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Kreisschreiben des

schweizerischen Bundesrates an die Regierungen der Kantone betreffend die Feier zu Ehren des Niklaus von Flüe.

(Vom 6. März 1917.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Am 21. März jährt sich zum fünfhundertsten Male der Geburtstag des grossen Schweizer Patrioten und Friedensmannes, des seligen Eremiten Nikiaus von Flüe.

Die Gegenwart legt das lebendige Gedenken an diese ehrwürdige Gestalt der Schweizergeschichte nahe. In der Periode der grössten innern Gefährdung der alten Eidgenossenschaft hat Bruder Klaus, über die kleinen Lokalinteressen hinausblickend, das Gewicht seines moralischen Einflusses eingesetzt, nicht nur um einen momentanen Frieden herzustellen, sondern um die losen Bande zwischen den Eidgenossen für die Zukunft enger zu knüpfen, so dass das vielartige Staatsgebilde die Krisen der Reformationszeit zu überwinden vermochte. Durch sein Eintreten für die Aufnahme Freiburgs wurde damals zum ersten Male welsches Gebiet in vollberechtigte Bundesgenossenschaft aufgenommen und so der alte ,,oberdeutsche Bund" über die Sprachgrenze hinaus erweitert.

Damit wurde erst die Grundlage geschaffen für das heutige schweizerische Ideal: das freie Zusammenleben verschiedener gleichberechtigter Stämme und Sprachen, das sich gegenseitige Durchdringen dreier Kulturen. Die ausschlaggebende Rolle des Einsiedlers in diesen entwicklungsreichen Tagen ist nicht nur durch Berichte von Zeitgenossen und Mitwirkenden, sondern auch durch das offizielle Protokoll der Tagsatzung vom 22. Dezember 1481 bezeugt, das den Dank für seine Vermittlung voranstellt.

Auch in die Auslandsbeziehungen der Eidgenossen hat Bruder Klaus, dem der Ruf seiner Frömmigkeit und Weisheit einen internationalen Einfluss verschaffte, im friedestiftenden Sinne eingegriffen. Bis an die Höfe von Innsbruck und Mailand reichen die Spuren seines Wirkens. Die Grundsätze, die er der Regierung von Bern in einem Schreiben vom 2. Dezember 1482 ans

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Herz legt, haben auch heute noch ihre volle Bedeutung: Treue Erfüllung der Bürgerpflichten, Gerechtigkeit, Schutz der Schwachen und vor allem als höchstes Gut und höchstes Ziel der auf Nächstenliebe und gegenseitige Achtung gegründete Friede, und als er noch in den vaterländischen Feldziigen mitgefochten, ist er im Sinne der schweizerischen Kriegsordnung des Sempacherbriefes stets für milde Behandlung der Zivilbevölkerung eingetreten und darüber hinaus für möglichste Schonung der unterlegenen feindlichen Krieger. So ist Bruder Klaus für uns im vollen Sinne ein Gegenwartssymbol, und es ziemt der ganzen Schweiz, an seinem Gedenktage sein Gedächtnis zu feiern.

Als er auf dem Tage zu Stana die Einigung der Eidgenossen zustande gebracht, da ertönte, wie der Brief der Schwyzer an die Stadt Rapperswil vom 23. Dezember 1481 berichtet, im ganzen Lande Glockengeläute ,,dem allmächtigen Gott und auch Bruder Klausen zu Ehre, der auch fast grossen Fleiss und Ernst darin gebraucht hat, dass es mit Freundschaft ab dem Weg kam".

Ja, über das heutige Schweizergebiet hinaus ertönte der Friedensklang; Solpthurn Hess auch die befreundete Stadt Mühlhausen einladen, ^Freude zu läuten von der Einhelligkeit wegen".

Wir laden Sie darum ein, das Gedächtnis des Eidgenossen Bruder Klaus an seinem'Feste durch Erneuerung dieses historischen Glockengeläutes zu ehren und dafür zu sorgen, dass am Vorabend, den 20. März, abends 8 Uhr, alle Glocken des Schweizerlandes erklingen. Gebe Gott, dass dieses Geläute auch jenseits unserer Grenzen ein Echo finde im Geiste des Friedensmannes vom Ranft.

In der Hoffnung, dass Sie obigem Wunsche entsprechen werden, benützen wir auch diesen Anlass, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 6. März 1917.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schulthess.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Kreisschreiben des schweizerischen Bundesrates an die Regierungen der Kantone betreffend die Feier zu Ehren des Niklaus von Flüe. (Vom 6. März 1917.)

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Jahr

1917

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11

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14.03.1917

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357-358

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