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Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde von Carl Roth-Freiermuth in Riehen betreffend Verweigerung der Eintragung eines Erbteilungsvertrages im Grundbuch.

(Vom 4. Mai 1917.)

Der schweizerische Bundesrat hat über die Beschwerde von Carl Roth-Freiermuth in Riehen betreffend Verweigerung der Eintragung eines Erbteilungsvertrages im Grundbuch, auf den Bericht seines Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluss gefasst:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: 5

.

I.

Am 12. Dezember 1916 schloss Carl Roth-Freiermuth in Riehen (Baselstadt) mit Hans Kohler-Freiermuth in Basel, als Beistand der vier unmündigen Kinder Emilie Hedwig, Bertha Erika, Maria Mathilde und Eduard Heinrich Roth, einen Erbteilungsvertrag über den Nachlass der am 30. Januar 1916 verstorbenen Frau Maria Martha Roth, geb. Freiermuth, ab. In diesem Teilungsvertrag wurde vereinbart, dass Carl Roth-Freiermuth die zum Nachlass seiner verstorbenen Ehefrau gehörenden Grundstücke in Basel und Riehen, sowie je einen Hälfteanteil an Grundstücken in Riehen und in Asp-Densbüren (Aargau) unter Ausscheiden der Kinder zu alleinigem Eigentum übernehme.

Der Erbteilungsvertrag wurde in einfacher Schriftlichkeit ausgefertigt, und die Unterschriften wurden von Notar Dr. Joseph Braun in Basel beglaubigt.

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Am 14. Dezember 1916 reichte Carl Roth-Freiermuth diesen Teilungs v ertrag, zusammen mit einer notariellen Erbgangsbescheinigung, in der Urschrift beim Grundbuchamt Basel und in beglaubigter Abschrift beim Grundbuchamt Aarau ein und ersuchte um Vornahme der erforderlichen Eintragungen im Grundbuch.

Während das Grundbuchamt Basel diesem Begehren ohne weiteres entsprach, wies das Grundbuchamt Aarau diese Anmeldung in der Hauptsache mit der Begründung ab, dass der Teilungsvertrag mit Bezug auf die in der Gemeinde Asp-Densbüren gelegene Liegenschaft nach aargauischem Recht öffentlich beurkundet werden müsse, um als Ausweis für die grundbuchliche Eintragung dienen zu können.

Gegen diese Verfügung des Grundbuchamtes Aarau führte Carl Roth-Freiermuth bei der Justizdirektion des Kantons Aargau Beschwerde und stellte das Begehren, der Grundbuchverwalter sei anzuweisen, den schriftlichen Teilungsvertrag als genügenden Ausweis entgegenzunehmen und grundbuchlich zu behandeln.

Durch Beschluss vom 12. Januar 1917 wies jedoch die aargauische Justizdirektion die Beschwerde als unbegründet ab.

In der Theorie sei allerdings die Frage streitig, ob der schriftliche Teilungsvertrag als Ausweis genüge, oder ob ein öffentlich beurkundeter Vertrag im Sinne von Art. 657 ZGB erforderlich sei. In der aargauischen Praxis bildeten die öffentlich beurkundeten Teilungsverträge als Ausweise für die Eintragung von Erbteilungen im Grundbuch die Regel. Darum schliesst sich die Justizdirektion der von Huber vertretenen Ansicht an, wonach -- abgesehen vom Falle der sogenannten Realteilung -- der schriftliche Teilungsvertrag zwar die Erben bindet (ZGB Art. 634, Abs. 2), daneben aber für die Grundstücke noch ein öffentlich beurkundeter Vertrag gemäss Art. 657 ZGB als Voraussetzung für die Eintragung im Grundbuch nötig ist (Huber, Beiträge zum Sachenrecht, Seite 101, Anmerkung 2). Mit dieser Auffassung stehe auch Art. 18 der eidg. Grundbuchverordnung im Einklang, wo entweder ein öffentlich beurkundeter Vertrag oder, für den Fall der sogenannten Realteilung, die schriftliche Zustimmungserklärung sämtlicher Miterben verlangt werde.

