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Schweizerische Bundesversammlung.

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind am 19. März 1917, nachmittags 3 Uhr, zur Fortsetzung der ordentlichen Wintersession zusammengetreten.

Als neues Mitglied- ist im Nationalrate erschienen: Herr Rudolf Gelpke, Ingenieur, von Tecknau (Baselland), in Basel.

Im Nationalrate eröffnete Herr Präsident Dr. A. Büeler die Session mit folgender Ansprache: Meine Herren Nationalräte!

Als wir vor Weihnachten mit dem Wunsche unsere Tagung schlössen, es möchte das grosse christliche Friedensfest die Kriegführenden zum sehnlich gewünschten Völkerfrieden führen, es möchte der Gottesfriede einziehen in die entzweiten Gemüter, schien wenige Tage nachher dieser Wunsch seiner Erfüllung entgegenzureifen. Friedensangebote erfolgten, der Vertreter eines grossen mächtigen Staates, jenseits des Meeres, bot seine Vermittlerdienste an, unsere Regierung gab ebenfalls den dringenden Friedenswünschen des Schweizervolkes würdigen und schönen Ausdruck, es schien, als wollte nach langen Winterstürmen das Eis auftauen, als wollte es Frühling werden, man hoffte, man glaubt ja so gern, was man wünscht, da fiel ein rauher Reif, und es erhoben sich schwere Stürme. Die Hoffnungen der Friedensund Menschenfreunde wurden grausam enttäuscht und es herrscht bange Sorge, dass derjenige, der zuerst den Ölzweig des Friedens aufnahm und den entzweiten Völkern entgegenhielt, nun selbst die Hand an den Schwertknauf lege.

Alle kriegführenden Staaten rings um uns herum häufen in unerhörter Weise ihre Kampfmittel, versammeln alle Kräfte zum entscheidenden letzten Schlag. Es hat dieser drohende Kriegsorkan auch unsere militärische Leitung zu einem stark erhöhten Truppenaufgebote zum Schutze unserer Grenzmarken veranlasst. · Willig und in bester Haltung hat unsere Armee, der wir hier in dankbarster Anerkennung gedenken, dem an sie ergangenen Appell Folge gegeben und zu den bereits gebrachten schweren Opfern neue gebracht.

Wir hoffen bestimmt und fest, dass der gewaltige Kriegsbrand nicht auf unser altes, festgefügtes Schweizerhaus übergreife,, wir vertrauen hierbei auf Gottes Schutz, auf unsere feierlich garan-

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tierte völkerrechtliche Stellung und Mission, gestützt durch den festen einstimmigen Neutralitätswillen, wir vertrauen auf unsere starke, tüchtige, tapfere Armee, die unbegrenzte alte Vaterlandsliebe des gesamten Schweizervolkes.

Und doch drückt uns eine schwere Sorge.

Die Wucht und Schärfe des Krieges haben sich in letzter Zeit vom Lande auf die Meere verzogen und es fragt sich jeder bange, ob nicht zur Geisel des Krieges sich die des Hungers geselle.

Bedurfte es schon bis anhin aller Umsicht, aller Anstrengungen unserer Landesregierung, die zur Lebenshaltung des Volkes unentbehrlichen Lebensmittel und Materialien, die Rohstoffe zum Betriebe unserer Gewerbe und Industrien erhältlich zu machen und in unser rings von den kriegführenden Staaten eingeschlossenes Land zu bringen, so ist diese Aufgabe unseres Bundesrates durch den gegenwärtigen Seekrieg noch viel schwerer geworden. Sie lastet mit schwerstem Gewicht nicht nur auf den Schultern der staatlichen Organe, sondern des ganzen Volkes, dessen Lebenshaltung nicht nur täglich teurer, sondern auch schwieriger wird.

Jeder einsichtige Schweizerbürger wird bei unserer wirtschaftlichen Einschnürung es darum verstehen, wenn an ihn die Aufforderung ergeht, mit seiner Lebenshaltung Mass zu halten, sich auf das Notwendigste einzuschränken und seinerseits bei der Hebnng und Äufnung der Produktionsmittel des eigenen Landes willig und uneigennützig mitzuwirken.

So wenig Mutlosigkeit und übertriebene Furcht ein lebenskräftiges, starkes und gesundes Volk übermannen dürfen, so wenig ist heute Platz für Leichtfertigkeit und sorgloses Draufloswirtschaften. Mit Jammern und Reklamieren ist es gewiss nicht getan, davon wird niemand satt.

