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Bericht der

.kommission des Nationalraths über den Rekurs des Hrn.

S. B. Bernard, betreffend Gerichtsstand.

(Vom 17. Juli 1872.)

Tit. l Herr. S. B. Bernard hat als Vertreter des Handelshauses Dord

& Eie. in New-York Geschästsbeziehungen für dieses Haus mit dem in Enneh, , kts. Freiburg , domizilirten Herrn Thédy-Grémion angeknüpst. Jm Jahr 1863 wurde eine theils mündliehe, theils schriftliche Vereinbarung getroffen, dureh welche Hr. Thédy sich verpflichtete, sur Rechnung der Herren Dord & Eomp. so viel Strohgesleehte nach RewYork zu senden, als diese verlangen würden. Die Zahlungen sollten stattfinden in Baris mittelst Wechseln, die drei Monate nach dem Datum zahlbar und 30 Tage nach Abgang der Waaren zu aeeeptiren wären.

Jm Jahr 1866 reklamirte Herr Thédy, der für bedeutende Werthe Gläubiger geworden, wiederholt die Bezahlung derselben, sowohl bei HH. Dord & Eomp. als bei dem Agenten, Herrn Bernard in Baris.

Da. seine Schritte erfolglos waren, entsehloss er sich, die Herren Dord ^ Eomp. in Baris zu belangen, wo er nach erhaltenen Jnfoxmationen ein Domizil derselben annehmen zu dürfen glaubte. Er belangte sie daher vor dem Handelsgericht des Seine-Departements. indem er den

ihm heraus schuldigen Saldo von Fr. 48,325. 55 forderte. Allein

vor jenem Gerichte lehnte Herr Bernard Samens des Hauses Dord & Eomp. die franzosischen Gerichte ab, und diese Ablehnung wurde dureh Urtheil vom 27. September 186l.) gestüzt aus die Erwägung gutgeheißen, dass weder die eine noch die andere Bartei in Frankreich domizilirt und dass beide Ausländer seien.

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Jn Folge dieses Urtheils blieben dem^Hrn. Th.^d^remion zwet Alternativen übrig: entweder das Hans Dord ..^ Eomp., resp. Deinen.

Vertreter in Rew.^ork zu belangen, oder seine Forderung vor die ^erichte seines .Landes zu bringen.

Er that dieses Leztere und erwirkte unterm 9. August 1870 vom Handelsgericht des Kantons Freiburg ein ...^ntumazurtheil , welches Hrn. Bernard sowohl in seinem persönlichen ....amen .^ls in demjenigen der HH. Dord ^ Eomp. dazu verurtheilte, ihm obigen Werthbetrag

von Fr. 48,325. 55 nebst Zinsen vom 30. April 1869 an zu be.-

fahlen.

Hr. Bernard ^rekurrirte an den Bundesrath gegen dieses Urtheil.

welches naeh seinem dafürhalten durch eine inkompetente Behorde und in Verlegung des Brozessgesezes des Kantons ^reiburg erlassen worden.

Mit Beschlnss vom 13. September 1871 hat der Bundesrath diesen Rekurs abgewiesen ; Herr Bernard bringt denselben nun vor die eidgenossischen Räthe, wobei er Folgendes geltend macht.

1. Das Urtheil. des Handelsgerichts von Freiburg geht von der irrigen Annahme aus, der Rekurxeut sei franzosischer Bürger, und stüzt

steh aus Art. 1 des Vertrags mit Frankreich vom 15. Juni 1869, wel.her für

personliche Reklamationen

die Belangung am Forum des

Domizils des Klägers gestattet, wenn der Beklagte kein bekanntes

Domizil hat. ^...n ist aber er, Bernard, amerikanischer Bürger und überdies^ in Rew.^ork domizilirt; er musste, laut Art. 50 der BundesVerfassung und Axt. 5 der Verfassung des Kantons Freiburg , an diesem Domizil belangt werden, da die an ihn gestellte Forderung peronlicher Ratur ist. --.^ Es ist ein bei den eivilisirten Rationen allgemein .anerkannter Grundsaz, dass die personlichen Klagen am Forum des Domizils des Beklagten angebracht werden, und dieser Grundsaz muss um so mehr respektirt werden, wenn es sieh darum handelt, ihn aus Angehörige von Staaten anzuwenden, mit denen die Schweiz Freund^ehastsverträge abgeschlossen hat und welche ein bekanntes Domizil haben.

Da er Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika und in Rew-^ork domizilirt ist, so war er gemäss dem Vertrage vom 6. November 1855, welchen diese Macht mit der Schweiz abgeschlossen hat, am genannten

Domizil zu belangen.

Jn Wirklichkeit ist jedoeh nicht er direkte betrossen, sondern das Haus Dord und Eomp., dessen Vertreter er ist.

2. Selbst wenn, mit dem Uxtheil des Handelsgerichts von Frei.burg, angenommen würde, dass er nicht amerikanischer, sondern franzosiseher Bürger sei, so wäre dieses Urtheil immerhin noch regelwidrig, d.laut Art. 1 des Vertrags zwischen Frankreich und der .^..hweiz vom .Jahre 1869 die. persönlichen Klagen gegen Franzosen vor ihrem natür-

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liehen Richter anzubringen find. Man darf dem 2. Alinea dieses Artikel.... nicht den Sinn unterlegen, dass Franzosen oder Schweizer, welche ein bekanntes Domizil ausserhalb der Schweiz oder Frankreichs haben, ...m Domizil des Klägers belangt werden müssen. Das Forum des Klagers kommt nur .bei Bersonen, welche kein Domizil haben, zur Anwendung, nieht aber bei solchen, welche ein bekanntes Domizil haben, wäre dasselbe au^ außerhalb der beiden Vertragsstaaten.

