01.023 Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege

vom 28. Februar 2001

4202

2001-0203

Inhaltsverzeichnis Übersicht

4208

1 Ausgangslage 1.1 Schwachstellen der heutigen Bundesrechtspflege 1.1.1 Überlastung des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 1.1.1.1 Ausmass der Überlastung 1.1.1.2 Ursachen der Überlastung 1.1.1.3 Wirkungen und Gefahren der Überlastung 1.1.2 Kompliziertes Rechtsmittelsystem 1.1.3 Lücken im Rechtsschutz 1.1.4 Überholte Rechtspflegekompetenzen des Bundesrates 1.2 Bestrebungen zur Revision des Bundesrechtspflegegesetzes 1.2.1 Gesetzesrevision von 1991 1.2.2 Expertenentwurf von 1997 zu einem Bundesgerichtsgesetz 1.2.3 Vernehmlassungsverfahren 1.2.4 Sofortmassnahmen des Parlamentes 1.3 Justizreform (Revision der Bundesverfassung) 1.3.1 Justizreform als Verfassungsgrundlage der Totalrevision der Bundesrechtspflege 1.3.2 Inkrafttreten

4211 4211 4211 4211 4212 4214 4214 4215 4216 4218 4218 4218 4219 4219 4220 4220 4222

2 Grundzüge der Vorlage 4223 2.1 Vorlage in drei Teilen 4223 2.1.1 Das Bundesgerichtsgesetz BGG 4224 2.1.2 Das Strafgerichtsgesetz SGG 4224 2.1.3 Das Verwaltungsgerichtsgesetz VGG 4224 2.1.4 Verhältnis der drei Gesetze zueinander 4225 2.2 Entlastung des Bundesgerichts 4225 2.2.1 Ausbau der richterlichen Vorinstanzen 4225 2.2.1.1 Neue Gerichte des Bundes 4226 2.2.1.2 Kantonale Gerichte 4227 2.2.2 Streitwertgrenze 4228 2.2.3 Ausschluss von Sachgebieten 4229 2.2.4 Vereinfachtes Verfahren 4231 2.3 Vereinfachung des Beschwerdewegs 4233 2.3.1 Die Einheitsbeschwerde an das Bundesgericht 4233 2.3.1.1 Von einer Vielzahl von Beschwerden zur Einheitsbeschwerde 4233 2.3.1.2 Die wichtigsten Merkmale der Einheitsbeschwerde 4234 2.3.1.3 Die Einheitsbeschwerde in der Sozialversicherung 4237 2.3.2 Weitgehender Verzicht auf die Beschwerde an den Bundesrat 4240 2.4 Änderungen in der Organisation der obersten Gerichtsbarkeit 4242 2.4.1 Integration der obersten Sozialversicherungs- gerichtsbarkeit in das Bundesgericht 4242 4203

2.4.1.1 Heutige Stellung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (EVG) 2.4.1.2 Reformmodelle 2.4.1.3 Stellungnahme der Expertenkommission 2.4.1.4 Stellungnahmen der Gerichte 2.4.1.5 Der Vorschlag des Bundesrates 2.4.1.6 Vorteile der Teilintegration 2.4.2 Weitere organisatorische Änderungen beim Bundesgericht 2.5 Schaffung unterer Bundesgerichte (Bundesstrafgericht und Bundesverwaltungsgericht) 2.5.1 Aufgaben im Strafrecht 2.5.2 Aufgaben im Verwaltungsrecht 2.5.3 Organisationsmodelle 2.5.4 Verfahren vor den neuen Gerichten 2.5.4.1 Strafrecht 2.5.4.2 Verwaltungsrecht 2.5.5 Wahl und Stellung der Richter 2.5.6 Aufsicht 2.6 Elektronischer Verkehr mit Gerichts- und Verwaltungsbehörden des Bundes 2.6.1 Aktuelle Situation 2.6.1.1 Bundesgericht 2.6.1.2 Andere Gerichts- und Verwaltungsbehörden des Bundes 2.6.2 Die elektronische Unterschrift im geltenden Bundesrecht 2.6.3 Regelung des elektronischen Verkehrs im Verfahrensbereich 2.6.3.1 Elektronischer Verkehr des Einzelnen mit den Bundesbehörden 2.6.3.2 Elektronischer Verkehr von Behörden mit Dritten

4242 4242 4243 4243 4244 4245 4246 4247 4247 4249 4251 4254 4254 4256 4257 4258 4259 4259 4259 4260 4261 4261 4262 4268

3 Die Vorschläge des Bundesrates im Lichte der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 3.1 Allgemeines 3.2 Ausbau der gerichtlichen Vorinstanzen 3.3 Streitwertgrenzen und vereinfachtes Verfahren 3.4 Ausschluss bestimmter Sachgebiete 3.5 Einheitsbeschwerde beim Bundesgericht 3.6 Integration des EVG in das Bundesgericht

4272 4272 4272 4274 4274 4275 4276

4 Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 4.1 Bundesgesetz über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) 4.1.1 1. Kapitel: Stellung und Organisation 4.1.1.1 1. Abschnitt: Stellung 4.1.1.2 2. Abschnitt: Richter und Richterinnen 4.1.1.3 3. Abschnitt: Organisation und Verwaltung 4.1.2 2. Kapitel: Allgemeine Verfahrensbestimmungen 4.1.2.1 1. Abschnitt: Zuständigkeit 4.1.2.2 2. Abschnitt: Prozessleitung 4.1.2.3 3. Abschnitt: Ausstand von Gerichtspersonen

4277 4277 4277 4277 4280 4282 4289 4289 4290 4291

4204

4.1.2.4 4. Abschnitt: Parteien, Parteivertreter, Rechtsschriften 4.1.2.5 5. Abschnitt: Fristen 4.1.2.6 6. Abschnitt: Streitwert 4.1.2.7 7. Abschnitt: Verfahrenssprache (Art. 50) 4.1.2.8 8. Abschnitt: Beweisverfahren 4.1.2.9 9. Abschnitt: Urteilsverfahren 4.1.2.10 10. Abschnitt: Kosten (Art. 58­64) 4.1.2.11 11. Abschnitt: Vollstreckung (Art. 65 und 66) 4.1.3 3. Kapitel: Das Bundesgericht als Beschwerdeinstanz 4.1.3.1 1. Abschnitt: Beschwerde in Zivilsachen 4.1.3.2 2. Abschnitt: Beschwerde in Strafsachen 4.1.3.3 3. Abschnitt: Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 4.1.4 4. Kapitel: Beschwerdeverfahren 4.1.4.1 1. Abschnitt: Anfechtbare Entscheide 4.1.4.2 2. Abschnitt: Beschwerdegründe 4.1.4.3 3. Abschnitt: Neue Vorbringen (Art. 93) 4.1.4.4 4. Abschnitt: Beschwerdefrist 4.1.4.5 5. Abschnitt: Weitere Verfahrensbestimmungen 4.1.4.6 6. Abschnitt: Vereinfachtes Verfahren (Art. 102) 4.1.4.7 7. Abschnitt: Kantonales Verfahren 4.1.5 5. Kapitel: Klage (Art. 106) 4.1.6 6. Kapitel: Revision, Erläuterung und Berichtigung 4.1.6.1 1. Abschnitt: Revision 4.1.6.2 2. Abschnitt: Erläuterung und Berichtigung 4.1.7 7. Kapitel: Schlussbestimmungen 4.1.8 Änderung bisherigen Rechts 4.2 Bundesgesetz über das Bundesstrafgericht (Strafgerichtsgesetz, SGG) 4.2.1 1. Kapitel: Stellung und Organisation 4.2.1.1 1. Abschnitt: Stellung 4.2.1.2 2. Abschnitt: Richter und Richterinnen 4.2.1.3 3. Abschnitt: Organisation und Verwaltung 4.2.2 2. Kapitel: Zuständigkeiten und Verfahren 4.2.2.1 1. Abschnitt: Strafkammer 4.2.2.2 2. Abschnitt: Beschwerdekammer 4.2.2.3 3. Abschnitt: Verfahren 4.2.3 3. Kapitel: Schlussbestimmungen 4.2.4 Änderung bisherigen Rechts 4.3 Bundesgesetz über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) 4.3.1 1. Kapitel: Stellung und Organisation 4.3.1.1 1. Abschnitt: Stellung 4.3.1.2 2. Abschnitt: Richter und Richterinnen 4.3.1.3 3. Abschnitt: Organisation und Verwaltung 4.3.2 2. Kapitel: Zuständigkeiten 4.3.2.1 1. Abschnitt: Beschwerdeinstanz 4.3.2.2 2. Abschnitt: Erste Instanz 4.3.3 3. Kapitel: Verfahren

4292 4297 4299 4300 4302 4302 4304 4306 4306 4306 4313 4318 4331 4331 4334 4339 4340 4341 4346 4348 4351 4352 4352 4354 4354 4355 4358 4358 4358 4359 4359 4360 4360 4363 4366 4366 4367 4376 4376 4376 4378 4382 4387 4387 4392 4392 4205

4.3.3.1 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen 4.3.3.2 2. Abschnitt: Besondere Bestimmungen für das Klageverfahren (Art. 39) 4.3.4 4. Kapitel: Revision, Erläuterung und Berichtigung 4.3.4.1 1. Abschnitt: Revision 4.3.4.2 2. Abschnitt: Erläuterung und Berichtigung (Art. 43) 4.3.5 5. Kapitel: Schlussbestimmungen 4.3.6 Änderung bisherigen Rechts 4.4 Bundesbeschluss über das Inkrafttreten der Justizreform vom 12. März 2000 4471

4392 4395 4396 4396 4397 4397 4398

5 Auswirkungen 5.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen 5.1.1 Auf den Bund 5.1.2 Auf die Kantone 5.2 Volkswirtschaftliche Auswirkungen 5.3 Auswirkungen im Bereich der Informatik

4472 4472 4472 4473 4474 4474

6 Legislaturplanung

4475

7 Verhältnis zum internationalen Recht

4475

8 Verfassungsmässigkeit

4476

Abkürzungsverzeichnis

4477

Erlasstexte Bundesgerichtsgesetz (Entwurf) Strafgerichtsgesetz (Entwurf) Verwaltungsgerichtsgesetz (Entwurf) Bundesbeschluss über das Inkrafttreten der Justizreform (Entwurf)

4480 4517 4539 4615

4206

01.023 Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege

vom 28. Februar 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen die Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege und beantragen Ihnen, den beiliegenden Entwürfen für das Bundesgerichtsgesetz, das Strafgerichtsgesetz, das Verwaltungsgerichtsgesetz und den Bundesbeschluss über das Inkrafttreten der Justizreform vom 12. März 2000 zuzustimmen.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, folgende Motionen und Postulate abzuschreiben: 1990 M 90.516 Justizreform. Längerfristige Massnahmen (N 5.10.90, Freisinnig-demokratische Fraktion; S 25.9.90) 1990 M 90.521 Justizreform. Längerfristige Massnahmen (S 25.9.90, Schoch; N 5.10.90) 1990 P 90.655

Eidgenössischer Steuergerichtshof in St. Gallen (N 5.10.90, Oehler)

1990 P 90.854

Vereinfachung der Verwaltungsverfahren (N 14.12.90, Leuba)

1996 P 95.3525 Entlastung des Bundesgerichtes von Entscheiden im Ausländerund Asylrecht (N 14.3.96, Baumberger) 1996 P 96.3377 Prüfung der Abschaffung der kantonalen Rechtsmittelinstanzen im Bereich des IRSG und Schaffung einer eidgenössischen Beschwerdeinstanz (N 16.9.96, Kommission für Rechtsfragen NR 95.024 [Minderheit Sandoz Suzette]) 1997 P 96.3385 Eidgenössische Rekurs- und Schiedskommissionen (N 20.3.97, Kommission für Wirtschaft und Abgaben 93.461) 1998 P 97.3528 Beschwerden. Entlastung des Bundesrates (N 20.3.98, Grobet) 2000 P 00.3008 Unabhängige Beschwerdeinstanz in der sozialen Krankenversicherung (N 22.6.00, Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit 99.448) Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. Februar 2001

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz 4207

Übersicht Mit der Totalrevision der Bundesrechtspflege werden Organisation und Verfahren des Bundesgerichts, seine Vorinstanzen sowie die Rechtsmittel, die an das oberste Gericht führen, umfassend neu geregelt. Ziel der Vorlage ist eine wirksame und nachhaltige Entlastung des heute stark überlasteten Bundesgerichts und damit die Erhaltung seiner Funktionsfähigkeit, aber auch die Verbesserung des Rechtsschutzes in gewissen Bereichen sowie die Vereinfachung der Verfahren und Rechtswege.

Verfassungsgrundlage für die Revision bildet die Justizreform, die am 12. März 2000 von Volk und Ständen angenommen wurde und die mit dieser Vorlage auf Gesetzesstufe umgesetzt wird.

Zur Entlastung des Bundesgerichts werden die richterlichen Vorinstanzen ausgebaut. Mit der Schaffung eines Bundesstrafgerichts wird das Bundesgericht von aufwändigen Direktprozessen entlastet. Das Bundesstrafgericht soll als erste Instanz Straffälle beurteilen, die der Gerichtsbarkeit des Bundes unterliegen, und die Aufgaben der heutigen Anklagekammer des Bundesgerichts übernehmen. Im Bereich der unteren Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundes wird ein zentrales Bundesverwaltungsgericht geschaffen, das die über 30 bestehenden Rekurskommissionen des Bundes, einschliesslich die Asylrekurskommission, ersetzt. Es löst gleichzeitig die Beschwerdedienste der Departemente ab und schliesst damit eine wichtige Lücke im System der richterlichen Vorinstanzen des Bundesgerichts. Künftig unterliegen Verfügungen von Bundesbehörden im Normalfall direkt der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dessen Entscheide können grundsätzlich an das Bundesgericht weitergezogen werden.

Das Bundesstrafgericht wird 40 bis 70 volle Stellen umfassen, das Bundesverwaltungsgericht ca. 260. Der Sitz der beiden Gerichte bildet zurzeit Gegenstand von Verhandlungen mit mehreren Kantonen. Der Bundesrat wird dem Parlament zur Sitzfrage eine Zusatzbotschaft unterbreiten.

Auf kantonaler Ebene ist eine Stärkung der kantonalen richterlichen Vorinstanzen des Bundesgerichts vorgesehen. Künftig sollen die Kantone die Zuständigkeit ihrer verwaltungsgerichtlichen Instanzen auf das kantonale Verwaltungsrecht ausdehnen.

Eine weitere Massnahme zur Entlastung des Bundesgerichts ist die Erhöhung der Streitwertgrenze in Zivilsachen von 8000 Franken auf 40 000 Franken. Eine
Streitwertgrenze soll auch für Staatshaftungsfälle und Geldstrafen eingeführt werden.

Neu können jedoch Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung in jedem Fall ­ unabhängig vom Streitwert ­ dem Bundesgericht unterbreitet werden. Entlastet wird das oberste Gericht zudem durch den Ausschluss bestimmter Sachgebiete von der Beschwerde an das Bundesgericht und durch die Weiterentwicklung der Möglichkeit des Gerichts, im vereinfachten Verfahren zu entscheiden.

Die heute zu komplizierten Beschwerdewege an das Bundesgericht werden wesentlich vereinfacht. Anstelle einer Vielzahl von Rechtsmitteln, die für die Rechtssuchenden und für das Bundesgericht zu erheblichen Abgrenzungsproblemen führen und häufig zeitraubende Abklärungen erfordern, soll es nur noch eine Einheitsbe-

4208

schwerde in jedem Rechtsbereich geben: eine Beschwerde in Zivilsachen, eine Beschwerde in Strafsachen und eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.

Mit der Einführung der Einheitsbeschwerde wird das Sozialversicherungsrecht verfahrensrechtlich dem übrigen Bundesverwaltungsrecht gleichgestellt. Die heutigen Sonderregeln in Streitigkeiten über Versicherungsleistungen (umfassende Prüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts und Kostenfreiheit) werden aufgehoben. Künftig soll auch in Streitigkeiten über Sozialversicherungsleistungen eine generelle Kostenpflicht gelten. Allerdings ist ein Kostenrahmen mit einer markant tieferen Obergrenze als bei den übrigen Streitigkeiten mit Vermögensinteresse vorgesehen.

Zur Entlastung des Bundesrates und im Sinne einer Aufgabenentflechtung wird die Beschwerde an den Bundesrat weitestgehend aufgehoben. Die mit der Justizreform in die Bundesverfassung aufgenommene Rechtsweggarantie erlaubt die abschliessende Streitentscheidung durch eine Verwaltungsbehörde nur noch in Ausnahmefällen.

Die umfassende Revision des Verfahrensrechts wird auch dazu genutzt, die gesetzlichen Grundlagen für den elektronischen Verkehr in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren des Bundes zu schaffen.

Als bedeutendste Neuerung in der Organisation der obersten Gerichte ist die Teilintegration des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (EVG) in Luzern in das Bundesgericht in Lausanne vorgesehen. Es soll neu ein einziges Bundesgericht mit Sitz in Lausanne und einem zweiten Standort in Luzern geben. Es wird davon ausgegangen, dass primär die Sozialversicherungsrechtspflege in Luzern bleibt. Grundsätzlich besteht Freizügigkeit zwischen den Abteilungen des Bundesgerichts. Eine Richterin oder ein Richter kann ohne Neuwahl von Luzern nach Lausanne wechseln und umgekehrt. Doch muss bei der Neubesetzung einer Vakanz auf die fachlichen Kenntnisse der Richterinnen und Richter Rücksicht genommen werden. Damit wird die Wahl von spezialisierten Richterinnen und Richtern für alle Rechtsbereiche gewährleistet. Für die Grösse des Gesamtgerichts gibt das Bundesgerichtsgesetz einen Rahmen von 35 bis 45 Richterinnen und Richtern vor. Die Bundesversammlung legt die genaue Zahl in einer Verordnung fest. Das Bundesgericht soll in Bezug auf die Gerichtsorganisation mehr Autonomie erhalten
als bisher. Es legt selbst Art und Anzahl seiner Abteilungen fest.

Die Totalrevision der Bundesrechtspflege hat wegen der Schaffung des Bundesstrafgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts Mehrausgaben zur Folge, die sich laut einer betriebswirtschaftlichen Studie auf 10,2 bis 16,6 Millionen Franken pro Jahr belaufen. Der grösste Teil dieser Kosten ist auf die zusätzlichen Rechtspflegeaufgaben zurückzuführen, die das Bundesstrafgericht auf Grund der vom Parlament bereits verabschiedeten «Effizienzvorlage» übernehmen muss. Hinzu kommen einmalige Kosten für die Errichtung der beiden neuen Gerichte, die noch nicht beziffert werden können.

In formeller Hinsicht umfasst die vorliegende Totalrevision drei neue Gesetze, das Bundesgesetz über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG), das Bundesge-

4209

setz über das Bundesstrafgericht (Strafgerichtsgesetz, SGG) und das Bundesgesetz über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG). Das Bundesgerichtsgesetz ersetzt das bisherige Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz, OG). Es regelt die Organisation und das Verfahren des Bundesgerichts und vereinigt in sich sämtliche Rechtsmittel, mit denen an das oberste Gericht gelangt werden kann. Das Strafgerichtsgesetz und das Verwaltungsgerichtsgesetz sind zwei neue Erlasse, die die Organisation und die Zuständigkeiten der zu schaffenden unterinstanzlichen Gerichte des Bundes regeln.

Weiter enthält die Vorlage einen Bundesbeschluss, der vorsieht, dass die Justizreform der Bundesverfassung gleichzeitig mit dem Bundesgerichtsgesetz in Kraft treten soll.

4210

Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Schwachstellen der heutigen Bundesrechtspflege

1.1.1

Überlastung des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

1.1.1.1

Ausmass der Überlastung

Die Überlastung des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts ist seit den Achtziger Jahren ein Dauerproblem. Die Teilrevision des Bundesrechtspflegegesetzes (OG, SR 173.110) von 1991 bewirkte zwar eine gewisse Entlastung der Gerichte (vgl. Ziff. 1.2.1). Die Entlastungsmassnahmen wurden jedoch rasch durch die weiter steigenden Eingänge kompensiert.

Das Bundesgericht in Lausanne verzeichnete 1978 noch rund 3'000 Eingänge. In den Achtziger Jahren stieg die Zahl auf jährlich 4'000 neue Fälle an. Zu Beginn der Neunziger Jahre verzeichnete das Bundesgericht eine erneute markante Steigerung auf ca. 5200 bis 5400 Eingänge pro Jahr. In den letzten sechs Jahren stabilisierten sich die Eingänge auf diesem Niveau. Die Zahl der Pendenzen (am Ende eines Geschäftsjahres hängige Fälle) konnte in den letzten Jahren von ca. 2000 auf 1600 abgebaut werden. Die Stabilisierung darf jedoch nicht zur Annahme verleiten, es zeichne sich eine Entspannung ab. Die Geschäftslast entspricht einem für das Gericht kaum verkraftbaren Übermass.

Noch drastischer stellt sich die Entwicklung beim Eidgenössischen Versicherungsgericht (EVG) in Luzern dar. Die Neueingänge im Sozialversicherungsbereich haben in den letzten zehn Jahren von 1194 auf 2521 um 111 Prozent zugenommen. Im gleichen Zeitraum konnte das EVG die Erledigungen um 93 Prozent steigern, doch nahmen gleichzeitig die Pendenzen von 883 auf 2109 um 138 Prozent zu. Die durchschnittliche Prozessdauer beträgt neun Monate.

Bei ständig wachsender Geschäftslast ist die Zahl der Richterinnen und Richter seit 1984 unverändert geblieben. Das Bundesgericht besteht heute aus 30 Mitgliedern und 30 nebenamtlichen Richtern, das EVG aus je 9 (ab 2001 9 bis 11). Die obersten Gerichte konnten dem zunehmenden Erledigungsdruck lediglich dank eines schrittweisen Ausbaus des Bestandes an Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreibern und juristischem Personal Stand halten. Das Bundesgericht verfügt heute über 92, das EVG über 41 juristische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Damit kommen auf einen Richter 3 juristische Mitarbeiter beim Bundesgericht und 3,7 beim EVG. Beim Bundesgericht verfasst heute jeder Richter jährlich im Durchschnitt etwa 80 Referate und eine bestimmte Anzahl von Koreferaten. Er muss durchschnittlich an 500 Fällen mitwirken, mit denen er sich in der
Regel mindestens zweimal ­ beim Entscheid und bei der Begründung ­ befassen muss. Beim Eidgenössischen Versicherungsgericht musste 2000 jeder Richter durchschnittlich gar an rund 770 Verfahren mitwirken, wovon er als Instruktionsrichter in 230 Fällen ein Referat oder eine Urteilsanweisung zu verfassen oder den vom Gerichtsschreiber direkt ausgearbeiteten Urteilsentwurf zu prüfen hatte.

4211

Die beiden Gerichte konnten in den letzten Jahren durch organisatorische und prozedurale Verbesserungen ihre Leistungskapazität steigern. Sie verfügen heute über effiziente Datenbanken und Informatikmittel, die ihre Arbeit unterstützen. Die Möglichkeiten organisatorischer Rationalisierungsmassnahmen sind heute weitgehend ausgeschöpft.

1.1.1.2

Ursachen der Überlastung

Die Ursachen der seit 30 Jahren ständig steigenden Zahl der bei den Eidgenössischen Gerichten anhängig gemachten Streitigkeiten liegen zum einen darin, dass neue Lebens- und Wirtschaftsbereiche einer rechtlichen Regelung unterworfen wurden. Damit nahm die Zahl der gesetzlichen Regelungen zu, aber auch deren Technizität und Komplexität. Die Ausweitung der Bundesgesetzgebung führt stets auch zu einer Erweiterung der Kontrolle durch das Bundesgericht, und je komplexer die Normen werden, umso grösser wird das Bedürfnis nach einer Klärung konkreter Auslegungsfragen durch das oberste Gericht. Zum anderen hat die konjunkturelle Situation der Neunziger Jahre insbesondere in den Sozialversicherungen (AHV, Invalidenversicherung, Arbeitslosenversicherung) zu erheblich mehr Beschwerden geführt. Die Entwicklung im Sozialversicherungsbereich ist insofern beunruhigend, als die Zahl der Beschwerden trotz der konjunkturellen Erholung der letzten Jahre entgegen früheren Erfahrungen nicht rückläufig sind. Die Ursachen dafür sind noch unklar.

Ein weiterer Grund für die grosse Zahl von anhängig gemachten Streitigkeiten liegt im leichten Zugang zum Bundesgericht. Abgesehen von einigen wenigen Beschränkungen hängt die Zulässigkeit eines beim Bundesgericht eingelegten Rechtsmittels lediglich von bestimmten Prozessvoraussetzungen ab (insbesondere funktionelle Zuständigkeit des Gerichts, Legitimation, Form und Frist). Der Zugang zum Eidgenössischen Versicherungsgericht wird durch zwei Sondervorschriften noch erleichtert: Nach Artikel 132 OG unterliegt die Kognition des EVG in Leistungsstreitigkeiten keiner Beschränkung (Überprüfung von Sachverhalts-, Rechts- und Ermessensfragen). Das Verfahren ist in diesen Fällen zudem nach Artikel 134 OG für die Parteien in der Regel kostenlos.

Zur Arbeitsbelastung trägt weiter bei, dass das Bundesgericht noch in zahlreichen Fällen als erste gerichtliche Instanz entscheidet. Die entsprechenden Verfahren sind für das Gericht aufwändiger als wenn es nur die Rechtmässigkeit eines gerichtlichen Urteils überprüfen muss. Wichtige Bereiche, in denen das Bundesgericht als erste Gerichtsinstanz entscheidet, sind ­

die staatsrechtlichen Beschwerden, soweit nach kantonalem Recht kein Rechtsmittel an ein Gericht zulässig ist (im kantonalen Staats- und Verwaltungsrecht noch verbreitet);

­

Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Entscheide von Verwaltungsbehörden des Bundes (die eidgenössischen Rekurskommissionen decken nur einen Teil der beim Bundesgericht anfechtbaren Entscheide von Bundesbehörden ab);

­

Berufungen und zivil- oder strafrechtliche Nichtigkeitsbeschwerden gegen Entscheide von kantonalen Verwaltungsbehörden (Art. 48 Abs. 1 und

4212

Art. 68 OG verlangen keine gerichtliche Vorinstanz; zum Strafrecht vgl.

Art. 268 Ziff. 3 BStP, Art. 345 Ziff. 1 StGB); ­

Rekurse an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer (Art. 78 ff. OG), soweit die Kantone als Aufsichtsbehörde keine richterliche Behörde eingesetzt haben;

­

Beschwerden an die Anklagekammer gegen strafprozessuale Amtshandlungen und Zwangsmassnahmen, die vom Bundesanwalt, vom Untersuchungsrichter oder von Verwaltungsbehörden des Bundes angeordnet oder bestätigt worden sind (Art. 102ter, 105bis Abs. 2 und Art. 214 ff. BStP, Art. 26 und 27 VStrR), sowie gegen Einstellungsbeschlüsse des Bundesanwalts oder des Untersuchungsrichters (Art. 106 Abs. 1bis und Art. 120 Abs. 2 BStP). Mit den Massnahmen zur Verbesserung der Effizienz und der Rechtsstaatlichkeit in der Strafverfolgung (Effizienzvorlage), die voraussichtlich am 1. Januar 2002 in Kraft tritt (Botschaft vom 28. Januar 1998, BBl 1998 1529, BBl 2000 70 ff.), wird ein generelles Beschwerderecht an die Anklagekammer des Bundesgerichts gegen den Bundesanwalt und den Untersuchungsrichter eingeführt (Art. 11 BStP). Gleichzeitig werden die Ermittlungskompetenzen der Bundesanwaltschaft erheblich erweitert (Art. 340bis StGB), was zu einer massiven Zunahme der Beschwerden an das Bundesgericht führen wird (vgl.

Ziff. 2.5.1);

­

kantonale verwaltungsrechtliche Streitigkeiten, die nach Artikel 90 Absatz 2 BV dem Bundesgericht zugewiesen worden sind (Art. 21 OG);

Besonders arbeitsintensiv sind für das Bundesgericht die Fälle, in denen das Gericht als erste und einzige Instanz (Direktprozesse) urteilt. Auch wenn die Anzahl der Direktprozesse gemessen an der Gesamtzahl der beim Bundesgericht anhängig gemachten Streitigkeiten nicht gross ist, verursacht jeder einzelne Fall einen unverhältnismässigen Aufwand, weil das Bundesgericht den Sachverhalt in einem zeitintensiven Beweisverfahren selbst feststellen muss. Als erste und einzige Instanz entscheidet das Bundesgericht über: ­

zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen dem Bund und einem Kanton oder zwischen Kantonen unter sich (Art. 41 OG);

­

staatsrechtliche und verwaltungsrechtliche Klagen (Art. 83, 116 und 130 OG);

­

Straffälle, die der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen (Art. 340 StGB), sofern keine Übertragung an einen Kanton erfolgt (Art. 18 BStP), sowie Verwaltungsstrafsachen nach Artikel 21 Absatz 3 VStrR. Es sind zahlenmässig nur wenige Fälle, die an das Bundesstrafgericht gelangen; diese verursachen aber einen unverhältnismässigen Aufwand, weil die Bundesrichter in den vom Unmittelbarkeitsprinzip beherrschten erstinstanzlichen Hauptverhandlungen nicht über eine tägliche Routine verfügen und die betreffenden Prozesse meist auch noch im Brennpunkt des öffentlichen Interesses stehen. Mit dem Inkrafttreten der Effizienzvorlage (BBl 2000 70 ff.), voraussichtlich am 1. Januar 2002, wird die Bundesgerichtsbarkeit in Strafsachen erheblich erweitert (Art. 340bis StGB). Damit wird es tendenziell mehr Bundesstrafprozesse geben (Botschaft vom 28. Januar 1998 zur Effizienzvorlage, BBl 1998 II 1529).

4213

1.1.1.3

Wirkungen und Gefahren der Überlastung

Die seit Jahren steigende Geschäftslast führte zu einem Anwachsen der Pendenzen und zu einem andauernden Erledigungsdruck für die Richterinnen und Richter. Um die Funktionsfähigkeit der Gerichte aufrecht zu erhalten und die Prozessdauer auf einem rechtsstaatlich verantwortbaren Mass zu halten, war es unabdingbar, dass die Richterinnen und Richter vermehrt Aufgaben wie die Vorbereitung von Referaten den juristischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übertrugen. Die Überlastung der Gerichte kann aber nicht durch eine unbegrenzte Erhöhung der Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewältigt werden. Die juristischen Mitarbeiter können den Richtern zwar gewisse Vorbereitungs- und Redaktionsarbeiten abnehmen, nicht aber die Verantwortung für die Urteile.

Die anhaltende Überlastung und der Zwang, möglichst viele Fälle zu erledigen, bergen die Gefahr in sich, dass die höchsten Gerichte ihre drei Hauptaufgaben nicht mehr richtig erfüllen können, nämlich dem Rechtssuchenden im konkreten Fall Rechtsschutz zu gewähren, eine einheitliche Rechtsanwendung in der gesamten Schweiz sicher zu stellen und zur Rechtsfortbildung beizutragen. Das Bundesgericht vermag in Zeiten anhaltender Überlastung zwar nach wie vor die Rechtseinheit zu gewährleisten; doch ist eine optimale Koordination der Rechtsprechung innerhalb des Bundesgerichts aus Zeitmangel nicht immer im gewünschten Ausmass möglich.

Als Folge der Überlastung kann sich das Gericht nicht mehr genügend Zeit nehmen, das geltende Recht aus höchster Warte zu reflektieren und wenn nötig gewandelten Verhältnissen anzupassen. Die Überlastung kann auch die richterliche Unparteilichkeit gefährden, denn ein überlasteter Richter neigt eher dazu, einem plausiblen Parteistandpunkt oder der Vorinstanz zu folgen, weil ihm die Zeit fehlt, eigene aufwändige Rechtsstudien zu betreiben.

Die anhaltend hohe Geschäftslast gefährdet die Funktionsfähigkeit der obersten Gerichte. Es besteht die Gefahr, dass die obersten Gerichte nicht mehr garantieren können, dass jeder Streitfall innert angemessener Frist erledigt wird, wie dies Artikel 29 der Bundesverfassung vorschreibt. Der beste Rechtsschutz, durch Verfassung und Gesetz gewährleistet, nützt den Bürgerinnen und Bürgern nichts, wenn in ihren Rechtsstreitigkeiten nicht innert nützlicher Frist Recht gesprochen wird. Auch die
Qualität der Rechtsprechung könnte beeinträchtigt werden.

In seinen Geschäftsberichten hat das Bundesgericht in den letzten Jahren wiederholt auf die problematische Situation und die dringende Notwendigkeit einer Justizreform hingewiesen. Die Entwicklung der letzten 30 Jahre hat gezeigt, dass die Geschäftslast der obersten Gerichte nur durch eine gesamtheitliche, strukturelle Reform der Bundesrechtspflege unter Kontrolle gebracht werden kann.

1.1.2

Kompliziertes Rechtsmittelsystem

Die Bundesrechtspflege (OG, VwVG, BZP, BStP und VStrR) kennt eine Vielzahl verschiedener Rechtsmittel und Klagen, die oft nur schwer voneinander abzugrenzen sind. Selbst innerhalb des gleichen Rechtsmittels bestehen zuweilen unterschiedliche Regelungen, etwa hinsichtlich der Kognition (Prüfungsprogramm) oder der Erschöpfung des Instanzenzuges. Dies hat zur Folge, dass sowohl das Bundesgericht als

4214

auch die Prozessbeteiligten verhältnismässig viel Zeit für die Behandlung formeller Fragen aufwenden müssen. 1999 endete ein Viertel der Verfahren (1470 Fälle) mit einem Nichteintretensentscheid; bei den staatsrechtlichen Beschwerden machte dieser Anteil sogar fast einen Drittel aus. Demgegenüber verzeichnete das EVG, das praktisch nur mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angerufen werden kann, im gleichen Jahr lediglich 12,5 Prozent Nichteintretensentscheide.

Das heutige Rechtsmittelsystem macht es oft erforderlich, gegen einen Entscheid je nach Rüge das eine oder andere oder auch zwei Rechtsmittel einzulegen. Es kann sogar vorkommen, dass der Anwalt die gleiche Rüge vorsorglich mit zwei verschiedenen Rechtsmitteln geltend machen muss, obwohl nur eines der beiden zulässig sein kann, mit der Folge, dass der Beschwerdeführer auf jeden Fall in einem Verfahren die Kosten trägt, selbst wenn er den Rechtsstreit in der Sache gewinnt. Im Vordergrund stehen zwei Abgrenzungsprobleme: ­

Abgrenzung der zivilrechtlichen Berufung nach Artikel 43 ff. OG und der strafrechtlichen Nichtigkeitsbeschwerde nach Artikel 268 BStP von der staatsrechtlichen Beschwerde

­

Abgrenzung der staatsrechtlichen Beschwerde von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (namentlich wegen der zunehmenden Verflechtung von eidgenössischem und kantonalem Recht) und dieser beiden Rechtsmittel gegenüber der Beschwerde an den Bundesrat.

1.1.3

Lücken im Rechtsschutz

Der Rechtsschutz ist in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten vor allem durch den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bund und in den Kantonen erweitert worden. Trotzdem bestehen noch Lücken.

Ein Reformbedarf resultiert aus der Einführung der allgemeinen Rechtsweggarantie auf Verfassungsstufe durch die Justizreform (vgl. Ziff. 1.3). Die Rechtsweggarantie gewährt dem Rechtssuchenden in grundsätzlich allen Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Zugang zu einem unabhängigen Gericht. Mit der Inkraftsetzung der Justizreform muss die Rechtsweggarantie auf Gesetzesstufe umgesetzt werden. Heute steht der Zugang zu einem unabhängigen Gericht insbesondere in jenen Bereichen des Bundesverwaltungsrechts nicht offen, in denen der Bundesrat oder ein Departement endgültig entscheiden. Gegen Verwaltungsakte der Kantone steht zwar die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht offen; diese löst aber keine umfassende Sachverhalts- und Rechtskontrolle aus und genügt damit den Anforderungen der verfassungsmässigen Rechtsweggarantie nicht.

Eine weitere Lücke im Rechtsschutz besteht bei der Behördenbeschwerde. Sie fehlt im Anwendungsbereich der heutigen Verfassungsbeschwerde (staatsrechtlichen Beschwerde), was zu unbilligen Konstellationen führen kann. So kann zum Beispiel die Regierung ein Urteil des Verwaltungsgerichts, das den Kanton in seinen hoheitlichen Befugnissen trifft, nicht wegen falscher Anwendung verfassungsmässiger Rechte der Bürger anfechten, weil die staatsrechtliche Beschwerde grundsätzlich nur Privaten als Träger verfassungsmässiger Rechte zusteht, nicht aber dem öffentlichen Gemeinwesen (vgl. z. B. BGE 120 Ia 95 ff.: Legitimation des Kantons BS im Lohnstreit der Basler Kindergärtnerinnen verneint). Ein weiteres Beispiel ist die fehlende 4215

Möglichkeit des Staatsanwaltes, gegen ein Strafgerichtsurteil vorzugehen, das auf willkürlicher Beweiswürdigung oder aktenwidriger Sachverhaltsfeststellung beruht.

Reformbedürftig erscheint auch der Rechtsschutz im Bereich der politischen Rechte des Bundes. Abgesehen von marginalen Kompetenzen des Bundesgerichts in den Fällen von Artikel 80 BPR (SR 161.1) fehlt ein gerichtlicher Rechtsschutz, da Beschwerden gegen Entscheide der Kantonsregierungen betreffend eidgenössische Abstimmungen bzw. Nationalratswahlen letztinstanzlich vom Bundesrat bzw. vom Nationalrat beurteilt werden (Art. 81 und 82 BPR).

Aus der Sicht des Rechtsschutzes nicht befriedigend ist die erstinstanzliche Bundesstrafgerichtsbarkeit des Bundesgerichts nach Artikel 340 BStP und Artikel 21 Absatz 3 VStrR. In diesen Fällen urteilt das Bundesstrafgericht als einzige Instanz über die Strafbarkeit von Personen, ohne dass ein oberes Gericht den Entscheid überprüfen kann. Die Schweiz musste aus diesem Grund einen Vorbehalt zu Artikel 14 Absatz 5 des Internationalen Pakts vom 16. Dezember 1966 über die bürgerlichen und politischen Rechte (SR 0.103.2, AS 1993 747) anbringen, der besagt, dass jeder, der wegen einer strafbaren Handlung verurteilt worden ist, das Recht hat, das Urteil durch ein höheres Gericht nachprüfen zu lassen.

Schliesslich erachtete der Bundesrat die fehlende Verfassungsgerichtsbarkeit im Bereich der Bundesgesetze (sogenannte Massgeblichkeit von Bundesgesetzen nach Art. 191 BV, Art. 113 Abs. 3 und Art. 114bis Abs. 3 aBV) als gewichtige Lücke im heutigen Rechtsschutzsystem. Wenn sich in einem konkreten Anwendungsfall herausstellt, dass ein Bundesgesetz nicht oder nicht mehr der Verfassung entspricht, kann das Bundesgericht dem Vorrang der Verfassung nicht zum Durchbruch verhelfen. Wer der Meinung ist, ein Bundesgesetz verstosse gegen ein Grundrecht, kann sich heute nur auf die EMRK berufen, nicht aber auf die uns näher stehende Bundesverfassung. Der Bundesrat schlug deshalb im Rahmen der Justizreform die Möglichkeit der Überprüfung von Bundesgesetzen durch das Bundesgericht vor (Botschaft des Bundesrates über eine neue Bundesverfassung vom 20. November 1996, BBl 1997 I 505 ff.; Art. 178 VE 96). Da die Eidgenössischen Räte jedoch die Verfassungsgerichtsbarkeit (Normenkontrolle) im letzten Augenblick auf Antrag der
Einigungskonferenz aus der Vorlage strichen (Amtliches Bulletin NR 1999, 2130; SR 1999, 979), bildet diese nicht mehr Bestandteil der vorliegenden Gesetzesvorlage. In der Vernehmlassung war die Überprüfung von Bundesgesetzen noch mehrheitlich positiv aufgenommen worden.

1.1.4

Überholte Rechtspflegekompetenzen des Bundesrates

Nach geltendem Recht verfügt der Bundesrat über nicht unbedeutende Restkompetenzen in der Verwaltungsrechtspflege (Art. 72 ff. VwVG). In der Staatsrechtspflege verbleibt dem Bundesrat mit der Aufhebung von Artikel 73 VwVG im Zuge der prozessualen Anpassungen an die neue BV (AS 2000 416) nur noch eine Restzuständigkeit im Bereich der Abstimmungsbeschwerden nach Artikel 81 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (BPR, SR 161.1).

Die Rechtspflegekompetenzen des Bundesrates sind heute aus folgenden Gründen problematisch:

4216

­

Sie geraten zunehmend in Widerspruch zu Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK, SR 0.101), wonach für zivilrechtliche Ansprüche («civil rights») der Bürgerinnen und Bürger der gerichtliche Rechtsschutz, d. h. der Anspruch auf ein unabhängiges Gericht gewährleistet sein muss. Nach der Praxis der Strassburger Organe zu den «civil rights» erhält diese Bestimmung immer mehr Geltung für die Verwaltungsrechtspflege.

Mit der Justizreform hat der Verfassungsgeber zudem die allgemeine Rechtsweggarantie eingeführt (Art. 29a BV), wonach jede Person grundsätzlich Anspruch auf Beurteilung seiner Rechtsstreitigkeit durch eine richterliche Behörde hat. Mit dem Inkrafttreten der Justizreform (vgl. Ziff. 1.3) muss dieser Anspruch auch im Bundesverwaltungsrecht beachtet werden.

Der Bundesrat genügt jedoch den Anforderungen an ein unabhängiges Gericht im Sinne der EMRK und der neuen Rechtsweggarantie der Bundesverfassung nicht.

­

Sie komplizieren das System der öffentlichen Rechtspflege des Bundes. Die Zuständigkeitsbereiche des Bundesrates und des Bundesgerichts sind getrennt, so dass der Rechtsweg entweder beim Bundesgericht bzw. bei einer endgültig entscheidenden Vorinstanz oder beim Bundesrat endet. Dabei ist die Zuständigkeit von Bundesgericht und Bundesrat mit zahlreichen Ausnahmen und Gegenausnahmen unübersichtlich geregelt. Da die Beschwerde an den Bundesrat prinzipiell subsidiär zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht ist, muss für die Frage der Zuständigkeit des Bundesrates vom Ausnahmekatalog der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Artikel 99­101 OG ausgegangen werden. Dieser Ausscheidung liegt kein einheitlicher Systemgedanke zugrunde. Nicht selten muss ein Meinungsaustausch über die Frage der Zuständigkeit durchgeführt werden. Wenn für die Verwirklichung eines Projekts verschiedene materiellrechtliche Vorschriften anzuwenden sind, kann durch die Gabelung des Rechtsweges der Grundsatz der materiell und verfahrensmässig koordinierten Rechtsanwendung (vgl.

BGE 118 Ib 399 f.) in Frage gestellt sein.

­

Die meisten der bestehenden Zuständigkeiten des Bundesrates in der Staatsund Verwaltungsrechtspflege entbehren der inneren Rechtfertigung und können heute nur noch historisch erklärt werden. Davon ausgenommen sind Streitigkeiten, in denen rein politische Fragen zu entscheiden sind, die einer rechtlichen Kontrolle nicht zugänglich sind (vor allem im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten). In den übrigen Bereichen ist eine rechtliche Beurteilung durch ein Gericht möglich und aufgrund der Rechtsweggarantie verfassungsrechtlich auch geboten. Wo das materielle Recht der Verwaltung einen Ermessensspielraum einräumt, ist immerhin die Einhaltung der rechtlichen Grenzen der Ermessensausübung richterlich überprüfbar.

­

Als politische Behörde kann der Bundesrat bei der Beurteilung von Beschwerden geneigt sein, politischen Erwägungen stärkeres Gewicht beizumessen als den rechtlichen Überlegungen.

­

Der Bundesrat wird mit Nichtregierungsaufgaben belastet und büsst damit Zeit und Kraft für seine eigentlichen Funktionen ein. Durchschnittlich hat der Bundesrat über ungefähr 75 Beschwerden pro Jahr nebst den Beschwerden im Bereich der Krankenversicherung gemäss Artikel 53 KVG zu entscheiden (vgl. die Bemerkungen zu Art. 30 VGG).

4217

1.2

Bestrebungen zur Revision des Bundesrechtspflegegesetzes

1.2.1

Gesetzesrevision von 1991

Das geltende Bundesrechtspflegegesetz vom 16. Dezember 1943 (OG, SR 173.110) ist seit längerer Zeit Gegenstand von Reformbemühungen. 1985 legte der Bundesrat eine erste Entlastungsvorlage aufgrund der Arbeiten der Expertenkommission Hans Dubs vor (BBl 1985 II 737 ff.). Die Referendumsvorlage (BBl 1989 II 872 ff.)

scheiterte jedoch am 1. April 1990 in der Volksabstimmung, insbesondere wegen der Erhöhung der Streitwertgrenzen in der Zivilrechtspflege und des besonderen Vorprüfungsverfahrens für die staatsrechtliche Beschwerde.

In der OG-Revision von 1991 (BBl 1991 II 465 ff.) wurden unbestrittene Teile der Vorlage von 1989 wieder aufgenommen. Die Revision trat grösstenteils am 15. Februar 1992 in Kraft (AS 1992 337 und 1993 877). Sie brachte u. a. einen Ausbau der richterlichen Vorinstanzen in der Verwaltungsrechtspflege durch zusätzliche Spezialrekurskommissionen und durch die Pflicht der Kantone zur Schaffung kantonaler richerlicher Vorinstanzen für Entscheide, die mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden können (Art. 98a und 128 OG), die Verallgemeinerung der Dreierbesetzung des Gerichts (Art. 15 und 125 OG), die Einführung des Zirkulationsverfahrens (Art. 36b OG) und die Ausdehnung des vereinfachten Verfahrens (Art. 36a OG).

1.2.2

Expertenentwurf von 1997 zu einem Bundesgerichtsgesetz

Bereits bei der Teilrevision des OG von 1991, die vor allem die Entlastung des Bundesgerichts und des EVG zum Ziel hatte, herrschte die Auffassung vor, dass die gesamte Bundesrechtspflege reformbedürftig ist und mittel- und längerfristig nur eine umfassende Justizreform auf Verfassungs- und Gesetzesstufe die strukturellen Probleme der Bundesrechtspflege zu lösen vermag (Botschaft vom 18. März 1991, BBl 1991 II 473 ff.).

Am 7. Juni 1993 setzte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) eine Expertenkommission1 zur Vorbereitung einer Totalrevision der Bundesrechtspflege ein. Die Kommission wurde beauftragt zu prüfen, welche Reformen in der 1

In ihrer ursprünglichen Zusammensetzung gehörten der Kommission an: Prof. Dr.

Heinrich Koller, Direktor des Bundesamtes für Justiz (Präsident), Prof. Dr. Walter Kälin, Bern (Vizepräsident), Dr. Ulrich Cavelti, Präsident des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen, Dr. Roland Forni, Bundesrichter, Lausanne (bis März 1994), Prof. Dr. Alfred Kölz, Zürich (bis März 1995), Rolf Lüthi, stellvertretender Generalsekretär des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartementes, Prof. Dr. Pierre Moor, Lausanne, Dr. Peter Alexander Müller, Bundesrichter, Lausanne (bis Dezember 1996), Dr. Niklaus Oberholzer, Rechtsanwalt, St. Gallen (bis März 1995), Prof. Dr. JeanFrançois Poudret, Lausanne, Dr. Thomas Probst, Rechtsanwalt, Basel, Dr. Rudolf Rüedi, Bundesrichter, Luzern, Dr. Katharina Sameli, Rechtsanwältin, Zürich. Nach der Verabschiedung des Zwischenberichts vom März 1995 nahmen zusätzlich in der Kommission Einsitz: Prof. Dr. Heinz Hausheer, Bern, Prof. Dr. Fabienne Hohl, Richterin am Kantonsgericht Freiburg, Niccolò Raselli, Bundesrichter, Lausanne, Dr. Danielle Yersin, Bundesrichterin, Lausanne.

4218

Bundesrechtspflege notwendig sind, damit der Rechtsschutz auch auf längere Sicht möglichst einfach, rasch und wirksam gewährt werden kann und die Anforderungen des internationalen Rechts erfüllt werden. Die Prüfung sollte sich auch auf die Verfassungsgrundlagen erstrecken.

Die Expertenkommission für die Totalrevision der Bundesrechtspflege legte im Juni 1997 ihren Schlussbericht an das EJPD sowie einen Entwurf für ein Bundesgerichtsgesetz (E-BGG) vor. Parallel zu den Arbeiten der Expertenkommission entstanden ­ teilweise unter Beizug der gleichen Experten ­ die Vorschläge zur Justizreform im Verfassungsentwurf 1996 des Bundesrates (BBl 1997 I 640).

Der Entwurf der Expertenkommission sah unter anderem folgende Reformen vor: die Einführung der Einheitsbeschwerde, ein generelles Vorprüfungsverfahren zur Beschränkung des Zugangs zum Bundesgericht, den Ausbau der gerichtlichen Vorinstanzen des Bundesgerichts (Schaffung eines Bundesstrafgerichts und eines Bundesverwaltungsgerichts sowie Ausbau der kantonalen gerichtlichen Vorinstanzen), die Totalintegration des EVG in das Bundesgericht, die Überprüfung von Bundesgesetzen durch das Bundesgericht (Ausbau der Verfassungsgerichtsbarkeit) sowie die Ausnahme bestimmter Sachbereiche vom Zugang zum Bundesgericht kombiniert mit einem Vorlageverfahren.

1.2.3

Vernehmlassungsverfahren

Am 6. Oktober 1997 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) mit der Durchführung des Vernehmlassungsverfahrens zum Entwurf für ein Bundesgesetz über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, EBGG). Gegenstand der Vernehmlassung bildeten der von der Expertenkommission erarbeitete Entwurf sowie ein neuer Vorschlag des EJPD zum Vorprüfungsverfahren (Art. 95 E-BGG), der den inzwischen von den Verfassungskommissionen beider Räte gefassten Beschlüssen zur Justizreform (Art. 178a Abs. 2 des Verfassungsentwurfs 1996) Rechnung trug.

Das Vernehmlassungsverfahren dauerte bis am 31. Januar 1998. Zur Stellungnahme eingeladen wurden das Bundesgericht, das Eidgenössische Versicherungsgericht, sämtliche Kantone, 16 politische Parteien, 33 Organisationen und 11 Universitäten bzw. Universitätsinstitute. Beim EJPD gingen insgesamt 74 Vernehmlassungen ein.

Geäussert haben sich insbesondere die eidgenössischen Gerichte, alle 26 Kantone, sechs Parteien (CVP, EDU, FDP, LPS, SP, SVP), 30 Organisationen und vier Universitäten.

Am 5. November 1998 nahm der Bundesrat vom Ergebnis der Vernehmlassung Kenntnis (zu den Ergebnissen vgl. Ziff. 3).

1.2.4

Sofortmassnahmen des Parlamentes

Die Geschäftsprüfungskommissionen der Eidgenössischen Räte (GPK), die sich im Rahmen der Oberaufsicht regelmässig mit der Geschäftsführung der Eidgenössischen Gerichte befassen, erachteten die Überlastung der Gerichte seit längerer Zeit als gravierend. 1994 reichte die GPK des Ständerates eine Parlamentarische Initiati4219

ve zur Erhöhung der Zahl der Bundesrichter ein (Bericht vom 24. Mai 1994, BBl 1994 III 1240). Die Vorlage sah die Erhöhung der Richterzahl in Lausanne von 30 auf maximal 36 vor. Der Nationalrat trat jedoch im Februar 1995 nicht auf das Geschäft ein, weil eine Mehrheit befürchtete, dass bei einem zu grossen Gericht die Einheit der Rechtsprechung nicht mehr gewährleistet sei.

Angesichts der nach wie vor steigenden Geschäftslast der obersten Gerichte reichten die beiden Geschäftsprüfungskommissionen 1999 eine weitere Parlamentarische Initiative für eine Teilrevision der Bundesrechtspflege zur Entlastung des Bundesgerichts ein (Bericht vom 4. und 8. September 1999, BBl 1999 9518). Die Vorlage beinhaltete einzelne Entlastungsmassnahmen, die noch vor der Totalrevision der Bundesrechtspflege realisiert werden sollten. Die Vorlage schlug u. a. die weitgehende Aufhebung der Direktprozesse in der Zivilrechtspflege, eine massvolle Einschränkung der Legitimation zur Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, die Schaffung einer richterlichen Vorinstanz (Rekurskommission) bei Staatshaftungsstreitigkeiten des Bundes, die Erhöhung der Richterzahl am Versicherungsgericht von neun auf maximal elf, die Einschränkung der Kognition (Prüfungsbefugnis) des Versicherungsgerichts auf die Prüfung von Rechtsfragen, die Vereinfachung des Zirkulationsverfahrens sowie weitere administrative und verfahrensmässige Erleichterungen vor.

Mit Ausnahme der Vereinfachung des Zirkulationsverfahrens und der Kognitionsbeschränkung des EVG wurden die Sofortmassnahmen vom Parlament im Juni 2000 verabschiedet (BBl 2000 3542). Die Teilrevision trat am 1. Januar 2001 in Kraft (AS 2000 2719).

1.3

Justizreform (Revision der Bundesverfassung)

1.3.1

Justizreform als Verfassungsgrundlage der Totalrevision der Bundesrechtspflege

Parallel zur Arbeit der Expertenkommission für die Totalrevision der Bundesrechtspflege entstanden die Vorschläge zur Justizreform im Verfassungsentwurf 1996 des Bundesrates (BBl 1997 I 640). Sie bildeten die verfassungsrechtliche Grundlage für den Vernehmlassungsentwurf des Bundesgerichtsgesetzes.

Das Parlament änderte die Vorschläge des Bundesrates zur Justizreform in zwei wesentlichen Punkten ab: ­

Zum einen verzichtete es auf die Überprüfung von Bundesgesetzen durch das Bundesgericht und blieb in diesem Punkt beim geltenden Recht, also bei der Massgeblichkeit von Bundesgesetzen (Art. 190 BV-Justizreform). Demzufolge werden die Bestimmungen des Vernehmlassungsentwurfs betreffend die Überprüfung von Bundesgesetzen im Bundesgerichtsgesetz nicht aufrecht erhalten.

­

Zum zweiten fasste das Parlament die Bestimmung über den Zugang zum Bundesgericht restriktiver als der Bundesrat (Art. 191 BV-Justizreform).

Neue gesetzliche Zugangsbeschränkungen sind nur in engem Rahmen möglich. Demzufolge wird der Zugang zum Bundesgericht im Bundesgerichts-

4220

gesetz neu geregelt. Das im Vernehmlassungsentwurf vorgesehene Vorprüfungsverfahren wird nicht übernommen.

Am 8. Oktober 1999 verabschiedete das Parlament den Bundesbeschluss über die Reform der Justiz (BBl 1999 8633). Volk und Stände nahmen die Verfassungsvorlage am 12. März 2000 an (BBl 2000 2990). Sie bildet die Verfassungsgrundlage für die vorliegende Totalrevision der Bundesrechtspflege mit den drei Gesetzen, Bundesgerichtsgesetz, Strafgerichtsgesetz und Verwaltungsgerichtsgesetz.

Die Justizreform umfasst folgende Neuerungen: ­

Einführung eines neuen Grundrechts auf gerichtliche Beurteilung in praktisch allen Rechtsstreitigkeiten (Rechtsweggarantie, Art. 29a): Die Umsetzung der Rechtsweggarantie erfordert eine Anpassung der Prozessgesetzgebung des Bundes und der Kantone (Bereitstellung der nötigen Gerichte bzw.

Ausdehnung ihrer Zuständigkeit, Bestimmung der gesetzlichen Ausnahmen von der Rechtsweggarantie).

­

Verfassungsgrundlage für die Vereinheitlichung des Zivil- und des Strafprozessrechtes (Art. 122 und 123): Diese Neuerung wird nicht mit der vorliegenden Revision, sondern mit zwei separaten Gesetzgebungsprojekten umgesetzt (Eidgenössische Zivilprozessordnung, Eidgenössische Strafprozessordnung).

­

Verankerung des Grundsatzes der Selbstverwaltung des Bundesgerichts (Art. 188 Abs. 3): Die Selbstverwaltung stärkt die Justiz im Verhältnis zur Exekutive. Sie wird für alle drei Gerichte des Bundes vorgesehen (vgl.

Art. 12 und 23 BGG, Art. 12 und 22 SGG, Art. 12 und 24 VGG).

­

Einführung der Stimmrechtsbeschwerde auf Bundesebene (Art. 189 Abs. 1 Bst. f): Die Beschwerde an das Bundesgericht steht nicht mehr nur betreffend kantonale, sondern neu auch betreffend eidgenössische Urnengänge zur Verfügung (vgl. Art. 77 Bst. c BGG).

­

Aufnahme einer Verfassungsnorm über den Zugang zum Bundesgericht, die für alle Streitigkeiten eine einheitliche Regelung bringt (Art. 191): Danach hat das Gesetz den Zugang zum Bundesgericht grundsätzlich zu gewährleisten. In drei Richtungen kann es eine Beschränkung vornehmen: Zulässig sind Streitwertgrenzen unter Vorbehalt von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, der Ausschluss bestimmter Sachgebiete von der Zuständigkeit des Bundesgerichts und ein vereinfachtes Verfahren zur Erledigung offensichtlich unbegründeter Beschwerden. Im Bundesgerichtsgesetz wird von allen drei Möglichkeiten Gebrauch gemacht (vgl. Ziff. 2.2.2, 2.2.3 und 2.2.4).

­

Pflicht des Bundes zur Schaffung eines selbständigen Bundesstrafgerichts, das für die erstinstanzliche Bundesstrafgerichtsbarkeit und allfällige weitere Aufgaben zuständig ist (Art. 191a Abs. 1): Diese Pflicht des Bundes wird mit dem vorliegenden Strafgerichtsgesetz erfüllt.

­

Pflicht des Bundes zur Bestellung richterlicher Behörden für die Beurteilung öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten aus dem Zuständigkeitsbereich der Bundesverwaltung (Art. 191a Abs. 2): Diese Pflicht des Bundes wird mit dem vorliegenden Verwaltungsgerichtsgesetz erfüllt.

4221

­

Kompetenz zur Schaffung weiterer Gerichte des Bundes (Art. 191a Abs. 3): Auf diese Verfassungsnorm stützt sich das Verwaltungsgerichtsgesetz, soweit es dem Bundesverwaltungsgericht die Beurteilung von Beschwerden gegen Entscheide kantonaler Instanzen überträgt (vgl. Ziff. 2.5.2). Im übrigen wird von der Kompetenz zur Schaffung weiterer Gerichte des Bundes noch kein Gebrauch gemacht. Denkbar wäre namentlich die spätere Schaffung eines Bundespatentgerichts oder gar eines Bundesgerichts für Immaterialgüterrecht. Die Zeit ist dafür aber noch nicht reif, da die diesbezüglichen Entwicklungen auf internationaler Ebene andauern, und nichts präjudiziert werden soll.

­

Pflicht der Kantone zur Bestellung richterlicher Behörden in allen Bereichen, neu insbesondere auch im Bereich des kantonalen öffentlichen Rechts (Art. 191b Abs. 1): Diese Pflicht ist im Straf- und Zivilrecht und grösstenteils auch im Bundesverwaltungsrecht bereits erfüllt. Der Anpassungsbedarf für die Kantone ist demnach nicht gross. Sie müssen lediglich die Zuständigkeit ihrer Verwaltungsgerichte auf das kantonale Verwaltungsrecht ausdehnen, soweit sie dies nicht schon getan haben.

­

Klare Verfassungsgrundlage für gemeinsame richterliche Behörden der Kantone (Art. 191b Abs. 2): Die Kantone können von dieser Befugnis Gebrauch machen. Die vorliegende Totalrevision der Bundesrechtspflege ist davon nicht berührt.

­

Ausdrückliche Verankerung des Prinzips der richterlichen Unabhängigkeit in der Verfassung (Art. 191c): Wie heute wird die Unabhängigkeit der Gerichte ausserdem auf Gesetzesstufe bestätigt und bildet Leitlinie bei der Ausgestaltung der Gerichte und bei der Wahl und Stellung der Gerichtsmitglieder.

1.3.2

Inkrafttreten

Artikel 195 BV sieht vor, dass eine revidierte Bundesverfassung sofort mit der Annahme durch Volk und Stände in Kraft tritt. Das Bundesgesetz über die politischen Rechte (SR 161.1) präzisiert in Artikel 15 Absatz 3: «Änderungen der Bundesverfassung treten mit der Annahme durch Volk und Stände in Kraft, sofern die Vorlage nichts anderes bestimmt.» Der Bundesbeschluss über die Reform der Justiz vom 8. Oktober 1999 (BBl 1999 8633) bestimmt in Ziffer III Absatz 2, dass die Bundesversammlung das Inkrafttreten bestimmt. Daher wird der Bundesversammlung mit dieser Botschaft auch ein Bundesbeschluss über das Inkrafttreten der Justizreform vorgelegt.

Die ungewöhnliche Regelung, dass die Bundesversammlung das Inkrafttreten bestimmt, wurde in der Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom 20. November 1996 damit gerechtfertigt, dass sie im Zusammenhang mit dem Abstimmungsprozedere über die Vorlagen A (Nachführung der BV) und C (Justizreform) ein flexibles Vorgehen ermögliche (BBl 1997 I 542). Diese Regelung wurde auch nach der Abkoppelung der Vorlage C von der Vorlage A belassen. Sie ermöglicht nunmehr, auf den Erlass der Ausführungsgesetzgebung Rücksicht zu nehmen.

4222

Die geltende Prozessgesetzgebung des Bundes steht in einigen Punkten in Widerspruch zur Justizreform. So ist beispielsweise der Anspruch auf gerichtliche Beurteilung (Rechtsweggarantie, Art. 29a BV-Justizreform) nicht durchwegs verwirklicht. Ebensowenig enthält das geltende OG eine Zugangsgarantie zum Bundesgericht in Streitigkeiten, die den Streitwert nicht erreichen, aber Grundsatzfragen aufwerfen (Widerspruch zu Art. 191 Abs. 2 BV-Justizreform). Diese Widersprüche können nur im Rahmen der Totalrevision des OG behoben werden. Auch die Prozessgesetzgebung der Kantone bedarf der Anpassung (Umsetzung der Rechtsweggarantie).

Deshalb ist vorgesehen, die Justizreform gleichzeitig mit der Ausführungsgesetzgebung des Bundes in Kraft zu setzen. Diese Lösung vermeidet die Probleme (Rechtsunsicherheit), die wegen der möglichen direkten Anwendbarkeit von Bestimmungen der Justizreform entstehen.

Bei einer vorgezogenen Inkraftsetzung der Justizreform wäre beispielsweise nicht auszuschliessen, dass das Bundesgericht dem neuen Grundrecht auf gerichtliche Beurteilung (Rechtsweggarantie) die unmittelbare Anwendbarkeit zuerkennen würde.

Damit könnte auf Bundesebene eine Mehrbelastung auf das Bundesgericht zukommen, weil das Bundesverwaltungsgericht, das die bestehenden Lücken im Gerichtszugang zur Hauptsache abdecken soll, noch nicht existiert, und deshalb das Bundesgericht den Anspruch auf gerichtliche Beurteilung erfüllen müsste. Nicht immer wäre zudem klar, ob in einem bestimmten Bereich überhaupt ein Anspruch auf gerichtliche Beurteilung besteht, da der Gesetzgeber gewisse Ausnahmen von der Rechtsweggarantie vorsehen darf (Art. 29a Satz 2 BV-Justizreform). Diese müssen in der Ausführungsgesetzgebung bestimmt werden. Auch auf Kantonsebene wäre eine Unsicherheit über die Rechtsmittelwege die Folge, solange die entsprechenden Prozessvorschriften zur Umsetzung der Rechtsweggarantie (einschliesslich die diesbezüglichen Ausnahmen) noch nicht bestehen. Indem die Justizreform erst mit dem Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung des Bundes (konkret des Bundesgerichtsgesetzes, das seinerseits den Kantonen eine kurze Übergangsfrist einräumt) in Kraft gesetzt wird, haben Bund und Kantone Gelegenheit, ihre Prozessgesetzgebung an die neuen verfassungsrechtlichen Vorgaben anzupassen.

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Vorlage in drei Teilen

Die vorliegende Totalrevision der Bundesrechtspflege umfasst drei neue Gesetze, das Bundesgesetz über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG), das Bundesgesetz über das Bundesstrafgericht (Strafgerichtsgesetz, SGG) und das Bundesgesetz über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG). Das Bundesgerichtsgesetz ersetzt das bisherige Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz, OG); das Strafgerichtsgesetz und das Verwaltungsgerichtsgesetz sind zwei neue Erlasse, die die Organisation der zu schaffenden unterinstanzlichen Gerichte des Bundes regeln.

4223

2.1.1

Das Bundesgerichtsgesetz BGG

Mit dem Bundesgesetz über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) wird das bisherige Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz OG, SR 173.110) vom 16. Dezember 1943 total revidiert. Eine Totalrevision drängte sich aus mehreren Gründen auf: Zum einen erfordern die Neuerungen in der Organisation der obersten Gerichte und die Einführung der Einheitsbeschwerde zahlreiche Änderungen des geltenden Rechts. Zum andern ist das geltende Bundesrechtspflegegesetz mit den zwei Teilrevisionen von 1968 und 1991 und zahlreichen punktuellen Änderungen schwerfällig und relativ unübersichtlich geworden. Es widerspiegelt die historische Entwicklung von der überwiegend verwaltungsinternen Rechtspflege hin zur Verwaltungsgerichtsbarkeit. Das neue Bundesgerichtsgesetz ist übersichtlich strukturiert und damit für rechtssuchende Private und deren Rechtsvertreter sowie für die rechtsanwendenden Behörden einfacher zu handhaben. Es legt die Organisation des gesamten Bundesgerichts fest und vereinigt in sich sämtliche Rechtsmittel, mit denen an das Bundesgericht gelangt werden kann. Heute sind die Organisation der strafgerichtlichen Organe des Bundesgerichts und die Rechtsmittel in Strafsachen im Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege geregelt.

2.1.2

Das Strafgerichtsgesetz SGG

Das Bundesgesetz über das Bundesstrafgericht (Strafgerichtsgesetz, SGG) regelt die Organisation und die Zuständigkeit des zu errichtenden erstinstanzlichen Bundesstrafgerichts. Im 1. Kapitel sind die Stellung des Gerichts und der Richter, die Organisation und die Verwaltung des Gerichts geregelt (Art. 1­24). Das 2. Kapitel regelt die Zuständigkeit des Gerichts als Bundesstrafgericht erster Instanz und als Beschwerdeinstanz sowie das Verfahren (Art. 25­29). Für das Verfahren vor dem Bundesstrafgericht wird vollumfänglich auf das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege (BStP, SR 312.0) und das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR, SR 313.0) verwiesen (Art. 29). Das 3. Kapitel enthält die Schlussbestimmungen über das Übergangsrecht und das Inkrafttreten (Art. 30­32).

Im Anhang zum SGG werden einige weitere Bundesgesetze geändert. Die Schaffung des Bundesstrafgerichts erfordert insbesondere eine Anzahl Änderungen des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege (BStP, SR 312.0)

2.1.3

Das Verwaltungsgerichtsgesetz VGG

Das Bundesgesetz über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) regelt Organisation und Zuständigkeit des neu zu schaffenden Bundesverwaltungsgerichts. Das 1. Kapitel regelt die Gerichtsverfassung, das heisst Stellung des Gerichts und der Richter sowie Organisation und Verwaltung des Gerichts (Art. 1­26). Das 2. Kapitel enthält die Bestimmungen über die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts als Beschwerdeinstanz (Art. 27­30) und als erste Instanz (Art. 31­32). Das 3. Kapitel über das Verfahren verweist grundsätzlich auf das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVG, SR 172.021) und umfasst daher nur wenige Bestimmungen (Art. 33­38). Für das Klageverfahren vor dem Bundesverwaltungsge4224

richt wird grösstenteils auf das Bundesgesetz über den Bundeszivilprozess (BZP, SR 273) verwiesen (Art. 39). Die Bestimmungen über Revision, Erläuterung und Berichtigung im 4. Kapitel verweisen im Wesentlichen auf die entsprechenden Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes (Art. 40­43). Das 5. Kapitel enthält die Schlussbestimmungen über das Übergangsrecht und das Inkrafttreten (Art. 44­46).

Mit der Schaffung des Verwaltungsgerichtsgesetzes müssen zahlreiche weitere Bundesgesetze angepasst werden. Die bedeutendste Revision im Anhang zum VGG betrifft das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021).

2.1.4

Verhältnis der drei Gesetze zueinander

Die drei Gesetzesvorlagen stehen in einem inneren Zusammenhang und sind auf einander abgestimmt. Sie werden aber einzeln dem Referendum unterstellt. Es wird davon ausgegangen, dass die drei Gesetze gleichzeitig verabschiedet und in Kraft gesetzt werden. Eine zeitlich gestaffelte Inkraftsetzung würde grössere Anpassungen der jeweils anderen Vorlagen und des geltenden Rechts erfordern.

2.2

Entlastung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht hat kraft seiner Stellung als oberstes Gericht besondere Aufgaben zu erfüllen, die andere Gerichte nicht oder nicht im gleichen Ausmass zukommen. Dazu gehören die Gewährleistung der einheitlichen Rechtsanwendung, die richterliche Fortbildung des Rechts und die Garantie der verfassungsmässigen Rechte. Diese Aufgaben kann das Bundesgericht nicht sachgerecht erfüllen, wenn es im heutigen Ausmass überlastet ist (vgl. Ziff. 1.1.1).

Um die Funktionsfähigkeit des Bundesgerichts als oberstes Gericht sicherzustellen, muss die Überlastung beseitigt werden. Die Vorlage sieht im Wesentlichen vier Entlastungsmassnahmen vor: den Ausbau der richterlichen Vorinstanzen (Ziff.

2.2.1), die Einführung bzw. Erhöhung von Streitwertgrenzen (Ziff. 2.2.2), den Ausschluss bestimmter Sachgebiete von der Zuständigkeit des Bundesgerichts (Ziff.

2.2.3) sowie ein vereinfachtes Verfahren (Ziff. 2.2.4).

2.2.1

Ausbau der richterlichen Vorinstanzen

Das Bundesgericht soll grundsätzlich nicht mehr als erste gerichtliche Instanz entscheiden (vgl. Ziff. 1.1.1.2). Ausnahmen sind auf wenige Sonderfälle zu beschränken. Künftig soll es nicht mehr möglich sein, gegen Verfügungen von Verwaltungsbehörden direkt beim Bundesgericht zu rekurrieren: der Beschwerdeweg soll in der Regel nur noch über eine richterliche Beschwerdeinstanz ans Bundesgericht führen.

Die Entlastungswirkung dieser Massnahme besteht zum einen darin, dass sich das Bundesgericht in Beschwerdefällen, in denen bereits eine unabhängige richterliche Vorinstanz eine vollständige Rechts- und Sachverhaltsprüfung vorgenommen hat, auf eine Prüfung der Rechtsfragen beschränken kann. Die Feststellung und die volle Überprüfung des Sachverhalts ist nicht Aufgabe des obersten Gerichts. Zum anderen

4225

kann das Bundesgericht von der Filterwirkung richterlicher Vorinstanzen profitieren.

Der Entscheid eines unabhängigen, wenn auch unteren Gerichts geniesst höhere Akzeptanz bei den Parteien als der Entscheid einer Verwaltungsbehörde, so dass mit weniger Weiterzügen an das Bundesgericht zu rechnen ist.

Das Bundesgericht soll zudem weitgehend von Direktprozessen entlastet werden (vgl. Ziff. 1.1.1.2). Es soll nur noch in jenen Fällen als einzige Instanz im Klageverfahren urteilen, wo sich dies aus staatspolitischen Gründen aufdrängt, nämlich bei Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen oder zwischen Kantonen, sowie in Staatshaftungsfällen, in welche oberste Magistratspersonen des Bundes involviert sind (vgl. Art. 189 Abs. 2 BV-Justizreform und Art. 106 BGG). Im Strafrecht soll es keine Direktprozesse vor dem Bundesgericht mehr geben. Mit der Reduktion der Direktprozesse auf das notwendige Minimum wird das Bundesgericht von aufwändigen Beweisverfahren entlastet.

Diese beiden Massnahmen bedingen den Ausbau bestehender oder die Schaffung neuer gerichtlicher Vorinstanzen des Bundesgerichts.

2.2.1.1

Neue Gerichte des Bundes

2.2.1.1.1

Bundesstrafgericht

Mit dem Inkrafttreten der Justizreform (vgl. Ziff. 1.3) schreibt die Bundesverfassung ausdrücklich die Schaffung eines Strafgerichts vor, das als erste Instanz Straffälle beurteilt, die der Gerichtsbarkeit des Bundes unterliegen (Art. 191a Abs. 1 BVJustizreform). Die vorliegende Reform sieht deshalb vor, dass die Strafgerichtsbarkeit des Bundes, die heute durch das Bundesstrafgericht am Bundesgericht als erste und einzige Instanz (im Direktprozess) wahrgenommen wird, einem neu zu schaffenden Bundesstrafgericht übertragen wird (zu Organisation und Aufgaben des Bundesstrafgerichts vgl. Ziff. 2.5). Seine Urteile unterliegen einem Rechtsmittel an das Bundesgericht. Das Bundesgericht wird dadurch von den aufwändigen erstinstanzlichen Strafprozessen entlastet. Gleichzeitig wird der von Artikel 2 des Protokolls Nr.

7 zur EMRK (SR 0.101.07) und Artikel 14 Absatz 5 des Internationalen Pakts vom 16. Dezember 1966 über die bürgerlichen und politischen Rechte (UNO-Pakt II, SR 0.103.2, AS 1993 747) verlangte doppelte Instanzenzug auch für diejenigen Strafsachen verwirklicht, die in die Gerichtsbarkeit des Bundes fallen. Der Vorbehalt der Schweiz zu Artikel 14 Absatz 5 UNO-Pakt II wird hinfällig.

2.2.1.1.2

Bundesverwaltungsgericht

Im Bereich der unteren Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundes soll ein zentrales Bundesverwaltungsgericht als richterliche Vorinstanz des Bundesgerichts geschaffen werden (zu Organisation und Aufgaben des Bundesverwaltungsgerichts vgl.

Ziff. 2.5). Diesem neuen unteren Gericht auf Bundesebene kommen drei Funktionen im System der Bundesrechtspflege zu: Erstens werden im Bundesverwaltungsgericht die über 30 bestehenden Rekurskommissionen des Bundes zusammengefasst, die heute bereits richterliche Vorinstanzen des Bundesgerichts in der Bundesverwaltungsrechtspflege bilden oder ­ wie etwa 4226

die Asylrekurskommission ­ als Gerichtsbehörden letztinstanzliche Entscheide fällen.

Zweitens soll das Bundesverwaltungsgericht in den Bereichen der Verwaltungsrechtspflege des Bundes eine Lücke schliessen, in denen heute noch keine richterliche Vorinstanz des Bundesgerichts besteht. Die Departemente, autonomen Anstalten und nicht richterlichen Kommissionen des Bundes trafen in den letzten fünf Jahren durchschnittlich ca. 3000 Verfügungen pro Jahr, die nicht bei einer eidgenössischen Rekurskommission anfechtbar sind. Wichtige Bereiche, in denen keine Rekurskommission besteht, sind zum Beispiel das Ausländerrecht, gewisse Konzessionen und ein grosser Teil der Bundessubventionen. Soweit kein Ausnahmetatbestand nach Artikel 99­102 oder 129 OG gegeben ist, sind diese Verfügungen nach heutigem Recht direkt beim Bundesgericht anfechtbar (Art. 98 Bst. a­d, f, fbis und h OG).

Drittens wird mit dem Bundesverwaltungsgericht die von der Justizreform garantierte allgemeine Rechtsweggarantie (vgl. Ziff. 1.1.3 und 1.3) für die Bereiche des Bundesverwaltungsrechts verwirklicht, in denen heute der Bundesrat oder ein Departement endgültig entscheidet. In diesen Verwaltungsbereichen sollen Entscheide künftig durch das Bundesverwaltungsgericht überprüft werden können. Dadurch wird der Rechtsschutz verbessert, ohne dass für das Bundesgericht Mehrarbeit entsteht.

2.2.1.2

Kantonale Gerichte

Der Rechtsschutz der Bürger soll in erster Linie durch untere Gerichtsinstanzen gewährleistet werden. Dieses Prinzip verlangt jedoch, dass überall der Zugang zu einer solchen Instanz offen stehen muss, einschliesslich in Streitigkeiten, die in die Kompetenz der Kantone fallen.

Im Anwendungsbereich des Bundesverwaltungsrechts wurde im Jahre 1991 mit der Einführung von Artikel 98a OG ein wichtiger Schritt in diese Richtung getan. Aufgrund dieser Bestimmung mussten die Kantone bis zum 15. Februar 1997 für alle Fälle, die unmittelbar mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden können, richterliche Behörden als letzte kantonale Instanzen einsetzen. Daneben verbleiben aber immer noch Bereiche, in denen das Bundesgericht als erste und einzige richterliche Instanz entscheiden muss (vgl. Ziff. 1.1.3).

