823

#ST#

Botschaft

des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Tragung der .kosten des eidgenossischen Gruppenaufgebots vom März 1871 bei Anlass des Tonhalle.Krawalls in Zürich.

(Vom 4. Dezember 1872.)

Tit.!

Die tosten, welche durch die eidgenossische Jntervention .peranlasst

worden sind, die in Folge der vom 9. bis 12. März l871 in Zürich stattgehabten Vorgänge eingetreten sind , belaufen sieh ans die Summe von Fr. 62,277. 18. Der Bundesrath hat am 3. Juli l. J. den hohen Regiernngsrath des Kantons Zürich ersucht, diesen Kostenbetrag der eidg. Kasse zu ersezen. Mit Schreiben vom 13. gl. M. wandte sieh aber der Regierungsrath zuhanden der Bundesversammlung mit einem Gesuche an uns, welches dahin geht, es mochten die sämmtlichen Okkupationskosten aus Rechnung des Bnndes übernommen werden.

Der Reaierunasrath von Zürich hält dasür, dass in dieser Anaelegenheit die Umstände ganz besonders geeignet seien, in Erwägung zu ziehen , ob nicht eine Abweichung von der Regel stattzufinden habe, wonach in derartigen Fällen der die Jntervention veranlassende Kanton die Kosten zu traaen habe. Er begründet diese Annahme in erster .Linie damit, dass obne die Anwesenheit einer grossen Zahl von sranzosischen Ossizieren, denen Zürich als Aufenthaltsort angewiesen war, die

^24 Bezüglichen Ausschreitungen , wenn nicht ganz unterblieben , so doch in einer Art ausgetreten wären, die keineswegs Gesahr gebracht und durch Anwendung gewohnlieher Bolizeimassregeln hätten in Schranken ^halten werden konnen.

Wir sind keineswegs gesinnt, in Abrede zu stellen, dass ohne die ^ussern Verhältnisse , welche in Folge Anordnung der eidg. Behorden, bestanden, die fragliehen Unordnungen nicht eingetreten sein würden; wir glauben aber, den Werth dieser ..Betrachtung aus das richtige Mass ^..rükzusühren, indem wir daran erinnern, dass die eidg. Jntervention erst nachgesucht und verfügt wurde, als die durch die sremden Elemente veranlasste Ruhestornng bereits vollständig beseitigt war.

Die Ulkten, welche wir unserm Berichte beilegen, lassen über den Znsammenhang ^wischen den einzelnen Momenten der damaligen Vor^änge und dem Jnterventionsbegel.^ren keinen Zweifel. Dieses Lettere ersolgte erst am 11. März. die französische.. Juternirten waren aber nur an dem Tonhalleex^ess vom ..). März belheiligt gewesen und hielten sich schon am Tage darauf von allen Unruhen vollständig fern. ^oeh

..m 11. März, Rachmittag um 2. 20, telegrafate die Regierung an

den Bundesrath : gegenwärtig in Zürich und Umgebung vollkommene Ruhe.^ Diese Thatsachen erlauben es nicht , in der Anwesenheit der Jnternirten in Zürich etwas mehr als eine entfernte Veranlassung zu oenjen.geu Vorfallen zn erbl.l.en, welche am 1l. ..I^arz ...en Reg.ernngsxath bewoaen haben, den Bundesrath .,um eidaeuossisches Aufsehen zu .bitten.^ Dass aueh die Regierung von Zürich dieser Aussafsung nicht ferne stand, geht aus ihren Berichten an uns hervor, worin sie (am 11. ...^ar..) den Charakter der ausael..roehenen Unruhen als einen unklaren bezeichnet und erklärt , dass die Tumultuauten der Arbeiterbevolkerung angehoren.

Einen ^weiten Grund für ihr Gesuch an die Bundesversammlung findet der Regierungsrath in dem Umstande, ,,dass die Kantonsregierung n..cht wohl dasur verantwortlich se^u koune, wenn d.e Bnndesbehorde d.e Situation sür schwieriger gehalten habe als sie .wirklich war, u..d einer^e.ts Gruppen .n zu großer ^ahl nach .^ur.ch beorderte, andererseits Korps ausbot , die kaum bei solchen Vorgängen passende Verwendung hatten finden tonnen.^ Durch diese Erklärung wird in unzweideutiger Weise der Bundesrath wenigstens für den Belauf der ergangenen Kosten verantwortlieh gemacht. Sie werden es daher begreiflich finden, wenn wir veranlasst ^ind, den richtigen Sachverhalt an der Hand der .^kten darzustellen, um

^

.^25 Jhnen dann das Urtheil anheimzugeben , wobei wir iedo^ keineswegs beabsichtigen, unsererseits die Verantwortlichkeit aus die Kantonsregierung abzuladen.

