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Schweizerisches Bundesblatt

XXIV.Jahrgang. L

Nr. 17.

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23. April 1872.

Proklamation der

schweizerischen Bunbesversammlung zur Abstimmung über die revidirte Bunbesverfassung am 12. Mai 1872 an bas Volk und die Cantone der schweizerischen Eidgenossenschaft.

(Vom 8. April 1872.)

©etreue, ließe Eidgenosfcn !

Zumal alle menschlichen Dinge veränderlich und in der Entwtklung bes SebenS stetem Wechsel unteraorsen sind, haben schon die alten Eidgenossen von Zeit SU .Se't ihre ewigen Bünde erneuert und noch Bedürsniss erweitert.

Es waren dies die Jahrhunderte ihres Ruhmes; es waren die Zeiten, da tapfere Hingebung für. da§ Gemeinwohl und die StaatsWeisheit der natürlichen Rechtsttegriffe den
Frei [ich sein ©rundgesej geben und eben so frn und verstandig dasselbe immer mit den Fortschritten der Zeit in Einklang Bringen, so oft die Vorsehung den ®ang der Weltordnung in neue .-.Sahnen fenkt, ist das erhabenste Recht, aber auch das höchste @lük, dessen sich ein selbstljenliches Volk erfreuen kann.

Rühmlos waren die Jahrhunderte und die Blattet ihrer ©eschii-hte find mit manch' blutigem Unheil Eefchrieben, iu denen die Väter dieses ..Hechtes sich begaben, indem sie der Entwiklung des Sebens die Augett

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826 verschlossen und ihre Bünde nur noch zeitweise zu beschworen, nicht mehr zu verbessern verstanden.

Aber eben so wenig Segen konnten darnach, wenn aueh von.grossen Bedanken Einzelner getragen, auf der Sehwelle unseres Jahrhundertsjene Versuche in Bundesrevisionen dem Lande bringen , denen die Freiheit, der heimische Boden und die Einheit des Rationalsinnes fehlte.

Sie waren von der Gewalt und den Schreknissen einer fremden Diktatur .begleitet, ohne Verbindung mit der Vergangenheit fremden Verhältnissen entnommen, dem Verständn.sse des Volkes entrükt und seiner politischen .Bildung vorgegriffen.

Nach den Stürmen der Helvetik dachten die Kantone wieder nur an sich und pflegten hinter den Sehlagbäumen ihrer Marken, ohne nationale .Politik, einfach den Haushalt ihres staatsherrlichen Daseins.

Der Bund unter ihnen war ein loser Staatenbund, eine Form ohne .Leben, weil ihr wiederum die Seele der Ration fehlte.

Erst eine Schule von fast fünfzigjährigen Ersahrungen lehrte uns neuerdings die Rothwendigkeit einer engern, einigern Verbrüderung und das Bedürfniss einer stärkern , nationalen Bundesgewalt. Bei jedem Anlasse von Bussen durch fremde Maehtgebote beunruhiget und nieht selten gedemüthigt , im Jnnern von immer ernstern Kämpfen der Regeneration mit der Reaktion gestört und entzweit, stand die Eidgenossensehast schliessiich am Rande der Auflösung und in den Wirren eines verhängnissvollen Bürgerkrieges da.

Doch, unter dem Maehtschuze einer gütigen Vorsehung, ging aus der Entzweiung der Brüder eine neue Eidgenossenschaft mit der BundesVerfassung von 1848 hervor, nach weicher die Kantone einen Theil ihrer Herrlichkeit zu einer Eidgenössischen Bundesgewalt vereinigten und den bisherigen Staatenbund zu einem republikanischen Bundesstaate erhoben.

Rieht Wenige wollten in der neuen Schöpfung das Ende der Eidgenossensehast erbliken.

