49

# S T #

Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde des Dr. Francis Cevey, Arzt in Lausanne, gegen das Tribunal cantonal vaudois, betreffend die Eintragung des Rekurrenten in das Handelsregister als Inhaber der Klinik ,,Sylvana" in Les CroisettesEpalinges ob Lausanne.

(Vom 4. Mai 1917.)

D e r Schweizerische B u n d e s r a t hat über die Beschwerde des Dr. Francis C e v e y , Arzt in Lausanne, gegen das T r i b u n a l c a n t o n a l v a u d o i s betreffend die Eintragung des Rekurrenten in das Handelsregi ster als Inhaber der Klinik ,,Sylvana" in Les Croisettes-Epalinges ob Lausanne, uf den Bericht seines Justiz- und Polizeidepartementes, folgenden Beschluss gefasst: A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Der Arzt Dr. Francis Cevey in Lausanne hat in Les Croisettes, Gemeinde Epalinges ob Lausanne, ein amtlich auf Fr. 500,000 geschätztes Sanatorium (Clinique Sylvana) erstellen lassen, in welchem an Tuberkulose erkrankte Patienten Aufnahme finden.

Von den Unternehmern und Fabrikanten, die für den Bau des Sanatoriums Aufträge erhalten hatten, haben vier für ihre Forderungen noch nicht befriedigte Firmen durch Vermittlung des Rechtsagenten E. Cavin in Lausanne beim dortigen Handels-

50 registerbureau durch Eingaben vom 27. April und 27. Mai 1916 das Begehren gestellt, es sei Dr. Cevey zur Eintragung ins Handelsregister anzuhalten. Diese Gläubiger sind Vulliemin, Mério & Cie., Giroud
Gestützt auf dieses Begehren hat der Handelsregisterführer von Lausanne gemäss Art. 26 der Verordnung vom 6. Mai 1890 den Dr. Cevey aufgefordert, sich zur Eintragung anzumelden. Dr.

Cevey ist jedoch der Aufforderung nicht nachgekommen, sondern hat in einer vom Advokaturbureau G. Pellis & R. Correvon in Lausanne verfassten Eingabe vom 20. Juli 1916 seine Eintragspflicht bestritten. In der eingehenden Begründung wird im wesentlichen folgendes ausgeführt: Anhand des Ragionenbuchs sei festzustellen, dass Privatkliniken wie diejenige des Dr. Cevey weder im Kanton Waadt noch in der übrigen Schweiz in das Handelsregister eingetragen werden. Unter den eingetragenen Kliniken des Kantons Waadt seien nur zwei zu finden, welche als Privatkliniken in gleicher Weise geführt werden, wie diejenige des Dr. Cevey. Auch diese seien nicht zur Eintragung gezwungen worden, sondern haben sich auf Grund von Art. 865, Alinea l, OR freiwillig eintragen lassen.

Bei den übrigen Kliniken seien es dagegen besondere Umstände gewesen, die zur Eintragung Anlass gegeben hätten. Man habe es entweder mit solchen zu tun, die ihrer Natur nach vorwiegend Hotels, Bäder, Erholungsanstalten oder Institute für Personen seien, welche dauernd in Anstalten versorgt werden müssen, oder dann handle es sich um Gesellschaften, die als solche der Eintragung bedurften. Von den Sanatorien des Kantons gehöre nur eines einem Arzt. Die weitaus grösste Zahl der Privatkliniken, von denen einzelne schon seit vielen Jahren bestehen und einen bedeutenden Ruf geniessen, seien nicht eingetragen und es sei doch auffallend, dass solche Kliniken nicht zur Eintragung ins Handelsregister angehalten werden. Auch von den 18 Nervenheilanstalten seien nur vier eingetragen und von diesen gehöre die eine einer Aktiengesellschaft und die andere sei eine Trinkerheilanstalt, bei welcher die ärztliche Pflege nur eine sekundäreRolle spiele.

Zum gleichen Ergebnis führe eine Umschau bei den Kliniken der übrigen Schweiz. Von den eingetragenen sei nur eine kleine Zahl zu den Privatkliniken zu
rechnen. Die Mehrzahl der letztern sei nicht eingetragen. Es ergebe sich hieraus die Tatsache, dass in der Schweiz die Privatkliniken nicht verpflichtet seien, sich ins Handelsregister eintragen · zu lassen.