Der Regierungsrat des Kantons Aargau, dem Carl RothFreiermuth den abweisenden Entscheid der Justizdirektion zur Überprüfung unterbreitete, schloss sich, unter Hinweis auf die Begründung der Justizdirektion, der Auffassung dieser Behörde an und wies mit Entscheid vom 23. Februar 1917 die Beschwerde ebenfalls als unbegründet ab.

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II.

Mit Eingabe vom 9. März 1917 beschwert sich Carl RothFreiermuth über den Entscheid des aargauischen Regierungsrates, vom 23. Februar 1917, beim Bundesrat und verlangt Aufhebung dieses Entscheides.

Zur Begründung beruft sich der Beschwerdeführer auf Art. 18 der Grundbuchverordnung, der ausdrücklich den Erben die Wahl überlasse, ob sie dem Grundbuchamt für die Eintragung desjenigen Erben, der die Erbschaftsgrundstücke übernimmt, die von sämtlichen Erben unterzeichneten schriftlichen Zustimmungserklärungen oder einen öffentlich beurkundeten Teilungsvertrag einreichen wollen. Durch diese bundesrätliche Ausführungsbestimmung werde für die Grundbuchämter in verbindlicher Weise die Frage entschieden, in welchem Verhältnis die massgebenden Bestimmungen des Erbrechts und des Sachenrechts (ZGB Art. 634 und Art. 657) zueinander ständen. Es sei daher auch kein Grund vorhanden, Zuflucht zu gekünstelten Unterscheidungen zwischen Erbteilung auf Grund von Teilungsverträgen und sogenannten Realleilungen zu nehmen und gestützt darauf im einen Falle als grundbuchlichen Ausweis einen öffentlich beurkundeten Vertrag zu verlangen, im ändern Falle sich aber mit den schriftlichen Zustimmungserklärungen sämtlicher Erben zu begnügen.

Der Regierungsrat des Kantons Aargau beantragt in seiner Vernehmlassung vom 21. März 1917 Abweisung der Beschwerde, wobei er im wesentlichen auf die in den angefochtenen Entscheidungen enthaltenen Begründungen verweist.

Im übrigen macht der Regierungsrat des Kantons Aargau geltend, dass aus praktischen Gründen gerade bei Erbteilungsverträgen über Grundstücke die Mitwirkung einer Urkundsperson sehr am Platze sei, und dass daher die vom Beschwerdeführer beanstandete, strengere Auslegung der in Betracht fallenden Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen den Vorzug gegenüber einer freieren Auffassung verdiene.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

]

I.

Art. 18 der Grundbuchverordnung enthält zur Erleichterung des Grundbuchverkehrs eine Zusammenstellung der wichtigeren

45 Ausweise für die Eintragung des Eigentums im Grundbuch und bestimmt für den Fall der Erbteilung, dass der erforderliche Nachweis erbracht wird: ,,durch die schriftliche Zustimmungserklärung sämtlicher Miterben oder durch einen öffentlich beurkundeten Teilungsvertrag".

Der Beschwerdeführer glaubt nun, aus dieser Verordnungs.bestimmung ohne Rücksicht auf die Vorschriften des ZGB den ·Schluss ziehen zu dürfen, dass es in das freie Ermessen der Erben gestellt worden sei, ob sie einen Teilungsvertrag in einfacher schriftlicher Form oder in öffentlicher Beurkundung beibringen wollen. Dieser Folgerung sind die aargauischen Grundbuchbehörden mit Recht entgegengetreten, da die Frage über ·die einzureichenden Ausweise in der Hauptsache nicht auf Grund der Verordnung, sondern nur an Hand der Gesetzesbestimmungen ·entschieden werden darf.

II.

Art. 634 ZGB bestimmt: ,,Die Teilung wird für die Erben verbindlich mit der Aufstellung und Entgegennahme der Lose oder mit dem Abschluss des Teilungsvertrages.

Der Teilungsvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftiichen Form."