Der Ersolg hat aber gelehrt, dass die Eidgenossen nur in vereinter

Krast glükiich und geachtet sind. - Oder saget selber , getreue , liebe

Eidgenossen l Würde der Bund des Wiener Vertrages mit seine... Tagsazung und der machtlosen vorörtlichen Gesehästsleitung heute die geachtete Stellung unter den Rationen, für den Gewerbsfleiss unseres kleinen .Landes die geöffneten Märkte in den fernsten Zonen der Erde, das einheitliche Münzsystem und Verkehrswesen, die reiche Entwiklung der Schienenwege und des elektrischen Drathes , das gehobene Wehrwesen, uud selbst das geachtete Schirmreeht über den Frieden der Kantone haben, bei dem sieh seit 1848 Jeder derselben einer freien, von keiner Gewaltthat der .Parteien gestörten Gestaltung seines politischen Lebens freut? Wann hätte die Tagsazung der kantonalen Jnstruktionen die Be-

827 usse und die Millionen gesunden für den Bau der Alpenstrassen , für

die Sehuzbauten der Hochwasser des Gebirgs, für die Entsumpfung der Seegebiete des Jura, für die neue Bewaffnung des Bundesheeres, endlich für das Diadem des Landes, für die polytechnische Schule, an deren Lehrstühlen Sohne fast aus allen Volkern der Erde ihre Bildung suchen, welche sich dann in weitern freundschaftlichen Beziehungen ihrer Nation zu unserm Lande verwerthet?

Die Bundesverfassung von 1848 hat uns mit erhebenden Thatfachen von der Wahrheit überzeugt, dass eine einige, republikanisch konstituirte, nationale Bundesautorität eine Grundbedingung des Ansehens und der Wohlfahrt der Eidgenossenschaft wie der Kantone fei.

Allein, getreue, liebe Eidgenossen l wir würden die .Lehren der Geschichte nicht verstehen, ja uns gegen die Hand der hohern Leitung verfündigen, wenn wir die Bundesverfassung von 1848 für den legten

Schlussstein der Freiheit, Ehre und Wohlfahrt des Landes hielten. Jm Gegentheil, die Erfahrung hat gezeigt, dass dieselbe nach vielen Riehtungen heute nicht mehr genügt und dass sie vor vierundzwanzig Jahren vielfach ein Verkommniss mit Ansichten und Verhältnissen war, die heute entweder nicht mehr die gleichen, oder selbst nicht mehr vorhanden sind.

Die Welt der Erfindungen und der arbeitenden Hand wird täglich grösser. Die Erhaltung freundschaftliehex Beziehungen mit andern Völkern im Verkehrswesen fordert erweiterte, weltbürgerliehe Anschauungen.

Troz dem Grundsaz der sreien Niederlassung, den die Bundesverfassung verkündet, ist der Schweizer in seinem Vaterlande dennoch oft und vielfach ein unberechtigter Fremdling. Troz der Rechtsgleichheit und der Gleichheit der Bürger vor dem Gesez , welche dieselbe Verfassung gewährleistet, hat der Schweizer. in seinem Vaterlande weder gleiches Recht, noch ist er vor dem Geseze. gleich. Jn der gleichen Sache muss der einfache Bürger, der einheimische wie der fremde Geschästsmann, an jeder Kantonsmarke wieder einen Reehtsberather fragen, was Gesez und Recht im .Lande sei. Der Entscheid der wichtigsten und schwierigsten Rechtsfragen ist gemäss der Bundesverfassung auf dem Rekurswege den beiden Räthen der Bundesversammlung in die Hand gelegt, und damit der Rechtss.huz der Bürger, Gemeinden und Kantone nieht selten dem in grossen Versammlungen waltenden Zufall anheim gegeben. Bei der reichen Entwiklung der Schienenwege bringen des Landes enge Verhältnisse die konkurrirenden Jntereffen immer mehr in storende Konflikte, ohne dass die Verfassung das wundervolle Verkehrsmittel mit einem Worte erwähnt. Seitdem die Art den Baum einer weisen Vorzeit von den Hoehwaldungen des Gebirges gelost hat, sind des Landes Stromgebiete sehuzlos dem Raub und der Verwüstung der Wildwasser preisgegeben. Wenn Schwindel und Gewinnsucht den Kredit des Landes,

