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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Bezeichnung der Bahnstrecke Interlaken Ost-Bönigen als Nebenbahn.

(Vom 19. Dezember 1917.)

Durch Bundesbeschluss vom 21. Juni 1913 (B. A. 8. XXIX, 127) wurde der Berner Alpenbahn-Gesellschaft Bern-LötschbergSimplon eine neue einheitliche Konzession für ihre Linien von Scherzligen nach Bönigen (ehemalige Thunerseebahn) und von Spiez nach Brig (Lötschberglinie) erteilt. Da damals über die Klassierung einzelner Strecken des Netzes der Berner AlpenbahnGesellschaft als Haupt- oder Nebenbahnen noch Unterhandlungen geführt wurden und die Frage nicht spruchreif erschien, wurde im Eingang der Konzession bestimmt, dass der Entscheid darüber, ob und welche Strecken der Lötschbergbahn als Nebenbahnen zu bezeichnen seien, in dem in Art. l, Absatz 2 und 3, des Nebenbahngesetzes vom 21. Dezember 1899 (E. A. S. XVI, 188) vorgeschriebenen Verfahren getroffen werden solle. Damit wurde der Bundesrat zuständig, um die Angelegenheit von sich aus zu ordnen. Wir haben uns seither auch wiederholt mit derselben befasst, ohne dass es möglich gewesen wäre, mit der Bahngesellschaft zu einer Verständigung zu gelangen. Da im Falle eines von uns zu treffenden Entscheides wohl mit einem Rekurse gegen unsere Verfügung an die Bundesversammlung zu rechnen wäre, ziehen wir es vor, Ihnen das Geschäft, das nun erledigt werden muss, direkt mit unserem Bericht und Antrag zur Beschlussfassung zu unterbreiten.

I.

Gegen die Klassierung der Linie Scherzligen-Spiez-FrutigenBrig als Hauptbahn hat die BernerAlpenbahn-Gesellschaftt von Anfangano keine Einwendung erhoben. Die Streitfrage war vor

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der Eröffnung der Brienzerseebahn bloss die, ob die ganze Strecke Spiez-Bönigen der ehemaligen Thunerseebahn oder nur die Teilstrecke Interlaken West-Bönigen als Nebenbahn zu bezeichnen 8ei. Seit der Vollendung der Brienzerseebahn musa unseres Erachtens auch die Strecke Interlaken W est-Ost ah Hauptbahn betrachtet werden. Die Bahngesellschaft dagegen hält dafür, das» die ganze Linie Spiez-Bönigen Nebenbahn bleiben solle. Ihre Stellungnahme begründete sie in einer Eingabe vom 13. März 1913, die mit Zuschrift vom 16. Oktober 1915 noch bestätigt wurde, im wesentlichen mit folgenden Ausführungen.

Die Frage, sagt die Berner Alpenbahn-Gesellschaft, ob eine bestimmte Eisenbahnlinie als Hauptbahn oder als Nebenbahn zu klassieren sei, müsse anhand des Wortlautes der einschlägigen Gesetzesbestimmungen entschieden werden, ohne dass hierfür Vergleiche mit andern Bahnen bestimmend sein könnten. Nach der Vorschrift in Art. l, Absatz l, des Nebenbahnengesetzes vom 21, Dezember 1899 seien als Nebenbahnen zu betrachten diejenigen Linien und Bahnstrecken, welche vorzugsweise dem Lokalverkehr oder speziellen Verkehrszwecken dienen und nicht den grossen Durchgangsverkehr für Personen und Güter vermitteln. Ferner könne gemäss der Bestimmung im fünften Absätze desselben Gesetzes durch ßundesbeschluss bei veränderte» Verhältnissen eine Nebenbahn zur Hauptbahn oder eine Hauptbahn zur Nebenbahn erklärt werden, Die Bahngesellschaft müsse daran festhalten, dass das Kriterium einer Hauptbahn, wie es im Art. l des Nebenbahnengesetzes umschrieben werde, für die Linie Spiez-Interlaken auchheute nicht zutreffe, trotzdem der Verkehr, wie auch bei den, andern schweizerischen Nebenbahnen, im letzten Jahrzehnt bedeutend zugenommen habe. Veränderte Verhältnisse seien wohl für die Strecke Scherzligen-Spiez nach der Einführung des durchgehenden Betriebes auf der Strecke Spiez-Brig zuzugeben, nicht aber für die Strecke Spiez-Interlaken, deren Charakter als Lokaloder Nebenbahn durch die Eröffnung der Lötschbergbahn in keiner Weise geändert worden sei.

