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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend die provisorische Regelung der schweizerischen Handelsbeziehungen mit Spanien.

(Vom.21. Juni 1892.)

Tit.

Wir haben Ihnen mit unserer Botschaft vom 26. Januar dieses Jahres von der am 25. gleichen Monats vereinbarten provisorischen Verlängerung unseres Handelsvertrags mit Spanien vom 14. März 1883 Kenntniß gegeben und die Verhältnisse auseinandergesetzt, unter welchen sie zu Stande gekommen ist. Der Grund dieser Verlängerung war der, die nöthige Zeit zu Unterhandlungen über den Abschluß eines neuen Vertrages zu gewinnen und so gegenseitig die vorübergehende Anwendung der neuen erhöhten Generaltarife zu vermeiden.

Der neue spanische Zolltarif vom 31. Dezember 1891 ist, wie der alte, ein Doppeltarif, mit einer Kolonne für Staaten, mit welchen kein Vertragsverhältniß besteht, und einer zweiten, mit weniger hohen Ansätzen, für Vertragsstaaten -- das gleiche System, welches dem französischen Minimal- und Maximaltarif zu Grunde gelegt worden ist. Der neue spanische Minimaltarif beträgt hinsichtlich der meisten Fabrikate das Zwei- bis Dreifache des bisherigen Vertragstarifs und ist so hoch, daß unsern meisten Exportartikeln der Eingang in Spanien ganz oder größtenteils verschlossen wäre, wenn er zur Anwendung käme.

Es handelte sich deßhalb darum, in den anzuknüpfenden Unterhandlungen eine wesentliche Herabsetzung des neuen Tarifs, und

975 zwar im Allgemeinen mindestens auf das Niveau des bisherigen, zu erreichen. Die spanische Regierung hatte sich vor dem Beginn der Unterhandlungen im Prinzipe bereit erklärt, den Minimaltarif für die uns hauptsächlich interessirenden Artikel zu ermäßigen, womit die Grundlage fllr.das weitere Vorgehen geboten war.

Wir hatten uns für die nöthigen Vorarbeiten und für die Ermittlung der Begehren unserer Exporteure in gewohnter Weise der werthvollen Unterstützung des Vororts des schweizerischen Handelsund Industrievereins zu erfreuen, dessen Organisation und Arbeitskräfte sieh vor und während allen Unterhandlungen, welche nun seit einem Jahre fast ununterbrochen bald in diesem, bald in jenem Lande stattgefunden haben, wieder vortrefflich bewährt haben. Die Resultate der Untersuchungen des Vororts bildeten den Gegenstand sorgfältigster Berathungen zwischen unsern betheiligten Departementen und den bevollmächtigten Delegirten, welche wir in der Person der Herren alt Bundespräsident Dr. Welti in Bern, Generalkonsul Lardet in Madrid und Kantonsrath A. Germann-Stäheli in St. Gallen bestimmt haben.

Um nichts zu unterlassen, was bei den eigenartigen Verhältnissen in Spanien zu einer guten Aufnahme unserer Delegation und zu einer ungehinderten und allgemeinen Entfaltung ihrer Thätigkeit in den höchsten Regierungs- und übrigen Kreisen dea Landes beitragen könnte, haben wir Herrn Dr. Welti zum außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister am spanischen Hofe ernannt. Ferner dürfen wir bei diesem Anlasse hervorheben, daß Herr Germann infolge seiner Vertrautheit mit dem spanischen Handel, sowie mit dem Lande selbst und seiner Sprache, neben Herrn Dr. Welti und Herrn Generalkonsul Lardet die gegebene Persönlichkeit war, um unsere Interessen in der denkbar besten Weise zu wahren.

Die Unterhandlungen begannen in Madrid am 27. April und man hoffte, den Abschluß noch früh genug zu erzielen, um den neuen Vertrag vor dem Ablauf der Verlängerung, d. h. vor dem 1. Juli, den Parlamenten beider Länder zur Genehmigung unterbreiten und ihn am genannten Tage in Kraft setzen zu können.

Diese Voraussetzung hat sich leider nicht gunz erwahrt. Der Umstand, daß die spanische Vertragsdelegation gleichzeitig mit den Bevollmächtigten der meisten übrigen Vertragsstaaten zum gleichen Zwecke des Abschlusses neuer Verträge
zu unterhandeln hatte, komplizirte und verzögerte den Fortgang unserer Angelegenheit in einem Maße, daß wir Ihnen zur Stunde noch nicht den völligen Abschluß des Vertrages melden und diesen selbst zur Berathung unterbreiten können.

Bnndesblatt. 44. Jahrg. Bd. III.