3. Die wesentliche Bedingung jedes gültigen Urtheils ist, dass Niemand verurtheilt werden kann, ohne angehört oder regelrecht eitixt worden zu sein. Rekurrent aber kann beweisen, dass er keine Kenntnis^ von dem Tage erhalten hat, wo er erscheinen sollte, und demnach nicht in den Stand gesezt wurde, sich zu vertheidigen. Eine ihn betreffende Eitation wurde zwar in Wohlen, Kts. Aargau, wo er nur durchpasstrte,.

abgegeben, allein er erlangte erst nach dem Urtheil Kenntniss davon.

Jhr.e Kommission .^einstimmig darin, den Rekurs als unzulässig.

anzusehen und die Auffassungsweise des Bundesraths zu theilen.

Betrachte man Hrn. Bernard als Bürger der Vereinigten Staaten ....on Amerika oder als französischen Bürger in Rew-^ork, so ist eben ex es, der direkte belangt wird für eine personliehe Forderung, und die Bundesbehorde ist nicht kompetent, zu untersuchen, ob das Urtheil de.^ Handelsgerichts von Freiburg begründet oder unbegründet sei.

Der Bund kann nur bei Verlegungen der Bundesverfassung oder kantonaler Verfassungen intervenire^ 1. Jm vorliegenden Falle hält Hr. Bernard dasür, er ^ei pernrtheilt worden durch ein inkompetentes Gericht und mit Verlegung des .^lrt. 50 der Bundesverfassung und des .^lrt. 5 der Verfassung des Kantons Freiburg, welcher den nämlichen Grundsaz ausstellt. -- Diese Verlegung läge ossenbar por, wenn er, in Amerika domizilirt und Bürger dieses .Landes, sieh aus eine Bestimmung stüzen konnte, derzusolge der amerikanische Bürger nur am Forum seines Domizils belangt werden kann. Aber der Vertrag mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika vom Jahr 1855 kann nicht in diesem .^inne ausgelegt werden.

Der-

selbe bestimmt bloss, im Art. 1, dass in Sachen der Gesezgebung die

.Angehörigen der beiden Länder, welche in einem der Vertragsstaaten domizilirt sind, nach den Gesezen dieses Staates behandelt werden müssen. -- Wenn also Herr Bernard in der ^ehwe.z domizilirt wäre,

. so wäre er berechtigt, die gleiche Behandlung wie der daselbst domizilirte Schweizer selbst zu beanspruchen. Richt aber darf ex m e h r Recht füx sich in Anspruch nehmen, als ein Schweizer, der ausserhalb seines .Landes wohnt.

2. Jn der V^rausfezung, dass Hr. Bernard sranzöstscher Bürger sei, wie das Urtheil des Handelsgerichts ^es Kantons Freiburg an-

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nimmt, könnte ex nicht mit mehr Recht die Bestimmungen des Axt. .^ des Vertrags zwischen der Schweiz und Frankreich von 1869 anrusen,.

um ^u verlangen, dass man ihn in Amerika belange, wo ex sein Domizil zu haben glaubt, - indem nach ^jenem Vertrage das Foxum des^ Domizils dem Beklagten nux dann gesichert ist, wenn ex in einem der

Vextragsstaaten domizilirt ist.

Was endlich die Vrozess-Foxmwidxigkeiten betrifft, so können die-

selben, wenn sie überhaupt e^.istiren, in keinex Weise angerufen werden,.

da gegenüber Hrn. Bernard kein ausnahmsweise... Verfahren eingeführt wuxde, vielmehr bei ihm so verfahren worden ist, wie wenn es sich um.

einen landesabwesenden Freiburgex gehandelt hätte.

Hält Herx Bernard dafür, das gegen ihn ausgefällte .Urtheil sei mit Unregelmäßigkeiten behastet, so kann er seine Reklamation bei den^ Freibuxger Gexiehten anbringen, um die Remedur odex Aushebung de.^ Urtheils zu exlangen. Die Bundesbehörden sind abex nicht kompetent,.

dieselben zu wüxdigen.

Dieses Urtheil trägt alte exsorderlichen Formen an sieh, um in der Schweiz vollziehbax zu sein, und es wuxde dasselbe duxch eine Gericht...Behörde gefällt, deren Kompetenz nicht bestritten werden kann. W ...s die Frage betrifft, ob es in Amerika vollziehbax sei, so haben die eid.^.

Räthe gegenwärtig keinen Grunde stch damit zu befassen, da diese Fra e sieh noch nicht präsentirt.

^lus diesen Gründen ist Jhre Kommission einstimmig daxin, Jhnen,.

..^it., die Zustimmung zu dem den Rekurs abweisenden Beschluß des Ständerathes vom 9. diess zu beantragen.

Bern, den 17. Juli 1872.^ Ramens der Kommission des Nationalrathes,.

Dex Bexichtexstattex: ^h. ^o^.

^ote.

^m ^atioualrathe am 17. ^uli angenommen.

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