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Schweizerisches Bundesblatt

XXIV.gahrgang. IH.

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Nr. 50.

9. Nooember 1872.

Bundesrathsbeschluß in

Sachen der Société des Charbonnages et Hauts-Fourneaux du Valais.

(Vom 26. Juni 1872.)

Der schweizerische .-Bundesrath hat in ©achen der Société des C h a r b o n n a g e s et H a n t s - F o n r a e a u x du V a l a i s , betreffend ©eriehtsstand und Arrest;

nach angehörtem .-Serichte des Justiz- und .-Polizeidepaxtementä und noch Einsicht der Akten, woraus sich ergeben: I. Jm Dezember 1865 bildete sich in ®enf eine Aftiengesellschaft unter dem ..'.amen Société des Charbonnages et Hants-Fourneaux du Valais. Als deren 3wek wird im Art. 1 der ©eseaschaftsstatnten 1>es eichnet: die Ausbeutung der Eisenminen und der-Setrieb der Hochöfen n Ardon (WattiS), serner die Ausbeutung der Kohlenbergwerke bei den Ortschaften ®rone, Ehipjns und Shablais, sowie überhaupt die Ausbeutung der Kofjlenminen und der -.Öetrieb von Eisengiessereien im Santon Wallis. Als @ij der ©eseaschast wurde die Stadt ©ens beiei.--hi.et (Ari?. 3 ,d« «Statuten).

II. ..UZ.t Eingabe pom 15. Februar 1872 machte nun Hr. Advokat Sgnace Duner in Val d'Jlliez (Wallis), Sìamens der erwähnten ®eellschaft, folgende -Beschwerde anhängig : aundeSSIatt. Sahtg. XXIV. ab. III-

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...lm 15. Juli nnd 2. August 1871 habe Hr. Advokat Ribord^ i^ Sitten, als Anwalt der Bank von Wallis, für eine Ansprache an die Gesellschaft im Betrage von ^r. 100,000, einen Sequester aus das Hüttenwerk in Ardon ausgewirkt, und hierauf die Gesellschaft zur ......erhandlung über diesen Sequester vor das Bericht von Eonthe^ (Wallis) vorgeladen. Die Gesellschaft habe jedoch, gestüzt auf den Art. 3 ihrer

Statuten, mit Exploit vom 8. August 1871 die Kompetenz der Walliser.

Berichte bestritten; allein der Präsident des Gerichtes habe sich zum Urtheile über die Gültigkeit des Sequesters für zuständig erklärt, weil ^emäss Art. 424 der Zivil^rozess-Ordnung des Kantons Wallis die Beschlagnahme von Liegensehasten auch in dem Falle, wenn der Sch.nldne...

nicht im Kanton wohne, unter der Amtsgewalt des Richters jener Gemeinde geschehe, ^vo die ...etressenden Liegenschaften sich befinden.

Jn diesem Urtheile habe der Richter dem Art. ...24 der ZivilBrozess-Ordnung eine Auslegung gegeben, die schon nach dem Art. 1.^ des gleichen Gesezbuch.es nicht zuläss^ sei. .^as Urtheil stehe aber anch im Widerspruche mit Art. 50 der Bundesverfassung. ^um Beweise hiesür werde ans die in Ullmer's staatsrechtlicher Bra^ls Rr. 247 u. ss.

ausgeführten Entscheide der Bundesbehorden verwiesen.

Hr. Advokat Durier sehloss mit dem Antrage, es mochte das erwähnte Urtheil ausgehoben und die Bank von Wallis angewiesen werden, die ...ekurrirende Gesellschaft für personliche Ansprachen an ihrem Siz in Gen^ zu belangen.

