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Aus den Verhandlungen des schweizerischen Bundesrathe.

(Vom 19. April 1872).

Veranlasst durch eingelangte Beschwerden, dass in gewissen Kantonen die Eintraguug auf die Stimmregister durch zu weit gehende Formalitäten erschwert werde, beschloß der Bundesrath, an sämmtliche Kantonsregierungen folgendes Kreisschreiben zu rieten : getreue, liebe Eidgenossen l ,,Die bevorstehende Abstimmung über die Bundesverfassung veranlasst uns, bezüglich des Stimmrechtes derjenigen Schweizerbürger, welche nicht in ihrem He.matkanton wohnen und deshalb in einem andern Kanton ihre Stimme abgeben wollen, einige Wegleitungen zu geben, da in dieser Beziehung verschiedene Ansichten zu walten scheinen, die nothendig zu ungleicher Behandlung dieser Klasse von Bürgern führen müssten.

,,Es scheint uns daher behufs der Erzielung von möglichst gleichmassigen Grundsäzen, sowie zur Vermeidung weiterer Beschwerden, geboten zu sein, dass wir den Sinn und die Tragweite der massgebenden Bundesvorschxisten allen Kantonen, sowie den betheiligten Bürgern vorlegen, und sodann einige Bemerkungen über die den Kantonen daneben zustehenden Besugnisse beifügen.

^Zunächst wollen wir darauf aufmerksam machen, dass die BundesVersammlung sur die Abstimmung über die Bundesverfassung besondere Vorsehristen aufgestellt hat, die in dem Bundesgeseze betreffend die Revision der Bundesverfassung vom 5. März 1872 enthalten sind und lauten wie folgt: ,,,,Art. 5. Zur Theiinahme an dieser Abstimmung ist jeder Schweizerbürger berechtigt, welcher bei den Wahlen in den schweizerischen Nationalrath stimmfähig ist.

,,.,Es ist jedoeh den Kantonen gestattet, mit Bezng auf das für die Stimmbereehtigung erforderliche Alter die Vorschriften ihrer kantonalen Gefezgebung zur Anwendung zu bringen, sofern nach denselben das Stimmrecht schon vor zurükgelegtem zwanzigsten Altersjahre beginnt.

.,.,Art. 6. Jeder Kanton ordnet die Abstimmung auf seinem Gebiete an. Dieselbe ist gemeinde- oder kreisweise vorzunehmen. Den Kantonen bleibt es überlassen, zu bestimmen, ob die Abstimmung offen.

834 oder geheim erfolgen s...ll. Jm Uebrigen finden auf dieselbe die in jedem Kanton für Abstimmungen in Versassungsangelegenheiten bestehenden Vorschriften Anwendung. ^ ,,Diese Bestimmungen sind wörtlich die gleichen, wie fie schon fitr die Abstimmung über die Bundesrevifion vom Jahr 1865 aufgestellt

und zur Anwendung gebracht worden sind (Amtl. Samml. Bd. VIII, S. 652, Art. 6 u. 7). Sie sind der Ansieht entsprungen, dass fiix

die Abstimmung über das schweizerische Grundgesez ein liberaler Standpunkt eingenommen werden müsse und dass nieht Art. 42 der bestehenden Bundesverfassung die Regel bilden dürfe, wonach bloss die Riedergelassenen zu.. Abstimmung befähigt, die blossen Aufenthalter dagegen ausgeschlossen wären. Es wurde vielmehr das Brinzip des Art. 63 der Bundesverfassung adoptirt, wonach das Stimmxeeht bei eidgenösfifi.hen Wahlen von der Beschränkung der Niederlassung befreit und unbedingt allen Schweizern gewährt ist, welehe im Uebrigen die erforderlichen Eigenschaften befizen.