Dies trifft vor allem im Bereich des kantonalen öffentlichen Rechts zu. Die bestehenden Lücken in der kantonalen Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit tragen zum Zustrom von staatsrechtlichen Beschwerden bei, der die Hauptursache für die Überlastung des Bundesgerichts bildet. Anzustreben ist deshalb, dass jeder Kanton mindestens die Kontrolle der Anwendung des kantonalen Verwaltungsrechts einer richterlichen Behörde anvertraut. Dabei reicht es nicht mehr, lediglich an den guten Willen der Kantone zu appellieren, wie in den Botschaften von 1985 (BBl 1985 II 814) und 1991 (BBl 1991 II 482). Die Pflicht, eine Beschwerdemöglichkeit vor einem kantonalen Gericht vorzusehen, leitet sich nun aus Artikel 29a BVJustizreform ab. Die Kantone haben eine Verwaltungsgerichtsbarkeit mit genereller Zuständigkeit und voller Sachverhalts- und Rechtskontrolle einzuführen. In denjenigen Bereichen, in denen die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig ist, konkreti-

4227

siert das BGG den verfassungsmässig garantierten Zugang zu einer richterlichen Behörde (Art. 80 ff., 103 und 104 BGG).

Im Sinne von Ausnahmen ist es dem kantonalen Gesetzgeber weiterhin erlaubt, Entscheide mit vorwiegend politischem Charakter (z. B. Richtpläne) von der richterlichen Beurteilung auszunehmen. Es obliegt dann dem Bundesgericht, letztinstanzlich zu beurteilen, ob die Ausnahme mit der Rechtsweggarantie vereinbar ist (vgl.

Art. 80 Abs. 3 BGG; siehe auch Art. 78 Abs. 2 BGG). Auch im Bereich der kantonalen politischen Rechte schreibt das Bundesgerichtsgesetz keine Beschwerdemöglichkeit an eine kantonale richterliche Behörde vor (Art. 82 Abs. 1 BGG).

Weniger problematisch präsentiert sich die Situation im Zivil- und Strafrecht. In diesem Bereich gibt es nur wenige Fälle, die nicht durch kantonale Gerichte beurteilt werden. Auch für diese rechtfertigt sich der direkte Zugang an das Bundesgericht nicht. Verschiedene Entscheidungen kantonaler Administrativbehörden unterliegen keinem anderen Rechtsmittel als der Berufung oder der zivilrechtlichen Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 48 Abs. 1 und Art. 68 OG), der strafrechtlichen Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 268 Ziff. 3 BStP) oder der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 84 OG). Andererseits gibt es Fälle, die zwar von einem Gericht erstinstanzlich beurteilt werden, aber innerhalb des Kantons nicht mehr weitergezogen werden können, wie bei den vorsorglichen Anordnungen, die der Ehescheidungsrichter gestützt auf Artikel 137 ZGB trifft. Das Bundesgerichtsgesetz statuiert daher im Zivil- und im Strafrecht den Grundsatz der doppelten Instanz («double instance»), wonach die Kantone obere Gerichte als Rechtsmittelinstanzen einzusetzen haben (Art. 71 und 75 BGG).

Es sind jedoch einige Ausnahmen vorgesehen, so etwa für die Handelsgerichte (Art. 71 Abs. 2 BGG).

2.2.2

Streitwertgrenze

Artikel 191 Absatz 2 BV-Justizreform erlaubt es, den Zugang zum Bundesgericht durch eine Streitwertgrenze zu beschränken. Das geltende Recht kennt das Erfordernis eines Mindeststreitwertes bereits im Falle der Berufung (Art. 46 OG). Die Verfassung beschränkt jedoch das Erfordernis eines Mindeststreitwertes nicht auf zivilrechtliche Streitigkeiten, weil ein in diese Richtung gehender Vorschlag vom Verfassungsgeber abgelehnt worden ist (AB 1999 S 609; 1999 N 2048). Hingegen garantiert die Verfassung den Zugang zum Bundesgericht für alle Streitigkeiten, die eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen, auch wenn der Mindeststreitwert nicht erreicht wird. Der vorliegende Entwurf nutzt den Spielraum aus, den die Verfassung dem Gesetzgeber eingeräumt hat.

Für Beschwerden in Zivilsachen gilt das Erfordernis eines Mindeststreitwertes grundsätzlich für sämtliche vermögensrechtlichen Streitigkeiten (Art. 70 BGG).

Aufgrund der Einheitsbeschwerde beschränkt sich dieses Erfordernis nicht nur auf zivilrechtliche Streitigkeiten, die im geltenden Recht Gegenstand einer Berufung sein können, sondern umfasst auch andere vermögensrechtliche Streitigkeiten, die heute der Nichtigkeitsbeschwerde, der staatsrechtlichen Beschwerde oder der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegen. Einige Bereiche des Schuldbetreibungsund Konkursrechts sind jedoch vom Erfordernis eines Mindeststreitwertes ausgenommen, namentlich wegen der Schwierigkeit, den Streitwert zu bestimmen. Die Streitwertgrenze wird bei der Beschwerde in Zivilsachen von 8000 Franken auf 4228

40 000 Franken erhöht. Damit wird einerseits der Inflation seit 1959, als die Streitwertgrenze auf 8'000 Franken festgesetzt wurde, Rechnung getragen. Mit dem die einfache Indexierung übersteigenden Erhöhungsbetrag von rund 9000 Franken wird andererseits berücksichtigt, dass die Vereinheitlichung des Zivilprozessrechts (vgl.

Art. 122 Abs. 1 BV-Justizreform) zu einer gewissen Zunahme der Beschwerden führen wird. Zudem wird der Mehraufwand ausgeglichen, der dadurch entsteht, dass dem Bundesgericht jede Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung unabhängig von der Höhe des Streitwertes vorgelegt werden kann. Diese Möglichkeit wird übrigens die Wirkung der Erhöhung der Streitwertgrenze wieder reduzieren. Selbst in Bereichen mit einem häufig relativ tiefen Streitwert (Konsumentenschutz, Mietrecht, Arbeitsrecht etc.) bleibt der Zugang zum Bundesgericht für Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung offen.

In öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist ein Mindeststreitwert von 40 000 Franken einzig bei der Staatshaftung vorgesehen (Art. 79 BGG). Es handelt sich hierbei um vermögensrechtliche Streitigkeiten, die denjenigen der zivilrechtlichen Haftung verwandt sind. Die zivilrechtliche Haftung und die Staatshaftung gleichen sich immer mehr an. Es rechtfertigt sich daher, den Zugang zum Bundesgericht für Streitigkeiten im Bereich der Staatshaftung analog zu den zivilrechtlichen Haftungsfällen zu beschränken. Der Zugang bleibt jedoch gewährleistet, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt.

Das vorliegende Projekt macht von der Möglichkeit Gebrauch, den Zugang zum Bundesgericht auch im Bereich des Strafrechts ­ entsprechend der laufenden Revision des Allgemeinen Teil des Strafrechts ­ durch eine Streitwertgrenze zu beschränken. So können Verurteilungen zu einer Geldstrafe von weniger als 30 Tagessätzen Geldstrafe oder zu einer Busse von weniger als 500 Franken für eine natürliche Person bzw. von 10 000 Franken für ein Unternehmen nicht mehr beim Bundesgericht angefochten werden, ausser es handelt sich um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (Art. 74 BGG). Ausgeschlossen werden damit geringe Geldstrafen, welche die persönliche Freiheit des Verurteilten nicht tangieren, so dass eine Kontrolle durch zwei kantonale Gerichte grundsätzlich genügen sollte (Art. 75 BGG).

Diese Beschränkung
umfasst auch alternative Strafen (Verurteilung zu weniger als 30 Tagen gemeinnützige Arbeit oder zu weniger als 30 Strafeinheiten bei Aussetzen der Strafe) sowie diejenige Freiheitsstrafe, die aus der Umwandlung einer dieser Strafen infolge fehlender Vollziehbarkeit resultiert. Der Zugang zum Bundesgericht bleibt jedoch insoweit garantiert, als eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Diese Zugangsbeschränkung zum Bundesgericht in Strafsachen drängt sich im Hinblick auf die Vereinheitlichung des Strafprozessrechts auf, welche in einigen Jahren in Kraft treten soll (vgl. Art. 123 BV-Justizreform). Denn ein einheitliches Bundesstrafprozessrecht wird unvermeidlich eine beachtliche Zunahme der Beschwerden ans Bundesgericht mit sich bringen.

2.2.3

Ausschluss von Sachgebieten

Neben der Streitwertgrenze erlaubt Artikel 191 Absatz 3 BV-Justizreform eine Zugangsbeschränkung ans Bundesgericht durch den Ausschluss «bestimmter Sachgebiete». Das geltende Recht sieht diese Form der Zugangsbeschränkung einzig bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor (Art. 99 ff., Art. 129 OG). Die Bundesver4229

fassung begrenzt diese Art der Beschränkung jedoch nicht nur auf den Anwendungsbereich des Bundesverwaltungsrechts. Der Gesetzgeber ist also frei, sie auf andere Gebiete auszudehnen, auf das kantonale öffentliche Recht, auf das Strafrecht oder auf das Zivilrecht.

Der Ausschluss bestimmter Sachgebiete ist ein wirksames Instrument zur Entlastung des Bundesgerichts, weil keinerlei Entscheide aus den ausgeschlossenen Gebieten beim Bundesgericht angefochten werden können. Mit der Einheitsbeschwerde ist der Ausschluss eines Sachgebietes grundsätzlich umfassend, denn die Beschwerde ist unabhängig von den vorgebrachten Beschwerdegründen unzulässig. Der Ausschluss eines Sachgebietes hat zur Folge, dass die Verantwortung, letztinstanzlich die Einhaltung des Bundesrechts (einschliesslich der Grundrechte) zu gewährleisten, in diesen Gebieten beim Bundesverwaltungsgericht oder bei den kantonalen Gerichten liegt. Im Zuständigkeitsbereich der Bundesverwaltung kennt bereits das geltende Recht zahlreiche Sachgebiete, in denen Eidgenössische Rekurskommissionen letztinstanzlich urteilen. Mit der Verstärkung der eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die Schaffung eines Bundesverwaltungsgerichts sollte die Qualität der Rechtsprechung in den von der Beschwerde an das Bundesgericht ausgenommenen Bereichen noch verbessert werden. Hingegen ist der vollständige Ausschluss der Beschwerde an das Bundesgericht für Entscheide der kantonalen Behörden neu. Zurzeit können deren Entscheide wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte mit der staatsrechtlichen Beschwerde vor Bundesgericht angefochten werden. Der Wegfall dieser Möglichkeit in den von einer Beschwerde an das Bundesgericht ausgenommenen Gebieten geht einher mit einer Stärkung der kantonalen Gerichtsbarkeit (vgl.

Ziff. 2.2.1.2). Dabei ist davon auszugehen, dass sich die kantonalen Gerichte ihrer verstärkten Verantwortung in diesen Bereichen bewusst sein und gewissenhaft für die Einhaltung des Bundesrechts sorgen werden.

Bei der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten korrespondieren die vorgesehenen Ausnahmen grösstenteils mit den bestehenden Ausnahmen bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 78 Abs. 1 BGG; vgl. Art. 99 ff. OG). Sie sind jedoch vereinfacht und systematisiert worden. Die grundsätzliche Änderung besteht in der Ausweitung des
Anwendungsbereichs der Ausnahmen. Im geltenden Recht bezieht sich die Liste der von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgenommenen Sachgebiete nur auf Entscheide, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen.

Das Konzept der Einheitsbeschwerde impliziert dagegen, dass die von der Beschwerde an das Bundesgericht ausgenommenen Sachgebiete auch für Entscheide gelten, die sich auf kantonales öffentliches Recht stützen. Einige kantonale Entscheide werden demnach nicht mehr beim Bundesgericht angefochten werden können. Dies gilt namentlich für gewisse Entscheide auf dem Gebiet des öffentlichrechtlichen Arbeitsverhältnisses (Art. 78 Abs. 1 Bst. f BGG), für Subventionen nach kantonalem Recht (Art. 78 Abs. 1 Bst. j BGG) und für Entscheide aus dem Bildungsbereich (Art. 78 Abs. 1 Bst. q BGG). Die Gründe, die für einen Ausschluss des Zugangs zum Bundesgericht in diesen Bereichen sprechen ­ vor allem der grosse Ermessensspielraum der Verwaltungsbehörde ­ gelten gleichermassen für Entscheide, die sich auf kantonales öffentliches Recht stützen, wie für solche, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen. In diesen Bereichen genügt der Zugang zu einem kantonalen Gericht (vgl. Art. 29a BV-Justizreform und Art. 78 Abs. 2 BGG).

Die zweite wichtige Änderung für die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten betrifft den Ausschluss der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und 4230

der internationalen Amtshilfe (Art. 78 Abs. 1 Bst. g BGG). Praktisch handelt es sich in diesen Fällen um eine Verschiebung der Zuständigkeit vom Bundesgericht zum Bundesverwaltungsgericht, wobei die Überprüfung der Entscheide durch eine einzige eidgenössische Instanz und damit die Gewährleistung eines raschen Verfahrens beibehalten wird.

Der Bundesrat möchte dagegen die ausgenommenen Sachgebiete, in denen die Kantone letztinstanzlich Bundesrecht anwenden, nicht erweitern. Es soll vermieden werden, dass die Anwendung von Bundesrecht durch die Kantone der Kontrolle durch eine eidgenössische Behörde ganz entzogen wird. Die Aufsicht der Kantone durch den Bundesrat oder eine eidgenössische Verwaltungsbehörde ist kein genügender Ersatz für eine Beschwerde an das Bundesgericht. Dies würde der derzeitigen Absicht widersprechen, die Aufsicht durch den Rechtsweg zu kanalisieren. Ausserdem erlauben es die Kontrollmöglichkeiten einer Aufsichtsbehörde nicht, eine einheitliche Anwendung des Bundesrechts ebenso gut zu gewährleisten wie eine Beschwerde an das Bundesgericht.

Bei der Beschwerde in Strafsachen sind die meisten Entscheide der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts von einer Beschwerde an das Bundesgericht ausgenommen (Art. 74 Abs. 1 Bst. b und Abs. 2 BGG). Es handelt sich im Wesentlichen um Kompetenzen, die nach geltendem Recht bei der Anklagekammer des Bundesgerichts liegen. Der Entlastungseffekt, der mit der Übertragung dieser Kompetenzen auf das Bundesstrafgericht verbunden ist, soll nicht durch eine Rekursmöglichkeit an das Bundesgericht wieder zunichte gemacht werden. Nur die Entscheide der Beschwerdekammer über Zwangsmassnahmen (provisorische Inhaftierung, Beschlagnahme etc.) können Gegenstand einer Beschwerde an das Bundesgericht bilden, da es sich dabei um schwerwiegende Massnahmen handelt, die die Grundrechte tangieren. Sie sollen vom Bundesgericht im gleichen Umfang überprüft werden können wie entsprechende kantonale Entscheide.

Bei der Beschwerde in Zivilsachen wird der einzige ausgeschlossene Bereich ­ Entscheide, die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen eine Marke getroffen worden sind (Art. 69 BGG) ­ von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde übernommen. Es handelt sich dabei um Entscheide, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen, die aber mit der Beschwerde in Zivilsachen verknüpft sind (vgl. Art. 68 Abs. 2 Bst. b Ziff. 2 BGG).

2.2.4

Vereinfachtes Verfahren

Obwohl der Zugang zum Bundesgericht garantiert ist, erlaubt es die Bundesverfassung dem Gesetzgeber, ein vereinfachtes Verfahren für offensichtlich unbegründete Beschwerden vorzusehen (Art. 191 Abs. 4 BV-Justizreform). Dieses vereinfachte Verfahren ist in Artikel 102 BGG geregelt. Es unterscheidet sich vom ordentlichen Verfahren in drei Punkten: Erstens kann das Bundesgericht auf einen Schriftenwechsel mit der Gegenpartei und der Behörde, deren Entscheid angefochten wird, verzichten. Zweitens wird der Entscheid grundsätzlich von zwei Richtern gefällt und nicht von drei oder fünf wie beim ordentlichen Verfahren. Drittens muss der Entscheid nur summarisch und nicht detailliert begründet werden wie beim ordentlichen Verfahren. Das vereinfachte Verfahren erlaubt es dem Bundesgericht auch, die Beschwerden, die ihm unterbreitet werden, rascher und einfacher zu beurteilen.

4231

Der Gegenstand des vereinfachten Verfahrens ist nicht auf die offensichtlich unbegründete Beschwerde beschränkt (Art. 102 Abs. 1 Bst. d BGG), welche in der Bundesverfassung ausdrücklich erwähnt wird. Diese Formulierung bezweckt, Beschwerden, die nicht offensichtlich unbegründet sind, vom vereinfachten Verfahren auszunehmen. Sie hindert den Gesetzgeber aber nicht, das vereinfachte Verfahren auch für bestimmte unzulässige Beschwerden vorzusehen. So müssen, genau wie im geltenden Recht (Art. 36a Abs. 1 OG), die offensichtlich unzulässigen Beschwerden im vereinfachten Verfahren entschieden werden können (Art. 102 Abs. 1 Bst. a BGG). Im Übrigen stellt das BGG relativ hohe Anforderungen an die Begründung der Rechtsschrift, müssen doch darin die verletzten Rechtssätze genannt werden (Art. 39 Abs. 2 BGG). Dem Bundesgericht muss es daher erlaubt sein, das vereinfachte Verfahren auf Beschwerden anzuwenden, die mangels hinreichender Begründung unzulässig sind (Art. 102 Abs. 1 Bst. b BGG).

Einen der wichtigsten Anwendungsbereiche des vereinfachten Verfahrens werden die Beschwerden ausmachen, die unzulässig sind, weil sie keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen. Denn gemäss Bundesverfassung müssen dem Bundesgericht aus allen Bereichen, in denen ein Mindeststreitwert gilt, auch Beschwerden vorgelegt werden können, die diesen Streitwert nicht erreichen, sofern sie eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung beinhalten (Art. 191 Abs. 2 BVJustizreform). Soll vermieden werden, dass diese Möglichkeiten zu einer starken Belastung des Bundesgerichts führen, muss nicht nur verlangt werden, dass in der Beschwerde dargelegt wird, weshalb es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt (Art. 39 Abs. 2 Satz 2 BGG). Vielmehr muss dem Bundesgericht ermöglicht werden, die Beschwerden, die keine grundsätzlichen Rechtsfragen aufwerfen, im vereinfachten Verfahren als unzulässig zu erklären (Art. 102 Abs. 1 Bst. c BGG). Dies ist umso wichtiger, als im ordentlichen Verfahren Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung in einer Besetzung von fünf Richtern zu entscheiden sind (Art. 18 Abs. 2 BGG).

Das vereinfachte Verfahren kann auch angewendet werden, um einer offensichtlich begründeten Beschwerde Folge zu leisten, namentlich wenn der angefochtene Entscheid von der Rechtsprechung des
Bundesgerichts abweicht, ohne dass Anlass besteht, diese zu überprüfen (Art. 102 Abs. 1 Bst. e BGG). Hingegen genügt es nicht, dass der angefochtene Entscheid der Rechtsprechung des Bundesgerichts entspricht, damit die Beschwerde im vereinfachten Verfahren entschieden wird. Diese Übereinstimmung muss vielmehr offensichtlich sein.

Das vereinfachte Verfahren nach dem BGG geht weiter als dasjenige nach Artikel 36a OG. Zunächst wird die Besetzung grundsätzlich von drei auf zwei Richter reduziert, womit sie sich klar vom ordentlichen Verfahren unterscheidet. Weiter sieht das BGG zwei zusätzliche Kategorien von unzulässigen Beschwerden vor, die im vereinfachten Verfahren entschieden werden können. Das geltende OG beschränkt demgegenüber das vereinfachte Verfahren auf die offensichtlich unzulässigen Beschwerden.

Das vereinfachte Verfahren nach dem BGG ist hingegen kein Vorprüfungsverfahren, wie dies noch von der Expertenkommission vorgeschlagen wurde. Ein solches Vorprüfungsverfahren hätte es dem Bundesgericht erlaubt, alle Beschwerden, die keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen, als unzulässig zu erklären, ausser wenn der Ausgang des Verfahrens schwerwiegende Folgen gehabt hätte. Aufgrund der Revision der Bundesverfassung im Rahmen der Justizreform 4232

wäre eine solche Regelung nicht verfassungsmässig. Deshalb verlangt das BGG, dass das Bundesgericht die zulässigen Beschwerden im Rahmen des ordentlichen Verfahrens prüft, ausgenommen diejenigen, die offensichtlich begründet bzw. unbegründet sind. Beschwerden, auf welche das Bundesgericht nicht eintritt, weil eine der Eintretensvoraussetzungen nicht erfüllt ist, dürfen nur in besonderen Fällen im Rahmen des vereinfachten Verfahrens für unzulässig erklärt werden.

2.3

Vereinfachung des Beschwerdewegs

2.3.1

Die Einheitsbeschwerde an das Bundesgericht

Eine der wichtigsten Neuerungen des Kommissionsentwurfes ist es, die bestehenden verschiedenartigen Rechtsmittel durch eine Einheitsbeschwerde in jedem Rechtsgebiet zu ersetzen: eine Beschwerde in Zivilsachen, eine Beschwerde in Strafsachen und eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.

2.3.1.1

Von einer Vielzahl von Beschwerden zur Einheitsbeschwerde

Das geltende Rechtsmittelsystem vor dem Bundesgericht wurde im Laufe der Jahrzehnte geschaffen, indem neue Rechtsmittel den bereits bestehenden hinzugefügt wurden. Dies führte zu einem System, das nach verschiedenartigen Gesichtspunkten aufgebaut ist. Ein erstes Kriterium für das zu wählende Rechtsmittel ist das betroffene Rechtsgebiet: zivilrechtliche Streitigkeiten (Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde in Zivilsachen, Art. 43 ff. und 68 ff. OG), Strafgerichtsbarkeit (Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, Art. 268 BStP). Ein anderes Kriterium stellt das im angefochtenen Entscheid angewandte Recht dar: Verfügung gestützt auf öffentliches Recht des Bundes (Verwaltungsgerichtsbeschwerde, Art. 97 OG), Verfügung in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen (Art. 75 ff. OG). Ein drittes Kriterium liegt in der entscheidenden Behörde: kantonale Behörde (staatsrechtliche Beschwerde, Art. 84 ff. OG), kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen (Art. 75 ff. OG). Beim vierten Kriterium handelt es sich um den Beschwerdegrund: Verletzung verfassungsmässiger Rechte (staatsrechtliche Beschwerde, Art. 84 ff. OG), gesetzliche Nichtigkeitsgründe (Nichtigkeitsbeschwerde in Zivilsachen, Art. 68 ff. OG), Verletzung von Bundesrecht mit Ausnahme verfassungsmässiger Rechte (Berufung, Art. 43 ff. OG; Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, Art. 268 BStP), Verletzung von Bundesrecht einschliesslich verfassungsmässiger Rechte (Verwaltungsgerichtsbeschwerde, Art. 97 ff. OG).

Zusätzlich kennt jedes Rechtsmittel spezielle Bestimmungen über die Zulässigkeit.

So ist die Anfechtbarkeit der Zwischenentscheide unterschiedlich geregelt. Können sie mit der Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen (Art. 268 BStP) und ­ in einem verminderten Masse ­ mit der Berufung (Art. 48­50 OG) grundsätzlich nicht angefochten werden, sind sie im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde anfechtbar, wenn sie einen nicht wieder gut zu machenden Nachteil zur Folge haben (Art. 87 OG).

4233

Ein solches Rechtsmittelsystem ist zu kompliziert. Für Rechtssuchende (Rechtsanwälte oder Laien), welche nur selten ans Bundesgericht gelangen, ist dieses System äusserst schwierig. Zudem muss ein Entscheid oft zugleich mit zwei verschiedenen Rechtsmitteln angefochten werden, sei es, dass gewisse Beschwerdegründe nur mit einer bestimmten Beschwerde vorgebracht werden können, sei es, dass der Rechtsweg nicht eindeutig ist. Das geltende System erschwert aber auch in erheblichem Masse die Aufgabe des Bundesgerichts. Es muss das gleiche Geschäft bisweilen in zwei parallelen Rechtsmittelverfahren behandeln oder dann viel Zeit für die Bestimmung des zutreffenden Rechtsweges aufwenden. So sind immer wieder komplexe Abgrenzungsfragen zwischen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und der staatsrechtlichen Beschwerde zu beantworten ­ Fragen, deren Klärung nicht zur richterlichen Streitentscheidung beiträgt.

Die angestrebte Entlastung des Bundesgerichts bedingt eine wesentliche Vereinfachung der Rechtsmittelwege. Es ist unnütz, die Anzahl der vom Bundesgericht zu bewältigenden Geschäfte zu beschränken, solange es gleichwohl eine bestimmte Streitsache aufgrund mehrerer Rechtsmittel prüfen oder viel Zeit für die Bestimmung des zutreffenden Rechtsweges aufwenden muss. Daher sieht das BGG den Ersatz des gegenwärtigen Rechtsmittelsystems durch Einheitsbeschwerden in jedem der drei grossen Rechtsbereiche vor (Zivilrecht, Strafrecht, öffentliches Recht). Die Vereinfachung der Rechtsmittelwege trägt zudem auch zu einem wirksameren Schutz der Rechtssuchenden bei, weil die Gefahr, dass sich eine Beschwerde als unzulässig erweist, erheblich reduziert wird.

2.3.1.2

Die wichtigsten Merkmale der Einheitsbeschwerde

Nach dem Konzept der Einheitsbeschwerde gibt es nur noch einen einzigen Beschwerdeweg ans Bundesgericht zur Anfechtung von Entscheiden einer Vorinstanz, unabhängig davon, welche Beschwerdegründe angeführt werden oder welche Vorinstanz entschieden hat. Dieses Konzept ist in zweierlei Hinsicht von Vorteil. Es erleichtert zunächst die Aufgabe der Rechtssuchenden, die nun alle Rügen mit einem einzigen Rechtsmittel vorbringen können. Damit wird das Risiko des Nichteintretens vermindert und zudem entfallen die überflüssigen Kosten, welche sich aus der Erstellung verschiedener Rechtsschriften durch einen Anwalt ergeben. Das Konzept trägt aber auch zur Entlastung des Bundesgerichtes bei, indem es von der wenig fruchtbaren Aufgabe befreit wird, die Rechtsmittelwege voneinander abzugrenzen.

Idealerweise sollte des Konzept der Einheitsbeschwerde dazu führen, dass es für die verschiedenen Rechtsgebiete nur noch eine einzige, umfassende Beschwerde gibt.

Eine solche Lösung ist jedoch nicht sinnvoll. Obschon viele Prozessvorschriften für alle Beschwerden Anwendung finden können, sind doch einige Regeln auf bestimmte Rechtsgebiete beschränkt. Das gilt vor allem für die Bestimmungen über das Beschwerderecht und die Anforderungen an die Vorinstanzen. Anstatt eine einzige Einheitsbeschwerde mit zahlreichen Sonderbestimmungen für Spezialfälle zu schaffen, sieht das BGG je eine Beschwerde für jedes der drei Rechtsgebiete vor: eine Beschwerde in Zivilsachen, eine Beschwerde in Strafsachen und eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.

Die Ausgestaltung der Einheitsbeschwerden beinhaltet zwei Typen von Bestimmungen. Zunächst werden die für jede Einheitsbeschwerde eigenen Bestimmungen sta4234

tuiert. Es handelt sich dabei um Bestimmungen zum Anfechtungsobjekt, zum Anwendungsbereich, zu den Vorinstanzen und zum Beschwerderecht. Anschliessend werden jene prozessualen Fragen geregelt, welche für alle drei Einheitsbeschwerden gelten. Ziel war es, die Unterschiede zwischen den drei Einheitsbeschwerden auf das Notwendige zu beschränken. Dies hatte zur Folge, dass die heute für einzelne Beschwerden geltenden Bestimmungen mitunter verfeinert werden mussten, um zwingenden Anforderungen aus anderen Rechtsgebieten Rechnung zu tragen. Auf der andern Seite führte das Bestreben, soweit als möglich gemeinsame Bestimmungen zu schaffen, dazu, dass für bestimmte Punkte offenere Lösungen getroffen wurden, welche dem Bundesgericht genügend Spielraum lassen, die Eigenheiten der verschiedenen Rechtsgebiete zu berücksichtigen. Die Existenz gemeinsamer Eintretensvoraussetzungen wird innerhalb des Bundesgerichtes eine gute Koordination erforderlich machen, damit die gleichen Begriffe für die drei Beschwerden nicht widersprüchlich ausgelegt werden. Dafür kann die dazu entwickelte Rechtsprechung und Doktrin generell für alle drei Rechtsgebiete fruchtbar gemacht werden.

Die Abgrenzung zwischen den drei Einheitsbeschwerden ergibt sich grundsätzlich aus dem vom angefochtenen Entscheid betroffenen Rechtsgebiet, unabhängig davon, ob es sich um kantonales oder eidgenössisches Recht oder um Verfassungs- oder Gesetzesbestimmungen handelt. Je nachdem, ob der angefochtene Entscheid in einer Zivilsache, einer Strafsache oder einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit erging, ist die entsprechende Einheitsbeschwerde zu ergreifen. Zur Verminderung von Abgrenzungsfragen unterstellt der Entwurf gewisse Entscheide, welche sich auf öffentliches Recht stützen, der Beschwerde in Zivil- oder in Strafsachen, soweit es sich um Gebiete handelt, welche dem Zivilrecht (z. B. Streitigkeiten über die Bewilligung zur Namensänderung) oder dem Strafrecht (z. B. Massnahmen des Strafvollzugs) sehr nahe sind. So sollen auch die Entscheide in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen mit der Beschwerde in Zivilsachen angefochten werden können, weil sie fast immer zivilrechtliche Vorfragen beinhalten. Der Rechtsmittelweg an das Bundesgericht hängt im übrigen vom Rechtsgebiet ab, auf welches die Streitsache letztlich zurückgeht; so sind prozessrechtliche
Rügen (z. B. die willkürliche Anwendung einer kantonalen Prozessbestimmung in einer Mietrechtsstreitigkeit) mit jener Beschwerde vorzubringen, die gegen den Entscheid in der Sache gegeben ist (in unserem Beispiel mit der Beschwerde in Zivilsachen).

Die Rügen gegen kantonale Erlasse (abstrakte Normenkontrolle) sind der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zugewiesen worden, und zwar unabhängig davon, welches Rechtsgebiet vom fraglichen Erlass betroffen ist.

Bevor gegen einen Entscheid Beschwerde beim Bundesgericht geführt werden kann, müssen alle vom kantonalen Recht und Bundesrecht vorgesehenen Rechtsmittel ausgeschöpft worden sein. Davon wird es keine Ausnahmen mehr geben. Die Beschwerde hat demnach in jedem Fall subsidiären Charakter. Durch die Statuierung neuer, recht hoher Anforderungen an die Vorinstanzen, wird die Subsidiarität der Einheitsbeschwerde noch bekräftigt (vgl. Ziff. 2.2.1.2). Aus der Subsidiarität der Einheitsbeschwerde ergibt sich auch, dass der Streitgegenstand immer im Verfahren bei den Vorinstanzen definiert wird. Neue Begehren, welche nicht schon bei der Vorinstanz erhoben wurden und den Streitgegenstand erweitern, können daher vor Bundesgericht nicht vorgebracht werden (Art. 92 BGG).

Die Beschwerdeberechtigung ist nicht für jede der drei Einheitsbeschwerden dieselbe. Während sie sich bei Beschwerden in Zivilsachen und jenen in Strafsachen auf 4235

das Vorhandensein eines rechtlich geschützten Interesses stützt (Art. 72 und 76 BGG), werden für die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im wesentlichen die Voraussetzungen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 103 OG) übernommen. Beschwerdeberechtigt ist danach jeder, der ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Dabei bleibt unerheblich, ob das Interesse rechtlicher oder tatsächlicher Natur ist (Art. 83 ff. BGG).

Die Definition der anfechtbaren Entscheide folgt einer für alle Rechtsgebiete gleichen und kohärenten Systematik. Prinzipiell soll das Bundesgericht zu einer Sache nur einmal und erst am Ende des Verfahrens angerufen werden können. Das ordentliche Anfechtungsobjekt ist also ein Endentscheid, der dadurch gekennzeichnet ist, dass er das Verfahren abschliesst (Art. 85 BGG). Vor- und Zwischenentscheide können dagegen nur unter engen Voraussetzungen Gegenstand einer selbständigen Beschwerde sein (Art. 87 und 88 BGG).

Das grundlegende Charakteristikum der vereinheitlichten Rechtswege ist ihre Übereinstimmung in den Beschwerdegründen. Auf den Rechtsmittelweg hat es keinen Einfluss, ob der Beschwerdeführer die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten, von einfachem Bundesrecht, von Staatsverträgen oder von Konkordaten geltend macht (Art. 90 BGG). Das Bundesgericht erhält damit die Möglichkeit, über alle vorgebrachten Rügen in einem einzigen Entscheid zu urteilen. Die Einheitsbeschwerde führt jedoch nicht zu einer Ausweitung der Beschwerdemöglichkeiten: Die im Entwurf vorgesehenen Beschwerdegründe sind nämlich heute schon gegeben, nur sind sie im geltenden Recht auf verschiedene Rechtsmittel verteilt, welche mitunter gleichzeitig ergriffen werden können. Anderseits bleibt die unrichtige Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur noch insoweit als Beschwerdegrund bestehen, als dieser Mangel auf einer Rechtsverletzung beruht oder die Feststellung offensichtlich unrichtig ist (Art. 92 und 99 BGG). Aufgrund seiner Funktion als oberstes Gericht muss das Bundesgericht ausschliesslich die Rechtsanwendung kontrollieren und nicht mehr den Sachverhalt überprüfen, wie dies das geltende Bundesrechtspflegegesetz in gewissen Fällen noch kennt (vgl. Art. 67, 105 Abs. 1 und Art. 132 Bst. b OG).

Das Bundesgericht wird auch in
Zukunft das Recht von Amtes wegen anwenden, ohne an die Begründung der Parteien gebunden zu sein. Es kontrolliert jedoch eine Verletzung der Grundrechte nur, wenn die Parteien eine solche Rüge vorbringen (Art. 100 BGG). Die Situation wird in diesem Punkt dem geltenden Rechtsweg ziemlich nahe kommen.

Die Einheitsbeschwerden sind nicht kassatorischer Natur. Das Bundesgericht muss sich im Falle der Gutheissung nicht darauf beschränken, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Sache allenfalls zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es kann vielmehr in der Sache selbst entscheiden, soweit es über alle notwendigen Angaben verfügt, um einen definitiven Entscheid zu treffen (Art. 101 BGG).

Wie sich aus den vorstehenden Erörterungen ergibt, führt die Integration der staatsrechtlichen Beschwerde in die Einheitsbeschwerden zu keiner Ausweitung der Prüfungsbefugnisse des Bundesgerichts in bezug auf jene Entscheide, die sich auf kantonales Recht stützen. Die Beschwerdegründe bleiben in der Substanz gleich (vgl.

Art. 90 ff. BGG). Der Anwendungsbereich der Einheitsbeschwerde wird sogar en4236

ger, weil bestimmte Bereiche, welche heute noch der staatsrechtlichen Beschwerde unterliegen, neu von der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ausgenommen sein werden (vgl. Art 78 BGG). Eine geringfügige Erweiterung ergibt sich jedoch beim Beschwerderecht: Das Erfordernis eines rechtlich geschützten Interesses ­ welches heute für die staatsrechtliche Beschwerde charakteristisch ist ­ wird für die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten aufgegeben. Neu genügt vielmehr ein tatsächliches Interesse an der Aufhebung oder Änderung des Entscheids (vgl. Art. 83 BGG). Die Entscheidbefugnisse des Bundesgerichts werden im Ergebnis nicht wesentlich von dem abweichen, was heute bei der staatsrechtlichen Beschwerde Praxis ist (vgl. die Erläuterungen zu Art. 101 BGG).

2.3.1.3

Die Einheitsbeschwerde in der Sozialversicherung

Die Einheitsbeschwerde wird auch im Sozialversicherungsrecht eingeführt. Sie bedeutet hier vor allem die verfahrensrechtliche Gleichstellung des Sozialversicherungsrechts mit dem übrigen Verwaltungsrecht. Die heutigen Sonderregeln in Streitigkeiten über Versicherungsleistungen werden aufgehoben.

Nach geltendem Recht hat das EVG in Streitigkeiten betreffend Sozialversicherungsleistungen umfassende Kognition (Rechts-, Sachverhalts- und Angemessenheitskontrolle) und es kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder zu deren Ungunsten hinaus gehen (Art. 132 OG). Zudem sind solche Streitigkeiten in der Regel kostenlos (Art. 134 OG).

Die Aufhebung dieser ­ für ein oberstes Gericht atypischen ­ Sonderregeln wird vom EVG seit langem mit Nachdruck gefordert. Das EVG ist überzeugt, dass diese Massnahme wesentlich zu seiner Entlastung beitragen kann. Der Expertenentwurf hat die Sonderregeln gestrichen, was in der Vernehmlassung teilweise auf Widerstand stiess.

Angesichts der kontroversen Beurteilung der vorgeschlagenen Neuerungen hat das Bundesamt für Justiz im Juni 2000 eine Arbeitsgruppe2 eingesetzt mit dem Zweck, die Sozialversicherungsrechtspflege nochmals zur Diskussion zu stellen und nach Lösungen für diesen sensiblen, gleichzeitig aber auch Belastung intensivsten Bereich zu suchen. Die Arbeitsgruppe hat in drei Sitzungen die Thematik eingehend erörtert. In der Frage der Kognition konnte sich die Mehrheit einer Regelung, wie sie im Vernehmlassungsentwurf vorgesehen ist (Art. 100 E-BGG), anschliessen.

Wegleitend war die Überlegung, dass das Sozialversicherungsrecht nicht anders behandelt werden sollte als das übrige (von den Kantonen vollzogene) Bundesverwaltungsrecht. In der Kostenfrage sprach sich die Arbeitsgruppe ­ mehrheitlich ­ für eine generelle Kostenpflicht vor dem obersten Gericht aus.

2

Die Arbeitsgruppe stand unter dem Vorsitz von Herrn Prof. Dr. Heinrich Koller, Direktor des Bundesamtes für Justiz, und setzte sich zusammen aus Vertretern des EVG (Bundesrichter Aldo Borella, Bundesrichter Rudolf Rüedi, Vizepräsidialsekretär Marcel Maillard), des Bundesgerichts (Bundesrichter Adrian Hungerbühler), der kantonalen Gerichte (Prof. Dr. Thomas Locher, Dr. Hans-Jakob Mosimann), der Wissenschaft (Prof. Dr. Jean-Louis Duc, Prof. Dr. Rainer J. Schweizer), der Anwaltschaft (Dr. Ueli Kieser) und des Bundesamtes für Sozialversicherung (Claude Voegeli).

4237

2.3.1.3.1

Angleichung der Kognition

Die Parlamentarischen Initiativen vom 4./8. September 1999 der Geschäftsprüfungskommissionen der Eidgenössischen Räte zur Teilrevision des OG sahen neben anderen dringlichen Entlastungsmassnahmen auch die Einschränkung der Kognition des EVG vor (BBl 1999 9518). Dieser Reformvorschlag löste im Parlament eine Kontroverse aus. Er wurde im Rahmen der Teilrevision schliesslich abgelehnt.

Gleichzeitig betonten aber die Kommissionssprecher, dass der Vorschlag «aus rechtlicher Sicht richtig und sozialpolitisch vertretbar» sei; die Massnahme müsse im Rahmen der Totalrevision aufgegriffen werden und Eingang ins Bundesgerichtsgesetz finden (AB 2000 N 664­666; AB 2000 S 399 f.).

Dies wird hiermit getan. Demnach soll künftig auch in Streitigkeiten über Sozialversicherungsleistungen die gleiche Kognition des Bundesgerichts gelten wie in allen anderen verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten. Das heisst, das Bundesgericht überprüft die Rechtsanwendung. Dabei legt es seinem Urteil grundsätzlich den Sachverhalt zugrunde, wie er von der Vorinstanz festgestellt worden ist. Doch besteht dann keine Bindung des Bundesgerichts an den festgestellten Sachverhalt, wenn dieser offensichtlich unrichtig oder in Verletzung einer Rechtsnorm erstellt worden ist (vgl.

Art. 92 und 99 BGG). Das Bundesgericht muss also eingreifen, wenn die Vorinstanz den Sachverhalt in willkürlicher oder unvollständiger (und deshalb rechtsfehlerhafter) Weise ermittelt oder gegen eine Verfahrensvorschrift (wie z. B. das rechtliche Gehör) verstossen hat.

Die Anpassung der Kognition ist im Rahmen der vorliegenden Totalrevision noch mehr gerechtfertigt als im Rahmen der Teilrevision des OG, weil die Totalrevision den Versicherten im Sinne einer Kompensation auch Verbesserungen des Rechtsschutzes bringt (namentlich Vereinfachung des Rechtsmittelsystems).

Zudem ergibt sich die Anpassung der Kognition als logische Konsequenz aus der Teilintegration des EVG ins Bundesgericht (vgl. Ziff. 2.4.1). Dem Bundesgericht als dem obersten Gericht des Landes kommt in allen Rechtszweigen die gleiche Aufgabe zu, nämlich die einheitliche Rechtsanwendung sicher zu stellen und für eine adäquate Rechtsfortbildung zu sorgen. Die Rechtsschutzgewährung darf dagegen in erster Linie den unteren Gerichten überlassen werden, die gute Arbeit leisten und gleichsam die «Visitenkarte
der Justiz» darstellen (Martin Schubarth, Die Zukunft des Bundesgerichts, SJZ 1999, S. 61 ff., S. 62). Das oberste Gericht soll prüfen, ob die Rechtsanwendung korrekt ist, und nicht die Arbeit der untersten Instanz (z. B.

Ausgleichskasse, Krankenkasse, Unfallversicherung) verbessern, indem es sie selbst nochmals leistet, wohlgemerkt nachdem der Fall schon von einem kantonalen Gericht oder einem unteren Gericht des Bundes mit umfassender Kognition überprüft worden ist.

Es gibt unter rechtlichen Gesichtspunkten keinen Grund, das Sozialversicherungsrecht anders zu behandeln als das übrige (von den Kantonen vollzogene) Bundesverwaltungsrecht. Es trifft zu, dass die Ermittlung des massgebenden Sachverhalts im Leistungsbereich (insb. Unfall- und Invalidenversicherung) einen wichtigen Platz einnimmt. Dabei sind Verwaltung und Gerichte in besonderem Mass auf die Angaben von Fachexperten angewiesen. Der festzustellende Sachverhalt beruht über weite Strecken auf Arztberichten und medizinischen Gutachten. Der Sachverhalt wird also eigentlich durch die medizinischen Experten «geliefert». Aufgabe der Verwaltungsbehörden und Gerichte ist es, die Regeln, welche für das Einholen von 4238

Gutachten gelten, genau zu beachten und hernach die Gutachten einer einwandfreien Beweiswürdigung zu unterziehen, wobei der Richter von Gerichtsgutachten nicht ohne zwingende Gründe abweicht (vgl. dazu Ulrich Meyer, Die Rechtspflege in der Sozialversicherung, BJM 1989, S. 1 ff., S. 28­31). Wenn bei diesen beiden Vorgängen Fehler passieren, sind das nicht Fehler in der Sachverhaltsfeststellung, sondern Rechtsfehler (Verfahrensfehler, Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, Willkür), welche beim obersten Gericht nach wie vor gerügt werden können.

Auch unter Rechtsschutzaspekten besteht kein Grund, an der vollen Kognition in Leistungsstreitigkeiten festzuhalten. Das Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; BBl 2000 5041) führt zum einen in allen Versicherungszweigen das Einspracheverfahren ein (Art. 52 ATSG). Dieses kann den Erklärungsbedarf, der in der komplexen Materie der Sozialversicherung häufig besteht, unkompliziert und sehr bürgernah befriedigen. Zudem schreibt der ATSG den Kantonen neu vor, ein Versicherungsgericht als einzige Instanz mit der Sozialversicherungsgerichtsbarkeit zu betrauen (Art. 57 ATSG). Darin liegt eine wichtige Stärkung der kantonalen Versicherungsgerichtsbarkeit (keine Verzettelung in diverse Rekurskommissionen, Straffung der kantonalen Rechtsmittelzüge). Der Rechtssuchende hat damit Gewähr, dass ein unabhängiges und qualifiziertes Gericht den Sachverhalt voll überprüft. Damit ist dem Rechtsschutzbedürfnis Genüge getan. Wie in allen anderen Bereichen ist es nicht nötig, zusätzlich auch noch das oberste Gericht mit voller Kognition auszustatten. Die Überprüfungsbefugnis des obersten Gerichts wird also nicht kompensationslos eingeschränkt. Die Massnahme erfolgt vielmehr vor dem Hintergrund wichtiger Verbesserungen auf den unteren Stufen des Rechtsmittelzuges (Einspracheverfahren in allen Versicherungszweigen, Stärkung der kantonalen Versicherungsgerichte).

2.3.1.3.2

Generelle Kostenpflicht

Die Einheitsbeschwerde bedeutet auch eine Angleichung der Kostenregelung. Neu sind Streitigkeiten über Sozialversicherungsleistungen wie alle anderen Streitigkeiten vor Bundesgericht grundsätzlich kostenpflichtig. Dass das oberste Gericht des Landes gratis angerufen werden kann, lässt sich heute nicht mehr begründen, auch nicht für den Bereich der Sozialversicherungsleistungen. Die Kostenpflicht vor dem Bundesgericht wird in allen anderen Rechtsbereichen, die ebenfalls von einschneidender Bedeutung für die Betroffenen sein können (z. B. Vormundschaftsrecht), problemlos gehandhabt und akzeptiert.

Eine Besonderheit gilt jedoch betreffend den Kostenrahmen. Anders als für die übrigen Streitigkeiten, in denen sich der Kostenrahmen von 200 bis 5000 Franken in Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse und von 200 bis 100'000 Franken in den übrigen Streitigkeiten bewegt (Art. 61 Abs. 3 BGG), wird der Kostenrahmen für Streitigkeiten über Sozialversicherungsleistungen mit einer markant tieferen Höchstgrenze, nämlich zwischen 200 bis 1000 Franken, angesetzt (Art. 61 Abs. 4 BGG). Bei der Bestimmung der konkreten Gebühr innerhalb dieses Rahmens ist zudem das sonst geltende Kriterium des Streitwertes nicht anwendbar, weil in Streitigkeiten über Sozialversicherungsleistungen (namentlich Renten) der Streitwert meistens recht hoch ist. Mit diesen Besonderheiten wird der sozialpolitischen Komponente der Streitigkeiten über Sozialversicherungsleistungen Rechnung getragen. Es geht in 4239

diesem Bereich primär darum, die Rechtssuchenden zu veranlassen, sorgfältig zu überlegen, bevor sie Beschwerde erheben. Zu diesem Zweck genügen relativ geringe Gebühren. Zudem soll der Schritt von der geltenden Kostenlosigkeit zur Kostenpflicht dank moderater Gebühren nicht zu gross sein.

Das Bundesgericht kann ferner auf die Erhebung eines Kostenvorschusses ganz oder teilweise verzichten, wenn besondere Gründe vorliegen (Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BGG). Es hat damit Spielraum, den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen. Der Verzicht auf die Erhebung von Kosten ist namentlich angezeigt, wenn eine Versicherung zulasten eines Versicherten erfolgreich an das Bundesgericht rekurriert (vgl. auch die Bemerkungen zur Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BGG).

Aufgrund des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege (Art. 29 Abs. 3 BV) ist zudem sicher gestellt, dass der Weg zum obersten Gericht auch Unbemittelten zugänglich bleibt. Niemand muss aus finanziellen Gründen seines Rechts verlustig gehen.

Die Einführung der generellen Kostenpflicht schiebt dem Beschwerdetyp «nützt es nichts, so schadet es nichts» einen Riegel. Wenn die Beschwerdeführer einen Kostenvorschuss bezahlen müssen, wird ihnen die Bedeutung des Gangs zum obersten Gericht stärker bewusst, als wenn dieser gratis ist. Auf unnütze Beschwerden wird verzichtet.

Damit trägt die Kostenpflicht zur Entlastung des obersten Gerichts bei. Dies belegen die Erfahrungen des EVG mit der geltenden Kostenpflicht in Beitragsstreitigkeiten.

Gemäss einer Statistik des EVG betreffend die Jahre 1992­1997 konnten rund 16­ 20 Prozent der Fälle wegen Nichtleistung des Kostenvorschusses ohne grossen Arbeitsaufwand erledigt werden. Dabei wird die Entlastung nicht etwa durch den Aufwand für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege kompensiert. Gemäss der genannten Statistik des EVG wurde nur in ca. zehn Prozent der Fälle die unentgeltliche Prozessführung verlangt. Bei den meisten Gesuchen ist sofort klar, dass sie gutgeheissen werden können. Eine Gutheissung muss nicht weiter begründet werden und verursacht demnach keinen grossen Aufwand. Wenn das Gesuch wegen Aussichtslosigkeit abgelehnt wird, muss das summarisch begründet werden. Dieser Begründungsaufwand fällt aber ohnehin an, es ist bereits Vorarbeit für das Urteil in der Sache geleistet.

2.3.2

Weitgehender Verzicht auf die Beschwerde an den Bundesrat

Mit der Einführung des Bundesverwaltungsgerichts, das über eine allgemeine Sachzuständigkeit in der Verwaltungsrechtspflege des Bundes verfügen soll, kann der Bundesrat im Sinne einer Aufgabenentflechtung weitgehend von seinen Justizaufgaben entlastet werden (vgl. Ziff. 1.1.4). Dies gehörte zu den Kernzielen der Justizreform (vgl. Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom 20.11.1996, BBl 1997 I 491). Die Beschwerde an den Bundesrat wird weitestgehend aufgehoben und soll lediglich in den Streitigkeiten möglich sein, in denen überwiegend politische Fragen zu entscheiden sind, die sich für eine richterliche Überprüfung nicht eignen.

Nach dem vorliegenden Entwurf unterliegen der Beschwerde an den Bundesrat nur noch Verfügungen auf dem Gebiet der inneren und äusseren Sicherheit des Landes, 4240

der Neutralität, des diplomatischen Schutzes und der übrigen auswärtigen Angelegenheiten, soweit das Völkerrecht nicht einen Anspruch auf gerichtliche Beurteilung einräumt (Art. 28 Bst. a VGG). Ferner kann beim Bundesrat gestützt auf Artikel 182 Absatz 2 BV Beschwerde wegen mangelhafter Vollstreckung von Urteilen des Bundesgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesstrafgerichts erhoben werden (Art. 66 Abs. 4 BGG, Art. 38 VGG). Ausserdem kann wie bis anhin Aufsichtsbeschwerde beim Bundesrat als Aufsichtsbehörde über die Bundesverwaltung geführt werden, mit der dem Bundesrat Tatsachen angezeigt werden können, die ein aufsichtsrechtliches Einschreiten gegen eine Verwaltungsbehörde oder Amtsperson erfordern (Art. 71 VwVG). Dieser Beschwerde kommt aber keine Rechtsmittelfunktion zu. Neu übernimmt der Bundesrat auch die Aufsicht im Bereich des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts sowie über die Geschäftsführung der Schätzungskommissionen im Enteignungsrecht, die bisher dem Bundesgericht oblag.

Die meisten bisher vom Bundesrat entschiedenen Beschwerden werden dem Bundesverwaltungsgericht zugeleitet (Art. 27­29 VGG), mit Weiterzugsmöglichkeit an das Bundesgericht, soweit die Beschwerde an das Bundesgericht nicht durch Artikel 78 BGG ausgeschlossen wird. Die Beschwerden im Bereich der Krankenversicherung gegen Entscheide der Kantonsregierungen nach Artikel 53 des Krankenversicherungsgesetzes KVG (SR 832.10) werden neu ebenfalls dem Bundesverwaltungsgericht zugewiesen (Art. 30 VGG), das endgültig entscheidet. Eine Entlastung des Bundesrates rechtfertigt sich auch für diese Beschwerden, die in erster Linie der einheitlichen Anwendung des Bundesrechts dienen und nicht vor allem nach politischen Gesichtspunkten entschieden werden sollen (vgl. dazu den eingehenden Kommentar zu Art. 30 VGG, Ziff. 4.3). Die bisher in die Zuständigkeit des Bundesrates fallenden Abstimmungsbeschwerden unterliegen aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung direkt dem Bundesgericht (Art. 82 Abs. 1 Bst. b BGG i.V.m. Art. 28 Bst. b VGG).

Nach der Systematik des Verwaltungsverfahrensgesetzes bleibt der Bundesrat zwar Beschwerdeinstanz für Verfügungen von Behörden und Institutionen gemäss Artikel 72 VwVG. Die Beschwerde an den Bundesrat ist jedoch subsidiär zur Beschwerde an das Bundesgericht und zur Beschwerde an das
Bundesverwaltungsgericht (Art. 74 Bst. a VwVG).

Die Zuständigkeit des Bundesrates als Beschwerdeinstanz lässt sich ­ ein zulässiges Anfechtungsobjekt vorausgesetzt ­ nach folgendem Prüfungsschema feststellen (kumulativ): ­

Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ist gemäss Ausnahmekatalog von Artikel 28 VGG ausgeschlossen.

­

Die Beschwerde an das Bundesgericht ist gemäss Ausnahmekatalog von Artikel 78 BGG ausgeschlossen.

­

Der verwaltungsinterne Instanzenzug ist erschöpft (Art. 74 Bst. b VwVG)

Mit dem weitgehenden Verzicht auf die Beschwerde an den Bundesrat wird der allgemeinen Rechtsweggarantie gemäss Artikel 29a BV-Justizreform Rechnung getragen, wonach jede Person grundsätzlich Anspruch auf Beurteilung seiner Rechtsstreitigkeit durch eine richterliche Behörde hat. Gleichzeitig wird der Bundesrat von regierungsfremden Aufgaben entlastet.

4241

2.4

Änderungen in der Organisation der obersten Gerichtsbarkeit

2.4.1

Integration der obersten Sozialversicherungsgerichtsbarkeit in das Bundesgericht

2.4.1.1

Heutige Stellung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (EVG)

Die oberste Gerichtsbarkeit in der Sozialversicherung wird heute durch das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) in Luzern wahrgenommen. Das EVG wurde 1917 als eigenständige Gerichtsbehörde in Luzern errichtet. Seit 1969 gilt es als organisatorisch selbständige Sozialversicherungsabteilung des Bundesgerichts mit Sitz in Luzern (Art. 122 und 124 OG). Die organisatorische Selbständigkeit erreicht einen hohen Grad: Das EVG hat eine eigene Führungsstruktur mit eigenem Präsidium und eigenen Verwaltungsorganen. Es gibt sich sein eigenes Reglement, erstellt ein separates Budget und einen separaten Geschäftsbericht.

Für die Wahl der Mitglieder und des Präsidiums des EVG gelten die gleichen Bestimmungen wie für das Bundesgericht (Art. 123 Abs. 2 OG). Die Richterwahl wird für beide Gerichte getrennt durchgeführt; ein Wechsel von der Sozialversicherungsabteilung in eine andre Abteilung des Bundesgerichts ohne Neuwahl ist nicht möglich.

Der Status quo trägt von seiner Entstehungsgeschichte her einen Kompromisscharakter, der zu ernsthaften Problemen führt. Insbesondere bestehen ein erheblicher Koordinationsaufwand zwischen EVG und Bundesgericht und die Gefahr uneinheitlicher Rechtsprechung. Es fehlt eine Durchlässigkeit zwischen der Sozialversicherungsabteilung und den anderen Abteilungen des Bundesgerichts, und die Justiz tritt nach aussen mit zwei Ansprechpartnern auf. Diese Beurteilung wurde auch von der Expertenkommission für die Totalrevision der Bundesrechtspflege geteilt, die den Reformbedarf bejaht hat.

2.4.1.2

Reformmodelle

Im Rahmen der Totalrevision der Bundesrechtspflege stellt sich die Frage, ob das EVG nach wie vor eine selbständige Einheit bilden oder ganz oder teilweise in das Bundesgericht integriert werden soll. Ein Festhalten am Status quo fällt angesichts der gewichtigen Nachteile ausser Betracht. Insbesondere hat das EVG seine Fortführung einstimmig abgelehnt. Auch eine vollständige Herauslösung des EVG aus dem Bundesgericht in dem Sinn, dass das EVG und das Bundesgericht zwei voneinander getrennte oberste Gerichte des Bundes bilden, wird vom EVG einhellig abgelehnt.

Diese Lösung wäre verfassungsrechtlich problematisch, da Artikel 188 Absatz 1 BV das Bundesgericht als die oberste rechtsprechende Behörde des Bundes bezeichnet.

Für eine Reform kommen demnach grundsätzlich zwei Lösungen in Betracht: ­

Vollintegration: Das EVG wird vollständig in das Bundesgericht integriert mit Sitzverlegung nach Lausanne.

­

Teilintegration: Der Standort in Luzern bleibt, im übrigen erfolgt die Integration im gleichen Umfang wie bei der Vollintegration, das heisst, das EVG

4242

hat keine eigene Führungsstruktur und kein eigenes Budget. Die Mitglieder der Luzerner Abteilung können ohne Neuwahl in die anderen Abteilungen wechseln und umgekehrt (Freizügigkeit).

2.4.1.3

Stellungnahme der Expertenkommission

Die Expertenkommission hatte in ihrem Bericht von 1997 die Vollintegration empfohlen, weil diese Lösung die Tatsache berücksichtige, dass das Sozialversicherungsrecht kein losgelöster Rechtszweig, sondern ein wichtiger Teil des Verwaltungsrechts bilde. Eine einheitliche Rechtsprechung in gemeinsamen Fragen und eine koordinierte richterliche Fortbildung des Verwaltungsrechts könnten bei einer Vollintegration am besten gewährleistet werden. Die Vereinigung der beiden Gerichte erscheine auch aus Gründen der verfahrensrechtlichen Gleichstellung sachlich gerechtfertigt. Zudem würden Probleme der Zuständigkeitsabgrenzung entfallen. Ein weiterer Vorteil bilde der Umstand, dass die Mitglieder der Sozialversicherungsabteilung ohne Neuwahl in die anderen Abteilungen wechseln könnten und umgekehrt.

Ferner entlaste der Verzicht auf eine selbständige Organisation die Mitglieder der Sozialversicherungsabteilung von einem Teil ihrer administrativen Aufgaben, was der Rechtsprechung zugute komme (Schlussbericht, S. 37 f.).

Die Expertenkommission nahm jedoch ihre Bewertung unter der Prämisse vor, dass sich die Geschäftslast des Bundesgerichts und des EVG durch neue Zugangsbeschränkungen markant senken liesse und demzufolge auch die Zahl der Richter insgesamt eher reduziert werden könnte. Diese Prämisse entfällt, nachdem die Justizreform neue gesetzliche Zugangsbeschränkungen weitgehend ausschliesst (vgl. Ziff.

1.3). Die Expertenkommission ging ferner davon aus, dass dem Bundesgericht die Überprüfung von Bundesgesetzen übertragen wird. Diese neue Zuständigkeit hätte ein besonderes Entscheidverfahren erfordert. Der dadurch bedingte erhöhte Koordinationsbedarf unter den Abteilungen wäre bei der Vollintegration am besten zu erfüllen gewesen. Dieser Grund für die Vollintegration ist ebenfalls weggefallen, nachdem die Überprüfung von Bundesgesetzen im Rahmen der Justizreform abgelehnt wurde.

2.4.1.4

Stellungnahmen der Gerichte

Das EVG war in der Vernehmlassung geteilter Meinung. Heute befürwortet es jedoch einstimmig die Integrationslösung im Sinne «der Vereinigung des Bundesgerichts und des EVG zu einem neuen Bundesgericht». Die Sitzfrage lässt es offen.

Eine Sitzverlegung betrachtet es eher als längerfristiges Ziel. Ebenso einhellig lehnt das EVG ein Beibehalten des Status quo ab. Diese klare Haltung vertrat das EVG schon im Rahmen der Vernehmlassung.

Das Bundesgericht hatte in der Vernehmlassung gegen eine Vollintegration grundsätzlich nichts eingewendet. Diese Haltung stand allerdings unter dem Vorbehalt, dass das Verfahrensrecht vereinheitlicht und der Personalbestand, namentlich auch die Zahl der Richter und Richterinnen, dank Zugangsbeschränkungen gesenkt werden könne. Da sich letztere Bedingung aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben der Justizreform nicht erfüllen lässt, ist das Bundesgericht heute einstimmig ge4243

gen eine Vollintegration. Insbesondere lehnt es die Freizügigkeit ab. Zur Begründung weist das Bundesgericht darauf hin, dass das EVG mit 80 Stellen (Richter und Personal zusammen) zu gross sei, um in Lausanne sachgerecht integriert zu werden.

Ohnehin reiche die Raumreserve in Lausanne bei weitem nicht aus. Das EVG würde mit ca. 2500 Fällen bzw. 45 Prozent der heutigen Geschäftslast des Bundesgerichts eine völlig überhöhte Zahl an Fällen mitbringen, die das Gleichgewicht empfindlich störte. Zahlreiche der hoch spezialisierten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des EVG seien nicht zu einem Wechsel von der Zentralschweiz in die Westschweiz bereit. Das entsprechende Fachwissen ginge verloren. Das Bundesgericht lehnt auch eine Teilintegration mit Verbleib der sozialversicherungsrechtlichen Abteilung in Luzern ab. Die Aufgabe der organisatorischen Selbständigkeit des EVG würde keinen Fortschritt in Bezug auf die bereits gut funktionierende Koordination bringen, sei aber mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden. Insbesondere zweifelt das Bundesgericht daran, dass ein Gesamtgerichtspräsident von Luzern aus seine Führungsaufgaben wirksam wahrnehmen könnte.

2.4.1.5

Der Vorschlag des Bundesrates

Der vorliegende Entwurf sieht eine Teilintegration vor, die vom heutigen Zustand ausgeht und eine Reihe von Innovationen vorsieht: ­

Das Bundesgerichtsgesetz schafft ein gemeinsames institutionelles Dach für die oberste Gerichtsbarkeit des Bundes: Es gibt nur noch «das Bundesgericht». Die Bezeichnung «Eidgenössisches Versicherungsgericht» verschwindet. Dem Gesamtgericht gehören alle Bundesrichter und -richterinnen, einschliesslich diejenigen in Luzern, an.

­

Sitz des Bundesgerichtes ist Lausanne; das Gesetz sieht aber einen zweiten Standort in Luzern für eine bis zwei Abteilungen vor.

­

Das Gerichtsreglement bestimmt die Geschäftsverteilung, also insbesondere auch die Geschäfte, die von der Abteilung oder den Abteilungen in Luzern behandelt werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass primär die Sozialversicherungsrechtspflege in Luzern bleibt. Grundsätzlich besteht jedoch die Möglichkeit, den Abteilungen in Luzern mit dem Sozialversicherungsrecht verwandte Rechtsgebiete zuzuweisen oder Gebiete der Sozialversicherungen einer Abteilung in Lausanne zu übertragen.

­

Das Gesetz sieht für die Gerichtsverwaltung keine Trennung zwischen Lausanne und Luzern mehr vor. Voranschlag, Rechnung und Geschäftsbericht des Bundesgerichts sollen sämtliche Abteilungen ­ unabhängig vom Standort­umfassen. Ob und wie weit Teile der Gerichtsverwaltung über eine grössere Selbständigkeit verfügen sollen, kann das Bundesgericht auf Reglementsstufe selbst bestimmen.

­

Es wird grundsätzlich Freizügigkeit zwischen den Abteilungen des Bundesgerichts unabhängig vom Standort eingeführt. Die Bundesversammlung wählt die Richterinnen und Richter nicht mehr spezifisch für den Sitz in Luzern oder in Lausanne, sondern in das Bundesgericht. Die Richter in Luzern können grundsätzlich ohne Neuwahl in eine Abteilung in Lausanne wech-

4244

seln und umgekehrt. Wenn eine Vakanz entsteht, muss gerichtsintern abgeklärt und entschieden werden, ob ein amtierendes Gerichtsmitglied an die vakante Stelle wechseln kann. Dabei muss das Gericht neu auch auf die fachlichen Kenntnisse der Richterinnen und Richter Rücksicht nehmen, womit das Anciennitätsprinzip und das Bedürfnis einzelner Richter nach einem Abteilungswechsel relativiert werden. Danach steht für die Kandidierenden und für die Bundesversammlung fest, für welche Abteilung der neue Richter oder die neue Richterin zu wählen ist. Mit diesem System wird gewährleistet, dass die Wahl von spezialisierten Richterinnen und Richtern für alle Rechtsbereiche möglich ist.

­

2.4.1.6

Das Bundesgericht hat einen (einzigen) Präsidenten. Würden die Richter hingegen weiterhin entweder nach Lausanne oder Luzern gewählt (Verzicht auf die Freizügigkeit), müsste man dem Gericht in Luzern ein eigenes Präsidium belassen.

Vorteile der Teilintegration

Der Bundesrat hat sich bei seinem Entscheid für die Teilintegration von folgenden Überlegungen leiten lassen: ­

Die Justiz als dritte Gewalt im Staat wird gestärkt, indem sie nach aussen als Einheit auftritt. Die Bundesversammlung und der Bundesrat haben im Verkehr mit der Justiz einen einzigen Ansprechpartner und nicht mehr zwei wie heute. Die bestehende Zweiteilung der Spitze der Justiz birgt die Gefahr divergierender und damit letztlich sich neutralisierender Meinungen der Gerichte, was ihre Position im Gewaltengefüge schwächt.

­

Der Vorstellung des Verfassungsgebers, der die oberste Gerichtsbarkeit des Bundes einem Bundesgericht überträgt (Art. 188 Abs. 1 BV), wird besser nachgelebt. Demgegenüber bestehen heute mit dem Bundesgericht und dem EVG faktisch zwei oberste Gerichte des Bundes.

­

Die Stellung des EVG als organisatorisch selbständige Abteilung des Bundesgerichts wird heute teilweise unklar wahrgenommen. Mit der Teilintegration wird es ein vollwertiger Teil des Bundesgerichts. Dadurch steigt sein Ansehen wie auch dasjenige des Sozialversicherungsrechts.

­

Luzern behält einen Teil der obersten Gerichtsbarkeit des Bundes.

­

Indem das Gerichtsreglement (und nicht das Gesetz) die Geschäfte bestimmt, die in Luzern behandelt werden, wird Flexibilität erzielt, mit der unterschiedliche Auslastungen zwischen den Abteilungen in Lausanne und Luzern etwas ausgeglichen werden können.

­

Die Autonomie des Bundesgerichts wird insgesamt vergrössert, wenn es die Geschäftszuteilung an die Abteilungen für die ganze oberste Gerichtsbarkeit selbst regeln kann.

­

Die Durchlässigkeit zwischen den Abteilungen (Freizügigkeit) trägt ­ zusätzlich zum gemeinsamen Gesamtgericht ­ zur besseren Koordination der Rechtsprechung bei. Ein Richter, der von Luzern in eine Abteilung in Lausanne wechselt, bringt sein Fachwissen und seine Erfahrung mit. Er erkennt 4245

sofort die Zusammenhänge und Rückwirkungen auf die Rechtsprechung der Abteilung(en) in Luzern. Da die Möglichkeit für einen Wechsel in eine andere Abteilung besteht, interessieren sich die Richter auch sonst stärker für die Rechtsprechung der anderen Abteilungen.

­

Die Freizügigkeit entspricht der Tatsache, dass alle Bundesrichter oberste Richter des Landes sind, und nicht primär Fachrichter, die sich lediglich in einem Rechtsgebiet auskennen. Das schliesst nicht aus, dass die Richter sich spezialisieren, jeweils solange sie einer Abteilung angehören.

­

Der Wechsel von Luzern nach Lausanne mag mit Umständen verbunden sein (Wohnortwechsel in einen anderen Sprachraum). Was aber in der Privatwirtschaft gang und gäbe ist, darf auch Richtern zugemutet werden.

­

Die Gerichtsverwaltung kann dank der stärkeren Zusammenarbeit zwischen Lausanne und Luzern optimiert werden (weniger Doppelspurigkeiten). So müssen etwa nur noch ein Budget und eine Rechnung erstellt und bei Gesetzesprojekten nur eine Vernehmlassung verfasst werden.

Angesichts der divergierenden Meinungen der beiden obersten Gerichte über das zu wählende Modell trägt der Bundesrat mit der Teilintegration ein Stück weit beiden Positionen Rechnung. Einerseits lässt sich eine Vollintegration in Lausanne gegen den Widerstand des Bundesgerichts kaum realisieren. Andererseits bringt die Teilintegration für das EVG gewichtige Vorteile, welche die Ablehnung dieser Lösung durch das Bundesgericht in den Hintergrund treten lassen. Es ist nicht ersichtlich, welche sachlich begründeten Nachteile für das Bundesgericht daraus resultieren.

Das EVG ist heute am meisten überlastet. Die Totalrevision der Bundesrechtspflege erfüllt ihr Reformziel nur, wenn sie gerade auch für das EVG eine Entlastung bringt.

Die Teilintegration des EVG ist eine der Massnahmen zur Entlastung des EVG: Zum einen setzt der Verzicht auf eine eigene Gerichtsverwaltung Ressourcen frei, die für die Rechtsprechung verwendet werden können. Zum andern kann durch eine geeignete Geschäftsverteilung ein gewisser Ausgleich der Geschäftslast erfolgen.

2.4.2

Weitere organisatorische Änderungen beim Bundesgericht

Das BGG räumt dem Bundesgericht eine grössere Autonomie bei seiner Organisation ein. Das Gesetz beschränkt sich darauf, die wichtigsten Organe zu nennen und ihre grundsätzlichen Kompetenzen zu umschreiben und überlässt es dem Bundesgericht, Einzelheiten in seinem Organisationsreglement zu regeln.

Abweichend vom geltenden Recht (vgl. Art. 12 OG) bestimmt das BGG nicht mehr die verschiedenen Abteilungen des Gerichts. Vielmehr soll das Bundesgericht die Möglichkeit erhalten, die Anzahl und die Art der Abteilungen (Art. 16 und 20 BGG) entsprechend den Einheitsbeschwerden (beispielsweise Abteilungen für Zivilsachen, Strafsachen und öffentlich-rechtliche Angelegenheiten) oder nach Rechtsgebieten (etwa sozialversicherungsrechtliche Abteilung) neu festzulegen. Künftig muss nicht nur die Verteilung der Geschäfte auf die Abteilungen in einem Reglement festgehalten werden, sondern in den Grundzügen auch die Bildung der Spruchkörper (Art. 20 BGG).

4246

Neben dem Präsidium und dem Gesamtgericht sieht das BGG ein Verwaltungsorgan vor, welches den Betrieb des Bundesgerichts zu gewährleisten hat. Dieses neue, Gerichtsleitung (Art. 15 BGG) genannte Kollegialorgan übernimmt einen Teil der heutigen Aufgaben des Bundesgerichtspräsidenten (vgl. Art. 6 Abs. 2 OG), denn nach Ansicht des Bundesgerichts ist der Präsident aufgrund der Grösse des Gerichts gar nicht mehr in der Lage, allein dessen Personal zu beaufsichtigen. Die Gerichtsleitung wird aus ordentlichen Richtern, welche vom Gesamtgericht gewählt werden, zusammengesetzt sein. Das BGG bestimmt, dass der Präsident von Amtes Wegen Mitglied dieses neuen Organs ist, damit dieser weiterhin seine Verantwortung für die allgemeine Geschäftsleitung und die Aufsicht über das Personal wahrnehmen kann (Art. 13 Abs. 2 BGG; vgl. Art. 6 Abs. 2 OG).

Artikel 188 Absatz 3 BV-Justizreform bestimmt, dass sich das Gericht selbst verwaltet. Das BGG gewährt deshalb dem Bundesgericht einen höheren Selbstverwaltungsgrad als das geltende Recht. Das Bundesgericht unterbreitet der Bundesversammlung seinen eigenen Voranschlag ­ der vom Bundesrat nicht abgeändert werden kann ­ sowie die Rechnung und den Geschäftsbericht (Art. 3 Abs. 2 BGG).

Weiter bestimmt es im Rahmen des von der Bundesversammlung genehmigten Voranschlags selbständig über die Aufteilung der für die Aufgabenerfüllung notwendigen Mittel, beispielsweise zur Anstellung der Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen, des wissenschaftlichen Personals und des Verwaltungskörpers (Art. 22 und 23 Abs. 2 BGG).

2.5

Schaffung unterer Bundesgerichte (Bundesstrafgericht und Bundesverwaltungsgericht)

2.5.1

Aufgaben im Strafrecht

Im Einklang mit Artikel 191a Absatz 1 BV-Justizreform schlägt der Bundesrat, in Form eines Entwurfs für ein Gesetz über das Bundesstrafgericht, die Einrichtung eines erstinstanzlichen Bundesstrafgerichts vor. Dieses wird als erste Instanz Straftaten beurteilen, die vom Gesetz der Bundesgerichtsbarkeit unterstellt werden, sowie Straftaten gemäss dem Verwaltungsstrafrecht, die der Bundesrat in Anwendung von Artikel 21 Absatz 3 VStrR ihm überweist. Es wird somit die Aufgaben des heutigen Bundesstrafgerichts übernehmen, das aufgehoben wird. Die Gerichtsbarkeit des Bundes wird demnach auf zwei Stufen aufgeteilt: Auf der ersten Stufe liegt sie in der Zuständigkeit des (neuen) Bundesstrafgerichts, das in personeller und organisatorischer Hinsicht unabhängig ist, und auf der zweiten Stufe kommt sie dem Bundesgericht zu.

Zurzeit sind die der Bundesgerichtsbarkeit unterliegenden Fälle relativ selten. So hat das Bundesstrafgericht während der letzten zwölf Jahre weniger als zehn Fälle beurteilt, und die mit der neuen Verfassung aufgehobenen Bundesassisen (Botschaft vom 11. August 1999, BBl 1999 7935, AS 2000 505) haben von 1933 bis 2000 kein einziges Mal getagt. Der Entwurf für eine Änderung des Strafgesetzbuches und der Bundesstrafrechtspflege, der vom Parlament am 22. Dezember 1999 verabschiedet wurde und demnächst in Kraft treten soll, erweitert jedoch die Kompetenzen des Bundes erheblich, indem er ihm neue Aufgaben in der Verfolgung und Beurteilung der Straftaten im Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen und der Wirtschaftskriminalität überträgt (Botschaft vom 28. Januar 1998, BBl 1998 1529; BBl 4247

2000 70). Nach dieser sogenannten «Effizienzvorlage» fallen Straftaten von kriminellen Organisationen mit interkantonalem und internationalem Bezug (einschliesslich Korruption und Geldwäscherei) in die Zuständigkeit des Bundes (Art. 340bis Abs. 1 BStP [«Effizienzvorlage»]). Die Bundeszuständigkeit ist ebenfalls gegeben bei interkantonaler und internationaler Wirtschaftskriminalität (Straftaten gegen das Vermögen und Urkundenfälschung), wenn die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren führt, entweder weil die zuständige kantonale Strafverfolgungsbehörde sie um die Übernahme des Verfahrens ersucht hat oder selber mit der Sache nicht befasst ist (Art. 340bis Abs. 2 und 3 StGB [«Effizienzvorlage»]). Es ist zudem auf das Gesetz vom 24. März 2000 hinzuweisen, das am 15. Dezember 2000 in Kraft getreten ist und das den Völkermord als neues Verbrechen der Bundesgerichtsbarkeit unterstellt (Art. 340 Ziff. 2 StGB; Botschaft vom 31. März 1999, BBl 1999 5327; AS 2000 2725).

Heute wird die grosse Mehrheit der Verfahren, die in die Zuständigkeit der Bundesbehörden fallen, an die kantonalen Behörden delegiert. Während Artikel 18 BStP die Delegation der Untersuchung und Beurteilung bei den «traditionellen» Bundesstrafsachen zulässt (Art. 340 Ziff. 1 StGB), beschränkt Artikel 18bis BStP («Effizienzvorlage») die Delegation auf die Beurteilung von Fällen des organisierten Verbrechens, der Wirtschaftskriminalität und des Völkermords. Mit der Schaffung des neuen Bundesstrafgerichts schlägt der Bundesrat nun vor, die Delegationsmöglichkeit der in Artikel 340 Absatz 1 StGB erwähnten Straftaten (Fälschung von Fahrausweisen, leichte Widerhandlungen gegen das Kriegsmaterialgesetz, Geldfälschung usw.)

beizubehalten, diese aber bei den Straftaten aufzuheben, die in den Bereich des organisierten Verbrechens, der Wirtschaftskriminalität und des Völkermords fallen, mit Ausnahme der Fälle von geringer Bedeutung (vgl. Anhang, Art 18bis BStP).