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Aus diese Beschwerde antwortete Hr. Advokat Ribordi.. mit

Eingabe vom 28. Mai 1872 wie folgt:

Die Gesellschaft des Charbonnages et IIauts^ournean^ dn Valais.

habe bald naeh dem Beg.nn .hres Geschastsvetr.eves in Ardon ve^ der Bank von Wallis einen Eonto^Eurrent erossnet. Anfänglich habe die Gesellschaft die von ihrem Direktor bezogenen Darlehen regelmässig aedekt. Bald jedoch sei dieselbe säumig geworden, während der Direktor gle.chwohI Wechsel auf d.e Bank abgegeben habe, d.e jedo^ zum grossten theile unbezahlt ^urükgekommen seien. Jn Folge dessen schulde die Gesellschaft der .Bant den betrag von ^r. ...^^,l..^.

Gegen Ende des Jahres 1870 habe die Gesellschaft ihren Betrieb eingestellt, ohne seither ^den Verpflichtungen und Versprechungen gegenüber der Bank ^olae ^n aeben. Sie habe vielmehr die Liegenschaften zu verkaufen gesucht und überhin Miene gemacht, die Gültigkeit einer Hypothek anzustre.ten, welche snr den Betraa von ^r. ^l),^^ von e.nem srühern Direktor der Gesellschaft zn Gunsten der Ban^ bestellt worden sei. Die Lettere habe desshalb mittelst Sequesters sichere Rechte auf das vorhandene Al^vvermogen zu erlangen gesucht.

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Eine Beschwerde^ hiegegen fei Verfrüht . indem vorher der kantonale Jnstanzenzug durchzumachen sei. Sie fei abex auch unbegründet.

Laut den Statuten der Gesellschaft (Art. 3) habe diese allerdings den Siz in Genf. Diese Bestimmung habe aber nur den Sinn, dass die Versammlungen der Aktionäre dort stattfinden sollen uud allfällig unter ihnen entstehende Streitigkeiten vor dem dortigen Richter auszu-

tragen seien. Mit dieser Auffassung stehen auch die Artikel 66 und 67

der Statuten, handelnd von dem Gerichtsstand .e. zur Austragung von Prozessen zwischen den Gesellsehastsmitgliedern, vollig im ..^inklange.

Gegenüber Dritten dagegen konne die Gesellschaft sich nicht aus jenen Art. 3 der Statuten berufen. Sie habe ihre Unternehmungen einzig aus den Kanton Wallis ausgedehnt, wie schon in den Statuten Art. 1, 22 uud 23 ein^g dleser Kanton als das Feld ihrer Thätigkeit bezeichnet sei. Ferner seien die sämmtlichen Etablissemente der Gesellschast in Ardon gelegen, von wo aus die Direktion das Unternehmen geleitet habe.

Die Gesellschaft habe also ihr tatsächliches Domizil im Wallis, und dieses Dom^il. müsse sür Dritte massgebend sein. Sie sei auch bis dahin nie angestanden, aus Klagen sich einzulassen, die vor den Walliser Gerichten gegen sie angehoben worden seien. Dazu komme, dass die von dem Direktor der Gesellschaft aus die Bank von Wallis gezogenen

Wechsel sämmtlich in Ardou domizilirt und dass die Statuten im Kanton Wallis nie publizirt worden seien.

Gemäss Art. 34 uud 37 des .^ivilgese^buches des Kantons Wallis müssen alle im Kanton residirenden Bersonen (auch die juristischen) ein Domizil haben, uud zwar sei dieses Domizil an dem Orte, wo das Hauptetavl.uemeut uch benn^e. ^ur d..e ^.o.^ete des Charbonnages et Hants^Fonrnea.^ du Valais sei also auch das rechtliche Domizil in Ardon.

ferner sei eine Handelsgesellschaft gemäss der Walliser Gesezaebung verpflichtet, ihre Statuten dem ^taatsrathe zur Genehmigung vorzulegen und d.e Grundunasurtunde auf dem .^vpothekarbureau des Kre.ses, wo sie etablirt sei, einschreiben. zu lassen. Auch^ hieraus folge, dass jede Haudelsgesellschaft e.u Dom.z.l .m Kauton haben musse (Art. 19^4 des B. G. B.).