,,Was nun die F o r m der Abstimmung betrifst, so ist der obenerwähnte Art. 6 in Verbindung mit den andern Vorschriften des Verfassungsgesezes hinlänglich klar, und es mag nur etwa die Bemerkung hier Vlaz finden, dass, da für das eidgenössische Votum gemeinde- oder kreisweise abgestimmt werden muss, auch in den Landsgemeinde-Kantonen kein anderes Verfahren stattfinden darf.

,,Die Frage des . m a t e r i e l l e n W a h l r e c h t e s anlasst uns zu einigen nähern Eroberungen.

dagegen per-

,,Jn dem oben herausgehobenen Art. 5 des Revisionsstatuts ist diessalls der allgemeine Grundsaz ausgestellt, dass jeder Schweizerbürger stimmberechtigt sei, welcher bei den Wahlen in den Nationalrath stimm-

fähig sei.

,,Run ist nach Art. 63 der ..Bundesverfassung bei diesen Wahlen jeder Schweizer stimmberechtigt, der das zwanzigste Altersjahr zurükgelegt hat und im Uebrigen nach der Gesezgebung des Kantons, in welchem er seinen Wohnfiz hat, nicht vom Aktivbürgerreeht ausgeGlossen ist.

,,Es ist also bundesreehtlich festgestellt, dass das Stimmrecht über die Vundesversassnng in der ganzen Schweiz mit zurükgelegtem zwanzigsten Altersjahr eintritt, es wäre denn, dass einzelne Kantone gemäss ihrer kantonalen Gesezgebung das Stimmrecht sehon früher eintreten dessen, in welchem Falle dieselben verpflichtet find, die Angehörigen anderer Kantone gleich zu halten, wie ihre eigenen Angehörigen.

,,Ein weiteres Ersorderniss ist nur noch der Befiz des Aktivbürgerrechtes am Wohnfiz.

835 ,,Diese Eigenschaft wird von demjenigen, der darauf Anspruch macht, bewiesen werden müssen ; im Sinne des Revisionsstatuts a.bex ist zu erwarten, dass ein solcher Beweis nur da ...erlangt w e r d e , w o g e g r ü n d e t e Z w e i f e l w a l t e n , und gemäss Art. 4 der Bundesvexsafsung ist gefordert, dass die Kantone auch hierin die Angehörigen der andern Kantone gleich halten wie ihre eigenen Bürger, und daher weder andere Ausweise verlangen, noch deren Vorlage in andern Terminen fordern.

,,Jedensalls hoffen wir, dass von einem solchen ..Nachweis überall da Umgang genommen werde, wo Jemand schon einige Zeit an dem jezigen Wohnort sich aufhält, ohne dass Gründe bekannt geworden wären, welche annehmen liessen, dass ex nicht im Besize des Aktiv-

Bürgerrechtes sei. Es dars die Ausübung des Stimmrechtes nicht an

unnöthige oder unberechtigt erschwerende Forderungen geknüpft werden.

Man wird in den meisten Fällen ans den Bapieren des Betenten, oder durch Zeugen sich hinlänglich über dessen Anteeedentien oxientiren und finden können, ob er sein Aktivbürgerrecht verloren habe, ohne ihn zu Korrespondenzen und Auslagen zu nöthigen, die dem Arbeiter und Handwerker ..e. lästig fallen und die Ausübung seines Stimmrechtes ...on Zufälligkeiten abhängig machen, die er selbst bei dem besten Willen nicht heben kann, indem gar leicht die heimatlichen Behorden in dex

Ausstellung dex Zeugnisse säumig sind.

,,Jmmexhin müssen wir ausdxüklich darauf aufmerksam machen, dass die Bundesverfassung nur vorausseht, dass dex Wähler an seinem Wohnstze nicht vom Aktivbürgerreeht ausgeschlossen sei. Weiteres darf daher jedenfalls nicht gesondert und namentlich darf das Stimmrecht nicht davon abhängig gemacht werden, ob gewisse Steuern bezahlt seien oder nicht. Es ist lediglich die Thatsaehe des Wohnsizes entscheidend.

