81

#ST#

B e rich t des

Bundesrathes an die h. Bundesversammlung über den Rekurs der Forstkommission von Davos.

(Vom

26. Dezember 1871.)

Die Forstkommission der .Landschaft Dapos beschwert . sich mittelst Eingabe vom 6. Juni 1871 an die Bundesversammlung über eine Schl.ussnahme des Bundesrathes vom 10. März d. J., nach welcher derselbe einen Beschluss des Grossen Rathes von Graubünden ausreeht erhält und den dagegen eingelangten Rekurs abgewiesen hat. Die Vorgänge sind in den Beilagen enthalten: 1. Rekurseingabe der Forstkommissionvon Davos vom 11. Juli 1870.

2. Auszug aus den Verhandlungen des Grossen Rathes von Graubünden, vom 25. Rovember 1869.

3. Rechtfertigung des Kleinen Rathes des Kantons Graubünden, vom 28. Januar 187t.

4.

Vernehmlassung des Christian Obrecht vom 12. Dezember

5.

Entscheid des Bundesrathes vom 10. März 1871.

1870, von Hrn. Advokat Hold.

Es geht aus denselben im Wesentlichen hervor, dass Christian Obreeht in seinem Vrivatwalde in der Landschaft Davos 121 Lärchenstamme geschlagen und zum eigenen Gebrauehe in einer andern Gemeinde (Trimmis) ausgesührt hat, ohne die durch das Forstgesez Davos vorgeschriebene Koutrolgebühr entrichtet zu haben. Die Forstkommission belegte denselben mit einer Busse von Fr. 7 pex Stamm am 28. Mai .186..) und der Kleine Rath wies ein dagegen erhobenes Reknrsgesueh am 27. September 1869 ab. Der Grosse Rath dagegen hatte den Besehluss des Kleinen Rathes und die Busserkanntniss der Forstverwaltung von Davos mit S.hlussnahme vom 25. November 1869 ausgehoben.

82 Ein Rekursgesuch gegen diese Sehluss^.ahme wurde von. Bundesratine am l0. März 1....7l abgewiesen, und nun bringt die ^ors^.

kommission dieses gleiche ..Besuch an die Bundesversammlung.

Die F o r s t k o mm i s si on stüzt^sich insbesondere aus A r t . 4 des Davoser Forstgesezes, der ihr die Kompetenz zur Handhabung aller im Gesez enthaltenen Bestimmungen und.. zur Bestrafung vorkommender

Frevelsälle überträgt, aus die Artikel .) und l0, nach welchen für alles

Holz, welches zum Verkauf oder znr Aussnhr gebracht werden will, die Auszeichnung und Stempelung durch den Landschaftssorster und die Bewilligung durch den kleinen Rath vorsehreibt. Gegen Kleiuräthliche Rekursentscheide in Strafsachen krimineller und polizeilicher Art sei kein Weiterzug an den Grossen Rath ^..lässig (Art. 24 und 27 der Kleinräthlichen Geschäftsordnung). Das Bussener^anntniss der ^orstkommissiou sei keine Angelegenheit politisch administrativer Ratur, worüber ^em Grossen Rath allein das .)..echt einer Einmischung zustehe, und der Art. 5 der Verfassung sei auch nicht anwendbar, we^l dieser nur von Landesund Volizeiangelegenheiten und Handhabung der Verfassung handle.

Der K l e i n e R a t h in seiner Vernehmlassuug vom 28. Jannar 1871 hebt neben diesen Argumenten besonders die dringende Rothwendigkeit hervor, ^nr Forderung der Forstknltnr die Forstreglemente strenge zu handhaben.

^..brecht in seiner Verantwortung vom l2. Dezember 1870 be-

richtigt vorerst, dass der Kleine Rath die Bewilligung zur Abholzung schon im Jahre 1864 sür drei Jahre ertheilt habe, dass auch später die Auszeichnung von l 2l Stämmen dnrch Anordnung des Stellvertreters des Kantonsforstinspektors dnreh einen Reviersorster stattgefunden.

