1 9 8

#ST#

Bericht und Antrag der

kommission des Nationalrathes. in Sachen des Rekurses des Hans Heinrich Bansen, in Hamburg, betreffend Gerichtsstand.

(Vom 15. Juli 1872.)

Die Rekursbeschwerde des Hans Heinrich J a u s e n ist eine doppelte : sie ist gerichtet gegen einen .... esehluss des Bundesrathes vom

29. Dezember 1871 und gegen einen solchen vom 10. Juni 1872.

.Beide anerkennen die Zuständigkeit der Gerichte des Kantons Baselland Sowohl für Beurteilung von gegen den Reknrrenten gedichteten Forderungsklagen des Malers G. A. A m b e r g e r in Basel, als auch für.

Anordnung des Vollziehun.gsversahrens gegen Jansen.

Znm Zwecke der Vrüsung beider Rekurse mag es genügen, aus dem umfangreichen ...lktenmaterial folgende tatsächliche Momente zu erheben.

I. Das Schlossgut Bottminger im Kanton Baselland ging im Jahre 1866 an eine Aktiengesellsehast über, welche zur Gewinnung von Vapierstoff aus Stroh daselbst ein Fabrikgeschäft gründete. Dabei war mit einer Anzahl von Aktien unter andern an..h G. A. Amberger aus

Vrenssen, wohnhast in Basel, betheiligt. Mit Rücksieht auf die ungünftigen Betriebsverhältnisse suchte die Gesellschaft sobald als moglich zu

liquidiren. Durch Kaus vom 15. Jenner 1868 ging das Etablissement für Fr. 100,000 an den Reknrrenten Jansen über, der als Kans.na..n

^

1^

^in seiner Vaterstadt Hamburg etablirt ist. Das Gesehäst in Bottmingen .betrieb er dureh einen Gesehästssührer aus eigene Rechnung und erwirkte.

zu diesem Zwecke eine Riederlassnngsbewilligung im Kt. Baselland, wo er hie und d.. zur Einsichtnahme vom Stand der Dinge sich einstellte, im Uebrigen aber seinen eigentlichen Wohnsi^ in Ha.nburg nach wie vor unverändert beibehielt.

Aus Anlass der Erwerbung von Bottminge... und mit Beziehung aus dieselbe seheinen zwischen Jansen und Amberger Obligationsverhältnisse entstanden zu sein, deren Losung dex Ledere als Kreditor herbeizuführen trachtete.

Anfangs März 1869 erschien Jansen aus Besuch in Bottmingen.

.Bei dieser Gelegenheit liess Amberger denselben vor den für Bottmingen zuständigen Friedensrichter von Binningen laden, um seine Forderungen gegen Jansen geltend zu machen. Zwar gab dieser der Vorladung Folge, allein eine gütliche Ausgleichung kam nieht zu Stande und sah sieh daher Amberger veranlasst, seine Rechtsansprüche beim Bezirksgericht zu Arlesheim einzuklagen. Er that dies in zwei gesonderten Klagen, von denen die erstere dahin ging : Es sei der Beklagte Jansen zur Bezahlung der Restanz von ^r. 13,627.05 zu verurteilen, als Betrag t.er Aktien, die er für. den Fall des Zustandekommens des fraglichen Kauses von Bottmingen an den Kläger zu zahlen versprochen habe, nebst Zinsen ^ abzüglich eine^ vom Beklagten erhaltenen Anleihens nebst Zinsen.

Die zweite Klage ging ans Guterkennung von Fr. 3,080.40 als Rückvergütung von Auslagen, die Amberger für Reparaturen im ..Schlosse zu Bottmingen und sür .^lnschasfnng von Mobilen in die dortige Wohnu..g gemaeht habe.

