verlangt habe, sei somit auch für die Pfandgläubiger im dritten und vierten Rang nur von Vorteil, weshalb deren ausdrückliche Zustimmung zu dieser Vormerkung vom Grundbuchamt Basel zu Unrecht gefordert worden sei.

Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt beantragt in seiner Vernehmlassung vom 21. Juli 1917 Abweisung der Beschwerde, unter Verweisung auf die im angefochtenen Entscheid enthaltene Begründung.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

i.

Bei der Beurteilung der vorliegenden Beschwerde sind vor allem Inhalt und rechtliche Bedeutung des sogenannten Nach-

31

rückungsreehtes zu untersuchen; denn wenn diesem Recht auf Nachrücken im Sinne von Art. 814, Abs. 3, ZGB, wirklich nur die beschränkte Wirkung des Eintretens in den Rang einer unmittelbar vorangehenden Pfandstelle zukommt, wie der Beschwerdeführer darautun versucht, so erscheint die Beschwerde ohne weiteres als begründet.

Nun fehlt aber im Z&B jeder Anhaltspunkt dafür, dass die Wirkung der Nachrückungsklausel stets auf den Fall der Löschung des unmittelbar vorgehenden Pfandrechtes beschränkt und ein Überspringen,vorgehender Pfandrechte ausgeschlossen sein soll.

Im Gegenteil weiat Art. 30, Schi. T., ZGB deutlich darauf hin, dass die Parteien in der Gestaltung des Inhaltes ihrer Nachrückungsvereinbarung volle Freiheit besitzen und insbesondere auch ein Überspringen vorgehender fester Pfandstellen verabreden können. Jener Art. 30 des Schlusstitels spricht ausdrücklich von dem ,,Recht des Gläubigers auf Ein- oder Nachrücken". So ist denn auch in der schweizerischen Rechtswissenschaft bisher übereinstimmend angenommen worden, dass das Nachrückungsrecht inhaltlich sehr wohl mit der Wirkung des Überspringens vorgehender Pfandstellen ausgestattet sein kann (vgl. Ostertag, Kommentar zu Art. 959, Randnote 47, Guhl, Monatsschrift für bern. Verwaltungsrecht, Band X, Seite 304, Leemann, Kommentar zu Art. 814, Randnoten 42--45).

Unter diesen Umständen verdient die Auslegung, die dem Nachrückungsrecht von den Grundbuohbehörden des Kantons Basel-Stadt in den angefochtenen Entscheidungen gegeben wird, ohne Zweifel den Vorzug vor derjenigen des Beschwerdeführers, Daran vermag auch der vom Rekurrenten betonte Umstand nichts zu ändern, dass der Vollzug eines Nauhrüekungsvorbehaltos mit Überspringen einer vorgehenden festen Pfandstelle die Teilung des Pfandrechtes zur Folge haben kann. Wenn in solchen Fällen, wo ein Pfandrecht zum Beispiel zum Teil in den ersten und zum Teil in den dritten Rang gelangt, die Übersichtlichkeit der Pfandrechtsverhältnisse leiden sollte, mögen die Beteiligten durch neue Vereinbarungen die wünschenswerte Klarheit im Pfandrechtsrang herbeiführen. Dies wird im einzelnen Falle um so leichter möglich sein, als ja ein Vollzug der Nachrückungsrechte von Amtes wegen, ohne jede Mitwirkung der Beteiligten, von den Organen der Gruudbuchführung nicht vorgenommen zu werden braucht. Die in der Beschwerde enthaltenen Erwägungen rechtfertigen es somit nicht, dass sie gutgeheissen wird.

32 TI.

Im weitern ist nun aber noch die Frage zu prüfen, ob die Vormerkung des Nachrück imgsrechtes zugunsten des Pfandgläubigors im zweiten Rang nicht aus andern Gründen ohne die vom Grundbuchamt Basel-Stadt geforderte Zustimmung der Pfandglaubiger dritten und vierten Ranges geschehen könnte.

Das Grundbuehamt und die Aufsichtsbehörden von Basel haben bei ihren Verfügungen und Entscheidungen in der Beschwerdeangelegenheit als selbstverständlich vorausgesetzt, dass das Nachrückungsrecht zugunsten des Pfandgläubigejß im zweiten Rang, dessen Vormerkung im Grundbuch vom Beschwerdeführer verlangt wird, bei einer Löschung des Pfandrechtes im ersten Rang vor den im Grundbuch bereits vorgemerkten Nachrückungsklauseln zugunsten der Pfandgläubiger im dritten und vierten Rang vollzogen werden müsse und somit die Rechtsstellung dieser Pfandgläubiger dritten und vierten Ranges gegenüber dem bisherigen Zustand verschlechtere.

Nach der Annahme der Behörden von Basel wurden bei Eintritt eines Nachrückungsfalles die nachgehenden Pfandrechte von Gesetzes wegen in der ihrem bisherigen Range entsprechenden Reihenfolge nachrücken, selbst wenn die Nachrückungsrechte zeitlich in ganz anderer Reihenfolge --- z. B. wie irn Beschwerdefall zuerst zugunsten der Pfandgläubiger dritten und vierten Ranges, erst später zugunsten des Pfandgläubigers zweiten Ranges -- im Grundbuch vorgemerkt wurden (ebenso Guhl, Schweiz. Juristenzeitung, Band XI, Seite 36). Diese Ansicht wird damit begründet, dass die Nachrückungsrechte, trotz ihrer Vormerkung im Grundbuch, p e r s ö n l i c h e Ansprüche bleiben, die unter sich nicht in ein Raugverhältnis treten, wie es zwischen dinglichen Rechten nach Art. 972 ZGB, sowie zwischen dinglichen und vorgemerkten persönlichen Rechten nach ZGB Art. 959, Abs. 2, besteht. Ist diese Auffassung zutreffend, so wäre im Beschwordefall in der Tat die Zustimmung der Pfandgläubiger dritten und vierten Ranges zur Vormerkung des Nachrückungsrechtos zugunsten des Pfandgläubigers zweiten Ranges nötig.