Was unter dem in Art. l, erstes Alinea, des Nebenbahnengeaetzes enthaltenen Ausdruck: ,,grosser Durchgangsverkehr" gemeint sei, gehe aus der Botschaft des Bundesrates vom 5. Märe 1897 betreffend den Entwurf des Nebenbahnengesetzes, sowieaus den bezüglichen Voten der Berichterstatter der eidgenössischen Räte hervor. Unter diesem sogenannten ,,Durchgangsverkehr" sei unzweifelhaft der internationale Verkehr verstanden,.

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d. h. der Verkehr, der sich zwischen Frankreich, Deutschland, ·Österreich-Ungarn, Italien etc. durch die Schweiz abwickle, bzw.

-durch unser Land transitiere.

In der erwähnten Botschaft habe der Bundesrat den Begriff des ,,Durchgangsverkehrs" und die Nebenbahnen selbst wie folgt naher umschrieben: ,,Das zur Vermittlung des grossen Transitverkehrs bestimmte Bahnnetz der Schweiz ist im wesentlichen fertiggestellt. Dasselbe ist nur noch zu ergänzen durch den Alpenübergang des Simplem im Westen und durch Verbindung des Kantons Graubünden, namentlich des Engadins, mit den ausländischen Bahnnetzen im Südosten. Ob der internationale Verkehr mit der Zeit sich der·art gestalten wird, dass noch gewisse Abkürzungen des Hauptnetzes wunschbar werden, läest sich heute nicht mit Sicherheit ·ermessen . . . ."

,,Vorerst ist zu untersuchen, welches denn die Nebenbahnen seien, die durch die Gesetzgebung besonders zu berücksichtigen sind. Die Antwort lautet nun für die Schweiz in der Regel einfach dahin, Nebenbahnen seien alle schweizerischen Eisenbahnen, die nicht dem Netz der sog. fünf schweizerischen Hauptbahnen, der Jura-Simplon-Bahn, der Zcntralbahn, der Nordostbahn, der Vereinigten Schweizerbahnen und der Gotthardbahn angehören.

Diese Antwort ist insofern richtig, als zu Nebenbahnen allerdings diejenigen Linien nicht gezählt werden dürfen, welche den Durchgangsverkehr für Personen und Güter zu vermitteln haben.

Der grosse Transitverkehr stellt bei der Personenbeförderung weitgehende Anforderungen bezüglich Schnelligkeit und Bequemlichkeit und bedingt daher eine sehr solide Bahnanlage, leistungsfähige Lokomotiven und den neuesten Anforderungen entsprechend konstruierte Wagen . . . ."

,,Ähnlich verhält es sich mit der Bedienung des Güterverkehrs ; wo die gewaltigen Massen des Transitverkehrs zu bewältigen sind, müssen an die Bahnanlagen und an das Rollmaterial höhere Anforderungen gestellt werden . . . . " · ,,Es wird somit vorerst daran festzuhalten sein, dass au den Nebenbahnen nicht zu zählen sind die Bahnlinien, welche den Durchgangsverkehr mit dem Auslande für Personen und Güter vermitteln.a Diese Umschreibung des Verkehrs, die auf den Art. l, Alinea l, des Nebenbahnengesetzes Bezug nehme, sei klar und unzweideutig. Durch die bezüglichen Erwägungen sei zweifellos der Büudesrat dazu geführt worden, mit Beschluss vom 10. August

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1900 die Thunerseebahn ohne weiteres unter die Nebenbahnen zu klassieren. Der ,,Transitverkehr" nach Frutigen, Erlenbach und nach der schmalspurigen Berner Oberlandbahn und der Brünigbahn habe bei dem erwähnten Bundesratsbeschluss zur Klassierung der Thunerseebahn als Hauptbahn ebenso wenig massgebend sein können als der heutige, allerdings grössere Verkehr bestimmend sein könne, den fraglichen Besehluss abzuändern.

Der Verkehr der Strecke Spiez-Interlaken-Bönigen sei Überhaupt dem Sinn und Geist des Art. l, Absatz l, des Nebenbahnengesetzes gemäss als eigentlicher ,,Lokalverkehr" aufzufassen.

