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Schweizerisches Bundesblatt.

XXIV. Jahrgang. 1..

Nr. 6.

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10. Februar 1872.

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des

Bundesgerichts an die hohe Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahr 1871.

(Vom 29. Januar 1872.)

Tit.l Jm abgelaufenen Amtsjahre stellte sich die bundesgerichtliche B r o z esssta t i st i k wie f o l g t : Laut letztjährigem Geschäftsberichte waren am 1. Januar 1871 unerledigt geblieben .

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. 1 5 Rechtfälle.

Jm Laufe des Jahres gieuge.. ein .

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.19 ,, zusammen Davon wurden im Jahr 1871 erledigt: durch außergerichtlichen Vergleich .

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., Annahme der instruktionsrichterlichen Anträge

,, bn..desgerichtliches Urtheil .

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34 Rechtste.

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.12

Zusammen

1 9 22

so dass am 31. Deeember 187l. noch unerledigt blieben 12 Streitfälle.

Bundesblatt. Jahrg.XXIV. Bd.I.

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^6 Sie sehen hieraus, dass die Tätigkeit des Bundesgerichts im Vorjahr ungefähr in gleichem Maass , wie schon seit ein.^r Reihe von Jahren in Anspruch genommen wnr.^e ; nn.^ z.^ar bildeten auch im Jahr l 87l Ehescheidungen die grosse Mehrzahl der pou dem V.nndes^ Bericht durch Urtheii erledigten Streitsachen, indem ansser denselben nur d r e i andere Rechtsfragen beschlugen..

Diese drei anderartigen Rechtssälle waren folgende : 1. Eine von der Regierung des Kantons Z ü r i c h gegen die Regierung des Kantons Sch.v.^z gesührte Klage aus . A n e r k e n n u n g eines, im Hausgang des Jaeob Appenzeller in Hongg (Kantons Zürich^ ausgesehen , angeblich von der Maria Kälin von Einsiedeln gebornen Kindes. Jl^.e Behanptn^g, dass das Kind von der Maria Kälin herrühre, stü^te die Regierung von Zürich anf die Ergebnisse einer von der züreher Staatsanwaltschaft gegen dieselbe wegen^einer Ausse^ung augehobenen, aber nicht zum Ab.^ schluss gebrachten Untersuchung , wogegen die Regierung von Schw^z einwendete : die Mutterschaft der Maria Kälin sei nicht erwiesen, und es falle somit das Kind der Gemeinde Ho..gg, in welcher es gefunden wurde , als heimathl.erechtigt z^. Das Bundesgericht wies die Regierung vou Zürich mit ihrer Klage ,,zur Z e i t ^ ab, und zwar .^eftü^ auf -^e Erwägungen: ^ ^,dass zwar in einem Eivilprozess strafrechtliche Ulkten sehr wohl als Beweismittel gebraucht werben konnen. dass aber die mit Rücksicht ans die Kindesansse^ung gesührte Strasnntersnchnng selbst zu keinem .^lbschlnss gebracht , geschweige die Jde..tit..t des ausgesehen Kindes mit dem vo^ der Maria Kälin gebornen her-

gestellt ist.^

2. Eine Klage des Vostl.ondukteurs G s e l l e r in Bern gegen das e i d g e n o s s i s c h e V o s t d e p a r t e m e n t a..f Schadensersal^ wegen einer schweren Korperverle^u..^ , welche ersterer , als er im Bostwagen seinen Dienst verrichtete, am 11. ^ebrnar l870 ans der Station Romont in ^olge Znsan.^ueustosses zweier Züge erlitt, und zwar derart, dass sich hieraus.. eine unheilbare Gehir..kranl^eit

des Klägers entwickelte. Die Hauptfrage, welche in diesem Falle

^nnächst zu entscheiden w a r , war eine p r o z e s s u a l i s c h e , nämlich: ob das eidgenossische Bostdepartem.eul. der r e c h t e Beklag t .^ sei, oder ob nicht vielmehr der Kläger, da sein Unfall unzweifelhaft Folge einer Nachlässigkeit im Eisenbahndienste war , sich au die ^..triebsunteruehmer der Eisenbahnen ^er..^reibu.^Lausanue zu halten habe ^ --- Das Bunde.^erieht nahm die B.la^gbarkeit des eidgenossischen Vostdepartements aus deui Grunde an , weil das-

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selbe in einem an^ den Vertreter des Herrn .^seller gerichteten

Schreiben vom l 7. September 1870 sich selbst als belangbar erklärte , immerhin in den.. Sinne , dass den. Bostdepartemeut der Rückgriff auf die erwähnten ^..etriebsunternehmex offen stehen^ soll.

