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schweizerischen Konsuls in Genua (Hrn. J. Schlatter-Rheiner von St. fallen) über das Jahr 1871 .

(Vom 1 September 1872.)

An den hohen schiveiz. Bundesrath.

Lage im Allgemeinen un... Handelsgesezgebung..

Die beiliegenden Tabellen A und B,") betreffend den Seeverkehr des Hafens pou Genua, dienen als neuer Beweis für den regelmäßigen Gang seines Handels. denn wenn sich auch iu den ersten Monaten der deutsch-französische Krieg fühlbar machte , so ist es nichts destowenigex Thatsaehe, dass der Verkehr, im Ganzen genommen, den Vorjahren gegenüber. keine namhafte Veraudernng ausweist.

Hier eine vergleichende Uebersicht : A n g e k o n. m e n s i n d .

1871 2141 Schiffe mit 680,400 Tonnen.

1870 1934 ,, ,, 649,049 " Unterschied + 207 schiffe mit 3l ,351 Tonnen.

") Die hier nicht aufgenommen werden.

36^ ^ A u s g e l a u f e n sind:

l 87l 1751 S.hiffe mit 510,230 Tonnen.

1870 2053 ., ,, 637,152 Unterschied ..-- 296 ^chifse mit 126,922 Tonnen.

S e g e l schi s s e m i t d e r

n a m l i eh e n B e st i m m un g .

A u ge k o m m e n s i n d :

1871 3767 ^hifse mit 651,502 Tonnen.

1870 3746 ., ,, 630,030 ,, Unterschied -^-.

2t S.hifse mit

21,472 Tonnen.

A us g el a u s e n s i n d : 1871 2412 Schiffe mit 617,106 Tonnen.

1870 1757 ., ,, 510,330 Unterschied -^ 655 Schisse mit 106,776 Tonnen.

Es ergibt sieh hieraus für den Exporthandel eine kleine Vermindernng, was sich ans den Folgen des Krieges, besonders aber aus den ..Beziehungen ^u dem Hasen von Marseille, die an Bedeutung wesentlich verloren haben, ^klaren lässt. Das Emporblühen der Han^ delsmarine wurde jedoeh hierdurch keineswegs beeinträchtigt, wie dies die zahlreiehen im Bau begriffenen Skiffe beweisen.

Die Geschäftslage im Allgemeinen war uieht schlimm. Die Verlegung des italienischen Regierungssizes naeh Rom und der Umstand,

dass sich die italienische Reute von 56. .)5 aus 73. .)5 hob, führten das Vertrauen zurüi. und trugen zur Forderung des eommerziellen Geschästsverkehrs so Vieles bei, dass auf dem .^laze sechzehn neue Banken, die grossleutheils über enorme Kapitalien zu verfügen haben, gegründet wurden, deren Aktien mit fabelhaften Vrämien bezahlt werden. ^ie grosse Anzahl dieser Banken und die Hohe der Prämien gaben ^in der Haudelswelt zu manchen Besorgnissen Aulass , und wirklieh trat gegen Ende des Jahres eine ziemlich fühlbare Reaktion ein, ohne dass jedoch eine Krise ausgebrochen wäre, indem die Verluste solchen Spekulanten auffielen, deren Gewinn im Allgemeinen bedeutend gewesen war. Diese Banken verfolgen verschiedene Zweke : die einen streben die Errichtung von Comptoirs auf fremden Vläzen au, andere dagegen die Grüuduug vo.. ..^avigationsgesellsehasten, von Gesellschaften für Schiffsbau, den Bau von Strassen u. s. w. ^ie beruhen grossteulheils aus soliden Grundlagen , doch kann man sieh nicht .verhehlen, dass ihre Zahl etwa^ zu stark ist.

370 Dagegen ist die Frage des Goldagio für den Verkehr fortwährend hinderlich gewesen. Während der ersten 6---8 Monate des Jahres war dasselbe auf 3^... gefallen^ infolge starker Titelverkäuse aber, die in Frankreich und Deutschland stattfanden, stieg es wieder auf 81/2 ^e.

Solch' plözliche Schwankungen schaden dem Verkehrsleben. ich horte manche schweizerische Kaufleute hierüber Klage führen.

Die Handel.sgesezgebung anbetreffend, ist einzig das Gesez vom 3. Juli .l 871 über die allgemeinen Magazine erwähnenswerth. Von Seite des genuesischen Handelsstandes wurde, durch Vermittlung der Handelskammer, gegen dieses neue System, wodurch alle Prärogativen und Erleichterungen, die mit dem ehemaligen Freihafen in Verbindung standen, aufgehoben worden sind, energisch reklamirt. Zahlreiche De^ putationen wurden an die Regierung abgeordnet, um eine Ausnahme von dieser Massregel zu Gunsten Genuas zu erwirken, aber ohne allen Er-

folg. Voraussichtlich wird das Gesez in Bälde von der Regierung in

Vollzug gesezt werden.