Der zweite Satz von Artikel 191a Absatz 1 BV-Justizreform räumt dem Gesetzgeber die Möglichkeit ein, dem Bundesstrafgericht weitere Kompetenzen als die erstinstanzliche Beurteilung von Bundesstrafsachen zu übertragen. Gestützt auf diese Bestimmung schlägt der Bundesrat vor, dem Bundesstrafgericht die Aufgaben der Anklagekammer des Bundesgerichts zuzuweisen, die ihrerseits aufgehoben
werden soll. Somit wird das Bundesstrafgericht ebenfalls die Aufsicht über die Ermittlungen der Bundesbehörden in einem Bundesstraf- und einem Verwaltungsstrafverfahren führen und über Anstände betreffend die Zuständigkeit und die innerstaatliche Rechtshilfe entscheiden.

Die Ausdehnung der Bundesstrafgerichtsbarkeit, wie sie namentlich aus der «Effizienzvorlage» folgt, wird auch auf die Kompetenzen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Auswirkungen haben. Diese werden zunehmen, weil die «Effizienzvorlage» der angeschuldigten Person das Recht einräumt, bei der Beschwerdekammer gegen jede Amtshandlung und Säumnis des Bundesanwalts Beschwerde zu führen, und nicht mehr einzig gegen die Zwangsmassnahmen (Art. 105bis Abs. 2 BStP [«Effizienzvorlage»].). Nach einer Studie der Bundesanwaltschaft ist im ersten Jahr nach Inkrafttreten der «Effizienzvorlage» mit der Eröffnung von 34 zusätzlichen Ermittlungsverfahren zu rechnen, im zweiten Jahr mit deren 44 und im dritten Jahr mit 55; nach sechs Jahren sollten es rund 100 Ermittlungsverfahren sein. Nach den Angaben der Bundesanwaltschaft würde jedes Verfahren zwei bis acht Personen betreffen, von denen jede mindestens zweimal an die Beschwerdekammer gelangen könnte.

4248

Gestützt darauf lässt sich folgende Tabelle über die Anzahl der zu erwartenden Beschwerden aufstellen: 1.

Jahr

2.

Jahr

3.

Jahr

4.

Jahr

5.

Jahr

Voraussichtliche Anzahl neuer Ermittlungsverfahren

34

44

55

65

75

Voraussichtliche Anzahl neuer Beschwerden (Grundlage: 2­ 8 Personen / 2 Beschwerden pro Person / davon ausgehend: 10 Beschwerden pro Verfahren)

340

440

550

650

750

Heutige Anzahl Beschwerden

86

86

86

86

86

Geschätzte Gesamtzahl der Beschwerden

426

526

636

736

836

Die Expertenkommission für die Totalrevision der Bundesrechtspflege erwog, dem neuen Bundesstrafgericht zwei weitere Kompetenzen zuzuweisen: den Entscheid über Beschwerden gegen Verfügungen von kantonalen und Bundesbehörden auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe sowie die Beurteilung von Berufungen gegen Urteile von militärischen Divisionsgerichten (Schlussbericht, Juni 1997, S.

46). Nach einer näheren Prüfung hat der Bundesrat jedoch aus folgenden Gründen auf eine derartige Ausweitung der Kompetenzen verzichtet: ­

Die Verfügungen der Kantone und des Bundes auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe sind eher öffentlich-rechtlicher als strafrechtlicher Natur und sollen daher nicht beim neuen Bundesstrafgericht, sondern beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden können, das letztinstanzlich entscheidet (Art. 78 Abs. 1 Bst. g BGG, der in diesem Fall die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht ausschliesst).

­

Die Expertenkommission schlug die Einführung der Berufung gegen Urteile von Divisionsgerichten an das Bundesstrafgericht vor sowie einer Beschwerde an das Bundesgericht, welches die Verfassungsmässigkeit von allen Bundesgesetzen zu prüfen gehabt hätte. Da die Eidgenössischen Räte die bundesgerichtliche Kontrolle der Verfassungsmässigkeit von Bundesgesetzen abgelehnt hat, gibt es keinen Grund, dem Bundesstrafgericht die Kompetenz zu geben, über Berufungen gegen Urteile von Divisionsgerichten zu entscheiden.

2.5.2

Aufgaben im Verwaltungsrecht

Ausgangspunkt bildet die Rechtsweggarantie von Artikel 29a BV-Justizreform, wonach grundsätzlich alle Rechtsstreitigkeiten einer gerichtlichen Beurteilung unterliegen müssen (mit engen Ausnahmemöglichkeiten). Der Rekurs an eine verwaltungsinterne Instanz genügt also nicht, offen stehen muss der Zugang zu einem Gericht.

4249

Soweit der Bund für den Vollzug des Bundesverwaltungsrechts zuständig ist, hat er dafür zu sorgen, dass Rechtsstreitigkeiten einem Gericht mit voller Sachverhaltsund Rechtskontrolle unterbreitet werden können. Dies tut er mit der Schaffung des Bundesverwaltungsgerichts. Gleichzeitig erfüllt er den Auftrag von Artikel 191a Absatz 2 BV-Justizreform, wonach der Bund richterliche Behörden für die Beurteilung von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten aus dem Zuständigkeitsbereich der Bundesverwaltung bestellt. Es wird dem Anliegen nachgelebt, dass dem Bundesgericht durchwegs richterliche Instanzen vorgeschaltet sein sollen (vgl. Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom 20.11.1996, BBl 1997 I 539). Heute decken die eidgenössischen Rekurs- und Schiedskommissionen nicht alles ab, auch wenn sie in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut worden sind. Keine Rekurskommission besteht beispielsweise im Ausländerrecht.

Hauptaufgabe des Bundesverwaltungsgerichts bildet demgemäss die Beurteilung von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten aus dem Zuständigkeitsbereich der Bundesverwaltung. Es entscheidet Beschwerden gegen Verfügungen eidgenössischer Instanzen und urteilt über gewisse Klagen aus dem Bundesverwaltungsrecht. Mit dieser Aufgabe löst das Bundesverwaltungsgericht einerseits die eidgenössischen Rekurs- und Schiedskommissionen und anderseits die Beschwerdedienste der Departemente ab.

Für die Überprüfung von Verfügungen eidgenössischer Instanzen gilt demnach künftig folgender Modellinstanzenzug: Die Verfügungen unterliegen direkt der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Der verwaltungsinterne Beschwerdeweg entfällt (Ausnahmen müssten spezialgesetzlich vorbehalten sein). Soweit ein Bundesgesetz vorsieht, dass gegen eine Verfügung Einsprache erhoben werden kann, ist die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht jedoch erst gegen den Einspracheentscheid zulässig. Die Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts unterliegen grundsätzlich der «Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten» an das Bundesgericht (Art. 80 Abs. 1 Bst. a BGG). In denjenigen Sachgebieten, in denen das Bundesgerichtsgesetz die Zuständigkeit des Bundesgerichts ausschliesst (Ausnahmekatalog, Art. 78 BGG), sind die Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts endgültig. Ein Weiterzug an den Bundesrat ist in jedem Fall
ausgeschlossen (Art. 74 Bst. c VwVG). Der Bundesrat überprüft keine Gerichtsurteile.

Neben seiner Hauptaufgabe, der Beurteilung von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten aus dem Zuständigkeitsbereich der Bundesverwaltung, ist dem Bundesverwaltungsgericht in wenigen Fällen die Entscheidung von Beschwerden gegen kantonale Entscheide übertragen. Für diese Aufgabe kann es sich auf Artikel 191a Absatz 3 BV-Justizreform stützen. Die Überprüfung von kantonalen Entscheiden ist aber eine Ausnahmekompetenz des Bundesverwaltungsgerichts. Grundsätzlich obliegt die letztinstanzliche Kontrolle der kantonalen Rechtsprechung und insbesondere die Sicherstellung der einheitlichen Anwendung von Bundesrecht durch die Kantone weiterhin dem Bundesgericht. Es ist als oberstes Gericht des Bundes hierzu am besten legitimiert. Das Bundesverwaltungsgericht ist für Beschwerden gegen Verfügungen kantonaler Instanzen nur insoweit zuständig, als Spezialgesetze des Bundes dies vorsehen (vgl. die Bemerkungen zu Art. 29 Bst. h VGG). Grund für eine solche Zuweisung kann namentlich die Entlastung des Bundesgerichts sein.

Schliesslich obliegt dem Bundesverwaltungsgericht die Beurteilung von Beschwerden gegen Beschlüsse der Kantonsregierungen im Sinne von Artikel 53 des Krankenversicherungsgesetzes (vgl. dazu die Bemerkungen zu Art. 30 VGG). Diese Auf4250

gabe übernimmt es vom Bundesrat, der von seinen bisherigen Rechtsprechungsfunktionen weitestgehend entlastet werden soll (vgl. Ziff. 2.3.2).

2.5.3

Organisationsmodelle

Die mit der Justizreform verabschiedeten Verfassungsbestimmungen schreiben die Errichtung einer unteren Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundes vor, überlassen aber die Organisation der neu zu schaffenden Gerichte dem Gesetzgeber.

Die Expertenkommission für die Totalrevision der Bundesrechtspflege hat in ihrem Schlussbericht empfohlen, die untere Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundes durch die Schaffung eines zentralen Bundesverwaltungsgerichts zu verwirklichen. Zur Begründung nannte sie verschiedene Vorteile, die ein zentrales Bundesverwaltungsgericht gegenüber einer Mehrzahl von dezentralen Gerichten habe (einfachere Koordination der Rechtsprechung, bessere Verteilung der Geschäftslast, professionellere Infrastruktur, Synergieeffekte dank gemeinsamer Infrastruktur, bessere Rekrutierungsmöglichkeiten). Was die Organisation der unteren Bundesstrafgerichtsbarkeit anbelangt, so gab die Expertenkommission grundsätzlich einem selbständigen, einzigen und zentralisierten Bundesstrafgericht den Vorzug. Allerdings räumte sie ein, ein selbständiges Bundesstrafgericht könnte zu wenig ausgelastet sein, weshalb zu überlegen wäre, ob beim Bundesverwaltungsgericht eine besondere Kammer für die erstinstanzliche Bundesstrafgerichtsbarkeit geschaffen werden sollte. Diese Bedenken (mangelnde Auslastung eines selbständigen Bundesstrafgerichts) sind in der Zwischenzeit ausgeräumt. Mit der Verabschiedung der «Effizienzvorlage» (BBl 2000 70) sind dem Bund neue Ermittlungskompetenzen übertragen und es ist ein generelles Beschwerderecht gegen Verfügungen der Bundesanwaltschaft eingeführt worden. Die damit verbundene Geschäftslast rechtfertigt ohne weiteres die Bildung eines selbständigen Bundesstrafgerichts. Aus organisatorischer Sicht sind demnach sowohl ein einziges Gericht für Straf- und Verwaltungssachen als auch zwei eigenständige Gerichte oder ein Strafgericht und mehrere verschiedene Verwaltungsjustizbehörden denkbar.

Das Bundesamt für Justiz hat zur Abschätzung der Kosten der verschiedenen Organisationsmöglichkeiten bei der Ernst & Young Consulting AG (EYC) eine betriebswirtschaftliche Studie in Auftrag gegeben. Die beauftragte Expertin hat in ihrem Bericht vom 25. September 2000 Wirtschaftlichkeitsvergleiche zwischen den folgenden vier Organisationsmodellen durchgeführt: 1.

Zentralgericht, bestehend aus einer Straf- und einer Verwaltungsabteilung;

2.

zwei Fachgerichte (ein Strafgericht und ein Verwaltungsgericht);

3.

drei Fachgerichte (Strafgericht, Verwaltungsgericht und ein Gericht für Asyl- und Ausländerrecht);

4.

Fortbestand der heutigen Rekurskommissionen und Bildung eines Auffanggerichts, bestehend aus einer Straf- und einer Verwaltungsabteilung, wobei letztere die Aufgaben der heutigen Beschwerdedienste der Departemente übernimmt.

4251

Ausgangspunkt der betriebswirtschaftlichen Studie bildete ­ soweit dies überhaupt möglich war ­ eine Analyse des Ist-Zustands. Für die Strafgerichtsbarkeit bestand wegen der neuen Zuständigkeiten des Bundesstrafgerichts nur teilweise ein IstZustand, der als Berechnungsgrundlage für die Kostenermittlung nutzbar war; für die Abschätzung der Kosten der neuen Aufgaben des Bundesstrafgerichts musste sich EYC auf die enge Zusammenarbeit mit Fachspezialisten sowie auf Abklärungen bei kantonalen Gerichten abstützen.

Bei der Ermittlung der Gesamtkosten der vier Organisationsmodelle ging EYC im Bereich der Verwaltungsrechtspflege aus Gründen der Vergleichbarkeit von einer konstanten Geschäftslast von 14 442 Beschwerden pro Jahr aus. Für das Verhältnis Anzahl Richter zu Anzahl juristische Mitarbeiter wählte sie eine Verhältnisgrösse von 1 Richter auf 2.5 Gerichtsschreiber. Im Strafrechtsbereich stellte EYC vorab Schätzungen und Vergleiche mit kantonalen Gerichten an. Bei der Relation Richter zu Gerichtsschreiber ging sie für die Anklagekammer von einem Verhältnis 1 zu 1 und für das Bundesstrafgericht von 1.5 zu 1 aus.

Für die Berechnung der Personalkosten orientierte sich EYC an der StandardBesoldungstabelle der Bundesverwaltung des Jahres 2000. In gleicher Weise ging sie bei den Sachkosten vor, wobei sie die Bibliothekskosten aufgrund von Erfahrungswerten des Bundesgerichts ermittelte. Während die variablen Kosten im Verwaltungsbereich entsprechend dem Ist-Zustand übernommen werden konnten, mussten sie im Strafrechtsbereich aufgrund der umfangreichen Akten, der unmittelbaren Beweisabnahme und der öffentlichen Verhandlungen höher eingesetzt werden.

Schliesslich veranschlagte die Expertin bei sämtlichen untersuchten Organisationsmodellen verschiedene, durch die neuen Strukturen ausgelöste Einsparpotenziale.

Die Gesamtkostenrechnung ergab folgendes Bild: Modell

Minimal* (CHF)

Maximal* (CHF)

Zentrales Gericht

55 676 871.­

62 032 492.­

Zwei Fachgerichte

56 244 817.­

62 668 725.­

Drei Fachgerichte

56 688 452.­

63 112 359.­

Auffanggericht, Rk'en

57 144 703.­

63 548 943.­

Das Optimierungspotenzial (Einsparung laufender Kosten pro Jahr) sieht gemäss Studie EYC für die vier Modelle folgendermassen aus:

4252

Modell

Minimal* (CHF)

Maximal* (CHF)

Zentrales Gericht

­4 462 857.­

­5 284 322.­

Zwei Fachgerichte

­3 924 910.­

­4 678 089.­

Drei Fachgerichte

­3 370 361.­

­4 123 540.­

Auffanggericht, Rk'en

­1 102 117.­

­1 874 964.­

* Im Strafrechtsbereich bestehen keine Ist-Werte als Grundlage der Berechnung. Die Angabe von Minimal- und Maximalwerten berücksichtigt die hohe Streuung der Bearbeitungsintensitäten in diesem Bereich.

Im Vergleich zwischen den vier Organisationsmodellen schliesst die Variante «Auffanggericht/Rekurskommissionen» kostenmässig und hinsichtlich Synergien am ungünstigsten ab. Die Expertin empfahl daher, von der Wahl dieses Modells als Grundlage für das Bundesverwaltungs- und Bundesstrafgericht abzusehen. Die drei anderen Modelle liegen kostenmässig nahe beieinander, wobei die Variante «Zentrales Gericht» am kostengünstigsten ist (höchstes Optimierungspotenzial), gefolgt vom Modell «zwei Fachgerichte». Wegen der geringen Differenzen empfahl EYC, die Wahl unter diesen drei Modellen primär nach standortspezifischen und politischen Gesichtspunkten vorzunehmen.

Gestützt auf die dargelegte Kostenschätzung der EYC sowie die oben wiedergegebene Meinung der Expertenkommission hat sich der Bundesrat unter Abwägung aller Vor- und Nachteile für die Schaffung von zwei eigenständigen Fachgerichten entschieden. Nach den Schätzungen der betriebswirtschaftlichen Studie ist ­ bei einer Inkraftsetzung der «Effizienzvorlage» anfangs 2002 ­ im Jahr 2004 bereits mit ca. 32 Anklagen und ca. 636 Beschwerden aus dem Zuständigkeitsbereich der Anklagekammer zu rechnen. In den Folgejahren wird die Geschäftslast weiter ansteigen. Diese Zahlen zeigen, dass ein eigenständiges Strafgericht fraglos ausgelastet wäre. Vom Modell eines einzigen Zentralgerichts, das kostenmässig ähnlich abschneidet wie das Modell «zwei Fachgerichte», indessen wegen der grundlegenden Unterschiede im Zuständigkeitsbereich und in der Verfahrensweise der Straf- und der Verwaltungsabteilung keine Ideallösung darstellen würde, kann daher abgesehen werden. Das Modell «drei Fachgerichte» hätte den Nachteil, dass sich die Mitglieder des Gerichts für Asyl- und Ausländerrecht auf ein enges Rechtsgebiet spezialisieren müssten ohne Möglichkeit, in eine andere Abteilung zu wechseln. Das könnte zu Rekrutierungsproblemen führen. Zudem geht bei drei Fachgerichten ein Teil des Optimierungspotenzials verloren. Das Modell «Auffanggericht», das kostenmässig am ungünstigsten abschneidet und auch von der Expertin zur Ablehnung empfohlen wurde, würde die Nachteile der bestehenden,
stark zersplitterten Struktur weiterführen. Es muss daher ausscheiden.

Die beiden separat organisierten Fachgerichte werden gemäss Studie von EYC folgenden Personalbedarf haben:

4253

Bundesverwaltungsgericht Personal

ganze Stellen

Richter**

49.4

Gerichtsschreiber**

123.4

Kanzlei

29.8

Zentrale Dienste***

54.2

Total

256.8

** Nicht berücksichtigt ist der Personalbedarf für die Behandlung der Beschwerden aus den Bereichen des Krankenversicherungsgesetzes (vgl. Art. 30 VGG) und der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, weil sich erst nach Erstellung der Studie gezeigt hat, dass diese Beschwerden dem Bundesverwaltungsgericht übertragen werden sollen.

*** Die zentralen Dienste umfassen die EDV, die Bibliothek, den Hausdienst, die Kasse, Loge, Cafeteria, Registratur, den Kurierdienst, den Gerichtsweibel etc.

Bundesstrafgericht Personal

ganze Stellen 3er (Min. / Max.)*

Richter

15.4 / 31.1

Gerichtsschreiber

12.0 / 22.5

Kanzlei

4.1 / 6.6

Zentrale Dienste

5.7 / 9.4

Total

37.2 / 69.6

* Im Strafrechtsbereich bestehen keine Ist-Werte als Grundlage der Berechnung. Die Angabe von Minimal- und Maximalwerten berücksichtigt die hohe Streuung der Bearbeitungsintensitäten in diesem Bereich.

2.5.4

Verfahren vor den neuen Gerichten

2.5.4.1

Strafrecht

Der Entwurf des Bundesgesetzes über das Bundesstrafgericht stellt keine Verfahrensbestimmungen auf, sondern verweist nur auf bestehende Verfahrensordnungen.

4254

Das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege (BStP, SR 312.0) ordnet heute die Verfolgung und Beurteilung durch Bundesstrafbehörden von Straftaten, welche der Bundesgerichtsbarkeit unterliegen. Es wird auf das Verfahren vor dem neuen Bundesstrafgericht anwendbar sein, wenn dieses als urteilende Behörde oder als Beschwerdeinstanz Fälle zu entscheiden hat, welche in der Zuständigkeit des Bundes liegen. So regeln die Artikel 135­181 BStP die Hauptverhandlung und ihre Vorbereitung. Die Artikel 214­219 BStP legen das Verfahren bei Beschwerden gegen Ermittlungshandlungen fest. Schliesslich behandeln Artikel 24 BStP die Öffentlichkeit der Verhandlungen, Artikel 97 BStP die Verhandlungssprache und Artikel 99 BStP den Ausstand von Gerichtspersonen, die Fristen, die Wiedereinsetzung und die Rechtsschriften.

Der BStP, der 1934 erlassen wurde, stellt häufig überholte Vorschriften auf, die heute, im Lichte der Erweiterung der Bundeskompetenzen, sehr schwerfällig erscheinen. Der Bundesrat schlägt darum folgende wesentlichen Lockerungen vor: ­

Er schlägt vor, den Entscheid über die Anklageerhebung dem Bundesanwalt zu übertragen und dem Geschädigten die Möglichkeit einzuräumen, bei der Beschwerdekammer gegen eine Einstellungsverfügung Beschwerde zu erheben. Der heutige BStP kennt ein zweistufiges System. Nach der vom eidgenössischen Untersuchungsrichter geführten Voruntersuchung verfasst der Bundesanwalt die Anklageschrift und übermittelt sie mit den Akten und einem erläuternden Bericht an die Anklagekammer, welche endgültig über die Anklagezulassung entscheidet (Art. 125 ff. BStP). Dieses Verfahren ist sehr kompliziert, denn es zwingt die Aufsichtsbehörde, sich zu jeder Anklageschrift zu äussern. Zudem stellt der Entscheid der Anklagekammer über die Anklagezulassung, der den Entscheid des Bundesanwalts bestätigt, eine Art «Vor-Urteil» dar, das die urteilende Instanz stark beeinflussen kann.

­

Der Bundesrat schlägt eine Milderung des Unmittelbarkeitsprinzips bei der Beweiserhebung vor und möchte den erstinstanzlichen Bundesrichtern ermöglichen, sich ihre Meinung auch auf Grund der während der Ermittlung gemachten Feststellungen zu bilden, während sie heute nur die an der Hauptverhandlung direkt und unmittelbar erhobenen Beweise (Einvernahme des Beschuldigten, Befragung der Privatklägerschaft, der Zeugen, der Sachverständigen; Vorlage von Beweisstücken usw.) berücksichtigen dürfen, nicht aber jene Feststellungen, die sich allein aus den Akten ergeben (Art. 169 Abs. 2 BStP).

­

Der Bundesrat regt an, die Regelung über die Protokollierung zu präzisieren und in Artikel 181 BStP zu definieren, welche Vorgänge und Aussagen in einem Protokoll festgehalten werden müssen. Es wird insbesondere präzisiert, dass das Protokoll eine Zusammenfassung der Aussagen der einvernommenen Personen enthalten muss (einschliesslich der Aussagen von Zeugen und Sachverständigen).

Diese Änderungsvorschläge für den BStP sind jedoch nur provisorisch. Denn um dem grenzüberschreitenden Charakter der Kriminalität Rechnung zu tragen, hat der Bundesrat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beauftragt, auf der Grundlage von Artikel 123 der neuen Bundesverfassung ein Bundesgesetz über die Schweizerische Strafprozessordnung zu entwerfen. Diese soll für die Verfolgung

4255

und die Beurteilung von Straftaten durch die Behörden der Kantone und des Bundes gelten und insbesondere das Verfahren vor dem Bundesstrafgericht regeln.

Hat dereinst das neue Bundesstrafgericht verwaltungsstrafrechtliche Fälle zu beurteilen, wird es das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0) anwenden, welches das Verwaltungsstrafverfahren regelt. So legen die Artikel 26­ 28 VStrR die Verfahrensregeln für Beschwerden gegen Untersuchungshandlungen fest. Die Artikel 73­80 VStrR (gerichtliches Verfahren) und subsidiär der BStP werden für das Verfahren vor dem neuen Bundesstrafgericht in Fällen der Delegation durch den Bundesrat anwendbar sein (Art. 21 Abs. 3; Art. 81 und 82 VStrR).

Schliesslich werden die Entscheide des Bundesstrafgerichts mit der neuen Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht anfechtbar sein. Diese im Entwurf zum Bundesgerichtsgesetz vorgesehene Beschwerde ersetzt die geltende Nichtigkeitsbeschwerde an den ausserordentlichen Kassationshof des Bundesgerichts, die gegen die Entscheide des Bundesstrafgerichts nur wegen Verfahrensfehlern zulässig ist, die während der Hauptverhandlung gerügt werden. Damit wird der Vorbehalt zu Artikel 14 Absatz 5 des Internationalen Pakts vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (SR 0.103.2) gegenstandslos. Verfahrensentscheide können dagegen nicht mit Beschwerde angefochten werden, ausser jene im Zusammenhang mit Zwangsmassnahmen (Art. 73 ff. BGG; vgl. den Kommentar zu diesen Vorschriften in Ziff. 4.1.3.2).

2.5.4.2

Verwaltungsrecht

Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich grundsätzlich nach den Bestimmungen des VwVG (vgl. dazu auch die Bemerkungen zu Art. 33 VGG).

Das Gleiche galt für das Verfahren vor den eidgenössischen Rekurs- und Schiedskommissionen, obwohl es sich auch bei ihnen um richterliche Instanzen handelte (Art. 71a Abs. 2 VwVG). Die Beschwerdedienste der Departemente unterstanden ebenfalls dem VwVG. Das Bundesverwaltungsgericht löst die genannten Instanzen ab. Von daher ist es richtig, dass es nach den Vorschriften des VwVG verfährt.

Eine wichtige Folge davon ist, dass das Bundesverwaltungsgericht über volle Kognition verfügt, also neben der Rechts- und Sachverhaltskontrolle grundsätzlich auch die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung überprüfen kann. Die Angemessenheit einer Verfügung sollte wenigstens einmal überprüft werden können.

Sonst wird der Rechtsschutz verkürzt. Dieses Anliegen überwiegt dogmatische Bedenken, wonach Gerichte von ihrer Funktion her darauf beschränkt sein sollten, die rechtlichen Grenzen der Ermessensausübung zu kontrollieren (Ermessensüberschreitung, Ermessensunterschreitung, Ermessensmissbrauch). Würde die Rüge der Unangemessenheit ausgeschlossen, bestünde die Gefahr einer Überdehnung des Willkürbegriffs, um auf diesem Umweg dennoch zu einer Angemessenheitskontrolle zu gelangen. Nach Artikel 49 Buchstabe c VwVG ist die Rüge der Unangemessenheit unzulässig, wenn eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass die Angemessenheit schon im kantonalen Verfahren überprüft worden ist.

Das VwVG tritt zurück, soweit das VGG selber Verfahrensbestimmungen aufstellt.

Das VGG tut dies insoweit, als das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

4256

spezifische Vorschriften erfordert, so namentlich betreffend die Zuständigkeit zur Instruktion (Art. 35 VGG), das Urteilsverfahren (Art. 36 VGG) und betreffend die Öffentlichkeit der Parteiverhandlung und Urteilsverkündung (Art. 37 VGG). Um den gerichtsspezifischen Anforderungen gerecht zu werden, verweist das VGG ferner für den Ausstand auf die entsprechenden Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes (und nicht des VwVG).

Zu beachten ist sodann, dass jüngere Verfahrensvorschriften anderer Bundesgesetze das VwVG verdrängen, wenn der spätere Gesetzgeber dies unmissverständlich gewollt hat (René Rhinow/Heinrich Koller/Christina Kiss, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel/Frankfurt a.M. 1996, Rz. 1084). Beispiele dafür finden sich namentlich im Asylgesetz.

Das Klageverfahren richtet sich über weite Strecken nach dem BZP (vgl. die Bemerkungen zu Art. 39 VGG). Dies ist dadurch gerechtfertigt, dass sich das Klageverfahren ähnlich einem Zivilprozess kontradiktorisch mit Kläger und Beklagtem abwickelt. Es wird nicht ­ wie im Beschwerdeverfahren ­ eine Verfügung überprüft, vielmehr wird auf Klage hin über ein Rechtsverhältnis entschieden, ohne dass zuvor im nichtstreitigen Verfahren eine Verfügung ergangen wäre.

Zusammenfassung: Muss vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Verfahrensfrage entschieden werden, ist betreffend das anwendbare Recht folgendes Prüfungsschema abzufragen: ­

Regelt das VVG diese Frage selber (ev. durch Verweis auf das BGG)?

­

Wenn nein: Handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren (dann findet das VwVG grundsätzlich Anwendung) oder um ein Klageverfahren (dann gilt über weite Strecken der BZP)?

­

Bei grundsätzlicher Anwendung des VwVG: Wird die Regelung des VwVG verdrängt durch eine bewusst abweichende jüngere Vorschrift in einem anderen Bundesgesetz (z. B. Asylgesetz)?

2.5.5

Wahl und Stellung der Richter

Die Mitglieder der heutigen Rekurs- und Schiedskommissionen werden durch den Bundesrat gewählt (Art. 71b Abs. 3 VwVG).

Für die Mitglieder des künftigen Bundesverwaltungsgerichts schlug die Expertenkommission für die Totalrevision der Bundesrechtspflege die Wahl durch die Bundesversammlung vor. Die Wahl durch die Bundesversammlung mache die Richterstellen für kompetente Persönlichkeiten attraktiv und verleihe dem Bundesverwaltungsgericht einen hohen Stellenwert. Das sei wichtig, wenn es das Bundesgericht wirklich entlasten solle. Nur wenn der Rechtssuchende Vertrauen in das Bundesverwaltungsgericht fasse, hege er Respekt vor seinen Urteilen und ziehe diese nicht selbstverständlich ans Bundesgericht weiter (Schlussbericht, S. 40).

Diese Überlegungen vermochten in der Vernehmlassung nicht durchwegs zu überzeugen. Vereinzelt wurde die Wahl durch die Bundesversammlung als «übertrieben» bezeichnet. Gegen die Einsetzung der Bundesversammlung als Wahlorgan spricht zudem, dass die Wahl und Wiederwahl einer derart grossen Anzahl von Richterinnen und Richtern für das Parlament zu einer Belastung werden kann. Dies gilt umso 4257

mehr, als das Amt eines Bundesverwaltungsrichters bzw. eines Bundesstrafrichters auch mit einem Teilpensum ausgeübt werden kann, was zu einer zusätzlichen Vergrösserung des Personalbestands und einer Verkomplizierung der Erst- und Wiederwahlen (Pensenveränderungen bisheriger Richter im Zusammenhang mit Vakanzen) führen kann.

Der vorliegende Entwurf trägt diesen Einwänden Rechnung und sieht als Wahlorgan den Bundesrat vor. Diese Lösung wahrt die Kontinuität mit der heute geltenden Regelung für die Rekurs- und Schiedskommissionen und markiert einen Unterschied zu den Mitgliedern des obersten Gerichts, welche durch die Bundesversammlung gewählt werden.

Dabei hat der Bundesrat die Möglichkeit, die Wahlvorbereitung zu optimieren und namentlich die Bewerbungen professionell evaluieren zu lassen.

Die Einsetzung des Bundesgerichts als Wahlorgan wurde geprüft, aber verworfen, namentlich wegen der damit verbundenen zeitlichen Belastung. Das Bundesgericht soll mit der vorliegenden Revision entlastet und nicht mit neuen Aufgaben belastet werden. Ohnehin wäre die Verfassungsmässigkeit einer solchen Lösung fraglich, nachdem in der Verfassung eine entsprechende Kompetenzzuweisung fehlt, und die Auffangklausel von Artikel 187 Absatz 1 Buchstabe c BV zugunsten des Bundesrates lautet.

Was die Stellung der Mitglieder der unteren Bundesgerichte anbelangt, soll für sie sinngemäss die ordentliche Personalgesetzgebung gelten, selbstverständlich unter Vorbehalt der richterlichen Unabhängigkeit (d.h. insbesondere Wahl auf Amtsdauer und Verzicht auf Leistungslohn). Diese Lösung entspricht der Position der hauptamtlichen Mitglieder der heutigen Rekurs- und Schiedskommissionen (vgl. Art. 71c Abs. 4 VwVG). Die Unterstellung unter die Gesetzgebung für Magistratspersonen (SR 172.121 und SR 172.121.1) wäre nicht sachgerecht, da sie nur auf eine geringe Anzahl von Personen zugeschnitten und infolgedessen bewusst sehr einfach und pauschal gehalten ist. Das Statut für Magistratspersonen eignet sich für Personen, die im bedeutsamsten und gleichzeitig letzten Abschnitt ihrer Karriere angelangt sind (was bei den unter die Magistratsgesetzgebung fallenden Bundesrichtern und dem Bundeskanzler häufig der Fall sein dürfte). Demgegenüber ist es weniger geeignet für Personen, die nach einigen Jahren Richtertätigkeit eine neue Aufgabe
übernehmen wollen (was bei den Mitgliedern der unteren Gerichte ab und zu vorkommen dürfte). Die in der Gesetzgebung für Magistratspersonen verankerte Ausnahme vom BVG-Obligatorium sowie die spezielle Ruhegehaltsregelung wären bei einem solchen Wechsel hinderlich.

2.5.6

Aufsicht

Die Expertenkommission für die Totalrevision der Bundesrechtspflege hat empfohlen, das Bundesverwaltungsgericht der (Ober)aufsicht der Bundesversammlung zu unterstellen. Diese Lösung sei vor allem aus Gründen der richterlichen Unabhängigkeit angezeigt; es werde jeder Anschein beseitigt, dass das Bundesverwaltungsgericht faktisch ein Stück ausgegliederte Bundesverwaltung sei, die vom Bundesrat kontrolliert werde (Schlussbericht, S. 40). In der Vernehmlassung wurde keine abweichende Meinung vertreten.

4258

Der Vorschlag entspricht der Bundesverfassung. Gemäss Artikel 169 Absatz 1 BV übt die Bundesversammlung die Oberaufsicht über die eidgenössischen Gerichte aus.

Zu den eidgenössischen Gerichten gehören nebst dem Bundesgericht (und dem eidgenössischen Versicherungsgericht) neu auch das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesstrafgericht. Der Bundesversammlung steht demnach auf jeden Fall die Oberaufsicht zu.

Die Vorschaltung einer zusätzlichen Aufsichtsbehörde erscheint schwerfällig und unnötig. Als zusätzliche Aufsichtsbehörde in Betracht käme der Bundesrat, der heute die administrative Aufsicht über die Geschäftsführung der Rekurs- und Schiedskommissionen ausübt (Art. 71c Abs. 6 VwVG). Diese Kompetenzzuweisung ist jedoch unter dem Aspekt der richterlichen Unabhängigkeit nicht unproblematisch, ist es doch Aufgabe der Rekurskommissionen, Verfügungen der dem Bundesrat unterstellten Verwaltungseinheiten zu überprüfen. Sie soll daher im Zuge der Aufwertung der Rekurskommissionen zu einem professionellen Bundesverwaltungsgericht korrigiert werden.

Gegen das Bundesgericht als zusätzliche Aufsichtsbehörde spricht vorab die zeitliche Belastung. Dem Bundesgericht fehlt ein Aufsichtsapparat. Ein solcher müsste erst geschaffen werden und würde Ressourcen binden, die sonst für die Rechtsprechung zur Verfügung stehen. Die Übertragung der Aufsicht über die unteren Gerichte an das Bundesgericht widerspricht dem mit der vorliegenden Revision verfolgten Ziel, das Bundesgericht zu entlasten.

Diese Überlegungen führen zum Schluss, einzig die Oberaufsicht der Bundesversammlung vorzusehen. Die Bundesversammlung verfügt mit den Geschäftsprüfungskommissionen über erfahrene Aufsichtsgremien. Die alleinige Oberaufsicht durch die Bundesversammlung trägt dem berechtigten und in der Vernehmlassung gebilligten Anliegen der Expertenkommission Rechnung, die neuen Gerichte hinsichtlich Ansehen und Legitimität auf einen hohen Rang zu stellen. Das Vorschalten einer zusätzlichen Aufsichtsbehörde würde die Stellung der neuen Gerichte schwächen. Eine solche Lösung hätte überdies zur Folge, dass es zu Doppelspurigkeiten mit der Oberaufsicht der Bundesversammlung käme.

Der Bundesrat schlägt daher vor, die neuen Gerichte gleich zu behandeln wie das Bundesgericht und sie keiner zusätzlichen, die parlamentarische Oberaufsicht ergänzenden Aufsicht zu unterstellen.

2.6

Elektronischer Verkehr mit Gerichts- und Verwaltungsbehörden des Bundes

2.6.1

Aktuelle Situation

2.6.1.1

Bundesgericht

Gemäss heutiger Rechtslage ist das Einreichen einer Rechtsschrift per Telefax nicht zulässig, weil es an einer (handschriftlichen) Unterschrift des Beschwerdeführers oder dessen Vertreters fehlt. Obwohl das Bundesrechtspflegegesetz ausdrücklich die Möglichkeit vorsieht, dass der Mangel einer fehlenden Unterschrift nachträglich behoben werden kann (Art. 30 Abs. 2 OG), gilt dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht bei Eingaben per Telefax (BGE 121 II 252 ff.). In diesem Fall 4259

sei nicht von einem versehentlichen Weglassen der Unterschrift auszugehen. Das Gericht hat jedoch seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, wonach die Revision der Bundesrechtspflege künftig den elektronischen Verkehr ermöglichen werde.

2.6.1.2

Andere Gerichts- und Verwaltungsbehörden des Bundes

Die geltenden Gesetzesbestimmungen sehen grundsätzlich keine spezifische Regelung für den elektronischen Verkehr des Einzelnen mit den Bundesbehörden im Rahmen von Gerichts- oder Verwaltungsverfahren vor. Vereinzelt wird die Einreichung von Rechtsschriften per Telefax als zulässig erachtet (z. B. Art. 23 Abs. 1 der Verordnung über die Schweizerische Asylrekurskommission, SR 142.317; Art. 19 des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen, SR 172.056.1; Art. 3 der Kartoffelverordnung, SR 916.113.11). Andere Erlasse erlauben die elektronische Datenübermittlung in Einzelfällen (z. B. Verordnung über die Zollabfertigung mit elektronischer Datenübermittlung, SR 631.071; Art. 23 der Schwerverkehrsabgabeverordnung, SR 641.811; Art. 3 der Agrareinfuhrverordnung, SR 916.01). Was die Übermittlung von Rechtsschriften auf elektronischem Weg angeht, so ist diese in gewissen Bereichen erlaubt (z. B. Art. 4 der Melde-Verordnung, SR 818.141.1; Art. 3 der Kartoffelverordnung, SR 916.113.11) und in anderen ausgeschlossen (Art. 23 Abs. 2 der Verordnung über die Schweizerische Asylrekurskommission, SR 142.317).

Im übrigen ist die heutige Gesetzeslage unbestimmt. Unklar ist insbesondere, inwieweit der elektronische Verkehr die Anforderungen an den schriftlichen Verkehr erfüllt, wie sie grundsätzlich für die Mitteilung von Entscheidungen (Art. 34 VwVG) oder für bestimmte Gesuche (z. B. Art. 30 Abs. 2 Kartellgesetz, SR 231; Art. 5, 101 und 138 Patentgesetz, SR 232.14) vorgesehen ist. In analoger Anwendung von Artikel 13 OR könnte der Schluss gezogen werden, dass die Schriftform gezwungenermassen eine handschriftliche Unterschrift des sich Verpflichtenden voraussetzt. In der Praxis wurde es jedoch als zulässig erachtet, dass in Fällen, wo die Behörden in grosser Zahl Entscheide fällen (insbesondere bei Steuerbescheiden oder bei Verwaltungsverfügungen im Bereich AHV/IV; BGE 112 V 87), auf das Anbringen einer handschriftlichen Unterschrift verzichtet werden kann. Entspricht die elektronische Form in diesem Fall der geschriebenen Form und ist eine Unterschrift nicht notwendig? Kann eine elektronische Unterschrift einer von Hand angebrachten gleichgesetzt werden? Welches sind die verfahrensrechtlichen Folgen des elektronischen Verkehrs, beispielsweise im Bereich der Fristen? Das geltende Recht vermag zahlreiche
Fragen nicht oder nicht ausreichend zu beantworten, so dass eine Klärung der Rechtslage als angebracht erscheint. Dies entspricht auch einem zunehmenden Bedürfnis: Es sind nicht nur die in Verfahren vor Bundesbehörden involvierten Parteien, welche immer häufiger die Möglichkeit nutzen möchten, Verfahrenshandlungen auf elektronischem Weg durchzuführen; auch die Behörden selber möchten vermehrt Entscheidungen auf elektronischem Weg eröffnen.

4260

2.6.2

Die elektronische Unterschrift im geltenden Bundesrecht

Am 12. April 2000 hat der Bundesrat im Sinne einer Versuchsregelung die Verordnung über Dienste der elektronischen Zertifizierung erlassen (ZertDV; SR 784.103).

Diese Verordnung legt die Voraussetzungen für die Anerkennung der Anbieter von Zertifizierungsdiensten fest. Eine der Aufgaben dieser Anbieter wird sein, die Verbindung zwischen einer Person oder einer Verwaltung und einem kryptographischen Schlüssel zu zertifizieren. Ein solcher Schlüssel ermöglicht es, eine digitale Unterschrift, angehängt an ein elektronisches Dokument, zu schaffen. Diese digitale Unterschrift wiederum ist ein elektronischer Code, welcher logisch an elektronische Dateien gehängt und mitttels eines geheimen (privaten) kryptographischen Schlüssels chiffriert ist. Die Unterschrift erlaubt mittels eines anderen (öffentlichen) kryptographischen Schlüssels die Überprüfung, dass die Dateien wirklich vom Inhaber des Privatschlüssels stammen und seit der Unterschrift in keiner Weise verändert worden sind. Der Empfänger eines mit digitaler Unterschrift versehenen Dokuments hat daher eine hohe Sicherheit bezüglich der Herkunft des Dokuments und dessen Integrität (Vollständigkeit und Unversehrtheit).

Die ZertDV regelt nur die digitale Unterschrift mittels asymmetrischer Schlüssel.

Dies ist zum heutigen Zeitpunkt die einzige zuverlässige Form der elektronischen Unterschrift. Unter Berücksichtigung des Prinzips der technologischen Neutralität, welches die Gesetzgebung über die elektronische Unterschrift prägt (vgl. die Richtlinie 1999/93/EG vom 19. Januar 2000 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, ABl. Nr. L 13, S. 12­20), schliesst die Verordnung nicht aus, dass andere Formen der elektronischen Unterschrift, beispielsweise basierend auf einem biometrischen Faktor wie etwa dem menschlichen Auge oder einem Fingerabdruck, in Zukunft eine der Unterschrift mittels asymmetrischer Schlüssel zumindest gleichwertige Zuverlässigkeit bieten werden.

Die ZertDV schafft ausschliesslich einen institutionellen Rahmen für die Entwicklung der elektronischen Unterschrift. Dieser Rahmen soll bis zur Ersetzung durch ein Gesetz über die elektronische Unterschrift Bestand haben. Ein solcher Gesetzesentwurf wird dem Parlament voraussichtlich im Laufe des Jahres 2001 unterbreitet.

Die Verordnung behandelt hingegen nicht die Rechtsfolgen der Anwendung der elektronischen Unterschrift.

2.6.3

Regelung des elektronischen Verkehrs im Verfahrensbereich

Im Verfahrensrecht muss zwischen zwei Gesichtspunkten des elektronischen Verkehrs unterschieden werden: Auf der einen Seite der Verkehr des Einzelnen mit den Behörden (2.6.3.1), wie etwa die Einreichung einer Rechtsschrift oder eines Subventionsgesuchs, auf der anderen Seite der elektronische Verkehr der Behörden mit Einzelpersonen (2.6.3.2), beispielsweise die elektronische Eröffnung von Entscheidungen.

Wegen der Ausrichtung der in der Botschaft behandelten Revision hat die hier vorgestellte Regelung über die elektronische Unterschrift in zweierlei Hinsicht einen eingeschränkten Wirkungsbereich. Zum einen regelt sie ausschliesslich den elektro4261

nischen Verkehr mit Behörden im Rahmen von Gerichts- oder Verwaltungsverfahren. Auf der anderen Seite umfasst ihre Regelung bloss den elektronischen Verkehr mit Behörden des Bundes, genauer gesagt mit seinen Gerichtsbehörden oder mit Behörden, auf welche das VwVG Anwendung findet.

2.6.3.1

Elektronischer Verkehr des Einzelnen mit den Bundesbehörden

2.6.3.1.1

Beschränkung des Kreises der Bundesbehörden, mit denen Verfahrenshandlungen auf elektronischem Weg möglich sind

Bis das neue Bundesgerichtsgesetz (BGG) in Kraft tritt, wird das Bundesgericht bereits in der Lage sein, Verfahrenshandlungen auf elektronischem Weg entgegenzunehmen. Das BGG kann daher so formuliert werden, dass Handlungen im Verfahren sowohl durch die Prozessparteien wie auch durch das Gericht auf elektronischem Weg erfolgen können.

Demgegenüber ist es nicht möglich, kurzfristig sämtliche Bundesbehörden, welche das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren anwenden (vgl. Art. 1 Abs. 2 VwVG), in die Lage zu versetzen, elektronischen Eingaben entgegenzunehmen. Einige Behörden wären bereits heute dafür bereit, andere benötigen noch mehr Zeit.

Der elektronische Verkehr mit den Behörden soll schrittweise entwickelt werden.

Dabei sind zwei Varianten denkbar: Die erste Variante sieht den Grundsatz des Zugangs auf elektronischem Weg vor, wobei der Bundesrat befristete Ausnahmen vorbehält. Der Einzelne hätte damit grundsätzlich die Möglichkeit, Verfahrenshandlungen gegenüber den Bundesbehörden auf elektronischem Weg vorzunehmen; der Bundesrat kann jedoch in der Einführungsphase auf dem Verordnungsweg den elektronischen Verkehr mit einzelnen Behörden ausschliessen.

Die zweite Variante besteht darin, den elektronischen Zugang nur ausnahmsweise vorzusehen. Verfahrenshandlungen auf elektronischem Weg können nur mit bestimmten, in der bundesrätlichen Verordnung genannten Behörden vorgenommen werden.

Der Bundesrat ist der Meinung, dass der elektronische Zugang nur vorübergehend beschränkt werden soll. Eine Frist von zehn Jahren dürfte genügen, um allen Bundesbehörden die Anpassung an die Bedürfnisse eines elektronischen Verkehrs zu ermöglichen. Der vorliegende Entwurf spricht sich daher für die erste Variante aus (vgl. die Schlussbestimmung der Änderung des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren im Anhang des Verwaltungsgerichtsgesetzes).

Die Bundesstrafrechtspflege verweist bezüglich der Fristen auf die Bestimmungen des OG (Art. 99 BStP). Es wird daher zulässig sein, eine Beschwerde oder eine Klage auf elektronischem Weg an das Bundesstrafgericht zu senden. Nicht vorgesehen ist diese Art der Kommunikation hingegen im Verkehr mit den Strafverfolgungsbehörden. Dies wird im Rahmen der Arbeiten zur vereinheitlichten schweizerischen Strafprozessordnung zu prüfen sein. Eine diesbezügliche Teilrevision des Gesetzes über die Bundesstrafrechtspflege entspricht keinem dringenden Bedürfnis.

4262

2.6.3.1.2

Keine Beschränkung des zum elektronischen Verkehr mit den Behörden befugten Personenkreises

Denkbar wäre, den zum elektronischen Verkehr mit den Behörden befugten Personenkreis zu beschränken, z. B. auf die Rechtsanwälte. Ein solches System würde eine zentralisierte Netzverwaltung erlauben und hätte den Vorteil, dass jeder Teilnehmer dieses «geschlossenen» Netzes vorgängig registriert und damit den Behörden, an die er sich wendet, bekannt ist.

Dennoch ist ein solches geschlossenes Netz nur dann ins Auge zu fassen, wenn der Benutzerkreis klar abgegrenzt werden kann. Dies trifft zweifellos zu auf Gerichte, deren regelmässige Verkehrspartner in erster Linie Anwälte und Behörden sind. Als ungeeignet erweist sich dieses geschlossene System für Verfahren vor Verwaltungsbehörden, ist doch der Einzelne in diesen Fällen nur selten durch einen Rechtsanwalt vertreten. Es müsste für jede Behörde ein spezifischer Benutzerkreis mit Zugang zum Netz festgelegt werden. Diese Regelung wäre sehr aufwändig und wenig flexibel. Es gibt im übrigen auch keinen zwingenden Grund für eine solche Besserstellung einer Gruppe von Verkehrspartnern. Besser ist es, klare formelle Voraussetzungen festzulegen. Diese sind von allen Beteiligten, welche mit einer Behörde während eines Verfahrens auf elektronischem Weg in Verbindung treten wollen, einzuhalten. In der Praxis werden wohl nur Personen, die regelmässig mit Verfahren vor Behörden zu tun haben, bereit sein, sich den spezifischen Regeln des elektronischen Verkehrs zu unterziehen. Dabei wird es keine Rolle spielen, ob es sich bei diesen Verkehrspartnern um Anwälte, Unternehmungen oder Einzelpersonen handelt.

2.6.3.1.3

Das Erfordernis der anerkannten elektronischen Unterschrift

Die digitale Unterschrift als einzige im geltenden schweizerischen Recht anerkannte elektronische Unterschrift (Art. 2 ZertDV) erlaubt dank des durch einen Anbieter von Zertifizierungsdiensten bundesrechtskonform zertifizierten Schlüssels die annähernd sichere Zuordnung eines elektronischen Dokuments zu einer Person. Sie erfüllt damit einen guten Teil der Funktion der handschriftlichen Signatur. Risiken eines Missbrauchs können trotzdem nicht vollständig ausgeschlossen werden; das Aushändigen eines privaten kryptographischen Schlüssels an Dritte oder dessen Diebstahl erlauben das Erstellen einer Unterschrift, welche sich durch nichts von der elektronischen Signatur des rechtmässig Unterschreibenden unterscheidet. Nun wäre es sicherlich möglich, den Gebrauch des kryptographischen Schlüssels an einen weiteren biometrischen Kontrollmechanismus (z. B. Kontrolle des Fingerabdruckes) zu knüpfen. So könnte das Risiko einer missbräuchlichen Verwendung des Schlüssels durch Sicherstellung der Identität seines Benutzers vermindert werden. Diese Lösung erscheint heute jedoch nicht realisierbar, würden doch die Kosten der entsprechenden Apparaturen den Gebrauch der elektronischen Unterschrift illusorisch werden lassen. Im übrigen soll das Problem des Missbrauchs in diesem Bereich nicht überschätzt werden. Die Strafbestimmungen über Urkundenfälschung (Art. 251 StGB) finden Anwendung auf die aufgezeigten Fälle; das Aushändigen eines privaten Schlüssels entspricht im übrigen weitgehend dem Übergeben einer Blanko-Unterschrift.

4263

Die elektronische Unterschrift erlaubt es dem Unterzeichnenden ­ wie durch handschriftliche Signatur ­ sein Einverständnis mit dem Inhalt kundzutun und Dritten gegenüber zu erklären, dass er die entsprechenden Rechtsfolgen auf sich nimmt. Die Aufgabe der handschriftlichen Unterschrift, vor unüberlegten oder überhasteten Verpflichtungen Schutz zu gewähren, wird durch die elektronische Unterschrift nur soweit getragen, wie es das benutzte Programm vorsieht. Je mehr Vorsichtsmassnahmen getroffen werden (z. B. Bestätigung des Willens, das Dokument jetzt zu unterschreiben; erforderliches Einführen einer Chipkarte), desto grösser erscheint der Schutz des Verfassers. Hinzuzufügen bleibt, dass dieser Gesichtspunkt bei Handlungen von Einzelnen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren von geringerer Bedeutung ist als im Falle von Geschäftsverbindungen. Die Person, welche ein unvollständiges Gesuch um Unterstützungsleistungen stellt oder eine Rechtsschrift fälschlicherweise einreicht, kann ihre Eingabe grundsätzlich bis zum Entscheid der ersuchten Behörde zurückziehen. Der Ersuchende kann auch, unter Einhaltung der für die Handlung gesetzten Fristen, ein abgeändertes Gesuch oder ein neues Begehren stellen. Eine vorgängig angebrachte elektronische Unterschrift verpflichtet die Person, die im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens an eine Behörde gelangt, nicht unwiderruflich. Ausnahmen bestehen im Bereich von öffentlich-rechtlichen Verträgen oder bei teilvertraglichen Handlungen wie Vergleichen. Es erscheint damit nicht notwendig, den Einzelnen im Verhältnis zu den Behörden mittels spezifischer Regelung vor eigenem unüberlegtem Gebrauch der elektronischen Unterschrift zu schützen. Die Regelung des Schutzes des Einzelnen beim Abschluss von öffentlichrechtlichen Verträgen, auf welche grundsätzlich die Bestimmungen des Privatrechts Anwendung finden, wird im übrigen ­ indirekt ­ durch die ins Auge gefasste Revision des Obligationenrechts im Bereich des «e-commerce» betroffen.

Es ist damit, unter Berücksichtigung des Ausgeführten, möglich, die elektronische Unterschrift gleich zu werten wie die handschriftliche Signatur. Wo das Gesetz eine Unterschrift ausdrücklich vorschreibt (Art. 39 Abs. 1 BGG; Art. 52 Abs. 1 VwVG; Art. 23 Bst. g und 29 Bst. g BZP), kann diese handschriftlicher oder elektronischer Art sein (Art. 21a
Abs. 2 VwVG; Art. 39 Abs. 4 BGG). Der Gebrauch einer der beiden Formen hängt von der Beschaffenheit des zu unterschreibenden Dokuments ab.

Eine elektronische Unterschrift kann nur einem elektronischen Dokument angefügt werden, während ein auf Papier verfasstes Dokument mit einer handschriftlichen Signatur versehen werden muss. Es kann jedoch nicht jede beliebige elektronische Unterschrift als zulässig erachtet werden. Es geht vor allem darum, dass die Unterschrift durch die schweizerische Rechtsordnung anerkannt ist. Es muss sich damit um eine digitale Unterschrift handeln, deren Schlüssel gemäss schweizerischem Recht zertifiziert worden ist. Bei den einschlägigen Rechtsvorschriften handelt es sich um die Zertifizierungsdiensteverordnung (ZertDV; SR 784.103). Die elektronische Unterschrift kann nur dann der handschriftlichen gleichgestellt werden, wenn ihr die Fähigkeit zukommt, rechtliche Verbindlichkeit zu erlangen. Notwendig ist somit, dass es sich beim Inhaber des beglaubigten öffentlichen Schlüssels, welcher im elektronischen Zertifikat genannt werden muss (Art. 2 und 7 ZertDV), um eine natürliche Person handelt. Ist die natürliche Person zur Vertretung befugt, kann das Zertifikat auch eine juristische Person oder eine Behörde nennen.

Eine einfache Faxsendung oder eine elektronische Nachricht ohne anerkannte elektronische Unterschrift sind somit keine zulässigen Alternativen, soweit das Recht die Schriftform verlangt. Solche Übertragungen vermögen keine sicheren Angaben über

4264

die Herkunft der Sendung zu liefern. Der Empfänger einer Faxsendung oder eines Mails ohne elektronische Unterschrift hat keine Garantie in Bezug auf die Integrität des erhaltenen Dokuments. Fehlen Seiten? Wurde die Nachricht während des Sendevorganges abgeändert? Demgegenüber kann der Empfänger eines elektronisch unterschriebenen Dokuments ohne weiteres abklären, ob die Sendung vollständig erfolgt und die Unterschrift wirklich diejenige des Absenders ist.

2.6.3.1.4

Beilagen zu einem unterschriebenen Dokument

Die Frage von Beilagen zu Hauptdokumenten wird in zahlreichen Gesetzesbestimmungen geregelt. So ist der Beschwerdeführer verpflichtet, der Eingabe im engeren Sinn die erforderlichen Beweismittel sowie den angefochtenen Entscheid beizulegen (Art. 39 Abs. 1 BGG; Art. 52 Abs. 1 VwVG).

Häufig ist der Unterzeichnende des Hauptdokuments nicht der Verfasser der beigelegten Dokumente. Wenn er jedoch diese Dokumente mit der anerkannten elektronischen Unterschrift des Verfassers besitzt (der angefochtene Entscheid wurde ihm beispielsweise auf elektronischem Weg zugestellt), bestehen keine Hindernisse, diese Dokumente im Rahmen des elektronischen Verkehrs als Beilagen zum Hauptdokument zu betrachten. In diesem Fall macht die Unterschrift des Verfassers aus der Beilage grundsätzlich ein Original.

Anders präsentiert sich die Situation hingegen, wenn der Verfasser des Hauptdokuments nicht über eine digitale Fassung der Beilagen mit elektronischer Unterschrift verfügt, sei es, dass es sich um Dokumente handelt, die im Original in Papierform existieren, oder dass es um Dokumente geht, die, obwohl in digitaler Form, nicht vom Verfasser elektronisch unterzeichnet worden sind. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob diese Dokumente dem Hauptdokument als Kopien beigelegt werden können.

Lehnt man den elektronischen Verkehr von Schriftstücken ohne elektronische Unterschrift des Verfassers ab, so müssen für diese Dokumente die anderen gesetzlichen Formen der Eingabe (bei der Behörde oder Übergabe zu deren Handen einer Poststelle) offenstehen. Diese Lösung brächte den Nachteil der Aufteilung des Hauptdokuments und der beiliegenden Schriftstücke mit sich. Probleme bezüglich Wahrung der Fristen bei der Aufgabe der Beilagen wären absehbar. Deshalb spricht sich der vorliegende Entwurf dafür aus, dass es dem Einzelnen gestattet sein soll, mit dem elektronisch übermittelten Hauptdokument eine einfache elektronische Kopie der Beilagen zu senden. Es genügt für den Einzelnen daher, seine elektronische Unterschrift auf das «Gesamtpaket» (welches das Hauptdokument sowie die Beilagen enthält) zu setzen und damit die Integrität und die Herkunft der Eingabe sicherzustellen. Unter dieser Annahme übernimmt die elektronische Unterschrift die Funktion eines Siegels auf einem «digitalen Briefumschlag». Diese Lösung nähert sich
weitgehend der heutigen juristischen Situation bei Fotokopien an. Gemäss Artikel 52 Absatz 1 BZP besteht die Vermutung, dass eingelegte Fotokopien über Beweiskraft verfügen, solange die Behörde oder eine andere Prozesspartei die Echtheit nicht bestreitet. Die Kopie in Papierformat ist nun aber keineswegs sicherer als die elektronische Kopie. Man muss daher gegebenenfalls elektronische Kopien genügen lassen. Der vorliegende Entwurf ändert damit Artikel 52 Absatz 1 BZP, indem er die Produktion von Schriftstücken in Form von elektronischen Kopien zulässt. Diese 4265

Regelung ist analog auf die Verfahrensbestimmungen vor gerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Bundesbehörden anwendbar (Art. 51 Abs. 1 BGG; Art. 19 VwVG). Artikel 21a Absatz 2 VwVG und Artikel 39 Absatz 4 BGG sehen vor, dass die Herkunft der Schriftstücke durch die elektronische Unterschrift auf dem Gesamtdokument zertifiziert werden muss. Die Behörde kann die Zustellung des Originals der elektronischen Kopie verlangen, wenn deren Echtheit durch die Behörde selber oder eine Verfahrenspartei bestritten wird. Das Gleiche gilt für den Fall, dass das Gesetz eine spezifische Form, etwa ein Originaldokument, verlangt.

2.6.3.1.5

Modalitäten der elektronischen Übertragung

Es genügt nicht, dass ein Dokument auf elektronischem Weg mit elektronischer Unterschrift übertragen wird. Es muss ausserdem in einem für die Behörde lesbaren Format verfasst worden sein. Die Formatwahl entspricht derjenigen der Sprache: Wird das Dokument in einem der Behörde fremden Format gesendet, so kann letztere den Text ebensowenig lesen, wie wenn er in einer unbekannten Sprache geschrieben worden wäre. Ein Lösungsansatz besteht darin, das Format von Eingaben oder anderen Verfahrenshandlungen gesetzlich vorzuschreiben, so wie der Gebrauch der Amtssprachen vorgeschrieben ist. Eine Regelung auf Gesetzesstufe erweist sich jedoch schon deshalb als unpraktikabel, weil die technischen Formate ausserordentlich schnell ändern können.

Weiter wäre denkbar, unlesbare Dokumente unter Ansetzung einer Frist zur Nachbesserung zurückzusenden, wie es bereits für Eingaben an das Bundesgericht vorgesehen ist (Art. 30 Abs. 3 OG). Eine solche Lösung bedeutet jedoch eine Mehrbelastung der Behörden, muss doch davon ausgegangen werden, dass die Rückweisungsrate bei elektronischen Eingaben erheblich höher sein dürfte als bei «normalen» Zustellungen. Zudem besteht die Gefahr von Missbräuchen. Der Einzelne könnte dazu verleitet werden, Zeit zu gewinnen, um seine Eingabe oder sein Gesuch nach Ablauf der Frist zu vollenden, indem er der Behörde vorerst eine Sendung in einem nicht lesbaren Format zukommen lässt.

Es muss daher die Möglichkeit geschaffen werden, mehrere spezifische Formate für den elektronischen Verkehr festzulegen. Es kann sich dabei um eine Mehrzahl von auf dem Markt anerkannten Formaten handeln (z. B. PDF der Firma Adobe) oder um ein einzelnes, für die Schweizer Behörden entwickeltes Format. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass zum heutigen Zeitpunkt das Projekt «Govlink» ein Standardformat für den Verkehr mit Gerichten und Behörden auf Bundesebene zu definieren versucht. Dieser Standard entspräche einem Formular und würde die automatische Registrierung von Verfahrenshandlungen erlauben. Mittelfristig sollte der Gebrauch dieses Standardformats für den gesamten elektronischen Verkehr mit den Behörden obligatorisch werden. Angesichts dieser Entwicklung ist es ratsam, die Regelung der Modalitäten des elektronischen Verkehrs den Behörden zu überlassen (Art. 39 Abs. 4 BGG und 21a Abs. 1 VwVG).

Im Rahmen
der Formregelung für den elektronischen Verkehr wird es möglich sein, eine Chiffriermethode für die Sendungen vorzuschreiben und somit die Sicherheit der Dateien zu garantieren.

4266

2.6.3.1.6

Regelungen für die Einhaltung von Fristen

Eine Frist gilt im geltenden Recht als eingehalten, wenn das Dokument innert Frist bei einer entsprechenden Behörde abgegeben oder bei einer schweizerischen Poststelle an die Adresse der Behörde geschickt wurde (Art. 21 Abs. 1 VwVG; Art. 32 Abs. 3 OG).

Damit stellt sich die Frage, wie die Fristeinhaltung im Rahmen des elektronischen Verkehrs auf einfache Art und Weise kontrolliert werden kann.

Die optimale Lösung für den Einzelnen besteht darin, dass der für die Einhaltung einer Frist entscheidende Moment auf den Zeitpunkt des Absendens des Dokuments angesetzt würde. Der Einzelne würde auf diese Weise vom Risiko einer fehlerhaften Übermittlung befreit; er müsste nur noch nachweisen, dass er das Dokument auch tatsächlich abgesendet hat. Hier muss das Augenmerk aber auf die Gefahr von Nachlässigkeit oder Missbrauch gerichtet werden.

Andererseits könnte die Einhaltung der Frist davon abhängig gemacht werden, dass die Behörde die Sendung vor Fristablauf erhalten hat. Bei dieser Lösung hätte der Einzelne sämtliche mit dem Verkehr verbundenen Risiken zu tragen. So würde eine Fehlfunktion im Informatiksystem der Behörde zum verspäteten Eingang der Sendung führen, auch wenn der diesbezügliche Fehler bei der Behörde liegen würde.

Eine dritte Möglichkeit besteht darin, dass ­ wie bei Postsendungen ­ die Frist eingehalten ist, wenn das elektronische Dokument rechtzeitig bei einer besonderen Schnittstelle, die in der Lage ist, die Sendung in der Regel während 24 Stunden zu empfangen (ähnlich der Swisscom oder dem Bundesamt für Kommunikation und Informatik), eintrifft. Diese Regelung würde den Vorteil aufweisen, dass sie sich stark dem Prinzip der Postaufgabe annähert, weil der Intermediär die Rolle der Post übernehmen würde. Ausserdem würde eine Risikoaufteilung zwischen dem Einzelnen (welcher das Risiko bis zum Intermediär auf sich zu nehmen hätte) und der Behörde (Gefahrentragung ab Empfang beim Intermediär) vorgenommen.

Der Bundesrat bevorzugt eine vierte Lösung, die darin besteht, dass die Frist dann eingehalten ist, wenn das elektronische Dokument rechtzeitig auf das Datenverarbeitungssystem der offiziellen elektronischen Adresse der Behörde gelangt (Art. 44 Abs. 2 BGG; Art. 21a Abs. 3 VwVG). Diese Variante hat den Vorteil der Anpassungsfähigkeit. Sie erlaubt es, einen Intermediär einzusetzen,
welcher diesbezüglich die Funktion der Post übernimmt. Als offizielle Adresse der Behörde kann eine solche beim Intermediär gewählt werden; dieser ist in der Folge dafür besorgt, dass der elektronische Verkehr zum System der Behörden gelangt. Die Wahl eines Intermediärs ist jedoch nicht zwingend vorgeschrieben; insbesondere ist es nicht ausgeschlossen, dass eine Behörde, etwa das Bundesgericht, selber den durchgehenden Zugang während 24 Stunden gewährleistet. In diesem Fall erwiese sich die gesetzliche Verpflichtung zum Beizug eines Intermediärs als kostspielig und wenig sinnvoll.

Gemäss vorliegendem Entwurf ist somit für die Fristeinhaltung jener Zeitpunkt massgebend, in dem der Empfang der Sendung durch die elektronische Zustelladresse der Behörde bestätigt wird. Bereits heute ist es technisch ohne weiteres möglich, dass solche Bestätigungen automatisch übermittelt werden. Diese Bestätigung kann auch eine Kopie der ursprünglichen Mitteilung enthalten. Indem eine solche Übermittlungsbestätigung vorgeschrieben wird, werden die Interessen des Einzelnen oder seines Vertreters gewahrt. Die Bestätigung zeigt auf, dass die Sendung die Behörde 4267

erreicht hat und dass sie vollständig übermittelt wurde. Steht die Bestätigung aus, so weiss der Einzelne, dass er handeln muss, um die Fristen zu beachten. Entweder versucht er erneut die Eingabe auf elektronischem Weg zu senden, oder er übergibt sie in Papierform der Post.

2.6.3.2

Elektronischer Verkehr von Behörden mit Dritten

Aus verfahrensrechtlicher Sicht geht es beim elektronischen Verkehr von Behörden mit Dritten (Einzelpersonen oder andere Behörden) hauptsächlich um die Eröffnung von Entscheiden auf elektronischem Weg. Diese Art der Eröffnung erlaubt es, gewisse Administrativkosten wie die Portogebühren für eingeschriebene Postsendungen zu reduzieren. Zudem wird den Entscheidadressaten ermöglicht, früher Kenntnis vom Inhalt der Entscheide zu erhalten.

2.6.3.2.1

Fristen: Anwendung der üblichen Bestimmungen

Ein Entscheid gilt auf dem Postweg an jenem Tag als eröffnet, an dem er dem Adressaten mitgeteilt wird (Art. 40 Abs. 1 BGG; Art. 20 Abs. 1 VwVG) beziehungsweise in dessen Machtbereich gelangt. Der Zeitpunkt, in dem der Adressat tatsächlich Kenntnis vom Entscheid nimmt, spielt dabei keine Rolle. Zusätzlich gilt die gesetzliche Vermutung, dass die Zustellung einer eingeschriebenen Mitteilung spätestens am siebenten Tag nach dem ersten erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt gilt, wenn die Mitteilung nicht in der Zwischenzeit zurückgenommen wurde (Art. 40 Abs. 2 BGG; Art. 20 Abs. 2bis VwVG).

Für die Eröffnung auf elektronischem Weg genügt es, dieselben Regeln anzuwenden wie für die postale Mitteilung: Der Entscheid gilt als eröffnet, wenn er in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist. Für die Berechnung der Fristen muss die Behörde jedoch wissen, an welchem Tag der Entscheid in diesen Machtbereich gelangt ist. Die Hauptschwierigkeit liegt dabei in der Beweiserbringung. Das BGG schreibt diesbezüglich keine spezielle Vorgehensweise vor. Es wird am Bundesrat und am Bundesgericht liegen, unter Berücksichtigung der technologischen Entwicklung eine geeignete Regelung einzuführen.

Eine bereits heute realisierbare Methode besteht darin, für den Empfänger des Entscheides einen elektronischen Briefkasten auf der über das Internet zugänglichen Homepage der Behörde einzurichten. Der Empfänger wird dann durch eine an seine eigene elektronische Adresse gerichtete elektronische Meldung (verschlüsselt, vgl.

Ziff. 2.6.3.2.3) darüber orientiert, dass sich ein Entscheid ­ dessen Adresse und Schlüssel in der Meldung genannt werden ­ im elektronischen Briefkasten befindet.

In der Praxis bestehen solche Adressen und Schlüssel aus einer einzigen URLAdresse (Uniform Ressource Locator), welche einen generierten Code ab Dokument beinhaltet (z. B. http://webdoc.bj.ch/&). Die vom Informationssystem der Behörde registrierte Eröffnung des Entscheids erfolgt, wenn der Empfänger den Entscheid im ihm zugewiesenen elektronischen Briefkasten abruft. In diesem Fall kann der Beweis ohne weiteres erbracht werden. Ruft der Empfänger demgegenüber den Entscheid nicht ab, weil er seine elektronische Post nicht durchgesehen hat oder weil er vom Entscheid gar nicht Kenntnis nehmen will, so muss die Behör4268

de nach einem gewissen Zeitraum (z. B. 3 Tage) eine Eröffnung auf dem Postweg vornehmen.

Falls ein solches elektronisches System mit Empfangsbestätigung der heute üblichen eingeschriebenen Postsendung (Aushändigung der Sendung nur gegen Unterschrift des Adressaten oder eines anderen Berechtigten) entsprechen sollte, könnte es für die Eröffnung von Entscheiden eingesetzt werden. Die elektronische Unterschrift des Empfängers würde diesfalls als Beweis für den Empfang des Entscheides dienen. Die für eingeschriebene Postsendungen vorgesehene gesetzliche Vermutung (Art. 40 Abs. 2 BGG; Art. 20 Abs. 2bis VwVG) könnte bei der elektronischen Eröffnung von Entscheiden analog Anwendung finden.

Wird der Entscheid auf elektronischem Weg einfach an die elektronische Adresse des Empfängers gesendet, so ist es gegenwärtig relativ schwierig, zu beweisen, ob und wann er in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist. So sind die elektronischen Adressen häufig dem elektronischen Briefkasten eines privaten Providers, der nicht unbedingt seinen Sitz in der Schweiz haben muss, zugeordnet. Damit ist es aber nicht möglich, den Provider zu verpflichten, die Behörde darüber zu informieren, wann der Empfänger die Mitteilung mit dem Entscheid abgerufen hat oder wann die Mitteilung in den dem Empfänger vom Provider zur Verfügung gestellten elektronischen Briefkasten gelangt ist. Indessen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die technologische Entwicklung künftig automatische und zuverlässige Systeme zur Empfangsbestätigung von elektronischen Mitteilungen ermöglichen wird. Diesfalls könnte eine solche Empfangsbestätigung als Beweis für die Eröffnung des Entscheides dienen.

2.6.3.2.2

Einverständnis mit der elektronischen Eröffnung von Entscheiden

Im geltenden Recht sind Parteien in einem Bundesgerichtsverfahren grundsätzlich gehalten, eine Postadresse in der Schweiz anzugeben. Es kann sich hierbei um die übliche Postadresse oder um ein gewähltes Zustellungsdomizil handeln, an welche das Bundesgericht Zustellungen vornehmen kann (Art. 29 OG). Eine ähnliche Regelung fehlt bis anhin im Verwaltungsverfahren, wird jedoch im Rahmen der vorliegenden Gesetzesrevision eingeführt (vgl. Art. 11b VwVG).

Im Bereich des elektronischen Verkehrs kann ­ ausser von Bundesbehörden ­ nicht verlangt werden, dass jemand auf elektronischem Weg erreichbar sein muss. Abgesehen davon, dass weder Einzelne noch kantonale Behörden elektronische Adressen haben müssen, sind sie auch im Falle der Verfügbarkeit solcher Anschriften nicht dazu verpflichtet, Nachrichten auf diesem Weg entgegenzunehmen. Zudem ist es üblich, dass eine Person über mehrere elektronische Adressen verfügt, aber nicht alle regelmässig nutzt. Die generelle Eröffnung von Entscheiden auf elektronischem Weg kann daher nicht vorgeschrieben werden. Sie ist nur dann denkbar, wenn der Empfänger der elektronischen Post sich vorgängig dazu bereit erklärt und die rechtlichen Folgen akzeptiert hat.

Diese Zustimmung muss ausdrücklich erfolgen. Hierzu kann der Einzelne seine elektronische Adresse der Behörde mitteilen, um die elektronische Eröffnung von Entscheiden zu ermöglichen. Die Zustimmung kann aber auch darin bestehen, dass

4269

die elektronische Eröffnung die aktive Beteiligung des Empfängers notwendig macht. Ebenso ist sie denkbar, wenn ein elektronischer Briefkasten des Empfängers auf dem Server der Behörde eingerichtet ist. Ruft der Empfänger den Entscheid ab, so gibt er ausdrücklich seine Zustimmung zur elektronischen Eröffnung. Andernfalls muss die Eröffnung per Post erfolgen.

Die Zustimmung gilt grundsätzlich nur für ein bestimmtes Verfahren. Personen, die in regelmässigem Kontakt mit einer Behörde stehen, soll aber die Möglichkeit offen stehen, im Einverständnis mit der Behörde einen permanenten elektronischen Briefkasten einzurichten, so dass die Behörde alle diese Person betreffenden Entscheide an diese Adresse senden kann.

Jenen Bundesbehörden, denen im Rahmen eines Verfahrens elektronische Mitteilungen übermittelt werden dürfen (siehe oben 2.6.3.1.1), können Entscheide von anderen Behörden auf elektronischem Weg zugestellt werden.

2.6.3.2.3

Anforderungen der elektronischen Eröffnung

Auf Grund der rasanten Entwicklung im technologischen Bereich ist es wenig sinnvoll, die Einzelheiten der elektronischen Eröffnung im Gesetz zu regeln. Die entsprechende Kompetenz soll vielmehr für das Verwaltungsverfahren dem Bundesrat (Art. 34 Abs. 1bis VwVG) und für seine eigene Gerichtsbarkeit dem Bundesgericht (Art. 56 Abs. 3 BGG) übertragen werden. Die Einzelheiten der elektronischen Eröffnung umfassen namentlich die Art und Weise der Kommunikation (Einrichtung von elektronischen Briefkästen, elektronische Empfangsbestätigung, vgl. Ziff.

2.6.3.2.1) oder das zu gebrauchende Format, so dass der Entscheid für den Empfänger lesbar ist. Die Zustimmung zur elektronischen Eröffnung setzt denn auch voraus, dass Klarheit darüber herrscht, in welchem Format der Entscheid eröffnet wird. Dieses Format sollte unabhängig vom Betriebssystem des Empfängers (MS Windows oder NT, Mac OS, Linux, Unix usw.) sein. Auch muss es nicht notwendigerweise mit dem Format der elektronischen Mitteilungen des Einzelnen an die Behörde übereinstimmen.

Um den Datenschutz zu gewährleisten, müssen die verschickten Daten kodiert sein, damit nur der Empfänger diese einsehen kann. Die sicherste Methode ist die Verschlüsselung mit dem öffentlichen kryptographischen Schlüssel des Empfängers: Nur der Besitzer des entsprechenden privaten Schlüssels ist in der Lage, das Dokument zu entschlüsseln. Jede Person, die über eine anerkannte elektronische Unterschrift verfügt und die damit in der Lage ist, in Verfahrenssachen mit Behörden elektronisch zu kommunizieren, besitzt sowohl einen öffentlichen wie auch einen privaten kryptographischen Schlüssel. Der einem Dritten bekanntgegebene öffentliche Schlüssel ermöglicht diesem, einerseits die Echtheit einer elektronischen Unterschrift und des Dokuments zu kontrollieren und andererseits eine an den Eigentümer des öffentlichen Schlüssels gerichtete elektronische Sendung zu verschlüsseln. Deshalb wird verlangt, dass Personen, welche die elektronische Eröffnung von Entscheidungen wünschen, der Behörde ihren öffentlichen Schlüssel bekanntgeben (Art. 36 Abs. 2 BGG; Art. 11b Abs. 2 VwVG). Die Begriffe des kryptographischen Schlüssels, des öffentlichen Schlüssels und des privaten Schlüssels sind derzeit in der Zertifizierungsdiensteverordnung definiert (Art. 2 ZertDV; SR 784.103).

4270

2.6.3.2.4

Regelung der elektronischen Unterschrift

Das Verwaltungsverfahrensgesetz regelt die Unterschrift von Entscheiden nicht ausdrücklich. Artikel 34 VwVG sieht lediglich vor, dass Entscheide den Parteien schriftlich zu eröffnen sind. Die Rechtsprechung hat daraus und in Anlehnung an Artikel 13 OR abgeleitet, dass Entscheide grundsätzlich unterschrieben sein müssen, mit Ausnahme solcher, die in grosser Zahl ausgefertigt werden (z. B. Steuerbescheid oder Entscheide im Sozialversicherungsbereich). Um möglicherweise auftauchende Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Frage der elektronischen Unterschrift auszuräumen, soll dieser Bereich ausdrücklich geregelt werden. Es wird demnach erforderlich sein, dass elektronisch eröffnete Entscheide mit einer anerkannten elektronischen Unterschrift versehen sein müssen (Art. 34 Abs. 1bis VwVG). Es wird am Bundesrat liegen, gestützt auf diese Bestimmung und im Rahmen von Artikel 49 RVOG die Einzelheiten der elektronischen Unterschrift bei Entscheiden zu regeln.