Auch die seither vorgenommenen baulichen Veränderungen an der Linie (Umbau in das Schienenprofil von 36 kg per m usw.), welche nun grössere Zugsgeschwindigkeiten zulassen, könnten daran nichts ändern, dass auf Grund der erwähnten Gesetzesbestimmungen die Thunerseebahn, d. h. heute noch die Strecke Spiez-Bönigen, unter die Nebenbahnen zu klassieren sei.

Abgesehen davon, dass in Art. l, Absatz l, des Nebenbahnengesetzes von den baulichen Anlagen, Zugsgeschwindigkeiten usw., einer Linie gar nicht die Rede sei, würden durch die vom Bundesrat erlassene Verordnung betreffend Bau und Betrieb der schweizerischen Nebenbahnen, vom 10. März 1906 (E. A. S.

XXII, 141) grössere Zugsgeschwindigkeiten auch für die Nebenbahnen gestattet. In Art. 38 heisse es dort: ,,Die Gültigkeit dieser Verordnung erstreckt sich nur auf solche Nebenbahnen, deren Maximalfahrgeschwindigkeit bei der Normalspur 50 km und bei der Schmalspur 45 km in der Stunde nicht übersteigt.a ,,Nebenbahnen mit grösserer Fahrgeschwindigkeit sind dagegen in bau- und betriebstechnischer Hinsicht der grössern Geschwindigkeit entsprechend auszurüsten und zu betreiben."

Hieraus gehe hervor, dass nicht die baulichen Anlagen, dia Zugsgeschwindigkeiten usw., sondern der Charakter des Verkehre (internationaler Transitverkehr oder Durchgangsverkehr)das Charakteristikum einer Haupt- oder Nebenbahn bilde.

Seitdem Inkrafttreten des Bundesratsbeschlusses vom 10. August 1900 habe sich nun der Charakter des Verkehrs auf der Strecke Spiez-Interlaken nicht geändert und er habe auch durch die Aufnahme des durchgehenden BetriebesSpiez-Frutigen-Brigg keine Änderung erfahren.

Die Voraussetzungen .des Artikels l des Nebenbahnen-Gesetzes, wonach als Nebenbahnen diejenigen Bahnen und Bahn-

918 strecken zu klassieren .seien, welche vorzugsweise dem Lokalverkehr dienen und nicht den grossen Durchgangsverkehr für Personen und Güter vermitteln, seien denn auch für die Strecke Spiez-Interlaken bzw. Bönigen nach wie vor in vollem Umfange zutreffend, II.

Der Regierungsrat des Kantons Bern, zur Vernehmlassung über die Angelegenheit eingeladen, erklärte in seiner Zuschrift vom 19. September 1913, die er noch unterm 2. November 1915 kurz bestätigte, er pflichte den Ausführungen der Berner Alpenbahn-Gesellschaft bei. Die nur zirka 16 km lange Strecke SpiezInterlaken West sei weder für den Personenverkehr noch für den Güterverkehr eine grosse Transitlinie. Die Schlaf- und Speisewagen hatten in Interlaken West ihren End- oder Ausgangspunkt.

Für den Güterverkehr seien die Verhältnisse noch weniger die einer durchgehenden Hauptbahn. Derselbe erleide tatsächlich in Interlaken eine Unterbrechung. Keine der anschliessenden Bahnen führe die Güter direkt, ohne Umlad, weiter, kein Trajektschiff nehme die Guterwagen auf, um sie nach Brienz zu befördern. Aber selbst, wenn dies der Fall wäre, so müsste dort ein Umlad stattfinden, um die Güter nach Meiringen oder weiter zu führen. Von einer Gütertransitlinie über den Brünig nach Luzern werde im Ernste nicht gesprochen werden können. .

Die zur Charakteristik der Hauptbahn für die Strecke SpiezInterlaken ausschlaggebenden Faktoren einer grossen Transitlinie seien somit nicht vorhanden. Erst wenn die Brienzerseebahn und die Brünigbahn einmal zu einer Transitlinie auf Normalspur umgebaut werden sollten, werde die Linie Spiez-Interlaken zu einer Hauptbahn gestempelt werden können.

DT.