Daraus folgt, dass jeder Handwerker, Arbeiter, Taglohner, Angestellter u. an dem Orte stimmen dars. wo er sich zur Zeit aufhält, und dass nichts daraus ankommen kann, ob Jemand Niedergelassener oder blosser Aufenthalter sei. Es ist dies namentlich in den sranzosischen Kantonen nicht zu übersehen, weil die französische Ausgabe. dex BundesVerfassung in Art. 63 den Ausdxuk Wohnsiz" mit ,,domicile" wiedergibt, während hier durchaus nicht an die Forderung eines Domizil.es im gewohnlichen Sinne gedacht werden dars.

,,Dagegen kann die Frage ausgeworfen werden, wie lange die Angehörigen der andern Kantone befugt seien, ihxe Zulassung zum Stimmrechte zu verlangen. Es ist bekannt, dass in einzelnen Kantonen ziemlieh lange Fristen bestehen. Allein es ist nicht zu übersehen, dass es sieh gegenwärtig um eine allgemeine Landesangelegenheit handelt, aus welche die Gründe für längere Fristen nicht passen, indem Jedermann fi.x die Schweizerischen Verhältnisse sich interessiren kann, in welchem Kanton

836 immer ex vorher gewohnt haben mag. Die Bundespersassung knüpft auch in der That das Stimmrecht der Angehörigen anderer .Kantone weder an einen kürzern, noch an einen längern Ausenthalt. Stxeng.

genommen kann also Jedermann verlangen, bis zum Tage der Abstimmung in die Kontrolen eingetragen und zum Votum zugelassen zu werden. Jndess ist nicht zu perkennen, dass den kantonalen Behörden ein gewisser Zeitraum verbleiben muss für den definitiven Abschluß der Kontrolen und für die nothigen Vorbereitungen. Wir haben es daher für angemessen erachtet, zu bestimmen, dass der Schlußtermin nicht früher als auf den 4. Mai, diesen Tag inl.egrisfen, gesezt werden dürfe, indem eine solche Frist in jedem Falle vollständig genügt. Sollten aber die Verhältnisse es gestatten oder für die eigenen .KantonsAngehörigen ein kürzerer Termin bestehen, so muss er vermöge des Grundsazes der Gleichheit por dem Geseze auch den Angehörigen der andern Kantone, seien es Riedergeiassene oder Ausenthalter, zu gut kommen.

. ,,Jndem wir schließen, richten wir noch das Gesuch ..n sämtliche Kantone, sie möchten für die Abstimmung vom 12. Mai alle Erleich-

terungen gewähren, die möglich sind, ohne die Wahrheit der Abstim-

mung zu trüben. Für den Fall, dass gegen einzelne kantonale Verfügungen Einsprachen einkämen, bemerken wir jezt fchon, dass sie im Sinne der porstehenden Bemerkungen erledigt werden müssten."

(Vom 22. April 1872.)

Der Bundesrath hat die Erstellung eines einspännigen PostKurses zwischen Rolle und St. G e o r g e s über. Essertines und Gimel beschlossen, sur den Fall, dass annehmbare Führnngsangebote erhältlich werden.

Herr Arnold M o s i m a n n , in Bern, welcher unterm 20. März abhin zum Oberlieutenant im eidg. Kommifsariatsstabe ernannt wurde, ist vom Bundesrath zum Hauptmann im gedachten Stabe befördert worden.

837 Der Bundesrath hat als Vostkommis gewählt: für Reuenburg:

..., Biel: .,, Basel

Hrn. Albert A l t w e g g , von Güntershausen (Thurgau), derzeit patentirter Bostgehilfe in Tramelan (Bern) ; ,, Franz Z o g g, von Tscherlach (St. Gallen), patentirter Bostaspirant, in Biel, ,, Konrad B r ü l l m a n n , von Zihlschlaeht (Thurgau), Bostaspirant, in St. Gallen.

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23.04.1872

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