Wir appellieren daher an dieser Stelle an die Einsicht, an den praktischen Sinn, an die Gemeinnützigkeit und den Opferwillen der Behörden und des Volkes unseres gesamten lieben Vateirlandes.

Es erübrigt mir nur noch, eine schmerzliche Pflicht zu erfüllen und an dieser Stelle zweier hervorragender lieber Mitglieder unseres Rates, zweier hochverdienter, wackerer Eidgenossen zu gedenken.

Am 2. Februar verschied in Epesses nach mehrmonatlicher Krankheit Herr Eugen Fonjallaz.

Geboren den 30. Mai 1853 in Epesses, besuchte er die

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Primarschulen seines Heimatortes und erweiterte seine Ausbildung an der Kantonsschule in Lausanne und während zweier Jahre in Bern. Nach Epesses zurückgekehrt, widmete er sich dem Weinbau und stellte bald auch seine Tätigkeit in den Dienst der Öffentlichkeit.

Das Vertrauen seiner Mitbürger berief ihn 1885 in das Amt eines Friedensrichters, 1882 des Grossen Rates und 1908 erfolgte seine Wahl als Mitglied des Staatsrates.

Beide Räte übertrugen Herrn Fonjallaz auch das Präsidium.

Derselbe trat 1884 als Nachfolger des zum Bundesrate gewählten Herrn Louis Ruchonnet in den Nationalrat ein und gehörte seither demselben, mit kurzer Unterbrechung infolge seiner Wahl als Staatsrat, an bis zu dessen Tode, er war also ein Veteran unseres Rates, dabei eine markante, bodenständige Figur, ein tüchtiger, tatkräftiger und energischer Vertreter der rebenbesäeten Waadt.

Die hohen Interessen seines Heimatkantons am Weinbau und seine eigene Tätigkeit führten ihn naturgemäss dazu, für die Interessen dieses Zweiges der Volkswirtschaft mit Wärme einzutreten.

Er tat dies mit bedeutendem Geschick und eiserner Ausdauer und bedeutende Erfolge auf diesem Gebiete krönten seine Anstrengungen. In den landwirtschaftlichen Vereinen des Landes stund er in leitender Stellung.

Allein auch andere Fragen unseres wirtschaftlichen und politischen Lebens beschäftigten ihn lebhaft, und häufig brachte er solche durch eingereichte Motionen in Fluss. Es mag hier auch auf die Initiative Fonjallaz-Hochstrasser hingewiesen werden und in ganz neuerer Zeit auf die Kriegsgewinnsteuer, die er im Vereine mit Herrn Freiburghaus anregte.

Klar, nüchtern und energisch war seine Rede. Im Verkehr mit seinen Kollegen war er stets von einer freundlichen Liebenswürdigkeit mit frohem, oft schalkhaftem Humor.

Aus all seinem Tun und Lassen strahlte stets wie ein erwärmender Sonnenblick sein echter, warmer Patriotismus.

So werden wir Herrn Eugen Fonjallaz stets in bestem, freundschaftlichem Andenken behalten.

Mitten in reichster Tätigkeit entriss uns der Tod ein weiteres vielverdientes Mitglied unseres Rates.

Am 23. Februar verschied an einem Herzschlage unser Kollege Stadtpräsident Robert Billeter in Zürich. Geboren den

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24. September 1857 in Görz, besuchte er in Zürich die Primarund Industrieschule, widmete sich mehrere Jahre dem Bankfache, trat sodaun in die Redaktion der Neuen Zürcher-Zeitung ein.

Im Jahre 1897 wurde derselbe in den Stadtrat gewählt und 1909 als Nachfolger Pestalozzis zum Stadtpräsidenten.

Mit unermüdlicher Tätigkeit und Hingebung, mit grosszügigem Sinne, beseelt von hoher, humanitärer Auffassung, widmete er seine Lebenskraft der gestellten grossen Aufgabe, der Verwaltung und Entwicklung der grossen, schönen Stadt Zürich. Er erwarb sich namentlich grosse Verdienste um die städtische Finanzpolitik und um das Steuerwesen, speziell auch des Kantons, in dessen Rate er ein hochangesehenes und einflussreiches Mitglied war.

