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Kreisschreifoen des

Bun desrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend die Wahl der eidgenössischen Geschwornen.

(Vom 5. September 1917.)

Getreue, liebe TMgenossen !

Die sechsjährige Amtsdauer der im Herbste 1911 gewählten eidgenössischen Geschwornen lauft mit dem 31. Dezember dieses Jahres zu Ende und es haben Neuwahlen stattzufinden. Früher wurden diese Wahlen jeweilen mit denjenigen fdr die Gesamterneuerung des Nationalrates verbunden. Mit Rücksicht darauf, dass gegen Ende Oktober beträchtliche Teile unseres Heeres im Felde stehen oder sich in Schulen und Kursen befinden, würde die gleichzeitige Vornahme der Geschwornenwahlen mit den Nationalratswahlen wegen der Beteiligung der Wehrmänner mit erhebliehen Schwierigkeiten verbunden sein und vielleicht selbst störend auf die ordnungsgemässo Abwicklung der Nationalratswahlen wirken. Wir räumen Ihnen daher für die Anordnung der Geschwornenwahlen volle Freiheit ein. Sie können in Verbindung mit kantonalen oder Gemeindewahlen oder Abstimmungen diese nach Ihrem Gutfinden zu der Zeit und in den Kantonsteilen ansetzen, wo keine oder wenig Truppen des Kantons oder des betreffenden Landestciles im Militärdienste stehen. Die Greschwornenwahlen sind in der Zeit bis 31. Dezember anzuordnen, und wenn die Umstände es erheischen, sogar bis 31. Januar, immerhin unter dem Vorbehalt, dass, wenn ein eidgenossischer Schwurgerichtsfall in Aussicht wäre, die Wahl sofort vorzunehmen wäre. Für die Wahl der Geschwornen sind die Art. 109--114 des Bundesgesetzes vom 22. März 1893/6. Oktober 1911 betreffend Organisation der Bundesrechtspflege (A. S. n. F. XXVIII, 8. 129) massgebend. Diese lauten: Art. 109. Das Gebiet der Eidgenossenschaft wird in folgende drei Assisenbezirke eingeteilt:

39 Der erste Bezirk umfasst die Kantone Genf, Waadt, Freiburg (mit Ausnahme der Gemeinden, in denen die deutsche Sprache vorherrscht), Neuenburg, diejenigen Gemeinden der Kantone Bern und Wallis, in denen die französische Sprache das Übergewicht hat, Teasin und die italienisch redenden Gemeinden des Kantons Graubünden.

Der zweite Bezirk besteht aus den Kantonen Bern (mit Ausnahme der dem ersten Bezirk zugewiesene» Gemeinden), den deutsch sprechenden Gemeinden der Kantone Freiburg und Wallis, den Kantonen Solothurn, Basel (Stadt und Landschaft), Aargau, Luzern, Uri, Schwyz und Unterwaiden (Ob- und Nidwaiden).

Der dritte Bezirk enthält die Kantone Zürich, Glarus, Zug, Schaffhausen, Thurgau, St. Gallen, Appenzell (Auaser- und Innerrhoden), Graubünden (mit Ausnahme der Gemeinden, in denen die italienische Sprache vorherrscht).

Art. 110. Die Geschwornen werden vom Volke in Wahlkreisen, welche die Kantone feststellen, auf die Dauer von sechs Jahren mit der relativen Mehrheit der Stimmenden gewählt.

Auf je tausend Einwohner wird ein Geschworner gewählt.

Wählbar ist jeder nach Art. 74 der Bundesverfassung stimmberechtigte Schweizerbürger.

Nicht wählbar sind die Mitglieder der obersten eidgenössischen und kantonalen Verwaltungs- und Gerichtsbehörden, die Gerichtspräsidenten, die Verhörrichter und Staatsanwälte, sowie die Beamten und Angestellten aller eidgenössischen und kantonalen Verwaltungen, mit Ausnahme der Gemeindebeamten, und die Geistlichen.

Art. 111. Die Kantonsregierungen veröffentlichen das Wahlergebnis in den kantonalen Amtsblättern.

Art. 112. Jeder Bürger ist zur Annahme der Wahl verpflichtet.

Ausgenommen sind diejenigen, welche das 60. Altersjahr zurückgelegt haben oder wegen dauernder Krankheit oder wegen eines andern bleibenden Gebrechens ausser stände sind, die Pflichten eines Geschwornen zu erfüllen.

Die Ablehnung der Wahl ist binnen zehn Tagen seit der öffentlichen Bekanntmachung des Wahlergebnisses der Kantonsregierung anzuzeigen.

Art. 113. Die Kautonsregierungen entscheiden, ob jemand als Gesohworaer wählbar und zur Annahme der Wahl verpflichtet sei ; sie übersenden die bereinigten Listen der Gewählten dem Bundesgerichte.

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Das Bundesgericht stellt aus diesen Listen für jeden Bezirk eine Geschwornenliste zusammen.

Die G-eschwornenlisten werden im Bundesblatt veröffentlichtArt. 114. Wenn Geschworne aus irgendeinem Grunde in Wegfall kommen, so hat die Kantonsregieruflg hiervon dem Bundesgerichte Anzeige zu machen, damit sie aus der Liste gestrichen werden.

Mit Bezug auf Art. 110, Absatz 2, sehen wir uns veranlasst, beizufügen, dass nach allgemeiner Übung und im Sinne des Art. 72 der Bundesverfassung die Bruchteile von 500 Seelen und darüber für 1000 Einwohner zu zählen sind. Jedoch darf, abgesehen von der hiernach bezeichneten Ausnahme, die Bruchzahl für die runde Zahl im nämlichen Kanton selbstverständlich nur einmal gezählt werden. Es wird daher jeder Kanton seine Massnahmen 80 zu treffen haben, dass als Endresultat das Verhältnis von einem Geschwornen auf 1000 Einwohner für den ganzen Kanton erzielt wird.

In den Kantonen Freiburg, Bern, Wallis und Graubünden, die zu zwei Bezirken gehören (Art. 109 zit.), ist darauf Bedacht zu nehmen, dass die Verteilung je des einen Geschwornen auf 1000 Einwohner in der Weise berechnet werde, dass der Bevölkerung jeder Sprache ihre Anzahl Geschworner nach Verhältnis so genau wie möglich zukomme. Zu diesem Zwecke und zu leichterer Hebung allfälliger Schwierigkeiten kann in Abänderung der obenerwähnten Bestimmung in den genannten vier Kantonen eine Bruchzahl TOD 500 Seelen und darüber auf 1000 Einwohner zweimal gezählt werden, d.h. einmal für die Bevölkerung deutscher und einmal für die Bevölkerung französischer oder italienischer Zunge. Bei der Repartition der Zahl der von jedem Kanton, bzw. von jedem Kantonsteil zu wählenden Geschwornen ist selbstverständlich die eidgenössische Volkszählung von 1910 zur Grundlage zu nehmen.

Wir benutzen auch diesen Anlass, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 5. September

1917.

Irn Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schnlthess.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend die Wahl der eidgenössischen Geschwornen. (Vom 5. September 1917.)

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1917

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37

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12.09.1917

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38-40

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