Die Eingabe der Berner Alpenbahn-Gesellschaft stellt in der Hauptsache darauf ab, dass der Strecke Spiez-Interlaken das Kriterium einer Hauptbahn, die Vermittlung des grossen Durchgangsverkehrs, im Siune von Art. l, Abs. l, des Nebenbahnengesetzes abgehe, weil nach den Ausführungen der bundesrätlichen Botschaft zürn Entwurfe dieses Gesetzes und denbezüglichen« Voten des Berichterstatters der nationalrätlichen Kommission als grosser Durchgangsverkehr unzweifelhaft nur der internationale Verkehr -verstanden sein könne, d h derVerkehr^ der sichzwischena Prankreich, Deutschland, Österreich-Ungarn, Italien usw. durch

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die Schweiz abwickle. Andere Merkmale, wie beispielsweise die baulichen Anlagen oder die Zugsgeschwindigkeiten einer Bahn, seien für den Begriff ,,Hauptbahn" im Sinne des Gesetzes nicht wesentlich, denn nach der Verordnung des Bundesrates vom 10. März 1906 betreffend Bau und Betrieb der schweizerischen Nebenbahnen würden heute auch für die Nebenbahnen grössere Zugsgeschwindigkeiten gestattet.

Diese von der Berner Alpenbahn-Gesellschaft aus den gesetzlichen Vorschriften abgeleitete Definition des Begriffes ,,Nebenbahn" im Sinno des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 über Bau und Betrieb der schweizerischen Nebenbahnen ist nicht zutreffend; sie ergibt sich weder aus dem Gesetzestext selbst, noch aus den Motiven zu demselben.

Art. l, Abs. l, des Nebenbahnengesetzes lautet: ,,Nebenbahnen sind diejenigen Bahnen und Bahnstrecken, welche vorzugsweise dem Lokalverkehr oder speziellen Verkehrs.zwecken dienen und nicht den grossen Durchgangsverkehr für Personen und Güter vermitteln."

Der Begriff ,,internationaler Durchgangsverkehr" wird im Gesetze selbst nirgends verwendet, und es ist daher zu untersuchen, ob, wie die Bahnverwaltung ausführt, als grosser Durchgangsverkehr unzweifelhaft nur der internationale Verkehr gemeint sein könne. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff Durchgangsverkehr nicht in diesem engern Sinne verstanden, sondern man rechnet dazu auch den Binnenverkehr, der von einer Linie auf eine andere übergeht. So definiert die Enzyklopädie von Roll (2. Aufl, lll. Bd., 8. 462) als kehr, der eine andere Bahn ganz oder zum Teil durchläuft und auf eine direkteBahn-* oder Schiffslinie übergeht. Dabei spricht man sowohl von Durchgangsverkehr einer einzelnen Bahn- oder Schiffsstrecke als auch von Durchgangsverkehr durch das Gebiet einer oder mehrerer Verwaltungen, Auch die Botschaft zum Nebenbahnengesetz beschränkt den Begriff keineswegs, wie in der Eingabe .der Berner Alpenbahn-Gesellschaft ausgeführt wird, auf den internationalen Transitverkehr, sondern verwendet denselben in dem weitern Sinne des Binnenverkehrs, der von einer Linie auf eine andere übergeht. Sie spricht (B.-B1. 1897, I, 757) vom Transitverkehr im weitern und engern Sinne und stellt diesem den Lokalverkehr gegenüber. Der betreffende Passus lautet wörtlich wie folgt: ,,Der grosse Transitverkehr stellt bei der Personenbeförderung weitgehende Anforderungen bezüglich Schnelligkeit und

920 Bequemlichkeit und bedingt daher eine sehr solide Bahnanlage., leistungsfähige Lokomotiven und den neuesten Anforderungen entsprechend konstruierte Wagen. Das Bedürfnis, das Wagenmaterial fremder Bahnen zirkulieren und im Austausch schweizerische Wagen auf fremde Bahnen übergehen zu lassen, fordert die Anpassung unseres Betriebsmaterials an die besten Konstruktionen des Auslandes, die Einführung all' der Einrichtungen, welchenicht nur möglichste Sicherheit des Betriebes garantieren, wie kontinuierliche Bremsen uaw,, sondern auch den Anforderungen der Transitreisenden an eigentlich luxuriöse Bedienung entsprechen, wie Schlafwagen, Speisewagen etc. Es ist selbstverständlich, dass für die Bedienung des blossen Lokalverkehrs eine Reihe der Anforderungen ohne Anstand wegfallen können, welche für den Transitverkehr im weitern und engern Sinne wünschbar sind.