Die Bezeichnung «anerkannte elektronische Unterschrift» bezieht sich auf digitale Unterschriften, die durch einen nach schweizerischer Rechtsordnung zertifizierten Schlüssel geschaffen werden. Sie ist Garant für technologische Neutralität und schliesst die rechtliche Anerkennung von anderen Arten elektronischer Unterschriften nicht aus.

Weder das geltende Recht noch das vorliegende Bundesgerichtsgesetz regeln die Unterschrift von Entscheiden des Bundesgerichts. Weil bei Eingaben die elektronische Unterschrift der handschriftlichen gleichgesetzt wird (vgl. Art. 39 Abs. 4 BGG), muss nicht ausdrücklich vorgesehen werden, dass Bundesgerichtsentscheide elektronisch unterschrieben werden können.

2.6.3.2.5

Akteneinsicht auf elektronischem Weg und Schriftenwechsel

Auf Grund des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör sind die Parteien berechtigt, entscheidrelevante Akten einzusehen. Im Verwaltungsverfahren erfolgt die Akteneinsicht am Sitz der entscheidenden Behörde oder einer durch diese bezeichneten Behörde (Art. 26 Abs. 1 VwVG). In der Praxis ist es jedoch häufig so, dass Aktenstücke oder Kopien davon den Parteien oder deren Vertreter zur Einsicht zugestellt werden. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Behörde, den Parteien Kenntnis über gewisse Aktenstücke (z. B. über ein Gutachten) zu geben und ihnen zu ermöglichen, hierzu Stellung zu nehmen. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat jedoch bis heute aus der Verfassung kein Recht abgeleitet, wonach die Partei Anspruch auf Zustellung des Dossiers in Kopie hätte.

Soweit der elektronische Verkehr zwischen den Behörden und den Parteien zugelassen wird, drängt es sich auf, auch die Akteneinsicht zu regeln. So sollte es der Behörde ermöglicht werden, den Parteien auf elektronischem Weg Kopien der wesentlichen Aktenstücke zuzustellen. Dieser Möglichkeit dürfte mit der zunehmend digitalisierten Erfassung der Akten vermehrt Bedeutung zukommen. Verfügt die Behörde bereits über die Akten in digitalisierter Form, so dürfte die Zustellung von elektronischen Kopien an die Parteien wesentlich tiefere Kosten verursachen als beim Versenden von Kopien in Papierform. Zudem fallen allfällige Verfahrensverzögerungen durch das Versenden des Dossiers in Papierform weg.

4271

Damit die Behörden auf elektronischem Weg Aktenstücke zur Einsicht zustellen können, muss Artikel 26 VwVG ergänzt werden (Art. 26 Abs. 1bis VwVG). Es ist jedoch nicht notwendig, die Einzelheiten des Schriftenwechsels speziell zu regeln (Art. 57 VwVG; Art. 96 BGG; Art. 28 BZP), weil die geltenden Bestimmungen keine besondere Form vorschreiben. Die vorhandenen Bestimmungen über die Eröffnung sind damit ausreichend.

3

Die Vorschläge des Bundesrates im Lichte der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

3.1

Allgemeines

An der Vernehmlassung zum Entwurf der Expertenkommission für ein Bundesgerichtsgesetz vom Juni 1997 beteiligten sich die eidgenössischen Gerichte, alle 26 Kantone, sechs Parteien, 30 Organisationen und vier Universitäten (vgl. Ziff. 1.2.3).

Den Eidgenössischen Gerichten wurde ausserdem Gelegenheit gegeben, sich zur vorliegenden Botschaft des Bundesrates nochmals zu äussern. Ihre Stellungnahmen werden gestützt auf das Verfahrensprotokoll vom 1. Mai 1998 zwischen dem Bundesrat und dem Bundesgericht bei Vernehmlassungen zu Gesetzen im Allgemeinen und betreffend die Stellung der Bundesgerichte im Besonderen der Botschaft beigelegt (siehe Anhang).

Bei der folgenden Darstellung der wichtigsten Vernehmlassungsergebnisse werden jeweils nur jene Vernehmlasser berücksichtigt, die sich zum betreffenden Punkt geäussert haben.

Die Notwendigkeit von Entlastungsmassnahmen war bei allen Teilnehmern unbestritten. Das Bundesgericht und das EVG forderten eine Verwesentlichung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Dem obersten Gericht obliege in besonderem Masse die Aufgabe, die Rechtseinheit und Rechtsfortbildung zu gewährleisten, und diese Aufgabe könne es nur erfüllen, wenn es sich nicht täglich mit einer Vielzahl von Fällen ohne jede präjudizielle Bedeutung befassen müsse. Einige Vernehmlasser (Bundesgericht, EVG, FDP, SVP, Schweizerische Vereinigung der Richterinnen und Richter) betonten, der Entwurf müsse als Ganzes betrachtet werden, aus dem die Entlastungsmassnahmen nicht heraus gebrochen werden dürften.

3.2

Ausbau der gerichtlichen Vorinstanzen

Der Schaffung eines erstinstanzlichen Bundesstrafgerichts stimmten das Bundesgericht, alle Kantone, soweit sie sich dazu äusserten3, alle Bundesratsparteien, sieben Organisationen und Verbände sowie die Universitäten Bern, Lausanne und Neuenburg zu. Dagegen sprachen sich die LPS und der Centre patronal aus. Das Bundesgericht erachtet die Bildung des Bundesstrafgerichts als richtig und dringlich. Damit das Bundesgericht von dieser Massnahme auch wirklich profitieren könne, dürfe gegen Entscheide des Bundesstrafgerichts nicht ein vollkommenes Rechtsmittel mit umfassender Sachverhaltskontrolle vorgesehen werden. Der Kanton LU betonte, es 3

AG, BL, BS, GE, GL, JU, LU, NE, NW, TG, TI, VS, ZG (13)

4272

dürfe nicht zu einer Kompetenzverlagerung von den Kantonen auf den Bund kommen. BS warb für Basel als Sitz des Bundesstrafgerichts, TG für Frauenfeld.

Der Schaffung eines zentralen Bundesverwaltungsgerichts stimmten die Vernehmlasser grossmehrheitlich zu. Dafür sprachen sich das Bundesgericht, das EVG, alle Kantone, soweit sie sich dazu äusserten4, alle Bundesratsparteien, 14 Organisationen und Verbände sowie die Universität Lausanne aus. Dagegen äusserten sich die LPS (skeptisch bis ablehnend), der Centre patronal und die Universität Genf. Das Bundesgericht begrüsste die Schaffung eines Bundesverwaltungsgerichts und plädierte dafür, dass dieses Gericht im Interesse der Entlastung des Bundesgerichts seine Arbeit möglichst bald aufnehmen sollte. In Bezug auf den Sitz des Gerichts gingen die Meinungen der Kantone auseinander. BE wollte das Bundesverwaltungsgericht in Bern lokalisieren, weil hier bereits Strukturen und Know-how vorhanden sind. Auch JU zog einen Standort in der Nähe von Bern vor. SO konnte sich den Sitz auf seinem Kantonsgebiet vorstellen. Die Wahl der Richter durch die Bundesversammlung war für BS «übertrieben». Als Wahlorgan seien geeignete Kommissionen von Nationalund Ständerat vorzusehen. Dadurch würde die Wahl entpolitisiert. Nach Meinung der LPS soll die Wahl der Richter durch das Bundesgericht auf Antrag einer Parlamentskommission erfolgen. NE und die SP plädierten dafür, dass auch nebenamtliche Richter am Bundesverwaltungsgericht beschäftigt werden. Für eine dezentrale Lösung, d. h. die Schaffung einer kleineren Anzahl Bundesverwaltungsgerichte anstelle eines zentralen Bundesverwaltungsgerichts, sprachen sich SG und TI sowie die Treuhand-Kammer aus. Für die CVP war eine solche Lösung denkbar. BE und SZ sprachen sich für die Beibehaltung der verwaltungsinternen Beschwerdedienste als Vorinstanzen des Bundesverwaltungsgerichts aus.

Was den Ausbau der kantonalen Gerichte anbelangt, erwuchs dem Prinzip der «double instance» in Zivil- und Strafsachen, wonach grundsätzlich obere kantonale Zivil- und Strafgerichte als Rechtsmittelinstanzen entscheiden sollen, Widerstand.

Zustimmend äusserten sich das Bundesgericht, CVP, FDP und SVP. Für den Bereich der Zivilsachen stimmten 16 Kantone zu5, AG, GR, SG, TG votierten dagegen.

Im Bereich der Strafsachen waren 18 Kantone dafür6, GR und
SG dagegen.

Für den Bereich der Zivilsachen wurde mehrfach gefordert (AG, AR, BE, ZH, FDP, SVP, Schweizerische Bankiervereinigung, Schweizerischer Handels- und Industrieverein [Vorort], Schweizer Verband er Richter in Handelssachen, Universität Bern), Ausnahmen vom Prinzip der «double instance» zuzulassen oder solche zumindest zu prüfen (Bundesgericht, CVP), insbesondere für die Handelsgerichte. Die Vorlage des Bundesrates trägt diesem Anliegen Rechnung, indem Fachgerichte für handelsrechtliche Streitigkeiten von der Pflicht des doppelten Instanzenzuges ausgenommen werden (Art. 71 Abs. 2 Bst. b BGG). SG und UR verlangten, dass im Zivilrecht an einer absoluten Streitwertgrenze festgehalten wird, damit auch die Kantone eine Streitwertgrenze vorsehen können. Die CVP regte an zu prüfen, ob die Kantone nicht durch Vereinbarung ein überkantonales Gericht als zweite Instanz schaffen könnten. Nach Meinung des Schweizerischen Anwaltsverbandes sind zwei kantonale Instanzen auch dort vorzusehen, wo heute das Bundesrecht eine einzige kantonale Instanz vorschreibt, insbesondere in Patentstreitigkeiten.

4 5 6

AG, AR, BE, BL, BS, FR, GE, GL, JU, LU, NE, NW, SO, SZ, TG, UR, VD, VS, ZG (19) AR, BE, BL, BS, FR, GE, JU, NE, NW, SH, SO, SZ, UR, VS, ZG, ZH (16) AG, AR, BE, BL, BS, FR, GE, JU, NE, NW, SH, SO, SZ, TG, UR, VS, ZG, ZH (18)

4273

Im Bereich der Strafsachen regte das Bundesgericht an, allenfalls kleineren Kantonen die Möglichkeit zu belassen, Fälle von Schwerstkriminalität und komplizierte Wirtschaftsstraffälle erstinstanzlich dem Obergericht zuzuweisen mit Weiterzugsmöglichkeit an das Bundesstrafgericht. Auch SO verlangte, dass die Kantone für Kapitalverbrechen weiterhin ausschliesslich das oberste kantonale Gericht vorsehen könnten. Die CVP regte an zu prüfen, ob die Kantone nicht ein überkantonales Gericht oder das Bundesstrafgericht als zweite Instanz bezeichnen könnten.

Der Ausbau der kantonalen Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde von den Kantonen weitgehend akzeptiert7. Befürwortet wurde der Ausbau ebenfalls von CVP, FDP und SVP. Dagegen sprachen sich GL und LU aus. Sie befürchteten eine starke Mehrbelastung der kantonalen Verwaltungsgerichte. TG und SZ forderten, dass Direktprozesse vor Bundesgericht für Verantwortlichkeitsansprüche gegen oberste kantonale Organe weiterhin zulässig bleiben. JU, GL, NE und LU verlangten, dass den Kantonen eine genügende Frist zur Anpassung ihrer Verfahrensordnungen eingeräumt wird. Die Ausnahmebestimmung von Artikel 78 Absatz 2 Satz 2 E-BGG, wonach die Kantone bei Entscheiden mit vorwiegend politischem Charakter eine andere als eine gerichtliche Behörde als letzte kantonale Instanz bezeichnen können, sei zu restriktiv, fanden AG, AR, TG, VD und die FDP.

3.3

Streitwertgrenzen und vereinfachtes Verfahren

Der Vernehmlassungsentwurf sah keine Streitwertgrenzen und kein vereinfachtes Verfahren vor, weil er zur Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht ein Vorprüfungsverfahren einführen wollte. Dieses wurde in der Vernehmlassung kontrovers beurteilt. Der vorliegende Entwurf verzichtet auf das Vorprüfungsverfahren. Damit das Ziel der Entlastung des Bundesgerichts gleichwohl erreicht werden kann, hat der Bundesrat Streitwertgrenzen (unter Vorbehalt von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung) und ein vereinfachtes Verfahren bei offensichtlich unbegründeten Beschwerden in die Vorlage aufgenommen. Für diese beiden Entlastungsmassnahmen enthält die Justizreform die entsprechenden Verfassungsgrundlagen (Art. 191 Abs. 2 und 4 BV-Justizreform).

3.4

Ausschluss bestimmter Sachgebiete

Zu den einzelnen Sachgebieten, in denen Beschwerden an das Bundesgericht gemäss Artikel 77 E-BGG (Ausnahmekatalog) ausgeschlossen sind, wurden folgende Bemerkungen eingereicht: Bst. c und d: Im Ausländer- und Asylrecht drängen sich nach Ansicht der Demokratischen Juristinnen und Juristen (DJS) Rechtsschutzverbesserungen auf.

Bst. e: Für BS ist der Ausschluss im Bereich der öffentlichen Beschaffungen zu restriktiv. Kantonales und kommunales Recht müsse auf seine Übereinstimmung mit dem Binnenmarktgesetz (BGBM) und dem WTO-Recht überprüfbar sein.

7

AG, AR, BE, BL, BS, FR, GE, GR, JU, NE, NW, SH, SO, SZ, TG, TI, UR, VD, VS, ZG, ZH (21)

4274

Bst. f: Die Bestimmung ist nach Meinung des EVG, der Kantone BE und VD, der Universität Lausanne und des Föderativverbandes des Personals öffentlicher Verwaltungen und Betriebe gegenüber heute (Art. 100 Abs. 1 Bst. e OG) zu restriktiv.

Die Beschwerde auf dem Gebiet des öffentlichen Dienstverhältnisses soll grundsätzlich zulässig sein; die Ausnahmen sollen aufgezählt werden. Der Entwurf des Bundesrates sieht eine etwas erweiterte Beschwerdemöglichkeit vor, indem nicht nur die fristlose und die disziplinarische Entlassung der Beschwerde unterliegen sollen, sondern jede Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Die Ausnahme entspricht der Regelung, die das neue Bundespersonalgesetz (BPG, BBl 2000 2208) vorsieht.

Bst. k: BE sprach sich gegen diese Ausnahme aus. Der Universität Neuenburg ging der Ausschluss zu weit. SO machte geltend, nicht nur Prüfungsergebnisse, auch beispielsweise die Bewertung von Leistungen in einem Praktikum sollten von der Beschwerdemöglichkeit ausgeschlossen sein. Der Entwurf des Bundesrates sieht nun vor, dass nicht nur Prüfungen, sondern auch andere Fähigkeitsbewertungen von der Ausnahme erfasst werden.

Das EVG, der Kanton BE und die SVP plädierten dafür, Entscheide über Tarife wie heute explizit auszuschliessen. Die FDP beantragte zu prüfen, ob der Katalog erweitert werden könnte, allenfalls auch in Bereichen ausserhalb des öffentlichen Rechts.

3.5

Einheitsbeschwerde beim Bundesgericht

Die Vereinfachung des Rechtsmittelsystems und die Einheitsbeschwerde stiessen auf einhellige Zustimmung. Nach allgemeiner Auffassung wird das neue, einfachere und übersichtlichere System die Rechtssicherheit erhöhen und für den Rechtssuchenden den Aufwand an Zeit und Kosten verringern.

Was die Auswirkungen der Einheitsbeschwerde auf die Belastung des Bundesgerichts angeht, gingen die Meinungen auseinander. Einige Vernehmlasser, darunter die Kantone BS und JU, erwarteten wegen des Wegfalls der langwierigen Auseinandersetzung mit formellen Fragen eine Entlastung. Die Mehrheit derjenigen, die sich zu dieser Frage äusserten, befürchteten eher eine zusätzliche Belastung. Das Bundesgericht wies darauf hin, die Einheitsbeschwerde habe eine Erweiterung der im Rahmen des ordentlichen Rechtsmittels zulässigen Rügen, der Beschwerdelegitimation und ­ namentlich im Zivilrecht ­ der anfechtbaren Entscheide zur Folge. Es leitete daraus ab, dass eine solche Öffnung zwingend mit Zugangsbeschränkungen und mit hohen Anforderungen an die Beschwerdebegründung kompensiert werden müsse. Diese Auffassung teilten FDP, LPS, SVP, Schweizerischer Anwaltsverband und Schweizerische Vereinigung der Richterinnen und Richter. Einige wünschten deshalb eine restriktivere Umschreibung der Beschwerdelegitimation im öffentlichen Recht (rechtlich geschütztes Interesse). Andere hingegen verlangten, die Beschwerdelegitimation sei auf der Basis der weiteren Definition (schutzwürdiges Interesse anstatt rechtlich geschütztes Interesse) zu vereinheitlichen (Kanton VD, LPS, Schweizerischer Anwaltsverband).

Vereinzelte Bedenken gegen die Abschaffung der staatsrechtlichen Beschwerde waren auf die Befürchtung zurückzuführen, der Grundrechtsschutz sei wegen der für die Einheitsbeschwerde vorgesehenen Zugangsbeschränkung (Vorprüfungsverfah-

4275

ren) nicht mehr im bisherigen Umfang gewährleistet (Kanton LU, Universität Genf, Demokratische Juristinnen und Juristen). Die Vorlage des Bundesrates enthält nun das Vorprüfungsverfahren nicht mehr.

Einige Vernehmlasser forderten die Beibehaltung der Sonderregelungen im Sozialversicherungsbereich gemäss Artikel 132 und 134 OG (volle Kognition und Kostenlosigkeit bei Streitigkeiten über Sozialversicherungsleistungen) (Kanton NE, SP, Schweizerischer Gewerkschaftsbund, Föderativverband des Personals öffentlicher Verwaltungen und Betriebe, Schweizerische Arbeitsgemeinschaft zur Eingliederung Behinderter, Association Suisse des Locataires, Fédération Romande). Die Demokratischen Juristinnen und Juristen verlangten die Beibehaltung der vollen Kognition, und die Fédération Romande des Consommateurs wollte weiterhin Kostenfreiheit. Das EVG begrüsste dagegen die Anpassung der Verfahrensordnung ausdrücklich und betonte, dass diese einer seit langem vorgebrachten Forderung des EVG entspreche.

3.6

Integration des EVG in das Bundesgericht

Das EVG war im Rahmen der Vernehmlassung geteilter Meinung bezüglich seiner künftigen Stellung. Eine starke Minderheit unterstützte den Vorschlag der Expertenkommission für eine Vollintegration. Eine gleich starke Minderheit sprach sich für die Teilintegration aus unter Beibehaltung des Sitzes in Luzern. Eine weitere Minderheit votierte für eine Modifizierung des Status quo in dem Sinne, dass für die Sozialversicherung ein eigenständiges Gericht in Luzern bestehen bleibt, das dem gleichen Wahlmodus (Freizügigkeit der Richterinnen und Richter) und der gleichen Verfahrensordnung wie das Bundesgericht unterworfen ist. Für den Fall, dass der Gesetzgeber die blosse Teilintegration ablehnen sollte, gab das EVG der Totalintegration gegenüber dem Status quo den Vorzug.

Das Bundesgericht hatte grundsätzlich nichts gegen die Totalintegration des EVG einzuwenden. Diese Frage dürfe aber nicht die übrigen Reformvorhaben verzögern.

Das Sozialversicherungsrecht müsse im Falle einer vollen Integration der gleichen verfahrensrechtlichen Konzeption wie die übrigen Rechtsgebiete folgen.

Bei den Kantonen stimmten BE, BL, GE, NE, TI, SH, TG und VD zu. JU hielt die Massnahme für nicht unbedingt erforderlich. GL befürchtete einen Kompetenzverlust. Gegen eine Verlegung des EVG nach Lausanne waren ZG und sehr dezidiert LU, NW, OW und UR. Die bisherige Lösung habe sich bewährt und sei sachlich gerechtfertigt. Luzern und die Innerschweiz würden qualifizierte Arbeitsplätze verlieren, ohne dass eine realistische Aussicht auf Ersatz bestehe. Auch würden Luzern und die Innerschweiz in ihrer Bedeutung als Glied des Bundesstaates entwertet und geschwächt. Allfällige Unzulänglichkeiten der heutigen Organisationsform könnten durch eine Teilintegration gelöst werden (Verzicht auf eigene Führungsstruktur und auf ein eigenes Budget).

Unter den Parteien befürworteten FDP und LPS die Totalintegration des EVG. Die CVP unterstützte eine Teilintegration ohne Sitzverlegung. Die SVP war noch nicht entschieden und sah Vor- und Nachteile in einer Totalintegration. Abgelehnt wurde die Integration von der SP, die ein System mit Bundesfachgerichten postulierte.

4276

Die folgenden Organisationen und Verbände unterstützten eine Integration: Schweizerischer Anwaltsverband, Christlichnationaler Gewerkschaftsbund, Fédération Romande des Syndicats Patronaux, Föderativverband des Personals öffentlicher Verwaltungen und Betriebe, Schweizerischer Handels- und Industrieverein (Vorort), Associazione Consumatrici della Svizzera Italiana, Centre patronal sowie die Universitäten Lausanne und Neuenburg. Dagegen sprachen sich der Schweizerische Mieterinnen- und Mieterverband der deutschen Schweiz, die Association Suisse des Locataires, Fédération Romande, die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft zur Eingliederung Behinderter und die Vereinigung für Rechtsstaat und Individualrechte.

4

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

4.1

Bundesgesetz über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG)

4.1.1

1. Kapitel: Stellung und Organisation

4.1.1.1

1. Abschnitt: Stellung

Artikel 1

Oberste Recht sprechende Behörde

Absatz 1 übernimmt Artikel 188 Absatz 1 BV und bezeichnet das Bundesgericht als oberste Recht sprechende Behörde des Bundes. Diese Stellung hat vier Konsequenzen: ­

Das Bundesgericht und nicht der Bundesrat oder die Bundesversammlung spricht auf höchster Ebene Recht.

­

Es gibt kein Verfassungsgericht, das über dem Bundesgericht steht.

­

Es gibt nur ein einziges oberstes Gericht des Bundes, das Bundesgericht.

Das Eidgenössische Versicherungsgericht wird nicht wie heute bloss formell, sondern auch organisatorisch ins Bundesgericht integriert. Diese Integration ist indessen insofern nicht total, als eine bis zwei Abteilungen weiterhin ihren Standort in Luzern haben werden (vgl. Art. 4 BGG; siehe auch Ziff. 2.4.1).

­

Die anderen Gerichte des Bundes sind dem Bundesgericht im Instanzenzug untergeordnet (mit Ausnahme der Militärgerichte).

Absatz 2 legt den Rahmen für die Zahl der ordentlichen Bundesrichter fest. Anders als heute (vgl. Art. 1 Abs. 1 OG) wird der Bestand der Bundesrichter nicht auf einer bestimmten Zahl fixiert. Der vorgesehene Rahmen vermittelt der Bundesversammlung die wünschbare Flexibilität, um diejenige Anzahl Bundesrichter zu wählen, die aufgrund der Geschäftslast erforderlich ist. Es wird also nicht mehr nötig sein, das Gesetz zu ändern, um zusätzliche Richter zu wählen, wenn das Bundesgericht überlastet ist. Umgekehrt kann die Bundesversammlung darauf verzichten, einen in den Ruhestand getretenen Richter zu ersetzen, wenn die Zahl der Beschwerden beträchtlich abnimmt.

Gegenwärtig zählt das Bundesgericht 30 Richter und das Eidgenössische Versicherungsgericht zwischen 9 und 11 Richtern (Art. 1 Abs. 1 und 123 Abs. 1 OG). Ab-

4277

satz 2 setzt künftig die Höchstgrenze auf 45 fest, was einer Aufstockung um rund 10 Prozent gegenüber heute entspricht. Selbst wenn die Zahl der ordentlichen Richter eines Tages diese Schwelle erreichen sollte, bliebe das Bundesgericht führbar, auch könnte die Einheit der Rechtsprechung gewährleistet werden. Die untere Grenze setzt Absatz 2 auf 35 Richter fest, also um etwa 15 Prozent weniger als heute. Mit der Öffnung nach unten bringt der Bundesrat seine Überzeugung zum Ausdruck, dass die mit diesem Gesetzesentwurf eingeführten Massnahmen das Bundesgericht so weit entlasten können, dass später allenfalls eine Senkung der Zahl der ordentlichen Richter auf 39, wie sie von 1992 bis 2000 bestand, in Betracht kommt.

Absatz 3 hält an der Institution der Ersatzrichter fest. Sie hat sich bewährt und bietet die Möglichkeit, potentielle Kandidaten für das Amt eines ordentlichen Richters kennenzulernen. Die Änderung der Terminologie im Deutschen, d.h. «Ersatzrichter» an Stelle von «nebenamtlichen Richtern» (vgl. Art. 1 OG), ist einerseits Angleichung an den französischen Ausdruck «suppléants». Anderseits signalisiert sie den Willen, zur ursprünglichen Funktion der Ersatzrichter zurückzukehren. Der «Milizrichter» soll nicht mehr eine Art Teilzeitbundesrichter sein, wie dies heute aus Gründen der chronischen Überlastung des Bundesgerichts oft der Fall ist. Die Funktion der «Milizrichter» soll wieder diejenige eigentlicher Ersatzmitglieder annehmen. D.h., sie ersetzen ausgefallene ordentliche Richter und werden zur Bewältigung spezieller Belastungen beigezogen.

Nach Absatz 3 darf die maximale Zahl der Ersatzrichter zwei Drittel derjenigen der ordentlichen Richter nicht übersteigen. Diese Regelung impliziert mindestens eine Verringerung um einen Drittel der Anzahl Ersatzrichter im Vergleich zum Bestand, der gemäss Bundesbeschluss vom 23. März 1984 über die Erhöhung der Zahl der nebenamtlichen Richter des Bundesgerichts (SR 173.110.1: 30 nebenamtliche Richter) und Artikel 123 Absatz 1 OG für das Eidgenössische Versicherungsgericht (9­11 seit der Teilrevision vom 23. Juni 2000) gilt. Die Beschränkung auf zwei Drittel markiert den Willen, schrittweise zur Situation vor 1984 zurückzukehren, als die Zahl der nebenamtlichen Richter die Hälfte der ordentlichen Richter nicht überstieg.

Die heute bestehende Möglichkeit
der Bundesversammlung, ausscheidende Richter als zusätzliche nebenamtliche Richter zu wählen (Art. 1 Abs. 3, 123 Abs. 2 OG), wird fallengelassen. Von dieser Möglichkeit, die 1984 eingeführt wurde, wurde seit ihrer Aufnahme ins Gesetz im Jahre 1991 nur zwei Mal Gebrauch gemacht.

Absatz 4 gibt der Bundesversammlung die Kompetenz, im Rahmen der Absätze 2 und 3 die Zahl der ordentlichen Richter und Ersatzrichter mittels Verordnung festzulegen. Diese Delegation vermeidet, dass die Vereinigte Bundesversammlung bei jeder (Wieder)Wahl mit Diskussionen über eine Erhöhung oder Herabsetzung der Richterzahl konfrontiert wird. Wenn die Bundesversammlung beabsichtigt, eine Stelle nicht mehr zu besetzen oder die Zahl der Stellen zu erhöhen, muss sie vorgängig die Verordnung ändern. Da eine entsprechende Delegation auch im VGG (Art. 1 Abs. 4) und im SGG (Art. 1 Abs. 4) enthalten ist, ist es möglich, eine einzige Verordnung über die Zahl der Richter an den eidgenössischen Gerichten zu erlassen.

4278

Artikel 2

Unabhängigkeit

Absatz 1 unterstreicht für das Bundesgericht den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit, wie er in Artikel 191c BV-Justizreform festgehalten ist. Absatz 2 konkretisiert diesen Grundsatz, indem er den zweiten Satz von Artikel 21 Absatz 3 OG übernimmt.

Artikel 3

Oberaufsicht

Nach Artikel 169 Absatz 1 BV untersteht das Bundesgericht der Oberaufsicht der Bundesversammlung (Abs. 1). Die Kontrolltätigkeit beschränkt sich darauf, zu überprüfen, ob das Bundesgericht korrekt funktioniert und ob es die Mittel, über die es verfügt, ordnungsgemäss verwaltet. Die Unabhängigkeit der rechtsprechenden Gewalt schliesst dagegen eine materielle Kontrolle der Entscheidungen aus. Wie im geltenden Recht besitzt die Bundesversammlung keine Disziplinargewalt über die Richter am Bundesgericht.

Das Bundesgericht muss der Bundesversammlung jedes Jahr einen Geschäftsbericht vorlegen (vgl. Art. 21 Abs. 2 OG). In Absatz 2 wird das Bundesgericht ausserdem angewiesen, der Bundesversammlung einen Entwurf des Kostenvoranschlages und die Rechnung zu unterbreiten. Diese Neuerung folgt aus dem Verfassungsgrundsatz, wonach sich das Bundesgericht selbst verwaltet (Art. 188 Abs. 3 BV-Justizreform).

Sie impliziert, dass dem Bundesrat kein Recht zusteht, Korrekturen am Entwurf des Kostenvoranschlages oder an Gesuchen um Nachtragskredite des Bundesgerichtes anzubringen.

Artikel 4

Sitz

Der Sitz des Bundesgerichts bleibt Lausanne, wo kürzlich neue Räumlichkeiten bezogen wurden.

In Folge der Teilintegration des Eidgenössischen Versicherungsgerichts in das Bundesgericht (vgl. Ziff. 2.4.1) ist vorgesehen, dass eine bis zwei Abteilungen des Bundesgerichts ihren Standort in Luzern haben werden. Heute gilt das Eidgenössische Versicherungsgericht als Abteilung (vgl. Art. 122 OG), deren 9 bis 11 Richter auf vier Kammern verteilt sind (Art. 4 des Reglements für das Eidgenössische Versicherungsgericht, SR 173.111.2). Artikel 4 Absatz 2 BGG erlaubt, diese Struktur beizubehalten oder die Sozialversicherungsabteilung in zwei Abteilungen aufzuteilen.

Das Gesetz bestimmt nicht ausdrücklich, dass die Abteilungen in Luzern für den Bereich des Sozialversicherungsrechts zuständig sind, denn es will dem Bundesgericht eine gewisse organisatorische Autonomie belassen (vgl. Art. 16 und 20 BGG). Somit besitzt das Gesamtgericht ­ das alle ordentlichen Richter von Lausanne und Luzern vereinigt ­ die Möglichkeit, der Abteilung oder den Abteilungen in Luzern mit dem Sozialversicherungsrecht verwandte Rechtsgebiete zuzuweisen oder gewisse Bereiche des Sozialversicherungsrechts einer Abteilung in Lausanne zu übertragen.

4279

4.1.1.2 Artikel 5

2. Abschnitt: Richter und Richterinnen Wahl

Die Bundesrichter werden von der Bundesversammlung gewählt (Abs. 1; Art. 168 Abs. 1 BV). Diese kann das Bundesgericht bei Ersatz- oder Ergänzungswahlen anhören, insbesondere zur Qualität der Arbeit, die ein für ein ordentliches Richteramt kandidierender Ersatzrichter geleistet hat. Die Bundesversammlung ist indessen nicht dazu verpflichtet, denn eine obligatorische Konsultation würde das Risiko in sich bergen, der Bundesrichterwahl den Charakter einer Kooptation zu geben.

Nach Artikel 143 BV ist das Stimmrecht in Bundessachen die einzige festgeschriebene Voraussetzung für die Wählbarkeit ans Bundesgericht (Abs. 2). Wählbar sind somit ausschliesslich Schweizer Bürgerinnen und Bürger. Die Regel von Artikel 1 Absatz 2 OG, wonach die drei Amtssprachen vertreten sein müssen, wurde nicht übernommen. Nach Artikel 70 Absatz 1 BV kennt der Bund vier Amtssprachen, denn im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache ist auch das Rätoromanische Amtssprache. Heute gehört dem Bundesgericht ein rätoromanischer Richter an.

Der Kreis rätoromanischer Juristen ist viel zu eingeschränkt, als dass man die Bundesversammlung dazu verpflichten könnte, zumindest einen rätoromanischen Richter zu wählen. Umgekehrt wäre eine Bestimmung, die nur die Sprachen Deutsch, Französisch und Italienisch erwähnt, diskriminierend für die Rätoromanen und entspricht keiner Notwendigkeit. Die Zusammensetzung der Bundesversammlung bietet ausreichend Garantie dafür, dass eine angemessene Vertretung der verschiedenen Teile der Schweiz am Bundesgericht gewährleistet ist.

In Folge der Integration der sozialversicherungsrechtlichen Abteilung ins Bundesgericht (vgl. Ziff. 2.4.1) werden die Richter nicht mehr an den Sitz in Lausanne oder den Standort in Luzern gewählt. Je nachdem, welcher Abteilung sie zugewiesen werden (Art. 16 BGG), werden sie entweder dem Sitz in Lausanne oder dem Standort in Luzern angegliedert. Sie haben die Möglichkeit, später gegebenenfalls die Abteilung und folglich auch den Arbeitsort zu wechseln. Ein solcher Abteilungswechsel würde indessen nicht mehr ­ wie heute ­ einzig aufgrund des Dienstalters bestimmt. Nach Artikel 16 Absatz 2 BGG muss das Bundesgericht die fachlichen Kenntnisse der Richter bei der Bildung der Abteilungen berücksichtigen. Folglich muss insbesondere die Berufserfahrung des von der Bundesversammlung
neu gewählten Richters berücksichtigt werden. Wenn beispielsweise eine Stelle in einer sozialversicherungsrechtlichen Abteilung in Luzern frei wird und die Bundesversammlung einen im Sozialversicherungsrecht spezialisierten Richter wählt, darf das Bundesgericht diese Erfahrung nicht unberücksichtigt lassen, selbst wenn ein Richter aus einer Zivilabteilung in diese Sozialversicherungsabteilung übertreten möchte.

Nichts hindert indessen das Bundesgericht, die Bundesversammlung im voraus zu informieren, welcher Abteilung der neu Gewählte zugeteilt werden soll, so dass die Bundesversammlung einen entsprechend qualifizierten neuen Richter wählen kann.

Damit wird den Bundesrichtern ermöglicht, bei Vakanzen in eine andere Abteilung (beispielsweise in eine sozialversicherungsrechtliche) zu wechseln, ausser die Bundesversammlung würde in Kenntnis eines solchen Ansinnens einen in diesem Gebiet spezialisierten Kandidaten (in unserem Fall im Sozialversicherungsrecht) wählen.

4280

Artikel 6

Unvereinbarkeit

Absatz 1 enthält den Grundsatz der personellen Gewaltenteilung. Er entspricht dem geltenden Recht (Art. 144 Abs. 1 BV, Art. 2 Abs. 2 OG).

Absatz 2 gilt ­ wie Absatz 1 ­ sowohl für die Ersatzrichter wie auch für die ordentlichen Richter. Das ihnen auferlegte Verbot, eine Tätigkeit auszuüben, welche die Erfüllung der Amtspflichten, die Unabhängigkeit oder das Ansehen des Gerichts beeinträchtigen könnte, ist vor allem für die Ersatzrichter von Relevanz. Ihnen kann nicht verboten werden, einen Hauptberuf und andere Nebenbeschäftigungen auszuüben, da ihre Dienste nur sporadisch in Anspruch genommen werden. Sie müssen sich jedoch an bestimmte, in diesem Artikel festgelegte Kriterien halten.

Absatz 3 entspricht Artikel 3 Absatz 3 OG.

Absatz 4 stellt für die ordentlichen Bundesrichter eine Liste von Unvereinbarkeiten auf, die schon im geltenden Recht existieren (Art. 144 Abs. 2 BV, Art. 3 OG).

Artikel 7

Nebenbeschäftigung

Diese Bestimmung beschränkt die Möglichkeit der ordentlichen Bundesrichter, eine Nebenbeschäftigung (beispielsweise ein Schiedsrichtermandat) neben ihrem Richteramt auszuüben. Sie entspricht im wesentlichen Artikel 3a OG, ausser dass sie präzisiert, dass die Nebenbeschäftigung nicht einem Erwerbszweck dienen darf. Die Verfassung vom 18. April 1999 verbietet den Bundesrichtern jede andere Erwerbstätigkeit und unterstellt sie damit derselben Vorschrift wie die Mitglieder des Bundesrates (Art. 144 Abs. 2 BV). Dieses Verbot betrifft auch gelegentliche Erwerbstätigkeiten. Es wird Sache des Bundesgerichts sein, in seinem Reglement jenen Betrag zu bestimmen, ab welchem der durch eine Nebenbeschäftigung erzielte Gewinn als einem Erwerbszweck dienend gilt.

Artikel 8

Unvereinbarkeit in der Person

Diese Bestimmung bezeichnet die am Bundesgericht unzulässigen Verwandtschaftsbeziehungen für die ordentlichen Richter und die Ersatzrichter. Im wesentlichen übernimmt Artikel 8 den Inhalt des geltenden Rechts (vgl. Art. 4 Abs. 1 OG). Eine Ausweitung liegt insoweit vor, als das Verbot, gleichzeitig als Bundesrichter tätig zu sein, auch für Personen gilt, die in dauernder Gemeinschaft leben. Damit ist insbesondere das vom Bundesgericht in Bezug auf den alten Artikel 153 Absatz 1 ZGB definierte Konkubinat gemeint (Aufhebung der Rente im Falle der Wiederverheiratung; BGE 124 III 54 mit Verweisen). Denn eine solche Gemeinschaft gefährdet den Grundsatz der Kollegialität nicht weniger als eine Ehe.

Besteht zwischen einem Richter und einer Person, die eine Tätigkeit in einer Vorinstanz des Bundesgerichts ausübt, eine besondere Nähe, liegt nicht ein Fall der Unvereinbarkeit, sondern ein Ablehnungsgrund vor (Art. 31 BGG).

Artikel 9

Amtsdauer

Absatz 1 entspricht dem geltenden Recht (Art. 5 Abs. 1 OG, Art. 145 BV).

Absatz 2 führt eine Neuerung ein, indem er vorsieht, dass die Amtszeit eines Richters, der das Alter von 68 Jahren erreicht, am Ende des Kalenderjahres endet. Übli-

4281

cherweise wählt die Bundesversammlung Richter, die das Alter von 68 Jahren überschritten haben, nicht mehr wieder. Nach Absatz 2 scheiden Richter, unabhängig davon, in welchem Alter sie wiedergewählt wurden, am Ende des Kalenderjahres aus, in dem sie 68 Jahre alt werden. Diese neue Regelung entspricht einem gentlemen's agreement zwischen dem Parlament und den eidgenössischen Gerichten, mit der Präzisierung, dass das Ende der Amtsdauer einheitlich auf das Ende des Kalenderjahres festgelegt ist und nicht auf das Ende des Monats, in dem die Richter das Alter von 68 Jahren erreicht haben. Die Festlegung eines einheitlichen Datums erlaubt es, die Neubesetzung der Richterstellen auf die Wintersession des Parlamentes zu konzentrieren. Absatz 2 führt nicht eine neue Wählbarkeitsvoraussetzung ein, denn er wäre nicht anwendbar, wenn die Bundesversammlung einen Richter wählen würde, der älter als 68 Jahre ist. Die Bestimmung steht auch nicht im Widerspruch zu Artikel 145 BV, denn dieser regelt die gewöhnliche Amtsdauer und schliesst den vorzeitigen Abbruch der Amtsdauer nicht aus (wie zum Beispiel im Fall der Demission).

Absatz 3 bestimmt, wie das geltende Recht, dass die in einer laufenden Periode ernannten Richter nur bis Ende dieser Periode gewählt sind (Art. 5 Abs. 2 OG). Die Vorschrift, nach der die Bundesversammlung freie Stellen in der folgenden Session wieder besetzen muss, wurde fallen gelassen. Diese Änderung erlaubt es der Bundesversammlung, die neuen Richter in der dem Amtsende der ausscheidenden Richter vorangehenden Session zu wählen. Damit wird vermieden, dass eine Richterstelle während mehrerer Monate unbesetzt bleibt.

Artikel 10

Amtseid

Heute werden die Bundesrichter in der Regel durch das Bundesgericht vereidigt (Art. 9 Abs. 2 OG). Künftig leisten sie ihren Eid oder ihr Gelübde in allen Fällen vor der Bundesversammlung. Dadurch wird die Feierlichkeit der Vereidigung betont und Gleichstellung mit den Mitgliedern des Bundesrates erreicht, die ebenfalls durch die Vereinigte Bundesversammlung vereidigt werden.

Artikel 11

Wohnort

Diese Bestimmung entspricht Artikel 19 Absatz 2 OG.

4.1.1.3 Artikel 12

3. Abschnitt: Organisation und Verwaltung Grundsatz

Entsprechend dem Verfassungsgrundsatz, wonach sich das Bundesgericht selbst verwaltet (Art. 188 Abs. 3 BV-Justizreform), beschränkt sich das Gesetz darauf, die Grundsätze der Organisation und der Verwaltung des Bundesgerichts festzulegen.

Es wird Sache des Bundesgerichts sein, innerhalb dieser Schranken seine interne Organisation selbst zu bestimmen.

4282

Artikel 13

Präsidium

Die Bundesversammlung wählt den Präsidenten und den Vizepräsidenten des Bundesgerichts (Abs. 1; Art. 6 Abs. 1 OG). Auch wenn die Bundesversammlung üblicherweise dem Vorschlag des Bundesgerichts folgt, ist sie frei, davon abzuweichen und einen anderen Richter zu wählen. Absatz 1 hindert die Bundesversammlung nicht, nach zwei Jahren das Präsidium in derselben Besetzung wieder zu wählen, um damit eine gewisse Kontinuität in der Leitung des Gerichts zu gewährleisten.

Während das geltende Recht dem Präsidenten die Aufgabe und die Verantwortung für die allgemeine Geschäftsleitung und die Aufsicht über das Personal zuweist (Art. 6 Abs. 2 OG), hat das Bundesgericht vorgeschlagen, diese Aufgaben künftig einem Kollegialorgan, der Gerichtsleitung, zu übertragen (vgl. Art. 15 BGG). Angesichts des Personalbestandes des Bundesgerichts (1999: 186 Stellen in Lausanne und 60 Stellen in Luzern) ist eine einzige Person kaum mehr in der Lage, diese Aufgaben neben ihrem Richteramt korrekt wahrzunehmen. Deshalb schlägt der Bundesrat in Absatz 2 vor, dem Präsidenten den Vorsitz im Gesamtgericht zu übertragen (Art. 22 Abs. 1 des Reglements für das Schweizerische Bundesgericht, SR 173.111.1; Art. 1 Abs. 3 des Reglements für das Eidgenössische Versicherungsgericht) und ihn von Gesetzes wegen zum Mitglied der Gerichtsleitung zu erklären (vgl. Art. 16 des Reglements für das Eidgenössische Versicherungsgericht, SR 173.111.2). Der Präsident wird somit die Tätigkeit der kollegialen Hauptorgane, die mit der Verwaltung des Bundesgerichts betraut sind, mitprägen können. Weiterhin wird der Präsident das Bundesgericht nach aussen vertreten (Art. 22 Abs. 2 des Reglements für das Schweizerische Bundesgericht; Art. 19 Abs. 1 Bst. d des Reglements für das Eidgenössische Versicherungsgericht).

In Folge der Teilintegration des Eidgenössischen Versicherungsgerichts gibt es nur einen einzigen Gerichtspräsidenten (vgl. Ziff. 2.4.1.5).

Artikel 14

Gesamtgericht

Absatz 1 definiert das Gesamtgericht in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht als Zusammenschluss der Gesamtheit der ordentlichen Richter (vgl. Art. 19 Abs. 1 des Reglements für das Schweizerische Bundesgericht). In Folge der Teilintegration des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vereinigt das Gesamtgericht sowohl die Richter des Sitzes in Lausanne als auch jene des Standortes in Luzern.

Absatz 1 weist dem Gesamtgericht hauptsächlich Wahlfunktionen (Abs. 1 Bst. a) und Normierungsfunktionen (Abs. 1 Bst. b) zu. Ausserdem verabschiedet das Gesamtgericht den Geschäftsbericht zu Handen der Bundesversammlung (Abs. 1 Bst. c). Zusätzliche Kompetenzen des Gesamtgerichts sind in weiteren Bestimmungen des BGG enthalten (Art. 15 bis 17 BGG). Ansonsten hat das Gesamtgericht seine eigenen Kompetenzen zu bestimmen, wenn es das Reglement für das Bundesgericht erlässt. Damit wird dem Bundesgericht ermöglicht, das Gesamtgericht von allen organisatorischen Entscheidungen, die für das Funktionieren des Gerichtes nicht wesentlich sind, zu entlasten.

Absatz 2 bestimmt neu, dass Zirkulationsbeschlüsse zulässig sind. Im geltenden Recht ist diese Möglichkeit nur auf Reglementsstufe vorgesehen (Art. 20 Abs. 1 des Reglements für das Schweizerische Bundesgericht, SR 173.111.1).

4283

Artikel 15

Gerichtsleitung

Absatz 1 sieht am Bundesgericht ein neues Organ vor, die Gerichtsleitung. Es handelt sich um ein Kollegialorgan, dessen Aufgabe die Führung der Gerichtsverwaltung ist. Die Sozialversicherungsabteilung kennt schon heute ein solches Organ (Art. 16­18 des Reglements für das Eidgenössische Versicherungsgericht, SR 173.111.2).

Absatz 1 lässt die Zahl der Mitglieder der Gerichtsleitung offen, bestimmt aber, dass sich die Gerichtsleitung nur aus ordentlichen Richtern zusammensetzt und vom Gesamtgericht ernannt wird. Gemäss Artikel 13 Absatz 2 BGG ist der Bundesgerichtspräsident ­ analog der geltenden Regelung für das Eidgenössische Versicherungsgericht (Art. 16 des Reglements für das Eidgenössische Versicherungsgericht) ­ von Amtes wegen Mitglied der Gerichtsleitung.

Absatz 2 weist der Gerichtsleitung die Verantwortung für die Verwaltung des Bundesgerichts zu. Es obliegt ihr also namentlich, das Gerichtspersonal zu beaufsichtigen und die zur Bewältigung der Geschäftslast notwendigen Massnahmen treffen.

Artikel 16

Abteilungen

Im geltenden Recht führt das Gesetz alle Bundesgerichtsabteilungen auf und legt in grossen Zügen ihre Kompetenzen fest (Art. 12 OG). Mehrere dieser Abteilungen haben eine auf ein spezifisches Rechtsgebiet beschränkte Zuständigkeit. Mit der durch den vorliegenden Gesetzesentwurf eingeführten Einheitsbeschwerde entfallen diese spezialisierten Abteilungen. Denkbar wäre nun, dass das Bundesgericht neu eine oder mehrere Abteilungen für jedes der Rechtsgebiete umfasst, entsprechend dem Typ der Beschwerde, mithin öffentlich-rechtliche, zivilrechtliche und strafrechtliche Abteilungen. Der Bundesrat schlägt indessen vor, dem Bundesgericht bei der Organisation seiner Abteilungen einen gewissen Handlungsspielraum zu lassen. Damit wird ihm ermöglicht, die Zahl der Abteilungen in Abhängigkeit von der Entwicklung seiner Arbeitslast in den verschiedenen Gebieten zu ändern. Weiter kann das Bundesgericht je nach Bedarf einer Abteilung die Zuständigkeiten für zwei Rechtsgebiete zuweisen, um damit eine bessere Koordination der Rechtsprechung zu gewährleisten. Beispielsweise könnte das Gebiet der sozialen Krankenversicherung und jenes der Krankenzusatzversicherungen in die Zuständigkeit ein- und derselben Abteilung gelegt werden, obwohl Streitigkeiten aus dem ersten Gebiet Gegenstand der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bilden, während im zweiten die zivilrechtliche Beschwerde zulässig ist. Ebenso könnten die Gebiete der Unfallversicherung und der zivilrechtlichen Haftung auf Grund ihrer Wechselwirkungen ein- und derselben Abteilung zugewiesen werden. Aus den genannten Gründen beschränkt sich Absatz 1 darauf, zu bestimmen, dass das Gesamtgericht des Bundesgerichts die Abteilungen für zwei Jahre bestellt. Allerdings ist das Bundesgericht dabei nicht gänzlich frei. Denn Artikel 20 BGG präzisiert, dass die Geschäfte entsprechend dem betroffenen Rechtsgebiet auf die Abteilungen zu verteilen sind.

Die Bestellung von Abteilungen ausschliesslich nach sprachlichen Kriterien ist damit nicht möglich.

Die in Absatz 1 vorgesehene Periode von zwei Jahren bedeutet nicht, dass das Bundesgericht gehalten ist, die Zusammensetzung seiner Abteilungen alle zwei Jahre zu ändern. Sie strebt vielmehr eine gewisse Stabilität und Kontinuität in der Rechtspre-

4284

chung an. Ausgeschlossen ist demgegenüber die Bestellung einer Abteilung ad hoc für ein bestimmtes Geschäft.

Weil Absatz 1 das Gesamtgericht mit der Bestellung der verschiedenen Abteilungen beauftragt, ist eine Delegation dieser Zuständigkeit an ein anderes Organ auf Grund von Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a BGG nicht möglich.

Nach Absatz 2 muss das Bundesgericht bei der Bestellung der Abteilungen die fachlichen Kenntnisse der Richter sowie die Amtssprachen angemessen berücksichtigen.

Diese Bestimmung ist neu und relativiert den bisher angewandten Grundsatz des Amtsalters. Zwar wird den Kriterien der fachlichen Kenntnisse und der Sprache nicht absoluten Vorrang gegeben. Mit dieser Bestimmung soll aber vermieden werden, dass ein auf einem Gebiet erfahrener Richter einzig aus dem Grund, dass er der amtsjüngste ist, einer für einen ganz anderen Bereich zuständigen Abteilung zugewiesen wird (vgl. auch den Kommentar zu Art. 5). Die relativ kleine Zahl von Richtern am Bundesgericht macht es umso wichtiger, die fachlichen Fähigkeiten jedes Richters optimal zu nutzen.

Artikel 17

Abteilungsvorsitz

Diese Bestimmung entspricht Artikel 13 Absätze 1 und 2 OG. Sie schliesst die Wiederwahl von Abteilungspräsidenten am Ende der Periode von zwei Jahren nicht aus.

Artikel 18

Besetzung

Absatz 1 bestimmt, dass die Abteilungen in der Regel in der Besetzung mit drei Richtern entscheiden. Die Formulierung «in der Regel» trägt verschiedenen, im vorliegenden Gesetz ausdrücklich genannten Ausnahmen Rechnung: ­

Geschäfte, in denen die Abteilungen gemäss den Absätzen 2 und 3 mit fünf Richtern besetzt sein müssen;

­

Geschäfte, die dem vereinfachten Verfahren unterliegen und die nach Artikel 102 Absatz 3 BGG grundsätzlich in der Besetzung mit zwei Richtern entschieden werden;

­

Die vom Instruktionsrichter getroffenen Verfügungen betreffend die Verfahrensleitung (vgl. Art. 29 Abs. 1, 51 und 58 Abs. 3), vorsorgliche Massnahmen (Art. 97, 98 und 112), die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 60 Abs. 3) und die Abschreibung eines Verfahrens, das gegenstandslos geworden ist (Art. 29 Abs. 2).

In allen anderen Fällen muss in der Besetzung mit drei Richtern entschieden werden.

Absatz 2 sieht die Besetzung mit fünf Richtern in zwei Fällen vor: ­

Der Abteilungspräsident kann eine Fünferbesetzung anordnen, wenn er der Auffassung ist, dass dem Geschäft eine über die üblichen Fälle hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Art. 15 Abs. 2 OG).

­

Die Fünferbesetzung ist zwingend, wenn die Abteilung über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu befinden hat (vgl. Art. 15 Abs. 2 OG).

Indessen entscheidet die Abteilung generell in der Besetzung mit zwei Richtern über das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, wenn die Zulässigkeit der Beschwerde davon abhängt (Art. 102 Abs. 1 4285

Bst. c und Abs. 3 BGG). Im Interesse eines raschen Verfahrens gilt das Erfordernis der Fünferbesetzung bei einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht für Beschwerden gegen Entscheide kantonaler Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen; in diesen Fällen tagen die Richter weiterhin zu dritt (Satz 2; vgl. Art. 15 Abs. 2 OG).

Als Neuerung sieht Absatz 3 vor, dass die Abteilung in der Besetzung mit fünf Richtern auch in jenen Fällen urteilt, in denen das Gesetz heute sieben Richter verlangt: die Beschwerde gegen einen referendumspflichtigen kantonalen Erlass oder gegen einen kantonalen Entscheid über die Zulässigkeit einer Initiative oder das Erfordernis eines Referendums (vgl. Art. 15 Abs. 2 OG). Der Bundesrat ist der Meinung, dass diese Geschäfte nicht wichtiger sind als jene, die eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung beinhalten. Im Übrigen kann eine Beschwerde gegen den Entscheid über die Anwendung einer kantonalen Norm einen ebenso ausgesprochen politischen Charakter haben wie die Beschwerde gegen einen kantonalen Erlass.

Schliesslich gewährleistet eine mit fünf Richtern besetzte Abteilung ein ausreichend ausgewogenes politisches Gleichgewicht. Festzuhalten ist, dass bei Geschäften, die eine Beziehung zu politischen Rechten haben, das Erfordernis der Fünferbesetzung weiterhin nicht gilt, wenn die Beschwerde eine Gemeindeangelegenheit betrifft (Satz 2;vgl. Art. 15 Abs. 3 OG).

Artikel 19

Abstimmung

Diese Bestimmung entspricht Artikel 10 OG.

Artikel 20

Geschäftsverteilung

Fragen der Geschäftsverteilung stellen sich beim Bundesgericht in mehrerer Hinsicht: Zunächst sind die eingehenden Fälle den verschiedenen Abteilungen zuzuweisen. Sodann sind innerhalb der zuständigen Abteilung die Richter zu bestimmen, die an der Entscheidung des Falles mitwirken (Bildung des Spruchkörpers). Unter ihnen ist der Instruktionsrichter, der eine wichtige Funktion wahrnimmt, zu bezeichnen.

Allenfalls sind Ersatzrichter beizuziehen. Die Geschäftsverteilung kann wegen der Gefahr des Missbrauchs nicht ins freie Ermessen einzelner Amtsträger gestellt werden. Der Bundesrat vertritt die Ansicht, dass das Recht, von einem durch Gesetz geschaffenem Gericht gehört zu werden (Art. 30 Abs. 1 BV), auch verlangt, dass in generell-abstrakter Weise in einer Vorschrift festgehalten sein muss, nach welchen Kriterien die Verteilung der Geschäfte stattfindet. In diesem Sinn bringt ­ im Gegensatz zu Artikel 14 OG ­ Artikel 20 zum Ausdruck, dass das Reglement sich auch zur Bildung der Spruchkörper und zum Einsatz der Ersatzrichter zu äussern hat.

Während sich das Bundesgericht auf den Standpunkt stellt, dies sei nicht praktikabel (vgl. die Stellungnahme im Anhang), hat das Eidgenössische Versicherungsgericht keine Einwände vorgebracht. Festzuhalten ist, dass nicht eine erschöpfende, alle Fälle abdeckende Regelung verlangt wird, sondern ein gewisser Grad an Voraussicht erreicht werden soll.

Artikel 21

Praxisänderung und Präjudiz

Absatz 1 regelt den Fall einer Änderung der Rechtsprechung und entspricht Artikel 16 Absatz 1 OG. Er erwähnt jedoch nicht mehr ausdrücklich das Gesamtgericht,

4286

denn dieses Organ ist identisch mit der Vereinigung der Gesamtheit der Abteilungen.

Absatz 2 erlaubt die Vereinigung von Abteilungen auch wenn es nicht darum geht, von der etablierten Rechtsprechung einer anderen Abteilung abzuweichen. Es kann vorkommen, dass eine wichtige Rechtsfrage mehrere Abteilungen betrifft und noch nicht durch eine von ihnen entschieden worden ist. Wenn die zum Entscheid über das Geschäft zuständige Abteilung der Meinung ist, ein gemeinsamer Entscheid der betroffenen Abteilungen sei für die Rechtsfortbildung oder die Einheit der Rechtsprechung angezeigt, erlaubt ihr Absatz 2, die Zustimmung dieser Abteilungen zu verlangen. Dies entspricht der geltenden Bundesgerichtspraxis.

Absatz 3 bringt zwei Neuerungen gegenüber dem geltenden Recht. Zunächst erlaubt er der Vereinigung der Abteilungen, sich auf dem Zirkulationsweg auszusprechen.

Diese Art der Entscheidung ist teilweise schon heute Praxis. Sie vereinfacht das Verfahren und entspricht einem praktischen Bedürfnis, vor allem in unumstrittenen Fällen. Absatz 3 setzt sodann ein Quorum von zwei Dritteln der Mitglieder jeder betroffenen Abteilung fest, damit der Beschluss der Vereinigung der Abteilungen als gültig erachtet werden kann.

Artikel 22

Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen

Die Gerichtsschreiber spielen bei der Erfüllung der Aufgaben, die dem Bundesgericht als oberster richterlicher Instanz obliegen, eine massgebliche Rolle. Die Bedeutung ihres Beitrages zur Rechtsprechung und deren Fortbildung ist in den vergangenen Jahrzehnten ­ vor allem im Zusammenhang mit der Erhöhung der Gerichtsschreiberzahl ­ verschiedentlich hervorgehoben worden. Schon zu Zeiten, als sich die Tätigkeit der Bundesgerichtsschreiber im Wesentlichen auf die Urteilsredaktion beschränkte, wurde betont, dass zur Besetzung dieses Amtes nur bestqualifizierte Juristen in Frage kämen, die höchsten Anforderungen an Wissen und Leistungsfähigkeit gewachsen sein müssten (vgl. BBl 1955 II 1321). Inzwischen ist der Tätigkeitsbereich der Gerichtsschreiber, der Gerichtssekretäre und der persönlichen Mitarbeiter der Bundesrichter erweitert worden. Nach dem Verzicht auf eine grössere Aufstockung des Richterkollegiums wurde unter dem Druck zunehmender Geschäftslast notgedrungen ein Teil der Arbeit, die früher den Richtern vorbehalten war, an die juristischen Mitarbeiter abgegeben; deren Zahl wurde stark erhöht. Die Gerichtsschreiber erstellen heute in einer Grosszahl der Fälle selbständig Referate bzw. Urteilsentwürfe, die nach Genehmigung durch den Instruktionsrichter dem urteilenden Gremium zum Entscheid vorgelegt werden. Diese wichtige, mit erheblicher Verantwortung verbundene Tätigkeit soll ­ wenn sie auch nicht von allen Gerichtsschreibern in gleichem Masse ausgeübt wird ­ im Gesetz ihren Niederschlag finden. Zu erwähnen ist ferner der Einsatz der Gerichtsschreiber bei der Verfahrensinstruktion, die schon bisher weitgehend den Präsidialsekretären übertragen worden ist. Im Gesetz ist ebenfalls zum Ausdruck zu bringen, dass die Urteilsredaktion nach wie vor eine der Hauptaufgaben der Gerichtsschreiber darstellt, die an Bedeutung für die höchstrichterliche Rechtsprechung nichts verloren hat.

Absatz 1 spricht in einheitlicher Weise von Gerichtsschreibern und sieht von der früheren Unterscheidung (Art. 7 OG) von Gerichtsschreibern, Sekretären und persönlichen Mitarbeitern der Richter ab. Diese Unterteilung rechtfertigt sich heute nicht mehr, da sich die Tätigkeitsbereiche angeglichen haben und Unterschiede for4287

mell nur noch bei der Entlöhnung und Amtsdauer bestehen. Die gemeinsame Bezeichnung soll allerdings nicht ausschliessen, dass auf Stufe des Reglements verschiedene Formen der Mitarbeit und Laufbahnmöglichkeiten für Gerichtsschreiber vorgesehen werden. Es wird gemäss Bundespersonalgesetz ohnehin Aufgabe des Bundesgerichts sein, die Stellung der Gerichtsschreiber (Lohn, Amtsdauer, allfällige Vereidigung) im Einzelnen zu umschreiben (vgl. Art. 9 Abs. 4 und Art. 37 Abs. 2 BPG, BBl 2000 2208).

Die Absätze 2 und 3 umschreiben die bereits genannten Hauptaufgaben der Gerichtsschreiber. Die Aufzählung der übrigen Tätigkeiten ­ zu denen etwa das Verfassen von Stellungnahmen für das Bundesgericht gehört ­ kann dem Reglement überlassen bleiben (Abs. 4). Wie bisher auf Reglementsebene vorgesehen kommt den Gerichtsschreibern beratende Stimme zu (Art. 12 Abs. 2 des Reglements für das Schweizerische Bundesgericht, SR 173.111.1; Art. 7 Abs. 4 des Reglements für das Eidgenössische Versicherungsgericht, SR 173.111.2). Sie ist ­ gleich wie die Berichterstattung ­ als weitere Form des Mitwirkens bei der Entscheidfindung im Gesetz selbst zu erwähnen.

Artikel 23

Verwaltung

Absatz 1 entspricht dem Verfassungsgrundsatz, nach dem sich das Bundesgericht selbst verwaltet (Art. 188 Abs. 3 BV-Justizreform). Dieser Grundsatz gewährleistet die Verwaltungsautonomie des Bundesgerichts gegenüber der Exekutivgewalt und verstärkt so die Unabhängigkeit der Bundesrichter. Die Bundesgerichtsverwaltung ist kein Teil der Bundesverwaltung im Sinne von Artikel 2 des Bundesgesetzes über die Organisation der Regierung und der Verwaltung (SR 172.010). Sie muss jedoch die auf die Gesamtheit der Organe des Bundes anwendbaren Bestimmungen, wie jene des Personalgesetzes (BBl 2000 2208) oder des Gesetzes über die Finanzen des Bundes (SR 611.0), respektieren.

Absatz 2 konkretisiert diesen Grundsatz, indem er dem Bundesgericht die Kompetenz zuweist, eigenständig die zur Erfüllung seiner Aufgaben nötigen Verwaltungsdienste zu bestellen und das Personal für diese Dienste selber anzustellen.

Eine der wesentlichen Elemente der Verwaltungsautonomie besteht in der Finanzautonomie. Das Bundesgericht kann also, in dem vom Gesetz bestimmten Rahmen, frei über die Mittel verfügen, die ihm vom Parlament zugewiesen werden.

Nach Absatz 3 führt das Bundesgericht eine eigene Rechnung. Auch wenn diese auf Grund der Einheit der Materie formell ein Teil der Staatsrechnung bildet, wird sie direkt vom Bundesgericht zu Handen der Bundesversammlung erstellt (vgl. Art. 3 Abs. 2 BGG).

Artikel 24

Generalsekretariat

Unter der Aufsicht der Gerichtsleitung (Art. 15 BGG) ist der Generalsekretär der Chef der Gerichtsverwaltung (Abs. 2). Er nimmt insbesondere die Funktion des Personalchefs wahr. Ausserdem besorgt er das Sekretariat des Gesamtgerichts und der Verwaltungsorgane. Angesichts der Bedeutung dieser Funktionen scheint es gerechtfertigt, diese Stelle im Gesetz zu verankern und für den Generalsekretär gleichfalls eine Amtsdauer von sechs Jahren vorzusehen. Heute findet sich eine entsprechende Rechtsgrundlage nur auf Reglementsebene (Art. 29 des Reglements für das Schwei-

4288

zerische Bundesgericht, SR 173.111.1; Art. 20 des Reglements für das Eidgenössische Versicherungsgericht, SR 173.111.2). Es ist im Reglement zu bestimmen, ob der Generalsekretär zu vereidigen ist.

Artikel 25

Information

Absatz 1 verpflichtet das Bundesgericht, die Öffentlichkeit über seine Rechtsprechung zu informieren. Diese Verpflichtung hat eine grosse Bedeutung hinsichtlich der Präzedenzkraft der Entscheidungen, die vom höchsten Gericht gefällt werden.

Deshalb erwähnt sie das Gesetz ausdrücklich. Heute ist die Information der Öffentlichkeit durch das Bundesgericht nur auf Reglementsstufe vorgesehen (Art. 18 des Reglements für das Schweizerische Bundesgericht, SR 173.111.1), während für das Eidgenössische Versicherungsgericht eine Gesetzesbestimmung existiert (Art. 127 Abs. 5 OG; Art. 22 des Reglements für das Eidgenössische Versicherungsgericht, SR 173.111.2). Wie im geltenden Recht (Art. 18 des Reglements für das Schweizerische Bundesgericht), beauftragt Absatz 1 die Abteilungen, aus ihren Entscheidungen diejenigen auszuwählen, die amtlich zu veröffentlichen sind. Das Organ der Veröffentlichung muss dagegen nicht zwingend die amtliche Sammlung bleiben.

Schon heute stehen die in der amtlichen Sammlung erschienenen Entscheidungen der Öffentlichkeit in einer informatisierten Datenbank zur Verfügung, welche auf der Internetseite des Bundesgerichts zugänglich ist (www.bger.ch). Das Bundesgericht plant, nächstens einen grossen Teil der in der amtlichen Sammlung nicht veröffentlichten Entscheidungen in diese informatisierte Datenbank aufzunehmen. Damit werden praktisch alle Entscheidungen veröffentlicht, die geeignet sind, Einfluss auf die künftige Rechtsprechung des Bundesgerichts auszuüben.

Absatz 2 bietet dem Bundesgericht die gesetzliche Grundlage, für die Gerichtsberichterstattung eine Akkreditierung vorzuschreiben. Die Voraussetzungen für eine Akkreditierung und das Verfahren kann das Reglement bestimmen.

4.1.2

2. Kapitel: Allgemeine Verfahrensbestimmungen

4.1.2.1

1. Abschnitt: Zuständigkeit

Artikel 26

Prüfung

Dass ein angerufenes Gericht seine sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit als Prozessvoraussetzung von Amtes wegen zu prüfen hat (Abs. 1), entspricht einem allgemeinen Grundsatz. Nach der Zuständigkeitsordnung bestimmt sich zudem der verfassungsmässige Richter (Art. 30 BV).

Bei Zweifeln über die Zuständigkeit führt das Bundesgericht nach Absatz 2 einen Meinungsaustausch mit der Behörde durch, deren Zuständigkeit in Frage kommt.

Eine ähnliche Vorschrift gilt heute für die Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde und der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 96 Abs. 2 und Art. 113 OG). Neu kann ein Meinungsaustausch auch mit kantonalen Behörden durchgeführt werden (z. B. wenn unklar ist, ob der kantonale Instanzenzug erschöpft ist).

4289

Artikel 27

Unzuständigkeit

Nach Absatz 1 trifft das Bundesgericht einen Nichteintretensentscheid, wenn es sich für unzuständig hält. Dies gilt auch dann, wenn eine andere Behörde zuständig erscheint oder sich im Meinungsaustausch zur Beurteilung der Sache bereit erklärt hat.

Absatz 2 regelt, was mit einer Beschwerde geschieht, die Gegenstand eines solchen Nichteintretensentscheids bildet. Hat sich in einem Meinungsaustausch die Zuständigkeit einer anderen Behörde des Bundes oder eines Kantons ergeben, so ist das Bundesgericht verpflichtet, die Sache der betreffenden Behörde zu überweisen. Hat kein Meinungsaustausch stattgefunden, bestimmt Absatz 2, dass das Bundesgericht die Sache derjenigen Bundesbehörde zu überweisen hat, deren Zuständigkeit ihm als wahrscheinlich erscheint. Diese Regelung ist das Pendant zu Artikel 8 Absatz 1 VwVG. In den anderen Fällen, namentlich wenn es sich bei der wahrscheinlich zuständigen Behörde um eine ausländische oder kantonale Behörde handelt, kann das Bundesgericht die Sache der betreffenden Behörde überweisen; eine Verpflichtung hierzu besteht jedoch nicht. Das Bundesgericht soll sich nicht mit kantonalem oder ausländischem Recht auseinandersetzen müssen, um die zuständige Behörde festzustellen.

Artikel 27 betrifft nicht den Fall, wo die Bundesversammlung die Behörde bestimmt hat, die für die Behandlung einer Beschwerde zuständig ist (vgl. Art. 173 Abs. 1 Bst. i BV). Es versteht sich von selbst, dass das Bundesgericht einem solchen Entscheid Folge leisten müsste.

Artikel 28

Vorfragen

Die Bestimmung entspricht Artikel 96 Absatz 3 OG.

4.1.2.2 Artikel 29

2. Abschnitt: Prozessleitung Instruktionsrichter

Die Verfahrensleitung obliegt dem Instruktionsrichter. Als solcher gilt der Abteilungspräsident oder ein von ihm bezeichneter Richter (Absatz 1).

Absatz 2 erteilt dem Instruktionsrichter die Befugnis, als Einzelrichter über die Abschreibung gegenstandslos gewordener Verfahren zu entscheiden (z. B. im Fall eines Beschwerderückzugs, bei Widerruf des angefochtenen Hoheitsakts, bei Nichtbezahlung eines Kostenvorschusses oder im Falle eines Vergleichs). In solchen Fällen muss regelmässig nur über die Kosten entschieden werden. Die Zuständigkeit des Einzelrichters ist deshalb gerechtfertigt. Sie drängt sich sogar auf, um eine rasche Erledigung der Verfahren zu gewährleisten.

Das Gesetz verleiht dem Instruktionsrichter eine grössere Verantwortung. Neu entscheidet er über vorsorgliche Massnahmen (Art. 97 Abs. 3 und Art. 98 BGG); bisher stand diese Befugnis lediglich dem Abteilungspräsidenten zu (Art. 14 Abs. 2, 70 Abs. 2, 94, 111 Abs. 2, 142 OG; Art. 272 Abs. 7 BStP). Der Instruktionsrichter ist auf Grund seiner Aktenkenntnisse am besten in der Lage, über die Begründetheit eines Gesuchs um Erlass einer vorsorglichen Massnahme zu entscheiden.

4290

Absatz 3 bestimmt, dass die Verfügungen des Instruktionsrichters nicht anfechtbar sind. Diese Bestimmung ist nicht auf die vor Bundesgericht hängigen Klagen anwendbar, denn Artikel 80 Absatz 2 des Bundesgesetzes über den Zivilprozess (BZP, SR 273) enthält eine Ausnahme, die Artikel 29 BGG vorgeht (Art. 106 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 BZP).

Artikel 30

Disziplin

Diese Bestimmung entspricht im wesentlichen dem geltenden Recht (Art. 31 und Art. 13 Abs. 5 OG). Der Höchstbetrag der Busse wurde den heutigen Verhältnissen angepasst. Was die in Absatz 3 vorgesehenen Mittel der Sitzungspolizei betrifft, wurde die Möglichkeit der Inhaftierung gestrichen, da sie kaum je angewendet wurde.

4.1.2.3 Artikel 31

3. Abschnitt: Ausstand von Gerichtspersonen Ausstandsgründe

Die vom geltenden Recht getroffene Unterscheidung zwischen zwingenden Ausschliessungsgründen (Art. 22 OG) und disponiblen Ablehnungsgründen (Art. 23 OG) wird fallen gelassen. Die Ausstandsgründe sind von Amtes wegen zu berücksichtigen.

In Absatz 1 sind in Anlehnung an Artikel 10 VwVG die Ausstandsgründe aufgezählt. Die Ausstandsgründe werden jedoch in zwei Fällen erweitert, um die Unabhängigkeit des Bundesgerichts besser zu gewährleisten. Neu haben Richter und Gerichtsschreiber in den Ausstand zu treten, wenn sie mit einer Person, die in der gleichen Sache bei der Vorinstanz tätig war, verheiratet, verwandt oder verschwägert sind (Abs. 1 Bst. c). Diese Regel gilt nicht nur für den Fall, dass es sich bei der Vorinstanz um eine Bundesbehörde handelt (z. B. das Bundesverwaltungsgericht), sondern auch für den Fall, dass es sich um eine kantonale Behörde handelt. Zudem wurden die Ausstandsgründe bei der Verwandtschaft insofern erweitert, als die Bestimmung neu auch in dauernder Gemeinschaft lebende Partner einschliesst (Abs. 1 Bst. d). Dies entspricht der Regelung, wie sie Artikel 8 BGG für die Unvereinbarkeit vorsieht.

Artikel 32

Mitteilungspflicht

Wie im geltenden Recht (Art. 24 OG) sieht diese Bestimmung vor, dass Gerichtspersonen, die von einem Ausstandsgrund betroffen sind, dies mitzuteilen haben.

Artikel 33

Ausstandsbegehren

Diese Bestimmung entspricht grundsätzlich dem geltenden Recht (Art. 25 Abs. 1 und 2 OG). Die Partei, die den Ausstand verlangt, muss jedoch die den Ausstand begründenden Tatsachen nicht mehr urkundlich bescheinigen (Art. 25 Abs. 2). Es genügt, wenn sie diese Tatsachen glaubhaft macht. Das Bundesgericht entscheidet dann aufgrund der Erklärungen der Gerichtsperson, die durch das Ausstandsbegehren betroffen ist.

4291

Absatz 1 verpflichtet die Partei, das Ausstandsbegehren zu stellen, sobald sie Kenntnis vom Ausstandsgrund hat. Bei einem verspäteten Begehren regelt Artikel 35 BGG die Rechtsfolgen: Amtshandlungen, an denen eine zum Ausstand verpflichtete Person mitgewirkt hat, bleiben gültig, so dass der Ausstand seine Wirkung nur für die Zukunft entfaltet.

Artikel 34

Entscheid

Wird der Ausstandsgrund bestritten, so entscheidet die Abteilung über den Ausstand. Die betroffene Gerichtsperson nimmt an dieser Beschlussfassung nicht teil und muss deshalb ersetzt werden. Sollte das Ausstandsbegehren sämtliche Richter der zuständigen Abteilung betreffen, kann diese gemäss Artikel 16 Absatz 3 BGG vervollständigt werden, indem drei Richter einer anderen Abteilung beigezogen werden. Diese Regelung entspricht der heute geltenden Vorschrift (Art. 26 OG).

Artikel 35

Verletzung der Ausstandsvorschriften

Diese Bestimmung beschränkt die Wirkungen des Ausstands auf die von der Abteilung bereits vorgenommenen Amtshandlungen, an denen die zum Ausstand verpflichtete Person mitgewirkt hat. Absatz 1 räumt den Parteien eine Frist von fünf Tagen ab Kenntnis des Ausstandsgrundes ein, um die Aufhebung der Amtshandlungen zu verlangen. Nach Ablauf dieser Frist hat der Ausstand nur noch Wirkung für die Zukunft. Diese Regelung stellt eine Zwischenlösung dar zwischen der heute geltenden Regelung für die Ausschliessung (Frist von 30 Tagen, jedoch mit der Möglichkeit, die Partei zu den verursachten Kosten zu verurteilen, sofern sie ihr Begehren nicht sofort nach Kenntnis des Ausstandsgrundes eingereicht hat; Art. 28 Abs. 1 und 25 Abs. 3 OG) und jener für die Ablehnung (Nichtigkeit nur von Handlungen, die nach dem eingereichten Begehren vorgenommen worden sind; Art. 28 Abs. 2 OG).

Sind Beweismassnahmen nicht wiederholbar, zum Beispiel weil der einvernommene Zeuge verstorben ist, sieht Absatz 2 vor, dass die entscheidende Instanz sie trotzdem berücksichtigen kann, obwohl die Ausstandsvorschriften seinerzeit verletzt worden sind.

Der in Absatz 3 vorgesehene Vorbehalt einer Revision entspricht dem geltenden Recht (Art. 28 Abs. 1 OG).

4.1.2.4

Artikel 36

4. Abschnitt: Parteien, Parteivertreter, Rechtsschriften Zustellungsdomizil

Die Regelung des Zustellungsdomizils wird grundsätzlich vom geltenden Recht übernommen (Art. 29 Abs. 4 OG).

Absatz 2 ist neu und betrifft die elektronische Zustellung. Weil diese Zustellungsart nur im Verkehr mit jenen Parteien genutzt werden kann, die hierzu ausdrücklich ihr Einverständnis gegeben haben (vgl. Ziff. 2.6.3.2.2), setzt sie voraus, dass Personen, die eine solche Zustellung wünschen, (neben der Postadresse) ihre elektronische Zu4292

stelladresse und ihren öffentlichen kryptografischen Schlüssel angeben. Dazu kann der Beschwerdeführer entweder jenes Zertifikat übermitteln, das er vom Zertifizierungsdienst, der seinen privaten kryptografischen Schlüssel ausgestellt hat, erhalten hat oder er kann die Referenz des Zertifikats auf der Internetseite des Zertifizierungsdienstes angeben. Der öffentliche Schlüssel ermöglicht es dem Bundesgericht, den Entscheid so zu verschlüsseln, dass er nur vom Inhaber des entsprechenden privaten Schlüssels gelesen werden kann. Die Einzelheiten der elektronischen Eröffnung von Entscheiden sind in Artikel 56 Absatz 3 BGG geregelt.