das Glük der Familien, die Wohlsahrt der Bürger auf's Spiel sezen

828 und untergraben, so gibt der Bund kein Mittel an die Hand, dem Verderben Einhalt zu thun. Wohl eilt auf den Ruf des Vaterlandes bei jeder ..Gefahr eine Wehrkraft freudiger Hingebung unter die Fahne ; aber jedes Aufgebot im Ernstfalle legt immer wieder grosse und gefährliche Gebrechen unserer Mehreinrichtungen an den Tag, und di.. nach den Marksteinen der Kantone zugeschnittene Bildung unserer Armee schließt Verhältnisse in sich, die weder mit den Grnndsäzen gleicher Vflichtigl.eit, noch mit den ersten Bedingungen einer nationalen Wehrordnung vereinbar sind. Endlich überhaupt tritt die Zeit auch an uns mit immer grössern Forderungen heran ; und nicht fern ist die Zukunft, die zur Befriedigung gerechter Ansprüche von da und dort einen erhohten Nationalsinn für neue Sehopfungen der Zivilisation und ossentliehen Wohlfahrt von uns fordern wird.

Man glaubte daher schon im Jahr 1865, eine Revision der nicht mehr genügenden Bundesversassnng vornehmen zu sollen. Allein das Bedürfnis.. war noch nicht reif, und die der Zeit vorausgeeilten Ansichten Einzelner fanden damals noch weder ein klares Verständniss, noch den Glauben an deren Zukunft.

Seither aber sind politische , religiöse und soziale Ereignisse und Erscheinungen au uns vorüber gegangen, gross und gewaltig genug, um die Geschichtsblätter eines Jahrhunderts zu füllen. Und nun dazu die Machtstellung und das Wehrwesen unserer mächtigen Nachbarn, mit der Spannung ihrer Beziehungen zu einander. ferner überall die Kämpfe der alten mit einer neuen Zeit um die Reorganisation des Staates, der Kirche und der Gesellschaft ; sodann bei uns selbst die immer allgemeinere Geltung volksherrlicher Grundlagen in den Kantonalverfassungen unseres Bundesstaates ; daneben in Wort und That immer lautere Wiederklänge, immer ernstere Erinnerungen an die Tage unseliger Entzweiung -- kurz, aussen und innen Wahrzeichen sur uns, es liegen Stürme, schwere Stürme in der .Lust. Sorgen wir daher bei Zeiten, dass wir ihnen ein neugesügtes, festeres Haus entgegen stellen l Und siehe l es sollte sosort Hand an's Werk gelegt werden l Rach einander gingen von Kantonsregierungen und vaterländischen Vereinen Begehren ein, die eine Bunde.srevision mit einheitlichem Recht, mit freierem Gewerbs- und Riederlassungswesen, Centralisation des Militärwesens, Erleichterung der Bedingungen
zur Gründung eines Familienstandes, Aushebung der .Lasten aus den Erzeugnissen der einheimischen .Landwirthsehaft perlangten.

Raeh Anleitung der bestehenden Verfassung wurde .daher im Ehristmonat 1869 mit grossen Mehrheiten der beiden Räthe der Bundesrath eingeladen, bis zur nächsten Session der Bundesversammlung Bericht und Antrag vorzulegen, in welcher Weise die Bundesverfassung zu revidiren sei, um dieselbe überhaupt mit den Zeitbedürsnissen in Einklang

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zu bringen. -- Der Bundesrath kam dem Austrage mit einigen, vorab angezeigten Revisionsporschlägen nach, und die Erstbehandlung des Gegenstandes wurde dem Rationalrathe übertragen.