Bei der Verhandlung dieser beiden Klagen bestritt der bevollmäch-

tigte Anwalt des Beklagten die Kompetenz der basellandsehastliehen Gerichte, weil letzterer in Hamburg wohne und dessen Riederlassungsbewilligung sür Bottmingen sieh nur aus den Betrieb der dortigen Fabriken begehe, mit welcher die eingeklagten Forderungen in keinem Zusammenhange stehen.

Durch seinen Entscheid vom 22. Jnli 1869 erklärte jedoch d..^ Bezirksgericht von Arlesl,.eim sieh ..ls kompetent und fand dieser Vorentscheid aueh die Bestätigung des Obergerichtes.

Jn Folge einlässiger materieller Verhandlung beider Vro^esse hat das Bezirksgericht sodann am 24. Mai und 28. Jnni 1^70 denr Kläger seine Klagbegehren zugesprochen. Ans dem Wege der Berufung

^)0 des Beklagten an die zweite Jnstanz haben die Urtheile des ..rstmstanzlichen Richters keine Abänderung erlitten, indem das eine am 25. ..)....- ^

^ember 1870 bestätiget und bezüglich des andern am 28. Oktober zuvor die Appellation als ersessen erklärt wurde.

.l.1. Zur Sicherung seiner Ansprüche gegen den ..n...ländisehen Schuldner, der die Niederlassung für Bottmingen schon am 28. De..

zembex 1869 zurückzog, da die Fabrik inzwischen niedergebrannt war, --- hatte Amberger am 17. September 1869 einen Arrest aus das

Schlossgut Bottminger ausgewirkt.

^um Zwecke der Vollziehung der inzwischen ergangenen Urtheile.

...xhielt der .^nsprecher am 2. Dezember 1 870 von der Gericht^schreiberei

zu Arlesheim die Bewilligung zur Konknrsbetreibung gegen Ha.^s Heinrich .Jansen.

Diesem konnte indessen der bezügliche Betreibnngse.kt nicht znge^ stellt werden, da die Behörden von Hamburg jede diessällig^ Mitwirkun^ beharrlieh verweigerten. Das .^bergericht von Baselland eröffnete fodann in analoger Anwendung des ^ 281 der Gerichts- und BrozessOrdnung das Ediktalversahren , wonach die Gerichtssehreiberei Arlesheim

im Amtsblatte vom 13. Juli 1871 gegen H. H. Jansen, Besser des Schlossgutes in Bottmingen, die Betreibungsbewillignng pul^izirte.

Aus erfolgte Einsprache von Sei..e Jansen's gegen dieses Ediktal^ ^erfahren und anf dessen Gesuch um Verweisung des Amberger an das

Stadtgericht zu Hamburg haben sowohl der Gerichtspräsident ^on Arles-

heim, als der Präsident des Obergerichts jenes Gesuch ..bgewiesen und die. Betreibung ^n .frästen gelegt, woraus das Gericht von Arlesheim den Termin sür das Konkursurtheil aus den 21. März 1872 anberaumte.

Hl.

Am 17. November 1871 hat Jansen den Rekurs an den Bundesrath ergriffen sowohl gegen die Zivilnrtheile der Gerichte pon .Baselland, als gegen das von den gleichen Gerichten zur Vollziehung jener Urtheile angeordnete Ediktalverfahren für Bestellung der Betrei^ungsbewilligung.

Jm erstern Bunkte wird geltend gemacht, es leide die ganze Vro^edur pon Ansang an, an^ einem unheilbaren .^iehtigkeitsfehler, i^dem die Vorladung vor den Friedensrichter in Binningen ni.^t 8 Tage vor dem betreffenden Termine erfolgt sei, wie solches durch ^ 9 der Brozessordnung gefordert werde. Eventuell seien die Gerichte von Baselland .n Sachen nicht kompetent, da es sieh nm persönliche Forderungen handle, die nur beim Gerichte des Wohnortes, hier in Hambnrg, einge^la^t .werden können.