51 Wenn Art. 13, Ziffer 3, lit. ö, der Verordnung über Handelsregister und Handelsamtsblatt, in Ausführung von Art. 865, AI. 4, OR bestimme, dass zu den nach kaufmännischer Art betriebenen Gewerben, welche neben den Handels- und Fabrikationsgewerben sich ins Handelsregister müssen eintragen lassen, auch diejenigen Gewerbe gehören, die wissenschaftliche oder sonstige spezielle Kenntnisse voraussetzen, und als Beispiele Apotheker, Heilund Kuranstalten, chemische Laboratorien, Buchdruckereien etc.

angeführt werden, so seien damit eben nur diejenigen Unternehmungen gemeint, welche nicht ein wissenschaftliches Ziel im Auge haben, sondern ein gewerbliches, nämlich den An- und Verkauf irgendwelcher Produkte, um aus diesem Umsatz einen Gewinn zu ziehen. Von dieser Erwägung ausgehend müsse der Apotheker ins Handelsregister eingetragen werden, wenn gleich seine Tätigkeit wissenschaftliche Kenntnisse voraussetze, denn es handle sich bei ihm um den Umsatz der Produkte, welche er einkaufe oder selbst herstelle. Die Kur- und Heilanstalten seien zweifellos dann in das Handelsregister einzutragen, wenn sie nicht einem Arzt, sondern solchen Personen oder Gesellschaften gehören, bei deren Tätigkeit der kaufmännische Zweck vorherrsche.

Handle es sich dagegen um die Klinik eines Arztes, so stehe bei ihr das wissenschaftliche Element im Vordergrund oder sei einzig vorhanden. In einem solchen Fall gehöre das Institut nicht ins Handelsregister, weil wissenschaftliche und künstlerische Berufsarten nicht eingetragen werden.

Zweck einer Privatklinik sei die ärztliche Pflege. Die Unterbringung und Ernährung beim Arzt sei durch diesen Zweck be-dingt, weil der Kranke einer fortgesetzten und eine bestimmte .Zeit andauernden ärztlichen Behandlung bedürfe. Aus dem Entgelt für Wohnung und Ernährung der Kranken könne der Arzt keinen Gewinn ziehen, weil die Einrichtung und der Betrieb ·einer Klinik sehr kostspielig sei. Wenn er gegebenenfalls wirklich einen Einnahmenüberschuss erziele, so ergebe sich dieser -aus dem Honorar und nicht aus den Preisen für Zimmer und Pension.

Die ärztliche Pflege stehe insbesondere im Vordergrund bei einer solchen Klinik, wie sie von Dr. Cevey erstellt worden sei, und welche, da an Tuberkulose erkrankte Patienten ^handelt werden, in besonderm Masse den durch die Wissenschaft ermittelten Anforderungen
entsprechen müsse. Dazu komme noch, dass das Heilverfahren des Dr. Cevey häufig chirurgischer Natur .sei und die Aufnahme in die Klinik erfordere, indem chirurgische

52 Eingriffe nicht in der Wohnung des Patienten vorgenommen, werden können. Es sei wohl noch niemandem eingefallen, irgendeinen · berühmten Chirurgen, der eine Privatklinik besitze, als Inhaber derselben zur Eintragung ins Handelsregister zu verpflichten.

Wenn aber Dr. Cevey der einzige unter vielen Inhabern von> Privatkliniken der Schweiz sei, der zur Eintragung ins Handelsregister solle gezwungen werden, so widersetze er sich dieser Zumutung, weil darin eine Verletzung des in Art. 4 BV aufgestellten Grundsatzes der 6-leichheit aller Schweizer vor dem Gesetze erblickt werden müsse.

Anschliessend an seine Ausführungen stellte Dr. Cevey das Ansuchen, die Aufsichtsbehörde über das Handelsregister möchtebeim Gesundheitsrat, beim Chef des Gesundheitsdienstes oder bei der waadtländischen medizinischen Gesellschaft Auskunft einholen über den wissenschaftlichen Charakter der Privatkliniken überhaupt und derjenigen des Dr. Cevey im besondern.

II.

Nach Vorschrift von Art. 26, AI. 4, der Handelsregisterverordnung überwies der Registerführer die Angelegenheit zur Entscheidung an seine Aufsichtsbehörde, das Tribunal cantonal vaudois. Dieses gab zunächst den Unternehmern und Fabrikanten, welche die Eintragung des Dr. Cevey verlangt hatten, Gelegenheit, auf die Eingabe des letztern zu antworten.