Erzeugnisse der ^an^wirthfchaft und ^ndnstrie.

Die landwirtschaftliche Produktion Liguriens und der Jnsel Sar-

dinien war im Ganzen ziemlich mittelmässig.

G e t r e i d e . Die Getreideernte war im Allgemeinem eine mittelmassige, die .Qualität aber eine vortrefsliche.

W e i n . Die Ernte war überall äusserst ergiebig und von guter Qualität. Eine solche Masse von Wein hat Ligurien seit vielen Jahren nieht erzengt , dies ist dem Umstande zuzuschreiben, dass während dieses

Jahres die Krankheit des .Weinstoks sozusagen ganz zurükblieb.

O e l. Die Ernte hat beinahe überall gefehlt, einzig in der Um-

^egend von Rnoro aus der Jnsel Sardinien fiel sie reichlieh aus.

Allgemein werden die starken Regengüsse des Frühjahrs , sowie die eingetretenen Froste für die Ursache des geringen Ertrags gehalten.

Seide. lieferte ein mittelmässiges Ergebniss, erzielte aber lohnende preise. ^ach wie vor bleibt in Ligurien die Produktion dieses Artikels ^ine wenig bedeutende und die Krankheit der Seidenwürmer wirkt entmuthigend aus die Grundbesizer.

E r z e u g n i s s e der J n d u s t r i e . Die Fortschritte der Baum-.

wollen^Jndustrie , wovon ich in meinem lezten Berichte gesprochen, dauern fort und viele mechanische Spinnereien rivalisiren jezt mit denen der Schweiz und des Auslandes überhaupt.

Die rohen Gewebe, insonderheit aber die farbigen, sind permoge der Zollansäze in den ^tand gesezt , jede Konkurrenz bestehen zu konnen , dagegen hat die

371 Fabrikation von Stikereien an Terrain verloren. Durch die Konkurrent der schweizerischen Maschinenstikerei ist der Handarbeit ein gefährlicher Regner erwachsen, und es hat dieser Geschäftszweig stark abgenommen.

Dagegen nimmt seit dem franzosischen Kriege die Fabrikation von genuesischem Seidensammt einen neuen Ausschwung, so dass die Fabrikanten Mühe haben, den aus dem Auslande einlaufenden Bestellungen Genüge zu leisten.

Die metallurgischen Werke von .^. Pier d'arena vergrossern sich täglich, und es ist dies der beste Beweis ihrer zunehmenden Prosperität.

Ein^ und ^u^fuhr.

Es folgt hier eine vergleichende Tabelle über die Zollgebühren, welche in den Jahren 1870/1871 von den Zollämtern in Genua und ...... P.er d'arena erhoben worden sind.

Eingang . . 15,006,348. 18.

Ausgang . .

817,306. 35.

Verschiedenes . 2,261,890. 35.

Seezolle . .

648,501.80.

Total 18,734,046. 68.

.

.

^ 1 .

15,381,820. 835,398. 46 2,216,531. 26 595,834.70 19,049,534. 89 ^.^.

Demnach stellt sich im Ganzen eine Verminderung von L. 315,538. 21 heraus.

Die Hauptartikel der Einsuhr sind noch immer Getreide, Oel, Wein, rohe und gegerbte Häute, Gewebe aus Wolle, Baumwolle, Leinen u. s. s., endlich die Seidel Es war mir nieht moglich, hierüber statistische Rach.^eise zur Stelle zu bringen, indem die ersorderlichen Dokumente immer sehr spät erseheinen.

Jn Ermanglung offizieller Mittheilungen will ich mich bestreben, Jhnen über die schweizerischen Einsuhrartikel einige Auskunft zu ex^ theilen.

B a u m w o l l e n e G e w e b e , r o h und g e b l e i c h t . Die Einfuhr nimmt fortwährend ab. Begünstigt dureh die Zol.lverhältnisse konkurrirt das einheimische Erzeugniss mit entschiedenem Vortheile., bl.oss einige leichte, zur Färberei bestimmte. Gewebe finden noch Absaz.

B e d r u k t e B ä u m w o l l e n w a a r e n . Die Abnahme der bedrukten Glarner Artikel, insolge der Konkurrenz der deutschen Fabriken, wovon in meinem lezten Berichte gesprochen wurde, dauert noch fort..

glüklicherweise beginnen jezt einige der glarner'sehen Fabrikanten, Artikel von seinem Gewebe und in solider Farbe zu liesern, die in Jtalien

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ziemlich beliebt si^.d. Für Adrianopler Mouchoirs besteht keine Kon^ knrrenz . der Verkauf ist aber, des Erscheinens der hievor erwähnten Rouveaules wegen, ein beschränkterer geworden.

