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Schweizerisches Bundesblatt

XXIV. Jahrgang.

III.

Nr. 41..

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7. September 1872.

Bericht der

nationalräthlichen .kommission in Rekurssachen von Friedrich Kurti von Rappersweil, in St. fallen, betreffend Gerichtsstand.

(Vom 8. Juli 1872.)

Tit. l Durch Urtheil des Bundesgeri.hts vom 1. Juli 1871 wurde der Rekurrent, Friedrich Kurti von Rappersweil, wohnhast in St. Gallen, katholischer Konfession, aus die Klage seiner Ehefrau, Bauline Kurti, verwittwete Steuer in dort, reformater Konfession, von derselben geschieden. Das Urtheil. beschränkte sieh lediglich aus die Auslosung der.

Ehe und die Regnlirung des Kostenpunktes. Entschädigungsbegehren

waren von den Parteien nicht gestellt, und in .Abgang von Kindern aus dieser Ehe wurden Verfügungen über deren Zuseheidung und über

allfällige ...llimentationsbeiträge sür deren Unterhalt nicht nothig. Bei

Anlass der spätern Verhandlungen zwischen den geschiedenen Ehegatten bezüglich der Rü...kerstattung des von der Ehefran eingebrachten Ver.mogens entspannen sieh .Anstände darüber : a. ob eine von der Schwiegermutter des Rekurrenten während der Ehe gemachte Schenkung von Fr. 2000 . nach St. Gallischem Güterrechte als Frauengut zu behandeln sei, und B u n d e s b l a t t . J a h r g .

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B d . III.

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218 b.

ob Friedr. Knrti pflichtig sei, eine Forderung von Fr. 1000 für .Alimentation der Frau und ihrer Binder erster Ehe während der Dauer des Vrozesses gegen den Bezug der .^inse vo.r. Frauenund .^inder.verm^en zu bezahlen.

Die Bestreitung von Seite .^urtis führte zur Einkiagung beider

Ansprachen bei dem Bezirksgerichte St. Gallen. Mit Bez..g aus d^ Alimentationssorderung erhob der Beklagte die Einrede der J n k o m -

p e te n ^ d e s St. G a l l i sche n R icht e r s , daraus ge^t, das nach Art. 4 des ..).aehtragsgese^es über die gemachten Ehen vom 3. ^ebruar ^1862 e.n^ig und allein das Bundesgericht ^ur Aburthe^uu^ zuständig sei. Diese Kompetenzfrage wurde jedoch von beiden Jnstanzen in ^ejah^ndem Sinne beantwortet, und das .^antousgericht ^t. Gallen insbesondere motivirte die Bestätigung der erstinsi.a..^ichen Entscheidung.

dadurch, dass die in Art. 4 des allegirten Bnndesgese^es ausgestellte

bundesgeriehtliehe Jurisdiktion in aeeessorisehen fragen ossenbar nur für diejenigen Fälle vorgesehen sei, wo solche gleichzeitig mit der Hauptsache anhängig gemacht werden:. während im Spe^ialsalle von den Barteien eine .^lage über aeeessorische Fragen por de.r. Bundes..

Berichte nicht gestellt und von diesem auch nicht behandelt worden sei,.

daher dieselbe nachher v.^n den kantonalen Gerichten behandelt werden konne. Gegen dieses kantonsgerichtliehe Erkenntniss vom ^. Februar

1872 erhob nun Friedr. Kurti mit Eingabe vom 22. gl. Mts. Be^

schwerde bei dem Bundesrathe und beries sieh ^..m ^wecke der Aushebung desselben namentlich daraus, dass einerseits nach den saehbezi.gliehen Vorsehristen der Bundesgese^gebung, in Uebereinstimmung .mit dem allgemeinen Reehtssat^e, dass die Nebensache der Hauptsache folge, das Bundesgeri^.h.. in den ..^ro^essen über Scheidung pon gemischten Ehen uieht bloss über die Hauptl^lage, sondern auch uber sämmtliehe aeeessorischen fragen zn entscheiden habe, sei es, das.. es hierüber selbst urtheilt oder die Benrtheilung von Amtes wegen an den kantonalen Richter verweist (s. ^ 4 des Bundesgese^es vom 3. ^ebruar 1862), und dass andererseits die von Vaul.iue eingeleitete Entsehädiguugsklage.

offenbar ein Aeeessorium im Scheidungsprozesse bilde, welches in .Abgang einer Delegation der Gerichtsbarkeit an .die St. Gallischen Gerichte vor dem Bundesgerichte anhängig ^u machen sei. Zur Unterstützung obiger Behauptung wird sodann in der Rekursbesehwerde aus die Art. 3, 5 und ^ der Verordnuug betretend das Versahreu im Eheseheidungsprozesse vom ..... Juli 1862 verwiesen, welehe den Justrnktionsrichter verpflichten , von Amtes wegen die .beweise rücksi^.htlich der.