Durch Eingabe vom 31. Juli 1916 beantragte das Advokaturbureau Niess & Béguin in Lausanne, namens der Gläubiger des Dr. Cevey, es sei letzterer von Amtes wegen ins Handelsregister einzutragen. Aus der Begründung der Eingabe ist folgendes zu erwähnen : Art. 864, AI. 2, OR stelle die Eintragung bestimmter Personen in das Handelsregister nicht nur dem Registerführer anheim, sondern garantiere auch Drittpersonen das Recht, die Eintragung zu verlangen und dieses Recht könne ihnen nicht durch Berufung auf Art. 4 BV streitig gemacht werden.

Dr. Cevey glaube, die Vorschrift des Art. 865, AI. 4, OR finde auf ihn keine Anwendung, weil die wissenschaftlichen Berufsaüten nicht ins Handelsregister gehören und weil bei Privatkliniken das wissenschaftliche Element das vorherrschende oder ausschliessliche sei. Diese Auffassung dürfe aber nicht dazu führen, die kommerzielle Seite einer solchen Klinik einfach ausser acht zu lassen. Wenn es sich im vorliegenden Falle um ein;

53

Etablissement handle, das auf Fr. 000,000 geschätzt sei und Zinsen samt Steuern allein schon zirka Fr. 30,000 ausmachen, so ergebe sich, wenn hierzu noch die eigentlichen Betriebskosten gerechnet werden, die Notwendigkeit, den Betrieb nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen. Diese Erwägung sei bei der Beurteilung der Eintragspflicht die ausschlaggebende und nicht die Frage, ob der Betrieb tatsächlich nach kaufmännischer Art geführt werde oder nicht (vide Entscheide des Bundesrates vom 3. Dezember 1883 und 28. Februar 1890, erwähnt im Handbuch für die schweizerischen Handelsregisterführer von Dr. L. Siegmund, Seite 22).

Aus Art. 865, AI. 4, OR und aus den in Art. 13, Ziffer 3, lit. b und d, und Schlussalinea der Handelsregisterverordnung enthaltenen Ausführungsbestimmungen, welche im Kreisschreiben des Bundesrates vom 11. Juli 1890 sub Ziffer III, 2, ihre Erläuterung erhalten haben, ergebe sich unzweifelhaft, dass Heilinstitute wie dasjenige des Dr. Cevey ins Handelsregister gehören, wenn ihre jährliche Roheinnahme die Summe von Fr. 10,000 übersteige. Dass dies bei Dr. Cevey zutreffen müsse, sei unmittelbar aus den angeführten Tatsachen zu entnehmen. Von den bestehenden Privatkliniken seien eben nur die kleineren und diejenigen nicht eingetragen, bei welche°n das kommerzielle Element nicht in Betracht falle.

Dr. Cevey habe sich beharrlich geweigert, zugunsten der an der Erstellung der Klinik beteiligten Handwerker ein gesetzliches Grundpfandrecht zu errichten. Da nun diese Handwerker noch nicht bezahlt seien und ihnen keinerlei Garantien zu Gebote stehen, so seien sie gezwungen, von dem ihnen unbestreitbar zustehenden Rechte Gebrauch zu machen und die Eintragung ihres Schuldners ins Handelsregister zu verlangen. Diese Eintragung bezwecke nichts anderes, als den Schuldner der Konkursbetreibung zu unterwerfen und eine gleichmässige Behandlungaller Gläubiger zu sichern.

III.

Durch Entscheid vom 8. August 1916 erklärte das Tribunal cantonal vaudois die Einwendungen des Dr. Cevey als unzutreffend und verpflichtete ihn zur Eintragung ins Handelsregister.

Der Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde stellte zunächst fest, dass die Gläubiger des Dr. Cevey ein offenkundiges Interesse an seiner Eintragung ins Handelsregister und einen'

54 Anspruch darauf haben, dass die.in ihrem Namen eingereichte Eingabe bei der Entscheidung in Berücksichtigung gezogen werde.

Das waadtländische Kantonsgericht stützt sich im weiteren hauptsächlich auf folgende Erwägungen: Die von Dr. Cevey in Les Croisettes errichtete Privatklinik, in welcher an Tuberkulose erkrankte Patienten aufgenommen und ärztlich behandelt werden, sei zweifellos eine Kuranstalt im Sinne von Art. 13, Ziffer 3, lit. b und
Was endlich den wissenschaftlichen Charakter der Privatkliniken im allgemeinen und derjenigen des Dr. Cevey im besondern anbetreffe, so sei keine Veranlassung vorhanden, hierüber gemäss dem Antrag des Rekurrenten ein Gutachten des Oesundheitsrates, des Chefs des Gesundheitsdienstes oder der waadtländischen medizinischen Gesellschaft einzuholen, denn auf diesem Wege könnte die vorliegende Frage, welche juristischer Natur sei, nicht gelöst werden.