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976 Es ist unseren Bevollmächtigten in den bisherigen Unterhandlungen gelungen, für die meisten Artikel, welche Spanien v o r n e h m lich aus der Schweiz bezieht, Ermäßigungen zu erzielen; dieselben gehen theils erheblich u n t e r den bisherigen Tarif, theils übersteigen sie denselben aber auch um ein Beträchtliches, halten sich aber dabei in einer Grenze, welche von den betreffenden Experten noch als erträglich, wenn auch nicht als befriedigend betrachtet wird. Wenig oder keinen Erfolg hatten unsere Bemühungen, auch für diejenigen Industrie-Erzeugnisse Konzessionen zu erhalten, welche wir bisher zwar in an und für sich bedeutenden Quantitäten nach Spanien beförderten,, die aber hauptsächlich von Deutschland, England und Frankreich nach diesem Lande geliefert werden. Hinsichtlich dieser Artikel behält sieh die spanische Regierung die Einräumung von Konzessionen in ihren Unterhandlungen mit den genannten Staaten vor, und da in der That zu erwarten steht, daß diese Unterhandlungen, wenn auch nicht sofort, so doch in nicht allzu ferner Zeit wirklich zum Ziele führen, so werden unsere betreffenden Industriezweige möglicherweise auf Grund der Meistbegünstigungsklausel in den Mitgenuß einiger Vortheile treten. Was von unserer Seite geschehen konnte und durfte, um auch für diese Kategorie von Artikeln, worunter sich solche mit ziemlich bedeutendem Export nach Spanien befinden, Vortheile zu erhalten, ist, Sie dürfen davon überzeugt sein, nicht unterlassen worden.

Wir können nicht umhin, hiebei auf den Unterschied der Verhältnisse beim Abschlüsse des Vertrages mit Italien aufmerksam zu machen, in welchem, mit entsprechenden Opfern zu Lasten des schweizerischen Tarifs, nicht nur erhebliche Tarifreduktionen für spezifisch schweizerische Artikel, sondern auch für solche von hervorragendem englischen und deutschen Interesse erreicht wurden.

Der Unterschied der Verhältnisse besteht darin, daß, als wir mit Italien unterhandelten, dieses Land seine neuen Verträge mit unsern Cointeressenten bereits abgeschlossen hatte, und zwar ohne denselben für die uns betreffenden Positionen Konzessionen eingeräumt zu haben, so daß wir nothgedruagen für uns und für jene das Versäumte nachholen mußten, wogegen im heute vorliegenden Falle wir nebst Norwegen als die Ersten zu einer Vereinbarung mit Spanien gelangt sind und
erwarten dürfen, daß die übrigen Staaten selbst für ihre Hauptinteressen einstehen werden.

Die Zugeständnisse, welche für die Einfuhr in die Schweiz gemacht werden mußten, beschränken sich im Wesentlichen auf die Einräumung derjenigen Zölle, welche von spanischen Produkten bisher schon bezahlt worden sind.

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Es ist zu erwarten, daß die Unterzeichnung des Vertrages in kürzester Zeit erfolgen könne. Bedauerlicherweise wird nun aber die Zeit nicht mehr genügen, utn denselben den Parlamenten der beiden Länder noch vor deren Vertagung zur Ratifikation zu unterbreiten.

Die Frage, welche unter diesen Verhältnissen der Beantwortung harrt, ist diejenige, welche Zölle einerseits in Spanien, anderseits in der Schweiz vom 1. Juli an bis zur Ratifikation der neuen Uebereinkunft erhoben werden sollen.

Es bieten sich in dieser Hinsicht verschiedene Eventualitäten dar, welche jedoch alle mehr oder weniger davon abhängen, in welcher Art und Weise sich die spanische Regierung mit den anderen Staaten verständigen wird.

Eine definitive Entschließung ist zur Stunde noch nicht angezeigt und wir müssen daher von Ihnen die Vollmacht verlangen, nach den Umständen und nach unserem Ermessen zu handeln, bis wir im Falle sind, Ihnen den Vertrag zur Genehmigung vorzulegen.

Mit dem Ausdruck unserer vorzüglichen Hochachtung.

B e r n , den 21. Juni 1892.

Im Namen des Schweiz, ßundesrathes, Der Bundespräsident:

Hauser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Itingier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

die provisorische Regelung der schweizerischen Handelsbeziehungen mit Spanien.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 21. Juni 1892, beschließt: Dem Bundesrathe wird die Vollmacht ertheilt, die schweizerischen Handelsbeziehungen mit Spanien vom 1. Juli an bis zum nächsten Zusammentritt der Bundesversammlung nach bestem Ermessen zu regeln.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend die provisorische Regelung der schweizerischen Handelsbeziehungen mit Spanien. (Vom 21. Juni 1892.)

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29.06.1892

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