Artikel 37

Parteivertreter

In der Schweiz gehört es zur festen Tradition, dass eine Partei einen Prozess bis vor Bundesgericht allein führen kann. Falls sie sich jedoch vertreten lassen will, muss sie in Zivil- und in Strafsachen einen Anwalt beauftragen, der berechtigt ist, Parteien vor schweizerischen Gerichtsbehörden zu vertreten. Die Belastung der Gerichte durch unzulässige Beschwerden darf nicht unterschätzt werden. Durch die Einführung eines Anwaltszwangs oder die Ausdehnung des Vertretungsmonopols der Anwälte auf alle Rechtsbereiche lässt sich die Zahl solcher Beschwerden reduzieren.

Die Expertenkommissionen Dubs und Koller haben ausgiebig die Vor- und Nachteile dieser zwei Massnahmen diskutiert. Beide haben sich gegen ein Vertretungsobligatorium ausgesprochen, weil ein solches mit der schweizerischen Rechtstradition nicht vereinbar wäre. Hingegen haben sie sich für eine Ausweitung des Vertretungsmonopols der Anwälte auf alle Verfahren vor Bundesgericht ausgesprochen (Schlussbericht vom Januar 1982, Ziff. 232; Schlussbericht vom Juni 1997, Ziff. 6.1 und Kommentar zu Art. 38). Nachdem der Bundesrat diese Lösung früher noch verworfen hat (BBl 1985 II 900 ff., 1991 II 477), befürwortet er sie heute, dürfte doch dem Anwaltsmonopol sicherlich die Wirkung eines «Siebes» zukommen. Zudem erscheint die Unterscheidung nach Rechtsbereichen nicht gerechtfertigt, denn das Einreichen einer Beschwerde im öffentlichen Recht setzt nicht weniger formelle und materielle Rechtskenntnisse voraus als die Beschwerdeführung im Zivil- oder Strafrechtsbereich. Da im öffentlichen Recht kein Anwaltsmonopol für die Vertretung vor den Vorinstanzen besteht, hat die Ausdehnung des Anwaltsmonopols zur Folge, dass eine Partei, die sich im vorinstanzlichen Verfahren von einem Steuerexperten hat vertreten lassen, im Verfahren vor dem Bundesgericht entweder ihren Parteivertreter wechseln oder aber ­ unter Verzicht auf die Parteientschädigung ­ die Beschwerde in eigenem Namen einreichen muss. Davon ist ein gewisser Abhalteeffekt zu erwarten, der zur Entlastung des Bundesgerichts beitragen dürfte.

Die Zulassung von Anwälten mit einem ausländischen Anwaltspatent wird durch das Anwaltsgesetz vom 23. Juni 2000 (BBl 2000 3594) und durch das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (BBl 1999 7027) geregelt.

Absatz 2 entspricht dem geltenden Recht (vgl. Art. 29 Abs. 1 OG). Auf Gesuch des Schweizerischen Anwaltsverbandes wurde die Zuständigkeit des Bundesgerichts zur Beurteilung von streitigen Anwaltshonoraren aufgehoben (vgl. Art. 161 OG). Solche Verfahren sind sehr zeitaufwendig und können vor kantonalen Zivilgerichten besser geführt werden.

4293

Artikel 38

Unfähigkeit zur Prozessführung

Diese Bestimmung regelt die obligatorische Vertretung, wenn eine Partei offensichtlich nicht imstande ist, ihre Sache selber zu führen. Absatz 1 entspricht dem geltenden Recht (Art. 29 Abs. 5 OG). Weigert sich die Partei, einen Vertreter beizuziehen, so handelt der vom Bundesgericht bezeichnete Anwalt im Namen dieser Partei, ohne dass er dazu einer Vollmacht bedarf.

Im allgemeinen muss die Partei das Honorar des vom Bundesgericht bezeichneten Anwalts begleichen, soweit es nicht durch eine zugesprochene Parteientschädigung gedeckt wird. Für den Fall, dass die Partei zahlungsunfähig ist, sieht Absatz 2 neu vor, dass der Anwalt aus der Gerichtskasse eine angemessene Entschädigung zugesprochen erhält, wurde er doch vom Bundesgericht verpflichtet, die Partei zu vertreten.

Artikel 39

Rechtsschriften

Die Bestimmungen über die Anforderungen an die Rechtsschriften und die Verbesserung mangelhafter Eingaben lehnen sich grundsätzlich an die Artikel 30 und 108 OG an.

Die Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen (Abs. 1). Vorbehalten sind internationale Abkommen, welche das Einreichen von Verfahrensakten in einer Fremdsprache erlauben. Wer rätoromanischer Sprache ist, kann gemäss Artikel 70 Absatz 1 BV eine Rechtsschrift in Rätoromanisch einreichen. Im Gegensatz zu Artikel 50 BGG, welcher die Sprache festlegt, in der das Bundesgericht das Verfahren führt und seine Entscheide fällt, beschränkt Artikel 39 Absatz 1 das Romanische nicht auf Rumantsch Grischun. Tatsächlich wurde Rumantsch Grischun vor noch nicht langer Zeit geschaffen; es wird von der rätoromanischsprachigen Bevölkerung zwar verstanden, jedoch aktiv nur von einem Teil beherrscht. Personen rätoromanischer Sprache haben deshalb das Recht, ihre Regionalsprache zu verwenden, wenn sie ans Bundesgericht gelangen.

Die Begründungspflicht (Abs. 2) ist an sich nicht neu. Die Rechtsschriften haben sich schon nach geltendem Recht zu Fragen der Zulässigkeit zu äussern und die geltend gemachten Rechtsverletzungen zu nennen (Art. 55 Abs. 1, 71 Bst. c, 90 Abs. 1 Bst. b, 108 Abs. 2 OG, 273 Abs. 1 BStP). Für die Beschwerden hat die Begründungspflicht eine ganz spezifische Bedeutung: Die Beschwerdeschrift hat in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid eine Rechtsnorm gemäss den Artikeln 90 und 91 BGG verletzt oder auf einer unrichtigen Feststellung des Sachverhalts im Sinne von Artikel 92 BGG beruht. Absatz 2 lehnt sich damit für die Begründungspflicht an die Anforderungen der Berufung (Art. 55 Abs. 1 OG), der Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 273 Abs. 1 BStP) und der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 90 Abs. 1 OG) an. Demgegenüber wird es Sache der Rechtsprechung sein, zu entscheiden, ob eine Begründung ohne ausdrückliche Nennung der verletzten Bestimmungen ausreicht. Angesichts der hohen Arbeitslast des Bundesgerichts muss verlangt werden, dass die Beschwerdeführer ihre Begehren hinreichend begründen und damit zu einer effizienten Justiz beitragen. Im Falle eines Verstosses gegen die so umschriebene Begründungspflicht gelangen unterschiedliche Sanktionen zur Anwendung: Sind sämtliche Begehren unzureichend begründet,
kann die Beschwerde im vereinfachten Verfahren als unzulässig erklärt werden (Art. 102 Abs. 1 Bst. b BGG). Ist nur ein Teil der Begehren unzureichend begründet, so wer4294

den diese Begehren im ordentlichen Verfahren als unzulässig erkannt (Art. 96 ff.

BGG). Schliesslich gibt es noch die Möglichkeit, dass ein Begehren zulässig ist, weil es auf einer hinreichend begründeten Rüge beruht; gleichzeitig aber andere Rügen, die dasselbe Begehren unterstützen sollen, unzureichend begründet sind. Sind diese weiteren Rügen der Begründungspflicht unterworfen (Art. 100 Abs. 2 BGG), so prüft das Bundesgericht sie nicht. Unterliegen sie dagegen keiner spezifischen Begründungspflicht, so hat das Bundesgericht sie in Anwendung des Grundsatzes iura novit curia (Art. 100 Abs. 1 BGG) trotz unzureichender Begründung zu beurteilen.

Bei Beschwerden, die nur unter der Voraussetzung zulässig sind, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (vgl. Art. 70, 74 und 79 BGG), hat der Beschwerdeführer auszuführen, weshalb eine solche Frage vorliegt (Abs. 2 Satz 2). Es kann nicht Aufgabe des Bundesgerichts sein, selber nach solchen Gründen zu suchen. Vielmehr soll es sich beim Entscheid darüber, ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, im wesentlichen auf die Argumentation des Beschwerdeführers abstützen können. Das Gesetz verlangt vom Beschwerdeführer indessen nicht den Nachweis, dass eine solche Frage vorliegt. Das Bundesgericht soll die Möglichkeit haben, in einem Begehren eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu erkennen, die der Beschwerdeführer nicht als solche eingestuft hat.

Das Erfordernis einer Begründung ist umso wichtiger, als Artikel 102 Absatz 1 Buchstabe c BGG für die Behandlung von Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, das vereinfachte Verfahren vorsieht. Der Entscheid darüber, ob sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, wird somit im allgemeinen durch zwei Richter einzig auf Grund der Beschwerde und vor der Durchführung des Schriftenwechsels gefällt (Art. 102 Abs. 2 und 3 BGG).

Wie im geltenden Recht, hat der Beschwerdeführer oder sein Vertreter gemäss Absatz 1 die Rechtsschrift zu unterschreiben. Wird diese dem Bundesgericht auf elektronischem Weg zugestellt, so muss es sich bei der Unterschrift um eine anerkannte digitale Signatur handeln (Abs. 4). Nur eine digitale Signatur, die mit einem kryptografischen Schlüssel versehen ist, der von einem Zertifizierungsdienst
gemäss der Verordnung des Bundesrates über Dienste der elektronischen Zertifizierung (ZertDV, SR 784.103) ausgestellt worden ist, kann als nach schweizerischem Recht anerkannt gelten. Handelt es sich beim Beschwerdeführer um eine juristische Person oder um eine Behörde, so muss das Zertifikat auf den Namen einer natürlichen Person, welche die Unterschriftsbefugnis für die juristische Person oder die Behörde hat, ausgestellt worden sein (vgl. 2.6.3.1.3).

Wird eine Beschwerde auf elektronischem Weg eingereicht, so genügt es nicht, wenn nur die Rechtsschrift mit der digitalen Signatur versehen ist. Dies allein verleiht dem Bundesgericht noch nicht Gewissheit darüber, dass es sich auch bei den der Rechtsschrift beigefügten Beilagen um Dokumente handelt, die vom Beschwerdeführer gesendet wurden. Absatz 4 verlangt deshalb, dass das Dokument, welches die Rechtsschrift und die Beilagen enthält, von der Partei oder ihrem Vertreter mit einer anerkannten digitalen Signatur versehen wird. Damit wird gewährleistet, dass es sich bei den Beilagen um die in der Rechtsschrift genannten Dokumente handelt, dass sie vom Beschwerdeführer oder seinem Vertreter stammen und dass sie seit ihrem Versand nicht verändert worden sind.

4295

In welchem Format das digitale Dokument, das die Beschwerdeschrift und die möglichen Beilagen enthält, übermittelt werden kann, legt das Bundesgericht in einem Reglement fest (Abs. 4 Satz 2). Dabei kann es eines oder mehrere Formate für zulässig erklären (vgl. 2.6.3.1.5). Falls für ein bestimmtes Format ein kommerzielles Produkt erworben werden muss, gilt es, Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern.

Denkbar ist, dass das vorgeschriebene Format speziell für die Bedürfnisse der Behörden ausgearbeitet und denjenigen Personen zur Verfügung gestellt wird, die beabsichtigen, mit den Behörden auf elektronischem Weg zu kommunizieren. Die Entwicklung eines Programms zur Umwandlung von Daten eines üblichen Textverarbeitungsprogramms in dieses offizielle Format wäre dann der Privatwirtschaft überlassen. Was die möglichen Formate für die Beilagen des Hauptdokumentes anbelangt, bedarf es einer gewissen Offenheit. Handelt es sich bei der Beilage um ein digital unterzeichnetes Original, so muss seine Zustellung ans Bundesgericht zugelassen werden, auch wenn es sich um ein atypisches Dokumentenformat handelt.

Allenfalls könnte vom Absender verlangt werden, dass er eine Version im offiziellen Format beifügt. Sollte das im Reglement des Bundesgerichts vorgeschriebene Format nicht berücksichtigt werden, findet Artikel 39 Absatz 6 BGG Anwendung. Danach kann das Bundesgericht das Dokument zur Behebung des Mangels an seinen Absender zurücksenden. Eine Pflicht hierzu besteht allerdings nicht: Das Bundesgericht kann auch darauf verzichten und die Rechtsschrift für unbeachtlich erklären, falls das vom Absender gewählte Format vom Informationssystem des Bundesgerichts nicht gelesen werden kann und daher jegliche Identitätskontrolle zwischen dem unleserlichen und einem später übermittelten Dokument ausgeschlossen ist. Die Möglichkeit, ein falsches Format zu korrigieren, darf indessen nicht dazu führen, dass die Beschwerdeeingabe nach Fristablauf ergänzt wird.

Die Absätze 5­7 entsprechen dem geltenden Recht (Art. 30 Abs. 2 und 3, Art. 36a Abs. 2 OG).

Auf die geltende Vorschrift betreffend die Anzahl Exemplare einer Beschwerdeschrift (Art. 30 Abs. 1 und 108 OG) wurde verzichtet. Eine solche käme für elektronisch zugestellte Rechtsschriften nicht zur Anwendung. Es wird Aufgabe des Bundesgerichts sein, die elektronisch
eingereichte Beschwerdeschrift in genügender Anzahl zu drucken oder sie auf elektronischem Weg weiterzuleiten. Das Erfordernis von mehreren Exemplaren verliert auch für die auf dem Postweg zugestellten Rechtsschriften grösstenteils die Berechtigung. Denn das Bundesgericht wird als Folge der Zulässigkeit des elektronischen Verkehrs früher oder später ein elektronisches Aktenerfassungssystem einführen müssen. Damit werden auch die in Papierform eingereichten Dokumente digitalisiert und elektronisch erfasst werden. Falls die übrigen Verfahrensbeteiligten mit der elektronischen Zustellung von Prozessakten einverstanden sind, kann davon ausgegangen werden, dass das Bundesgericht ihnen die digitale Version und nicht die Papierversion der Beschwerdeschrift zustellen wird. Würde man weiterhin für schriftliche Beschwerdeschriften die Einreichung so vieler Exemplare verlangen, wie Parteien beteiligt sind, würden beim Bundesgericht häufig überflüssige Exemplare anfallen. Es rechtfertigt sich daher, auf die Pflicht zu verzichten, mehrere Exemplare einzureichen.

4296

4.1.2.5 Artikel 40

5. Abschnitt: Fristen Beginn

Absatz 1 entspricht Artikel 32 Absatz 1 OG. Mit der neuen Formulierung wird jedoch erreicht, dass bei Beginn des Fristenlaufs während der Feiertage der erste Tag nach den Feiertagen zählt. Die heutige gegenteilige Rechtsprechung ist somit hinfällig (BGE 122 V 60).

Absatz 2 entspricht der geltenden Rechtsprechung. Die mit eingeschriebener Briefpost zugestellten Mitteilungen gelten am siebenten Tag nach dem ersten Zustellungsversuch als zugestellt, wenn die eingeschriebene Sendung bis dahin nicht in Empfang genommen worden ist. Es handelt sich dabei um eine rechtliche Fiktion, die nicht von der von der Post festgelegen Abholfrist beeinflusst wird. Ob die Abholfrist der Post länger ist oder erstreckt wurde, hat auf die Massgeblichkeit der siebentägigen Frist keinen Einfluss. Eine ausdrückliche Regelung der Zustellungsfiktion drängt sich auf, nachdem die entsprechende Bestimmung auf den 1. Januar 1998 aufgehoben worden ist (Art. 169 der Verordnung zum Postverkehrsgesetz).

Zur Frist für die elektronische Zustellung (vgl. Ziff. 2.6.3.2.1.

Artikel 41

Ende

Die Bestimmung entspricht dem geltenden Recht (Art. 32 Abs. 2 OG) mit dem Unterschied, dass der 1. August als ein vom Bundesrecht anerkannter Feiertag genannt wird.

Artikel 42

Stillstand

Gesetzlich oder richterlich nach Tagen bestimmte Fristen stehen nicht mehr nur bis zum 1. Januar (Art. 34 OG), sondern bis und mit 2. Januar still (Abs. 1 Bst. c).

Der Vorbehalt von Artikel 34 Absatz 2 OG in Bezug auf Schuldbetreibungs- und Konkurssachen wurde auf die Fälle der Wechselbetreibung beschränkt, für die auch das SchKG keine Ferien kennt (Art. 56 SchKG). Die im geltenden Recht vorgesehene Ausnahme für Strafsachen ist nicht mehr gerechtfertigt, da das Bundesgericht in diesem Bereich nur noch Beschwerdeinstanz sein wird.

Artikel 43

Erstreckung

Die Bestimmung stimmt mit Artikel 33 OG überein.

Artikel 44

Einhaltung

Die Absätze 1 und 3 entsprechen gesamthaft Artikel 32 Absätze 3 bis 5 OG. Alle Beschwerden müssen jedoch direkt beim Bundesgericht eingereicht werden. Die heute im Bereich der Zivilrechtspflege vorherrschende Regelung, wonach die Beschwerde bei derjenigen kantonalen Behörde einzureichen ist, deren Entscheid angefochten wird (Art. 54, 69 und 78 OG), wird fallengelassen. Die Lösung nach Artikel 44 BGG wurde im Übrigen für die Nichtigkeitsbeschwerde bereits übernommen (Art. 272 BStP gemäss Teilrevision des OG vom 23. Juni 2000, AS 2000 2719).

4297

Die Einreichung der Beschwerdeschrift auf elektronischem Weg ist, was die Einhaltung der Fristen anbelangt (Abs. 2), besonderen Regeln unterstellt. Zunächst muss die Rechtsschrift zusammen mit ihren Beilagen bei demjenigen Informatiksystem eingehen, welchem die elektronische Zustelladresse des Bundesgerichts angehört.

Dabei kann es sich um das eigene Informatiksystem des Bundesgerichts handeln, falls dieses über einen direkten Zugang zum Internet verfügt und eine ununterbrochene Zugänglichkeit rund um die Uhr gewährleistet wird. Oder es kann sich um das Informatiksystem eines öffentlichen oder privaten Zwischenanbieters handeln, welchem die Aufgabe übertragen worden ist, die an die Behörde adressierten Dokumente zu empfangen. Sobald dieses Informatiksystem eine lesbare elektronische Mitteilung erhält, wird es deren Empfang bestätigen. Da der Zeitpunkt des Versandes der Empfangsbestätigung entscheidend ist, wird der Absender der Beschwerdeschrift in der Regel schnell wissen, ob er die Frist eingehalten hat oder nicht. Falls ein Problem auftritt, sollte er genügend Zeit haben, seine Rechtsschrift bei der Post aufzugeben oder erneut eine elektronische Zustellung zu versuchen. Falls die Beschwerde bei einer unzuständigen Bundesbehörde eingereicht worden ist, gelangt Artikel 21a VwVG zur Anwendung. Ist diese Behörde ermächtigt, auf elektronischem Weg Rechtsschriften zu erhalten, so gilt die Frist gemäss Art. 44 Abs. 3 BGG als gewahrt. Fehlt der Behörde die entsprechende Ermächtigung, so entfaltet der Versand keine Rechtswirkung.

Absatz 4 enthält eine Neuerung, indem er die Fristwahrung für die Zahlung eines Vorschusses oder für eine Sicherstellung regelt. Gegenwärtig wendet die Rechtsprechung Artikel 32 Absatz 3 OG betreffend die Einreichung der Beschwerdeschrift analog an und unterscheidet nach der Art der Zahlung. Wird die Zahlung bei einer Poststelle vorgenommen, so ist die Frist gewahrt, wenn die Zahlung vor Ablauf der Frist erfolgt. Erfolgt die Zahlung über ein Postkonto, so ist die Frist gewahrt, wenn die Post vor Fristablauf im Besitz des Zahlungsauftrags ist, wobei der Tag, an welchem die Zahlung tatsächlich erfolgt ist, keine Rolle spielt. Erfolgt die Zahlung über ein Bankkonto, und benützt die Bank den Sammelauftragsdienst der Post, so ist die Frist gewahrt, wenn das auf dem Datenträger
festgelegte Fälligkeitsdatum spätestens dem letzten Tag der vom Bundesgericht festgesetzten Frist entspricht und der Datenträger innerhalb dieser Frist der Post übergeben wurde (BGE 117 Ib 220). Weil die Inhaber von Bankkonten den Zeitpunkt, in welchem die Post in den Besitz des Datenträgers mit den Zahlungsaufträgen gelangt, grundsätzlich nicht beeinflussen können, haben sie die Zahlung der Kostenvorschüsse über eine Woche vorher zu veranlassen, um eine gewisse Sicherheit zu haben, dass die festgesetzte Frist eingehalten wird. Sie sind damit gegenüber Inhabern von Postkonten benachteiligt. In der Antwort auf die Motion Hans Hess (00.3446) schlägt der Bundesrat deshalb vor, die Bedingungen der Fristeinhaltung zur Bezahlung von Vorschüssen ausdrücklich zu regeln. Massgebend sind alternativ zwei Kriterien: Entweder der Zeitpunkt, in welchem der Betrag der Schweizerischen Post zu Gunsten des Bundesgerichts übergeben wurde (sei dies am Postschalter oder anlässlich einer Überweisung im Ausland), oder der Zeitpunkt, in welchem der Zahlungsauftrag zu Gunsten des Bundesgerichts dem Post- oder Bankkonto des Beschwerdeführers oder seines Vertreters belastet worden ist. Wird der Betrag dem Konto des Bundesgerichts nicht rechtzeitig gutgeschrieben, so hat der Beschwerdeführer den Nachweis zu erbringen, an welchem Tag der Betrag zu Gunsten des Bundesgerichts seinem Konto bzw. demjenigen seines Vertreters belastet worden ist. Dabei handelt es sich nicht um ein zusätzliches Erschwernis, denn schon heute muss das Bundesgericht bei der Post abklären, wann 4298

diese in den Besitz der Zahlungsaufträge gelangte, die seinem Konto verspätet gutgeschrieben worden sind. Für den Inhaber eines Postkontos ist die Situation weniger vorteilhaft als heute, denn der Versand des Zahlungsauftrags in einem Umschlag am letzten Tag der Frist wird für deren Einhaltung nicht mehr ausreichen. Ein Beschwerdeführer hat jedoch weiterhin die Möglichkeit, den Betrag am letzten Tag der Frist direkt am Postschalter einzubezahlen. Schickt er seinen Zahlungsauftrag auf dem Postweg an die Postfinanz oder an seine Bank, so sollte er dies wenigstens einen Tag vorher tun, damit sein Auftrag rechtzeitig ausgeführt werden kann. Es bleibt jedoch ein Restrisiko für denjenigen Beschwerdeführer bestehen, der die Zahlung von seinem Konto kurz vor Ablauf der Frist veranlasst hat (z. B. im Fall einer Informatikpanne). Dieses Risiko hat der Beschwerdeführer allein zu tragen, denn sowohl die Post als auch die Banken lehnen normalerweise in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen jegliche Verantwortung für leichtes Verschulden ab.

Artikel 45

Mangelhafte Eröffnung

Diese Bestimmung wurde von Artikel 107 Absatz 3 OG übernommen. Sie bezweckt keine Änderung der Rechtsprechung, wonach sich niemand auf die Fehlerhaftigkeit einer Rechtsmittelbelehrung berufen kann, falls die Fehlerhaftigkeit allein durch Konsultierung der Gesetzestexte hätte erkannt werden können (BGE 117 Ia 420, 124 I 255).

Artikel 46

Wiederherstellung

Gemäss Absatz 1 wird die Frist zur Einreichung des Gesuchs um Wiederherstellung der Frist von 10 auf 30 Tage nach Wegfall des Hindernisses erhöht (vgl. Art. 35 Abs. 1 OG), damit die versäumte Rechtshandlung innerhalb derselben Frist nachgeholt werden kann.

Absatz 2 entspricht der Rechtsprechung (BGE 85 II 145) und der Lehre (Poudret, Commentaire de l'OJ, 1990, Art. 35, n. 3.3, mit weiteren Hinweisen).

4.1.2.6 Artikel 47

6. Abschnitt: Streitwert Berechnung

Fragen im Zusammenhang mit der Bestimmung des (Geld-)Wertes des Streitgegenstandes spielen heute vor allem im Zivilprozess eine Rolle. Im vorliegenden Entwurf kommt ihnen eine erhöhte Bedeutung zu. Die Beschwerde in Zivilsachen ist bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten grundsätzlich nur zulässig, wenn der Streitwert 40'000 Franken erreicht (Art. 70 Abs. 1 BGG). Diese Voraussetzung betrifft auch Fälle, für die heute kein Streitwert gilt, weil sie nicht der Berufung unterliegen, so beispielsweise betreffend die Anerkennung eines ausländischen Urteils oder gewisse Entscheide auf dem Gebiet der Schuldbetreibung und des Konkurses.

Absatz 1 ändert die Berechnung des Streitwerts, weil dieser inskünftig aufgrund dessen bestimmt wird, was vor Bundesgericht noch streitig ist. Der Streitwert bemisst sich nach der Differenz zwischen den vor der Vorinstanz streitig gebliebenen Begehren und dem Betrag, den diese zugesprochen hat. Demgegenüber ergibt sich der Streitwert nach geltendem Recht allein aus den vor der Vorinstanz streitig gebliebe4299

nen Begehren. Dies sei am Beispiel einer zivilrechtlichen Streitigkeit erläutert, bei der vor der letzten kantonalen Instanz ein Betrag von 55 000 Franken streitig geblieben ist. Nach geltendem Recht beträgt der massgebende Streitwert für die Zulässigkeit der Berufung unabhängig vom Entscheid der Vorinstanz 55 000 Franken. Falls diese der klagenden Partei 50 000 Franken zugesprochen hat, kann letztere vor dem Bundesgericht gleichwohl die restlichen 5000 Franken geltend machen. Dies soll nach der in Absatz 1 vorgesehenen Regelung nicht mehr möglich sein, da der Streitwert für die ans Bundesgericht gelangende Partei nur 5000 Franken beträgt. Ihr Interesse, den Prozess vollständig zu gewinnen, ist nach dem Entscheid der letzten kantonalen Instanz nicht grösser als das Interesse einer Person, die vor den kantonalen Gerichten erfolglos 5000 Franken eingeklagt hat. Umgekehrt kann jede Partei, die bestreitet, die 50 000 Franken zu schulden, zu denen sie die letzte kantonale Instanz verurteilt hat, gegen diesen Entscheid Beschwerde ans Bundesgericht führen, weil für sie der Streitwert 50 000 Franken beträgt. Es ist davon auszugehen, dass mit der neuen Berechnungsmethode etwa 5 Prozent der Prozesse, die nach geltendem Recht einen Streitwert von mehr als 40 000 Franken haben, nach neuem Recht unter dieser Grenze liegen werden.

Das System des geltenden Rechts wurde 1943 gewählt, damit a priori und nicht erst nach Abschluss des kantonalen Verfahrens bestimmt werden kann, ob eine Berufung zulässig ist (Botschaft, BBl 1943 120). Dieses Argument ist heute nicht mehr stichhaltig, denn eine Beschwerde ans Bundesgericht ist auch bei Nichterreichen des minimalen Streitwerts möglich, wenn sie eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung betrifft (Art. 70 Abs. 2 und 79 BGG; Art. 191 Abs. 2 BV-Justizreform). Es wird daher Sache der Kantone sein, ihre Gesetzgebung anzupassen, falls diese je nach Rekursmöglichkeit ans Bundesgericht unterschiedliche Rechtswege vorsieht.

Hat die Beschwerde einen in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit gefällten Voroder Zwischenentscheid zum Gegenstand, kann der Streitwert nicht nach der ordentlichen Regel berechnet werden, weil die Vorinstanz noch nicht über die materiellen Begehren der Parteien entschieden hat. Aus diesem Grund sieht Absatz 1 vor, dass sich der Streitwert in einem
solchen Fall nach den Begehren bestimmt, die vor der Instanz streitig geblieben sind, bei der die Hauptsache hängig ist (Bst. c). Damit wird vermieden, dass die Beschwerde ans Bundesgericht leichter gegen Vor- oder Zwischenentscheide als gegen Endentscheide möglich ist. Dasselbe gilt für Rekurse gegen Teilentscheide im Sinne von Artikel 86 BGG, weil der Zugang zum Bundesgericht andernfalls durch die Trennung eines Prozesses in mehrere Teilentscheide beeinflusst werden könnte (Bst. b).

Die Absätze 2 bis 4 entsprechen Artikel 36 Absätze 2 bis 5 OG.

Artikel 48 und 49 Die Bestimmungen entsprechen Artikel 47 OG.

4.1.2.7

7. Abschnitt: Verfahrenssprache (Art. 50)

Die Bestimmungen über die Verfahrenssprache bilden neu Gegenstand eines besonderen Artikels. Das geltende Recht erwähnt bloss die Sprache der Rechtsschriften (Art. 30 Abs. 1 OG) und des Urteils (Art. 37 Abs. 3 OG). Das Recht der Parteien, 4300

eine der Amtssprachen zu wählen, galt aber bereits von Verfassung wegen für das ganze Verfahren.

Änderungen ergeben sich aus dem neuen Sprachenartikel der Bundesverfassung, der im Verkehr zwischen dem Bund und den rätoromanisch sprechenden Personen auch das Rätoromanische als Amtssprache anerkennt (Art. 70 Abs. 1 BV). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung folgt daraus die Pflicht, das Urteil zumindest in jenen Fällen in rätoromanischer Sprache zu verfassen, in denen eine romanische Gemeinde oder Person gegen den Entscheid einer Instanz des Kantons Graubünden Beschwerde geführt hat (BGE 122 I 95 E. 1). Absatz 1 erwähnt ausdrücklich das Rumantsch Grischun unter den Amtssprachen, um klarzustellen, dass das Verfahren nur in dieser Variante der rätoromanischen Sprachen geführt werden kann, selbst wenn die Beschwerdeschrift in einer Regionalsprache verfasst wurde (vgl. Art. 39 Abs. 1 Bst. a BGG und die diesbezüglichen Erläuterungen).

Wie im geltenden Recht bestimmt die Sprache des angefochtenen Entscheids die Sprache des Beschwerdeverfahrens. Verwenden die Parteien in den Rechtsschriften eine andere Amtssprache, so kann das Bundesgericht das Verfahren jedoch auch in dieser Sprache führen (Abs. 1). Bei Klageverfahren ist auf die (Amts)Sprache der Parteien Rücksicht zu nehmen (Abs. 2).

Immer häufiger legen die Parteien der Beschwerdeschrift oder der Antwort Urkunden bei, die nicht in einer Amtssprache verfasst sind. Die Praxis tendiert dazu, solche Urkunden zuzulassen, ohne deren Übersetzung zu verlangen, wenn die Mitglieder des Gerichts, der Gerichtsschreiber und die anderen Parteien die Sprache kennen, in der diese Urkunden verfasst sind. Dies gilt insbesondere für englisch verfasste Urkunden. Absatz 3 entspricht dieser Praxis. Hervorzuheben ist, dass das Einverständnis der Parteien nicht ausdrücklich erfolgen muss. Die Zustimmung erfolgt stillschweigend, wenn jede Partei Urkunden in derselben Fremdsprache einreicht, ohne eine Übersetzung in eine Amtssprache beizulegen.

Beherrscht eine Partei die Verfahrenssprache oder die von der Gegenpartei für ihre Verfahrensschriften gewählte Amtssprache nicht, so ordnet das Bundesgericht die Übersetzung aller Schriftstücke und mündlichen Äusserungen an, auf deren Verständnis die Partei angewiesen ist, um dem Verfahren folgen zu können (vgl. dazu BGE 118
Ia 462 ff.). Diese Regelung findet ihren Niederschlag in Absatz 4, welcher Artikel 4 Absatz 2 BZP entspricht. Sie kommt in jenen Fällen zur Anwendung, in denen es nicht genügt, dass der Rechtsvertreter die Verfahrenssprache beherrscht, namentlich bei strafrechtlichen Beschwerden (vgl. Art. 6 § 3 Bst. e EMRK; vgl. aber BGE 115 Ia 64). Sie gilt aber auch, wenn die Beschwerdeschrift in einer Sprache verfasst ist, die nicht einer offiziellen Sprache der kantonalen Behörde entspricht, deren Entscheid angefochten wird. Das Bundesgericht kann nicht von einer Zürcher oder einer Neuenburger Behörde verlangen, dass sie zu einer in italienischer oder romanischer Sprache verfassten Beschwerde Stellung nimmt.

4301

4.1.2.8 Artikel 51

8. Abschnitt: Beweisverfahren Grundsatz

Eigenständige Vorschriften über das Beweisverfahren sind nicht notwendig. Es kann auf die Bestimmungen im siebenten Titel des Bundeszivilprozesses verwiesen werden (Abs. 1).

Absatz 2 übernimmt inhaltlich Artikel 95 Absatz 1 OG (vgl. auch Art. 113 und 143 Abs. 4 OG).

Absatz 3 wiederholt der Vollständigkeit und besseren Übersichtlichkeit halber Artikel 5 Absatz 3 BZP.

Artikel 52

Anwesenheit der Parteien und Urkundeneinsicht

Die Absätze 1 und 2 stimmen weitgehend mit Artikel 38 BZP überein, der im Verweis von Artikel 51 BGG nicht enthalten ist. Die Bestimmung erwähnt zudem die öffentlichen Interessen, die ­ gleich wie die privaten Interessen (insbesondere Geschäftsgeheimnisse) ­ den Ausschluss einer Partei von der Beweiserhebung oder von der Urkundeneinsicht rechtfertigen können.

Absatz 3 lehnt sich an Artikel 28 VwVG an.

4.1.2.9 Artikel 53

9. Abschnitt: Urteilsverfahren Parteiverhandlung

Es steht ausschliesslich dem Abteilungspräsidenten zu, über die Anordnung von Parteiverhandlungen zu entscheiden (vgl. Art. 62 Abs. 1, 112, 143 Abs. 3 OG; Art. 276 Abs. 2 BStP). Ihm obliegt es somit, für die Einhaltung des internationalen Rechts besorgt zu sein, wenn dieses öffentliche Verhandlungen vorschreibt (vgl.

Art. 6 Abs. 1 EMRK). Die Durchführung einer Parteiverhandlung wird allerdings weiterhin die Ausnahme bilden; dies umso mehr, als das Bundesgericht grundsätzlich keine Sachverhaltskontrolle mehr ausüben wird (Art. 99 BGG).

Artikel 54

Beratung

Obwohl die Systematik des geltenden OG den Eindruck erweckt, dass die mündliche Beratung die wichtigste Form der Entscheidfindung bildet, trifft das Bundesgericht den weitaus grössten Teil seiner Entscheide im Zirkulationsverfahren (Art. 36a und 36b OG; 1999 ca. 97 Prozent aller Urteile). Es wäre völlig unrealistisch, das Schwergewicht wieder auf die mündliche Beratung verlagern zu wollen, ohne gleichzeitig den Zugang zum höchsten Gericht massiv zu beschränken. Absatz 1 erklärt deshalb, dass Entscheide auf dem Zirkulationsweg die Regel darstellen. Anders als nach dem geltenden Recht ist für Entscheide in der Besetzung mit drei Richtern im ordentlichen Verfahren keine Einstimmigkeit mehr erforderlich. Damit entfallen die manchmal problematischen Bemühungen, in möglichst vielen Fällen Einstimmigkeit herbeizuführen.

4302

Wie bisher kann eine mündliche Beratung vom Abteilungspräsidenten angeordnet oder von einem Richter verlangt werden (Abs. 2 Bst. a). Eine mündliche Beratung ist allerdings nötig, wenn die Richter in einer Sache nicht einig sind, die nach dem Gesetz in der Besetzung mit fünf Richtern entschieden werden muss (Abs. 2 Bst. b). Es handelt sich dabei namentlich um Streitigkeiten, die grundsätzliche Fragen aufwerfen, aber auch um solche, die die politischen Rechte auf kantonaler Ebene betreffen (Art. 18 Abs. 3 BGG). Die Bedeutung dieser Fälle rechtfertigt es, dass Meinungsunterschiede unter den Richtern in einer mündlichen Beratung bereinigt werden.

Artikel 55

Öffentlichkeit

Für den Fall, dass nicht auf dem Zirkulationsweg entschieden wird, schreibt Absatz 1 die Öffentlichkeit der Beratungen, der Abstimmungen und der allfällig angeordneten Parteiverhandlungen vor. Diese Regelung entspricht dem geltenden Recht (Art. 17 Abs. 1 OG); ihre Tragweite ist aber insofern stark eingeschränkt, als das Bundesgericht in der Regel auf dem Zirkulationsweg entscheidet (Art. 54 BGG).

Dass die Beratungen und Abstimmungen des Bundesgerichts öffentlich sind, beruht auf einer langen Tradition. Das Publikum und namentlich die Medien können auf diesem Weg eine gewisse Kontrolle ausüben und so einem allfälligen Misstrauen gegenüber einer zu grossen Macht der höchsten Richter in einem demokratischen Staat vorbeugen. Zudem wird das Verantwortungsbewusstsein der einzelnen Richter gestärkt, wenn sie sich direkt der Öffentlichkeit stellen müssen. Eine öffentliche Beratung bietet ferner Gelegenheit, eine Minderheitsmeinung publik zu machen, was im schriftlichen Entscheid nicht oder nur sehr beschränkt möglich ist. Schliesslich kann es für die Parteien vertrauensfördernd wirken, wenn sie mitverfolgen können, wie das Gericht über ihre Argumente debattiert.

Absatz 2 übernimmt inhaltlich Artikel 17 Absatz 3 OG. Diese Bestimmung eröffnet zusammen mit Artikel 54 BGG genügend Spielraum, um das Urteilsverfahren unter Ausschluss der Parteien oder der breiteren Öffentlichkeit durchzuführen. Die heute in Artikel 17 Absätze 1 und 2 OG vorgesehenen Ausnahmen brauchen daher nicht mehr ausdrücklich erwähnt zu werden.

Artikel 56

Eröffnung des Entscheids

Absatz 1 übernimmt inhaltlich Artikel 37 Absatz 2 OG.

Im Fall einer mündlichen (öffentlichen) Urteilsberatung ist das Dispositiv den Parteien sofort mitzuteilen (Abs. 2). Obschon das Urteil zu diesem Zeitpunkt gefällt ist, kann es noch eine gewisse Zeit dauern, bis die definitive schriftliche Begründung vorliegt.

Die Möglichkeit, bei einem auf dem Zirkulationsweg gefällten Entscheid das Dispositiv vor der Begründung zuzustellen, wird von der Bestimmung weder ausdrücklich erwähnt noch ausgeschlossen.

Absatz 3 regelt die elektronische Eröffnung von Entscheiden. Danach kann ein Entscheid nur dann auf elektronischem Weg eröffnet werden, wenn der Adressat sein Einverständnis dazu gegeben hat (vgl. Ziff. 2.6.3.2.2). Grundsätzlich gilt ein solches Einverständnis nur für ein einzelnes Verfahren vor dem Bundesgericht. Artikel 56 Absatz 3 BGG ist dennoch offen genug formuliert, um bestimmten Personen, wie etwa Anwälten oder auch Unternehmen, diese Eröffnungsart in einem grösseren 4303

Ausmass zu ermöglichen. Die Einverständniserklärung zur elektronischen Entscheideröffnung setzt voraus, dass eine elektronische Zustelladresse sowie der öffentliche kryptografische Schlüssel des Empfängers angegeben wird (Art. 36 Abs. 2 BGG). Kein ausdrückliches Einverständnis ist erforderlich bei Behörden, die gemäss der Bundesgesetzgebung (vgl. Art. 21a Abs. 1 VwVG sowie die zugehörige Übergangsbestimmung) oder der kantonalen Gesetzgebung ermächtigt sind, Verfahrensakten auf elektronischem Weg entgegen zu nehmen. Es wird dem Bundesgericht obliegen, in einem Reglement die Modalitäten der elektronischen Eröffnung festzulegen (vgl. Ziff. 2.6.3.2.3). Dazu gehört namentlich die Art und Weise, wie die Kommunikation erfolgen soll (Einrichtung von elektronischen Briefkästen, eingeschriebene Sendungen auf elektronischem Weg usw.; vgl. Ziff. 2.6.3.2.1) sowie die Bestimmung des Formats, das für die Lesbarkeit des Entscheids erforderlich ist (z.

B. PDF).

Artikel 57

Rechtskraft

Die Bestimmung entspricht Artikel 38 OG. Bei mündlicher Urteilsberatung ist der Entscheid rechtskräftig, wenn das Gericht über das Dispositiv entscheidet. Auf dem Zirkulationsweg gefällte Entscheide gelten als rechtskräftig, wenn nach Durchführung des Zirkulationsverfahrens die Mehrheit der Richter oder, falls das Gesetz Einstimmigkeit vorschreibt, sämtliche Richter dem vorgeschlagenen Urteilsdispositiv zugestimmt haben (Art. 54 Abs. 2 Bst. b und 102 Abs. 3 BGG).

4.1.2.10

10. Abschnitt: Kosten (Art. 58­64)

Die heute geltenden Bestimmungen über die Gerichtskosten und die Parteientschädigungen können zu einem grossen Teil ohne materielle Änderungen übernommen werden.

Leistet eine Partei, die das Gericht angerufen hat, der Aufforderung des Instruktionsrichters, einen Kostenvorschuss zu bezahlen oder eine Parteientschädigung sicherzustellen, nicht fristgerecht Folge, so wird nach Artikel 58 Absatz 3 auf ihre Rechtsvorkehr nicht eingetreten, ohne dass noch eine Nachfrist anzusetzen wäre (vgl. auch Art. 63 Abs. 4 VwVG). Die Abschreibung eines solchen Verfahrens erfolgt durch den Instruktionsrichter (Art. 29 Abs. 2 BGG).

Die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 60) sind aus Artikel 29 Absatz 3 BV übernommen worden. Die Zuständigkeit, den diesbezüglichen Entscheid zu fällen, hat indessen eine Änderung erfahren. Die Gewährung oder die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege wird grundsätzlich vom Gericht in der Besetzung mit drei Richtern gefällt (dies auch dann, wenn die Streitigkeit in der Besetzung mit fünf Richtern entschieden werden soll). Wird eine Beschwerde von Anfang an im vereinfachten Verfahren behandelt, so kann die Gewährung oder die Nichtgewährung der unentgeltlichen Rechtspflege von zwei Richtern beschlossen werden (Art. 102 Abs. 3 BGG). Sind die Voraussetzungen für die unentgeltliche Rechtspflege klar erfüllt, so kann sie der Instruktionsrichter selbst gewähren (Art. 60 Abs. 3). Diese Regelung ermöglicht schnelle Entscheide in klaren Fällen und sorgt gleichzeitig für eine gewisse Einheitlichkeit der Praxis in heiklen Fällen.

4304

Die Regelung der Bemessung der Gerichtskosten (Art. 61) wird vereinfacht. Der Höchstbetrag der Gerichtsgebühr bei Streitigkeiten mit Vermögensinteressen wird auf 100'000 Franken erhöht; dieser Betrag kann in besonderen Fällen verdoppelt werden (Art. 61 Abs. 3 und 5).

Das geltende Recht sieht in mehreren Fällen die Unentgeltlichkeit des Beschwerdeverfahrens vor. Drei dieser Fälle wurden für das Verfahren vor dem Bundesgericht durch eine Regelung ersetzt, die der sozialen Komponente der jeweiligen Verfahren Rechnung trägt und sicherstellt, dass die Kosten begrenzt sind. Die neue Bestimmung sieht vor, dass die Kosten unabhängig vom Streitwert festzulegen und grundsätzlich auf maximal 1000 Franken zu begrenzen sind (Art. 61 Abs. 4 und 5). Sie gilt für folgende Verfahren: ­

Beschwerdeverfahren über die Bewilligung oder Verweigerung von Leistungen der Sozialversicherungen (Art. 134 OG; vgl. Ziff. 2.3.1.3.2).

­

Beschwerdeverfahren über Diskriminierungen im Erwerbsleben (Art. 12 Abs. 2 Gleichstellungsgesetz, SR 151.1).

­

Beschwerdeverfahren über arbeitsrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 30 000 Franken (vgl. Art. 343 OR in der Fassung gemäss Änderung vom 15. Dezember 2000, BBl 2000 6112).

Die anderen Bestimmungen der Bundesgesetzgebung, welche die Unentgeltlichkeit des Verfahrens vor dem Bundesgericht vorsehen, sollen hingegen aufgehoben werden, so dass für die entsprechenden Fälle künftig die ordentliche Kostenregelung gelten wird. Davon betroffen sind: ­

Beschwerdeverfahren über politische Rechte (Art. 86 BPR, SR 161.1).

­

Beschwerden gegen Entscheide der oberen kantonalen Aufsichtsbehörden in Betreibungs- und Konkurssachen (Art. 20a Abs. 1 SchKG; Art. 61 Abs. 2 Bst. a GebV SchKG, SR 281.35). Die Unentgeltlichkeit des Verfahrens vor dem Bundesgericht ist nicht mehr gerechtfertigt, weil das Bundesgericht keine Oberaufsicht mehr im Betreibungs- und Konkurswesen ausüben wird.

­

Beschwerden betreffend Enteignungen aufgrund des Bundesgesetzes über die Enteignung (Art. 116 Abs. 1 EntG, SR 711). Da das Bundesgericht inskünftig zweite Beschwerdeinstanz sein wird, gibt es keinen Grund mehr, die enteignete Person, die gegen einen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts Beschwerde führt, automatisch von den Gerichtskosten zu befreien.

Die Grundsätze der Kostentragungspflicht vor Bundesgericht (Art. 62) sind weitgehend vom geltenden Recht übernommen worden. Kostenpflichtig ist grundsätzlich die unterliegende (Abs. 1) oder die unnötige Kosten verursachende (Abs. 3) Partei.

Diese Regelung kennt drei ausdrücklich erwähnte Ausnahmen: ­

Von den Gerichtskosten befreit sind von Verfassung wegen der Bund, die Kantone und die Gemeinden sowie ­ neu ­ die mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen, sofern sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis handeln und es nicht um ihr Vermögensinteresse geht (Abs. 4).

­

Das Bundesgericht kann die Gerichtskosten anders verteilen oder auf die Kostenerhebung verzichten, wenn die Umstände es rechtfertigen (Abs. 1 zweiter Satz). Es kann insbesondere auf die Auferlegung von Gerichtskosten verzichten, wenn es die Beschwerde einer nicht kostenpflichtigen Organisa4305

tion nach Absatz 4 (z. B. eines Sozialversicherungsträgers) gutheisst und sich diese Beschwerde gegen eine Verfügung richtet, die in einem von Bundesrechts wegen kostenlosen Verfahren ergangen ist.

­

Das Bundesgericht kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichten, wenn ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt wird (Abs. 2).

4.1.2.11

11. Abschnitt: Vollstreckung (Art. 65 und 66)

Der Entwurf enthält neu eine zu Artikel 40 VwVG und 75 BZP analoge Bestimmung, wonach Entscheide, die auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung in Geld gehen, nach den Regeln des SchKG zu vollstrecken sind (Art. 65).

Für die anderen Entscheide werden die Bestimmungen des geltenden Rechts übernommen, so die Verpflichtung der Kantone, die Entscheide des Bundesgerichts in gleicher Weise zu vollstrecken wie diejenigen der eigenen Gerichte (Art. 66 Abs. 1).

Wurde der erstinstanzliche Entscheid von einer Bundesverwaltungsbehörde gefällt, so erfolgt die Vollstreckung nach den Artikeln 41 bis 43 VwVG (Art. 66 Abs. 2), während die Artikel 74 bis 78 BZP zur Anwendung kommen, wenn das Bundesgericht den Entscheid auf Klage hin getroffen hat (Art. 66 Abs. 3).

Wie bis anhin (Art. 39 Abs. 2 OG) vorbehalten bleibt die Beschwerde an den Bundesrat bei mangelhafter Vollstreckung eines Entscheids des Bundesgerichts (Art. 66 Abs. 4). Nach der Rechtsprechung des Bundesrates besteht allerdings diese Möglichkeit nicht, wenn der Entscheid des Bundesgerichts auf eine Geldleistung lautet, denn die Vollstreckung dieser Leistungen erfolgt ausschliesslich nach den Regeln des SchKG.

4.1.3

3. Kapitel: Das Bundesgericht als Beschwerdeinstanz

4.1.3.1

1. Abschnitt: Beschwerde in Zivilsachen

Artikel 68

Grundsatz

Die Beschwerde in Zivilsachen hat ein sehr weites Anwendungsfeld. Es unterliegen ihr nicht nur die eigentlichen Zivilsachen, sondern auch gewisse öffentlichrechtliche Angelegenheiten, die einen engen Bezug zum Zivilrecht aufweisen (vgl.

Abs. 2 Bst. b), sowie die Entscheide in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen (vgl.

Abs. 2 Bst. a). Diese Durchmischung mag aus rechtsdogmatischer Sicht erstaunen; sie ist jedoch nicht zufällig, sondern beruht auf praktischen und pragmatischen Überlegungen.

Im Vordergrund stehen die Zivilsachen. Der Begriff der Zivilsache ist gleich zu verstehen wie im geltenden Rechts. Er umfasst demnach die Zivilrechtsstreitigkeiten (vermögensrechtlicher und nicht vermögensrechtlicher Natur), aber auch die nicht streitigen Zivilsachen (Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit wie etwa die Kraftloserklärung eines Wertpapiers). Absatz 1 weist der Beschwerde somit die Sachgebiete der heutigen Berufung und der Nichtigkeitsbeschwerde zu. Dadurch wird in der 4306

Bundesrechtspflege die nicht immer einfache Unterscheidung von streitiger und nicht streitiger Gerichtsbarkeit entbehrlich.

Absatz 2 unterstellt der zivilrechtlichen Beschwerde wie erwähnt auch die Angelegenheiten aus dem Schuldbetreibungs- und Konkursrecht. Dazu gehören zum einen jene SchKG-Sachen, die von einem Gericht beurteilt werden: Zunächst die rein betreibungsrechtlichen Streitigkeiten (d. h. einerseits die Summarsachen nach Art. 25 Ziff. 2 SchKG, wie etwa die Rechtsöffnung, die Konkurseröffnung, die Arrestbewilligung, das Nachlassverfahren, andererseits etwa die im beschleunigten Verfahren zu behandelnde Klage auf Feststellung des neuen Vermögens nach Art. 265a Abs. 4 SchKG), aber auch die betreibungsrechtlichen Streitigkeiten mit Reflexwirkung auf das materielle Recht (z. B. die Widerspruchs- und Kollokationsklage).

Zum anderen gehören zu den SchKG-Angelegenheiten jene betreibungsrechtlichen Beschwerdesachen, die von den kantonalen Aufsichtsbehörden beurteilt werden (Art. 17 ff. SchKG). Die neue Beschwerde in Zivilsachen übernimmt mit andern Worten auch das Anwendungsgebiet der heutigen betreibungsrechtlichen Beschwerde an das Bundesgericht (Art. 19 SchKG, Art. 76 ff. OG), freilich bei geänderter Rolle des Bundesgerichts: Dieses wird im Betreibungsrecht ­ entsprechend seiner bisherigen Funktion im Bereich der eigentlichen Zivilsachen ­ nur noch letzte Rechtsmittelinstanz und nicht mehr Oberaufsichtsbehörde sein (vgl. die Änderung von Art. 15 SchKG im Anhang zum BGG).

Die SchKG-Sachen ­ Gerichtssachen und Beschwerdeangelegenheiten ­ sind zwar grundsätzlich öffentlich-rechtlicher Natur. Sie werden aber trotzdem der zivilrechtlichen Beschwerde zugewiesen, da das Zivilrecht in diesem Bereich praktisch immer vorfrageweise angewendet werden muss: Vollstreckt wird immer in das Privatvermögen des Schuldners, in seine absoluten und relativen Vermögensrechte. Vollstreckung ist daher ohne Anwendung des Privatrechts nicht denkbar (vgl. z. B. im Zusammenhang mit der Feststellung der Aktivmasse im Konkurs, der Erstellung des Lastenverzeichnisses usw.). Die Zuordnung der SchKG-Sachen zur öffentlichrechtlichen Beschwerde wäre deswegen ­ obwohl dogmatisch sachgerecht ­ ein rechtstheoretisches Konstrukt geblieben. Ihre Unterbringung bei der zivilrechtlichen Beschwerde führt zu erheblichen Vereinfachungen.
Keine eigentlichen SchKG-Sachen sind demgegenüber die materiellrechtlichen Streitigkeiten, die im Laufe einer Betreibung entstehen können (z. B. die An- oder Aberkennungsklage). Wenn der Streit eine privatrechtliche Forderung betrifft, so liegt eine echte Zivilsache vor; geht es dagegen um eine öffentlich-rechtliche Forderung (z. B. um die Feststellung einer Steuerforderung nach Art. 79 SchKG), so handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit, und es kommt die öffentlich-rechtliche Beschwerde zur Anwendung (Art. 77 ff. BGG).

Nach Absatz 2 fallen noch weitere öffentlich-rechtliche Angelegenheiten unter die Beschwerde in Zivilsachen (Bst. b). Ihnen ist ein enger Zusammenhang mit dem Zivilrecht gemeinsam. Die Aufzählung ist nicht abschliessend; das Gesetz nennt nur einzelne Beispiele, um den nötigen Bezug der fraglichen Angelegenheiten zum Zivilrecht aufzuzeigen. Dazu gehören die Vollstreckung (Ziff. 1), der Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Registerführung nach Ziff. 2, Namensänderung nach Ziff. 3), die Stiftungsaufsicht und gesetzliche Vertretungstatbestände (Ziff. 4 und 5) sowie Massnahmen des Vormundschaftsrechts und des Kindesschutzes (Ziff. 6 und 7). Wie bei den SchKG-Sachen hätten auch diese Angelegenheiten aus rechtsdog4307

matischer Sicht eher der öffentlich-rechtlichen Beschwerde zugeordnet werden müssen, doch sprachen auch hier Gründe des Sachzusammenhangs und der Vereinfachung für die Zuordnung zur zivilrechtlichen Beschwerde. Hingegen unterliegen Entscheide auf dem Gebiet der beruflichen Vorsorge und der Freizügigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Ziff. 4).

Artikel 69

Ausnahme

Diese Bestimmung ­ sie entstammt dem geltenden Recht (Art. 100 Abs. 1 Bst. w OG) ­ schliesst die Beschwerde an das Bundesgericht aus gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen des Widerspruchsverfahrens betreffend eine Marke. Der Weiterzug an das Bundesverwaltungsgericht genügt, da es dem Opponenten bei Abweisung des Widerspruchs unbenommen ist, seine Rechte mit Zivilklage geltend zu machen. Das Zivilurteil kann bis ans Bundesgericht weitergezogen werden. Den anderen Ausschlussgründen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums (Art. 100 Abs. 1 Bst. i und n OG) kommt kaum praktische Bedeutung zu; auf ihre Übernahme ins BGG kann daher verzichtet werden.

Artikel 70

Streitwertgrenze

Nach Artikel 191 Absatz 2 BV-Justizreform kann der Gesetzgeber den Zugang zum Bundesgericht durch das Erfordernis eines Mindeststreitwertes begrenzen, sofern keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen ist. Artikel 70 BGG setzt diese verfassungsrechtliche Vorgabe um und macht bei allen vermögensrechtlichen Zivilrechtsstreitigkeiten den Weiterzug ans Bundesgericht von einem Mindeststreitwert von 40'000 Franken abhängig.

Diese Bestimmung geht in verschiedener Hinsicht über das geltende Recht hinaus.

Zunächst erhöht sie den Streitwert für die Zivilsachen, die heute der Berufung unterliegen, von 8000 auf 40 000 Franken. Diese Erhöhung kompensiert einerseits die Geldentwertung seit Festsetzung der Streitwertgrenze auf 8000 Franken im Jahre 1959 (inflationsbereinigt entspricht dieser Betrag heute 31 000 Franken). Andererseits trägt sie zur Entlastung des Bundesgerichts bei: Etwa ein Drittel der heute zulässigen Berufungen weist einen Streitwert von weniger als 40 000 Franken auf. In diesen Fällen wird die Beschwerde an das Bundesgericht nur noch zulässig sein, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, was vergleichsweise selten zutreffen dürfte.

Artikel 70 Absatz 1 geht auch insofern über das geltende Recht hinaus, als er die Sachgebiete erweitert, in denen künftig ein Mindeststreitwert erforderlich ist. Die Streitwertgrenze gilt neu für alle vermögensrechtlichen Zivilsachen, also auch für diejenigen, die heute der Nichtigkeitsbeschwerde, der staatsrechtlichen Beschwerde oder der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegen. Darunter fallen z. B. die Streitigkeiten über die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Entscheides auf Geldzahlung (Art. 68 Abs. 2 Bst. b. Ziff. 1 BGG). Es besteht kein Grund, in diesen Fällen grosszügigere Rechtsschutzmöglichkeiten vorzusehen als in jenen Forderungsstreiten, die von Anfang an vor Schweizer Gerichten ausgetragen wurden.

4308

Die Streitwertgrenze ist grundsätzlich auch auf dem Gebiet des Schuldbetreibungsund Konkursrechts anwendbar (Art. 68 Abs. 2 Bst. a BGG). Hier gilt jedoch eine doppelte Einschränkung: Die Beschwerde ist ohne Mindeststreitwert zulässig, sofern ein Entscheid der kantonalen SchKG-Aufsichtsbehörde nach Artikel 17 ff. SchKG angefochten wird (Abs. 2 Bst. c). Gerade in diesen Fällen hat sich der Zugang zum Bundesgericht bewährt und zu einer effizienten und einheitlichen Anwendung des Betreibungs- und Konkursrechts geführt, ohne dass dadurch das oberste Gericht übermässig belastet worden wäre. Die Streitwertgrenze gilt daher nur für jene SchKG-Sachen, die in die Zuständigkeit eines Gerichts fallen. Dazu gehören jene Angelegenheiten, die im ordentlichen (beschleunigten oder nicht beschleunigten) Zivilprozess beurteilt werden (z. B. die paulianische Anfechtung oder die Aberkennungsklage); sie unterliegen bereits heute der Berufung. Bei den betreibungsrechtlichen Summarsachen (Art. 25 Ziff. 2 SchKG) ist hingegen zu unterscheiden: Die Beschwerde ist unabhängig vom Streitwert zulässig gegen Entscheide des Konkursund Nachlassgerichts (Abs. 2 Bst. d), da die Streitwertberechnung in diesen Fällen heikel wäre. Bei den übrigen Summarsachen gelangt die Grenze von 40'000 Franken dagegen zur Anwendung; dies gilt insbesondere für die Rechtsöffnung und den Arrest.

Die Erweiterung des Streitwertprinzips hat nicht zur Folge, dass sämtliche Beschwerden, die den erhöhten Mindestwert nicht erreichen, unzulässig sind. Vielmehr garantieren Artikel 191 Absatz 2 BV und Artikel 70 Absatz 2 Buchstabe a BGG die Zulässigkeit jeder Beschwerde, sofern sie eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Darin liegt ein ganz wesentlicher Unterschied zur Revision des OG im Jahre 1990, die den Streitwert bei der Berufung auf 30'000 Franken erhöhen wollte und vom Volk am 1. April 1990 verworfen wurde. Dank des Vorbehalts der Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wird das Bundesgericht alle Rechtsfragen, die für die Entwicklung der Rechtsordnung wesentlich sind, weiterhin prüfen können ­ unabhängig vom Streitwert. Zwar wird der Begriff der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung weder in der Bundesverfassung noch im BGG näher umschrieben. Es handelt sich damit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der von der Praxis konkretisiert
werden muss. Eine Legaldefinition wäre nicht sachgerecht; sie liefe Gefahr, die Anerkennung einer Grundsatzfrage durch das Bundesgericht in Fällen zu vereiteln, in denen sich die Grundsätzlichkeit erst aus der konkreten Fallsituation ergibt. Immerhin kann gesagt werden, dass das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung regelmässig an zwei Bedingungen geknüpft ist: a.

zunächst muss die Auslegung einer Norm streitig sein, deren Verletzung vor Bundesgericht überhaupt gerügt werden kann.

b.

Sodann muss es sich um eine Rechtsfrage handeln, die einer höchstrichterlichen Klärung bedarf. Hier sind drei Hypothesen denkbar: 1. Eine Rechtsfrage wurde vom Bundesgericht noch nicht entschieden; sie bedarf aber insbesondere deshalb der höchstrichterlichen Klärung, weil die diesbezügliche Rechtsprechung der Vorinstanzen widersprüchlich ist. Eine Hauptaufgabe des Bundesgerichtes besteht ja darin, für die einheitliche Anwendung des Bundesrechts und des internationalen Rechts zu sorgen. Eine neue Rechtsfrage sollte ferner auch dann vom Bundesgericht beurteilt werden, wenn dessen Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann, namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden.

4309

2.

3.

Eine Rechtsfrage wurde vom Bundesgericht zwar bereits entschieden, und der angefochtene Entscheid stimmt mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts überein. Es bestehen aber neue Gründe, die dem Bundesgericht Anlass geben, seine Rechtsprechung zu überprüfen.

Schliesslich sollte eine Rechtsfrage dem Bundesgericht unterbreitet werden können, wenn die Vorinstanz von der Bundesgerichtspraxis abgewichen ist. Es ist Sache des Bundesgerichts, seine Praxis zu bestätigen oder zu ändern.

Die Garantie des Zugangs zum Bundesgericht im Falle einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gilt auch für jene Zivilrechtsstreitigkeiten, die unter dem geltenden Rechts mangels genügenden Streitwertes von 8000 Franken nicht berufungsfähig sind. Die Prüfung der grundsätzlichen Bedeutung wird daher zu einer nicht zu vernachlässigenden Mehrbelastung des Bundesgerichts führen, auch wenn dafür das vereinfachte Verfahren zur Anwendung kommt (Art. 102 BGG). Vor diesem Hintergrund sind die Erhöhung des Streitwertes und die Erweiterung seines Anwendungsbereichs unabdingbar.

Absatz 2 nennt eine weitere Ausnahme vom Erfordernis eines Mindeststreitwerts.

Sie entstammt dem geltenden Recht und betrifft die Entscheide jener kantonalen Behörden, die von Bundesrechts wegen als einzige Instanz entschieden haben (Abs. 2 Bst. b; vgl. Art. 45 Bst. a und c OG). Die Bundesgesetzgebung schreibt den Kantonen in gewissen Fällen vor, für die Beurteilung bestimmter Streitigkeiten eine einzige Instanz einzusetzen, dies insbesondere auf dem Gebiet des geistigen Eigentums.

Das Erfordernis des Mindeststreitwertes wäre in diesen Fällen nicht sachgerecht, da sonst der Grundsatz des doppelten Instanzenzugs durchbrochen würde, wie ihn das BGG für die übrigen Gebiete der zivilrechtlichen Beschwerde vorsieht (Art. 71 Abs. 2). Demgegenüber besteht kein Bedürfnis mehr, die Ausnahmen von Artikel 45 Buchstabe b OG zu übernehmen.

Artikel 71

Vorinstanzen

Die Beschwerde an das Bundesgericht ist nur zulässig gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide (Abs. 1); der kantonale Instanzenzug muss somit für die Rügen, die dem Bundesgericht vorgetragen werden, ausgeschöpft sein (Art. 90 ff. BGG). Vorinstanz kann auch das Bundesverwaltungsgericht sein, wenn die Angelegenheit erstinstanzlich von der Bundesverwaltung entschieden worden ist. Das kann namentlich in gewissen Registersachen der Fall sein (z. B. Verfügungen des Instituts für Geistiges Eigentum oder des Eidgenössischen Handelsregisteramtes).

Absatz 2 verlangt, dass die letzte kantonale Instanz ein oberes kantonales Gericht sein muss, denn ein Rechtsstreit soll nicht vor das Bundesgericht getragen werden können, ohne dass er zuvor von einer höchsten kantonalen Instanz beurteilt worden ist. Die Kantone können somit nicht mehr ein unteres kantonales Gericht als zweite und letzte Instanz einsetzen (vgl. Art. 48 Abs. 2 Bst. a OG). Im übrigen können die Kantone auch kein unteres Gericht mehr vorsehen für die Fälle, in denen das Bundesrecht eine einzige kantonale Instanz verlangt (vgl. Art. 48 Abs. 2 Bst. b OG).

Absatz 2 legt sodann das Prinzip des doppelten Instanzenzugs fest: Die letzte kantonale Instanz muss als Rechtsmittelinstanz entschieden haben, sei es gegenüber einem unteren Gericht oder gegenüber einer Verwaltungsbehörde. Diese Regelung schliesst aus, dass die Kantone ihre oberen Gerichte in Zivilsachen als erste und einzige In4310

stanzen einsetzen, wenn der Streitwert einen gewissen Betrag erreicht (z. B. ZH: 8000 Franken, § 43 Abs. 3 Gerichtsverfassungsgesetz). Das Fehlen einer kantonalen Rechtsmittelinstanz hätte zur Folge, dass das kantonale Urteil allein vom Bundesgericht überprüft würde, was dem Ziel der Entlastung des höchsten Gerichts zuwiderliefe. Die Belastung des Bundesgerichts ist geringer, wenn es erst als zweite Rechtsmittelinstanz entscheiden muss, weil die Rügen der Parteien diesfalls bereits von einer unteren Rechtsmittelinstanz geprüft worden sind.

Absatz 2 statuiert zwei Ausnahmen vom Prinzip des doppelten Instanzenzugs: Zunächst kann das Bundesrecht eine einzige kantonale Instanz vorschreiben, wie dies insbesondere auf dem Gebiet des Geistigen Eigentums der Fall ist. Sodann macht das Gesetz eine Ausnahme für die Handelsgerichte, wie sie in vier Kantonen vorkommen (ZH, BE, AG, SG). Diese Spezialgerichte sind für den Wirtschaftsstandort Schweiz von grosser Bedeutung. Wenn deren Entscheide vor dem Weiterzug an das Bundesgericht noch bei einer kantonalen Instanz angefochten werden müssten, würden die Handelsgerichte einen ihrer wichtigsten Vorteile, die Gewährleistung eines schnellen kantonalen Verfahrens, verlieren. Das gleiche würde gelten, wenn die Fälle der Handelsgerichtsbarkeit erstinstanzlich vor einem unteren Gericht auszutragen wären. Weil die Handelsgerichte das Bundesgericht durch ihre beachtliche Erledigungsquote (viele Vergleiche) erheblich entlasten, ist hier der Verzicht auf zwei kantonale Vorinstanzen gerechtfertigt.

Der Grundsatz der «double instance» zwingt die Kantone nicht, für jeden Fall ein ordentliches und vollwertiges Rechtsmittel vorzusehen. Das Bundesrecht verlangt lediglich, dass der letzten kantonalen Instanz mindestens die gleiche Kognition zukommt wie dem Bundesgericht (d. h. insbesondere volle Kognition in Bezug auf behauptete Verletzungen des Bundesrechts und des internationalen Rechts; Art. 90 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 3 BGG). Für das geltende kantonale Prozessrecht kann dies insofern Anpassungen bedingen, als viele Kantone für Streitigkeiten, die heute mangels genügenden Streitwertes nicht berufungsfähig sind, die Kognition der kantonalen Rechtsmittelinstanz beschränken oder gar jedes Rechtsmittel ausschliessen. Künftig wird jedoch auch in solchen Fällen der Weiterzug
an das Bundesgericht möglich sein, sofern eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen ist. Die Kantone müssen daher auch für diese Streitigkeiten eine zweite kantonale Instanz einsetzen mit mindestens gleicher Kognition wie sie das Bundesgericht ausübt. Für die entsprechenden Anpassungen der kantonalen Zivilprozessordnungen gilt jedoch eine Übergangsfrist von 5 Jahren (Art. 116 Abs. 1 BGG). In der in Entstehung begriffenen Schweizerischen Zivilprozessordnung werden die kantonalen Rechtsmittel einheitlich geregelt sein.

In etlichen Bereichen der Zivilrechtspflege wird der erstinstanzliche Entscheid nicht von einem Gericht, sondern einer Verwaltungsbehörde getroffen. Das trifft insbesondere bei den Verfügungen der Betreibungs- und Konkursämter zu, die der betreibungsrechtlichen Beschwerde unterliegen (Art. 17 ff. SchKG). Es gilt aber auch für viele Entscheide, die in Anwendung von öffentlichem Recht ergehen (vgl. Art. 68 Abs. 2 Bst. b BGG). Das BGG verlangt hier, dass solche Verwaltungsentscheide bei einem oberen kantonalen Gericht angefochten werden können. Den Kantonen steht es frei, das obere Gericht als erste oder zweite Rechtsmittelinstanz einzusetzen.

Die Schiedsgerichte gelten nicht als Vorinstanzen, zumindest wenn es um die nationale Schiedsgerichtsbarkeit geht. Vorinstanz hingegen ist das Gericht gemäss Artikel 3 des Konkordates über die Schiedsgerichtsbarkeit (SR 279).

4311

In einem internationalen Schiedsfall, der von einem Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz beurteilt wird, bestimmt sich der Zugang zum Bundesgericht nach Artikel 191 IPRG (SR 291), auf den Absatz 3 Bezug nimmt. Diese Bestimmung gewährt den direkten Weiterzug des Schiedsspruchs an das Bundesgericht, wobei jedoch nur spezifische Rügen vorgebracht werden können (Art. 190 IPRG). Dieser bereits heute geltende Rechtsweg bleibt somit unverändert, doch muss Artikel 191 IPRG insoweit modifiziert werden, als er noch auf die staatsrechtliche Beschwerde verweist.

Artikel 72

Beschwerderecht

Die Bestimmungen zu den geltenden zivilrechtlichen Rechtsmitteln ­ Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde ­ definieren das Beschwerderecht nicht. Sie sehen einzig vor, dass allfällige Nebenparteien (Litisdenunzianten, Nebenintervenienten) insoweit zur Beschwerde legitimiert sind, als ihnen nach kantonalem Recht Parteirechte zugekommen sind (Art. 53 und 74 OG). Die neue Beschwerde in Zivilsachen setzt hingegen eine Definition des Beschwerderechts voraus, denn sie betrifft nicht nur die eigentlichen Zivilsachen, sondern auch eine Vielzahl von öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (vgl. Art. 68 Abs. 2 Bst. b BGG).

Absatz 1 enthält den Grundsatz. Das Beschwerderecht setzt die Teilnahme am vorinstanzlichen Verfahren voraus (Bst. a). Doch kann auch Beschwerde führen, wer keine Möglichkeit hatte, am vorinstanzlichen Verfahren teilzunehmen, sei es, weil die Vorinstanz die Zulassung als Partei oder Nebenpartei zu Unrecht verneint hatte, sei es, weil sie von der Existenz der betroffenen Person keine Kenntnis hatte. Dieses formelle Erfordernis genügt jedoch nicht. Vielmehr tritt als materielle Voraussetzung das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers hinzu: Der angefochtene Entscheid muss ihn in seinen eigenen Rechten beeinträchtigen (Bst. b). Demgemäss sind zur Beschwerde in Zivilsachen insbesondere legitimiert: die Haupt- und Nebenparteien eines Zivilprozesses, die Gesuchsteller bei einem Einparteienverfahren (freiwillige Gerichtsbarkeit), Behörden und Dritte, denen das materielle Recht trotz fehlender Legitimation in der Sache Parteirechte zuerkennt (z. B. Berufsverbände, «jedermann, der ein Interesse hat»; vgl. Art. 78, 89, 106, 260a, 482 ZGB, Art. 7 Gleichstellungsgesetz [SR 151.1], Art. 56 Markenschutzgesetz [SR 232.11], Art. 10 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb [SR 241]).

Diese gesetzliche Definition des Beschwerderechts gilt auch für die Angelegenheiten des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, und zwar nicht nur für jene Streitigkeiten, die gerichtlich ausgetragen werden, sondern auch für die Fälle der betreibungsrechtlichen Beschwerde (Art. 17 ff. SchKG) Absatz 2 räumt auch gewissen Bundesbehörden ein Beschwerderecht ein. Der angefochtene Entscheid muss aber erstens eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit nach Artikel 68 Absatz 2 Buchstabe b BGG zum Gegenstand haben und zweitens zugleich den Aufgabenbereich dieser Behörde betreffen (z. B. Registerrecht).

4312

4.1.3.2 Artikel 73

2. Abschnitt: Beschwerde in Strafsachen Grundsatz

Die Beschwerde in Strafsachen steht in erster Linie gegen Entscheide in Strafsachen offen (Abs. 1). Der Begriff «Entscheide in Strafsachen» umfasst sämtliche Entscheide, denen materielles Strafrecht oder Strafprozessrecht zu Grunde liegt. Mit anderen Worten kann grundsätzlich jeder Entscheid, der die Verfolgung oder die Beurteilung einer Straftat betrifft und sich auf Bundesrecht oder auf kantonales Recht stützt, mit der Beschwerde in Strafsachen angefochten werden. Diese tritt somit an die Stelle der Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 220 ff. und 268 ff. BStP) und, teilweise, der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 88 ff. OG).

Anders als die Anwendung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Verwaltungsstrafrechts bildet die Anwendung des Militärstrafrechts nicht Gegenstand einer Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Dieser Ausschluss folgt einerseits aus der Tatsache, dass die Rechtspflegeorgane der Militärjustiz nicht unter den Vorinstanzen des Bundesgerichts gemäss Artikel 75 Absatz 1 BGG aufgeführt sind, und andererseits daraus, dass die Entscheide der Militärgerichte auch nicht dem Bundesstrafgericht zur Überprüfung unterbreitet werden können (vgl. Ziff. 2.5.1).

Nach Absatz 2 unterliegen der Beschwerde in Strafsachen auch Entscheide aus anderen Rechtsbereichen. So können alle Entscheide über den Vollzug von Strafen und Massnahmen mit der Beschwerde in Strafsachen angefochten werden; dies gilt auch dann, wenn sie von einer Verwaltungsbehörde erlassen worden sind (Abs. 2 Bst. b).

Die Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Entscheid über einen Zivilanspruch ist heute zulässig, wenn das angefochtene Urteil gleichzeitig den Zivil- und den Strafpunkt behandelt (Art. 271 Abs. 1 BStP; BGE 118 II 410). Sie ist dagegen ausgeschlossen, wenn sich das Urteil auf den Zivilpunkt beschränkt. Nach Artikel 73 Absatz 2 Buchstabe a liegt das entscheidende Kriterium neu nicht mehr allein im angefochtenen Urteil. Wesentlich ist vielmehr, ob es sachlich gerechtfertigt ist, dass das Bundesgericht gleichzeitig Zivilansprüche und strafrechtliche Fragen beurteilt, unabhängig davon, ob dies im angefochtenen Entscheid ebenso gehandhabt worden war. Dieses System entspricht demjenigen der Artikel 8 und 9 des Opferhilfegesetzes (OHG; SR 312.5), wie es durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung verdeutlicht worden ist:
Der Betroffene hat einen Anspruch darauf, dass der Richter rasch über seine Zivilansprüche entscheidet, also, sofern dies möglich und gerechtfertigt ist, im Rahmen des Strafverfahrens (BGE 122 IV 37, 121 IV 207, 120 IV 44). Demzufolge wird das Bundesgericht nach Absatz 2 Buchstabe a vorgehen, wenn es der Ansicht ist, dass die Zivilansprüche gleichzeitig zu beurteilen sind, und zwar auch in den Fällen, in denen die Vorinstanz dies nicht gemacht hat. Umgekehrt steht aber die Beschwerde in Strafsachen nicht zur Verfügung, wenn allein der Entscheid über die Zivilansprüche angefochten ist.

Angesichts der beschränkten Verfügbarkeit der Nichtigkeitsbeschwerde sowie der Kognition des Kassationshofs sind heute jene Fälle zahlreich, in denen allein der subsidiäre Rechtsweg über die staatsrechtliche Beschwerde offensteht (Art. 269 Abs. 2 BStP). Das ist der Fall, wenn sich die Rüge auf die Anwendung des materiellen oder formellen Strafrechts eines Kantons oder des ausländischen Rechts oder auf die Beweiswürdigung bezieht, oder wenn Willkür oder eine ­ direkte (BGE 112 IV 138) ­ Verletzung der EMRK geltend gemacht wird (eine indirekte Verletzung 4313

der EMRK muss im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden: BGE 114 Ia 377). Gleiches gilt, wenn das letztinstanzliche kantonale Gericht mit eingeschränkter Kognition über die Anwendung des Bundesrechts befunden hat (BGE 114 IV 73). Will der Beschwerdeführer die Verletzung von Bundesstrafrecht und seiner verfassungsmässigen Rechte geltend machen, muss er gleichzeitig eine Nichtigkeitsbeschwerde und eine staatsrechtliche Beschwerde einreichen, es sei denn, er vermöge alle seine Vorbringen in der gleichen Eingabe, aber klar voneinander getrennt, auszudrücken (BGE 113 IV 45). Sind die beiden Arten von Rügen nicht getrennt dargestellt, kann dies, selbst wenn zwei getrennte Rechtsschriften eingereicht werden, zum Nichteintreten auf die eine oder die andere Beschwerde führen (BGE 118 IV 293). Die Vereinheitlichung der Rechtsmittel ermöglicht es, alle diese Rügen in einer und derselben Beschwerde geltend zu machen. Dies entlastet das Bundesgericht ­ und die betroffenen Parteien ­ von verschiedenen Abgrenzungsproblemen, die sich oft als heikel erwiesen haben.