IV.

Gegen diesen Entscheid hat Rechtsanwalt G. Pellis in Lausanne, durch Eingabe vom 12. August Ì916, im Auftrag des Dr. Cevey, an den Bundesrat rekurriert.

Zur Begründung seiner Beschwerde beruft sich Rekurrent auf die Ausführungen in seiner Eingabe an den Handelsregister·führer in Lausanne vom 20. Juli 1916 und auf einen Entscheid

55 des Tribunal cantonal vaudois vom 25. November 1908, durch welchen Pensionate als nicht eintragspflichtig erklärt worden seien, weil bei ihnen der Charakter eines wissenschaftlichen Instituts vorherrsche. Gestützt auf diesen Entscheid macht Rekurrent geltend, dass der zum Ausdruck gebrachte Grundsatz bei seiner Klinik a fortiori Anwendung finden müsse, weil bei ihm das wissenschaftliche Element nicht nur das vorherrschende, sondern nahezu das ausschliessliche sei. Ausserdem beantragt Rekurrent die Vornahme eines Augenscheins in seiner Klinik zwecks Feststellung der Tatsache, dass das handelsgewerbliche Moment in seinem Institut vollständig fehle.

V.

Durch Schreiben vom 25. August 1916 zur Vernehmlassung aufgefordert, übermachte das Tribunal cantonal vaudois unterm 12. September 1916 dem Schweizerischen Justiz- und Polizeidepartement die in der Sache erwachsenen Akten, die vom Advokaturbureau Niess & Béguin eingereichte Antwort auf die Beschwerde und ein Schreiben des Dr. Cevey vom 6. Juli 1916.

Aus diesem letztern Schreiben ist zu entnehmen, dass das Personal der Klinik aus dem Chefarzt, einem Assistenten, einer Directrice, einem Sekretär, einer Gouvernante, zwei Krankenwärterinncn und weiterm Personal für verschiedene Verrichtungen besteht. Zurzeit sind 20 Betten besetzt. Ein besonderer Pensionspreis ist nicht bestimmt, da alle Patienten sich in ärztlicher Behandlung befinden. Der niederste Preis beträgt Fr. 14 per Tag.

Die kantonale Aufsichtsbehörde bemerkt hierzu in ihrem Schreiben vom 12. September 1916, dass die Clinique Sjlvana über 60 Betten verfüge.

In Beantwortung der Beschwerde beruft sich Dr. Béguin namens der Unternehmer Vulliemin, Mério & Cie. und Konsorten auf seine Eingabe vom 31. Juli 1916 und bestätigt deren Antrag und Begründung.

VI.

Entsprechend dem Begehren des Rekurrenten hat das Schweizerische Justiz- und Polizeidepartement den Conseil de Sauté et des Hospices du Canton de Vaud ersucht,' nach vorgängiger Besichtigung der Clinique Sylvana sich darüber auszusprechen, welche Bedeutung im Betrieb der Klinik dem wissenschaftlichen Elemente zukomme.

Bundesblatt. 69. Jahrg. Bd. III.

5

56 Das hierauf eingegangene Gutachten vom 28. Februar 1917 .

spricht sich in der Hauptsache dahin aus, dass das von Dr. Cevey angewandte Heilverfahren die Aufnahme in die Klinik erfordere, und dass letztere ein Institut darstelle, in welchem das wissenschaftliche Element, wenn auch nicht das ausschliessliche, so doch das vorherrschende sei.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

I.

Die Klinik Sylvana des Dr. Francis Cevey in Les CroisettesEpalinges, deren Grundsteuerschatzung Fr. 500,000 beträgt, ist mit 60 Betten versehen und beschäftigt ein zahlreiches Personal.

Zurzeit sind 20 Betten besetzt. Wenn nun auch nur diese Betten während 300 Tagen im Jahre besetzt sind, so beträgt bei Zugrundelegung des niedersten Pensionspreises von Fr. 14 per Tagdie jährliche Bruttoeinnahme Fr. 84,000. Rechnet man 30 besetzte Betten, so steigt die Jahreseinnahme auf Fr. 126,000.

