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Bundesbeschluss aber

den Rekurs von Jacques Marfort in Genf betreffend Verweigerung des Wirthschaftspatentes.

(Vom 1. April 1892.)

Der schweizerische Bundesrath hat in Sachen des Rekurses von Jacques M a r f o r t in Genf gegen einen Entscheid der Regierung des Kantons Genf vom 23. Oktober 1891, betreffend Entziehung, beziehungsweise Verweigerung des Wirthschaftspatentes ; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements und nach Feststellung folgender aktenmäßiger SachVerhältnisse :

I.

Die Genferbehörden ertheilten einer Wittwe Haubensack die Erlaubniß, in der rue Chaponnière, 7, in Genf, eine bürgerliche Pension zu halten. Als jedoch die Polizei kurze Zeit nachher die Wahrnehmung machte, daß diese Pension nur eine Art von Platzgeberei für Prostituirte sei, und die über Frau Haubensack eingezogenen Erkundigungen ungünstig lauteten, wurde ein von ihr im September 1891 gestelltes Begehren um Erlaubniß zur Uebernahme des Café Vock in der rue des Corps-Saints, 12, in Genf, abschlägig beschieden. Der Rekufrent Marfort übernahm hierauf das Café auf seinen Namen. Er hatte früher mit der Haubensack im Konkubinat gelebt, heirathete dieselbe dann aber am 15. Oktober 1891.

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Am 16. Oktober 1891 verfügte das genferische Justiz- und Polizeixlepartement die Schließung des genannten Café. Marfort rekurrirte iiiegegen au den Staatsrath, wurde aber von dieser Behörde mit iBeschluß vom 23. Oktober 1891 abgewiesen.

n.

Mit Eingabe vom 9. Februar 1892 rekurrirte Marfort an den ISundesrath. Er beruft sich auf die durch die Bundesverfassung garantirle Handels- und Gewerbefreiheit, erklärt, daß er in bürgerlichen Ehren und Rechten stehe und seine Steuern stets bezahlt habe, und vertheidigt seine Erau hinsichtlich ihrer Ehrenhaftigkeit.

Er beklagt sich darüber, daß ihm die Verweigerung zur Betreibung des Café-Restaurant erst dann angezeigt worden sei, als er bereits die Abgaben bezahlt hatte, und behauptet, daß das Etablissement, welches nun schon seit mehr als 30 Jahren bestehe, in der ·kurzen Zeit, während welcher es von ihm geleitet werde, sich eines guten Rufes erfreute. Man habe ihm in keiner Richtung einen Vorwurf machen können; er habe sogar selbst eine unparteiische Untersuchung verlangt, was ihm aber unbarmherziger Weise Abgeschlagen worden sei.

In einem spätem Schreiben an den Bundesrath vom 12. Februar 1892 bemerkt der Rekurrent, daß der angefochtene Regierungsentscheid auf einem unrichtigen Polizeirapporte basiren müsse.

Er betheuert wiederholt, daß er ein rechtschaffener Mann sei. Er studire gegenwärtig Medizin an der Universität Genf und habe das in Frage stehende Etablissement nur aus dem Grunde übernommen, damit er aus dem Verdienste die Studienkosten bestreiten könne.

Mit neuem Schreiben vom 24. Februar 1892 übermittelte Marfort dem Bundesrath eine Bescheinigung einer Anzahl Bürger von Genf, welche sich über die Ehrenhaftigkeit der Eheleute Marfort aussprechen.

In diesem Schreiben erwähnt Marfort im Weitern der Thatsache, daß er mit dem Besitzer des Café einen Pachtvertrag für ·tì Jahre abgeschlossen habe. Sollte er nun das Geschäft nicht übernehmen können, so würde ihm durch die Entschädigungspflichü «ebenfalls ein großer Schaden erwachsen.

Der Rekurrent stellt schließlich das Gesuch, es möchte der Bundesrath eine genaue Untersuchung, anordnen und die Bewilligung zur Wiedereröffnung seiner Lokalitäten ertheilen.

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ITI.

In seinem Vernehmlassungsschreiben vom 23. Februar 1892-' an das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement führt der Staatsrath des Kantons Genf die in Ziffer I hievor enthaltenen Thatsachen an und bemerkt, daß es höchst augezeigt sei, die Schlußnahmen der Genferbehörden aufrecht zu erhalten, vom Standpunkte der Beobachtung der Gesetzesvorschriften und im Interesse der öffentlichen Moral. Es könne nicht geduldet werden, daß unter den obwaltenden Umständen die Eheleute Marfort ein öffentliches Etablissement betreiben. Marfort studire Medizin, so daß.

er sich nicht mit der Geschäftsführung des Café befassen könne ; dieses würde in Zukunft wie seit dem Monat September einzig und allein durch die frühere Wittwe Haubensack und nunmehrige Frau Marfort geschehen.

Aus den angeführten Gründen beantragt der Staatsrath Aufrechthaltung der angefochtenen Sehlußnahme.

IV.

Unterm 14. März 1892 richtete der Rekurrent Marfort ein weiteres Schreiben an den Bundesrath, worin er das früher gestellte Begehren wiederholt und zugleich behauptet, es seien in der Zwischenzeit in der Stadt Genf zwei neue Wirthschaftslokale eröffnet worden, welcher Umstand ihm Veranlassung bietet, sich über ungleiche Behandlung der Bürger seitens der genferischen Behörden zu beklagen.

Der Staatsrath des Kantons Genf, welchem dieser neue Beschwerdepunkt ebenfalls sofort zur Kenntnißnahme mitgetheilt wurde, war jedoch im Falle, mit Schreiben vom 25. März 1892 dem Bundesrath die thatsächliche Unrichtigkeit der vom Rekurrenten aufgestellten Behauptung darzuthun ;

in E r w ä g u n g : daß die Schließung des Wirthschaftsetablissements, welches der Rekurrent, zwar auf seinen Namen, thatsächlich aber durch, seine Frau, betreiben wollte, im Hinblick auf den feststehende» bösen Leumund, den diese letztere in der Ausübung des Wirthschaftsgewerbes sich erworben hat, als durchaus gerechtfertigt erscheint und eine Maßregel ist, die weder gegen Bundesrecht noch gegen kantonales Recht verstößt, beschlossen : 1. Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

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2. Dieser Beschluß ist dem Staatsrath des Kantons Genf, sowie dem Rekurrenten, Letzterem unter Aktenrückschluß, schriftlich, mitzutheilen.

B e r n , den 1. April 1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes,, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Hauser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft r Rillgier.

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Bundesbeschluss aber den Rekurs von Jacques Marfort in Genf betreffend Verweigerung des Wirthschaftspatentes. (Vom 1. April 1892.)

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