St. M a l l e r B a u m w o l l . e u w a a r e n , M o u s s e l i n e , Jae o n u a s , g l a t t u n d b r o s c h i r t . Troz der englischen Konkurrenz, die sich in Bezug aus die Preise für ordinäre ^ualitäten und Ma-

sehiueutüll ziemlich fühlbar macht, ist der Absaz dieser Artikel fortwährend ein regelmäßiger geblieben.

ll h r e u u n d B i j o u t e r i e . Was die erstern betritt, so ist der Verkauf ein regelmässiger . ledere hingegen hat gegen die Erzeugnisse.

von ^forzheim und .^a..au eine gefährliche Konknrreuz zu bestehen.

K ä s e von g..ter Qualität findet jederzeit mit .Leichtigkeit Absa^ der .Konsum von Milchzuker aber nimmt von Jahr zu Jahr ab.

E i g ar r.e n u n d T a b a k. Der äusserst schwierigen Zollformalitäten

wegen liegt das Exportgeschäft beinahe gänzlich darnieder.

.^rau^.

Roch immer besteht über den Traüfithandel mit der Schweiz kein.^ regel^uässige Statistik, indem ei^.e Menge der durch sie transitirenden, aus Deutschland kommenden Wahren an der italienischen Grenze als Schwei^rwaare.. deklarirt werden. Die .Linien über den Brenner und über Marseille haben unserm Vlaze augenscheinlich einen grossen Tl..eil l^es Transits entzogen.

Eisenbahnen und Verkehrswege.

Die ^inie Genua^.

Rizza^Marseille ist beendigt und steht in regelmäßigem Betriebe ; die .^inie Genua^pe^ia^loren^ ist noch unvollendet. ^eztere hat erst destri erreicht, man hofst aber, sie binnen Jahressrist zn b..endig^..n.

Die kleine im Betriebe stehende Streke liefert vortreffliche Resultate.

Rachdent jezt der Gesellschaft Rubattino für ihre Fahrten nach der Levante und Jndien eiue Unterstüzung gewährt worden ist, w.rd dieser Dienst fortan in zwekmässiger Weise eingerichtet worden.

Es hat sich eine Jtalienis..h...La Vlata^sche Gesellschaft gegründet, deren Dau^psboole regel^uässige Fahrten uach Brasilien und den Staaten des La Plata unternehmen, und ^war in Konkurrenz mit der .^o^iele Generale des Transports Maritimes de ^^eilie, deren Fahrten ebenfalls regelmässig einmal per Monat stattfinden.

B a n k e n . Jn der ^roviuz Genua bestehen gegenwärtig 24 Kreditinstitute, von denen 22 die Regiernngsgenehmlgnng bereits erhalten haben, zwei aber dieselbe erst noch nachsuchen.

Das nominelle Kapital beträgt L. 162,900,000 in 544,200 Aktien

373 Industrielle und kommerzielle Gesellschaften gibt es 22 an der ^ahl, mit einem Rom^all.apital von L. 42,328,000 in 12.3,664 Aktien.

Die Zahl der Asse^urauzgesellschasteu beträgt ungefähr 45, mit einem Romiualkapital von L. 38.000,000. Jn der Brov^ Genua ^bt es 8.) anonyme Gesellschaften mit einem Kapital von L. 243,288,000

in 667,864 Aktien.

Einwanderung und Schw^zer.^e.^chaften.

Es ist noch immer eine Unmöglichkeit, über die Einwanderung .genaue Daten zu liesern, da hinsichtlich der durch Genua passireuden ^ehwei^er keine Kontrole besteht.

Dagegen war ich dnrch das für die nach ^rankrei^h, Algier und andere überseeischen Bläze reisenden Schweizer bestehende obligatorische Bassvisa in den Stand gesezt, folgende Erkundigungen einzugehen : Marseille, Algier, Spanien u. s. w. waren .^as Reiseziel von 441 Bersoueu. .^ueuos^res, Montevideo und Lima von 208 Bersonen , Südamerika änsserte geringere Anziehungskraft, als in den srühern Jahren, und zwa..^ aus dem Grunde, weil dort das gelbe Fieber wüthete.

Roch immer ist es der Kauton Tess.u. der das stärkste EmigrantenKontingent liefert ^- meistens Handwerker.

Die schweizerische Wohlthätigkeitsgesellschast sezt ihren regelmäßigen Geschäftsgang sort. Lant ihrem lezten ^eriehte waren L. 1272. 65 an Unterstü^ungen verabreicht worden.

Sie zählt 84 Mitglieder.

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Bericht des schweizerischen Konsuls in Genua (Hrn. J. Schlatter-Rheiner von St. Gallen) über das Jahr 1871 . (Vom 1 September 1872.)

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1872

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

28.09.1872

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