^leeessorien ^u sammeln, sowie auch aus einzelne bundesgerichtliche Ent-

scheidnugen, welche unter Rr. 1024, 1026 und 1031 in Ulimers staatsrechtlicher Bra^.s, Bd. .ll ansgesührt sind. Jn der ans Abweisung.

der Beschwerde schließenden Beantwortung vom 7. Mä.^ 1872 focht

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Fürsprecher Hoffmann in St. Gallen Samens der Frau Bauline Kurti wesentlich die Richtigkeit der gegnerischen Rechtsaussührung an, indem das Bnndesgesetz vom 3. Februar 1862 nicht verlange, dass die aus der Ehescheidung entspringenden vermogensxechtlichen Ansprüche mit dex Scheidungsklage por Bundesgericht kumulixt werden m ü s s e n , sondern dieses im Sinne des Axt. 4 jenes Gesezes von den Baxteien nur geschehen k ö n n e , und daher im Unterlassungsfall.. dieselben nicht gehindert seien, ihre. anf die Scheidung basirten vermögensrechtlichen Ansprüche vor den zuständigen kantonalen Gerichten einzuklagen. Eine abweichende bundesgerichtliche Brax^is wird bestatten, sowie auch die .....Qualifikation der Alimentationsklage der Frau Kuxti als ein Aeeessoxium der Ehescheidungsklage. Mit Sehlussnahme vom 30. März d. J.

hat der Bundesrath den Rekurs als unbegründet abgewiesen. Gegen diese ^chlussnahme erfolgte die Weitexsziehung an die Bundesversammlung, ohne dass die Barteischristen vom 14. Mai un... 18. Juni abhin neue erhebliche Momente beibringen. Der Ständerath hat unterm 5. d. Mts. den Reknrs in abweisendem Sinne entschieden, und Jhre ..kommission ist im Falle, Jhnen einmüthig zu beantragen, dieser Entseheidung beizutreten.

Gehen. wir

aus die Begründung ein, welche der Re^uxrent der

Einrede der J n k o m p e t e n z des St. Gallischen Richters unterstellt,

so wird zunächst als entscheidende Frage in Betracht kommen : welche Bedeutung dem Art. 4 des .Nachtragsgesetzes betreffend die gemischten Ehen vom 3. Februar 1862 zu geben sei.^ Derselbe lautet: ,,Jn ,,Bezug aus die weitern Folgen der Ehescheidung (Erziehung und Untere

,,halt der Kinder, Vermogens.^ nnd Entschädigungssordexungen u. dgl.)

,,ist das Gesetz desjenigen Kantons anzuwenden, dessen Gerichtsbarkeit ,,der Ehemann unterworfen ist.

,,Zur Erledigung dieser fragen kann jedoch das Bundesgericht ,,auf den Antrag einer Bartei oder von Amtes wegen den Streitfall ,,an den zuständigen kantonalen Richter überweisen.^ Jnhaltlieh dieser Gesetzesbestimmung steht sür uns aussex allem

Zweifel, dass das Bundesgericht, welches ^ nach Art. 2 des gleichen

Gesetzes bei gemischten Ehen über die E h e s c h e i d u n g zu urtheilen hat, auch die Anständigkeit besitzt, die . daran sich knüpfenden aeeessorisehen Fragen, namentlich in vermögensrechtlicher Beziehung, zu entscheiden. Diese Kompetenz ist demselben, mit einer Beschränkung in Betresf der Gesetzesverordnung, ausdrücklich gewahrt, und ihm zugleich die Befugniss eingeräumt, die Beurtheilung der ^ebenpunkte auf den Antrag der Barteien oder von Amtes wegen an den zuständigen kantonalen Richter zu delegiren. Dagegen ein solches exklusives Fornm mit der Bricht der Barteien, auch die aeeessorischen Fragen von dem

220 Bundesgerichte austxagen zu lassen, ist nirgends in j..ner G^e..^ Bestimmung zu finden. Jn Ermanglung dessen muss daher angenommen w^den, d..s. in allen Fällen, in denen die betreffenden Rebenp.^kt..

weder von den .Parteien ventilirt, noeh vom Richter ....^ oflicio ausgegriffen werden. die kantonalen Gerichte die^ natürlichen Richter fi^d, dieselben auf Grund des Scheidungsurtheils zu regeln. Dieses darf und muss um so mehr geschehen, als in dem ursprünglichen vom Kantonsxathe berathenen Gese^esentwurse bestimmt war , daß das Bundesgericht alle mit der Scheidung zusammenhängenden Rebenfragen (wie Unterhalt der Kinder, Vermogensentsehädignng u.. dgl.) demjenigen kantonalen Eivilrichter zuweisen soll, dem der Ehemann unterworsen sei, und nur ausnahmsweise, wenn in dem betreffenden Kanton keine Gese^gebung hierüber bestehe.. sollte, das Bundesgericht diese Rebenfragen mit de..: Hauptsache beurthellet. Von einer Verlegung des allgemeinen Rechtstes, dass die Rebensache der Hauptsache ^u folgen habe,^kann nicht die Rede sein, indem es in der Fakultät de... Parteien

liegt, entweder gemäss diesem Sa^e zu prozediren^ oder sich allsällig

aus Opportunitätsrückfichten den ordentlichen Richter zu reserviren. Die Art. 3, 5 und 6 der bundesgeri.htlichen Verordnung vom 5. Juli