Artikel 74

Ausnahmen

Nach geltendem Recht kann jede strafrechtliche Verurteilung durch ein kantonales Gericht an das Bundesgericht weitergezogen werden, damit dieses die Übereinstimmung des Entscheids mit dem eidgenössischen Strafrecht prüfe. Es ist daher gleichgültig, ob der Beschuldigte zu einer Busse von 50 Franken oder zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt worden ist. Der Bundesrat schlägt eine Änderung dieser Regelung vor für Verurteilungen zu Busse, zu Geldstrafe, zu gemeinnütziger Arbeit, zum Aussetzen von Strafe oder zu einer Umwandlungsstrafe.

Eine Entlastung des Bundesgerichts in Strafsachen ist unerlässlich im Hinblick auf die künftige Vereinheitlichung des Strafprozessrechts. Artikel 123 Absatz 1 BVJustizreform gibt dem Bund die Kompetenz, das Strafprozessrecht zu regeln. Da die Notwendigkeit einer solchen Vereinheitlichung weitgehend unbestritten ist, beabsichtigt der Bundesrat, einen entsprechenden Entwurf im Verlaufe des Jahres 2001 in die Vernehmlassung zu schicken. Nach der Annahme der Schweizerischen Strafprozessordnung durch das Parlament und ihrem Inkrafttreten wird jede Verletzung des Strafprozessrechts beim Bundesgericht angefochten werden können. Dieses wird, grundsätzlich mit voller Kognition, zu prüfen haben, ob das eidgenössische Verfahrensrecht verletzt worden ist, während es heute die Verletzung von kantonalem Strafprozessrecht nur unter dem Aspekt der Willkür prüft. Diese Ausweitung der Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts mit Bezug auf das Strafprozessrecht sowie die erhebliche Zahl von Auslegungsfragen, die eine neue Gesetzgebung mit dieser Bedeutung zwangsläufig aufwirft, werden unweigerlich zu einem beträchtlichen Anstieg der Anzahl Beschwerden in Strafsachen führen. Es gilt daher, dem Bundesgericht bereits jetzt die Instrumente in die Hand zu geben, die es ihm ermöglichen, die sich abzeichnende wachsende Geschäftslast zu bewältigen.

Die neuen Verfassungsbestimmungen über die Gerichtsorganisation bieten nur zwei Möglichkeiten an, um den Zugang zum Bundesgericht zu beschränken, wenn die Beschwerden nicht unzulässig oder offensichtlich unbegründet sind: Entweder man schliesst bestimmte Bereiche vom Zugang zum Bundesgericht aus oder schreibt einen Mindeststreitwert vor (Art. 191 Abs. 2 und 3 BV-Justizreform). Der Bundesrat schlägt für den Bereich des Strafrechts in erster Linie eine Lösung
mit einem Mindeststreitwert vor. Der Verfassungsgeber hat die Möglichkeit, einen Mindeststreitwert vorzuschreiben, ausdrücklich nicht auf die Beurteilung von Zivilrechtsstreitig4314

keiten beschränken wollen. Bei Strafsachen eignen sich Verurteilungen zu einer Geldstrafe oder Busse gut für die Bestimmung einer Streitwertgrenze.

Nach dem Entwurf für die Revision des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafgesetzbuches, der gegenwärtig vom Parlament beraten wird (BBl 1999 1979 ff.), soll es grundsätzlich keine Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von unter sechs Monaten geben. In diesen Fällen wird die wahrscheinliche Hauptstrafe in einer Geldstrafe bestehen, die künftig in Tagessätzen festgelegt wird, deren Höhe von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters abhängt.

Der Bundesrat schlägt vor, die Mindeststrafe, die den Zugang zum Bundesgericht in Strafsachen eröffnet, auf 30 Tagessätze Geldstrafe festzulegen. Eine Geldstrafe von weniger als 30 Tagessätzen stellt eine relativ milde Sanktion dar, welche die persönliche Freiheit nicht beeinträchtigt. Sie kommt denn auch nur für leichte Straftaten in Betracht. Für solche Fälle ist eine Überprüfung des Urteils durch ein oberes kantonales Gericht, das über volle Kognition in Rechtsfragen verfügt, in der Regel genügend. Es besteht keine Notwendigkeit, das Bundesgericht zu verpflichten, sich als dritte Instanz über die rechtliche Qualifikation des zur Last gelegten Sachverhalts auszusprechen, wenn damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung verbunden ist.

Nach dem Revisionsentwurf für den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs bleibt die Busse im Strafgesetzbuch vorgesehen für die von natürlichen Personen begangenen Übertretungen (BBl 1999 2145). Sie kann neu auch Unternehmen auferlegt werden, wenn eine Straftat in ihrem Betrieb verübt wurde, sie aber keiner bestimmten Person zugeordnet werden kann (BBl 1999 2143). Die Busse unterscheidet sich von der Geldstrafe namentlich dadurch, dass sie nicht nach Tagessätzen bemessen, sondern direkt als Geldbetrag festgelegt wird. Der Bundesrat schlägt vor, die Mindestbusse, die den Zugang zum Bundesgericht erlaubt, auf 500 Franken für natürliche Personen und auf 10'000 Franken für Unternehmen festzulegen. Unterhalb dieser Beträge ist die Busse als geringfügig einzustufen, weshalb eine Überprüfung durch das Bundesgericht grundsätzlich nicht notwendig ist.

Bei den in Ziffer 2, 5 und 6 von Artikel 74 Absatz 1 Buchstabe a BGG erwähnten Strafen handelt
es sich um Alternativsanktionen (Gemeinnützige Arbeit, Aussetzen der Strafe) oder um Umwandlungsstrafen, die im Entwurf für die Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches vorgesehen sind. Ihre Dauer entspricht den 30 Tagessätzen Geldstrafe.

Der Zugang zum Bundesgericht bleibt hingegen offen bei der Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe (als Hauptstrafe) sowie zu einer therapeutischen oder einer anderen Massnahme. Ausserdem wird der Zugang zum Bundesgericht nur dann eingeschränkt, wenn die Partei, die vor der Vorinstanz die Anklage vertreten hat, keine Verurteilung beantragte, die über den genannten Grenzwerten liegt. Hat also der Staatsanwalt bei der Vorinstanz eine die Grenzwerte übersteigende Strafe oder eine andere Strafe gefordert, kann er dennoch beim Bundesgericht Beschwerde führen. Denn die geforderte strengere Sanktion verleiht der Strafsache eine höhere Bedeutung, welche die Überprüfungsmöglichkeit durch das Bundesgericht selbst dann rechtfertigt, wenn sich keine rechtliche Grundsatzfrage stellt.

4315

Der Zugang zum Bundesgericht bleibt gleichermassen offen im Falle der Einstellung oder des Freispruchs, kann doch der «Streitwert» in solchen Fällen nur schwer festgestellt werden.

Es ist schwierig, die von dieser Zugangsbeschränkung betroffenen Fälle zahlenmässig genau abzuschätzen, zumal die Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches die Berechnungsweise von Strafsanktionen erheblich verändern dürfte. Es ist jedoch zu erwarten, dass etwa ein Drittel der heutigen Beschwerden betroffen sein wird.

Absatz 1 enthält noch weitere Bereiche, in denen die Beschwerde ans Bundesgericht ausgeschlossen ist (vgl. Art. 191 Abs. 3 BV-Justizreform). So steht gegen Entscheide der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts die Beschwerde an das Bundesgericht in der Regel nicht offen (Abs. 1 Bst. b). Die Beschwerdekammer hat im Wesentlichen folgende Zuständigkeiten: Beurteilung von Beschwerden gegen Amtshandlungen oder Säumnis des Bundesanwalts oder des eidgenössischen Untersuchungsrichters; Prüfung der im Hinblick auf eine Auslieferung erlassenen Haftbefehle; Anstände betreffend die Zuständigkeit von Strafverfolgungsbehörden (Art. 27 SGG). Nur die Entscheide der Beschwerdekammer, welche Zwangsmassnahmen zum Gegenstand haben, können an das Bundesgericht weitergezogen werden. In den anderen Fällen genügt eine einzige Instanz des Bundes, um die Gesetzmässigkeit der Entscheide sicherzustellen. Das ist im Übrigen schon heute der Fall, soll doch die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts die Zuständigkeiten der heutigen Anklagekammer des Bundesgerichts übernehmen.

Nach Absatz 2 können die durch Absatz 1 vom Beschwerdeweg ausgeschlossenen Entscheide dennoch beim Bundesgericht angefochten werden, wenn sich dabei eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Diese Ausnahme gilt allerdings nicht für die Entscheide der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts. Der Begriff der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird im Kommentar zu Artikel 70 BGG näher erläutert.

Artikel 75

Vorinstanzen

Nach dem im vorliegenden Entwurf aufgestellten allgemeinen Grundsatz muss sich die Zuständigkeit des Bundesgerichts auf die Überprüfung der Rechtmässigkeit der von letztinstanzlichen Gerichtsbehörden gefällten Urteile beschränken. Gleich wie die Artikel 71 (Beschwerde in Zivilsachen) und 80 (Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten) konkretisiert Artikel 75 diesen Grundsatz für die Beschwerde in Strafsachen. Er stellt zunächst in Absatz 1 die Regel auf, dass der kantonale Instanzenzug erschöpft sein muss. Beschwerde beim Bundesgericht kann jedoch auch gegen die Entscheide des neuen Bundesstrafgerichts geführt werden; dieses übernimmt namentlich die heutigen Aufgaben des Bundesstrafgerichts und der Anklagekammer (vgl. die Darstellung des Bundesgesetzes über das Bundesstrafgericht in dieser Botschaft in Ziff. 4.2).

Absatz 2 stellt den Grundsatz der zwei Instanzen in Strafsachen auf, wie er in Artikel 2 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK (SR 0.101.07) und Artikel 14 Absatz 5 des Internationalen Pakts vom 16. Dezember 1966 über die bürgerlichen und politischen Rechte vorgeschrieben ist (SR 0.103.2). Zu diesem Zweck auferlegt Absatz 2 den Kantonen zwei Verpflichtungen: Erstens muss ihre letztinstanzliche Behörde ein oberes Gericht sein; die Beschwerde in Strafsachen steht somit nicht offen gegen 4316

Urteile unterer Gerichte, ebensowenig gegen Strafentscheide von Verwaltungsbehörden. Zweitens muss das obere Gericht als Rechtsmittelinstanz entscheiden, gleichgültig ob ein Urteil eines unteren Gerichts oder der Entscheid einer Verwaltungsbehörde in Frage steht. Die Kantone können somit ihren oberen Gerichten nicht mehr die ausschliessliche Beurteilungskompetenz für gewisse Kapitalverbrechen übertragen und auch kein Schwurgericht beibehalten, das als einzige kantonale Instanz urteilt. Die Möglichkeit, bei schweren Delikten eine strenge Strafe zu verhängen, lässt einen verstärkten richterlichen Schutz durch zwei kantonale Instanzen als umso angebrachter erscheinen. Der Wille, das Bundesgericht zu entlasten, der die Totalrevision der Bundesrechtspflege durchzieht, schliesst zudem die Zulassung einer einzigen kantonalen Instanz aus. Die Arbeitslast für das Bundesgericht ist grösser, wenn es als erste Beschwerdeinstanz entscheidet, denn die von den Beschwerdeführern erhobenen Rügen sind häufig von der Instanz, deren Urteil angefochten wird, noch nicht überprüft worden. Zu den Anforderungen des BGG an die Kognition der oberen kantonalen Instanz sowie der Zulässigkeit einer dritten kantonalen Instanz sei auf den Kommentar zu Artikel 104 BGG verwiesen.

Die Schaffung des Bundesstrafgerichts trägt dem Grundsatz des doppelten Instanzenzugs nun mehr auch für Strafsachen Rechnung, die der Bundesgerichtsbarkeit unterliegen. Das wird den Rückzug des von der Schweiz gemachten Vorbehalts zu Artikel 14 Absatz 5 des Internationalen Pakts vom 16. Dezember 1966 über die bürgerlichen und politischen Rechte (SR 0.103.2) erlauben. Zwar wird der Grundsatz des doppelten Instanzenzuges nicht für die Urteile der Strafkammer des Bundesstrafgerichts gelten, welche von den in Artikel 74 statuierten Zugangsbeschränkungen betroffen sind. Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als auch des UNO-Menschenrechtskomitees lassen der nationalen Gesetzgebung jedoch die Möglichkeit offen, den Zugang zur Beschwerdeinstanz einzuschränken.

Artikel 76

Beschwerderecht

Das geltende Recht bezeichnet die zur Einreichung einer Nichtigkeitsbeschwerde berechtigten Personen und Behörden (Art. 270 BStP), enthält jedoch keine allgemeine Definition der Beschwerdelegitimation. Wegen der Einheitsbeschwerde ist eine solche Definition zur deutlichen Unterscheidung von den anderen Rechtsmitteln nun mehr erforderlich, zumal Gegenstand der Beschwerde in Strafsachen auch Entscheide aus angrenzenden Bereichen sein können (Art. 73 Abs. 2 BGG). Die gewählte Definition weicht freilich nicht wesentlich vom heute geltenden Recht ab.

Formelle Voraussetzung ist die Teilnahme am Verfahren vor der Vorinstanz (Abs. 1 Bst. a). Dieses Erfordernis ergibt sich aus dem in Artikel 75 BGG aufgestellten Grundsatz des doppelten Instanzenzuges. Damit von einer Teilnahme am vorinstanzlichen Verfahren gesprochen werden kann, muss die betroffene Partei zumindest Anträge zur Beschwerde gestellt haben. Verzichtet beispielsweise der Geschädigte auf eine Stellungnahme und einen Abweisungsantrag zur Beschwerde des Beschuldigten vor dem oberinstanzlichen kantonalen Gericht, so gibt er seine Gleichgültigkeit gegenüber dem Entscheid dieses Gerichts zu erkennen und verliert damit jedes Interesse, den Entscheid beim Bundesgericht anzufechten, wenn ihn das Ergebnis nicht befriedigt. Wird das Urteil des oberen kantonalen Gerichts bei einer Instanz angefochten, die eine beschränktere Kognitionsbefugnis als das Bundesgericht hat (wie etwa das Zürcher Kassationsgericht), muss die beim Bundesgericht be4317

schwerdeführende Person zumindest am Verfahren vor dem oberen kantonalen Gericht teilgenommen haben.

Materielle Voraussetzung ist das Bestehen eines rechtlich geschützten Interesses, was der heutigen Rechtslage entspricht. Die Liste in Buchstabe b zählt die üblichen Fälle auf, in denen diese zweite Voraussetzung in der Regel erfüllt ist. Sie hat jedoch nur beispielhaften Charakter. So hat zum Beispiel das in Ziffer 5 genannte Opfer auch dann ein rechtlich geschütztes Interesse, wenn es ein ihm vom Opferhilfegesetz (OHG, SR 312.5) eingeräumtes Recht geltend macht und dessen Verletzung die Beurteilung der Zivilansprüche nicht beeinflusst, wie das bei den Vorschriften über die Zusammensetzung des urteilenden Gerichts (Art. 10 OHG) der Fall ist. Der beispielhafte Charakter der Liste hat ferner zur Folge, dass es einer darin nicht genannten Person nicht von vorneherein verwehrt wäre, ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Urteils geltend zu machen. Das gilt namentlich für die Nachkommen des Beschuldigten, die nicht ausdrücklich erwähnt sind, anders als noch in Artikel 270 BStP. Denn in der Praxis bietet die Gewährung eines gesetzlichen und ausnahmslosen Beschwerderechts an die Nachkommen zahlreiche Probleme, insbesondere im Fall, wo der Beschuldigte nach Einreichung der Beschwerde stirbt. Die Generalklausel des rechtlich geschützten Interesses genügt daher vollauf.

Das gilt ebenso für die Nachkommen des Geschädigten. Die Abkehr vom System der abschliessenden Liste, wie es Artikel 270 BStP zu Grunde liegt, drängt sich im Übrigen auch wegen des Einschlusses zivilrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Bereiche in die Beschwerde in Strafsachen auf (vgl. Art. 73 Abs. 2 BGG).

Dank der Einheitsbeschwerde können der kantonale Staatsanwalt, die Bundesanwaltschaft und der Strafantragsteller vor dem Bundesgericht willkürliche Anwendung des kantonalen Prozessrechts geltend machen, was ihnen gegenwärtig im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde verwehrt ist.

Absatz 2 entspricht Artikel 270 Absatz 1 Buchstabe d BStP. Absatz 3 übernimmt die Regelung von Artikel 103 Buchstabe b OG, die für Verwaltungsgerichtsbeschwerden auf dem Gebiet des Straf- und Massnahmenvollzugs gilt. Der Einbezug dieses Bereichs in die Beschwerde in Strafsachen darf freilich nicht dazu führen, dass das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement davon abgehalten wird, gegen einen einschlägigen kantonalen Entscheid Beschwerde zu führen.

4.1.3.3

Artikel 77

3. Abschnitt: Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Grundsatz

Das Anfechtungsobjekt kann in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten in drei Kategorien unterteilt werden: Entscheide, Erlasse und schliesslich Akte, welche die politischen Rechte betreffen.

4318

a) Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts Da die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als Einheitsbeschwerde die Funktion sowohl der Verwaltungsgerichtsbeschwerde als auch der staatsrechtlichen Beschwerde übernimmt, spielt es für die Zulässigkeit keine Rolle mehr, ob der angefochtene Entscheid auf öffentlichem Recht des Bundes oder eines Kantons beruht. In beiden Fällen steht nur noch eine Beschwerde offen, die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.

Beim Begriff des Entscheids (Bst. a) handelt es sich um einen autonomen Begriff des Bundesgerichtsgesetzes. Er umfasst einerseits die Verfügung nach Artikel 5 VwVG, andererseits aber auch das Anfechtungsobjekt der staatsrechtlichen Beschwerde, wie es von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung definiert worden ist.

Mit dieser Umschreibung ist indessen die Anfechtung von Akten, die ­ wie etwa blosse Mitteilungen ­ keine Verfügungsqualität aufweisen, nicht von vorneherein ausgeschlossen. Da das Bundesgericht nach Artikel 80 in der Regel nur letztinstanzliche gerichtliche Entscheide überprüft, hängt die Anfechtbarkeit von Akten ohne eigentlichen Verfügungscharakter davon ab, wie das Anfechtungsobjekt auf Stufe der Vorinstanzen bestimmt wird. Dürfen nur Verfügungen Gegenstand einer Beschwerde bilden (vgl. Art. 27 VGG), muss die betroffene Person von der Behörde eine anfechtbare Verfügung verlangen.

Nur Entscheide in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sind mit der Beschwerde nach Artikel 77 BGG anfechtbar. Die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht einerseits und Privatrecht bzw. Strafrecht andererseits beruht in der Schweiz auf einer langen Rechtstradition. Lehre und Rechtsprechung haben denn auch zahlreiche Abgrenzungskriterien entwickelt, so dass in den meisten Fällen eine Norm problemlos dem einen oder anderen Rechtsgebiet zugeordnet werden kann. Diese Zuordnung verliert jedoch für die Rechtsprechung des Bundes insofern an Bedeutung, als Artikel 68 Absatz 2 BGG alle Entscheide, die einen direkten Zusammenhang zum Zivilrecht haben, der Beschwerde in Zivilsachen zuweist, selbst wenn sie gestützt auf öffentliches Recht ergangen sind. Das entscheidende Zuordnungskriterium liegt im Übrigen ausschliesslich im Recht, das die jeweilige Angelegenheit der Sache nach regelt. So kann aus einem rein prozessualen
Entscheid nicht bereits abgeleitet werden, dass die Angelegenheit dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Eine Verhaftung im Rahmen eines Strafverfahrens unterliegt beispielsweise der Beschwerde in Strafsachen. Haben sich die Vorinstanzen ­ namentlich in Anwendung von kantonalem öffentlichem Recht ­ über das in der Sache anwendbare Recht ausgesprochen, so ergibt sich daraus zugleich auch das zulässige Rechtsmittel ans Bundesgericht, selbst wenn der Beschwerdeführer die Anwendbarkeit des betreffenden Rechts bestreitet.

b) kantonale Erlasse Buchstabe b ermöglicht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unmittelbar gegen kantonale Erlasse und berücksichtigt damit eine seit 1876 bestehende und vom Gesetzgeber übernommene Rechtsprechung (BGE II 484). Der Begriff des kantonalen Erlasses entspricht jenem gemäss Artikel 84 Absatz 1 OG. Als kantonale Erlasse gelten alle kantonalen Gesetze und Verordnungen, unabhängig davon, ob sie von kantonalen oder kommunalen Organen stammen, sowie gegebenenfalls Verwaltungsverordnungen, die Aussenwirkung entfalten (vgl. BGE 122 I 44). Ausgeschlossen sind demgegenüber die kantonalen Verfassungen, denn diese 4319

bilden bereits Gegenstand der abstrakten Normenkontrolle durch die Bundesversammlung im Rahmen des Gewährleistungsverfahrens (Art. 51 und 172 Abs. 2 BV).

Buchstabe b gilt nicht nur, wenn ein kantonaler Erlass innert 30 Tagen seit seiner Veröffentlichung beim Bundesgericht angefochten wird (Art. 81 Abs. 1 und 95 BGG), sondern auch dann, wenn er bereits Gegenstand eines kantonalen Rechtsmittelverfahrens bildete (Art. 81 Abs. 2 BGG). Die abstrakte Normenkontrolle bei kantonalen Erlassen ist der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vorbehalten, selbst wenn die angefochtenen Erlasse zivil- oder strafrechtlicher Natur sind. Daneben bleibt es selbstverständlich möglich, im Rahmen der Anfechtung eines konkreten Anwendungsaktes die Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit eines kantonalen Erlasses zu rügen.

Unmittelbar gegen Erlasse des Bundes ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht zulässig (vgl. Art. 189 Abs. 4 und 190 BV-Justizreform). Nur im Rahmen der Anfechtung eines konkreten Anwendungsaktes ist das Bundesgericht befugt, eine Parlaments- oder eine Bundesratsverordnung zu überprüfen. Nach Artikel 191 BV (Art. 190 BV-Justizreform) sind Bundesgesetze und Völkerrecht für das Bundesgericht massgebend. Gemäss der Rechtsprechung kann das Bundesgericht indessen darauf verzichten, in einem konkreten Fall Bestimmungen eines Bundesgesetzes oder einer Verordnung des Bundes anzuwenden, wenn diese gegen eine internationale Verpflichtung der Schweiz verstossen oder dem durch die EMRK (SR 0.101) oder den internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (SR 0.103.2) garantierten Grundrechtsschutz widersprechen (vgl. BGE 125 II 425).

c) Beschwerde betreffend politische Rechte Buchstabe c übernimmt die Regel des geltenden Artikels 85 Buchstabe a OG und unterstellt daher sämtliche Akte, welche die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie Volkswahlen und -abstimmungen betreffen, der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Anfechtungsobjekte sind hier naturgemäss nicht nur Entscheide, sondern insbesondere auch Realakte der kantonalen Parlamente oder Regierungen (vgl. Art. 82 BGG).

Bezüglich der politischen Rechte des Bundes schreibt die Justizreform eine gerichtliche Kontrolle vor (Art. 189 Abs. 1 Bst. f BV). Die Beschwerde ans
Bundesgericht wird das einzige bundesrechtliche Rechtsmittel gegen Entscheide kantonaler Regierungen und der Bundeskanzlei sein (Art. 82 BGG). Sie wird die derzeit geltenden Beschwerden an den Bundesrat und an den Nationalrat ersetzen (vgl. Art. 81 und 82 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte, SR 161.1).

Artikel 78

Ausnahmen

Das geltende Recht kennt zahlreiche Fälle, in denen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig ist. Diese unterscheiden sich nach dem Gegenstand oder dem verfahrensrechtlichen Inhalt der Verfügung sowie nach Sachgebieten (vgl. Art. 99 bis 101 und 129 OG). Demgegenüber finden sich bei der staatsrechtlichen Beschwerde keine solchen Beschränkungen. Artikel 78 BGG bringt diesbezüglich eine Vereinheitlichung. Der neu geltende Ausnahmenkatalog beruht auf folgenden Prinzipen:

4320

­

Die meisten Ausnahmen sind wie partielle Generalklauseln definiert; sie schliessen die Beschwerde gegen alle Entscheide im betreffenden Gebiet aus. Beispielsweise sind Beschwerden auf dem Gebiet des Ausländerrechts gegen Entscheide betreffend die vorläufige Aufnahme (Abs. 1 Bst. b Ziff. 3) nicht nur unzulässig, wenn sie die Gewährung oder Aufhebung der vorläufigen Aufnahme einer Person betreffen, sondern auch, wenn sie die Zuweisung einer vorläufig aufgenommenen Person an einen Kanton zum Gegenstand haben (Art. 14a­14c ANAG, SR 142.20). Unwichtig ist überdies der prozessuale Verfügungscharakter des Entscheides (Zwischen- oder Endentscheid, Vollzugsentscheid usw.). Die Ausnahmeklausel findet unabhängig davon Anwendung, ob der angefochtene Entscheid eine verfahrensrechtliche Frage, eine Vorfrage oder eine Sachfrage behandelt.

­

Die Ausnahmen gelten unabhängig von der Zugehörigkeit des anwendbaren Rechts. Wenn ein Entscheid ein ausgeschlossenes Gebiet betrifft, so ist die Beschwerde ans Bundesgericht unzulässig, unabhängig davon, ob er sich auf öffentliches Recht des Bundes oder der Kantone stützt. Die Beschwerde ans Bundesgericht auf dem Gebiet der kantonalen Subventionen wird beispielsweise in jenen Fällen nicht mehr möglich sein, in denen das kantonale Recht dem Gesuchsteller keinen Rechtsanspruch auf die Subvention einräumt (s.

dazu Abs. 1 Bst. j). Allerdings steht einem abgewiesenen Gesuchsteller die staatsrechtliche Beschwerde schon nach geltendem Recht kaum je zur Verfügung, da die Voraussetzungen der Beschwerdelegitimation nicht gegeben sind.

­

Die Ausnahmen gelten in der Regel für die Entscheide sowohl des Bundes als auch der Kantone. Einige betreffen allerdings nur die Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts, weil die Kantone auf den entsprechenden Gebieten nicht zuständig sind.

­

Die Ausnahmen gelten unabhängig von den vorgebrachten Beschwerdegründen. Mit der Einheitsbeschwerde wird es nicht mehr möglich sein, einen auf einem ausgeschlossenen Gebiet gefällten kantonalen Entscheid wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte vor Bundesgericht anzufechten (heute steht in solchen Fällen noch die staatsrechtliche Beschwerde offen, auch wenn die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig ist). Damit wird es den kantonalen Behörden, d. h. grundsätzlich den kantonalen Gerichten (vgl. Art. 29a BV-Justizreform), obliegen, als letzte Instanzen über die Einhaltung des Rechts einschliesslich der Bundesverfassung zu wachen.

­

Auch wenn die Ausnahmen der Entlastung des Bundesgerichts dienen sollen, muss vermieden werden, dass die einheitliche Anwendung des Bundesrechts durch die Kantone jeglicher Kontrolle durch eine Bundesbehörde entzogen ist. Deshalb sollen im Anwendungsbereich des Bundesverwaltungsrechts die Ausnahmen von der Beschwerde ans Bundesgericht nur punktuell weiter gehen als dies nach der heutigen Regelung gemäss Artikel 99 ff. OG der Fall ist. So kann beispielsweise im Bereich der öffentlichen Beschaffungen umso eher auf die Möglichkeit verzichtet werden, gegen die Vergabe einer Submission ans Bundesgericht zu gelangen (vgl. Abs. 1 Bst. e), als das Binnenmarktgesetz bereits heute die Entscheidzuständigkeit des Bundesgerichts beschränkt (Art. 9 Abs. 3 BGBM, SR 943.02). Zudem bleibt die bun-

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desgerichtliche Kontrolle der Kantone im Bereich des Binnenmarktgesetzes insofern gewahrt, als es um Schadenersatzprozesse geht.

­

In jenen Bereichen, in denen die Anwendung des Bundesrechts hauptsächlich durch Bundesbehörden erfolgt, führt die Übertragung von endgültigen Entscheidkompetenzen an das Bundesverwaltungsgericht zu einer beträchtlichen Entlastung des Bundesgerichts, ohne dass dadurch die einheitliche Rechtsanwendung gefährdet würde(vgl. Art. 78 Abs. 1 Bst. b Ziff. 3 und 5, Bst. c Ziff. 1, Bst. k, m, n und p Ziff. 2).

Artikel 78 BGG zählt im wesentlichen die bereits heute geltenden Ausnahmen von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in neuer systematischer Ordnung auf. Einige Ausschlussgründe sind jedoch aus folgenden Gründen aufgegeben worden: ­

Einige Ausnahmen enthalten zahlreiche Gegenausnahmen, so dass ihnen ihre scheinbare Tragweite grösstenteils wieder abhanden gekommen ist (Art. 99 Abs. 1 Bst c, d und e OG).

­

Einige Ausnahmen sind kaum von praktischem Interesse, weil sie äusserst selten Anwendung finden (Art. 99 Abs. 1 Bst. i; 100 Abs. 1 Bst. k, l Ziff. 3, m und o; Art. 129 Abs. 1 Bst. e und f OG). Der zwingende Rechtsweg über das Bundesverwaltungsgericht oder ein kantonales Gericht wird ausreichen, um einer Zunahme der Arbeitsbelastung für das Bundesgericht entgegen zu wirken.

­

Der Ausschluss der Beschwerde ans Bundesgericht gegen Abstimmungsund Wahlentscheide (Art. 100 Abs.1 Bst. p OG) ist verfassungswidrig (Art. 189 Abs. 1 Bst. e BV-Justizreform).

­

Einige Ausnahmen betreffen Akte des Bundesrates, die nicht beim Bundesverwaltungsgericht und damit umso weniger beim Bundesgericht anfechtbar sind (Art. 100 Abs. 1 Bst. t und u OG).

­

Einige Ausnahmen haben rein deklaratorische Wirkung, weil sie Akte betreffen, denen gar kein Verfügungscharakter zukommt (Art. 99 Abs. 1 Bst. a und b, Art. 129 Abs. 1 Bst. b OG). Genehmigungsakte von Erlassen haben selber Erlasscharakter. Dasselbe gilt für die Genehmigung von Tarifen, die durch auf öffentliches Recht abgestützte Verfügungen angewendet werden.

Der Genehmigungsakt bei Tarifen, deren Anwendung durch Vertrag erfolgt, stellt dagegen eine Verfügung dar, für welche die gewöhnlichen Rechtsmittel gelten; zu denken ist hier vorab an Tarife im Bereich des Urheberrechts und der Privatversicherungen.

­

Einige Ausnahmen werden im wesentlichen durch andere Bestimmungen des BGG abgedeckt (Art. 100 Abs. 1 Bst. f und w OG). Für das Gebiet des Geistigen Eigentums (Art. 100 Abs. 1 Bst. i, n, und w OG) sind Artikel 69 BGG und die entsprechende Kommentierung zu beachten.

­

Die Ausnahme betreffend die Bereiche «Entwicklungszusammenarbeit» und «humanitäre Hilfe» (Art. 100 Abs. 1 Bst. a OG) wird gestrichen, so dass der Zustand vor der Teilrevision des OG von 1991 wieder erreicht ist. Diese Bereiche sind vom Begriff «übrige auswärtige Angelegenheiten» in Artikel 78 Absatz 1 Buchstabe a BGG grundsätzlich nicht erfasst. Der besagte Begriff ist künftig restriktiv auszulegen und betrifft Anordnungen mit vorwiegend

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politischem Charakter. Verfügungen in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe unterliegen somit neu grundsätzlich auch der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht als zweite Beschwerdeinstanz, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Ausgeschlossen bleiben Entscheide betreffend Subventionen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt (vgl. Art. 78 Abs. 1 Bst. j BGG).

­

Nach Meinung des Bundesrates soll der Zugang zum Bundesgericht im Bereich der ordentlichen Einbürgerung nicht mehr verwehrt sein (Art. 100 Abs. 1 Bst. c OG).

­

Die Gegenausnahme von Artikel 100 Absatz 2 Buchstabe a OG, welche den Zugang zum Bundesgericht dann ermöglicht, wenn Entscheide den Datenschutz betreffen, wird weggelassen, weil sie nur einen allgemeinen Grundsatz festhält. Der Datenschutz bildet einen eigenständigen Bereich, der von Artikel 78 Absatz 1 BGG nicht erfasst ist. Deshalb können Entscheide, die selbständige datenschutzrechtliche Ansprüche betreffen, an das Bundesgericht gezogen werden, selbst wenn sie in einem Bereich ergangen sind, der nach Artikel 78 Absatz 1 BGG von der Beschwerde an das Bundesgericht ausgeschlossen ist (z.B. Begehren auf Feststellung der Unrichtigkeit von Personendaten im Register für Asylsuchende). Dabei spielt es keine Rolle, ob dieser Entscheid in einem selbständigen Verfahren oder im Rahmen eines Hauptverfahrens gefällt worden ist. Erging indessen der angefochtene Entscheid im Rahmen eines Verfahrens, das durch einen Ausnahmebereich abgedeckt wird, und betrifft er einen Anspruch, der sowohl nach dem Datenschutzrecht als auch nach dem allgemeinen Verfahrensrecht besteht (z.B.

Gesuch um Einsicht in ein Aktenstück, welches Personendaten enthält, im Rahmen der Behandlung eines Asylgesuchs), so unterscheiden sich datenschutzrechtliche Fragen nicht vom verfassungsmässig garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) und geniessen daher keinen privilegierten Zugang zum Bundesgericht.

Trotz des Verzichts auf einige Ausnahmen wird Artikel 78 BGG dazu beitragen, das Bundesgericht spürbar zu entlasten. So wird es im Unterschied zum geltenden Recht nicht mehr möglich sein, in Bereichen, in denen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zulässig ist, mit staatsrechtlicher Beschwerde ans Bundesgericht zu gelangen.

Zudem wird eine neue Ausnahme eingefügt, die das Bundesgericht vollständig von jeglicher Rechtsprechung auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und der internationalen Amtshilfe entlastet (Abs. 1 Bst. g; im Jahr 1999 betraf dies 153 durch das Bundesgericht erledigte Fälle, d.h. 13 Prozent aller Verwaltungsgerichtsbeschwerden). In Zukunft wird das Bundesverwaltungsgericht die einzige Beschwerdeinstanz auf diesem Gebiet sein. Diese Übertragung der Zuständigkeit vom Bundesgericht auf das Bundesverwaltungsgericht bezweckt, weiterhin ein rasches Verfahren garantieren zu können. Nach geltendem Recht sind Entscheide der Bundesverwaltungsbehörden auf dem Gebiet der internationalen Rechts- und Amtshilfe in der Regel direkt beim Bundesgericht anfechtbar (vgl. z. B. Art. 25 und 80g des Bundesgesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, SR 351.1; Art. 62 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Anlagefonds, SR 951.31; Art. 24 des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen, SR 952.0; Art. 39 Börsengesetz, SR 954.1). Dieser kurze Instanzenzug erlaubt eine rasche Vollstreckung von 4323

Rechtshilfemassnahmen. Dabei handelt es sich um einen wichtigen Trumpf der Schweiz in einem Bereich, in dem unser Land einem immensen internationalen Druck ausgesetzt ist. Dieser Trumpf darf nicht leichtfertig aus der Hand gegeben werden. Artikel 191a Absatz 2 BV-Justizreform schliesst nun eine direkte Beschwerde ans Bundesgericht aus. Damit ein rasches Verfahren weiterhin gewährleistet werden kann, ist es unumgänglich, das Bundesverwaltungsgericht auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe endgültig entscheiden zu lassen. Um auf diesem Gebiet eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten, muss die endgültige Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts auch für Entscheide über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen gelten, die von den kantonalen Behörden erlassen worden sind (vgl. die Anpassung der Art. 25 und 80g IRSG im Anhang zum VGG).

Das Bundesgericht hat sich zu dieser Kompetenzübertragung kritisch geäussert und beantragt, dass ihm zumindest jene Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts vorgelegt werden können, die eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen (vgl. Stellungnahme im Anhang). Der Bundesrat ist demgegenüber der Ansicht, dass eine entsprechende Ausweitung des Rechtsmittelweges unzweckmässig wäre.

Fragen betreffend die Wahrung der Menschenrechte sind im Bereich der internationalen Rechtshilfe nicht heikler als im Bereich des Asylrechts, wo das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls letztinstanzlich entscheiden wird (vgl. Art. 78 Abs. 1 Bst. c BGG).

Neu wird die Beschwerde an das Bundesgericht auch gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts auf dem Gebiet des Fernmeldeverkehrs ausgeschlossen sein (Abs. 1 Bst. n). Das Bundesverwaltungsgericht wird in diesem Bereich somit künftig die einzige Beschwerdeinstanz gegen Verfügungen von Bundesbehörden sein. Heute können Verfügungen der Eidgenössischen Kommunikationskommission direkt beim Bundesgericht angefochten werden, während gegen Verfügungen des Bundesamtes vorerst bei einer Rekurskommission Beschwerde zu erheben ist. Die Erteilung oder Verweigerung von Konzessionen durch die Kommunikationskommission unterliegt jedoch keiner Beschwerde (Art. 99 Abs. 1 Bst. d OG), was mit Artikel 29a BVJustizreform nicht mehr vereinbar ist. Die Beschränkung auf eine einzige Beschwerdeinstanz erscheint gerechtfertigt,
weil sich die technischen Möglichkeiten und die wirtschaftlichen Bedingungen auf dem Gebiet der Telekommunikation oft sehr rasch ändern. Die Verlängerung des Verfahrens durch eine zweite Beschwerdeinstanz kann dazu führen, dass dieses infolge der technischen Entwicklung schon vor dem endgültigen Entscheid praktisch gegenstandslos wird. Zudem erschweren lange Verfahren neuen Anbietern den Markteintritt, was wettbewerbspolitisch unerwünscht ist. Da das Bundesgericht nicht mehr als einzige Beschwerdeinstanz fungieren kann (Art. 191a Abs. 2 BV-Justizreform), ist die abschliessende richterliche Überprüfung im Bereich der Telekommunikation dem Bundesverwaltungsgericht zu übertragen.

Absatz 2 öffnet den Zugang zum Bundesgericht in den nach Absatz 1 ausgeschlossenen Bereichen, wenn mit der Beschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung von Streitigkeiten durch eine richterliche Behörde gerügt wird (Art. 29a BV-Justizreform, Art. 6 Abs. 1 EMRK). Der Ausschluss eines Bereichs von der Beschwerde an das Bundesgericht darf nicht zur Folge haben, dass der Bürger sein Recht auf Zugang zu einem Gericht verliert. Der Ausschluss eines Sachbereichs von der Beschwerde an das Bundesgericht ist daher rechtsstaatlich nur vertretbar, wenn ein unabhängiges Gericht die Entscheide in diesem Bereich wenigstens unter dem Blickwinkel der Einhaltung der Rechtsweggarantie überprüfen kann. Bund und

4324

Kantone dürfen gesetzliche Ausnahmen von der Rechtsweggarantie nach Artikel 29a BV-Justizreform nur in Ausnahmefällen vorsehen, insbesondere für Entscheide mit vorwiegend politischem Charakter (vgl. Art. 80 Abs. 3 BGG). Die Möglichkeit, beim Bundesgericht Beschwerde wegen Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung von Streitigkeiten durch eine richterliche Behörde zu führen, wird eine einheitliche Auslegung dieses Anspruchs gewährleisten.

Artikel 79

Streitwertgrenze

Artikel 191 Absatz 2 BV-Justizreform ermöglicht es, den Zugang zum Bundesgericht zu beschränken, indem eine Streitwertgrenze vorgeschrieben wird. Der Gesetzgeber kann diese Form der Beschränkung nicht nur in zivilrechtlichen Angelegenheiten vorsehen, wie dies heute der Fall ist (Art. 46 OG), sondern auch in anderen Bereichen. Artikel 79 BGG verlangt daher einen Mindeststreitwert für Beschwerden in Staatshaftungssachen. Dies deshalb, weil die Staatshaftung dogmatisch mit der zivilrechtlichen Haftung verwandt ist. Auch stimmen viele Begriffe in diesen beiden Bereichen überein. Zudem unterstellen zahlreiche Kantone Staatshaftungsansprüche der Zivilgerichtsbarkeit. Es rechtfertigt sich daher, den Zugang zum Bundesgericht analog zu den zivilrechtlichen Haftungsansprüchen zu beschränken. Artikel 79 BGG setzt die Streitwertgrenze bei 40'000 Franken fest, wie dies bei vermögensrechtlichen Angelegenheiten in Zivilsachen der Fall ist (Art. 70 BGG). Unterhalb dieser Grenze wird es dem Bundesverwaltungsgericht und den kantonalen Gerichten obliegen, die Einhaltung des Rechts zu gewährleisten. Das Bundesgericht kann dann angerufen werden, wenn sich Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen (vgl.

hierzu den Kommentar zu Art. 70 BGG), selbst wenn der Mindeststreitwert von 40'000 Franken nicht erreicht wird.

Artikel 80

Vorinstanzen im allgemeinen

Eine der wichtigsten Massnahmen zur Entlastung des Bundesgerichts besteht in der Verbesserung des vorinstanzlichen Rechtsschutzes in allen Streitigkeiten, die ans Bundesgericht weitergezogen werden können. Bereits diese Massnahme dürfte zu einer Reduktion der Beschwerden ans Bundesgericht führen. Sie erlaubt zudem, das Bundesgericht von der Pflicht zur vollen Überprüfung des Sachverhalts zu entlasten (vgl. Art. 99 BGG). Schliesslich wirkt sie sich positiv auf die höchstrichterliche Entscheidfindung aus, da bereits eine Prüfung der streitigen Rechtsfragen durch die Vorinstanz stattgefunden hat.

In Bezug auf Akte von Bundesbehörden überprüft das Bundesgericht künftig grundsätzlich nur Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Ziff. 2.2.1.1 und unten Ziff. 4.3). Es wird daher keine direkte Beschwerde gegen Verfügungen von Bundesverwaltungsbehörden mehr geben, mit Ausnahme der Entscheide der Bundeskanzlei betreffend die politischen Rechte (Art. 82 BGG). Das Bundesverwaltungsgericht wird somit erster Garant für eine einheitliche Rechtsanwendung auf Bundesebene sein.

Für Beschwerden im Personalbereich des Bundesverwaltungsgerichts wird das Bundesstrafgericht die Vorinstanz des Bundesgerichts sein (Abs. 1 Bst. b; vgl. Art. 36 Abs. 3 des Bundespersonalgesetzes BPG gemäss Anpassung im Anhang zum VGG).

4325

Immerhin bleibt das Bundesgericht zuständig für Beschwerden gegen Entscheide der unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (Abs.1 Bst. c). Diese Behörde ist eine richterliche Behörde, die wegen ihrer speziellen Funktion und des spezifischen Verfahrens vom Bundesverwaltungsgericht getrennt beibehalten wird (vgl. Art. 28 Abs. 1 Bst. d VGG).

Entsprechend dem geltenden Recht sind die Parteien verpflichtet, vorgängig den kantonalen Instanzenzug auszuschöpfen (Abs. 1 Bst. d; vgl. Art. 86 und 98 Bst. g OG). Diese Verpflichtung lässt keine Ausnahmen zu. Die unter dem geltenden Rechts bestehende Möglichkeit, auf die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs zu verzichten, wenn die Beschwerde eine Angelegenheit der interkantonalen Doppelbesteuerung oder des Arrestes auf Vermögen ausländischer Staaten betrifft (Art. 86 Abs. 2 OG), wird fallengelassen, weil das Bundesgericht nicht mehr als erste richterliche Instanz entscheiden soll. Die von einer interkantonalen Doppelbesteuerung betroffene Person wird die Sache indessen ans Bundesgericht weiterziehen können, sobald ein Kanton einen letztinstanzlichen Entscheid gefällt hat; die letztinstanzlichen Entscheide der übrigen involvierten Kantone muss sie nicht abwarten (vgl. Art. 94 Abs. 5 BGG). In besonderen Fällen wird die Bundesgesetzgebung vorsehen, dass auch Entscheide von kantonalen Behörden ans Bundesverwaltungsgericht weitergezogen werden können (vgl. Art. 29 Bst. h VGG). Aus diesem Grund sieht Artikel 80 Absatz 1 Buchstabe d BGG die Subsidiarität der Beschwerde ans Bundesgericht gegenüber der Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht vor.

Absatz 2 hält ausserdem die Kantone an, in allen Angelegenheiten, die nach den Artikeln 77 Buchstabe a und 78 BGG der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, als letzte Instanz ein Gericht vorzusehen. Damit wird die Regel, die heute bereits für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gilt (Art. 98a Abs. 1 OG), auch auf jene Fälle ausgedehnt, in denen bisher nur die staatsrechtliche Beschwerde zulässig war. Entsprechend den Artikeln 29a und 191b Absatz 1 BV-Justizreform muss künftig jeder Kanton eine Verwaltungsgerichtsbarkeit mit allgemeiner Zuständigkeit und grundsätzlich voller Sachverhalts- und Rechtskontrolle aufweisen (vgl.

Art. 103­105 BGG). Artikel 80 Absatz 2 BGG gilt für alle Fälle, die in den
Anwendungsbereich der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten fallen, mit Ausnahme derjenigen, die durch die Artikel 81 und 82 BGG geregelt werden oder die vorgängig der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht unterliegen. Sie betrifft also nicht nur jene Fälle, die immer Gegenstand einer Beschwerde sein können (auf die also Art. 78 Abs. 1 BGG nicht anwendbar ist), sondern auch die in den Artikeln 78 Absatz 2 und 79 BGG genannten Fälle. Soweit einzig wegen Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung von Streitigkeiten durch eine richterliche Behörde an das Bundesgericht rekurriert werden kann (Art. 78 Abs. 2 BGG), muss das kantonale Gericht wenigstens prüfen können, ob dieser Anspruch respektiert worden ist (Art. 90 Abs. 3 und Art. 104 Abs. 3 BGG).

Analog zu den Zivil- und Strafsachen (vgl. Art. 71 Abs. 2 und 75 Abs. 2 BGG) präzisiert Absatz 2, dass das letztinstanzliche kantonale Gericht ein oberes Gericht sein muss. Wenn ein Kanton mehrere aufeinanderfolgende gerichtliche Instanzen für Verwaltungssachen kennt, wird er als letzte Instanz die höchste vorsehen müssen; dies wird normalerweise das kantonale Verwaltungsgericht sein. Verfügt ein Kanton in Verwaltungssachen nur über eine einzige Gerichtsinstanz, dann gilt automatisch diese als oberes Gericht. Vorbehalten bleiben jene Fällen, in denen ein anderes Bundesgesetz erlaubt, Entscheide einer unteren richterlichen Instanz direkt vor Bundes4326

gericht anzufechten (vgl. Art. 146 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer, SR 642.11).

Der kantonale Gesetzgeber hat immerhin die Möglichkeit, in Angelegenheiten mit vorwiegend politischem Charakter auf eine gerichtliche Instanz zu verzichten, beispielsweise bei Richtplänen (Abs. 3; Art. 29a Satz 2 BV-Justizreform). Es obliegt dann dem Bundesgericht zu prüfen, ob die Bedingung des vorwiegend politischen Charakters erfüllt ist.

Artikel 81

Vorinstanzen bei Beschwerden gegen Erlasse

Gegen kantonale Erlasse ist die Beschwerde unmittelbar zulässig (vgl. auch Art. 95 BGG). Die Kantone sind daher nicht verpflichtet, selber eine gerichtliche Instanz für die abstrakte Normenkontrolle vorzusehen. Sofern aber eine solche Instanz besteht, ist die direkte Beschwerde ans Bundesgericht ausgeschlossen.

Artikel 82

Vorinstanzen in Stimmrechtssachen

Absatz 1 entspricht Artikel 86 OG und verpflichtet die Bürger, auch in politischen Angelegenheiten vor Anrufung des Bundesgerichts zunächst die Rechtsmittel auszuschöpfen.

In kantonalen Angelegenheiten sind die Kantone künftig durch Absatz 2 gehalten, gegen behördliche Akte, welche die politischen Rechte verletzen können, eine Beschwerdemöglichkeit vorzusehen. So muss zum Beispiel die Intervention einer Gemeindebehörde bei einer Abstimmungskampagne (etwa die finanzielle Unterstützung eines Komitees) einem Rechtsmittel an eine kantonale Behörde unterliegen, bevor der Weiterzug ans Bundesgericht in Frage kommt. Nach Artikel 191b Absatz 1 BV-Justizreform muss die Vorinstanz des Bundesgerichts eine gerichtliche Instanz sein. Artikel 29a BV-Justizreform erlaubt jedoch dem kantonalen Gesetzgeber, in Ausnahmefällen keine richterliche Behörde vorzusehen. Artikel 82 Absatz 2 BGG verlangt nicht, dass diese kantonale Instanz ein Gericht sein muss; dies wird der zukünftigen Auslegung der Rechtsweggarantie überlassen.

Bei Akten des Parlaments oder der Regierung im Bereich der politischen Rechte schliessen die meisten Kantone alle Beschwerden auf kantonaler Ebene aus. Nach Meinung des Bundesrates ist es nicht nötig, die Kantone zu einer Änderung ihre diesbezüglichen politischen Systeme zu veranlassen, da der überwiegend politische Charakter in diesen Angelegenheiten unbestreitbar gegeben ist. Aus diesem Grund erlaubt das BGG ausdrücklich, Akte des Parlaments oder der Regierung, die nicht einer Beschwerde auf kantonaler Ebene zugänglich sind, direkt beim Bundesgericht anzufechten (Art. 82 Abs. 1 Bst. a und Abs. 2 Satz 2 BGG). Damit legt das Bundesrecht selber einen Bereich fest, in dem die Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) nicht gilt, wenn das kantonale Recht diese nicht vorsieht. Die Beschwerde ans Bundesgericht genügt nämlich nicht, um den Anforderungen dieser Verfassungsgarantie zu genügen, da das Bundesgericht keine volle Überprüfung des Sachverhalts vornehmen darf (vgl. Art. 99 BGG).

In eidgenössischen Angelegenheiten statuiert Absatz 1 Buchstabe b die Zuständigkeit des Bundesgerichts zur Überprüfung aller Entscheide der Kantonsregierungen.

Die Beschwerde an den Bundesrat und an den Nationalrat geht daher in der neuen Beschwerde ans Bundesgericht auf (vgl. Art. 81 f. des Bundesgesetzes über die po4327

litischen Rechte, SR 161.1). Eine vorgängige Beschwerde an ein kantonales Gericht ist ausgeschlossen, damit die Ergebnisse rasch verkündet werden können und der Nationalrat anlässlich der auf die Wahl folgenden Session konstituiert werden kann.

Das Bundesgericht wird, wie im geltenden Recht (Art. 80 Abs. 2 und 3 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte), bei Beschwerden gegen Entscheide der Bundeskanzlei in Stimmrechtssachen des Bundes zuständig sein. Die vorgängige Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts ist ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. Art. 28 Bst. b VGG). Auch hier stützt sich das BGG auf Artikel 29a BV-Justizreform, um eine Ausnahme vom Prinzip nach Artikel 191a Absatz. 2 BV-Justizreform vorzusehen. Danach müssten die Entscheide der Verwaltung bei einer dem Bundesgericht vorgeordneten Justizbehörde angefochten werden können.

Die Zuständigkeit im Bereich der Validierung von Volksinitiativen liegt bei der Bundesversammlung (Art. 173 Abs. 1 Bst. f BV). Eine Beschwerde ans Bundesgericht gegen einen Entscheid der Bundesversammlung ist ausgeschlossen (vgl.

Art. 189 Abs. 4 BV-Justizreform).

Artikel 83

Allgemeines Beschwerderecht

Die Umschreibung des Beschwerderechts ist ein zentraler Punkt eines jeden Verfahrensrechts, denn von ihr hängt ab, wer einen Akt anfechten darf, wem mithin letztlich Zugang zur Justiz zu gewähren ist. Es bestehen in der Schweiz im öffentlichen Recht dafür zwei verschiedene Grunddefinitionen: Nach der einen ist ein rechtlich geschütztes Interesse, nach der anderen lediglich ein schutzwürdiges Interesse gefragt.

Bei der staatsrechtlichen Beschwerde hat der Beschwerdeführer darzutun, dass der angefochtene Akt seine rechtlichen Interessen verletzt (Art. 88 OG). Mit anderen Worten ist geltend zu machen, dass der Akt eine Norm verletzt, deren Ziel es ist, die Interessen des Beschwerdeführers zu schützen und die ihm auf diese Weise ein subjektives Recht einräumt. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde verlangt demgegenüber nur ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Abänderung des Aktes (Art. 103 Bst. a OG). Dies kann in einem rechtlichen oder bloss faktischen Interesse bestehen, der Beschwerdeführer braucht also nicht ausgerechnet in jenen Interessen betroffen zu sein, welche die angeblich verletzte Rechtsnorm schützt. Ebensowenig ist erforderlich, dass die Rechtsordnung die verletzten Interessen des Beschwerdeführers wenigstens implizit anerkennt.

Trotz ihrer Verschiedenheit führen die beiden Definitionen in der Praxis zu weitgehend ähnlichen Ergebnissen, denn grundsätzlich hat der Entscheidadressat sowohl ein rechtliches als auch ein bloss schutzwürdiges Interesse. Tatsächlich spielt das Erfordernis des rechtlichen Interesses nur in zwei Fällen eine selbständige Rolle: Einmal gegenüber der Rüge der Willkür (Art. 9 BV) und der ungleichen Rechtsanwendung (Art. 8 Abs. 1 BV), sodann bei der Beschwerde eines Dritten, der nicht Entscheidadressat ist. In beiden Fällen hängt das Beschwerderecht nach Ansicht des Bundesgerichts (BGE 126 I 81 ff.) vom im Einzelfall anwendbaren materiellen Gesetzes- und Verordnungsrecht ab: Dieses muss dem Beschwerdeführer ein subjektives Recht einräumen.

4328

Das Erfordernis des rechtlichen Interesses mag gewiss ein Mittel sein, den Zugang zum Bundesgericht zu beschränken, jedoch nur um einen zu hohen Preis und ohne erheblichen Entlastungseffekt: Der Nachweis dieses Interesses ist oft heikel und das Bundesgericht wird zu vertiefter Analyse der materiellen Normen gezwungen, bevor es Nichteintreten auf die Beschwerde beschliessen kann. Sodann bleiben gewisse Bereiche der gerichtlichen Kontrolle gänzlich entzogen, selbst im Falle von Willkür (z. B. Entscheide, die einen Vorteil oder einen Anspruch gewähren; Akte, die angeblich eine Norm verletzen, welche nur dem Schutze des Allgemeininteresses dient).

Absatz 1 Buchstabe c übernimmt die Regel, die heute für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gilt, und dehnt sie auf die gesamte Rechtspflege in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten aus. Zur Beschwerdeführung bedarf es somit eines schutzwürdigen Interesses: Der verlangte Entscheid muss geeignet sein, eine rechtmässige Situation herzustellen und erlittene Nachteile zu beheben. Mit anderen Worten ist darzutun, dass der angefochtene Akt einerseits fehlerhaft ist und andererseits dem Beschwerdeführer Nachteile verursacht oder ihn eines Vorteils beraubt.

Diese Lösung läuft dem allgemeinen Anliegen einer Entlastung des Bundesgerichts keineswegs zuwider. Dessen Aufgabe wird durch die Trennung der prozessualen und materiellen Fragen vielmehr erleichtert. Das Bundesgericht braucht sich nicht mehr über den Sinn und Zweck einer Norm zu äussern, nur um über die Zulässigkeit einer Beschwerde schlüssig zu werden.

Der Bundesrat teilt die Meinung der Expertenkommission, wonach die Praxis das Beschwerderecht Dritter oft zu grosszügig interpretiert hat. Deshalb wurde als weitere Voraussetzung die des persönlichen Betroffenseins verschärft. Nach Absatz 1 Buchstabe b muss der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Akt besonders berührt sein. Er muss sich also über ein persönliches Interesse ausweisen, das sich vom allgemeinen Interesse der übrigen Bürger klar abhebt. Wenn es sich beim angefochtenen Akt um einen kantonalen Erlass handelt, braucht dieses persönliche Interesse wie bisher nur virtuell zu sein: Eine minimale Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer vom fraglichen Erlass einmal betroffen sein könnte, reicht dafür aus (BGE 122 I 90, 92). In den übrigen Fällen
muss das persönliche Interesse in der Regel noch aktuell sein, denn der anbegehrte Entscheid soll den durch den angefochtenen Akt erlittenen Nachteil beheben.

Buchstabe a des ersten Absatzes formuliert ausdrücklich eine von der bestehenden Rechtsprechung zum Vorhandensein des schutzwürdigen Interesses abweichende Anforderung. Verlangt wird, dass der Beschwerdeführer Partei vor der vorangehenden Beschwerdeinstanz war oder ihm seine Parteirechte verweigert worden sind (BGE 121 II 224; 227; vgl. auch Art. 104 BGG). Selbstverständlich kommt diese Bestimmung nicht zum Tragen, wenn ein kantonaler Erlass unmittelbar angefochten wird (vgl. Art. 81 Abs. 1 BGG).

Absatz 2 übernimmt die heutige Praxis bei der Stimmrechtsbeschwerde: Jedem Stimmberechtigten der betreffenden Körperschaft kommt das Beschwerderecht zu (vgl. z. B. BGE 121 I 252, 255). Diese Bestimmung ergänzt die allgemeine Regel in Absatz 1. Sie hindert folglich keine nicht stimmberechtigte Person daran, gegen einen Akt, der die politischen Rechte betrifft, Beschwerde zu führen, wenn sie ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung dieses Aktes hat. Dies würde beispiels-

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weise für eine Wahlkandidatin zutreffen, die das passive Wahlrecht hat, ohne stimmberechtigt zu sein.

Artikel 84

Besondere Beschwerderechte

Diese Bestimmung regelt die besonderen Beschwerderechte von Behörden oder Körperschaften, welche öffentliche Interessen verfolgen.

Buchstabe a will die einheitliche Anwendung von Bundesrecht sicherstellen, indem den Departementen ein Beschwerderecht zuerkannt wird. Übernommen wird die Regelung von Artikel 103 Buchstabe b OG; zusätzlich erhält auch die Bundeskanzlei die Möglichkeit, beispielsweise Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts in Angelegenheiten ihres Personals anzufechten. Die Bundesverwaltung kann von ihrem Beschwerderecht jedoch wie bisher nur in Fällen Gebrauch machen, die ihren spezifischen Aufgabenbereich betreffen. Die Verschmelzung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit der staatsrechtlichen Beschwerde hat keine Erweiterung des Beschwerderechts der Bundesverwaltung zur Folge, ausser dass es sich neu auch gegen einen kantonalen Erlass richten könnte.

Soweit im geltenden Recht das Beschwerderecht des zuständigen Departements auf ein Bundesamt übertragen wird, geschieht dies teilweise auf Gesetzesstufe und teilweise in Verordnungen des Bundesrates. Die vorliegende Totalrevision der Bundesrechtspflege geht davon aus, dass die Delegation des Beschwerderechts innerhalb des Departements künftig durch eine Verordnung (z.B. Organisationsverordnung des Departements) erfolgt. Es soll Sache des Bundesrates bzw. der Departemente sein zu bestimmen, wann das Departement und wann ein Amt zur Prozessführung vor dem Bundesgericht berechtigt ist. Die allgemeine Zuständigkeit der Departemente nach Artikel 84 Buchstabe a ist nicht so zu verstehen, dass nur der Gesetzgeber von ihr abweichen könnte, sondern als Grundsatz, der zum Tragen kommt, wenn das Bundesrecht das Beschwerderecht nicht einem Amt überträgt.

Buchstabe b ist die Folge der von den Parlamentsdiensten übernommenen Funktion als Arbeitgeber (Art. 2 Buchstabe b des Bundespersonalgesetzes BPG).

Buchstabe c räumt den Gemeinden und andern öffentlich-rechtlichen Körperschaften ein Beschwerderecht zur Anfechtung von Akten ein, welche Garantien verletzen, die ihnen die Bundesverfassung (vgl. Art. 50 BV) oder eine Kantonsverfassung gewährt (z. B. Verletzung der Autonomie, des Gebietes, der Existenz schlechthin). Die Bestimmung übernimmt die diesbezügliche Rechtsprechung der staatsrechtlichen Beschwerde (BGE 121 I 220). Sie schliesst nicht aus,
dass andere Bundesgesetze den Gemeinden ein weitergehendes Beschwerderecht zur Verteidigung des öffentlichen Interesses zugesteht (z. B. Art. 34 Abs. 2 RPG; SR 700). Ebenso wenig ist ausgeschlossen, dass sich die Gemeinden in bestimmten Fällen auf das allgemeine Beschwerderecht nach Artikel 83 Absatz 1 berufen dürfen.

Seit jeher hat die Rechtsprechung demgegenüber den Kantonsregierungen bei der staatsrechtlichen Beschwerde das Beschwerderecht abgesprochen. Dieser Praxis liegt die Überlegung zu Grunde, dass die öffentlich-rechtlichen Körperschaften nicht Träger von verfassungsmässigen Rechten sind (BGE 120 Ia 95, 96 f.). Die Kantonsregierungen sind grundsätzlich auch nicht zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, sofern die angefochtene Verfügung den Kanton nicht in gleicher oder ähnlicher Weise wie einen Privaten betrifft (BGE 123 II 427 ff.). Diese Rechtslage ist 4330

unbefriedigend, vor allem wenn ein kantonales Gericht einen kantonalen Erlass entgegen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als bundesrechtswidrig bezeichnet.

Dasselbe gilt, wenn ein kantonales Gericht eine kantonale Norm willkürlich auslegt.

In diesen Fällen haben die Kantone keinerlei Mittel, um ihre Interessen wahrzunehmen. Es wäre indessen problematisch, den Kantonsregierungen zu gestatten, alle letztinstanzlichen kantonalen Entscheide beim Bundesgericht anzufechten, die ihnen nicht passen. Denn es steht dem Bundesgericht nicht zu, alle kantonalen Auslegungsstreitigkeiten zu entscheiden. Darum sieht Buchstabe d ein besonderes Beschwerderecht für die Kantonsregierungen nur dann vor, wenn ein Entscheid einer letztinstanzlichen Justizbehörde dem Kanton grosse zusätzliche Ausgaben verursacht oder seine Einnahmen massgeblich vermindert. Dieses Beschwerderecht muss eine Ausnahme bleiben, so dass das Bundesgericht diese Bestimmung restriktiv auslegen wird. Damit soll aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Rechtsprechung den Kantonsregierungen in gewissen Fällen wie bisher die Beschwerdebefugnis gestützt auf das allgemeine Beschwerderecht (Art. 83 Abs. 1 BGG) zuerkennt.

Buchstabe e übernimmt die Regel von Artikel 103 Buchstabe c OG und verschärft sie insofern, als es ausdrücklich dem Bundesgesetzgeber vorbehalten ist, andern Personen, Organisationen oder Behörden ein Beschwerderecht einzuräumen. Die Bestimmung gilt nicht für eine Organisation, welche die Interessen ihrer Mitglieder wahrt; deren Beschwerderecht ist im Rahmen von Artikel 83 zu prüfen.

4.1.4

4. Kapitel: Beschwerdeverfahren

4.1.4.1

1. Abschnitt: Anfechtbare Entscheide

Artikel 85

Endentscheide

Diese Bestimmung statuiert den Grundsatz, dass nur Endentscheide mit Beschwerde angefochten werden können; das Bundesgericht soll sich nicht ständig von neuem mit einer Sache befassen müssen. Gegen Teilentscheide sowie gegen Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde nur in Ausnahmefällen zulässig (Art. 86 bis 88 BGG).

Im Gegensatz zum geltenden Recht umschreibt das BGG den Begriff des Endentscheids für sämtliche Beschwerden in einheitlicher Weise. Dies bedeutet eine generelle Vereinfachung. Es handelt sich dabei um Entscheide, die das Verfahren abschliessen.

Die Definition stimmt mit dem allgemein gültigen Begriff des Endentscheids in der Staats- und Verwaltungsrechtspflege überein. Die Zivilrechtspflege dagegen erlebt dadurch eine Neuerung: Im Gegensatz zur heutigen in Artikel 48 OG festgehaltenen Rechtslage, wonach die Rechtsstreitigkeit durch einen Sachentscheid erledigt werden muss, wird es in Zukunft genügen, dass der Entscheid das Verfahren abschliesst (rein prozessualer Gesichtspunkt).

Beispiele: Die letztinstanzlichen Entscheide in Eheschutzsachen (Art. 172 ff. ZGB), ja sogar die provisorische Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts (Art. 839 und 961 ZGB), werden künftig als Endentscheide angesehen. Das Gleiche gilt auch für Entscheide, die Schutzmassnahmen betreffen, welche losgelöst von einem Hauptver-

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fahren angeordnet werden (z. B. Besitzesschutzmassnahmen oder die Arrestlegung gemäss SchKG). Hingegen gelten für Beschwerden gegen vorsorgliche Massnahmen, die vor oder während des Hauptverfahrens erlassen werden, die engen Grenzen von Artikel 88 BGG.

Die Kriterien, nach welchen ein Verfahren als abgeschlossen zu betrachten ist, sind nicht nur abhängig vom Verfahren vor der Vorinstanz des Bundesgerichts, sondern auch vom Verfahren vor der Behörde, deren Entscheid an die eben genannte Beschwerdeinstanz weiter gezogen wurde. Damit der Entscheid der letzten kantonalen Instanz als Endentscheid qualifiziert werden kann, muss er nämlich das Verfahren vor der ersten Instanz abschliessen. Normalerweise ist dies der Fall, wenn die Vorinstanz des Bundesgerichts über eine Beschwerde gegen einen Endentscheid befunden hat, der seinerseits das Verfahren vor der ersten Instanz abgeschlossen hat (z. B. indem eine Ehescheidung ausgesprochen oder eine Bewilligung erteilt wurde). Selbst wenn ein Zwischenentscheid Beschwerdegegenstand des Verfahrens vor der Vorinstanz des Bundesgerichts bildet, kann diese einen Endentscheid fällen, falls dadurch das Verfahren vor der ersten Instanz abgeschlossen wird, beispielsweise wenn die Beschwerdeinstanz den Entscheid der Vorinstanz wegen örtlicher Unzuständigkeit umgestossen hat.

Die Ausweitung des Begriffs des Endentscheids in der Zivilrechtspflege sollte nicht zu einer Zunahme der Beschwerden führen. Die Zivilentscheide, welche das Verfahren abschliessen, ohne definitiv über die Rechtsstreitigkeit selbst zu befinden, können schon heute mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen willkürlicher Anwendung des Bundeszivilrechts oder des kantonalen Prozessrechts angefochten werden. Die Kognition des Bundesgerichts wird ausserdem hinsichtlich der Entscheide, welche vorsorgliche Massnahmen betreffen, eingeschränkt sein (Art. 90 Abs. 2 BGG).

Artikel 86

Teilentscheide

Der Teilentscheid stellt innerhalb der Systematik des BGG eine Variante des Endentscheids dar. Er schliesst das Verfahren vor der unteren Instanz nicht vollständig ab, sondern befindet einzig über ein oder mehrere Rechtsbegehren. Derartige Teilentscheide sind nur unter gewissen eng umschriebenen Voraussetzungen anfechtbar; dabei steht die Prozessökonomie im Vordergrund.

Teilentscheide können in erster Linie im Falle einer objektiven Klagenhäufung angefochten werden (z. B. eine Klage, mit der einerseits die Beseitigung einer bestehenden und das Verbot einer zukünftigen Störung verlangt und andererseits Schadenersatz sowie Genugtuung anbegehrt wird). Das Gericht braucht nicht sämtliche kumulierten Rechtsbegehren im selben Entscheid zu behandeln; im Gegenteil, es kann zuerst über ein einziges Rechtsbegehren befinden und so das Verfahren auftrennen (z.

B. in einem Teilentscheid die Beseitigung der bestehenden und das Verbot der zukünftigen Störung vorab behandeln und den Schadenersatzanspruch in einem späteren Zeitpunkt prüfen). Wenn das im Teilentscheid behandelte Begehren auch Gegenstand eines selbständigen Verfahrens hätte bilden können, liegt ein anfechtbarer Teilentscheid im Sinne des Entwurfs vor (Bst. a). Im erwähnten Beispiel wäre dies der Fall.

Ein anfechtbarer Teilentscheid kann auch bei subjektiver Klagenhäufung (Streitgenossenschaft) vorliegen, so wenn der Entscheid nicht alle Streitgenossen betrifft, sondern das Verfahren nur für einen oder einzelne unter ihnen abgeschlossen wird 4332

(Bst. b). Wenn beispielsweise die drei Solidarschuldner A, B und C belangt werden, kann das Gericht das Verfahren zuerst auf die Leistungspflicht des C beschränken, weil in diesem Fall das Beweisverfahren einfacher ist.

Es ist wichtig, die Teilentscheide abzugrenzen von den Entscheiden, die ein Rechtsbegehren nicht vollständig erledigen, sondern einen formellen oder materiellen Aspekt des Ganzen beantworten (z. B. die Frage der örtlichen Zuständigkeit, die Feststellung der Schuld oder die Feststellung, dass ein Schadenersatzanspruch noch nicht verjährt ist, die Frage, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist usw.). Solche Entscheide sind nicht als Teilentscheide, aber möglicherweise als Vor- oder Zwischenentscheide unter den Voraussetzungen von Artikel 87 und 88 BGG anfechtbar.

Auch nicht als Teilentscheid, sondern als Endentscheid wird ein Entscheid über eine sog. Teilklage (Klage über einen Teilbetrag einer Schuld) angesehen.

Artikel 87 und 88

Vor- und Zwischenentscheide

Die Anfechtungsmöglichkeiten von Vor- und Zwischenentscheiden sind nach geltendem Recht nicht für alle Beschwerdearten des OG in derselben Weise geregelt.

Der Entwurf bietet die willkommene Gelegenheit zu einer Rechtsvereinheitlichung.

Der Begriff des Vor- und Zwischenentscheids gemäss BGG umfasst alle Entscheide, die ­ weil sie das Verfahren nicht abschliessen ­ nicht Endentscheide im Sinne von Artikel 85 BGG sind und die nicht als Teilentscheide im Sinne von Artikel 86 BGG betrachtet werden können. Die Vor- und Zwischenentscheide sind in zwei Gruppen einzuteilen: Auf der einen Seite diejenigen, welche die Zuständigkeit der urteilenden Behörde oder Ausstandsbegehren betreffen (Art. 87) und auf der anderen Seite die «anderen» Vor- und Zwischenentscheide (Art. 88).

Die Zulässigkeit der Beschwerde setzt einmal für beide Gruppen voraus, dass der Vor- oder Zwischenentscheid selbstständig eröffnet worden ist. Es reicht beispielsweise nicht, dass die Vorinstanz stillschweigend ihre Zuständigkeit anerkannt hat, sondern sie muss über diese vorentscheidende Frage einen formellen Entscheid fällen und diesen den Parteien eröffnen.

Die anderen Zulässigkeitsvorschriften beziehen sich auf den Inhalt des (selbstständig eröffneten) Vor- oder Zwischenentscheids.

Wenn der angefochtene Entscheid die Zuständigkeit oder ein Ausstandsbegehren betrifft, ist er innerhalb der Frist von Artikel 94 BGG ohne weiteres anfechtbar (Art. 87 Abs. 1). Falls die Frist ungenutzt verstrichen ist, können die Zuständigkeit und die Zusammensetzung der Behörde im Rahmen einer Beschwerde gegen den Endentscheid nicht mehr gerügt werden (Art. 87 Abs. 2). Dies stimmt im Grossen und Ganzen mit der geltenden Regelung für die Berufung (Art. 49 OG) und die staatsrechtliche Beschwerde (Art. 87 Abs. 1 OG) überein.

Wenn der (selbstständig eröffnete) Vor- oder Zwischenentscheid dagegen eine andere Vor- oder Zwischenfrage betrifft ­ diese kann materieller oder formeller Natur sein (z. B. die Frage der Handlungsfähigkeit, der unentgeltlichen Prozessvertretung oder der Verjährung) oder sich sogar auf vorsorgliche Massnahmen beziehen, die im Rahmen eines Hauptverfahrens veranlasst wurden ­, ist die Beschwerde nur in zwei Fällen zulässig (Art. 88 Abs. 1). Die erste Voraussetzung ist darin zu sehen, dass der Entscheid einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken kann (Bst. a). Dies 4333

entspricht der geltenden Regelung für die staatsrechtliche Beschwerde (Art. 87 Abs. 2 OG). Diese Bedingung ist beispielsweise bei der Anordnung der Untersuchungshaft gegen einen Beschuldigten erfüllt. Der andere Fall ist darin zu sehen, dass die Gutheissung der Beschwerde gegen den Vorentscheid sofort einen Endentscheid herbeiführen würde (Bst. b; vgl. Art. 50 Abs. 1 OG). Wenn beispielsweise in einem Haftpflichtprozess der Kausalzusammenhang in einem Zwischenentscheid bejaht worden ist, würde die Gutheissung der Beschwerde dazu führen, dass der Kausalzusammenhang verneint werden müsste, und die Schadenersatzklage wäre demnach abzuweisen (Endentscheid).

Nach Artikel 88 Absatz 2 sind Vor- und Zwischenentscheide, die weder die Zuständigkeit noch ein Ausstandsbegehren betreffen, im Rahmen der Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, wenn eine gesonderte Anfechtung unterblieben ist oder gar nicht zulässig war. Diese Regelung entspricht im wesentlichen Artikel 48 Absatz 3 und Artikel 87 Absatz 3 OG. Liegt bereits ein Endentscheid vor, ist die gesonderte Anfechtung von Vor- und Zwischenentscheiden allerdings nicht mehr erlaubt. Im Gegenteil, Vor- und Zwischenentscheide können nur mit einer Beschwerde gegen einen Endentscheid angefochten werden, wenn sie noch geeignet sind, den Endentscheid zu beeinflussen. Diese Bedingung ist im Prinzip erfüllt, wenn der Zwischenentscheid die Zulassung eines Beweismittels zum Inhalt hat, nicht aber bei der Anordnung von vorsorglichen Massnahmen.

Soweit ein Entscheid über eine vorsorgliche Massnahme gestützt auf Artikel 88 Absatz 1 separat beim Bundesgericht angefochten wird (z.B. Entscheid des Instruktionsrichters des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Beschwerde gegen eine von der Eidgenössischen Bankenkommission verfügte Schliessung einer Bank keine aufschiebende Wirkung zukomme), darf davon ausgegangen werden, dass das Bundesgericht die Beschwerde rasch behandeln wird, damit die Vorinstanz das Verfahren in Kenntnis des höchstrichterlichen Entscheids weiterführen kann.

Artikel 89

Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung

Diese Bestimmung hat die Untätigkeit einer Behörde zum Gegenstand (die Weigerung, einen Entscheid zu fällen oder die ungebührliche Verzögerung eines Entscheids im eigentlichen Sinn), weshalb ein eigentliches Beschwerdeobjekt gar nicht vorliegt. Vielmehr bleibt die Behörde stillschweigend untätig oder lehnt es ausdrücklich ab, innerhalb einer angemessenen Frist einen Entscheid zu fällen. Wenn sich Letzteres allerdings aus einem formellen Entscheid ergibt, liegt keine Rechtsverweigerung oder -verzögerung im Sinne dieser Bestimmung vor, sondern ein anfechtbarer Entscheid gemäss Artikel 85 ff. BGG. Die Unterscheidung ist wichtig, weil davon die Einhaltung der Beschwerdefrist abhängen kann (vgl. Art. 94 BGG).

4.1.4.2 Artikel 90

2. Abschnitt: Beschwerdegründe Schweizerisches Recht

Die Einführung der Einheitsbeschwerde hat zur Folge, dass die Art der erhobenen Rügen keinen Einfluss auf das zu ergreifende Rechtsmittel hat. Die Beschwerdeführer können mit anderen Worten bei jeder der drei Einheitsbeschwerden Rügen erhe4334

ben, die heute noch den spezifischen Rechtsmitteln vorbehalten sind. So kann eine Verletzung von Verfassungsbestimmungen im Rahmen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wie auch in Zivil- und Strafsachen gleichermassen überprüft werden.

Die Verletzung von Bundesrecht im Sinne von Bst. a umfasst auch die Verletzung der Bundesverfassung (Art. 189 Abs. 1 Bst. a BV-Justizreform). Die traditionelle Einteilung in verfassungsmässige Rechte und andere Verfassungsbestimmungen spielt keine Rolle mehr.

Das Völkerrecht wird in Bst. b gesondert erwähnt, da es eine eigenständige Rechtsquelle darstellt (Art. 189 Abs. 1 Bst. b BV-Justizreform). Nach ständiger Praxis kann sich der Einzelne nur auf eine völkerrechtliche Bestimmung berufen, wenn diese unmittelbar anwendbar ist (vgl. BGE 119 V 174 ff.).

Damit die kantonale Autonomie gewahrt bleibt, hält Artikel 90 BGG am Grundsatz fest, dass die Überprüfung oder Anwendung des kantonalen Rechts nicht Sache des Bundesgerichts ist. Übernommen werden jedoch die vier bereits heute geltenden Ausnahmen: Erstens steht die Beschwerde nach Buchstabe c offen bei einer Verletzung von kantonalen verfassungsmässigen Rechten (Art. 189 Abs. 1 Bst. d BV-Justizreform; vgl.