Seit dem Jahre 1911 gehörte der Verstorbene auch unserem Rate an. Der Bürgermeister von Zürich hat seine Vaterstadt auch hier ehrenvoll vertreten. Als Mitglied der Geschäftsprüfungskommission,der Kommission für die Nutzbarmachung 'der Wasserkräfte, der Kommission für die eidgenössische Kriegssteuer hat er sein reiches Wissen in vorzüglichster Weise zur Geltung gebracht. Noch die letzte Session wählte ihn der Rat als bewährten Fachmann in die ständige Finanzkommission, in der zu wirken ihm leider nicht mehr vergönnt war.

So zollen nicht nur alle Parteien der Stadt Zürich, sondern aucli wir alle, dem dahingeschiedenen pflichttreuen, wohlwollenden und konzilianten Kollegen den Tribut pietätvollen dankbaren Andenkens.

Ich bitte die Mitglieder des Rates, zu Ehren der lieben dahingeschiedenen Kollegen Fonjallaz und Billeter sich von ihren Sitzen zu erheben.

Obwalden und mit ihm die gesamte Schweiz feiern Mittwoch, den 21. März das Andenken an die vor 500 Jahren erfolgte Geburt des grossen Patrioten und Friedensstifters Nikiaus von Flüe.

Ich werde mir gestatten, am Festtage selber ein kurzes Erinnerungswort an den Rat zu richten.

Im S t ä n d e r a t gedachte Herr Präsident Oberst M e r c i e r ebenfalls der verstorbenen Herren Nationalräte Fonjallaz und Billeter.

Zu Beginn der Sitzung vom 21. März 1917 wurde im Nationalrat ein Schreiben des Standes Obwalden an die Bundesversamm-

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Jung verlesen, das zu gemeinsamem Gedenken an den grossen Friedensstifter Bruder Klaus auffordert.

Hierauf hielt Herr Präsident Dr. Büeler folgende Ansprache: Meine Herren Nationalräte !

Es sind heute 500 Jahre seit der Geburt des sei. Nikiaus von Flüe. Fünf Jahrhunderte sind im Leben der Völker eine gewaltige Zeitperiode. Nur grosse Ereignisse, nur grosse gewaltige Gestalten oder hervorragende Geistesmänner hält nach so vielen Jahrhunderten der Griffel der Geschichte fest. Der Rest vorsinkt in Vergessenheit.

Heute steht das Bild des gottbegnadeten Geistesmannes, des grossen Vaterlandsfreundes, des schlichten, einfachen Landmannes aus dem Sachsler Flüeli hell und klar vor unsern Augen, sein Name ist eingegraben im Gemute jedes unserer Kinder, im Herzen jedes patriotischen Eidgenossen.

Als Sohn des Heinrich und der Hemma Ruobärt aus dem Sachslenberg erfüllte er treu seine Pflichten als Bürger, als Soldat und Familienvater. Einem innern, unwiderstehlichen Drange folgend, verabschiedete er sich von seiner wackern Frau, seinen lieben Kindern, um den Rest seines Lebens in der wilden Tiefe der Ranftschlucht ganz dem Gebete und dem Dienste Gottes zu weihen.

Zahlreich waren die Leute aus allen Ständen, die zu dem in strengster Entsagung lebenden Gottesmann in den Ranft pilgerten, die ihn um Rat, um Gebetshülfe ersuchten, denen er durch tröstendes Wort Balsam goss in das verwundete Herz, vor allem war er ein Mann des Friedens, bestrebt, die Zwietracht der Einzelnen und der Gesamtheit zu heben. Bruder Klaus hat als echter Eidgenosse und Vaterlandsfreund den Blick für das öffentliche Wohl oder sagen wir den politischen Geist nicht abgelegt. In der Einsamkeit seiner stillen Klause, im Verkehre mit Gott, war sein Urteil ein geläutertes, frei von Ehrgeiz und Leidenschaft, auf das allgemeine Wohl allein gerichtet;' darin besteht seine historische Grosse und seine gewaltige Bedeutung für den Bestand und die Entwicklung unseres Vaterlandes.

Für die Bedeutung und den hohen Ruf des schlichten Eremiten, der wohl kümmerlich lesen und schreiben konnte, spricht wohl die Tatsache, dass es ihm gelang, Herzog Sigmund zum ewigen Frieden zwischen Österreich und der Eidgenossenschaft zu bestimmen, dass die Grafen Boromei ihren Kanzler in politischer Mission zu dem Eremiten sandten, dass Regierungen in

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speziellen Missionen Rat und Vermittlung in schwebenden Wirren ·erbaten.