1862, betreffend das Versahren im Ehescheidungsprozesse, sir.d für die

vorliegende Frage unerheblichen Jnhalt.... Denn sie beziehen sich nur auf die Art der Prozessinstruktion und lassen die Frage des Gerichts-

standes vollständig unberührt. Es soll nämlich über d.e nach Art. 3 und 4 des Bundesgese^es zu berücksichtigenden ^Verhältnisse^ das Pxozessmaterial von Amtes wegen gesammelt und dadurch der Fall vor.^sehen werden, dass Klagepunkte aus Art. 3 und 4 des Bnndesgese^es zur gerichtlichen Entscheidung gebracht und von dem Bundesgerichte ...n Hand genommen werden s o l l t e n . Endlieh mangelt aueh die Raehweisung einer gegenteilige.. bundesgerichtlichen Vra^s, indem die vom Rekurrenten eitirten ^älle nieht sür eine solche angernsen werden

konnen. Der eine Fall (Rr. 1026) beschlägt die Frage über die Zu-

theilung von Kindern, wel.he das Bundesgebiet unabhängig von den Barteivoxträgen ans Gründen des o s s e n t li eh e n I n t e r e s s e s an Hand genommen hat, während in den übrigen Fällen ^..r. 1024 und 1031) die Parteien die Sache durch das Bnndesgericht entschieden wissen wollten. Es scheint uns vielmehr unzweiselhast, dass selbst das Bundesgericht bei Behandlung des Scheidungsprozesses der Kurtischen Eheleute sich aus den von uus oben bezeichneten Rechtsstandpunk.. gestellt hat, wenn es die aeeessorischen Fragen ganz bei .^eite liess, weil wedex von dem einen noch dem andern theile eine Entschädigung^ Forderung gestellt wurde.

Bei der allseitig feststehenden Liquidität der Rechtsansicht, dass nur die S c h e i d u n g s k l a g e dem Bundesgerichte als o b l i g a t o r i s c h

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zugewiesen, die .Kumulation weiterer aus der Ehescheidung abgeleiteten .^iagepunkte f a k u l t a t i v ist, lassen wir die Würdigung der weitern Frage : ob die Entschädignngsklage der Bauiine .^urti sich als Aeeessorium der Scheidungsklage ^ualifizire^ unberührt und schließen mit dem Antrage: Es sei, in Zustimmung zu dem Besehlusse des Ständeraths, der Rekurs von Friedr. ^urti als unbegründet abzuweisen.

B e r n , den ...... Juli 1872.

Samens der nationalräthlichen kommission, Der Berichterstatter:

..^eßmer.

........^e.

O b l a er Antrag wurde vom ^..tion..lrath am 1.... ..^uli angenommen.

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B ericht der

nationalräthlichen .kommission in Rekurssachen von S. B.

Bernard fur sich und Namens des .Handelshauses Dord & Cie in New-York, betreffend Gerichtsstand.

(Vom 14. Juli 1872).

Der ..Rekurs, welchen Hr. Fürsprech Sahli in Bern als Vollmachtträger von S. B. Bernard für sieh und Ramens des Handelshauses Dord & Eie in New-York bei der Bundesversammlung eingereicht hat, beschlägt ein aus Klage von Thédy-Gremion in Enner,,

Kts. Freiburg, erlassenes Urtheil des Handelsgerichts des Kantons

Freiburg vom 9. August 1870 (siehe Beilage 1 des Beschlusses des Bundesrathes). --- Kläger stützt seine durch gerichtetes Urtheil geschulte Ansprache daraus, dass er schon im Jahr ..863 in Enney mit Bernard einen Vertrag abgeschlossen habe, aus welchem ihm für Warensendungen, die er von 1864 bis Jenner 1866 für Dord &

Eie essektuirt habe, der eingeklagte Saldo zu gut komme, dessen Regli-

xung ihm von Bernard vergeblich versprochen worden sei. Mit Rücksieht daraus, dass wiederholte Zahlungsbegehren erfolglos geblieben sind, belangte Thédy-Gremion den Rekurrenten als Vertreter von Dord & Eie vor dem Handelsgerichte der Seine in Baris. Allein aus die Bestreitung, dass dieses Handelshaus in Baris ein Domizil besitze, erklärte sich das angerusene Tribunal durch Urtheil vom 27. September

186..) als inkompetent und wies die Barteien an den zuständigen Richter.

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Bericht der nationalräthlichen Kommission in Rekurssachen von Friedrich Kurti von Rappersweil, in St. Gallen, betreffend Gerichtsstand. (Vom 8. Juli 1872.)

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07.09.1872

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