Die Rekurrentin habe diese Vorschriften nicht ersüllt. um so mehr müsse die allgemeine Regel des Art. 34 des B. G. B. Vlaz greifeu. Wenu nun der Richter am Domizil der Rekurrentin sür die Behandlung der Arrestl^lage sich zuständig erklärt habe, so konne hierin ke.ne Verlegung des Art. .^0 der Bundesverfassung erbl.rt werden. .

Uebrigens begründe der von der Bank von Wallis ausaewirkte Se^uester keine persouliche Ansprache ; vielmehr sei er nur eiue Sicherheitsmassregel, wodurch dem Gläubiger ein hypothekarisches Recht auf die zur Sicherung der Forderung m.t Beschlag gelegten Jmmob.l.en gewahrt

werde (Art. 424 und 426 der Zivil^Brozess-Ordnung,.. Die Bank habe

^ die Arrestklage nach Vorschrift des Gesezes bei dem Richter der gelegenen Sache anhängig gemacht, und es stehe dieses Versahren selbst dann, wenn die rekurrirende Gesellschast das Domizil in Genf hätte, nicht im Widerspruch^ mit dem Art. 50 der Bundesverfassung.

J n Erwägung:

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1^ Wenn die Varteien darübe.. streiten^ ob Art. 3 der Statuten welcher Genf als Siz der Gesellschaft bestimmt, den Sinn habe, ^dass auch dort der Gerichtsstand für Forderungen bitter an die Gesellschaft se., oder ob er nur den Ort der Versammlungen der Att.onare und das Forum für Streitigkeiten unter Gesellsehastsmitgliedern bezeichne, s...

hat dieses für die Entscheidung der Gerichtsstandssrage keinen bestimmende... Einfluss.

2) Es ist konstant, dass die Gesellschaft nicht etwa bloss für einzelne gewissermaßen lokalisirte Reehtsgeschäste ein Domizil im Danton Wallis genommen hat, sondern dass ihr wirkliches allgemeines Domizil dort sieh befindet. Schon die Statuten bezeichnen im Art. 1 als Zwek der Gesellschaft die Ausbeutung und den Betrieb von Minen und Hochofen im Kanton Wallis, es befindet sich die gesammte Unternehmung aus dem dortigen Ge-

biet; dort sind auch alle Eta.^lissemente, dort ist die Direktion, die alle.

Geschäftszweige leitet,

nothig ist.

kurz alles, was zur Betreibung des Geschäftes

3) Bei dieser Sachlage ist es ohne rechtliche Bedeutung, wenn die Gesellschaft mit Umgehung der Walliser Geseze die Statuten der

Regierung nicht vorgelegt und kein Domizil verzeiht hat. Dieses Do^

mizil liegt in den ausgezählten tatsächlichen Verhältnissen, daher die Gesells.hast aueh vor dortigen Gerichten für ihre Rechtsgeschäfte Rede und Antwort zu geben hat .

beschlossen: 1. Es sei der Rekurs als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß sei dem Staatsrathe des Kantons Wallis für Ribordr^ in Sitten als Anwalt der Rekursbeklagten Bank von Wallis.

sich und zuhanden des Gerichtes von Eonthe^ und des Hrn. Advokat

sowie dem Hrn. Advokat Durier in Val d^Jlliez als Anwalt und zuhande^ der Rekurrentin mittheilen.

Also beschlossen in Bern, den 26. Juni 1872.

Jm Ramen des schweiz. Bundesrathes,

Der Bundespräsident: .^elti.

Der Kanzler der Eidgenossenfehast:

S^.

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Bundesrathsbeschluß in Sachen der Société des Charbonnages et Hauts-Fourneaux du Valais. (Vom 26. Juni 1872.)

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09.11.1872

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