Damit, getreue, liebe Eidgenossen l war die Revision eingeleitet.

Die Kriegsereignisse drängten ihre Behandlung in den beiden Räthen auf die Wintersizung des Jahres 1871 hinaus. Wir bedauern diese Verzögerung nicht. Sie hat Eueh die Möglichkeit gewährt, der hoch-

wichtigen Angelegenheit durch Kundgebung Euerer Wünsche desto nüz-

lieher zu werden. Und es sind uns denn auch von Kantonsregierungen, bürgerlichen und geistlichen Amtsstellen, zahlreichen Vereinen und einzelnen Bürgern in einer langen Reihe von Eingaben naeh allen Richtungen mehrere Hunderte von Wünschen und Anregungen kund gegeben

worden. Die Arbeit dehnte sich, bei Würdigung der gestellten Begeh-

ren, sofort auf die ganze bestehende Verfassung aus, und nahm, mit kurzen Unterbrechungen, die Thätigkeit der beiden Räthe vom 6. Wintermonat 1871 bis zum 5. März 1872 in Anspruch.

Dieser Gang der Angelegenheit hat uns dann schließlich auch in die Notwendigkeit versezt, Euch unsere Revistonsarbeit, statt in vielen gruppenweisen Abschnitten, zur einsachern Gesammtabstimmung vorzulegen, einerseits um Euern Entscheid keiner Verwirrung, und anderseits nicht der Gefahr auszusehen, dass wir eine Bundesversassung erhielten, welche neben veralteten Grundsäzen in sonderbarem Widerspiel neue Staatslehren verkündete und dann mit ihren gerichtlichen Widersprüchen Niemand befriedigte.

Hiemit haben wir Euch, getreue, liebe Eidgenossen . die dringenden Beweggründe und den Hergang der diesmaligen Revision unserer Bundesverfassung dargelegt. Ueber die Ergebnisse unserer langen und mühevollen Berathungen selbst haben wir nicht nöthig, uns weiter zu verbreiten. Sie sind jedem Stimmberechtigten zur freien eigenen Würdigung zugestellt worden. Dagegen sind wir Euch ein Wort schuldig über die Grundsäze, welche uns bei der ganzen Angelegenheit als .Leitsterne .dienten.

Die bisherigen Grundlagen unseres Bundesstaates sind in unsexm Revisionsvorschlag unverändert geblieben. Auch wurden die bisherigen hoehsten Organe seiner Gesezgebung. Vollziehung und Rechtspflege beibehalten, ihre Besugnisse aber mit grössern Garantien der ösfentlichen Wohlfahrt umgeben.

Jm Einzelnen haben wir dasjenige, was der Gegenwart nicht mehr entspricht, im Geiste jener Mässigung, die den Verhaltnissen unseres vielgestaltigen Lebens billige Rechnung zu tragen bemüht war, durch Bestimmungen ersezt, die theils von der Erfahrung, theils von den Fortschritten der Zeit geboten erschienen. Von dem gleichen Geiste geleitet,

830 haben wir für neue Bedürfnisse durch neue Bestimmungen den Schuz und die Fürsorge des Bundes vorgesehen.

Zur hohern Kräftigung und Rationalisirung unseres Bundesstaates gehen zwar aueh diesmal wieder einzelne Rechte der Selbstherrlichkeit von den Kantonen an die Bundesgewalt über. Dabei aber soll den Kantonen in der Gesezgebung des Bundes nicht nur ihre bisherige Stellung unbeschränkt verbleiben, sondern sie sollen im Reserendum und in der Jnitiative selbst das Recht der unmittelbaren Mitwirkung an derselben erhalten. Und wo sie unter ein gemeinsames Gesez gestellt werden, da ist in den wichtigsten Angelegenheiten, wie im Militärwesen, in der Rechtsprechung und Anderem, die Vollziehung in die Hand der kantonalen Organe gelegt.