Daraus ergibt sich ganz unzweifelhaft, dass die Aufhebung ·der Erbengemeinschaft auf zwei verschiedene Arten geschehen .kann : entweder als T e i l u n g von H a n d zu H a n d durch Entgegennahme der Lose seitens der einzelnen Erben oder durch Abschluss eines T e i l u n g s v e r t r a g e s (vgl. die Ausführungen der Berichterstatter im Nationalrate, Stenographisches Bulletin 1906, Seiten 381 und 385).

Bei jener Art der Erbteilung, Teilung von Hand zu Hand ·oder R e a l t e i l u n g genannt, ist die Erfüllung einer besonderen Vertragsform nicht möglich, da eine Verpflichtung des einzelnen Erben gegenüber seinen Miterben vor dem Vollzug der Teilung ,gar nicht besteht. Hier ist der Erbe bis zur Entgegennahme seines Loses, d. h. bis zum Zeitpunkt der Durchführung der Teilung ·selbst, überhaupt nicht gebunden und kann sich jederzeit noch anders entschliessen. Entgegen einer gelegentlich geäusserten Ansicht (Escher, Kommentar zu Art. 634, Note 3) darf diese Teilungsart auch dann als anwendbar betrachtet werden, wenn Grundstücke in der Erbschaft vorhanden sind (Huber, Beiträge zum Sachenrecht, Seite 119, Anmerkung 1). Nur ist auch hierbei «darauf zu achten, dass die Entgegennahme des Loses erst mit

46 der Eintragung des Erben im Grundbuch vollzogen ist und daher auch hier die Gebundenheit des Erben mit seiner Eintragung: im Grundbuch als Eigentümer des früheren Erbschaftsgrundstücks zusammenfallt. Da bei dieser Realteilung somit eine, dem Eigentumsübergang vorangehende, vertragliche Bindung des einzelnen Erben fehlt, ist die Anwendung des Art. 657 ZGB, wonach der Vertrag auf Eigentumsilbertragung zu seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung bedarf, begrifflich ausgeschlossen und kann gar nicht in Frage kommen. Dagegen ist hier für die Grundbuchführung, wie in den zahlreichen Fällen formloser Rechtsgeschäfte, gleichwohl ein schriftlicher Ausweis als Beleg nötig.

Hierauf nimmt Art. 18 der Grundbuchverordnung Rücksicht und verlangt ,,die schriftliche Zustimmungserklärung sämtlicher Miterben''.

Der Beschwerdeführer hat sich nun nicht darauf berufen, dass im vorliegenden Falle eine derartige Erbteilung von Hand zu Hand beabsichtigt gewesen sei. Es geht übrigens auch aus dem Aktenstück, das dem Grundbuchamt Aarau eingereicht worden ist, deutlich hervor, dass von den Erben der Frau Maria Roth, geb. Freiermuth, keine Realteilung vorgenommen wurde, sondern dass ein eigentlicher Teilungsvertrag abgeschlossen wurde. Der Beschwerdeführer hat sich somit zu Unrecht auf Art. 18 der Grundbuchverordnung gestützt, soweit darin als Ausweis ,,die schriftliche Zustimmungserklärung sämtlicher Miterben" vorgesehen ist.

III.

In letzter Linie hängt die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde noch von der Entscheidung der Frage ab, in welcher Form der grundbuchliche Ausweis im Falle der Erbteilung auf Grund eines T e i l u n g s v e r t r a g e s beigebracht werden muss.

Diese Frage kann allerdings zu Zweifeln Anlass geben, da das ZGB im Erbrecht bestimmt, dass der Teilungsvertrag zu seiner Gültigkeit der s c h r i f t l i c h e n F o r m bedürfe (Art. 634, Absatz 2), während im Sachenrecht ganz allgemein erklärt wird, dass der Vertrag auf Übertragung von Grundeigentum zu seiner Verbindlichkeit die ö f f e n t l i c h e B e u r k u n d u n g nötig habe (Art. 657). Es ist zwar versucht worden, die Lösung dieser Streitfrage dadurch zu vereinfachen, dass man für den Fall der Erbteilung überhaupt das Vorliegen einer Eigentumsübertragung ablehnte und auf diese Weise die Anwendung der sachenrechtlichen Vorschriften des ZGB (Art. 657) beseitigen wollte-