Art. 84 Bst. a OG). Dieser Begriff umfasst auch die Garantien, welche die kantonalen Verfassungen den Gemeinden oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften gewähren (vgl. Art. 84 Bst. c BGG; Art. 189 Abs. 1 Bst. e BV-Justizreform). Die Rüge der Verletzung von kantonalen Gesetzesbestimmungen, die den Gemeinden eine gewisse Autonomie gewähren, kann dagegen nicht selbstständig erhoben werden, wenn nicht gleichzeitig eine Verletzung der verfassungsmässig garantierten Gemeindeautonomie geltend gemacht wird.

Zweitens erlaubt Buchstabe d im Falle der Anfechtung eines kantonalen Entscheids im Bereich der politischen Rechte (Art. 77 Bst. c BGG), die Verletzung irgend einer kantonalen Bestimmung geltend zu machen, sofern diese einen engen Bezug zum Stimmrecht oder zur Ausübung der politischen Rechte aufweist (Art. 189 Abs. 1 Bst. f BV-Justizreform). Es kann sich dabei nach bundesgerichtlicher Praxis sowohl um Verfassungs- als auch um Gesetzesbestimmungen handeln.

Drittens öffnet Buchstabe e den Beschwerdeweg an das Bundesgericht bei einer Verletzung von interkantonalem Recht (Art. 189 Abs. 1
Bst. c BV-Justizreform).

Dieser Begriff zielt nicht nur auf die Konkordate ab, sondern hat sämtliche interkantonalen Abkommen im Auge.

Viertens kann die Verletzung kantonaler Bestimmungen schliesslich auch eine Verletzung von Bundesrecht im Sinne von Buchstabe a (z. B. eines verfassungsmässigen Rechts) oder von Völkerrecht im Sinne von Buchstabe b (z. B. der Europäischen Menschenrechtskonvention) zur Folge haben.

Das Bundesgericht ist nach dem BGG im Gegensatz zu Artikel 104 Buchstabe c und Artikel 132 Buchstabe a OG nicht mehr befugt, Verwaltungsentscheide auf ihre Unangemessenheit hin zu überprüfen. Denn es gehört nicht zur Aufgabe einer obersten Gerichtsinstanz, sich über die Unangemessenheit von Verwaltungsakten zu äussern (vgl. auch oben Kap. 2.3.1.3.1). Die Ausübung des Ermessens bei der Anwendung des eidgenössischen Rechts unterliegt jedoch rechtlichen Grenzen, deren Über-

4335

schreitung eine Verletzung von Bundesrecht darstellt und daher vom Bundesgericht nach Massgabe von Buchstabe a überprüft werden kann.

Die Absätze 2­4 statuieren Ausnahmen von den allgemeinen Regeln im ersten Absatz. In den drei Fällen kann nur ein Teil der in Absatz 1 aufgeführten Rügen erhoben werden. Diese Ausnahmen begrenzen die Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts in besonderen Fällen. Sie weichen jedoch nicht vom Konzept der Einheitsbeschwerde ab, denn die Rechtsmittel bleiben dieselben wie bei den anderen anfechtbaren Entscheiden.

Absatz 2 schränkt die Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts ein, falls sich die Beschwerde gegen einen Entscheid richtet, der die Anordnung vorsorglicher Massnahmen zum Inhalt hat. Vorsorgliche Massnahmen sind einstweilige Verfügungen, die eine rechtliche Frage so lange regeln, bis über sie in einem späteren Hauptentscheid definitiv entschieden wird. Sie lassen sich einteilen in Sicherungsmassnahmen (z. B. ein Veräusserungsverbot nach Art. 598 Abs. 2 ZGB), Regelungsmassnahmen (z. B. Eheschutzmassnahmen nach Art. 172 ff. ZGB), Vollstreckungsmassnahmen (z. B. Besitzesschutz nach Art. 926 ff. ZGB) und schliesslich in prozessuale Massnahmen (z. B. die Gewährung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde).

Vorsorgliche Massnahmen sind als Endentscheide im Sinne von Artikel 85 BGG zu betrachten, falls sie in einem eigenständigen Verfahren angeordnet wurden. Es handelt sich dagegen um Zwischenentscheide, wenn sie im Rahmen eines Verfahrens angeordnet wurden, das mit einem später gefällten Endentscheid abgeschlossen wird. Nach geltendem Recht können vorsorgliche Massnahmen im Bereich des Zivil- und Strafrechts nur mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von verfassungsmässigen Rechten angefochten werden. Dasselbe gilt für die im kantonalen Verwaltungsrecht vorgesehenen vorsorglichen Massnahmen. Drei Gründe sprechen für die Beibehaltung der eingeschränkten Prüfungsbefugnis im Bereich der vorsorglichen Massnahmen: In erster Linie sollte sich eine oberste rechtsprechende Behörde wie das Bundesgericht nicht mehrmals mit identischen Fragen in derselben Angelegenheit befassen müssen. Nun kann aber die Anordnung vorsorglicher Massnahmen in einem selbständigen Verfahren dazu führen, dass dieselbe Frage (z. B. die Zuteilung des Sorgerechts für die gemeinsamen Kinder)
mehr als einmal vor das Bundesgericht gebracht wird (z. B. zuerst als vorsorgliche Massnahme anlässlich der Aussprechung der Ehetrennung und anschliessend als definitive Regelung im Scheidungsurteil). Es lässt sich indessen kaum rechtfertigen, die vorsorglichen Massnahmen prinzipiell von der Beschwerde an das Bundesgericht auszunehmen; zumindest der Schutz gegen Willkür muss aufrecht erhalten werden. Weiter lässt sich ein Filter, wie ihn das von der Expertenkommission vorgeschlagene Vorprüfungsverfahren dargestellt hätte, nicht mit der Bundesverfassung vereinbaren. Deshalb vermag nur eine Prüfungsbefugnis, die in etwa derjenigen im Rahmen der heutigen staatsrechtlichen Beschwerde entspricht, zu verhindern, dass das Bundesgericht bei einer Beschwerde gegen eine vorsorgliche Massnahme in allen Einzelheiten eine Frage behandeln muss, die ihm nachher bei der definitiven Regelung erneut vorgelegt werden könnte.

Das Bundesgericht soll damit erst anlässlich der Beschwerde gegen die definitive Regelung (in unserem Beispiel im Scheidungsurteil) über eine volle Prüfungsbefugnis verfügen.

4336

Ein zweiter Grund, der die Einschränkung der Prüfungsbefugnis in Bezug auf vorsorgliche Massnahmen erforderlich macht, liegt darin, dass die Behörde nicht verpflichtet ist, bei der Anordnung solcher Massnahmen alle Tat- und Rechtsfragen vollständig abzuklären. Auf Grund der Tatsache, dass vorsorgliche Massnahmen naturgemäss dringlich sind und zudem nur vorübergehend gelten, genügt für deren Anordnung, dass Tatsachen glaubhaft gemacht werden und es erfolgt lediglich eine summarische Prüfung der Rechtslage. Es wäre daher inkohärent, das Bundesgericht zu verpflichten, die vorsorglichen Massnahmen mit voller Kognition zu überprüfen.

Der dritte Grund ist darin zu sehen, dass die Ausweitung der Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts hinsichtlich vorsorglicher Massnahmen vor allem in Zivilsachen zu einer Erhöhung der Geschäftslast führen würde, was durch kein wirkliches Bedürfnis begründet ist.

Gemäss Absatz 2 können vorsorgliche Massnahmen nur wegen Verletzung des Willkürverbots oder eines anderen durch die Verfassung oder einen Staatsvertrag garantierten Grundrechts angefochten werden. So könnte also die Anordnung der Untersuchungshaft in einem Strafverfahren auf ihre Vereinbarkeit mit den Garantien bei Freiheitsentzug überprüft werden (Art. 31 BV und 5 EMRK). Die Zuteilung des Sorgerechts während des Scheidungsverfahrens könnte wegen willkürlicher Anwendung des Zivilgesetzbuches angefochten werden.

Absatz 3 folgt aus Artikel 78 Absatz 2 BGG: Soweit die Beschwerde an das Bundesgericht ausschliesslich wegen Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung von Streitigkeiten durch eine richterliche Behörde mit voller Sachverhalts- und Rechtskontrolle zulässig ist, kann das Bundesgericht einzig diese Rüge prüfen. Der Beschwerdeführer darf demgemäss keine anderen Rechtsverletzungen im Sinne von Absatz 1 geltend machen.

Absatz 4 übernimmt insoweit eine Ausnahme des geltenden Rechts, als Artikel 190 Absätze 2 und 3 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (SR 291) für die Beschwerde ans Bundesgericht die zulässigen Rügen gegen das Urteil eines internationalen Schiedsgerichts einschränkt. Denn die Beschwerde an eine staatliche Behörde darf nicht zu einer nochmaligen Überprüfung des Schiedsgerichtsurteils in der Hauptsache führen. Soweit es sich um Schiedsgerichtsurteile gestützt auf das interkantonale
Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit (SR 279) handelt, drängt sich keine besondere Regelung auf. Denn Beschwerdeobjekt vor Bundesgericht können lediglich die Entscheide der kantonalen Rechtsmittelinstanzen sein. Die Rüge einer Rechtsverletzung durch ein Schiedsgericht vermag deshalb nur innerhalb der engen Grenzen von Artikel 36 des Konkordats Beschwerdegrund vor Bundesgericht zu bilden.

Artikel 91

Ausländisches Recht

Diese Bestimmung stimmt im wesentlichen mit Artikel 43a OG überein. Die Expertenkommission hatte vorgeschlagen, diese Befugnis des Bundesgerichts abzuschaffen, weil es nicht Sache eines obersten Gerichts sein könne, die Anwendung ausländischen Rechts zu überprüfen, das es nicht besser kenne als die Vorinstanz.

Dieser Vorschlag wurde im Vernehmlassungsverfahren besonders vom Schweizerischen Anwaltsverband kritisiert, denn bei der Auslegung ausländischen Rechts handelt es sich um eine anspruchsvolle Aufgabe, und die kantonalen Gerichte sind kaum in der Lage, diese Aufgabe allein zu übernehmen. Der Bundesrat ist der Meinung, 4337

dass es keinen ausreichenden Grund gibt, um in diesem Punkt von der jetzigen Rechtslage abzuweichen.

Nicht übernommen wird demgegenüber Artikel 43a Absatz 1 Buchstabe b OG, denn die zu Unrecht ergangene Feststellung, dass die Ermittlung des ausländischen Rechts nicht möglich sei, verletzt Artikel 16 Absatz 2 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (SR 291). Dieser Fall wird somit bereits durch Artikel 90 Absatz 1 Buchstabe a BGG abgedeckt.

Artikel 92

Unrichtige Feststellung des Sachverhalts

Die Aufgabe des Bundesgerichts als oberste rechtsprechende Behörde ist auf eine reine Rechtskontrolle zu beschränken. Die Feststellung des Sachverhalts und dessen Überprüfung muss Sache der Vorinstanzen sein. Deshalb stellt Artikel 92 den Grundsatz auf, dass die Feststellung des Sachverhalts nicht erneut mittels einer Beschwerde in Frage gestellt werden kann. Das Bundesgericht ist an den Sachverhalt gebunden, wie ihn die Vorinstanz ermittelt hat (vgl. auch Art. 99 BGG).

Das Verbot, die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz in Frage zu stellen, ist aber nicht absolut. Der Beschwerdeführer kann zuerst einmal geltend machen, der ermittelte Sachverhalt sei offensichtlich unrichtig und die Vorinstanz habe demnach willkürlich gehandelt. Er kann weiter vorbringen, die Vorinstanz habe bei der Sachverhaltsermittlung eine Rechtsverletzung gemäss Artikel 90 begangen. Dabei kann es sich um die Verletzung einer verfahrensrechtlichen Bestimmung in Bezug auf die Ermittlung des Sachverhalts handeln, wie beispielsweise die Nichtbeachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Die Rechtsverletzung kann gleichwohl auch in einem unvollständigen Sachverhalt liegen, denn die Vorinstanz verletzt materielles Recht, wenn sie nicht alle relevanten Tatsachen ermittelt, die zu seiner Anwendung nötig sind. Im Gegensatz zu Artikel 104 Buchstabe b OG nennt Artikel 92 BGG nicht mehr ausdrücklich den Fall des unvollständigen Sachverhalts. Denn ein diesbezüglicher Beschwerdegrund liegt nur vor, wenn dadurch die korrekte Anwendung des materiellen Rechts verhindert wird (Art. 90 und 91 BGG). Bei einem kantonalen Entscheid, der sich auf kantonales Recht abstützt, dessen Verletzung vor Bundesgericht nicht gerügt werden kann, stellt deshalb eine unvollständige Feststellung des Sachverhalts kein ausreichender Beschwerdegrund dar.

Das Vorliegen einer Rechtsverletzung in Bezug auf die Ermittlung des Sachverhalts ist noch keine ausreichende Voraussetzung, um auf eine Beschwerde eintreten zu können. Es ist vielmehr noch notwendig, dass die Rechtsverletzung einen entscheidenden Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens haben könnte. Der Beschwerdeführer muss daher glaubhaft machen, dass das Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen wäre. Dies hat den Vorteil, dass eine unnötige
Verzögerung des Verfahrens verhindert werden kann. Das Erfordernis des Einflusses auf den Verfahrensausgang weist indessen in zweierlei Hinsicht Grenzen auf: Geht es um Entscheide gestützt auf materielles kantonales Recht, so ist es dem Bundesgericht verwehrt, das kantonale Recht frei auszulegen, es sei denn, dessen Verletzung stelle einen Beschwerdegrund im Sinne von Artikel 90 BGG dar. In diesem Fall muss das Erfordernis des Einflusses auf den Verfahrensausgang schon als erfüllt gelten, wenn ein anderer Entscheid nicht offensichtlich ausgeschlossen ist, mithin das Willkürverbot die Vorinstanz nicht geradezu daran hindert, einen anderen 4338

Entscheid als den angefochtenen zu fällen. Wenn ein Vor- oder Zwischenentscheid angefochten wird, kann das Bundesgericht ausserdem nicht über die Bedeutung des Sachverhalts für den Ausgang des Verfahrens befinden, ohne dem Entscheid in der Hauptsache vorzugreifen; es muss sich deshalb damit begnügen, abzuschätzen, ob der Sachverhalt irgendeine Rolle beim Endentscheid spielen könnte.

Die Funktion des Bundesgerichts als höchste Gerichtsbarkeit beinhaltet, dass es sich auch auf eine Rechtskontrolle beschränkt, wenn die Vorinstanz als einzige Instanz entschieden hat, selbst wenn es sich dabei nicht um eine gerichtliche Behörde handelt (vgl. Art. 80 Abs. 3 und Art. 82 BGG). Die bestehende Ausnahme im Bereich der Verwaltungsrechtspflege (vgl. Art. 105 Abs. 1 und 2 OG) wird damit aufgegeben. Die Beschränkung auf eine Rechtskontrolle gilt auch, wenn Beschwerde gegen ein erstinstanzliches Urteil des Bundesstrafgerichts erhoben wird. Würde man das Bundesgericht in diesen Fällen mit einer vollen Prüfungsbefugnis in tatsächlicher Hinsicht ausstatten, hätte dies zur Folge, dass der durch die Einrichtung des Bundesstrafgerichts geschaffene Entlastungseffekt beträchtlich reduziert würde: Das Bundesgericht wäre wiederum ­ zwar als Beschwerdeinstanz, aber mit derselben Prüfungsbefugnis ­ mit der Behandlung von Strafsachen belastet, in denen es jetzt noch als einzige Instanz urteilt. Das Völkerrecht verlangt im Übrigen nicht, dass die Beschwerdeinstanz den Sachverhalt frei überprüfen kann (vgl. BGE 124 I 95).

Die Hauptänderung in Bezug auf das geltende Recht liegt darin, dass die freie Überprüfbarkeit des Sachverhalts auch abgeschafft wird, wenn es um die Bewilligung oder Verweigerung von Sozialversicherungsleistungen geht (vgl. Art. 132 Bst. b OG). Darin ist eine gewichtige Massnahme zur Entlastung der Sozialversicherungsabteilung des Bundesgerichts zu sehen. Sie wurde in der Vernehmlassung kritisiert und auch von der Bundesversammlung im Rahmen der OG-Teilrevision verworfen, wobei die Berichterstatter durchblicken liessen, dass die Diskussion darüber im Rahmen der Justizreform wieder aufgenommen werde (AB 1999 N 664, S 399).

Nach Ansicht des Bundesrates ist es notwendig, dass die Sozialversicherungsabteilung substantiell entlastet wird. Hierzu ist es aber unumgänglich, dass die Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts
im Bereich der Sozialversicherungsleistungen in derselben Weise beschränkt wird wie in den anderen Rechtsbereichen. Für eine ausführliche Erläuterung wird auf Kap. 2.3.1.3.1 verwiesen.

4.1.4.3

3. Abschnitt: Neue Vorbringen (Art. 93)

Soweit dem Bundesgericht nur die Rechtskontrolle obliegt, es also die Feststellung des Sachverhaltes nicht überprüfen kann (Art. 92 und 99 BGG), sind die Parteien gehalten, alle rechtsrelevanten Tatsachen und tauglichen Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen zu nennen. Absatz 1 untersagt den Parteien, Tatsachen und Beweismittel erst vor Bundesgericht vorzubringen, wenn dazu im vorgängigen Verfahren Gelegenheit bestand. Dieses Novenverbot ist aber nicht absolut, sondern kennt gewisse Ausnahmen.

Zunächst sind solche neuen Tatsachen zulässig, die allein durch den Entscheid der Vorinstanz rechtswesentlich werden. So kann die Rüge der Verletzung von Verfahrensrecht durch die Vorinstanz (z. B. Verletzung des rechtlichen Gehörs im Beweisverfahren) mit Tatsachen untermauert werden, die bei dieser Instanz nicht vorgebracht wurden. Gleiches gilt, falls der Entscheid der Vorinstanz auf einem neuen 4339

rechtlichen Argument beruht, zu dem die Parteien nicht haben Stellung nehmen können: Diesfalls können die Parteien unter den Voraussetzungen von Artikel 92 BGG neue Tatsachen vorbringen um aufzuzeigen, dass die betreffende rechtliche Erwägung unrichtig ist.

Neue Tatsachen sind ebenso zulässig, sofern sie Rechtsfragen betreffen, welche die Vorinstanz gar nicht hat prüfen können. So gilt das Novenverbot nicht bezüglich Tatsachen, von denen die Zulässigkeit einer Beschwerde ans Bundesgericht abhängt (z. B. das Datum der Eröffnung des angefochtenen Entscheids). Es gilt auch nicht, wenn kantonale Erlasse (Art. 81 Abs. 1 BGG) oder Akte kantonaler Parlamente bzw.

Regierungen, die politische Rechte betreffen (Art. 82 Abs. 2 Satz 2 BGG), direkt angefochten werden.

Es ist darauf hinzuweisen, dass nur Tatsachen, die anlässlich des vorinstanzlichen Entscheides bereits bestanden, ans Bundesgericht getragen werden können. Nachher eingetretene Tatsachen könnten nur Gegenstand eines Revisionsverfahrens bilden (Art. 109 BGG).

Weil die Beschwerde ans Bundesgericht im Vergleich mit kantonalen Rechtsmitteln und jenen des Bundes subsidiärer Natur ist, bestimmt sich der Streitgegenstand an Hand des vorinstanzlichen Verfahrens. Aus diesem Grund präzisiert Absatz 2, dass vor Bundesgericht neue Begehren unzulässig sind. Ein Begehren ist dann neu, wenn es nicht bei der Vorinstanz vorgebracht worden ist und zu einer Ausweitung des Streitgegenstandes führt. Dem Beschwerdeführer ist es indessen unbenommen, den Streitgegenstand einzuschränken (z. B. eine geringere Schadenersatzsumme). Ebenfalls ist es ihm ­ im Rahmen des Streitgegenstandes ­ erlaubt, andere als bei der Vorinstanz vorgebrachte Anträge zu stellen. So kann er beispielsweise an Stelle der Änderung eines Aktes neu dessen Aufhebung und die Rückweisung der Sache verlangen.

Artikel 93 BGG äussert sich demgegenüber nicht ausdrücklich über die Zulässigkeit neuer Einreden. Einreden sind Rechtsbehelfe, welche nicht von Amtes wegen berücksichtigt werden, sondern vielmehr allein in der Disposition der Parteien stehen (z. B. die Verjährung oder die Verrechnung; vgl. Art. 55 Abs. 1 Bst. c OG und Art. 273 BStP). Bereits der Vertrauensgrundsatz verbietet es, mit der Erhebung solcher Einreden bis vor Bundesgericht zuzuwarten, denn keine Partei darf einen Entscheid nur wegen
eines Fehlers in Frage stellen, für den sie selber verantwortlich ist.

Zudem ist der Begriff der Einrede ­ ausserhalb der Zivilrechtspflege ohnehin unüblich ­ heikel, denn nicht selten wird er in der Rechtssprache in einem weiteren Sinne verwendet: Er umfasst dann auch prozessuale und materielle Einwendungen, die das Gericht von Amtes wegen berücksichtigen müsste. Solche Einreden in einem weiteren Sinne sind vor Bundesgericht aber grundsätzlich zulässig.

4.1.4.4 Artikel 94

4. Abschnitt: Beschwerdefrist Beschwerde gegen Entscheide

Eine Beschwerde ans Bundesgericht ist bei diesem einzureichen (iudex ad quem); Einreichung bei einer andern Behörde schadet nicht, sofern rechtzeitig die Vorinstanz oder eine Bundesbehörde angegangen wurde (Art. 44 BGG). Die Beschwerde4340

frist beginnt wie nach bisherigem Recht am der Eröffnung des angefochtenen Entscheids folgenden Tag zu laufen (Art. 94 Abs. 1 i.V.m. Art. 40 BGG). Im Falle einer nachgereichten Begründung beginnt die Frist erst mit der Zustellung der Motive zu laufen (Art. 105 Abs. 2 BGG).

Die Beschwerdefrist beträgt grundsätzlich 30 Tage (Abs. 1). Hiervon gibt es jedoch mehrere in den Absätzen 2 bis 7 aufgeführte Ausnahmen. Diese entsprechen mehrheitlich dem geltenden Recht. Neu eingeführt wird eine Frist von zehn Tagen (Abs. 2 Bst. b) bei Entscheiden über die Rückgabe nach dem Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (SR 0.211.230.02). Die ordentliche Frist von 30 Tagen würde es praktisch verunmöglichen, die Verfahrenshöchstdauer von sechs Wochen je Instanz einzuhalten, welche im Übereinkommen vorgeschrieben wird, um die rasche Vollstreckung einer Entscheidung über die Rückgabe von entführten Kindern sicherzustellen (Art. 11 des Übereinkommens).

Von fünf auf drei Tage verkürzt wird die Beschwerdefrist bei Entscheiden der Kantonsregierungen über Beschwerden gegen die Nationalratswahlen (Abs. 4). Diese Verkürzung erweist sich als notwendig, damit das Bundesgericht über die Beschwerden befinden kann, ohne die Eröffnung der Legislatur oder die Verabschiedung des Voranschlags für das folgende Jahr in Frage stellen zu müssen.

Die besondere Frist von zehn Tagen für Zwischenverfügungen im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens (Art. 106 Abs. 1 OG) wird demgegenüber aufgegeben. Einheitlich gilt vielmehr neu und analog der Regelung im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren eine Frist von 30 Tagen. Abgesehen davon ist die Qualifikation einer Entscheidung als End- oder als Zwischenverfügung teilweise derart umstritten, dass es wenig sinnvoll erscheint, an unterschiedlichen Fristen festzuhalten. Damit fällt für den Beschwerdeführer das Risiko weg, dass auf seine Beschwerde wegen Verspätung nicht eingetreten wird, nur weil es sich bei der angefochtenen Verfügung um eine Zwischenverfügung und nicht ­ wie irrtümlich angenommen ­ um eine Endverfügung handelt.

Artikel 95

Beschwerde gegen Erlasse

Die Beschwerdefrist beginnt wie nach bisherigem Recht mit der Veröffentlichung des angefochtenen Erlasses zu laufen (Art. 89 Abs. 1 OG). Das kantonale Recht bestimmt die Art der Publikation.

4.1.4.5 Artikel 96

5. Abschnitt: Weitere Verfahrensbestimmungen Schriftenwechsel

Die Bestimmung lehnt sich an die geltenden Artikel 59 (Berufung), Artikel 81 (Beschwerde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen), Artikel 93 (staatsrechtliche Beschwerde) sowie Artikel 110 OG (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) an. Das Gesetz sieht weder für die Vernehmlassung zur Beschwerde (Abs. 1) noch für die Einsendung der Vorakten durch die Vorinstanz (Abs. 2) eine feste Frist vor. Der Instruktionsrichter lässt diesbezüglich Ermessen walten, doch dürfte ihm die Beschwerdefrist (im Allgemeinen 30 Tage) Richtschnur sein.

4341

Vorbehältlich eines möglichen Beweisverfahrens (Art. 51 f. BGG), allfälliger mündlicher Parteiverhandlungen (Art. 53 BGG) und mündlicher Urteilsberatungen (Art. 54 BGG) ist das Verfahren vor Bundesgericht schriftlich. Dabei soll in aller Regel nur ein einfacher Schriftenwechsel stattfinden (Art. 96 Abs. 3 BGG). Repliken und Dupliken, aber auch mündliche Parteiverhandlungen haben im Interesse der Verfahrensökonomie die Ausnahme zu bleiben.

Bei der Berufung kann der Berufungsbeklagte nach geltendem Recht in seiner Berufungsantwort Anschlussberufung erheben (Art. 59 OG). Die Expertenkommission wollte diese Möglichkeit auf sämtliche Beschwerdeverfahren ausdehnen. Die Ausweitung wurde im Vernehmlassungsverfahren heftig kritisiert. Nicht nur würde sie die Gefahr eines beträchtlichen Anstiegs der Beschwerdeanzahl mit sich bringen, sondern auch gerade in all jenen Fällen das Verfahren unnötig verlängern, in denen die Beschwerdefrist verkürzt worden ist, um schneller eine endgültige Entscheidung zu erhalten (vgl. Art. 94 Abs. 2 bis 4 BGG). Nach Auffassung des Bundesrates ist auf die Möglichkeit der Anschlussbeschwerde ersatzlos zu verzichten. Zunächst lässt sich die Beibehaltung im Rahmen des heutigen Anwendungsbereichs nur schwer realisieren, weil die Beschwerde in Zivilsachen eine wesentlich grössere Tragweite aufweist als die Berufung. Darüber hinaus wird heute vor Bundesgericht kaum vom Institut der Anschlussberufung Gebrauch gemacht. Schliesslich bevorteilt die Anschlussbeschwerde diejenige Partei, welche weiss, dass die Gegenpartei das Bundesgericht anrufen wird, verfügt sie doch auf diese Weise über mehr Zeit zur Vorbereitung ihrer eigenen Beschwerde. Jede am Verfahren vor einer Vorinstanz beteiligte Partei wird folglich innerhalb der ordentlichen Beschwerdefrist zu entscheiden haben, ob sie das Bundesgericht anrufen will. Verzichtet eine Partei darauf oder ist sie daran gehindert, weil der erforderliche Streitwert nicht erreicht ist, hat sie sich damit zu begnügen, gegebenenfalls zur Beschwerde der Gegenpartei Stellung zu nehmen.

Artikel 97

Aufschiebende Wirkung

Hauptaufgabe des Bundesgerichts ist es, für die einheitliche Rechtsanwendung, die Rechtsfortbildung und die Wahrung der verfassungsmässigen Ordnung zu sorgen.

Das Bundesgericht ist demgegenüber keine letzte Appellationsinstanz, die von den Parteien mit vollkommenen Rechtsmitteln angerufen werden kann. Es obliegt vielmehr den Vorinstanzen, dem Einzelnen einen umfassenden Rechtsschutz zu gewährleisten. Davon ausgehend sind die Rechtsmittelwirkungen der Beschwerde ans Bundesgericht und insbesondere auch ihr Suspensiveffekt zu definieren.

Im Interesse der Transparenz und Einfachheit des Verfahrens bringt der Entwurf auch diesbezüglich eine einheitliche Regelung für sämtliche Beschwerden (vgl. demgegenüber den geltenden Rechtszustand nach Art. 54, 70, 80, 94, 111 OG, Art. 36 SchKG sowie Art. 272 BStP): Die Beschwerde hat nur unter besonderen Voraussetzungen aufschiebende Wirkung (Abs. 2 und 3); grundsätzlich besteht somit kein Suspensiveffekt (Abs. 1), was auch einer falschen Attraktivität des Rechtsmittels wehrt. Damit beschreitet der Entwurf in der Zivilrechtspflege, aber auch im Bereich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde teilweise Neuland.

Nach Absatz 2 wirkt die Beschwerde nur dann von Gesetzes wegen suspensiv, wenn bei einer Zivilsache ein Gestaltungsurteil angefochten wird (Bst. a; z. B. ein Vaterschafts- oder ein Scheidungsurteil, die Auflösung einer juristischen Person). Für den 4342

Suspensiveffekt sprechen in diesen Fällen naheliegende Gründe der Praktikabiliät.

Zudem ist auch in Strafsachen von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung gegeben, wenn eine unbedingte Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Massnahme in Frage steht (Bst. b); für einen adhäsionsweise erhobenen Zivilanspruch gelten dann allerdings wieder die Schranken von Buchstabe a.

Der Instruktionsrichter kann von dieser gesetzlichen Regel abweichen. Er kann in den Fällen von Absatz 2 die aufschiebende Wirkung entziehen bzw. sie in den übrigen Fällen auf Antrag einer Partei oder sogar von Amtes wegen verfügen (Abs. 3).

Damit wird eine jedem Einzelfall gerecht werdende Vorgehensweise ermöglicht. In jenen Fällen, in denen der Beschwerde aufschiebende Wirkung zukommt ­ sei es von Gesetzes wegen oder auf Verfügung des Instruktionsrichters ­ hat dieser gegebenenfalls vorsorgliche Massnahmen zu treffen (Art. 98 BGG).

Der Grundsatz, wonach der Beschwerde an die höchste richterliche Instanz zumindest teilweise keine aufschiebende Wirkung zukommt, findet sich auch in den Gerichtssystemen mehrerer Nachbarstaaten, beispielsweise in Frankreich und Italien (in Zivil- und Verwaltungssachen) sowie in Österreich (lediglich in Verwaltungssachen). Grundsätzlich aufschiebende Wirkung hat demgegenüber in Deutschland die Beschwerde an die obersten Gerichte in Zivil-, Straf- und Verwaltungssachen.

Artikel 98

Andere vorsorgliche Massnahmen

Der Instruktionsrichter ist befugt, von Amtes wegen oder auf Parteiantrag vorsorgliche Massnahmen zu treffen. Eine solche kann zunächst im Entzug oder in der Erteilung der aufschiebenden Wirkung bestehen (Art. 97 Abs. 3 BGG) oder ergänzend eine sichernde oder regelnde Anordnung beinhalten (z. B. die Auferlegung eines Veräusserungsverbots, Fortführung eines Gewerbes nur unter Auflagen).

Anders als nach geltendem Recht ist nicht mehr wie in der Zivilrechtspflege die Vorinstanz (vgl. Art. 58 OG), sondern immer das Bundesgericht (Instruktionsrichter) für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen zuständig. Der Devolutiveffekt der Beschwerde wird insoweit verstärkt.

Artikel 99

Massgebender Sachverhalt

Der vorliegende Entwurf weist dem Bundesgericht die Aufgabe der Rechtskontrolle zu (vgl. Art. 92 BGG); die Feststellung des Sachverhaltes und deren Überprüfung obliegt demgegenüber den Vorinstanzen (vgl. auch Art. 103 BGG). Dementsprechend bestimmt Absatz 1, dass das Bundesgericht seinem Entscheid grundsätzlich jenen Sachverhalt zu Grunde legt, den die Vorinstanz festgestellt hat. Das Bundesgericht ist an diese Tatsachen gebunden, und zwar neu auch in den Belangen des Sozialversicherungsrechts (vgl. demgegenüber Art. 132 Bst. b OG, ferner Ziff.

2.3.1.3.1). Gleiches gilt künftig für den Patentprozess (Art. 67 OG), denn dieser erfordert diesbezüglich keine besondere Behandlung.

Das Bundesgericht ist jedoch dann nicht an den festgestellten Sachverhalt gebunden, wenn die Tatsachen offensichtlich unrichtig oder in Verletzung einer Rechtsnorm nach Artikel 90 BGG festgestellt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Vorinstanz bei der Sachverhaltsermittlung willkürlich gehandelt oder gegen eine Verfahrensvorschrift (wie z. B. das rechtliche Gehör) verstossen hat oder wenn wegen einer

4343

unvollständigen Feststellung des Sachverhaltes eine Verletzung des materiellen Rechts vorliegt.

Üblicherweise führt eine rechtsfehlerhafte Sachverhaltsfeststellung zur Rückweisung der Sache an die Vorinstanz (vgl. Art. 101 Abs. 2 BGG). Absatz 2 ermächtigt indessen das Bundesgericht, den Sachverhalt von Amtes wegen oder auf entsprechendes Begehren zu ergänzen oder zu berichtigen (vgl. Art. 92 BGG). Das Bundesgericht kann den Sachverhalt dabei nicht nur auf Grund der vorinstanzlichen Akten korrigieren, sondern auch gestützt auf die Beweismittel der Parteien, welche im Rahmen des Schriftenwechsels angeboten oder vom Bundesgericht im Beweisverfahren selber eingeholt wurden. Das Bundesgericht ist zur Abnahme solcher neuer Beweismittel freilich nicht verpflichtet; vielmehr wird es von dieser Befugnis nur zurückhaltend Gebrauch machen. Diese flexible Lösung geht auf die geltende Bundesrechtspflege in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zurück (Art. 93, 95 und 113 OG) und unterscheidet sich vom diesbezüglich sehr restriktiven System der geltenden Zivilrechts- und Strafrechtspflege (Art. 64 Abs. 2 OG und 277bis Abs. 1 Satz 3 BStP). Eine diesbezügliche Änderung drängt sich nur schon deshalb auf, weil eine systematische Rückweisung der Sache an die Vorinstanz auch in Fällen, in denen der Sachverhalt ohne weiteres korrigiert werden könnte, als unverhältnismässig erscheint. Das Interesse der Parteien an rascher und endgültiger Erledigung der Streitsache geht hier der Souveränität der Vorinstanz bezüglich des Sachverhaltes vor.

Artikel 100

Rechtsanwendung

Diese Norm umschreibt die rechtliche Kognition des Bundesgerichts. Absatz 1 bestimmt als allgemeine Regel den Grundsatz iura novit curia, wonach das Gericht das Recht von Amtes wegen anwendet und dabei an die Begründung der Parteien nicht gebunden ist (vgl. Art. 63 Abs. 1 und 114 Abs. 1 OG, 277bis Abs. 2 BStP). Das Bundesgericht könnte seiner Aufgabe als oberstes Gericht nicht gerecht werden, wenn es wissentlich einen Fehlentscheid träfe, nur weil der Beschwerdeführer nicht die einschlägige Rechtsnorm angerufen hat. Gleichwohl kennt der Grundsatz iura novit curia Ausnahmen.

Absatz 2 schränkt den Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen dadurch ein, dass es gewisse Rechtsverletzungen nur prüft, wenn in der Beschwerde die entsprechende Rüge erhoben und substantiiert worden ist. Das Rügeprinzip gilt zunächst für die Verletzung von Grundrechten, seien diese in der Bundesverfassung (Art. 7 ff. BV), einem völkerrechtlichen Vertrag (z. B. EMRK [SR 0.101.], UNOPakt II [SR 0.103.2]) oder einer Kantonsverfassung gewährleistet. Bei den Grundrechten handelt es sich hauptsächlich um subjektive Rechte, so dass es Sache der jeweils betroffenen Person ist, die Verletzung geltend zu machen oder darauf zu verzichten. Das Rügeprinzip gilt ebenso in Bezug auf kantonales und interkantonales Recht; denn das Bundesgericht ist nicht gehalten, nach Bestimmungen des kantonalen oder interkantonalen Rechts zu suchen, die durch den angefochtenen Hoheitsakt verletzt sein könnten, wenn der Beschwerdeführer sich nicht auf sie beruft. Es liegt vielmehr in der Verantwortung der kantonalen Vorinstanzen, von Amtes wegen die richtige Anwendung des kantonalen und interkantonalen Rechts, einschliesslich des kantonalen Verfassungsrechts, zu überprüfen. Der in Absatz 2 umschriebene Anwendungsbereich des Rügeprinzips entspricht damit der heutigen Praxis bei der staatsrechtlichen Beschwerde (BGE 125 I 71) und der Verwaltungsgerichtsbe4344

schwerde, auch wenn diese Frage nicht formell geklärt worden ist (vgl. BGE 123 II 358, 122 IV 12). Durch die Beibehaltung des Rügeprinzips im Rahmen der Verfassungsgerichtsbarkeit kommt der Begründungspflicht gemäss Artikel 39 Absatz 2 BGG ein erhebliche Bedeutung zu: Führt der Beschwerdeführer nicht zumindest in erkennbarer Weise an, welches Grundrecht seiner Meinung nach verletzt sei, und legt er nicht kurz dar, worin die behauptete Verletzung bestehe, unterbleibt die Überprüfung durch das Bundesgericht.

Der Grundsatz von Treu und Glauben verbietet schliesslich der Partei, ihr bekannte rechtserhebliche Einwände der Vorinstanz vorzuenthalten und diese erst nach dem Ergehen eines ungünstigen Entscheides im anschliessenden Rechtsmittelverfahren zu erheben (vgl. z. B. BGE 120 Ia 24 ff.). Daraus folgt, dass das Bundesgericht keine Norm von Amtes wegen anwendet, wenn deren Anrufung gegen den Vertrauensgrundsatz verstossen hätte.

Artikel 101

Entscheid

Die Entscheidbefugnis des Bundesgerichts ist durch die Rechtsbegehren der Parteien begrenzt. Absatz 1 nimmt ausdrücklich Bezug auf den Grundsatz ne ultra petita (vgl.

zum geltenden Recht Art. 63 Abs. 1, 90 Abs. 1 Bst. a und 114 Abs. 1 OG; Art. 277bis BStP). Die Tragweite dieses Grundsatzes kann je nach anbegehrtem Entscheid verschieden sein (vgl. BGE 116 Ia 60, 64 f.). Im Gegensatz zum geltenden Recht (Art. 114 OG) kennt das BGG keine Ausnahmen mehr, die den Richter ermächtigen, zu Ungunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden. Eine solche Regel ist heute nicht mehr zeitgemäss, denn der Beschwerdeführer hat das Recht, sein Rechtsmittel sofort zurückzuziehen, wenn ihm eine Verschlechterung angekündigt wird. Immerhin kann ein Bundesgesetz den Richter und damit auch das Bundesgericht zu freiem Entscheid ermächtigen ­ unabhängig von den Parteibegehren.

Nach Absatz 2 kann das Bundesgericht, nachdem es die Beschwerde gutgeheissen hat, in der Sache selbst entscheiden oder die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückweisen; diese Regel wird von Artikel 114 Absatz 2 OG übernommen. Die Einheitsbeschwerden sind demnach nicht ausschliesslich kassatorische Behelfe, die in allen Fällen einfach nur zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids führen. Die Art und Weise, wie das Bundesgericht entscheiden wird ­ ob kassatorisch oder reformatorisch ­, hängt vielmehr von verschiedenen Faktoren ab. So bleibt einzig die Kassation, wenn die Parteien selber nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangen oder wenn die Reformation des Entscheids wegen unvollständiger Feststellung des Sachverhaltes unmöglich ist (vgl. Art. 99 BGG). Gleiches gilt, wenn die verletzte Norm den richtigen substantiellen Entscheid, den die Vorinstanz hätte treffen müssen, nicht eindeutig und abschliessend vorgibt; so wird eine begründete Beschwerde wegen Verletzung eines Freiheitsrechts regelmässig zur Kassation des angefochtenen Aktes führen. Sodann erweitert Absatz 2 keineswegs die Entscheidkompetenz des Bundesgerichts im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle kantonaler Erlasse: Soweit das Bundesgericht dem kantonalen Gesetzgeber einen verfassungsmässig garantierten Gestaltungsspielraum zuzubilligen hat, darf es sein eigenes Ermessen nicht darüber stellen und dem Kanton eine neue Regelung diktieren, sonst würde das Prinzip der
Gewaltenteilung verletzt (vgl. BGE 118 Ia 64, 69). Bei der Strafrechtspflege hingegen könnte Absatz 2 eine Neuerung bringen, denn nach geltendem Recht führt eine gutgeheissene Nichtigkeitsbeschwerde immer zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids und zu Rückweisung an die Vor4345

instanz (Art. 277ter BStP). Nach dem Vorschlag des Entwurfs wird das Bundesgericht bei Spruchreife künftig selber einen reformatorischen Entscheid treffen und die Angelegenheit derart zum endgültigen Abschluss bringen.

Absatz 2 beschränkt die möglichen Typen von Entscheiden nicht. Das Bundesgericht kann also nicht nur einen reformatorischen oder kassatorischen Entscheid treffen, sondern sein Dispositiv auch mit gewissen Anweisungen oder Feststellungen versehen: so beispielsweise mit der Anweisung, dem Beschwerdeführer vor den kantonalen Instanzen die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren (BGE 115 Ia 103), oder mit der Feststellung, ein bestimmtes kantonales Gericht sei zuständig (vgl. Art. 73 Abs. 2 OG). Es obliegt dem Bundesgericht, im Rahmen der Rechtsbegehren jenen Entscheidtyp zu wählen, welcher der verletzten Rechtsnorm am besten zum Durchbruch verhilft. Dies gilt ganz besonders im Verfahren der Normenkontrolle, wenn das Bundesgericht zum Schluss kommt, dass die Behebung der Verfassungswidrigkeit einzig dem Gesetzgeber obliege.

Obwohl der Entwurf die Regeln von Artikel 66 OG und Artikel 277ter Absatz 2 BStP nicht ausdrücklich übernimmt, steht fest, dass die Vorinstanz bei ihrem neuen Entscheid an die rechtliche Beurteilung des Bundesgerichts, die der Rückweisung zugrunde liegt, gebunden ist.

4.1.4.6

6. Abschnitt: Vereinfachtes Verfahren (Art. 102)

Das geltende Recht kennt bereits ein vereinfachtes Verfahren für offensichtlich unzulässige, offensichtlich unbegründete oder offensichtlich begründete Beschwerden (Art. 36a OG). Dieses vereinfachte Verfahren unterscheidet sich kaum vom Zirkulationsverfahren, das praktisch zum ordentlichen Verfahren geworden ist (Art. 36b OG). Im BGG erhält das vereinfachten Verfahren eine verstärkte Bedeutung und unterscheidet sich klarer vom ordentlichen Verfahren.

Im Vergleich zum geltenden Recht wird der Anwendungsbereich des vereinfachten Verfahrens auf zwei Unzulässigkeitsfälle ausgeweitet. Der erste ist derjenige, in dem die Beschwerde nicht hinreichend begründet ist (Abs. 1 Bst. b). Artikel 39 Absatz 2 BGG verlangt ja, dass die Rechtsschrift in gedrängter Form festhält, weshalb der angefochtene Akt Recht verletze. Aufgrund der grossen Belastung des Bundesgerichts in den letzten Jahren darf von den Beschwerdeführern erwartet werden, dass sie ihre Begehren hinreichend begründen und dadurch zu einer effizienten Rechtsprechung beitragen. Das Bundesgericht muss daher die Verletzung der Begründungspflicht sanktionieren können, indem es auf die Beschwerden im vereinfachten Verfahren nicht eintritt. Diese Möglichkeit ist nicht nur dann nötig, wenn die Beschwerde keine Begründung enthält, sondern auch dann, wenn keine der Begehren hinreichend begründet sind, beispielsweise weil die Rechtsschrift eine Aufhebung des angefochtenen Entscheids wegen Willkür verlangt, ohne zu präzisieren, warum dieser Akt nicht bloss dem kantonalen Recht widerspricht, sondern willkürlich sein soll.

Die zweite Erweiterung des vereinfachten Verfahrens betrifft den Fall, in dem das BGG die Beschwerde nur unter der Bedingung des Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung für zulässig erklärt (Abs. 1 Bst. c; zu diesem Begriff vgl.

den Kommentar zu Art. 70). Schreibt das BGG einen Mindeststreitwert vor (vgl.

Art. 70, 74, 79 BGG), so sind Beschwerden, welche einen geringeren Streitwert

4346

aufweisen, trotzdem zulässig, wenn sie eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zum Inhalt haben. Diese Lösung, die in Artikel 191 Absatz 2 BVJustizreform vorgesehen ist, hat zur Folge, dass das Bundesgericht bei jeder Beschwerde, welche die Streitwertgrenze nicht erreicht, kontrollieren muss, ob sie eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Das BGG sorgt dafür, dass diese Kontrolle nicht zu einer übermässigen Belastung des Bundesgerichts führt und es nicht von seiner eigentlichen Aufgabe ­ der eingehenden Prüfung der zulässigen Beschwerden ­ abgehalten wird. Es fordert deshalb vom Beschwerdeführer, dass er in seiner Rechtsschrift darlegt, weshalb seine Beschwerde eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung beinhaltet, wenn deren Zulässigkeit davon abhängt (Art. 39 Abs. 2 Satz 2 BGG). Da die Prüfung, ob eine solche qualifizierte Rechtsfrage vorliegt, Bestandteil des vereinfachten Verfahrens bildet, kann das Bundesgericht einfach und schnell diese Art von unzulässigen Beschwerden erledigen.

Das vereinfachte Verfahren findet auch bei offensichtlich unzulässigen oder unbegründeten Beschwerden Anwendung (Abs. 1 Bst. a und d). Darunter fallen unter anderem die auf querulatorischer oder rechtsmissbräuchlicher Prozessführung beruhenden Beschwerden (Art. 39 Abs. 7 BGG; vgl. Art. 36a Abs. 2 OG).

Wie nach Artikel 36a OG werden die offensichtlich begründeten Beschwerden ebenfalls im vereinfachten Verfahren entschieden (Abs. 1 Bst. e). Darüber hinaus stellt das BGG den offensichtlich begründeten Beschwerden diejenigen Verfahren gleich, in denen der angefochtene Akt von der Rechtsprechung des Bundesgerichts abweicht und kein Anlass entsteht, diese zu überprüfen. Das Gericht muss in diesen Fällen rasch einen Entscheid fällen und sich darauf beschränken können, diesen summarisch zu begründen, beispielsweise in dem es sich auf die bisherige Rechtsprechung bezieht.

Ein wesentlicher Vorteil des vereinfachten Verfahrens liegt darin, dass im Gegensatz zum ordentlichen Verfahren das Gericht in der Besetzung mit zwei Richtern (Abs. 3 Satz 1) anstelle von drei oder fünf Richtern (Art. 18 BGG) entscheidet. Die Delegation der Entscheidkompetenz im vereinfachten Verfahren einzig an einen Instruktionsrichter würde das Bundesgericht sicherlich noch stärker entlasten. Dem Instruktionsrichter würde
indessen eine zu grosse Bedeutung beigemessen und ein solches System wäre nicht mit der Funktion des Bundesgerichts als oberste richterliche Instanz vereinbar. Umgekehrt würde das Festhalten an einer Dreierbesetzung im vereinfachten Verfahren ­ wie im geltenden Recht ­ kaum der Entlastung des Bundesgerichts dienen.

In der Besetzung mit zwei Richtern findet die Mehrheitsregel (Art. 19 BGG) selbstverständlich keine Anwendung. Können sich der Instruktionsrichter und der zweite Richter beispielsweise bei der Frage, ob eine Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, nicht einigen, muss diese grundsätzlich im ordentlichen Verfahren behandelt und damit einem dritten Richter vorgelegt werden (Abs. 3 Satz 3). Eine Ausnahme bildet jener Fall, in dem zwischen den beiden Richtern Uneinigkeit darüber herrscht, ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt und die Beschwerde nur unter dieser Bedingung zulässig ist. In diesem Fall entscheidet der Präsident der Abteilung (Abs. 3 Satz 2). Vertritt er die Meinung, dass es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt, wird die Abteilung im ordentlichen Verfahren in einer Besetzung mit fünf Richtern über die andern Eintretensvoraussetzungen sowie in der Sache selbst entscheiden (vgl. Art. 18 Abs. 2 BGG). Verneint hingegen

4347

der Abteilungspräsident das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, wird die Beschwerde im vereinfachten Verfahren für unzulässig erklärt.

Weil das vereinfachte Verfahren in Zweierbesetzung durchgeführt wird, steht dieses dann nicht mehr offen, wenn der Entscheidantrag des Instruktionsrichters bereits im ordentlichen Verfahren in einer Besetzung mit drei oder fünf Richtern zirkuliert.

Hängt die Zulässigkeit der Beschwerde vom Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ab, so kann das Gericht, sobald es in Fünferbesetzung entscheidet, die Beschwerde auch nicht mehr wegen Fehlens dieser Voraussetzung für unzulässig erklären. Für den Fall, dass der Instruktionsrichter der in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage eine grundsätzliche Bedeutung beimisst, lässt das BGG überdies offen, ob der Instruktionsrichter selber entscheidet, die Beschwerde dem Gericht im ordentlichen Verfahren zu unterbreiten oder ob er hierzu im Rahmen des vereinfachten Verfahrens die Zustimmung des zweiten Richters oder des Abteilungspräsidenten benötigt. Es wird Sache des Bundesgerichts sein, eine angepasste Lösung festzulegen.

Gemäss Absatz 2 ist ein Schriftenwechsel im vereinfachten Verfahren nicht erforderlich. Der Instruktionsrichter kann jedoch die Beschwerde im vereinfachten Verfahren erledigen, auch wenn er die Instruktion nach dem ordentlichen Verfahren durchgeführt hat.

Wie im geltenden Recht (Art. 36a Abs. 3 OG) verlangt Absatz 4 im vereinfachten Verfahren eine summarische Begründung der Entscheide. Entgegen den Vorschlägen der Expertenkommission für das Vorprüfungsverfahren (Art. 96 Abs. 2 E-BGG) wird sich das Bundesgericht nicht darauf beschränken können, den Entscheid lediglich damit zu begründen, die Beschwerde sei unzulässig. Immerhin darf die verlangte Begründung kurz und bündig ausfallen und im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid oder auf die Beschwerdeschrift verweisen. Die Möglichkeit, einen Entscheid beispielsweise mittels eines solchen Verweises zu begründen, wird (im Gegensatz zu Art. 36a Abs. 3 Satz 2 OG) nicht ausdrücklich in Artikel 102 BGG genannt, weil sie nicht nur dem vereinfachten Verfahren vorbehalten sein soll.

4.1.4.7 Artikel 103

7. Abschnitt: Kantonales Verfahren Beurteilung durch richterliche Behörde

Jeder streitige Anspruch, gleich in welchem Rechtsgebiet er gründet, muss im kantonalen Verfahren zumindest einmal von einem Gericht sowohl in Bezug auf den Sachverhalt wie auch in rechtlicher Hinsicht umfassend und frei geprüft werden können (vgl. Art. 29a BV-Justizreform). Diese Bestimmung unterstreicht erneut, dass die Rechtspflege substantiell in den kantonalen Verfahren stattfinden soll. Das hat insbesondere Konsequenzen für die Aufsicht in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, soweit die Aufgaben der oberen oder einzigen kantonalen Aufsichtsbehörde noch nicht in den Händen eines Gerichts liegen, ferner auch für einzelne Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

4348

Das kantonale Gericht ­ sei es ein erstinstanzliches Gericht oder eine Vorinstanz des Bundesgerichts ­ wendet das Recht von Amtes wegen an. Das ist ein anerkannter Grundsatz des Prozessrechts, der indessen die Parteien nicht etwa von einer gehörigen Begründung ihrer Begehren entbindet. Der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen kann allerdings bei der Anordnung von vorsorglichen Massnahmen nur beschränkt beachtet werden. Es ist zulässig, dass die Behörde wegen der Dringlichkeit dieser Entscheide die rechtliche Lage nur summarisch würdigt.

Sodann ist zu beachten, dass «freie Prüfung des Sachverhaltes» nicht etwa allgemein mit dem Untersuchungsgrundsatz gleichzusetzen ist. «Frei» meint nur, dass der rechtserhebliche Sachverhalt im kantonalen Verfahren zumindest einmal ohne Beschränkung zusammengetragen werden kann.

Das Bundesgerichtsgesetz erlaubt den Kantonen, für gewisse Fälle auf die Einsetzung eines Gerichts zu verzichten: Entscheide mit vorwiegend politischem Charakter (Art. 80 Abs. 3 BGG), Stimmrechtssachen (Art. 82 BGG), Entscheide, die ausnahmsweise beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden können (vgl.

Art. 80 Abs. 1 Bst. d BGG) und schliesslich kantonale Erlasse (Art. 81 BGG). In allen diesen Fällen findet Artikel 103 BGG keine Anwendung. Das Gleiche gilt in den Sachbereichen, in denen die Beschwerde an das Bundesgericht ausgeschlossen ist (Art. 78 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht kann freilich auch in diesen Bereichen die Einhaltung der Rechtsweggarantie überprüfen (Art. 78 Abs. 2 BGG). Die Zuständigkeit und die Überprüfungsbefugnis des kantonalen Gerichts bestimmen sich in diesen Bereichen aber nach dem kantonalen Recht und nach Artikel 29a BVJustizreform, nicht nach Artikel 103 BGG. Das Bundesgerichtsgesetz verlangt insoweit einzig, dass das obere kantonale Gericht prüfen kann, ob ein Anspruch auf gerichtliche Beurteilung im betreffenden Fall besteht (Art. 80 Abs. 2, Art. 90 Abs. 3 und Art. 104 Abs. 3 BGG).

Artikel 104

Einheit des Verfahrens

Verallgemeinert und zugleich präzisiert wird in diesem Artikel die Bestimmung von Artikel 98a Absatz 3 des geltenden OG. Es geht somit um einen möglichst reibungslosen Anschluss der Bundesrechtspflege an das kantonale Verfahren.

Nach Absatz 1 darf die Beschwerdebefugnis vor irgendeiner kantonalen Instanz nicht eingeschränkter zuerkannt sein als diejenige vor dem Bundesgericht. Die strikte Anwendung dieses Absatzes würde jedoch dazu führen, dass die kantonalen Behörden sämtliche Entscheide den Bundesbehörden mitzuteilen hätten, die befugt sind, dagegen vor Bundesgericht Beschwerde zu erheben. Die kantonalen Behörden müssten sogar diese Bundesbehörden zur Teilnahme am Verfahren einladen. Eine solche Lösung wäre weder für die Bundesbehörden noch für die kantonalen Behörden von Interesse. Die Bundesbehörden würden von kantonalen Entscheiden der verschiedenen Instanzen überflutet. Die kantonalen Behörden müssten ihrerseits jedes Mal bei Eröffnung eines Verfahren prüfen, ob eine Bundesbehörde befugt ist, gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide in der Sache Beschwerde beim Bundesgericht zu erheben. Andererseits wäre eine Vorschrift, wonach die Bundesbehörden keine kantonalen Rechtsmittel ergreifen dürften, auch heikel. Sie würde der neusten Entwicklung des Bundesrechtes widersprechen, wonach die Aufsicht des Bundes über den kantonalen Vollzug von Bundesrecht mit Hilfe von Rechtsmitteln gewährleistet werden soll (vgl. Art. 166 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 29. April 4349

1998 über die Landwirtschaft [SR 910.1]; Art. 16 Abs. 2 und 24 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen [SR 725.11]; Art. 18m Abs. 3 des Eisenbahngesetzes [SR 742.101]; Art. 56 Abs. 1 des Umweltschutzgesetzes [SR 814.01]; usw.).

In der Tat regelt das Bundesrecht die Aufsichtsmittel des Bundes nur sehr lückenhaft, was deren Anwendung sowohl aus rechtlicher wie auch aus politischer Sicht schwierig macht. Die Möglichkeit der Bundesbehörden, kantonale Rechtsmittel zu ergreifen, hat zudem den Vorteil, dass die Kantone selbst über ihre eigenen Gerichte eventuelle Verletzungen von Bundesrecht korrigieren können. Deshalb schlägt der Bundesrat folgendes System vor: ­

Wenn eine Bundesbehörde befugt ist, gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid beim Bundesgericht Beschwerde zu erheben, so ist sie nach Artikel 104 Absatz 2 BGG auch ermächtigt, gegen einen Entscheid kantonaler Behörden vor einer kantonalen Instanz Beschwerde zu erheben. Es handelt sich hier nur um eine Befugnis. Der Verzicht auf eine Beschwerdeführung vor kantonalen Instanzen bewirkt nicht, dass die Bundesbehörde das Beschwerderecht für die folgenden kantonalen Instanzen oder für eine Beschwerde ans Bundesgericht verliert.

­

Die Parteirechte, welche die Bundesbehörden auf kantonaler Ebene ausüben können, beschränken sich nicht nur auf das Beschwerderecht. Sie erstrecken sich auf sämtliche Rechte, die die kantonale Gesetzgebung den Verfahrensparteien zuerkennt, namentlich das Recht, Beweisanträge zu stellen (Art.

104 Abs. 2 BGG). Die Bundesbehörde wird infolgedessen verlangen können, dass sie sich an einem kantonalen Beschwerdeverfahren beteiligen kann, ohne dass sie selbst Beschwerde erhoben hat. Zum Beispiel wird sie sich zu einer Beschwerde einer Einzelperson äussern können. Sie wird auch verlangen können, dass sie an einem erstinstanzlichen kantonalen Verfahren mitwirken kann, beispielsweise indem sie förmlich die Eröffnung eines Verfahrens verlangt, wenn die kantonale Behörde einen bundesrechtswidrigen Zustand duldet.

­

Die kantonalen Entscheide müssen in der Regel nicht von Amtes wegen den zuständigen Bundesbehörden mitgeteilt werden, ausser wenn es eine Verordnung des Bundesrates ausdrücklich vorsieht (Art. 105 Abs. 4 BGG). Die Regelung, wie sie heute in Strafsachen vorgesehen ist (vgl. Art. 265 Abs. 1 BStP; Mitteilungsverordnung, SR 312.3), wird damit im Bundesverwaltungsrecht generalisiert. Wie die Erfahrungen gezeigt haben (vgl. Art. 71 der Direktzahlungsverordnung, SR 910.13), macht die Verpflichtung, alle Entscheide den Bundesbehörden mitzuteilen, nur in Einzelfällen Sinn, beispielsweise wenn die Umsetzung besonders heikler Normen in Frage steht.

Der dritte Absatz regelt die Prüfungsbefugnis jener Behörde, die unmittelbar dem Bundesgericht vorangeht. Grundsätzlich soll diese Behörde zumindest die gleiche Prüfungsbefugnis besitzen wie das Bundesgericht. Falls sie ausnahmsweise erste (und einzige) Gerichtsinstanz ist, muss sie gemäss Artikel 103 BGG volle Prüfungsbefugnis sowohl in Bezug auf den Sachverhalt als auch in rechtlicher Hinsicht haben. Obwohl das BGG den Grundsatz des zweistufigen kantonalen Verfahrens in der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit vorsieht, schliesst es kantonale Kassationsgerichte (wie beispielsweise das Kassationsgericht des Kantons Zürich) nicht aus. Solche Gerichten tragen in der Tat in einem nicht zu unterschätzenden Mass zur Entlastung des Bundesgerichts bei. Sie können allerdings nur in dritter kantonaler Instanz ur4350

teilen, weil der Grundsatz des zweistufigen kantonalen Verfahrens verlangt, dass die vor dem Bundesgericht geltend gemachten Beschwerdegründe bereits von einer kantonalen Beschwerdeinstanz hätten überprüft werden können.

Artikel 105

Eröffnung der Entscheide

Absatz 1 lehnt sich an Artikel 51 f. OG, Artikel 20a SchKG sowie Artikel 1 Absatz 3 VwVG an. Im Ergebnis geht es wiederum um die Einheit des Verfahrens (Gewährleistung des nahtlosen Anschlusses der Bundesrechtspflege an das kantonale Verfahren).

Zu beachten ist, dass das Bundesrecht den Kantonen die schriftliche Begründung der Entscheide nicht durchwegs zur Pflicht macht. Bei fehlender schriftlicher Begründung ist es Sache der Parteien, innert 30 Tagen eine solche zu verlangen (Abs. 2); die Beschwerdefrist läuft dann erst ab Zustellung der Motive (Art. 94 Abs. 1 BGG).

Entscheide, die den rechtlichen Anforderungen nicht entsprechen, kann das Bundesgericht aufheben oder zur Verbesserung zurückweisen (Abs. 3). Um zu vermeiden, dass sich das Bundesgericht gestützt auf das blosse Dispositiv des angefochtenen Entscheids über vorsorgliche Massnahmen aussprechen muss, schliesst Absatz 2 die Vollstreckung von Entscheiden vor der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung aus, es sei denn, die Parteien hätten auf die vollständige Ausfertigung ­ und damit auch auf die Beschwerde an das Bundesgericht ­ verzichtet.

Der vierte Absatz wurde schon im Rahmen der Darlegungen zu Artikel 104 BGG erläutert.

4.1.5

5. Kapitel: Klage (Art. 106)

Diese Bestimmung beschränkt den Gegenstand des sogenannten Direktprozesses ausschliesslich auf Fälle, für deren Beurteilung wegen ihrer Rechtsnatur und Bedeutung sachgerechterweise allein das Bundesgericht in Frage kommt.

Laut Artikel 189 Absatz 2 BV-Justizreform beurteilt das Bundesgericht Streitigkeiten zwischen dem Bund und den Kantonen oder zwischen Kantonen. Es handelt sich im Wesentlichen um diejenigen Fälle, die heute mit der staatsrechtlichen Klage (Art. 82 Bst. a und b OG) anhängig gemacht werden können. Die Möglichkeit, diese Streitigkeiten direkt vor ein Gericht zu bringen, ist in einem Bundesstaat wichtig, weil sie dadurch im Rahmen eines geregelten, richterlichen Verfahrens beigelegt werden können. Angesichts der Art und Bedeutung dieser Verfahren kommt einzig das höchste Gericht des Bundes für die Behandlung dieser Fälle in Frage. Deshalb ist es angezeigt, diese erstinstanzliche Zuständigkeit beim Bundesgericht zu belassen (Abs. 1 Bst. b und c). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Streitigkeiten über die Zuständigkeit von Strafverfolgungsbehörden in den Zuständigkeitsbereich des Bundesstrafgericht fallen werden (Art. 31 SGG).

Der Anwendungsbereich der verwaltungsrechtlichen Klage wurde bereits bei der letzten Revision des OG im Jahre 1991 auf das absolute Minimum reduziert. Er umfasst heute noch Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen sowie die Verantwortlichkeitsansprüche aus Handlungen von Magistratspersonen des Bundes (vgl.

Art. 116 und 130 OG). Auch diese Fälle sind in der direkten Zuständigkeit des Bundesgericht zu belassen (Abs. 1 Bst. b und c).

4351

Artikel 106 zählt die Klagefälle abschliessend auf und stellt für sie einen einzigen Rechtsweg zur Verfügung («Einheitsklage»); für das Verfahren gilt der Bundeszivilprozess (Abs. 2) .

4.1.6

6. Kapitel: Revision, Erläuterung und Berichtigung

4.1.6.1

1. Abschnitt: Revision

Im wesentlichen werden die bewährten Regeln des geltenden Rechts über die Revision (Art. 136 ff. OG) ohne grosse Änderungen übernommen. Abgesehen von Artikel 108 handelt es sich dabei vorab um redaktionelle und systematische Modifikationen.

Die Revision ist ein ausserordentliches Rechtsmittel, das zur Aufhebung eines rechtskräftigen Entscheids des Bundesgerichts und zur nochmaligen Beurteilung der Angelegenheit führt. Die beiden klassischen Revisionsgründe sind einerseits Verfahrensfehler (Art. 107), andererseits bestimmte Elemente, die nachträglich entdeckt worden sind und eine Wiedereröffnung des Verfahrens rechtfertigen (Art. 109).

Buchstabe a dieses Artikels vermeidet den Begriff «neue Tatsachen» bewusst, denn es handelt sich nicht um nachträglich eingetretene, sondern lediglich um nachträglich entdeckte Tatsachen.

Diesen klassischen Revisionsgründen hat der Gesetzgeber im Jahre 1991 noch mit dem besonderen Revisionsgrund nach Artikel 139a OG ergänzt, wonach die Revision zulässig ist, wenn eine Individualbeschwerde wegen Verletzung der EMRK von den Strassburger Organen gutgeheissen worden ist. Artikel 108 übernimmt diese Regel, modifiziert sie aber in zweierlei Hinsicht: Vorerst schlägt der Bundesrat vor, ein System wiederherzustellen, das sich nach der üblichen Aufteilung der Zuständigkeiten richtet. Das Verfahren vor dem Bundesgericht wird nur dann neu eröffnet, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der EMRK in einer Angelegenheit festgestellt hat, in der das Bundesgericht entschieden hat. Wenn dagegen die Sache nicht vom Bundesgericht behandelt worden ist, weil eine Beschwerde dagegen vor Bundesgericht nicht zulässig gewesen ist, so liegt die Zuständigkeit zur Revision in der alleinigen Zuständigkeit der vorangehenden Behörde. Demzufolge ist auf die Regel zurückzukommen, wonach die Revision, für diesen Revisionsgrund wie für die anderen, nur gegen Entscheide des Bundesgerichts offen ist, hingegen nicht gegen die Entscheide von untergeordneten Instanzen.

Zudem wird das Verhältnis zwischen dem Revisionsverfahren einerseits und der Gewährung einer «gerechten Wiedergutmachung» durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte andererseits geklärt. Nach Artikel 139a OG ist die Revision nur zulässig, wenn «eine Wiedergutmachung nur durch eine Revision möglich
ist». Die Gewährung einer gerechten Entschädigung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist andererseits nur mögliche, «wenn das innerstaatliche Recht [...] nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen dieser Verletzung» gestattet (Art. 41 EMRK). Diese gegenseitigen Subsidiaritäten haben sich in der Praxis nicht selten als problematisch erwiesen und führten manchmal zu einem befremdlichen Hin und Her zwischen Bern und Strassburg. Artikel 108 trifft nun folgende Unterscheidungen: 4352

­

Es wird nicht mehr möglich sein, über ein Revisionsverfahren wegen Verletzung der EMRK eine Entschädigung zu gewähren. Begehren um eine finanzielle Entschädigung müssen deshalb im Rahmen des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geltend gemacht werden. Ein Revisionsverfahren ist nicht nur ausgeschlossen, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine gerechte Wiedergutmachung zugesprochen hat, sondern auch in den Fällen, in denen der Gerichtshof ein Begehren auf gerechte Entschädigung abgewiesen hat (weil er jeglichen Schaden verneinte oder die Feststellung der Menschenrechtsverletzung als hinreichend betrachtet), in denen er den Entscheid über die Wiedergutmachung aufgeschoben hat oder in denen er sich nicht über eine Wiedergutmachung ausgesprochen hat, weil kein Begehren darum gestellt worden ist. Das Verfahren zur Revision eines Bundesgerichtsentscheids soll in der Tat nicht den Weg dazu öffnen, eine vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beurteilte Sache neu zu beurteilen oder Fehler zu korrigieren, die von einer Partei im Verfahren vor diesem Gerichtshof begangen worden sind. Das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Gewährung einer gerechten Wiedergutmachung hat sich bewährt. Dieses Verfahren erlaubt es, den finanziellen Schaden und die Unbill, die aus einer Verletzung der EMRK resultieren, vollständig wiedergutzumachen.

­

Das Revisionsverfahren ist nur insoweit zulässig, als einzelne Folgen der Verletzung der EMRK nicht durch eine Entschädigung geheilt werden können, so dass eine Änderung des Bundesgerichtsentscheids notwendig ist.

Dies ist beispielsweise möglich, wenn der Entscheid, der die EMRK verletzt, eine strafrechtliche Verurteilung beinhaltet. Je nach der Art der Menschenrechtsverletzung wird es manchmal nötig sein, dass der Strafentscheid revidiert wird, um die Strafe zu ändern oder die zu unrecht verurteilte Person zu rehabilitieren. Ohne Revision des Bundesgerichtsentscheids bliebe die ursprünglich ausgesprochene Strafe vollziehbar.

Diese Lösung entlastet sowohl das Bundesgericht als auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Sie verhindert, dass das Bundesgericht in all denjenigen Fällen ein Revisionsverfahren eröffnen muss, in denen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte selbst die Folgen einer Verletzung der EMRK mit einer gerechten Wiedergutmachung ausgleichen könnte. Die Lösung verhindert übrigens auch, dass sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mehrmals mit der gleichen Angelegenheit befassen muss. Die könnte eintreten, wenn eine von einer Menschenrechtsverletzung betroffene Person zuerst vor dem Bundesgericht auf dem Weg des Revisionsverfahrens eine Entschädigung verlangt und danach dem Gerichtshof ein Begehren um eine gerechte Wiedergutmachung stellt, um so eine grössere Entschädigung zu erlangen.

Das Bundesgericht hat nunmehr die Zuständigkeit, Strafurteile auf Beschwerde hin zu ändern (vgl. Art. 101). Deshalb müssen drei besondere, dem Strafverfahren eigene Bestimmungen eingefügt werden. Die erste betrifft den Revisionsgrund der neuen Tatsachen oder Beweismittel, welcher in Artikel 229 Ziffer 1 und 2 BStP differenziert geregelt ist. Das BGG verweist ausdrücklich auf diese Bestimmung (Art. 109 Bst. b). Die zweite besondere Bestimmung enthält eine Ausnahme von der zeitlichen Beschränkung auf 10 Jahre (Art. 110 Abs. 2 Bst. a, vgl. Art. 229 Ziff. 1 und 2 BStP).

Die dritte besondere Bestimmung betrifft die möglichen Folgen einer Revision eines 4353

Strafentscheides. In diesem Punkt ist auf Artikel 237 BStP zu verweisen, der die restitutio in integrum (Wiedereinsetzung in allen Rechten) mit Veröffentlichung des Entscheides vorsieht (Art. 114 Abs. 3).

Die übrigen Bestimmungen bedürfen keines besonderen Kommentars, denn die geltenden Regeln werden nur verdeutlicht und vereinfacht.

4.1.6.2

2. Abschnitt: Erläuterung und Berichtigung

Die einzige Änderung gegenüber dem geltenden Recht (Art. 145 OG) besteht darin, dass das Bundesgericht neu nicht mehr nur auf Begehren einer Partei, sondern auch von Amtes wegen erläutern und berichtigen darf.

4.1.7 Artikel 116

7. Kapitel: Schlussbestimmungen Kantonale Ausführungsbestimmungen

Die Bestimmungen des BGG über die Zuständigkeit, die Organisation und das Verfahren der Vorinstanzen im Bereich des Zivil- und Strafrechts haben in verschiedenen Punkten erhebliche Änderungen der kantonalen Gesetzgebung über die Zivilund Strafgerichtsbarkeit zur Folge. Den Kantonen muss deshalb für die Anpassung ihrer Gesetzgebung genügend Zeit eingeräumt werden. Da die beiden eidgenössischen Vorhaben der Vereinheitlichung der Zivil- und Strafverfahren ebenfalls in Bearbeitung sind, ist zu vermeiden, dass die Kantone ihre eigenen Verfahrensrechte kurz vor deren Aufhebung durch die Bundesgesetzgebung noch ändern müssen.

Deshalb soll den Kantonen eine recht lange Frist von 5 Jahren seit Inkrafttreten des BGG eingeräumt werden zur Anpassung ihrer Gesetzgebung (Abs. 1). Bis dahin sollten die Gesetzgebungsvorhaben im Bereich des Zivil- und Strafverfahrens abgeschlossen sein, so dass diese Bundesvorschriften die entsprechenden Vorschriften des BGG übernehmen würden. Sollten diese Gesetzgebungsvorhaben aber auf grösseren Widerstand stossen, als ursprünglich erwartet, so müssten die Kantone ihre Gesetzgebung selbst anpassen.

Die Lage ist im Bereich der Verwaltungsrechtsprechung anders. Die Vorschriften des BGG lehnen sich nämlich an diejenigen von Artikel 98a OG an. Die kantonale Gesetzgebung ist deshalb schon in den Fällen angepasst, die mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht weitergezogen werden können. Von den Vorschriften des BGG neu betroffen sind folglich nur noch diejenigen Entscheide, die Gegenstand einer staatsrechtlichen Beschwerde ans Bundesgericht sein können. Im Bereich des öffentlichen Rechts dürften die Änderungen kantonalen Rechts, die durch das BGG erforderlich werden, nicht sehr umfangreich sein. Eine Frist von zwei Jahren reicht deshalb vollauf (Abs. 2).

4354

Artikel 117

Aufhebung und Änderung des bisherigen Rechts

Da das BGG die Gesamtheit der Bundesgesetzgebung betrifft, besteht eine gewisse Gefahr, dass einzelne Gesetzesbestimmungen unangetastet bleiben, obschon sie mit der neuen Bundesgerichtsorganisation nicht mehr übereinstimmen. Aus diesem Grund überträgt Absatz 3 der Bundesversammlung die Kompetenz, die betroffenen Gesetze auf Verordnungsweg anzupassen.

Artikel 118

Übergangsbestimmungen

Absatz 1 regelt das Übergangsrecht in Übereinstimmung mit der Regelung, wie sie für die Teilrevision des OG von 1991 galt (vgl. Ziff. 3 Abs. 1 der Schlussbestimmugen der Änderung vom 4. Oktober 1991).

Absatz 2 sieht für Plangenehmigungsentscheide des UVEK betreffend die zweite Phase der NEAT eine spezielle Übergangsbestimmung vor. Nach geltendem Recht steht gegen diese Plangenehmigungsentscheide einzig die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht offen. Dieser einstufige Rechtsmittelweg wird übergangsrechtlich beibehalten, um die bereits weit fortgeschrittenen Verfahren zur Planung der zweiten Phase der NEAT noch nach der bisherigen Regelung abwickeln zu können. Da das Bundesgericht in diesen Fällen als erste richterliche Instanz entscheidet, muss es den Sachverhalt frei prüfen. Diese Ausnahme vom sonst geltenden Prinzip der richterlichen Vorinstanz wird nur von kurzer Geltungsdauer sein. Es wird damit gerechnet, dass mit dem Bau der betroffenen Strecken bis zum Jahr 2006 begonnen werden kann. Absatz 2 wird somit bereits wenige Jahre nach Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes gegenstandslos werden.

4.1.8

Änderung bisherigen Rechts

1. Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann (SR 151.1) Im geltenden Recht schliesst Artikel 12 Absatz 2 des Gleichstellungsgesetzes mittels Verweises auf Artikel 343 OR aus, dass bei Streitigkeiten über Diskriminierungen im Erwerbsleben im Rahmen der Zivilgerichtsbarkeit Gebühren und Auslagen auferlegt werden, ausser es handelt sich um mutwillige Prozessführung. Diese Bestimmung ist unabhängig vom Streitwert anwendbar. Für solche Streitigkeiten vor Bundesgericht sieht das BGG dieselben Regeln vor wie für sozialversicherungsrechtliche Streitigkeiten: Das Verfahren ist zwar nicht unentgeltlich, die Gerichtskosten dürfen aber grundsätzlich nicht mehr als 1000 Franken betragen (Art. 61 Abs. 4 und 5 BGG). Als Folge davon muss Artikel 12 Absatz 2 des Gleichstellungsgesetzes angepasst und sein Geltungsbereich auf Verfahren vor kantonalen Gerichten beschränkt werden.

2. Bundesgesetz vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte (SR 161.1) Diese Änderungen ergeben sich aus den erweiterten Beschwerdemöglichkeiten ans Bundesgericht im Bereich der politischen Rechte auf Bundesebene (vgl. Art. 82 Abs. 1 Bst. b BGG) sowie aus den Vorschriften von Artikel 94 Absätze 3 und 4 4355

BGG in Bezug auf die Beschwerdefristen. Es ist andererseits darauf hinzuweisen, dass das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgericht nicht mehr kostenlos sein wird (Art. 86 BPR und 61 BGG).

3. Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess (SR 273) Die meisten Änderungen sind Anpassungen an das BGG, die keiner besonderen Erläuterungen bedürfen.

Art. 20 Die Gründe dafür, dass nicht mehr mehrere Exemplare der Klageschrift eingereicht werden müssen, sind die gleichen wie für die Beschwerdeschrift (vgl. Schluss der Erläuterungen zu Art. 39 BGG).