Die Entschädigungssumme selbst wurde ans Fr. 20,000 festgestellt.

3. Eine Klage der Regierung des Kantons Zürich gegen die Re-

gierung des Kantons S c h a s s h a u s e n ans heimatl..rechtliche AnErkennung eines, angeblich von einer gewissen Ursula Walter von Sibliugen, Kantons Schafshausen , am l3. Januar 186l in Eolmar ausserehelich geborgen Knaben Emil Arnold Walter.

Die Regierung von Zürich kam nämlich in diesem Fall dadurch in ^ie Lage, als Klägerin gegen den Kanton Sehasfhauseu anszutreten, dass die Ursula Walter in der Folge (l 864^ den Elias Weber ven Wezikon ^Kantons Zürich) ehelichte, und dass der Knabe Emil Arnold Walter im Jahr l 8^.8 aus dem Elsass in das Haus der Eheleute W^.ber gebracht worden war und seither hier wohnte. Die nicht uninteressante Rechtslage reduzirte siel.

im Grnn^e daraus: ob der bei den Eheleuten Weber ausl.ältliche Knabe Emil Arnold Walter als i d e n t i s c h ni i t dem von der U r s n l a W a l t e r a u s s e r e h e l i c h g e b o r n e n K i n d e a n zus e h e n sei o d e r n i c h t ^ Geftü^t ans einen sehr inklu.^e..ten J..zichtenbeweis nahm das Gericht diese Jdentität an und sprach demzufolge den Kuaben den. Kautou ^^.hasfhausen zn , indem ,,sowol nach znrcher als nach sehasfl^anser Recht ein ansserel.^elieh gebornes Kind dem Heiu.athreeht d^..r Mutter folge und zufolge eines allgemein anerkannten Grundsa.^.s dieses Heimathreeht auch ^daun b.^l.^alte, weun die Mntter später dnrch Verehelichnng es verliere.^ Znm ersten M..l seit einer Reihe von Jähren beschäftigte im Jahr 1871 wieder ein S t r a f f a l l das .^undesger^cht, beziehungsweise dessen betretende Abtheiln^geu, näu.lich der bekannte z ü r c h e r . T o n h a l l e -

k r a v a l l vom 9. bis 1l. M...rz vorigen J..^l^r...s.

Rachdem dieser ^all, in Folg.. der eidg^nossischen Jntervention , den ei^geuossisehen Assisen znr Benrtheilung anl.^einig..sall...n war, wnrde die Untersuchung von dem eidgenossisehen Jnstrnkti^nsriehter ^uit Energie betrieben, so ^ass der ^undesanwalt schon ani 24. April seine motivirten ^tr..fa..trage einreichen nn.^ die Ankiagekamnier schon am 2. Mai über die Versel^...g in ...tnk^ge^.stand erkennen konnte. Wie man weis, ^wurden von derselben 45 Jndividuen wegen Theilnahme an den.. gedachten Kravall in Anklage^ustaud vers...^t und den ei^geuossischen Assisen des lll. Bezirkes znr Beurteilung überwiesen.

Das,

1^ übrigens bekannte, Ergebniss der Strasverhandlungen übergehen wir, indem es nicht dem bnndesgerichtlichen Protokoll anheimgefallen ist.

Jndem wir hiemit unsere Berichterstattung schließen , benu^en wir den Aniass, Sie unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 29. Januar 1872.

namens des schwer. Bundesgerichtes, Der Vrasident: Engine Borel.

Der Bundesgeriehlsschreiber :

I)r. .^. ^. planta.

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Bericht des Bundesgerichts an die hohe Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahr 1871. (Vom 29. Januar 1872.)

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10.02.1872

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185-188

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