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(Leemann, Schweizerische Juristenzeitung, Band X, Seite 97, und XIII, Seite 104). Es ist jedoch nicht einzusehen, warum gerade bei der Erbteilung ein Eigentumsübergang nicht vorliegen soll, während doch bei der durch Teilung vollzogenen Aufhebungaller anderen Gesamthandsverhältnisse Unbestrittenermassen ein Eigentumswechsel angenommen wird (vgl. Guhl, Zeitschrift des bernischen Juristenvereins, Band LUI, Seite 14 ff.). Es bleibt nichts anderes übrig, als zu der Frage Stellung zu nehmen, ob Art. 657 mit der Forderung der öffentlichen Beurkundung auch auf Erbteilungsverträge anwendbar ist, trotzdem zur Gültigkeit dieser Verträge nach Art. 634 ZGB nur die schriftliche Form verlangt wird.

Die Lösung ergibt sich ohne grosse Schwierigkeit aus der Entstehungsgeschichte des Art. 634 ZGB und führt zum Schlüsse, dass b e i E r b t e i l u n g s v e r t r ä g e n ü b e r G r u n d s t ü c k e die Form der öffentlichen Beurkundung erfüllt w e r d e n m u s s. Im Entwurf des Bundesrates zum ZGB lautete nämlich die dem Art. 634 des Gesetzes entsprechende Bestimmung: ,,Teilungsverträge über Liegenschaften sind nur ia schriftlicher Form verbindlich.lt Diese Vorschrift ist vom Nationalrate mit der Begründung gestrichen worden, dass bei Erbteilungsverträgen über Grundstücke ausschliesslich die sachenrechtlichen Vorschriften massgebend sein sollen (Stenographisches Bulletin, 1906, Seiten 381, 385--387). Das Sachenrecht enthält aber keine Erleichterung für die Form der Erbteilungsverträge ; vielmehr muss hierfür die allgemeine Vorschrift des Art. 657 ZGB als anwendbar betrachtet werden und demnach die öffentliche Beurkundung der Erbteilungsverträge,- soweit sie Grundstücke betreffen, stattfinden (Huber, Beiträge zum Sachenrecht, Seite 101, Anmerkung 2). Aus diesem Grunde hat denn auch Art. 18 der Grundbuchverordnung neben der schriftlichen Zustimmungserklärung sämtlicher Miterben im Falle der Realteilung (vgl. oben Ziffer II) den ,,öffentlich beurkundeten Teilungsvertrag" als Ausweis erwähnt.

Für die grundbuchliche Behandlung der Erbteilungsverträge steht somit fest, dass sie nur in der Form der öffentlichen Urkunde entgegengenommen werden dürfen. Zu der weiteren Frage, welche 'Ansprüche die Erben gegeneinander haben, die zwar einen schriftlichen Teilungsvertrag über die ganze Erbschaft abgeschlossen, die Pflicht
zur Eigentumsübertragung an den darin enthaltenen Grundstücken jedoch noch nicht öffentlich beurkundet haben, brauchen die Aufsichtsbehörden über die Grundbuchführung

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nicht Stellung zu nehmen. Dies ist vielmehr im Streitfalle Sache der Gerichte.

Der Grundbuchverwalter von Aarau war daher in der Beschwerdeangelegenheit berechtigt, die öffentliche Beurkundung des Erbteilungsvertrages, soweit er sich auf das Grundstück in der Gemeinde Asp-Densbüren bezog, zu verlangen.

Auf Grund dieser Erwägungen wird e rk annt :

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 4. Mai 1917.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schutthess.

Der Vizekanzler: David.

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Bundesratsbeschluss über die Beschwerde von Carl Roth-Freiermuth in Riehen betreffend Verweigerung der Eintragung eines Erbteilungsvertrages im Grundbuch. (Vom 4. Mai 1917.)

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09.05.1917

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