Das kantonale und das spezielle davosersehe Forstgesez konnen sich nicht aus Holzbezüge zu eigenem Brivatgebraueh, sondern nnr aus die Holzschläge zu Handels^weken beziehen . der Reknrs an den Grossen Rath sei nicht

als einsames Kassalionsgesuch gegen ein polizeiliches Straf..rti,eil zu be-

traehteu, sondern als Beschwerde gegeu .^erleznng der Bundes- und Kantonsversassnng, und .n dieser Hinsicht sei der Grosse Rath, nach Art. 3 der B..ndesversassn..g nud uaeh ^lrt. ^ der Ka^utonsverfassnng, die oberste le^tinstanzliehe Autorität und allein kompetent, über Adnnni.^ stration, folglich über ^orstgeseze zu urtheilen und Ausschreitungen gegen kantonale Geseze und Verordnungen zurükzuweisen (Art. 5 und 27 der Kantonsverfassung und Art. 27 der kleinräthlichen Geschästsordnung).

Aus diesen Standpunkt stellt sieh denn anch d e r G r o s s e R a t h bei seinem Entscheide oom 2.^. Roven.ber 1869. Jm Eingange seines ^Eotseheides sagt Derselbe: dass es sich um die Frage handelt, ob die B u s s ^ e r k a n n t n iss v o m 2 8 . Mai, r e s p . d i e d a r i u e n t h a l t e n e A n w e n d u n g d e s ^ . o r s t g e s e z e s v o n D a v o s un.^ e i n z e l n e B e s t i m m u n g e n d e s l e z t e r ü s e l b s t m i t d e r B u n d e s - nnd

83 K a n t o n s v e r s a ^ s s u n g und mit der k a n t o n a l e n F o r s t o r d n u n g v e r e i n b a r sei od ..r nicht. dass a b e r A r t . 5 der K a n t o n s . .

v e r s a s s u n g die B e u r t h e i l u n g solcher Fragen ausdrüklich dem G r o s s e n R a t h e z u w e i s t . Dieser Art. 5 sagt n am lieh : Der Grosse Rat h b i l d e t in V e x w a l ^ t u n g s - und L a n d e s p o l i ^ i a n g e leg e n h e i t e n die o b e r s t e B e h o r d e u. s. .^. Er f ü h r t die O b e r a u f si eh t ü b e r H a n d h a b u n g d e r V e r f a s s u n g , s o w i e ü b e r V o l l z i e h u n g d e r G e s e z e und V e r o r d n u n g e n .

Der Grosse Rath untersucht daher nicht die richtige Anwendung des Davoser Forstgesezes in dem Strafurtheil. sondern stellt die Rechts-

güliigkeit des Gesezes selbst in Frage, wie dieses aus dem Motiv

hervorgeht: dass d i e G e n e h m i g u n g d e s D ..v o s e r F o r s t g e s e z e s durch d e n k l e i n e n R a t h f ü r d e n G r o s s e n Ratl.. b e i B e u r h e i l u n g v o r^l i e g e n d e r ^ r a g e n n icht a b s o l u t b i n d e n d u n d m a ß g e b e n d s e i n kann.

Das Davoser Forstgese^ ist nämlich der Genehmigung des Grossen Rathes nie unterstellt worden.

Bei Vrüsung der vom Grossen Rathe sich selbst gestellten fragen findet derselbe, das rekurrirte Busserkanntniss widerstreite dem Art. 29 der Bundesverfassung, betreffend freien Kauf und Verkauf, freie Ein-, Aus- und Dnrchfnhr. Abgesehen von der Frage, ob dieser Artikel buchstäblich auf den vorliegenden Fall anwendbar sei,. werde man es doch nicht bestreiten konnen, dass es in der Kompetenz der obersten .Landesrekorde liege, den freien Verkehr ihrer .^andesangehorigen zu schüfen und nicht zu bewilligen, dass der Besizer einer ^riva^waldung, der sein ihm eigentümliches Holz znm eigenen Gebrauehe im gleichen Kanton verwendet, mit besondern Ausfü^rgebühren belästigt werde.