Im Lokalverkehr handelt es sich in der Regel um die Befahrung kleinerer Strecken, wo eine massige Geschwindigkeit ausreicht und eine Ausscheidung der Abteilungen für Raucher und Nichtraucher usw. überflüssig ist. Die Verminderung der Fahrgeschwindigkeit gestattet aber sofort eine Reihe von Erleichterungen für den Betrieb.

^Ähnlich verhält es sich mit der Bedienung des Güterverkehrs. Wo die gewaltigen Massen des Transitverkehrs zu bewältigen sind, müssen an die Bahnanlage und an das Rollmaterial höhere Anforderungen gestellt werden, es empfiehlt sich, reine Güterzüge zu führen, was für die Bedienung eines kleinen Lokalyerkehrs überflüssig ist und unnötige Kosten verursacht. Ebensoliegt es auf der Hand, dass für den kleinen Lokalverkehr die StatioDseinrichtungen viel einfacher gehalten werden können, dass das Publikum mit seinen Ansprüchen an Wartelokale usw. sich auf das Notwendigste zu beschränken hat etc."

Der Berichterstatter über den Gesetzesentwurf äusserte sich im Nationalrate zu dieser Frage folgendermassen (Stenographisches Bulletin IX, 645): fl Vorerst fragt es sich: Was versteht man unter Hauptbahnen und Nebenbahnen ? Hauptbahnen sind diejenigen Eisenbahnen, welchen im wesentlichen die Bewältigung des Fernverkehrs, des grossen Durchgangs- oder Transitverkehrs zufällt, die also zu sorgen haben für die Schnellbeförderung von Personen und den .Massentransport von Gütern. Nebenbahnen im Sinne des vorliegenden Gesetzesentwurfcs sind diejenigen Eisenbahnen, die nicht Hauptbahnen sind, bei denen es sich im wesentlichen um «ine weniger schnelle Beförderung von Personen und einen minder

921 umfangreichen Transport von Gütern auf kleinere Entfernungen» handelt.1* Daraus ergibt sich, dass der Begriff ,,grosser Durchgangsverkehr" im Sinne des Nebenbahnengesetzes nicht mit internationalem Transitverkehr umschrieben werden kann und dass letzterer nur insofern von Bedeutung ist, als alle Bahnstrecken,, welche an demselben beteiligt sind, zum vorneherein als Hauptbahnen gelten. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich aber auch aus der im Gesetz enthaltenen positiven Abgrenzung des Begriffes ,,Nebenbahnen" als Bahnen, welche vorzugsweise dem Lokalverkehr, oder, was hier nicht weiter in Betracht fällt, besondern Verkehrszwecken dienen. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass unter Lokalverkehr weder nach dem allgemeinen Sprachgebrauche noch im kommerziellen und betriebstechnischen Sinne der ganze, von einer Eisenbahn vermittelte, intern-schweizerisch» Vorkehr verstanden wird, sondern nur der Verkehr, der sich zwischen den von der Bahnlinie bedienten Ortschaften abwickelt.

Somit können Bahnen, welche nicht vorzugsweise Lokalverkehr vermitteln, nicht den Charakter von Nebenbahnen haben. Als praktisches Ergebnis geht aus vorstehendem hervor, dass im Sinne des Nebenbahnengesetzes alle diejenigen Bahnen und Bahn* ·strecken nicht als Nebenbahnen betrachtet werden können, welche mit Rücksicht auf den Umfang und die Bedeutung ihrer Verkehrsanlagen, Einrichtungen und Betriebsmittel besitzen müssen wie diejenigen Bahnen, welche den Verkehr mit dem Ausland vermitteln.

Wie lagen nun in dieser Richtung die Verhältnisse für die Strecke Spiez-Interlaken-West vor den Verkehrseinschrankungen, die der Weltkrieg zur notwendigen aber vorübergehenden Folge gehabt hat?

Der Sommerfahrplau 1913 sah zwischen Spiez und Interlaken die folgenden regelmassigen Züge vor: 2 Luxuszüge (vom 9. Juli bis und mit 15. September), 25 Schnellzüge und Exprasszüge, 11 Personenzüge, 3 Güterzüge, 4 Sonntagsschnellzüge, Total 4ÏT Neben einer Reihe direkter Wagenkurse zwischen Interlaken-Basel, Interlaken-Zürich und Interlaken-St. Gallen führt» die Lötsehbergbahn seit Eröffnung des Betriebes auf der Lini» Spiee-Brig von und nach Interlaken in fast ebensoviel direkten.