Im Tagespreis ist das Honorar für die ärztliche Behandlung inbegriffen, denn für letztere wird nach Angabe des Rekurrenten, kein besonderes Honorar berechnet. Auf jeden Fall ist für die Pension im engern Sinn mehr in Anschlag zu bringen als für das ärztliche Honorar. Beim Minimalpreis von Fr. 14 per Tag wird man für Kost und Unterkunft Fr. 9 bis 10, also etwa 2/» des Tagespreises rechnen können, so dass nur etwa l/s oder Fr. 4--5 als ärztliches Honorar in Betracht kommen würde.

Es ist ohne weiteres klar, dass ein Unternehmen von dem Umfang der Klinik Sylvana nur dann rationell betrieben werden kann, wenn es nach kaufmännischer Art geführt wird. Ist aber mit dem Betrieb notwendigerweise eine kaufmännische Geschäftsführung verbunden, so besteht für den Inhaber des Unternehmens gemäss Art. 865, AI. 4, OR auch die Pflicht, sich ins Handelsregister eintragen zu lassen. Die Handelsregisterverordnung vom 6. Mai 1890, welche die Vorschriften über den Vollzug dieser Gesetzesbestimmung enthält, zählt denn auch ausdrücklich die Heil- und Kuranstalten unter den eintragspflichtigen Gewerben auf (Art. 13, Ziffer 3, lit. b und d).

Die Frage, ob Rekurrent allenfalls deshalb nicht zur Eintragung könne angehalten werden, weil sein Unternehmen nicht den in Art. 13, letztes Alinea, der zit. Verordnung bezeichneten

57

Minimalumfang aufweise, muss verneint werden. Die jährliche Roheinnahme übersteigt die Summe von Fr. 10,000 um ein Vielfaches ; ob Rekurrent ein Warenlager im Durchschnittswert von wenigstens Fr. 2000 besitzt, ist nicht ermittelt worden. Es würde aber zweifellos dem Sinn und Geist von Gesetz und Verordnung nicht entsprechen, wenn Unternehmungen vom Umfang der Klinik Sylvana von der Eintragspflicht nur deshalb entbunden würden, weil ihr Warenlager nicht den Wert von Fr. 2000 erreicht.

Denn der grössere oder kleinere Bestand des Lagers würde am Charakter des Unternehmens als einem nach kaufmännischer Art geführten Gewerbe nichts ändern. Ausserdem muss in Betracht gezogen werden, dass sich die Verhältnisse seit Erlass der Verordnung vom 6. Mai 1890 insofern geändert haben, als heute die Grosse des Warenlagers für die Beurteilung des Betriebsumfangs von Pensionen, Hotels, Wirtschaften, Kuranstalten etc.

(Art. 13, Ziffer 3, lit. d, der Verordnung) kaum mehr von wesentlicher Bedeutung sein kann. Denn viele der für die Verabreichung an die Pensionäre bestimmten Heil-, Nahrungs- und Genussmittel können in vorteilhafter Weise jeweilen direkt für den Gebrauch bezogen werden, so dass, abgesehen etwa von Weinen und Spirituosen und denjenigen Nahrungsmitteln, für welche normaler Weise in jeder Haushaltung kleinere oder grössere Vorräte gelegt werden, die Unterhaltung eines ständigen Warenlagers auch bei grösseren Betrieben nicht erforderlich ist. Ist aber ein Warenlager im Sinne der Verordnung gar nicht vorhanden, so kann für die Beurteilung der Eintragspflicht einzig der Umsatz massgebend sein, wie dies der Bundesrat bereits in seinem Kreisschreiben vom 11. Juli 1890 sub Ziffer III, 2, klar zum Ausdruck gebracht hat.

II.

Rekurrent hat nun sein Begehren um Befreiung von der Eintragspflicht damit begründet, dass er geltend machte, Heilund Kuranstalten seien nur dann ins Handelsregister einzutragen, wenn bei ihrem Betrieb das handelsgewerbliche Moment das ausschliessliche oder vorherrschende sei, nicht aber, wenn der wissenschaftliche Zweck des ärztlichen Berufes im Vordergrund stehe, wie dies bei der Klinik Sylvana tatsächlich der Fall sei.

Diese Auffassung ist irrtümlich.