Jeder Kanton soll und wird auch fortan den ihm von der Ratur und den Verhältnissen angewiesenen Weg seiner Entwiklung gehen.

Aber v o r w ä r t s müssen wir Alle. Jm Bunde der Miteidgenossen darf deiner stille stehen, Keiner rükwärts gehen. Die neue Verfassung will, dass diese .Losung a.anz an uns und voll zur Wahrheit werde.

Jn ewiger Majestät ragt unser Hochgebirg aus den grünen Thälern zum Himmel empor. Es steht im Sturm der Zeiten um so sester da, je weiter sein Fuss in die Thäler niedersteigt. Je fester aber das Gebirg, desto sicherer die Thäler. So der Bund und die Kantone l Je tiefer und weiter der Bund in den Kantonen wurzelt, desto sicherer und reicher wird ihr heimisch Leben sieh entfalten.

Getreue, liebe Eidgenossen l Aus diesem Sinn und Geist stnd unsere Revisionsanträge hervorgegangen. Jn diesem Sinn und Geist, und i n k e i n e m a n d e r n , legen wir sie Euch zur Würdigung vor. Wir wissen, dass sie nicht allen Wünschen entsprechen. Denn selbst in unserer eigenen Mitte wollten die Einen nicht so weit, die Andern viel weiter gehen. Jn freundeidgenossischem Entgegenkommen aber haben sehliesslich, am Altare des Vaterlandes, die aus einander gehenden Ansichten sieh zu entschiedenen Mehrheiten geeinigt. Diese unsere Mehrheiten in beiden Räthen wurden dabei von der Hoffnung geleitet, dass das, was die Vertreter der Ration und der Kantone in guten Treuen, als das für einmal Mogliehe und darum Besste, also vereinbart haben, den gleichen sreundeid-

genössischen Sinn der Billigkeit und Mässigung, und demzufolge auch eben so entschiedene Mehrheiten bei der Ration und den Kantonen finden werde.

Es steht uns nicht zu, das Werk, das wir selbst gerne vollkommener gesehen hätten, Euch anzupreisen. Aber d a s dürfen wir Euch sagen, dass wtr in der wichtigen Angelegenheit, nach Wissen und Gewissen und

831 in treuer .L.iebe zum Gesammtvaterlande, unser Besstes thaten, und dass in unserer Revisionsvorlage viel Gutes, der Wohlfahrt der Bürger, f...wie der Ehre und der Freiheit der Ration Erspriessli...hes Euerem EntScheide unterstellt ist.

Die nationale Centralisation unserer Wehrkraft, aus Dosten des Bundes, zum Sehuze der höchsten Güter des Landes , mit der Bslieht und Gegenpflieht : ,,Einer für Alle, und Alle für Einen ;" .-.- die Einheit des Rechts in der ganzen Eidgenossenschaft, welche für den Einzelnen und das Ganze die grösste Wohlthat sein wird, und ohne die wir weder unter uns, noch gegenüber andern Staaten ein zusammengehöriges Volk sind; die Freiheit der Niederlassung und redlicher

Gewerbsthätigkeit mit ihren zukömmlichen Rechten, welche den Schweizer

von Kanton zu Kanton in der Seholle, aus der er steht, sein Vaterland erkennen und lieben lehrt; - die Freiheit des religiösen Glaubens, die Gewährleistung der Toleranz und des konfessionellen Friedens, und di...

in Sachen gewahrte Rechtsstellung des Staates, wie sie die Eidgenossen von Alters her gegen Acht und Bann behauptet haben; -- der Sehuz des Bundes für das durch göttliche und menschliche Ordnung geheiligte und von der öffentlichen Moral geforderte Recht der Ehe ; ---. die

gleichzeitige Obsorge des Bundes für die höheren beruflichen Wissenfchaften und die allgemeine Volksbildung, ohne welche die Freiheit keinen Boden, das .Land nur Herren und Sklaven, und die heutige Republik kein Reeht mehr auf ein Dasein hat ; - die wichtigen SchuzBestimmungen für viele hoehst bedeutsame volkswirthschaftliche Jnteressen, aus denen der Kredit und gute Ruf des .Landes, die Freiheit und