Schon im Jahre 1471 bestraften die Berner eine Beleidigung ^ies Bruders Klaus, des ,,sei. Mannes", als eine Beleidigung der ganzen Eidgenossenschaft. Schon 1474 ward das erste Verbot der Tagsatzung, ,,Mieten und Gaben" d. h. Bestechungsgelder von fremden Fürsten anzunehmen, dem Einfluss des Bruders Klaus .zugeschrieben.

Seine unvergängliche Grosstat ist die Rettung der Eidgenossenschaft aus ihrer grössten Krise auf dem Tage zu Stans am 22. Dezember 1481.

Die Beute Karls des Kühnen brachte die alte Eidgenossenschaft an den Rand des Untergangs. Neid, Zwietracht zwischen -den Städten und Ländern, durch fremdes Geld verderbte Führer -äusseirten sich auf den Tagsatzungen in beschimpfenden Drohungen, alle guten Geister schienen von der Eidgenossenschaft gewichen .zu sein.

Da versöhnte der stille Einsiedler mit seinem von Gott gesegneten Einflüsse die streitenden Brüder und führte sie zu einem glücklichen Frieden.

Solothurn und Freiburg wurden in den Bund der Eidgenossen -aufgenommen, damit zum erstenmal welsches Land als vollberechtigt in die Bundesgenossenschaft aufgenommen, und so konnte Ring an Ring sich schliessen, bis unser heutiges schweizerisches Ideal sieh verwirklichte, dass drei Nationalitäten als freie staatliche Genossen im Schweizerbunde zu einem unzertrennlichen Staate sich vereinigten, welche ausser unsern Grenzen heute sich auf Tod und Leben bekämpfen.

Schlicht, treuherzig und einfach, der damaligen Zeit entsprechend, sagt diesbezüglich der Tagsatzungs - Abschied von Stans vom 22. Dezember 1481 : ,,Des ersten heimbringen die .trüw, müh und arbeit, so dan der fromm man, bruder Klaus in diesen dingen getan hat, Im das trülich zu danken, als jeglicher bott weis witter ze sagen."

Ja auch wir wollen am heutigen Tage dem Bruder Klaus dankbar sein und bleiben für die treue Mühe und Arbeit, mit der er die Zwietracht -unserer Väter gehoben, mit der er das Vaterland gerettet und die glückliche Entwicklung desselben ·eingeleitet hat, und von Generation zu Generation wird es das Schweizervolk weiter sagen und zu dem Seligen im Ranfte aufblicken, wenn Einigkeit und innerer Friede Schaden zu nehmen drohen.

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Die engere Heimat des Bruder Klaus, Obwalden, feiert heute bescheiden und einfach in vorwiegend religiöser Dankfeier das.

Andenken an den fünfhundertsten Geburtstag unseres Landespatrons.

Der Bundesrat, die Spitzen der Armee, die Vertreter der acht alten Orte, die dort weilen, das Geläute aller Glocken des Landen geben dem Feste eine allgemein schweizerische Weihe.

Der Nationalrat vereinigt sich geistig mit Behörden und Volk von Unterwaiden, dem Niklaus von Flüe entsprossen ist und entbietet der Festversammlung, dem wackeren Unterwaldnervolke und seinen Behörden freundeidgenössischen patriotischen Gruss.

Auch im Ständerat wurde das Schreiben von Obwalden verlesen, worauf Herr Präsident Oberst Mercier eine Gedächtnisrede zu Ehren von Nikiaus von Flüe hielt.

An Landammann und Regierungsrat von Obwalden wurde ein gemeinsames Glückwunschtelegramm der beiden gesetzgebenden Räte abgesandt.

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Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 12. März 1917.)

Das auf den 26. dies erlassene Aufgebot der Kavalleriebrigade 2 ist rückgängig gemacht worden.

Es hat nunmehr die Kavalleriebrigade 2 am 10. April 1917, M. 9 Uhr, auf ihren Korpssammelplätzen einzurücken.

(Vom 13. März 1917.)

Herrn Dr. August P i c c a r d , von Lutry (Waadt), in Zürich, wird in Anerkennung seiner der Eidgenössischen Technischen Hochschule im besondern durch Übernahme von Lehraufträgen, geleisteten Dienste, gestützt auf Art. 13 des Bundesgesetzes vom 7. Hornung 1854 betreffend die Errichtung einer eidgenössischen polytechnischen Schule, der Titel eines Professors verliehen.

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21.03.1917

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