Nach einer andern Ansicht konkurrieren dagegen die im Grundbuch vorgemerkten Nachrückungsrechte unter sich nach dem Zeitpunkt der Vormerkung in der Weise, dass zum Beispiel ,,das zugunsten des Pfandrechtes im dritten Rang vorgemerkte Nachrückungsrecht gegenüber dem später zugunsten des Pfandrechtes im zweiten Rang vorgemerkten den Vorrang hat a (Loemann, Kommentar zu Art. 814, Randnote 58). Auf Grund dieser

33

Theorie würden im Besohwerdefall bei gänzlicher oder teilweiser Löschung des Pfandrechtes im ersten Rang zuerst die Pfandgläubiger im dritten und vierten Bang in die freigewordene Pfandstello ersten Ranges nachrücken, da ihre Nachrückungsrechte vor demjenigen zugunsten des Pfandgläubigers zweiten Ranges im Grundbuch vorgemerkt wurden ; der Pfandgläubiger im zweiten Rang hätte einen Anspruch auf Nachrücken nur unter Wahrung der bessern Rechte der Pfandrechte dritten und vierten Ranges.

Gibt man dieser Auffassung den Vorzug, so ist ohne weiteres klar, dass die vom Beschwerdeführer verlangte Vormerkung im Grundbuch ohne die Zustimmung der Pfandgläubiger dritten und vierten Ranges geschehen kann.

Diese Streitfrage über die Wirkung der Vormerkung mehrerer Nachrttckungsrechte im Grundbuch kann aber nur von den Gerichten entschieden -werden. Es ist weder Sache der Grundbuchämter noch der Aufsichtsbehörden über die Grundbuchführung, die materielle Rechtswirkung der grundbuchlichen Eintragungen und Vormerkungen festzustellen. Dagegen müssen die administrativen Grundbuchbehörden bei der Ordnung des Verfahrens in Grundbuchsachen wenigstens damit rechnen, dass eine verschiedene Auslegung hinsichtlich der Wirkung vorgemerkter Nachrückungsrechte seitens der Gerichte möglich ist. Sie haben daher bei ihren Verfügungen und Entscheidungen in vorsichtiger Abwägung der Interessen diejenige Losung /u wählen, die für alle Beteiligten die grösste Rechtssicherheit bietet.

Diese Überlegung führt zur Bestätigung des angefochtenen Entscheides. Es liegt nicht nur im Interesse der Grundpfandgläubiger dritten und vierten Ranges, sondern auch im Interesse der Eigentümer der verpfändeten Liegenschaft und des Pfandgläubigers zweiten Ranges, dass bei Anlass der Vormerkung eines neuen Nachrüokungsrechtes zugunsten dieses Pfandgläubigers zweiten Ranges die Verhältnisse abgeklärt werden.

Zudem geht aus den Beschwerdeakten selbst hervor, dass die Eheleute Sturzenegger-Gysin dem Pfandgläubiger zweiten Ranges ein Nachrückungsrecht einräumen wollen, das den altern Rechten der Pfandgläubiger dritten und vierten Ranges v o r geht. Dies kann aber unter allen Umständen und ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit in den Auffassungen über die Wirkung des Nachrückungsrechtes nur mit Zustimmung der Pfandgläubiger dritten und vierten Ranges erreicht werden. Bei dieser Sachlage gelangt man zum Schlüsse, dass der Grundbuchver-

34

walter von Basel mit Recht die Anmeldung der gewünschten Vormerkung abgewiesen und die Zustimmung der Pfandgläubiger dritten und vierten Ranges verlangt hat.

Auf Grund dieser Erwägungen wird e r k a n n t : Die Beschwerde wird abgewiesen.

B e r n , den 5. September 1917.

Im Namen des Schweiz. Buudesrates, Der Bundespräsident:

Schulthess.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft :

Schatzmann.

# S T #

Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend die Erneuerungswahlen in den Nationalrat.

(Vom 5. September 1917.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Die dreijährige Amtsdauer des Nationalrates, welche am 7. Dezember 1914 begonnen hatte, geht am 2. Dezember nächsthin zu Ende, und es beginnt die XXIV. Amtsdauer dieser Behörde mit dem 3. Dezember des laufenden Jahres (Art, 32 des Bundesgesetzes über eidgenössische Wahlen und Abstimmungen, vom 19. Juli 1872, Amtl. Samml. Bd. X, S. 915).

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluss über die Beschwerde von Notar Dr. P. Ronus namens der Eheleute Sturzenegger-Gysin in Basel, betreffend Verweigerung der Eintragung eines Nachrückungsrechtes im Grundbuch. (Vom 5. September 1917.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1917

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

37

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

12.09.1917

Date Data Seite

28-34

Page Pagina Ref. No

10 026 480

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.