Mit Recht sagt daller eiu weiteres Motiv in dem Entscheide, dass die

nämliehe Erkanntniss auch in das Eigentumsrecht Dritter iu einer Weise einkreise, welche nach Art. 27 ^er Kantonsversassnng nicht als statthast anerkannt werden kann. Dieser Artikel sagt nämlieh : J e d e r Gemeinde steht das Recht der selbstständigen Gemeindev e r w a l t u n g mit E i n s c h l u s s d e r nie d e r n V o l i r e i zu. Sie ist b e f u g t . d i e dahin e i n s c h l a g e n d e n O r d n u n g e n f e s t z u ^ s e z e n , welche jedoch den Bundes- und Danton s g e s e z e n und d e m E i g e n t h .. m s r echt e D r i t t e r u icht z u w i d e r s e i n d ü r s e n.

Die Einweudn..g, dass die Bewilligung zum Holzsehlag uicht nachgesucht worden sei und ^ie Aus^ichnung des Holzes n.cht forstamtlich stattgefunden habe, erklärt .^er Grosse Rath sachlich als uieht begründet.

Raeh Einsieht dieses Entscheides , dessen Aushebung die Beschwerdesehrist verlangte, konnte es nur^lusgabe des Bundesrathes sein, zu prüfen, ob derselbe die Bundesverfassung oder die Kantonalver-

.^4 fassung verleze. Ueber Verlegung der Bundesverfassung von Seite des Grossen Rathes wird nun aber nicht geklagt. Demselben wird nur.^ der Vorwurs gemacht, dass er in einer Strafsache als lezte Jnstanz .^ehandelt und ein Bussenurtheil aufgehoben habe, wofür ihm keine Kompetenz zustand. Es geht nun aber ans dem Entscheide des Trossen Rathes unbestreitbar hervor, dass er in Anwendung des Art. 5 der Kantonsverfassung als oberste Behorde in Verwaltung^ und Landespolizeiangelegenheiten gehandelt, und die Verkehrsbeschränkung, wie sie in der Forstordnung von Davos vorgesehrieben ist, als unzulässig erklärt hat. Die Bnndesverwaltung hat kein Jnteresse und kein Recht, in diese Kautonalangelegenheit sich einzumischen, in weicher die oberste Landesbehorde gesprochen hat.

^ Es kann noch beigesügt werden, dass der Bundesrath und auch der Rational- und Ständerath schon wiederholt in ähnlicher Weise sich ausgesprochen haben. Die Kantonsverfassungeu stehen allerdings unter der Garantie des Bundes, und die Bundesbehorden haben darüber ^u wachen, dass keine kantonale Autorität dieselbe verleze. Der erste Ausleger einer Kantonsversassung ist aber der Grosse Rath, und die Bundesbehorden haben dessen Beschlüsse zu achten, wenn nicht etwa eine erweisliehe Verlegung der Bundesverfassung vorliegt. Wenn über die Tragweite einzelner Bestimmungen verschiedene Meinungen walten, so hat man immer ein grosses Gewicht aus diejenige Jnterpretation gelegt, welche die oberste Behorde des Kantons von seiner Verfassung gibt, und die Bundesbehorden sollen nur dann davon abweichen und iuterveniren, wenn in dieser Auslegung Unbill, Gefährde oder Unterdrükung liegt. Das ist aber hier nicht der Fail. Der Grosse Rath hat der Verfassung eine Auslegung gegeben, wonach es ihm gestattet war, das Recht des freien Verkehrs und einen Bürger vor unzulässigen Besehräüknngeu ^u schüfen.

Wir empfehlen daher der Bundesversammlung, die von der Forstkommission von Davos gegen den Entscheid des Grossen Rathes erhobene Rekursbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

B e r n , den 2..... Dezember 1871.

Jm Ramen des sehweiz. Bundesrathes,

Der Bundespräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschast :

Schi^.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrathes an die h. Bundesversammlung über den Rekurs der Forstkommission von Davos. (Vom 26. Dezember 1871.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1872

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

03

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

20.01.1872

Date Data Seite

81-84

Page Pagina Ref. No

10 007 143

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.