Die allgemeine Ausregung, in welcher sich die schweizerische Bevöl-

kerung zu Ansang März des Jahres 1871 in Folge des eben beendigten

Krieges besaud, ist in zu frischer Erinnerung, als dass wir näher daraus einzugehen brauchten. Eine fremde Armee von 90,000 Mann war von uns ausgenommen worden, zu deren Bewachung ein Theil unseres Heeres ausgeboten war, während ein anderes noch an der Grenze stand.

Die Situation des ganzen .Landes war eine so aussergewöhnliehe , wie dies seit langen Jahren nicht mehr der Fall gewesen war.

Jn diesem Momente brechen die Unruhen in Zürich ans.

Die Bnndesbehorden, welche aussehliesslich aus die Berichte der Regierung angewiesen sind, erfahren von derselben die Vorgänge des 9. März, mit der Erklärung, dass ,,die Regierung alle nolhigen Massregeln ergreisen werde, um die Ruhe herzustellen.^ Der berichtete Vorfall ist der Art, dass der Bundesrath keinen Anstand zu uehmen branchi , steh dem Vertrauen hinzugeben , es werde der Energie der Regierung mit Leichtigkeit gelingen, einer Wiederholung des Tnmulles vorzubeugen .oder demselben ein rasches Ende zu machen. Von der Eidgenossenschaft, welche s.hon zu Ansang der Jnternirung alle für die damaligen Verhältnifse nothigen Sieherheitsmassregeln den Kantonen gegenüber angeordnet hatte, w.rd daher n.chts We.leres versngt und e.ne Jnterveut.on irgend welcher Art nicht einmal zur Sprache gebracht.

Bei dieser Sachlage trifft am 11. März, Raehmittags 4 Uhr, bei dem Bundesrath die telegraphische Melduug ein : ,,Bnudesrath, Beru.

,,Heute wächst die Beweguug. Es steht eine Revolution bevor ,,von unklarem, aber droheudem Eharakter. Wir bitten um eidgenossisches ,,Aussehen. Regierung und Stadtbehorden von Zürich stehen zusammen.^ Zwei Stunden später ersolgt der Bericht : "Situation kritisch.

Zuverlässigkeit eines Theiles ausgebotener ,,Truppen zweifelhaft.^ Diese Sachlage , wie sie uns von der Regierung von Zürich gemeldet wurde, war sür den Bundesrath einzig maßgebend.

Das Bevorstehen einer Revolution mit drohendem Eharakter, die Uuzuverlässigkeit der eigenen Truppen erlaubte uns nieht, das Gesuch um eidgenossisches Aussehen mit einer vorgängigen eigenen Untersuchung der Sachlage zu beantworten, wir hielten es in unserer Vflieht, unverzüglich zu handeln, und finden heute noch, dass die von uns angewendeten Mittel nieht ausser Verhältniss zu dem Zweke standen. ^Vier Bataillone

826 Jnsanterie und zwei Batterien Artillerie, zusammen etwa 3500 Mann, erschienen uns nicht zu stark, um in einer Stadt von 56,000 Einwohnern, die steh ans die Hilse ihrer eigenen Truppen nicht verlassen konnte , eine beginnende Revolution zn verhindern , und kaum ausreichend, um eine begonnene niederzuwerfen. Dabei lag uns die ErTagung nahe , dass eine Revolution ihrer Ratur nach nicht bei halben Massnahmen werde stehen bleiben, sondern dass dieselbe sieh aller Kriegsmittel bedienen werde, welche ihr in den Zeughäusern von Zürich in die Hände fallen mnssten und denen wir uns unter allen Umständen gewachsen Beigen wollten.

Wir sind im Allgemeinen der Meinung, dass in dem Moment, wo es sich um Anwendung von Waffengewalt handelte , der Erfolg dnreh halbe und energielose Anordnungen schon von vornherein aufs Spiel gesezt worden wäre. Wenn daher der Regierungsrath von Zür.eh in

seiner Eingabe vom 13. Juli d. J. dafür hält, dass Zahl un^ Art

der Truppen der Situation nicht entsprechend gewesen seien, so konnen wir einerseits diese Ansieht nicht theilen und müssen andererseits daraus aufmerksam machen, dass der Bundesrath seinen Besehluss vom 11. März sofort der Regierung telegraphiseh zur Kenntniss brachte, ohne dass irgend eine Reklamation dieser oder ähnlicher Art dagegen ersolgt wäre.

Aus allen diesen Gründen konnen wir das Gesuch der Regierung von Zürich nicht befürworten.

Genehmigen Sie, Tit., die erneuerte Versicherung unserer ...nsgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 4. Dezember 1872.

Jm Ramen des schweizerischen Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

.^elti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schi^.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Tragung der Kosten des eidgenossischen Truppenaufgebots vom März 1871 bei Anlass des TonhalleKrawalls in Zürich. (Vom 4. Dezember 1872.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1872

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

55

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

14.12.1872

Date Data Seite

823-826

Page Pagina Ref. No

10 007 500

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.