201 Betreffend das aus ...^rund des erwirkten Arrestes und mit Hinsicht

auf die im Mittel liegenden gerichtlichen Urtheile eingeleitete Vollziehung-

.....erfahren, - so sei dasselbe rechtsungültig, indem einerseits Jansen fchon unterm 28. Dezember 1869 die Niederlassung zurückgezogen und anderseits das Obergericht in Ueberschreitung seiner Maehtbesugnisse angenommen habe, der Rekurrent sei für basellandschastliche BetreibungsBewilligungen als ohne Ausenthalt anzusehen, während doch derselbe nachgewiesenermassen in Hamburg sein Dom^il habe.

Das Schlussgesuch des Rekurrenten , respektive seines Anwaltes^ ging dahin : Bezüglich der erwähnten zwei Urtheile sei das angefochtene Versahren als unleserlich und deshalb als nichtig zu erklären ; eventuell sei dasselbe Versahren wegen mangelnder Zuständigkeit der .^sellandschastlichen Gerichte als nichtig zu erklären.

Bezüglich der angeordneten Vollziehung sei dahin Beschluss zu fassen, es seien die Betreibuugsakte der basellandschastlichen Gerichte gegen J.^nsen als inkompetent und rechtswidrig aufzuheben.

IV. Der Bundesrath hat durch Schlussnahme vom 29. Dezember 1^71 den Rekurs betreffend die angefochtenen zwei gerichtliehen Urtheile verworsen, und sodann unterm 10. Juni 1872 aueh den Rekurs gegen^ das eingeschlagene Vollziehnngsversahren als unbegründet abgewiesen.

Durch neuerliche Eingabe vom 24. Juni hat Jausen in beiden Angelegenheiten den Rekurs an die Bundesversammlung ergrissen und bereits hat auch der Ständerath den 11. Juni abhin diesen Rekurs al.^ nieht begründet von der Hand gewiesen.

Jhre Kommission ist ebenfalls einstimmig dahin gelangt, Jhnen zu beantragen, es sei hierorts dem Beschlusse des Ständerathes ...eintreten.

Bei der kurzen Begründung dieses Antrages lassen wir alle Rekrimmationen bei Seite, welche der Rekurrent den Gerichtsbehörden von Baselland in der Richtung macht, dass sie diese oder jene prozessuatischen Vorschriften nicht gehor^ beobachtet oder unrichtig angewendet haben. Wie alle Zivilprozessordnungen, so enthält auch diejenige von

Basellandschast die geeigneten Rechtsmittel für solche Fälle und stand

dem Hans Heinrich Janfen im konkreten Falle nichts entgegen, dieselben zu seinen Gunsten an^urnsen, falls die von ihm gerügten Fehler wirklich vorgekommen wären. Die Bundesversammlung ist weder Appell- noch ^assationshos und darf sieh nicht erlauben, unter diesem Gesichtspunkte in die kantonale Rechtspflege einzugreisen.

Dagegen hat sie allerdings darüber zu wachen, dass d.e RechtBrechung in den Kantonen nicht gegen die Verfassung und Geseze des

202 Bundes, gegen Staat^verträge und Konkordate oder gegen die unter der Garantie des Bundes stehenden Kantonalverfassnn.^en sich versasse.

Vorliegend sind die prozesssührenden Parteien Angehorige des norddeutschen Bnndesstaates und insbesondere ist der Rekurrent Bürger und Einwohner der sreien Stadt Hamburg. Zwischen der Schweiz und jenem ledern Staate besteht nun aber keinerlei Staatsvertrag, der zu Gunsten der dortigen Angehörigen im gerichtlichen Versahren vor den schweizerischen Gerichten in massgebende Berücksichtigung fallen könnte.

Jn der That hat Reknrrent einen solchen Vertrag auch nicht a..^exusen. Dagegen macht er geltend, dass personliehe Ansprachen, wie solche hier i.t Frage liegen, überall nur ..m Wohnorte des Beklagten eingeklagt werden können. Diese Behanptnn^ in ihrer Allgemeinheit ist unrichtig , neben dem forum domicilii gibt es auch ein forum contracts und wird da, wo nicht besondere Staatsverträge anders verfügen, der Ansprecher in der Regel am Orte der Erfüllung seine Klage an^ bringen.