Sicherheit des Verkehrs, der Segen der Arbeit, das Glük der Familie, die Wohlfahrt des Einzelnen und des ganzen Volkes ruht; -- die

Einführung jener volksherrliehen Rechte, krast welcher die Ration sich

selbst ..n der Gesezgebung des Bundes bethei..igen und jeder Aus-

schreitung, Verirrung oder Säumniss der Bundesgewalt ge.bietexisehe Schranken entgegenstellen kann ; --- endlieh das künftige Bundesgericht, ...it der Vertretung aller ..Nationalitäten des Landes und den erweiterten Grenzen seiner Befugnisse, als höchste, von keiner andern Amtsstellung abhängige Autorität unter den Eidgenossen zum Sehuze der Geseze und der Rechte Aller, und dabei Gxundsäze des Straswesens, welche der von der Republik so hoch gehaltenen Humanität und Menschenwürde gemäss sind: das s i n d F o r t s c h r i t t e in unserem gemeineidgenössischen .Leben, welche die vaterländische Gesehiehte mit Anerkennung in den Blättern der diesmaligen Bundesrevision verzeichnen wird.

Eidgenossen l Mitbürger vom Bodensee bis Gens, von Basel bis an Jtaliens Marken l Bedenket, dass Jhx am Tage der Abstimmung das hoehste Re.ht ausübet, das die Vorsehung einem Volke verleihen kann l Und bedenket serner, dass ...n jenem Tage vor den Augen der Nationen die Ehre der Republik auf Euerex Stimme ruht l

832 Doch wir wollen Euch zu der ernsten Handlung keine Räthe geben.

Unsere Räthe liegen in unsern Anträgen. Rur beantwortet Euch dabei die Fragen : Was würde im Falle der Verwerfung geschehen . - Werden die tausend und tausend Stimmen, die aus allen Klassen der .Nation eine zeitgemässe Verbesserung der gegenwärtigen Bundesverfassung forderten, hernach verstummen und schweigen? -- Werden in den rastlosen Fortsehritten der Zeit die Tausende und Tausende, die bei der gegenwärtigen Revision mehr perlangten, bei einer späteren sich mit Wenigerem begnügend -- Wenn die Mehrheit der Ration in der Minderheit der Kantone annimmt, die Minderheit der Ration aber in der Mehrheit der Kantone verwirst und so die Minderheit der Bürger der Mehrheit in der Verwerfung den Stillstand diktirt: wird in Diesem Widersinn des Republikanismus das Vaterland eine Garantie des Friedens und der siegreiche. Kantonalismus seinerseits eine neue Befestigung seiner souveränen Hoheit finden? - Wird die Zukunft der

Republik im Hochlande Europas dem Rüksehritt oder dem Fortschritt

gehoren ? -- Mitbürger l Sehike Jeder von uns seiner Stimmgebung eine unbefangene Beantwortung dieser Fragen voran l Dann gehe er hin am 12. Mai, und stimme s..., wie ihn sein Gewissen heisstl G o t t s e h ü z e das V a t e r l a n d l

Bern, den 8. April 1872.

Jm Ramen des schweizerischen Nationalraths,.

Der B r ä s i d e n t :

R. Brunner.

Der Kanzler:

Schiess.

Jm Ramen des schweizerischen Ständeraths, Der Präsident:

A. Keller.

Der Protokollführer:

J. .L. Lütscher.

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Proklamation der schweizerischen Bundesversammlung zur Abstimmung über die revidirte Bundesverfassung am 12. Mai 1872 an das Volk und die Kantone der schweizerischen Eidgenossenschaft. (Vom 8. April 1872.)

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1872

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17

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.04.1872

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