922 Relationen als auf den internationalen Linien via Gotthard und Simplen direkte Wagen nämlich :

a. Personenwagen: Altona-Interlaken-Frankfurt, Interlaken- Frankfurt, Paris-Interlaken-Paris, Pontarlier-Interlaken-Pontarlier, Boulogoe-Interlaken Calais, Berlin Anh.-Interlaken-Berlin Anh., Baden-Baden-lnterlaken-Baden=Baden.

b. Schlafwagen: Paris-Interlaken-Paris, Calais-Interlaken-Calais, Boulogne-Interlaken-Calais.

Art und Umfang des Zugsverkehre auf der Strecke SpiezInterlaken lassen also mit aller Deutlichkeit darauf schliessen, dass diese Strecke nicht etwa bloss vorzugsweise dem Lokalverkehr dient, sondern zu einem w e s e n t l i c h e n Teile den grossen Durchgangsverkehr für Personen und Güter vermittelt.

Dass für die Bewältigung desselben Anlagen und Einrichtungen nicht genügen, wie sie das Nebenbahnengesetz und die bundesrätliche Vollziehungsverordnung zu demselben für Nebenbahnen als zulässig erklären, liegt auf der Hand.

DerStandpunktderBernerAlpenbahn-Gesellschaft, dass Bahnen, die am internationalen Transitverkehr nicht beteiligt sind, ale Nebenhahnen zu klassieren seien, wurde übrigens dazu führen, dass eine Reihe von Strecken des Bundesbahnnetzes, die heute als Hauptbahnen erklärt sind, wieder unter die Nebenhahnen eingereiht werden müssten; wir erwähnen nur beispielsweise die Linien Bern-Langnau-Luzern, Zug-Luzern, Zürich-Meilen-Rapperswil-Uznach-Ziegelbrücke-Näfels, Wallisellen-Rüti-Rapperswil, Altstetten-Steinhausen-Cham, Scnaffhausen-Andelfingen-Winterthur, Uznach-Wattwil und Sargans-Chur.

Wir haben nun noch au bemerken, dass, wie bereits auf Seite 2 hiervor erwähnt, heute auch die Strecke zwischen den beiden Interlakener Stationen, also die Sirecke Interlaken WestOst als Haupthahn zu gelten hat. Seit Mitte 1910 stehen wir -vor veränderten Verhältnissen. Nachdem diese Strecke vollständig

923 umgebaut und die Brienzerseebahn eröffnet worden ist, verkehren die Zuge mit den schweren Maschinen und den internationalen Personenwagen bis und ab Interlaken Ost, Die Station Interlaken West ist damit Durchgangsstation geworden. Es kann somit nur die Strecke Interlaken Ost-Bönigen als Nebenbahn erklärt werden.

Gestützt auf vorstehende Ausführungen, empfehlen wir Ihnen den nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses, durch dea die Strecke Interlaken Ost-Bonigen der Lötschbergbahn als Nebenbahn bezeichnet wird, zur Annahme.

Wir benützen auch diesen Anlass, Sie unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 19. Dezember 1917.

Im Namen des schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schulthess.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

Bundesblatt. 69. Jahrg. Bd. IY.

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924 (Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Bezeichnung der Bahnstrecke Interlaken Ost-Bönigen als Nebenbahn.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. zweier Eingaben der Berner Alpenbahn-Gesellschaft BernLötschberg-Simplon vom 15. März 1913 und vom 16. Oktober 1915; 2. einer Eingabe des Regierungsrates des Kantons Bern vom 19. September 1913; 3. einer Botschaft des Bundesrates vom 19. Dezember 1917 ; in Vollziehung der Vorschrift im dritten Absatz der Eingangsbestimmungen der Konzession der Lötschberghahn vom 21. Juni 1913 CE- A. S. XXIX, 127), beschliesst: 1. DieStrecke'" Interlaken Ost-Bonigen der Lötsehbergbahn wird als Nebenbahn bezeichnet.

2. Der » Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses, der am 1. Januar 1918 m Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Bezeichnung der Bahnstrecke Interlaken Ost-Bönigen als Nebenbahn. (Vom 19. Dezember 1917.)

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Jahr

1917

Année Anno Band

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839

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26.12.1917

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914-924

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