Jn unserm Falle kann es übrigens keinen Augenblick zweifelhaft sein, dass Amberger mit aller Berechtigung seine Klage gegen Japsen vor den basellandsehastlichen Gerichten anstellen durste und ^ass diese letztern zur Beurtheilnng der Klage kompetent waren. Einmal und vorzugsweise darum, weil der Beklagte im Gebiete von Baselland sörmlieh .Niederlassung genommen hatte und, wenn er auch im Lause des Vro..

zesses dieselbe wieder aufgab, die von Ansang an begründete Kompetenz deswegen nicht wieder dahinsallen konnte. Dem Beklagten gegenüber w.^rde von ^eite des Klägers vollständig die Vorsehrist des ^ 50 der BnndesVerfassung beobachtet, welche wie aus ansrechtstehende schwei^risehe ^ehuldner mit festem Wohnsitz allerdings anch aas Niedergelassene ihre ^nwendung findet.

Sodann waren die vom Kläger angernsenen Gerichte auch aus dem Gesichtspunkte kompetent, weil Jansen im Kanton liegensehastliehes Vermogen besa^, respektive noeh besitzt, und zudem die eingeklagten Forderungen zur fraglichen Liegenschaft in Beziehung standen und bei dieser Sachlage dem Kläger vernünstigerweise nicht zuzumnthen war, feine Forderungsklagen in Hamburg anzubringen.

Wenn Rekurrent nebenbei si.h besehwert, dass in Behandlung der fragliehen Zivilprozesse dnreh die basellandschaftliehen Gerichte dieser ^.nd jener Artikel der K..ntonsversass..ng verletzt worden sei, so lie^t in den Akten auch nicht der mindeste Anhaltspunkt, der im Ernste eine solche Ansfassnng gestatten würde.

.^

203

Ebensowenig lässt sich eine Verlegung der Verfassung von Baselland in dem Umstande finden, dass das Obergerieht in analoger Anwendung des ^ 281 der Bro^essordnnng zum Zwecke der Mitteilung der Betreibnngsbewil.ligu..g da... Ediktalverfahren eingesehlagen hat, nachdem all..

andern Mittel zur Erreichung jenes Zweckes erfolglos ersehopft worden ^..aren. Es ist ja geradezu Aufgabe der Gerichte, da wo der Buchstabe

des ^ese^es nicht ausreicht oder nicht deutlich spricht, durch l.^sch^

Interpretation erläuternd nnd ergänzend dazwischen zu treten. Vorliegend musste es dem U n b e k .. n n t s e i n des Schuldners gleichkommen, wenn er alle bezüglichen brieflichen Mittheilungen unerosfnet und beh.^rrlich zurückwies und die Hamburger Behorden ebenfalls jede Vermittlung der Betreibungsanzeigen verweigerten.

Dass auch die Bundesverfassung durch die angefochtenen Vollzieh..ngshandlungen keinerlei Einbrueh erlitten hat, liegt aus der Hand. Eine Intervention des Bundes ist darum in keiner Weise begründet und es rechtfertigt sieh daher der .Antrag : Es seien beide Rekurse des Hans Heinrich Jansen als unbegründet abzuweisen.

Bern, 15. Jnli 1872.

Der Berichterstatter: .^nee^ ^cher.

.^ote.

Oblger Antrag ^nrde am 17. ^ull angenommen.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht und Antrag der Kommission des Nationalrathes, in Sachen des Rekurses des Hans Heinrich Jansen, in Hamburg, betreffend Gerichtsstand. (Vom 15. Juli 1872.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1872

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

39

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

31.08.1872

Date Data Seite

198-203

Page Pagina Ref. No

10 007 403

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.