Allerdings wird nach allgemein geltender Rechtsanschauung die Tätigkeit des Arztes nicht als Gewerbe betrachtet, sondern als wissenschaftliche' Berufsart, und deshalb wird auch der Arzt

58 nicht ins Handelsregister eingetragen. Allein, es ginge zu weit und würde den Intentionen des Gesetzgebers und der vollziehenden Behörde nicht entsprechen, wenn Heil- und Kuranstalten, die ausdrücklich von der Verordnung als ointragspflichtig bezeichnet werden, dann nicht eingetragen werden tnüssten, wenn sie einem Arzt gehören und wenn geltend gemacht werden kann, das wissenschaftliche Moment des ärztlichen Heilverfahrens stehe beim Betrieb im Vordergrund. Alle Kuranstalten werden mehr oder weniger in ihrem Betrieb wissenschaftlichen Richtlinien folgen und gleich dem Arzte die Heilung des Patienten im Auge haben, und es dürfte sich kaum rechtfertigen, die Heil- und Kuranstalten und also auch die Privatkliniken in der Weise verschieden zu behandeln, dass bei den einen ein Vorherrschen des wissenschaftlichen Elementes und damit die Befreiung von der Eintragspflicht angenommen wird, bei ändern dagegen nicht. Eine wirklich zuverlässige Grenze lässt sich kaum aufstellen, und es bleibt eben bei solchen Kliniken, wie derjenigen des Dr. Cevey, wo das wissenschaftliche Element als das vorherrschende bezeichnet wird, neben diesem das handelsgewerbliche Element gleichwohl bestehen, welches erfordert, dass der Betrieb und auch die Buchführung nach kaufmännischen Grundsätzen eingerichtet werden.

III.

Wenn sodann geltend gemacht worden ist, es seien bisher Privatkliniken nicht zwangsweise ins Handelsregister eingetragen worden und der angefochtene Entscheid des waadtländischen Kantonsgerichts enthalte somit eine rechtsungleiche Behandlung des Dr. Cevey gegenüber ändern Ärzten, die eine Privatklinik besitzen, so erweist sich auch dieser Einwand bei näherer Prüfung als unbegründet. In der Tat scheint bis jetzt die Meinung vorherrschend gewesen zu sein, Üer Arzt, welcher als Vertreter einer wissenschaftlichen Berufsart nicht ins Handelsregister gehöre, sei auch dann nicht eintragspflichtig, wenn er Inhaber einer Privatklinik sei. Diese Auffassung war aber nicht nur von Einfluss auf die Praxis der kantonalen Handelsregisterbehörden, sondern auch auf das Verhalten der Drittpersonen, welche ein Interesse an der Eintragung eines bestimmten Klinikinhabers gehabt hätten. Gemäss Art. 864, AI. 2, OR und Art. 26 der zit. Handelsregisterverordnung steht jedermann das Recht zu, in einem bestimmten Fall die Eintragung zu verlangen und eventuell durch Weiterziehung des Begehrens einen Entscheid der obersten Auf-

59 Sichtsbehörde zu erwirken, was mit Bezug auf Inhaber von Privatkliniken bis jetzt noch nicht geschehen ist.

Ähnliche Erscheinungen sind auch auf andern Gebieten der wirtschaftlichen Tätigkeit zu beobachten, insbesondere da, wo sich die Eintragspflicht nicht ohne weiteres aus den Vorschriften des Gesetzes oder Verordnung ergibt. In solchen Fällen sind Entscheide der obersten Aufsichtsbehörde erforderlich, um die Praxis im Sinne einer möglichst gleichmässigen Erfüllung der geltenden Vorschriften über die Eintragspflicht weiter zu entwickeln.

Demgemäss wird e r k a n n t : Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 4. Mai 1917.

Im Namen des Schweiz, ßundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Schulthess.

Der Vizekanzler : David.

# S T #

Ans den Verhandlungen cles Bundesrates.

rVom Ì. Mai 1917.)

Der Bundesrat hat in Anwendung von Art. 2 des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung der vom Kantonsrat des Kantons Appenzell A.-Rh. am 31. März 1917 erlassenen Verordnung zum Gesetz betreffend die Krankenversicherung die Genehmigung erteilt.

Mit einer Eingabe vom 3. April lfd. Js. hat der schweizerische Bäcker- und Konditorenverband das Gesuch gestellt, den

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluss über die Beschwerde des Dr. Francis Cevey, Arzt in Lausanne, gegen das Tribunal cantonal vaudois, betreffend die Eintragung des Rekurrenten in das Handelsregister als Inhaber der Klinik ,,Sylvana" in Les Croisettes-Epalinges ob Lau...

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1917

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

19

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

09.05.1917

Date Data Seite

49-59

Page Pagina Ref. No

10 026 370

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.