Art. 52 Nach dem geltenden Recht kann eine Urkunde (d.h. ein Schriftstück, das dem Beweis einer rechtserheblichen Tatsache dient) dem Bundesgericht nicht nur im Original oder in Form einer Kopie, deren Übereinstimmung mit dem Original durch eine zur Beurkundung zugelassene Person oder Institution bescheinigt wird, vorgelegt werden, sondern auch als Fotokopie. Eine Fotokopie unterscheidet sich heute nicht mehr wesentlich von einer digitalisierten Kopie. Eine Fotokopie kann nicht nur von Anfang an in einem digitalen Format erstellt werden. Vielmehr ist auch das Papier als Träger von Schrift und Bild nicht mehr ein massgebliches Merkmal einer Fotokopie. Es rechtfertigt sich deshalb, einen weiteren Schritt zu gehen und zuzulassen, dass eine Urkunde in Form einer elektronischen Kopie vorgelegt wird, selbst wenn das ursprüngliche Dokument in Papierform besteht. Die Beweiskraft einer Fotokopie auf Papier ist nicht grösser als diejenige einer digitalisierten Kopie. Bei beiden besteht die Gefahr, dass sie gefälscht werden können, ohne dass man sich dieser Fälschung gewahr wird, wenn man die Kopie nicht mit dem Original vergleicht. Deshalb ist wichtig, dass das Gericht die Vorlage des Originals verlangen kann, wenn eine urteilende Person oder eine Verfahrenspartei Zweifel über die Echtheit der elektronischen Kopie oder der Fotokopie hat.

Es ist darauf hinzuweisen, dass sich diese Bestimmung sinngemäss auf das Verfahren vor den richterlichen und Verwaltungsbehörden des Bundes anwendet (Art. 19 VwVG, Art. 51 Abs. 1 BGG). Bei der Übermittlung einer Urkunde auf elektronischem Wege, entsprechend den Bestimmungen des Verwaltungsverfahrens des Bundes oder des Bundesgerichtsgesetzes, muss das Dokument, das in der Beilage die elektronische Kopie der Urkunde enthält, mit der elektronischen Signatur des Absenders versehen werden (Art. 21a Abs. 2 VwVG, Art. 39 Abs. 4 BGG).

4356

4. Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1) Art. 15 Schon anlässlich der Verfassungsrevision (Justizreform) wurde erkannt, dass die Überlastung des Bundesgerichts auch durch sachfremde Aufgaben bedingt ist (BBl 1997 489 f.). Dazu gehören insbesondere seine Rechtsetzungs- und Aufsichtsbefugnisse im Bereich des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts. Durch die Änderung von Artikel 15 SchKG werden diese Befugnisse daher wieder an den Bundesrat übertragen, der sie vor dem Jahre 1895 bereits einmal ausgeübt hatte (Art. 15 Abs. 1). Ihm kommt bereits in andern Bereichen die Oberaufsicht über die mit dem Vollzug von Bundesrecht betrauten kantonalen Organen zu (z. B. Handelsregister, kantonale IV-Stellen). Die Aufteilung in rechtsprechende Kompetenzen, die den Gerichten zuzuordnen sind und in aufsichtsrechtliche Aufgaben, die von der Exekutive wahrzunehmen sind, hat sich bewährt.

Die Oberaufsicht besteht im wesentlichen in einer Verordnungs- und Weisungskompetenz (Art. 15 Abs. 2 und 3). Neu wird somit der Bundesrat nicht nur für das betreibungsrechtliche Gebührenwesen (Art. 16 SchKG), sondern auch für die zahlreichen Ausführungsverordnungen zum SchKG zuständig sein. Zudem werden der Erlass der praktisch sehr wichtigen Weisungen und Kreisschreiben sowie auch die Ausgestaltung der Formulare künftig in seiner Kompetenz liegen. Zur Aufsichtstätigkeit gehören ferner allfällige Inspektionen bei den kantonalen Betreibungs- und Konkursämtern und den ausseramtlichen Vollstreckungsorganen, doch wird sich der Bundesrat hier ­ wie bisher auch das Bundesgericht ­ Zurückhaltung auferlegen.

Nicht unter die Oberaufsicht des Bundesrates fällt indessen die Disziplinarbefugnis über die kantonalen Betreibungs- und Konkursbeamten und die andern Vollstrekkungsorgane; sie steht wie bisher den kantonalen Aufsichtsbehörden zu. Die Rückübertragung der Oberaufsicht wird für die allgemeine Bundesverwaltung somit insgesamt mit finanziellen und personellen Konsequenzen verbunden sein (vgl. Ziff.

5.1.1).

Weiterhin zuständig bleibt das Bundesgericht hingegen für die Beurteilung von Beschwerden im Einzelfall (Art. 68 ff. BGG, Art. 19 SchKG). Doch handelt es sich dabei nicht eigentlich um eine aufsichtsrechtliche Tätigkeit, sondern ­ weil Rechtsprechung ­ um eine klassische richterliche Aufgabe, die
als solche dem Bundesrat nicht zu übertragen ist.

Angesichts dieser klaren Aufgabenteilung zwischen Bundesgericht (Rechtsprechung im Einzelfall) und Bundesrat (Oberaufsicht i.e.S.) sind Kompetenzkonflikte praktisch ausgeschlossen. Nur in Ausnahmefällen können sich ­ zumindest theoretisch ­ Überschneidungen ergeben. Zu denken ist etwa an die Feststellung der Nichtigkeit von Verfügungen der kantonalen Betreibungsbehörden (Art. 22 SchKG). Dies bleibt jedoch in erster Linie Aufgabe des Bundesgerichts, das die Nichtigkeit einer Verfügung im Rahmen des bei ihm hängigen Beschwerdefalles prüfen kann. Das Eingreifen des Bundesrates nach Artikel 22 SchKG kommt nur subsidiär in Betracht: Erstens nur dann, wenn weder bei einer kantonalen Aufsichtsbehörde noch beim Bundesgericht eine entsprechende Beschwerde hängig ist oder erhoben werden kann und zweitens selbst in diesem Falle nur, wenn daran ein zwingendes schutzwürdiges privates oder öffentliches Interesse besteht.

4357

Art. 19 und 20a Ausschliesslich das Bundesgerichtsgesetz regelt in Zukunft das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgericht einschliesslich der Fristen und der Kosten. Es sei daran erinnert, dass im Bereich der Schuldbetreibung und des Konkurses das Verfahren nicht mehr kostenlos sein wird (vgl. Art. 61 BGG und die diesbezüglichen Erläuterungen).

5. Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (SR 291) Der Verweis von Artikel 191 IPRG ist an das BGG anzupassen.

4.2

Bundesgesetz über das Bundesstrafgericht (Strafgerichtsgesetz, SGG)

4.2.1

1. Kapitel: Stellung und Organisation

4.2.1.1

1. Abschnitt: Stellung

Das Bundesstrafgericht ist das ordentliche Strafgericht des Bundes (Art. 1 Abs. 1 SGG). Es hat den gleichen Status wie das Bundesverwaltungsgericht und ist im Instanzenzug dem Bundesgericht untergeordnet. Seine Entscheide können unter bestimmten Bedingungen vor Bundesgericht angefochten werden (Art. 1 Abs. 2 SGG).

In administrativer Hinsicht hat die Bundesversammlung die Oberaufsicht über das Bundesstrafgericht (Art. 3 SGG).

Da unter Ziffer 4.3.1.1 ausführlich auf die Stellung des Bundesverwaltungsgerichts eingegangen wird, kann hier auf eine eingehende Erläuterung verzichtet werden. Es wird hier einzig auf die Artikel 1 Absatz 3 SGG, welcher die Anzahl der Richter festhält, und auf Artikel 4 SGG eingegangen. Dieser regelt den Sitz des Bundesstrafgerichts.

Artikel 1

Grundsatz

Nach Absatz 3 wird die Anzahl der Richter zwischen 15 und 35 Stellen umfassen.

Die Zahl beruht auf einer Studie von Ernst & Young Consulting AG, welche die neuen Aufgaben gemäss dem Projekt «Effizienzvorlage» berücksichtigt (siehe Ziff.

2.5.1).

Artikel 4

Sitz

Absatz 2 bietet dem Bundesstrafgericht die Möglichkeit in einem anderen Kanton die Verhandlungen durchzuführen. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn die Straftat weit entfernt vom Sitz des Gerichts begangen wurde.

4358

4.2.1.2

2. Abschnitt: Richter und Richterinnen

Die Richter des Bundesstrafgerichts haben den gleichen Status wie die Richter des Bundesverwaltungsgerichts (siehe zu den Einzelheiten Ziff. 4.3.1.2).

Sie werden vom Bundesrat gewählt (Art. 5 SGG). Sie dürfen keine Beschäftigungen ausüben, welche nicht mit ihrem Richteramt vereinbar sind (Art. 6 und 7 SGG).

Verwandte und Verschwägerte, in gerader Linie und bis und mit dem vierten Grad in der Seitenlinie, sowie Ehegatten, Ehegatten von Geschwistern und in dauernder Gemeinschaft lebende Partner dürfen nicht gleichzeitig das Amt eines Richters bekleiden (Art. 8 SGG). Die Richter werden auf gewissenhafte Pflichterfüllung vereidigt, wobei sie einen Eid oder ein Gelübde vor dem Gesamtgericht abgeben müssen (Art. 10 SGG). Die Richter dürfen ihr Amt mit Voll- oder Teilpensum ausüben (Art. 11 Abs. 1 SGG). Das Arbeitsverhältnis der Richter gegenüber dem Bundesstrafgericht und dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach den Vorschriften über das Arbeitsverhältnis des Bundespersonals (Art. 11 Abs. 3 SGG).

4.2.1.3

3. Abschnitt: Organisation und Verwaltung

Die Artikel 12­24 betreffen die Organisation und Verwaltung des Bundesstrafgerichts, die mit jenen des Bundesverwaltungsgerichts identisch sind. Der Kommentar zu den Artikeln 12­26 VGG (siehe Ziff. 4.3.1.3) hat demzufolge auch für das Bundesstrafgericht Gültigkeit. Nur Artikel 14 betreffend das Gesamtgericht und Artikel 16 SGG betreffend die Kammern benötigen einige Erläuterungen.

Artikel 14

Gesamtgericht

Zusätzlich zu den üblichen Aufgaben (Wahlen, Erlass von internen Reglementen, Verabschiedung des Geschäftsberichts, etc.) ist das Gesamtgericht nach Absatz 1 Buchstabe e zuständig für die Wahl der eidgenössischen Untersuchungsrichter und Untersuchungsrichterinnen und ihrer Stellvertretungen, eine Aufgabe, die zurzeit dem Gesamtgericht des Bundesgerichts zukommt (Art. 13 BStP). Entgegen dem geltenden Recht verzichtet der Entwurf darauf, die Höchstzahl der Richter und Richterinnen festzulegen.

Artikel 16

Kammern

Da die Funktionen der Untersuchungsbehörde von der urteilenden Behörde getrennt werden muss (siehe u. a. BGE 112 Ia 290, 114 Ia 57), sieht Absatz 1 für das Bundesstrafgericht zwei getrennte Kammern vor: ­

die Strafkammer ersetzt das heutige Bundesstrafgericht des Bundesgerichts und wird als erste Instanz für die Straffälle des Bundes zuständig sein, inbegriffen die Verwaltungsstrafsachen des Bundes, welche der Bundesrat ihr delegiert (siehe Ziff. 4.2.2.1 zum ersten Abschnitt des zweiten Kapitels des SGG);

­

die Beschwerdekammer übernimmt die Aufgaben der heutigen Anklagekammer des Bundesgerichts und wird somit als Hauptaufgabe die Aufsicht über die Ermittlungs- und Untersuchungsbehörden des Bundes ausüben und

4359

über Anstände zwischen den Kantonen und dem Bund betreffend die Zuständigkeit und die innerstaatliche Rechtshilfe entscheiden (siehe Ziff.

4.2.2.2 zum zweiten Abschnitt des zweiten Kapitels des SGG).

Absatz 2 verpflichtet das Gesamtgericht, bei der Zuteilung der Richter zu den Kammern die Amtssprachen angemessen zu berücksichtigen.

Gleich wie die Bundesverwaltungsrichter können auch die Bundesstrafrichter zur Aushilfe in einer anderen Kammer verpflichtet werden. Absatz 3 legt jedoch fest, dass, wer als Mitglied der Beschwerdekammer tätig gewesen ist, im gleichen Fall nicht mehr als Mitglied der Strafkammer wirken kann.

4.2.2

2. Kapitel: Zuständigkeiten und Verfahren

Die Artikel 25­28 SGG legen die Zuständigkeiten und die Zusammensetzung von Strafkammer und Beschwerdekammer fest, und Artikel 29 SGG regelt das vor den beiden Kammern anzuwendende Verfahren.

4.2.2.1

1. Abschnitt: Strafkammer

Artikel 25

Zuständigkeit

Die Kompetenzen der Strafkammer entsprechen denjenigen des heutigen Bundesstrafgerichts, welches durch die neue Strafkammer ersetzt wird. Diese beurteilt im Wesentlichen Strafsachen, die der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen (Bst. a) und Verwaltungsstrafsachen, die der Bundesrat überwiesen hat (Bst. b).

Buchstabe a präzisiert, dass die Strafkammer Straftaten beurteilt, die der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen: ­

4360

Sie wird damit zuständig sein für die folgenden Straftaten, welche in Artikel 340 Ziffer 1 StGB aufgezählt sind: Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, Verbrechen und Vergehen gegen die Freiheit, Raub (Art. 140 StGB), Erpressung (Art. 156 StGB), sexuelle Nötigung und Vergewaltigung (Art. 189 und 190 StGB), sofern die Handlungen gegen völkerrechtlich geschützte Personen gerichtet sind; Unrechtmässige Aneignung (Art. 137 StGB), Veruntreuung (Art. 138 StGB), Diebstahl (Art. 139 StGB), Raub (Art. 140 StGB), Sachentziehung (Art. 141 StGB), Sachbeschädigung (Art. 144 StGB) und Hehlerei (Art. 160 StGB), sofern diese Handlungen Räumlichkeiten, Archive und Schriftstücke diplomatischer Missionen und konsularischer Posten betreffen; Geiselnahme (Art. 185 StGB) zur Nötigung von Behörden des Bundes oder des Auslandes; Sprengstoffdelikte (Art. 224­ 226 StGB); Verbrechen oder Vergehen betreffend Metallgeld, Papiergeld und Banknoten, amtliche Wertzeichen und sonstige Zeichen des Bundes, Mass und Gewicht (Art. 240 ff. StGB); Urkundenfälschung, sofern Urkunden des Bundes in Betracht kommen (Art. 251 ff. StGB); Straftaten gemäss Artikel 260bis StGB, Verbrechen und Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung (Art. 265 ff. StGB), Vergehen gegen den Volkswillen (Art. 279 ff. StGB), strafbare Handlungen gegen die öffentliche Gewalt

(Art. 285 ff. StGB), Verbrechen und Vergehen gegen die Rechtspflege (Art. 303 ff. StGB), sofern diese gegen den Bund gerichtet sind; Störung der Beziehungen zum Ausland (Art. 296 ff. StGB); strafbare Handlungen gegen die Amts- und Berufspflicht und Korruptionsvergehen, die von einer Bundesbehörde oder von einem Bundesbeamten oder gegen die Eidgenossenschaft begangen wurden; Übertretungen, welche in den Artikeln 329­331 StGB geregelt sind.

Die Strafkammer wird auch über das Delikt des Völkermords urteilen, wie er durch die Gesetzesrevision vom 24. März 2000, in Kraft seit 15. Dezember 2000, eingeführt wurde (Art. 340 Ziff. 2 StGB; Botschaft vom 31. März 1999, BBl 1999 5327; AS 2000 2725) sowie über Straftaten aus weiteren besonderen Bundesgesetzen (Art. 340 Ziff. 3 StGB). Zu erwähnen sind das Garantiegesetz (Art. 6 und 8, SR 170.21), das Verantwortlichkeitsgesetz (Art. 14, SR 170.32), das Geschäftsverkehrsgesetz (Art. 64, SR 171.11), das Kriegsmaterialgesetz (Art. 40, SR 514.51), das Bundesgesetz über die Wasserbaupolizei (Art. 13bis, SR 721.10), das Atomenergiegesetz (Art. 36e, SR 732.0), das Rohrleitungsgesetz (Art. 46a, SR 746.1), das Bundesgesetz über die Luftfahrt (Art. 98, SR 748.0), das Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel (Art. 11, SR 941.10), das Bundesgesetz über aussenwirtschaftliche Massnahmen (Art. 8, SR 946.201) und das Bundesgesetz über die Kautionen der ausländischen Versicherungseinrichtungen (Art. 20, SR 961.02).

­

Gemäss der «Effizienzvorlage», welche am 22. Dezember 1999 durch das Parlament verabschiedet wurde, wird die Zuständigkeit der Strafkammer in Fällen des organisierten Verbrechens und der Wirtschaftskriminalität ausgeweitet (Botschaft vom 28. Januar 1998, BBl 1998 1529; BBl 2000 70).

Ebenfalls unterstehen der Bundesgerichtsbarkeit die strafbaren Handlungen nach den Artikeln 260ter, 305bis, 305ter, 322ter­322septies StGB sowie die Verbrechen, die von einer kriminellen Organisation im Sinne von Artikel 260ter ausgehen, sofern die strafbaren Handlungen zu einem wesentlichen Teil im Ausland oder in mehreren Kantonen begangen wurden und dabei kein eindeutiger Schwerpunkt in einem Kanton besteht (Art. 340bis Abs. 1 StGB [«Effizienzvorlage»]). Die Strafkammer wird auch zuständig sein bei Verbrechen des zweiten und des elften Titels (Vermögensdelikte und Urkundenfälschung) von internationaler oder interkantonaler Tragweite, sofern die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eröffnet hat und keine kantonale Strafverfolgungsbehörde mit der Sache befasst ist oder die zuständige kantonale Strafverfolgungsbehörde die Bundesanwaltschaft um Übernahme des Verfahrens ersucht (Art. 340bis Abs. 2 und 3 StGB [«Effizienzvorlage»]).

­

Zu erwähnen ist, dass die Strafkammer im Fall der Vereinigung von Verfahren zur Beurteilung von Delikten zuständig sein kann, die der kantonalen Gerichtsbarkeit oder dem Verwaltungsstrafrecht des Bundes unterstehen. Sie kann daher ­ auf Anordnung des Bundesanwalts ­ für die Beurteilung von Straftaten zuständig sein, die der kantonalen Gerichtsbarkeit unterliegen, wenn diese Taten in (Real- oder Ideal-) Konkurrenz mit einer Straftat stehen, die der Bundesgerichtsbarkeit untersteht (Art. 18 Abs. 2 BStP [«Effizienzvorlage»]). Die Strafkammer urteilt auch über Verwaltungsstrafsachen, so4361

fern die Verwaltung und die Strafverfolgungsbehörden des Bundes beide zuständig sind und das entsprechende Departement die Vereinigung der Verfahren in der Hand der letzteren angeordnet hat und diese einverstanden sind (Art. 20 Abs. 3 VStrR [«Effizienzvorlage»]) Gemäss Buchstabe a in fine unterstehen solche Strafsachen nur dann der Bundesstrafgerichtsbarkeit, wenn der Bundesanwalt die Untersuchung und Beurteilung nicht den kantonalen Behörden übertragen hat. Artikel 18 BStP, der die Delegation von Strafsachen für die in Artikel 340 Ziffer 1 StGB aufgeführten Delikte erlaubt, wurde nämlich beibehalten. Der Bundesrat hat umgekehrt vorgeschlagen, Artikel 18bis BStP («Effizienzvorlage») abzuändern und ­ mit Ausnahme von einfachen Fällen ­ die Delegation von Strafsachen wegen organisiertem Verbrechen, Wirtschaftskriminalität und Völkermord aufzuheben (vgl. Ziff. 2.5.1 und Ziff. 4.2.4 zu Art. 18bis BStP).

Gemäss Buchstabe b wird die Strafkammer über Verwaltungsstrafsachen urteilen, die der Bundesrat ihr nach dem Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht überweist (Art. 21 Abs. 3 VStrR). In Übereinstimmung mit dem heutigen Recht wird sich die Delegation des Bundesrates auf die Beurteilung dieser Straftaten beschränken (BGE 121 IV 331) und ist unabhängig von der möglichen Strafe in allen Fällen möglich.

Buchstabe c betrifft die Rehabilitationsgesuche, d. h. die Wiedereinsetzung von Verurteilten in Rechte, die ihnen durch eine Nebenstrafe entzogen worden sind. Er nimmt die Regelung von Artikel 10 Ziffer 3 BStP auf, wonach das Bundesstrafgericht über Rehabilitationsgesuche urteilt, welche ein eidgenössisches Strafgericht erlassen hat. Diese Zuständigkeit, die in der Praxis von geringer Bedeutung ist, wird bei der Revision des Allgemeinen Teils und des Dritten Buches des Strafgesetzbuches aufgehoben, denn die Revision sieht vor, die Nebenstrafen und somit auch die Rehabilitation abzuschaffen (Botschaft vom 21 September 1998, BBl 1999 1979 [2102]).

Schliesslich ist daran zu erinnern, dass die Urteile des Bundesstrafgerichts mit der neuen, durch das Bundesgerichtsgesetz (Art. 73 ff. BGG; vgl. Ziff. 4.1.3.2) geschaffenen Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht angefochten werden können.

Artikel 26

Besetzung

Während das Bundesstrafgericht nach Artikel 1 Ziffer 3 BStP in der Besetzung mit fünf Richtern entscheidet, wird die Zahl der Richter bei der Strafkammer je nach Schwere der in Betracht kommenden Strafe ändern.

Nach Absatz 1 wird ein Einzelrichter der Strafkammer entscheiden, wenn als Strafe Busse, Haft, Gefängnis von bis zu einem Jahr oder eine Massnahme ohne Freiheitsentzug in Betracht kommt. Eine Dreierbesetzung ist vorgesehen, wenn als Strafe Gefängnis oder Zuchthaus von mehr als einem Jahr, aber höchstens zehn Jahren, oder eine Massnahme mit Freiheitsentzug nach den Artikeln 43, 44 und 100bis StGB in Betracht kommt. In Fünferbesetzung wird die Strafkammer in den schwerwiegenden Fällen entscheiden, das heisst, wenn als Strafe Zuchthaus von mehr als zehn Jahren oder eine Verwahrung von Gewohnheitsverbrechern nach Artikel 42 StGB in Betracht kommt.

4362

Es gilt zu erwähnen, dass der Revisionsentwurf zum Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches ein neues Sanktionensystem vorsieht (Botschaft vom 21. September 1998, BBl 1999 1977). Die wesentlichen vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen bestehen darin, die Unterscheidung zwischen Gefängnis und Zuchthaus aufzuheben, das Bussensystem durch die Geldstrafe zu ersetzen, als neue Sanktion die gemeinnützige Arbeit einzuführen und eine neue Form der Sicherheitsverwahrung für gefährliche Straftäter aufzunehmen, die teilweise die Verwahrung von Gewohnheitsverbrechern nach Artikel 42 StGB ersetzt (Art. 64­64b StGB). Heissen die Eidgenössischen Räte das vom Bundesrat vorgeschlagene System gut, werden die Zuständigkeiten der Strafkammer wie folgt festzulegen sein: der Einzelrichter ist zuständig, wenn als Strafe eine Busse, eine Geldstrafe, eine gemeinnützige Arbeit, eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Massnahme ohne Freiheitsentzug in Frage kommt. Die Strafkammer wird in Dreierbesetzung entscheiden, wenn als Strafe eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr, aber höchstens zehn Jahren, oder eine Massnahme mit Freiheitsentzug nach den Artikeln 59­61 StGB in Frage kommt.

In Fünferbesetzung wird im Falle einer Freiheitsstrafe von mehr als zehn Jahren oder einer Verwahrung gefährlicher Straftäter nach Artikel 64­64b StGB entschieden.

Nach Absatz 2 erhöht sich die Zahl der Richter von drei auf fünf, wenn sich aus der Beweiserhebung ergibt, dass eine strengere Strafe als die ursprünglich vorgesehene ausgesprochen werden muss.

Absatz 3 präzisiert, dass die Strafkammer in der Besetzung mit drei Richtern über Rehabilitationsgesuche entscheidet.

4.2.2.2

2. Abschnitt: Beschwerdekammer

Artikel 27

Zuständigkeit

Artikel 27 regelt die Kompetenzen der Beschwerdekammer. Diese entsprechen im Wesentlichen denjenigen der heutigen Anklagekammer des Bundesgerichts, welche aufgehoben wird.

Nach Absatz 1 sind dies die folgenden Kompetenzen: ­

Während der Verfolgung von Straftaten, die der Bundesgerichtsbarkeit unterliegen, entscheidet die Beschwerdekammer gemäss Buchstabe a über Beschwerden gegen Amtshandlungen oder Säumnis des eidgenössischen Untersuchungsrichters (Art. 214 Abs. 1 BStP) und gemäss dem neuen Artikel 105bis Absatz 2 BStP («Effizienzvorlage») über Beschwerden gegen jede Amtshandlung oder Säumnis des Bundesanwalts (und nicht nur gegen Zwangsmassnahmen, die von diesem angeordnet oder bestätigt worden sind). Nach Buchstabe b gilt, dass die Beschwerdekammer als erste Instanz über Zwangsmassnahmen entscheidet, soweit ein Bundesgesetz dies ausdrücklich vorsieht. Gemäss dem Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege wird die Beschwerdekammer zuständig sein, über die Verlängerung der Untersuchungshaft zu entscheiden, die in Anwendung von Artikel 44 Ziffer 2 BStP angeordnet wurde (Art. 51 Abs. 2 BStP), die Sicherheitsleistung im Falle einer Entlassung aus der Untersuchungshaft zu genehmigen

4363

(Art. 54 Abs. 2 BStP), über die Einsprachen der Inhaber der sichergestellten Dokumente zu entscheiden (Art. 69 Abs. 3 BStP), über die Eröffnung einer Voruntersuchung zu urteilen (Art. 110 Abs. 1 BStP) und über Entschädigungsansprüche nachträglich ungerechtfertigter Haft oder für andere Nachteile zu entscheiden (Art. 122. Abs. 3 BStP). Schliesslich wird die Beschwerdekammer gemäss Buchstabe c über streitige Ausstandsbegehren gegen eidgenössische Untersuchungsrichter und ihre Gerichtsschreiber entscheiden (Art. 26 OG).

­

Buchstabe d sieht vor, dass die Beschwerdekammer auf Beschwerde hin Aufsicht über das Verwaltungsstrafverfahren ausübt. Im Einklang mit dem geltenden Recht werden die Rechtsmittelwege an die Beschwerdekammer variieren, je nachdem ob diese eine Zwangsmassnahme oder eine gewöhnliche Untersuchungshandlung betreffen. Im Falle von Zwangsmassnahmen kann eine Beschwerde, welche sich gegen eine kantonale Justizbehörde oder den Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung richtet, direkt an die Beschwerdekammer gerichtet werden; für alle übrigen Fälle ist die Beschwerde an den Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung zu richten, welcher die gerügte Amtshandlung entweder selber berichtigen oder aber die Beschwerde mit seiner Stellungnahme an die Beschwerdekammer weiterleiten kann (Art. 26 VStrR). Beschwerden gegen Amtshandlungen der untersuchenden Beamten sind zunächst beim Direktor oder dem Chef der beteiligten Verwaltung einzureichen; gegen den Beschwerdeentscheid kann Beschwerde wegen Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, bei der Beschwerdekammer geführt werden (Art. 27 VStrR).

­

In Auslieferungsfällen kann das Bundesamt für Justiz unter bestimmten Voraussetzungen einen Auslieferungshaftbefehl erlassen und gleichzeitig die Sicherstellung von Gegenständen und Vermögenswerten verfügen (Art. 47 IRSG). Gemäss heutigem Recht kann gegen diese Verfügungen Beschwerde bei der Anklagekammer des Bundesgerichts geführt werden (Art 48 Abs. 2 IRSG). Nach Buchstabe e wird neu die Beschwerdekammer darüber entscheiden.

­

Nach Buchstabe f entscheidet die Beschwerdekammer bei Anständen über die Zuständigkeit. Sie entscheidet namentlich, wenn der Gerichtsstand unter den verschiedenen Kantonen streitig ist oder die Gerichtsbarkeit eines Kantons vom Beschuldigten bestritten wird (vgl. Art. 351 StGB). Gemäss der Rechtsprechung zu Art. 351 StGB wird die Beschwerdekammer lediglich die Regeln über den Gerichtsstand anwenden (insb. Art. 346 ff. StGB) und nicht zuständig sein, wenn ein Kanton auf die Aufnahme oder die Wiederaufnahme einer Strafverfolgung aus anderen Gründen verzichtet (z. B. weil die Voraussetzungen für eine Strafverfolgung fehlen; siehe Erhard Schweri, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, Bern 1987, N 527, S. 168). Artikel 372 StGB regelt zurzeit die Zuständigkeit des Bundesrates bei Anständen zwischen den Kantonen für Verfahren gegen Kinder und Jugendliche. Der Entwurf des neuen Bundesgesetzes zum Jugendstrafrecht (Art. 37 Abs. 6 E-JStG; siehe Botschaft vom 21. September 1998, BBl 1999 1997 [2226]) überträgt diese Kompetenz ans Bundesgericht (Anklagekammer), um die Beurteilung all dieser Konflikte bei einer Behörde zu konzen-

4364

trieren. Solche Konflikte werden gemäss diesem Entwurf in den Zuständigkeitsbereich des Bundesstrafgerichts fallen. Es ist deshalb sinnvoll, ihm auch Kompetenzstreitigkeiten im Jugendstrafrecht zu übertragen. Artikel 372 StGB muss folglich abgeändert werden. Die Beschwerdekammer wird auch zuständig sein für die Entscheidung von Konflikten über die Zuständigkeit zwischen Bundesbehörden und kantonalen Behörden. So kann die Beschwerdekammer auch von den Kantonen angegangen werden bei Anständen aufgrund von Beschlüssen des Bundesanwalts, eine Bundesstrafsache den Kantonen zu übertragen (Art. 18 Abs. 4 BStP [«Effizienzvorlage»]).

Konflikte können zwischen Bundesbehörden und kantonalen Behörden auch entstehen in Fällen von organisiertem Verbrechen und Wirtschaftskriminalität (vgl. 260 BStP [«Effizienzvorlage»]). So wird eine kantonale Behörde die Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft zur Ermittlung bestreiten können, sofern sie einen Fall von Geldwäscherei betrifft und die strafbare Handlung zum grössten Teil auf dem Gebiet dieses Kantons ausgeführt wurde. Umgekehrt kann die Bundesanwaltschaft ein kantonales Ersuchen um Übernahme eines Ermittlungsverfahrens ablehnen, wenn es sich um einen interkantonalen Fall von Betrug handelt. Schliesslich wird die Beschwerdekammer auch Kompetenzkonflikte zwischen der zivilen Gerichtsbarkeit (kantonal oder eidgenössisch) und der militärischen Gerichtsbarkeit entscheiden (siehe Art. 223 MStG).

Nach Buchstabe f in fine entscheidet die Beschwerdekammer über die Anstände in der innerstaatlichen Rechtshilfe (Art. 357 StGB), zu welcher der Bund und die Kantone gegenseitig und die Kantone unter sich in allen Strafsachen nach dem Strafgesetzbuch oder eines anderen Bundesgesetzes verpflichtet sind (im Falle von kantonaler Gerichtsbarkeit, der Bundesgerichtsbarkeit, des Verwaltungsstrafrechts; vgl. z. B. Art. 352 StGB, Art. 27 BStP, Art. 30 VStrR). Gemäss dem geltenden Recht kann mit der Beschwerde die Verweigerung der Rechtshilfe, die Form oder der Umfang einer Untersuchungshandlung oder die Urteilsvollstreckung gerügt werden (BGE 86 IV 226).

­

Schliesslich ist die Beschwerdekammer zuständig zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen über das Arbeitsverhältnis des Personals des Bundesverwaltungsgerichts (Art. 36 Abs. 3 BPG mit den Änderungen gemäss Anhang zum VGG). Der Entscheid der Beschwerdekammer ist endgültig unter Vorbehalt von Artikel 78 Absatz 1 Buchstabe f Ziffer 1 und 2 BGG.

Gemäss Absatz 2 übt die Beschwerdekammer eine allgemeine Aufsicht über die Ermittlungen der gerichtlichen Polizei und die Voruntersuchung in Verfahren aus, die in die Bundesgerichtsbarkeit fallen (Art. 11 BStP «Effizienzvorlage»). Dieses Aufsichtsrecht erlaubt ihr insbesondere, sich jederzeit etwelche Akten zustellen zu lassen und auf diese Weise über die Untersuchungsmethoden zu wachen. Stellt sie Mängel fest, nimmt sie die nötigen Abklärungen vor und ordnet alle erforderlichen Massnahmen von Amtes wegen an.

Zu erwähnen ist schliesslich, dass ausser bei Zwangsmassnahmen die Entscheide der Beschwerdekammer nicht beim Bundesgericht anfechtbar sind (Art. 74 BGG; vgl.

den Kommentar unter Ziff. 4.1.3.2).

4365

Artikel 28

Besetzung

Artikel 28 regelt die Besetzung der Beschwerdekammer. Sie wird wie die heutige Anklagekammer in der Regel in der Besetzung mit drei Richtern entscheiden (Art. 1 Abs. 1 Ziff. 4 BStP).

Artikel 28 in fine behält andere Regeln vor. So entscheidet der Präsident der Beschwerdekammer als Einzelrichter im Bereich der Post-, Telefon- und Telegrafenüberwachung (Art. 66 ff. BStP; siehe auch das Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, das die Art. 66 ff.

BStP ändert, BBl 2000 5128.)

4.2.2.3

3. Abschnitt: Verfahren

Artikel 29 Der Entwurf des Bundesgesetzes über das Bundesstrafgericht stellt nicht Verfahrensregeln auf, sondern begnügt sich mit Hinweisen auf bestehende Prozessordnungen. Das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege regelt das Verfahren vor der Strafkammer (Art. 135 ff. BStP) wie auch das Verfahren bei Beschwerden vor der Beschwerdekammer (Art. 214 ff. BStP). Das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht wird angewandt bei Überweisungen des Bundesrates in Verwaltungsstrafsachen (Art. 25 Bst. b SGG) und bei Beschwerden gegen Untersuchungshandlungen der Verwaltung (Art. 27 Abs. 1 Bst. d SGG).

Die Rechtsmittel gegen die Entscheide der Strafkammer richten sich im Einzelnen nach dem Entwurf des Bundesgerichtsgesetzes (Art. 73 ff. BGG; vgl. Ziff. 4.1.3.2).

4.2.3 Artikel 30

3. Kapitel: Schlussbestimmungen Änderung bisherigen Rechts

Dieser Artikel räumt der Bundesversammlung die Kompetenz ein, die gesetzlichen Bestimmungen, die im Anhang zum SGG nicht geändert werden, aber dem Gesetz widersprechen, formell auf dem Verordnungsweg anzupassen.

Artikel 31

Übergangsrecht

Als Verfahrensgesetz wird das Bundesgesetz über das Bundesstrafgericht sofort in Kraft treten, da es keinen Einfluss auf die Strafbarkeit einer Handlung und auf die Schwere der Strafe haben wird.

Das bisherige Bundesstrafgericht und die Anklagekammer werden beim Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das Bundesstrafgericht aufgehoben, und ihre hängigen Fälle werden von der Strafkammer und von der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts übernommen (Abs. 1).

Absatz 2 bestimmt, dass die hängigen Verfahren nach Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzesentwurfs nach neuem Recht weitergeführt werden sollen. Damit sind nicht nur die Verfahrensregeln des Bundesstrafgerichts gemeint (vgl. nachfolgend 4366

Art. 169 Abs. 2 und 181 BStP), sondern auch die neuen Regeln für die Strafuntersuchung (insbesondere zur Einstellung des Verfahrens und zur Anklageerhebung, Art. 120­127 BStP).

Artikel 32

Referendum und Inkrafttreten

Die Bestimmung enthält die Referendumsklausel und überträgt dem Bundesrat die Kompetenz, das Gesetz in Kraft zu setzen.

4.2.4

Änderung bisherigen Rechts

1. Bundesgesetz vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege Das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege regelt das Verfahren vor den Strafverfolgungsbehörden des Bundes.

Die im Entwurf vorgesehenen Änderungen lassen sich in vier Kategorien aufteilen: ­

Zunächst werden die Bestimmungen über das Bundesstrafgericht und die Anklagekammer des Bundesgerichts aufgehoben. Diese beiden Abteilungen werden von der Strafkammer und der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts abgelöst und künftig vom Strafgerichtsgesetz abgedeckt.

­

Ferner müssen die Bestimmungen über das Bundesstrafverfahren auf das neue Bundesstrafgericht ausgerichtet werden. Die wesentlichen Änderungen bestehen darin, dass die Delegation für die Bundesstrafsachen beschränkt, ein eingeschränktes Unmittelbarkeitsprinzip bei der Beweisaufnahme eingeführt und der Entscheid über den Abschluss der Voruntersuchung dem Bundesanwalt übertragen wird.

­

Zudem müssen auch die Bestimmungen über die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof und an den ausserordentlichen Kassationshof aufgehoben werden. Diese beiden Rechtsmittel werden von der neuen Beschwerde in Strafsachen abgelöst, die im Entwurf zum Bundesgerichtsgesetz vorgesehen ist.

­

Schliesslich sind die geltenden Verweise auf das Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege im Lichte des neuen Bundesgerichtsgesetzes anzupassen.

Es gilt zu präzisieren, dass die vorgeschlagenen Änderungen die im Strafgesetzbuch und im Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege vorgesehenen neuen Zuständigkeiten des Bundes in den Bereichen des organisierten Verbrechens und der Wirtschaftskriminalität («Effizienzvorlage») berücksichtigen. Die vom Parlament am 22. Dezember 1999 genehmigte Revisionsvorlage wird vor oder gleichzeitig mit dem Strafgerichtsgesetz in Kraft treten.

4367

Organisation der Bundesstrafgerichtsbarkeit Art. 1 Abs. 1 Artikel 1 Absatz 1 ist in dem Sinne zu ändern, dass die Bundesstrafgerichtsbarkeit nunmehr durch das Bundesstrafgericht mit seinen Straf- und Beschwerdekammern sowie durch das Bundesgericht erfolgt.

Art. 2 (aufgehoben) Artikel 2 regelt die Zusammensetzung der strafrechtlichen Abteilungen des Bundesgerichts (Bundesstrafgericht, Anklagekammer, Kassationshof und ausserordentlicher Kassationshof), welche neu im Bundesgerichtsgesetz und im Strafgerichtsgesetz geregelt werden; er ist daher aufzuheben.

Art. 7 (aufgehoben) Nach Artikel 7 (in Verbindung mit Art. 340 StGB) urteilt das Bundesgericht als Strafgerichtsbehörde in allen Strafsachen, deren Beurteilung ihm durch die Bundesgesetzgebung übertragen ist. Da diese Zuständigkeit nach Artikel 25 SGG nun beim neuen Bundesstrafgericht liegt, ist Artikel 7 aufzuheben.

Art. 8 (aufgehoben) Das Bundesgericht ist gemäss Artikel 8 verpflichtet, auch jene Straffälle zu beurteilen, deren Beurteilung ihm ­ mit Zustimmung der Bundesversammlung ­ durch die Gesetzgebung eines Kantons zugewiesen werden. Mit dieser Bestimmung sollte kleinen Kantonen, die nicht in der Lage waren, eine eigene umfassende Strafgerichtsbarkeit einzurichten, ermöglicht werden, ihre Straffälle durch ein Bundesstrafgericht beurteilen zu lassen. Diese Regelung ist überholt, und der Bundesrat beantragt daher sie aufzuheben.

Art. 10­12 (aufgehoben) Artikel 10­12 betreffend die Zuständigkeit der strafrechtlichen Abteilungen des Bundesgerichts (Bundesstrafgericht, Anklagekammer, Kassationshof und ausserordentlicher Kassationshof) sind ebenfalls aufzuheben, nachdem die Regelungen nun in die Entwürfe des Bundesgerichtsgesetzes und des Strafgerichtsgesetzes übernommen werden.

Art. 13 (aufgehoben) Artikel 13 behandelt die Wahl der Untersuchungsrichter. Nachdem diese Aufgabe nun an das Gesamtgericht des Bundesstrafgerichts übertragen wird (Art. 14 Bst. e SGG), ist diese Bestimmung aufzuheben.

Art. 18 Abs. 3 Satz 2 (aufgehoben) Nach Artikel 18 Absatz 1 BStP («Effizienzvorlage») kann der Bundesanwalt den kantonalen Behörden eine Bundesstrafsache, die gemäss Artikel 340 Ziffer 1 StGB in die Bundesgerichtsbarkeit fällt, zur Untersuchung und Beurteilung übertragen.

4368

Ausnahmsweise kann der Bundesanwalt eine Bundesstrafsache nur zur Beurteilung übertragen, sofern er die Anklage vor dem kantonalen Gericht vertritt (Art. 18 Abs. 3 BStP [«Effizienzvorlage»]). Diese Regel wurde auf Ersuchen der Kantone eingeführt, die befürchteten, sonst mit solchen Verfahren überschwemmt zu werden.

Wenn der Bund diese Strafsachen nicht beurteilen kann und sie an die Kantone überträgt, so muss er zumindest die Anklage vor dem kantonalen Gericht vertreten.

Mit der Einführung des neuen Bundesstrafgerichts schlägt der Bundesrat vor, die Verpflichtung aufzuheben, dass der Bundesanwalt die Anklage vor dem kantonalen Gericht vertreten muss. Denn künftig wird es sich entweder um einen wichtigen Fall handeln, den der Bundesanwalt in der Regel nicht an den Kanton delegieren kann, oder um einen einfachen Fall, bei dem die Anwesenheit des Bundesanwaltes nicht notwendig ist.

Art. 18bis Im Bereich des organisierten Verbrechens, der Wirtschaftskriminalität und des Völkermordes (Art. 340bis und 340 Ziff. 2 StGB) beschränkt die «Effizienzvorlage» die Übertragung einer Bundesstrafsache an die Kantone auf die Beurteilung. In diesen Fällen muss der Bundesanwalt die Anklage jedoch vor dem kantonalen Gericht vertreten (Art. 18bis Abs. 1 BStP [«Effizienzvorlage»]). Im Rahmen der Vernehmlassung zur «Effizienzvorlage» hatten sich die Kantone dagegen ausgesprochen, dass Straffälle im Bereich des organisierten Verbrechens und der Wirtschaftskriminalität während des Verfahrens an sie übertragen werden. In diesen Fällen müsse der Bund die Verfahren bis zum Schluss führen. Wenn dies nicht möglich sei, so solle der Bund wenigstens die Voruntersuchung führen und die Anklage vor dem kantonalen Gericht vertreten.

Das in der «Effizienzvorlage» vorgesehene System, mit dem das Bundesgericht entlastet werden sollte, ohne die kantonalen Behörden zu überlasten, hat mit der Schaffung des Bundesstrafgerichts keine Daseinsberechtigung mehr. Künftig wird grundsätzlich der Bund die Verfahren betreffend das organisierte Verbrechen, die Wirtschaftskriminalität und den Völkermord bis zur Beurteilung führen. In diesen Bereichen muss deshalb die Delegationsmöglichkeit aufgehoben werden. Eine Ausnahme drängt sich jedoch bei den einfachen Fällen auf, bei denen die Untersuchung und Beurteilung immer delegiert werden kann (siehe
Art. 18 Abs. 2 BStP [«Effizienzvorlage»]).

Art. 27 Abs. 6 Der Hinweis auf Artikel 18 OG (Rechtshilfe) ist aufzuheben. Die innerstaatliche Rechtshilfe wird nun in Artikel 44 Absatz 2 BV geregelt.

Art. 38 Abs. 1 Diese Bestimmung regelt die Zuständigkeit für die Entschädigung des amtlichen Verteidigers. Grundsätzlich obliegt diese Aufgabe dem Gericht. Im Falle einer Einstellungsverfügung fällt diese Aufgabe künftig dem Bundesanwalt zu, weil er nach dem Entwurf die Kompetenz hat, über den Abschluss der Voruntersuchung zu entscheiden (Art. 120 ff. BStP; vgl. auch Art. 106 BStP).

4369

Überschrift vor Art. 99 Um dem neuen Absatz 3 von Artikel 99 BStP über die Form der Rechtsschriften Rechnung zu tragen, lautet die Überschrift vor Artikel 99 BStP neu: «Ausstand von Gerichtspersonen, Fristen, Wiedereinsetzung, Rechtsschriften».

Art. 99 Abs. 1 und 3 Für den Ausstand von Gerichtspersonen, die Fristen und die Wiedereinsetzung gelten nach Absatz 1 anstelle der Bestimmungen des OG nun jene des BGG (Art. 31­35 und Art. 40­46 BGG).

Mit diesem Verweis auf das BGG schafft Absatz 1 die Möglichkeit, dem Bundesstrafgericht Rechtsschriften elektronisch zuzustellen. Das elektronische Format dieser Rechtsschriften bestimmt sich nach Absatz 3. Der Bundesrat hat jedoch von der elektronischen Eröffnung von Entscheiden durch das Bundesstrafgericht abgesehen, in der Meinung, dass das Bundesgesetz über den Strafprozess abgewartet werden sollte.

Art. 102 Abs. 2 Diese Bestimmung befasst sich mit dem Recht der angeschuldigten und der geschädigten Person, beim Bundesanwalt Untersuchungshandlungen zu beantragen. Absatz 2, der die Fälle vorbehält, in denen die Ermittlung rasch an die kantonalen Behörden übertragen wird, nimmt ausdrücklich auf Artikel 18 Absatz 1 und 2 und Artikel 18bis Absatz 2 BStP Bezug. Diese Verweise müssen angepasst werden, weil die Delegationsordnung geändert wird (vgl. oben Art. 18bis BStP).

Einstellung und Anklageerhebung (Art. 120 ff. und 125 ff. BStP) Nach dem Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege wird heute wie folgt über die Einstellung der Untersuchung und über die Anklageerhebung entschieden: ­

Der Entscheid des Bundesanwalts auf Einstellung der Voruntersuchung: Der Bundesanwalt kann im Laufe oder am Schluss der Voruntersuchung von der Strafverfolgung zurücktreten. Er hat diesen Entschluss kurz zu begründen und dem Untersuchungsrichter mitzuteilen, welcher daraufhin die Voruntersuchung durch Verfügung einstellt (Art. 120 ff. BStP).

­

Überweisung an das Gericht oder Einstellung durch die Anklagekammer: Bestehen aufgrund der Ergebnisse der Voruntersuchung hinreichende Verdachtsgründe, so erhebt der Bundesanwalt Anklage. Die Anklagekammer entscheidet dann, ob die Anklage zuzulassen und die Akten dem zuständigen Gericht zu übermitteln sind, oder ob das Verfahren einzustellen ist (Art. 125 ff. BStP).

Dieses Verfahren wurde zu einer Zeit festgelegt, als Fälle der Bundesstrafgerichtsbarkeit selten waren; heute erscheint es sehr schwerfällig. Es hat zudem den Nachteil, dass über den Angeklagten ein provisorisches Urteil gefällt wird, was allenfalls das spätere Urteil des urteilenden Gerichts beeinflusst. Der Bundesrat sieht eine Vereinfachung des Verfahrens vor und überträgt den Entscheid über Einstellung

4370

oder Anklageerhebung dem Bundesanwalt. Artikel 120­124 BStP regeln die Einstellung, Artikel 125­127 BStP die Anklageerhebung.

Überschrift vor Art. 120 (neu) Vor dem Artikel 120 BStP wird neu die folgende Überschrift eingefügt: «Einstellung und Anklageerhebung».

Art. 120 Gemäss Absatz 1 kann neu der Bundesanwalt auf die Strafverfolgung verzichten und die Einstellung des Verfahrens verfügen.

Nach Absatz 2 ist diese Verfügung zu begründen.

Absatz 3 regelt die Mitteilung der Einstellungsverfügung an die Parteien und ­ zwecks Information ­ an den Untersuchungsrichter und die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts.

Absatz 4 regelt die Rechtsmittel. Da die Einstellungsverfügung ein Entscheid des Bundesanwalts ist, können Geschädigte und Opfer im Sinne des Opferhilfegesetzes (OHG) nach den Artikeln 214­219 BStP bei der Beschwerdekammer dagegen Beschwerde führen. Der Bundesrat sieht entgegen der in Artikel 217 BStP («Effizienzvorlage») vorgesehenen 5-tägigen Frist eine Beschwerdefrist von 10 Tagen vor, wie sie im heutigen Artikel 120 Absatz 2 BStP für die Beschwerde gegen die Einstellung der Untersuchung vorgesehen ist (vgl. auch Art. 100 Abs. 3­5 BStP [«Effizienzvorlage»] für den Fall der Weigerung des Bundesanwalts, eine Untersuchung zu eröffnen).

Art. 120bis Im Falle der Einstellung der Voruntersuchung ist der Bundesanwalt zur Einziehung von Gegenständen und Vermögenswerten zuständig. Diese Regelung entspricht Artikel 73 BStP.

Artikel 121 Artikel 121 überträgt dem Bundesanwalt die Kompetenz, über die Kosten der eingestellten Untersuchung zu entscheiden, weil der Bundesanwalt künftig für die Einstellung des Verfahrens und den Erlass der Einstellungsverfügung zuständig ist (Art. 120 ff. BStP).

Art. 122 Abs. 3 Art. 122 BStP regelt die Entschädigung an den Beschuldigten bei Einstellung des Verfahrens. Der Bundesanwalt, der die Einstellung des Verfahrens verfügt hat, ist zuständig dafür, der mit dem Entscheid betrauten Beschwerdekammer Anträge zu unterbreiten. Absatz 3 wird deshalb in diesem Sinne geändert.

Überschrift vor Art. 125 (aufgehoben) Die Überschrift steht nun vor Artikel 120 BStP.

4371

Art. 126 In Artikel 126 wird der Inhalt der Anklageschrift festgeschrieben (Abs. 1). Ziffer 5 präzisiert, dass diese ­ entsprechend der zu erwartenden Strafe ­ die Anzahl Richter enthalten soll, die die Strafkammer bilden werden (Einzelrichter, Dreierbesetzung oder Fünferbesetzung; vgl. Art 26 SGG).

Absatz 2 sieht vor, dass die Anklageschrift keine Begründung enthalten soll. Damit soll verhindert werden, dass der Bundesanwalt das zuständige Gericht beeinflusst, zum Beispiel dass er begründet, aus welchen Tatsachen er genügende Verdachtsmomente ableitet, persönliche Beziehungen des Angeklagten aufzeigt, welche nicht zum Straftatbestand gehören, oder dass er sich zur Schuldfrage oder zum Strafmass äussert.

Art. 127 Absatz 1 umschreibt, wem die Anklageschrift zuzustellen ist, nämlich den Parteien (Angeklagte, Geschädigte und Opfer), der Strafkammer des Bundesstrafgerichts und ­ informationshalber ­ dem Untersuchungsrichter.

Zurzeit besteht kein Rechtsmittel gegen die Übermittlung der Akten an das zuständige Gericht (Zulassung der Anklage), da diese durch die Anklagekammer erfolgt, welche selber Beschwerdeinstanz wäre. Da der Entscheid über die Anklageerhebung neu dem Bundesanwalt übertragen wird, stellt sich die Frage, ob gegen dessen Entscheid ein Rechtsmittel vorzusehen ist. Die Regelungen in den kantonalen Strafprozessordnungen sind unterschiedlich. Der Bundesrat schlägt vor, gegen die Anklageerhebung kein Rechtsmittel vorzusehen (Abs. 2) und zwar hauptsächlich aus zwei Gründen. Zum Einen besteht die Gefahr, dass ein die Anklageerhebung durch den Bundesanwalt bestätigender Entscheid der Beschwerdekammer das zuständige Gericht zu Ungunsten des Angeklagten beeinflusst, da dieses im Entscheid der Beschwerdekammer eine Bestätigung der Schuld des Angeklagten sehen kann. Dazu kommt, dass zusätzliche Beschwerdemöglichkeiten das Verfahren unnötig verzögern können.

Art. 128­134 (aufgehoben) Die Artikel 128­133, welche das Verfahren vor der Anklagekammer regeln, und Artikel 134 betreffend die Wiederaufnahme einer von der Anklagekammer eingestellten Untersuchung werden aufgehoben. Die Wiederaufnahme durch den Bundesanwalt ist in Artikel 123 BStP geregelt.

Hauptverhandlung Art. 135 und 136 Artikel 135 ist aufzuheben. Er sieht vor, dass das Bundesstrafgericht nach Eingang der Anklage den Präsidenten bestimmt. Nach Artikel 17 SGG ernennt das Gesamtgericht jeweils für zwei Jahre die Präsidenten der Kammern.

Da Artikel 135 aufgehoben wird, muss in Artikel 136 klargestellt werden, dass es sich um den Präsidenten der Strafkammer handelt.

4372

Art. 162 (aufgehoben) Die Bestimmungen über die Protokollierung der Hauptverhandlung sind unbefriedigend. Während Artikel 181 BStP in allgemeiner Weise den Inhalt des Protokolls regelt, findet sich in Artikel 162 BStP eine Spezialbestimmung über die Protokollierung der Aussagen von Zeugen und Sachverständigen. Danach entscheidet das Gericht, ob und inwieweit diese zu protokollieren sind. Der Bundesrat schlägt vor, Artikel 162 aufzuheben und die Regelung in Artikel 181 BStP zu integrieren, der einen neuen Aufbau erhält.

Nach Artikel 181 Absatz 1 BStP hat das Protokoll der Hauptverhandlung u. a. eine Zusammenfassung der Aussagen der angehörten Personen, das heisst auch der Zeugen und Sachverständigen, zu enthalten. Nach Artikel 181 Absatz 2 BStP kann der Präsident von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei anordnen, dass eine Erklärung vollständig protokolliert wird, wenn ihrem Wortlaut eine besondere Bedeutung zukommt.

Art. 169 Abs. 2 Nach geltendem Recht gilt der Grundsatz der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit des Beweisverfahrens vor dem Bundesstrafgericht strikt: Die Richter dürfen ihr Urteil nur auf Beweise stützen, welche in der Hauptverhandlung unmittelbar vorgelegt wurden. Um die Hauptverhandlung zu entlasten, schlägt der Bundesrat vor, Artikel 169 Absatz 2 so zu ändern, dass das Gericht auch die während der Untersuchung gemachten Feststellungen und nicht bloss die in der Hauptverhandlung abgenommenen Beweise berücksichtigen kann. Die Richter können somit Protokolle und Expertisen als Beweise nutzen, wenn die Zeugen oder Experten nicht angehört werden können oder wenn deren Erklärungen nicht bestritten sind.

Art. 181 Siehe Kommentar zu Art. 162 BStP.

Art. 212 Abs. 1 Der Begriff «Beschwerde an das Bundesgericht» ersetzt den Begriff «Nichtigkeitsbeschwerde», nachdem der Entwurf des Bundesgesetzes über das Bundesgericht diese Bezeichnung aufgegeben und durch «Beschwerde in Strafsachen» ersetzt hat (Art. 73 ff. BGG).

Art. 213 Die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege richtet sich neu nach Artikel 60 Absatz 1, 2 und 4 BGG.

4373

Beschwerde, ausserordentliche Nichtigkeitsbeschwerde und Revision Art. 216 und 219 Artikel 216 hält fest, dass die Beschwerde nun beim Bundesstrafgericht einzureichen ist.

Artikel 219 Absatz 1 gibt dem Präsidenten die Möglichkeit, einen Instruktionsrichter zu bestimmen.

Art. 220­228 (aufgehoben) Die Artikel 220­228, welche die Nichtigkeitsbeschwerde gegen Urteile des Bundesstrafgerichts an den ausserordentlichen Kassationshof des Bundesgerichts regeln, werden aufgehoben. Sie werden ersetzt durch die Artikel 73­76 BGG, welche die Rechtsmittel gegen Urteile des Bundesstrafgerichts regeln. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die neue Beschwerde in Strafsachen viel weiter geht als die bisherige Nichtigkeitsbeschwerde an den ausserordentlichen Kassationshof, welche nur wegen Verfahrensmängeln zulässig war und nur, wenn diese während der Hauptverhandlung gerügt worden waren (siehe Ziff. 4.1.3.2).

Art. 229, 232­234, 236 Artikel 229 Ziffer 4 (Revisionsgrund der Feststellung einer Verletzung der EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte) wird der Formulierung in Artikel 108 und 110 BGG angepasst (Voraussetzungen und Beginn des Fristenlaufs; siehe Ziff. 4.1.6).

Über Revisionsgesuche entscheidet grundsätzlich jene Behörde, die das Urteil gefällt hat. Nach geltendem Recht sind Revisionsgesuche gegen Urteile des Bundesstrafgerichts beim ausserordentlichen Kassationshof des Bundesgerichts einzureichen. Da die Zuständigkeit zur Beurteilung von Bundesstrafsachen an das neue Bundesstrafgericht übertragen wird, ist dieses nun zur Beurteilung von Revisionsgesuchen gegen eigene Urteile zuständig. Das Revisionsgesuch ist daher neu beim Bundesstrafgericht einzureichen (Art. 232 Abs. 1). Entspricht das Revisionsgesuch den gesetzlichen Vorschriften, so teilt es das Bundesstrafgericht den anderen Parteien mit und bestimmt ihnen eine Frist zur Einreichung schriftlicher Erklärungen (Art. 233). Ergibt sich ­ allenfalls nach Durchführung einer Beweisaufnahme (Art. 234) ­, dass das Revisionsgesuch begründet ist, so hebt die Strafkammer das frühere Urteil auf und entscheidet neu (Art. 236).

Vollzug, Kosten, Anfechtung, Delegationsverfahren und Nichtigkeitsbeschwerde Art. 239 Abs. 1 Artikel 239 BStP wird mit Rücksicht auf den neuen Artikel 97 BGG ergänzt. Danach hat die Beschwerde in Strafsachen ohne anderslautende Anordnung des Instruktionsrichters nur gegen einen Entscheid, der eine unbedingte Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Massnahme ausspricht, aufschiebende Wirkung.

4374

Art. 245 Mangels abweichender Bestimmungen hinsichtlich der Kosten und Entschädigungen finden die Artikel 58­64 BGG sinngemäss Anwendung.

Art. 264 (aufgehoben) Artikel 264, der das Verfahren bei Streitigkeiten über die Zuständigkeit regelt, wird durch den neuen Artikel 279 BStP ersetzt (s. Kommentar zu Art. 279 BStP).

Art. 265bis­265quinquies (aufgehoben) Artikel 18 Absatz 3 und 18bis Absatz 1 BStP («Effizienzvorlage») verpflichten den Bundesanwalt, bei einer Übertragung der Beurteilung die Anklage vor dem kantonalen Gericht zu vertreten. Da diese Bestimmungen aufgehoben werden, müssen die Artikel 265bis­265quinquies gestrichen werden, welche die auf diesen Fall anwendbaren Regeln enthalten (vgl. Kommentar zu Art. 18bis BStP).

Art. 268­278bis (aufgehoben) An die Stelle der Artikel 268­278bis, welche die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts gegen kantonale Urteile regeln, treten die Artikel 73­76 BGG (siehe Ziff. 4.1.3.2).

Art. 279 Absatz 1 regelt Anstände in Sachen Zuständigkeit zwischen Bund und Kantonen sowie zwischen Kantonen. Danach haben die Strafverfolgungsbehörden vorerst einen Meinungsaustausch über die Zuständigkeit zu führen und eine Einigung zu versuchen (s. BGE 86 IV 132). Ist eine Einigung nicht möglich, unterbreitet jene Behörde, die als erste mit dem Fall befasst war, die Angelegenheit der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts.

Hält eine Partei die mit der Strafsache befasste Behörde für unzuständig, muss sie diese unverzüglich auffordern, die Sache der zuständigen Behörde zu übermitteln.

Gegen den Entscheid der mit der Strafsache befassten Behörde können die Parteien nach Abs. 2 bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde einreichen; das Gleiche gilt bei Säumnis. Artikel 214­219 BStP betreffend die Beschwerde, insb. Artikel 214 Absatz 2 BStP über das Beschwerderecht, finden analoge Anwendung.

Abs. 3 regelt Anstände über die innerstaatliche Rechtshilfe: Danach sind die beteiligten Behörden des Bundes und der Kantone berechtigt, die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts anzurufen.

2. Änderungen weiterer Bundesgesetze Die Änderungen von anderen Bundesgesetzen erfordern keine ausführlichen Erläuterungen.

4375

Sie können in vier Kategorien eingeteilt werden: a) Kompetenzverschiebung vom Bundesstrafgericht des Bundesgerichts an die Strafkammer des Bundesstrafgerichts Nach Artikel 340 Ziffer 3 StGB bleiben Vorschriften betreffend die Zuständigkeit des Bundesgerichts (Bundesstrafgerichts), welche in anderen Bundesgesetzen enthalten sind, vorbehalten. Da nach Artikel 25 Buchstabe a SGG die Strafkammer alle Straftaten beurteilt, welche der Bundesgerichtsbarkeit unterliegen, muss in diesen Bestimmungen «Bundesgericht» durch «Bundesstrafgericht» und «Bundesstrafgericht» (des Bundesgerichts) durch «Strafkammer» (des Bundesstrafgerichts) ersetzt werden.

b) Kompetenzverschiebung von der Anklagekammer des Bundesgerichts an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Ebenso sind alle Bestimmungen zu ändern, welche Zuständigkeiten der Anklagekammer des Bundesgerichts enthalten (StGB, BStP, MStG, MStP, IRSG); «Anklagekammer (des Bundesgerichts)» oder «Bundesgericht» ist zu ersetzen durch «Beschwerdekammer» (des Bundesstrafgerichts) oder «Bundesstrafgericht».

c.) Ersetzen des Ausdrucks «Nichtigkeitsbeschwerde» durch «Beschwerde in Strafsachen» Das Bundesgerichtsgesetz, das die Beschwerden an das Bundesgericht regelt, spricht von der Beschwerde in Strafsachen.

d.) Anpassung von verschiedenen anderen Verweisen Vgl. zum Beispiel Art. 365 Abs. 2 StGB, Art. 245 BStP, die Art. 25 Abs. 4, 41 Abs. 2 und 43 Abs. 2 VStrR, wie auch Art. 188 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer.

4.3

Bundesgesetz über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG)

4.3.1

1. Kapitel: Stellung und Organisation

4.3.1.1

1. Abschnitt: Stellung

Artikel 1

Grundsatz

Absatz 1 bezeichnet das Bundesverwaltungsgericht als das allgemeine Verwaltungsgericht des Bundes. Anders als die bestehenden eidgenössischen Rekurs- und Schiedskommissionen, die lediglich für bestimmte Sachbereiche zuständig sind und demnach Spezialverwaltungsgerichte darstellen, verfügt das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich über eine allgemeine Sachzuständigkeit in Bundesverwaltungssachen (vgl. auch die Bemerkungen zu Art. 28 VGG).

Das Bundesverwaltungsgericht löst zum einen die zahlreichen bestehenden Rekursund Schiedskommissionen des Bundes ab. Zum anderen tritt es an die Stelle der Beschwerdedienste der Departemente und wird zur Rechtsmittelbehörde in Fällen, in denen Verfügungen von Departementen, autonomen Anstalten und nicht richterli4376

chen Kommissionen des Bundes heute noch direkt an das Bundesgericht weitergezogen werden können. Schliesslich übernimmt es Rechtspflegeaufgaben, die heute dem Bundesrat zustehen. (Vgl. zum Ganzen die Bemerkungen zu Art. 27­30 VGG und die Ausführungen in Ziff. 2.5.2.) Die Schaffung des Bundesverwaltungsgerichts führt demnach zu einer Konzentration der unteren Verwaltungsrechtsprechung des Bundes.

Das Bundesverwaltungsgericht urteilt, soweit seine Entscheide nicht endgültig sind, als Vorinstanz des Bundesgerichts. Es ist dem Bundesgericht daher im Instanzenzug untergeordnet (Abs. 2). Allerdings stehen dem Bundesgericht keine Aufsichtskompetenzen gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht zu, die ausserhalb der justizmässigen Entscheidüberprüfung liegen (vgl. hierzu die Ausführungen in Ziff. 2.5.6 sowie die Bemerkungen zu Art. 3 VGG).

Gemäss Absatz 3 weist das Gesetz dem Bundesverwaltungsgericht einen Rahmen von 50­70 Richterstellen zu. Die gewählten Grössen orientieren sich an den Schätzungen der von der Ernst & Young Consulting AG verfassten betriebswirtschaftlichen Studie vom 25. September 2000 (vgl. Ziff. 2.5.3). Dabei ging Ernst & Young aus Gründen der Vergleichbarkeit von einer Geschäftslast von 14'442 Beschwerden pro Jahr aus. Diese Zahl ist nur eine Vergleichsgrösse und widerspiegelt nicht eine effektive konstante Geschäftslast. Nicht berücksichtigt sind in der Studie von EYC die Beschwerden aus den Bereichen des Krankenversicherungsgesetzes (vgl. Art. 30 VGG) und der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, weil sich erst nach Erstellung der Studie gezeigt hat, dass diese Beschwerden dem Bundesverwaltungsgericht übertragen werden sollen. Die Schätzung des Bedarfs an Richterstellen beruht ferner auf der Prämisse, dass am Bundesverwaltungsgericht das Verhältnis Anzahl Richterstellen und Anzahl Gerichtsschreiberstellen 1 zu 2,5 beträgt.

Die gesetzliche Verankerung einer Rahmengrösse erlaubt eine hinreichende personelle Ausstattung auch bei einer Zunahme der Geschäftslast, ohne dass jeweils das Gesetz geändert werden muss. Umgekehrt ermöglicht es der Wahlbehörde, von der Neubesetzung einer frei gewordenen Stelle abzusehen, wenn die Geschäftslast rückgängig ist.

Das Gesetz verwendet in Absatz 3 bewusst den Begriff «Richterstellen». Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die richterliche
Tätigkeit auch teilamtlich, d.h.

mit einem Teilpensum ausgeübt werden kann. Die Anzahl der am Bundesverwaltungsgericht tätigen Richterinnen und Richter kann demnach ohne weiteres höher als 70 sein (vgl. zur Teilzeitfrage auch die Bemerkungen zu Art. 11 Abs. 1 VGG).

Wie hoch die Anzahl Richterstellen innerhalb des gesetzlichen Rahmens von Absatz 3 jeweils konkret ist, bestimmt die Bundesversammlung in einer Verordnung (Abs. 4).

Auch Absatz 5 dient der flexiblen Bewältigung von Belastungsschwankungen. Er ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen die Wahl von zusätzlichen Richtern, d.h. die Überschreitung des Maximalbestands von Absatz 3, ohne dass vorgängig das Gesetz geändert werden muss. Voraussetzung ist hierfür allerdings, dass das Gericht eine aussergewöhnlich grosse Anzahl an Geschäftseingängen zu verzeichnen hat. Die Bewilligung von zusätzlichen Richterstellen ist befristet auf längstens zwei Jahre. Wird die aussergewöhnliche Geschäftslast zur Regel bzw. besteht Bedarf an einer längerfristigen Überschreitung des gesetzlichen Maximalbestands, so ist eine Änderung von Absatz 3 nötig.

4377

Artikel 2

Unabhängigkeit

Artikel 2 regelt auf Gesetzesstufe das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit, wie es bereits in Artikel 191c BV verankert ist.

Artikel 3

Oberaufsicht

Die Zuständigkeit der Bundesversammlung als Oberaufsichtsbehörde (Abs. 1) ergibt sich aus Artikel 169 Absatz 1 BV. Danach übt die Bundesversammlung die Oberaufsicht über die eidgenössischen Gerichte ­ und damit auch über das Bundesverwaltungsgericht ­ aus. Sie tut dies durch die Geschäftsprüfungskommissionen der beiden Räte (Art. 47ter GVG; Art. 25 und 50 f. Parlamentsgesetz). Die Mittel der parlamentarischen Oberaufsicht sind beschränkt. Eine Einmischung der Bundesversammlung in den eigentlichen Entscheidfindungsprozess verstiesse gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und das Prinzip der Gewaltenteilung. Es verhält sich diesbezüglich nicht anders als bei der Aufsicht des Parlaments über das Bundesgericht (vgl. hierzu die Bemerkungen zu Art. 3 BGG sowie die Ausführungen in Ziff. 2.5.6).

Absatz 2 entspricht der Regelung, wie sie Artikel 3 Absatz 2 BGG für das Bundesgericht vorsieht. Auch das Bundesverwaltungsgericht muss der Bundesversammlung jedes Jahr den Geschäftsbericht, den Entwurf für den Voranschlag sowie die Rechnung unterbreiten. Die Befugnis zur selbständigen Erstellung von Voranschlag und Rechnung ist Ausfluss der Verwaltungsautonomie (Art. 12 und Art. 24 VGG). Während die heutigen Rekurskommissionen für die Rechnungsführung als Verwaltungseinheiten der Departemente gelten (Art. 16 VRSK, SR 173.31), geniesst das Bundesverwaltungsgericht auch im Finanzbereich Autonomie. Es verfügt im Rahmen des Gesetzes selbständig über die ihm vom Parlament bewilligten Mittel.

Artikel 4

Sitz

(Der Bundesrat wird dem Parlament zum Sitz eine Zusatzbotschaft unterbreiten.)

4.3.1.2 Artikel 5

2. Abschnitt: Richter und Richterinnen Wahl

Absatz 1 überträgt dem Bundesrat die Kompetenz zur Wahl der Richterinnen und Richter (vgl. dazu die Ausführungen in Ziff. 2.5.5).

Absatz 2 legt die Wählbarkeitsvoraussetzungen fest. Nicht anders als dies beim Bundesgericht der Fall ist, setzt auch die Wahl ans Bundesverwaltungsgericht die politische Stimmberechtigung im Sinne von Artikel 136 Absatz 1 BV voraus.

Dass bei der Wahl auf eine angemessene Vertretung der Amtssprachen zu achten ist, ist selbstverständlich und ergibt sich auch aus Artikel 16 Absatz 2 VGG.

Artikel 6

Unvereinbarkeit

Absatz 1 ist Ausfluss des Gewaltenteilungsprinzips. Die Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichts dürfen weder dem Bundesrat oder der Bundesver4378

sammlung noch dem Bundesgericht angehören. Unvereinbar ist das Amt eines Bundesverwaltungsrichters aber auch mit einer anderen Anstellung beim Bund. Diese Regelung stimmt mit der Parallelbestimmung des BGG überein (Art. 6 Abs. 1 BGG) und entspricht der heutigen Regelung für die Bundesrichter (Art. 2 Abs. 2 OG) und die Mitglieder der eidgenössischen Rekurs- und Schiedskommissionen (Art. 71c Abs. 2 VwVG). Die Unvereinbarkeitsregelung von Absatz 1 gilt für Gerichtsmitglieder mit Vollpensum und für solche mit Teilpensum.

Auch Absatz 2 gibt zunächst lediglich wieder, was bereits das geltende OG ­ wenn auch an anderer Stelle ­ für die Bundesrichter vorsieht (vgl. Art. 3a OG). Er verbietet in Form einer Generalklausel die Ausübung von Tätigkeiten, welche die Erfüllung der Amtspflichten, die Unabhängigkeit oder das Ansehen des Gerichts beeinträchtigen könnten. Dieses Verbot wird vor allem ­ aber nicht nur ­ bei Teilzeitrichtern relevant werden. Über seine Einhaltung wird im konkreten Fall das Gericht beim Entscheid über die Ermächtigung zur Ausübung einer Nebenbeschäftigung (Art. 7 VGG) befinden müssen.

Nebst der Generalklausel regelt Absatz 2 die wichtigste Inkompatibilität gleich selbst: Die berufsmässige Vertretung Dritter vor Gerichten ist mit dem Amt eines Richters des Bundesverwaltungsgerichts nicht vereinbar. Die Aufnahme dieses Unvereinbarkeitsgrunds in das Gesetz ist sachgerecht, da bei den unterinstanzlichen eidgenössischen Gerichten auch auf Richterstufe die Teilzeitbeschäftigung zulässig ist (vgl. Art. 11 Abs. 1 VGG sowie die Bemerkungen zu Art. 1 Abs. 3 VGG). Die damit verbundene Möglichkeit von Parallelbeschäftigungen erhöht das Risiko einer problematischen Vermischung von anwaltschaftlicher und richterlicher Tätigkeit.

Das Verbot, neben einem Richteramt gleichzeitig als Anwalt oder Anwältin tätig zu sein, findet sich auch in kantonalen Gerichtsorganisationsgesetzen. Es gewährleistet den verfassungsmässigen Schutz der Bürgerinnen und Bürger auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht (Art. 30 Abs. 1 BV).

Absatz 3 verbietet den Richterinnen und Richtern mit Vollpensum all jene Tätigkeiten, die auch den ordentlichen Bundesrichtern nach Artikel 144 Absatz 2 BV und Artikel 6 Absatz 4 BGG bzw. ­ nach heutigem Recht ­ Artikel 3 OG vorenthalten sind. Bei der Abgrenzung der zulässigen von
den unzulässigen Tätigkeiten ist in erster Linie entscheidend, ob damit die Erzielung eines Erwerbseinkommens beabsichtigt wird, wobei bloss symbolische Vergütungen und Spesenentschädigungen die jeweilige Beschäftigung noch nicht zu einer Erwerbstätigkeit machen. Absatz 3 gilt nicht für Richter mit Teilpensum. Sie können neben ihrem Richteramt auch Tätigkeiten ausüben, die auf die Erzielung eines Erwerbseinkommens ausgerichtet sind, sofern sie die Voraussetzungen von Artikel 6 Absatz 2 VGG einhalten, und eine entsprechende Ermächtigung des Gerichts (Art. 7 VGG) vorliegt.

Artikel 7

Andere Beschäftigungen

Einer Bewilligung für die Ausübung von Beschäftigungen ausserhalb des Gerichts bedürfen sämtliche Gerichtsmitglieder, also auch diejenigen mit Teilpensum. Als Beschäftigungen ausserhalb des Gerichts gelten grundsätzlich alle Tätigkeiten, die einen Erwerbszweck verfolgen, aber auch öffentliche Ämter, die ehrenamtlich oder gegen eine bloss symbolische Entschädigung ausgeübt werden. Die Unterstellung sämtlicher Nebenbeschäftigungen unter die Bewilligungspflicht geht weit. Sie dient aber der Transparenz und ist letztlich vor allem deshalb erforderlich, weil nur bei ei4379

ner umfassenden Offenlegung der nicht richterlichen Aktivitäten die Einhaltung der Voraussetzungen von Artikel 6 Absatz 2 und 3 VGG überprüft werden kann.

Der Entscheid über die Zulässigkeit von Nebenbeschäftigungen steht dem Bundesverwaltungsgericht zu. Es wird Sache des Gerichts sein, die Zuständigkeit innerhalb des Gerichts sowie ­ allenfalls ­ das Ermächtigungsverfahren in einem Reglement zu ordnen (als Ermächtigungsinstanz kämen z. B. die Gerichtsleitung oder die einzelnen Abteilungen in Frage).

Entscheidkriterien für den Ermächtigungsentscheid sind bei sämtlichen Gerichtsmitgliedern die Voraussetzungen von Artikel 6 Absatz 2 VGG. Bei den für ein Vollpensum gewählten Richtern gilt es zudem die Anforderungen von Artikel 6 Absatz 3 VGG zu beachten.

Artikel 8

Unvereinbarkeit in der Person

Die Bestimmung entspricht weitgehend der Regelung von Artikel 4 Absatz 1 OG.

Zusätzlich erwähnt sind Partner, die miteinander in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben. Zur Abgrenzung sind die Kriterien heranzuziehen, wie sie vom Bundesgericht in der Rechtsprechung zum alten Artikel 153 Absatz 1 ZGB mit Bezug auf das Konkubinat entwickelt wurden.

Artikel 9

Amtsdauer

Absatz 1 entspricht der geltenden Regelung für Bundesrichter (Art. 5 Abs. 1 OG).

Die Amtsdauer, welche für Richter der eidgenössischen Rekurs- und Schiedskommissionen nach geltendem Recht bei vier Jahren liegt (Art. 71c Abs. 4 VwVG in der Fassung vom 24.3.2000), wird somit für sämtliche Richter der Bundesrechtspflege vereinheitlicht und beträgt neu auch für Bundesverwaltungsrichter sechs Jahre.

Absatz 2 stimmt den Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Amt aus Altersgründen auf die entsprechende Regelung des Bundespersonalrechts ab (vgl. Art. 10 Abs. 2 Bst. a BPG). Einer Spezialregelung, wie sie Artikel 9 Absatz 2 BGG für Bundesrichter vorsieht, bedarf es für die Mitglieder des Bundesverwaltungsgerichts nicht.

Absatz 3 bestimmt, dass frei gewordene Stellen für den Rest der Amtsdauer wieder besetzt werden.

Artikel 10

Amtseid

Die Vereidigung der Bundesverwaltungsrichter erfolgt vor dem Gesamtgericht. Eine Vereidigung vor der Vereinigten Bundesversammlung, wie dies neu für die Bundesrichter vorgesehen ist (Art. 10 BGG), wäre angesichts der grossen Zahl von Bundesverwaltungsrichtern zu schwerfällig. Zudem ist es auch staatspolitisch sachgerecht, wenn lediglich die obersten Magistratspersonen (Bundesrat und Mitglieder des Bundesgerichts) vor der Bundesversammlung vereidigt werden.

Artikel 11

Rechtsstellung

Absatz 1 konstituiert das Amt eines Bundesverwaltungsrichters als Hauptamt. Dies im Gegensatz zur Regelung betreffend die bestehenden eidgenössischen Rekurs- und Schiedskommissionen, an denen über 300 Richter im Nebenamt tätig sind. Der Bei-

4380

zug von nebenamtlichen Richtern mag für Spezialverwaltungsgerichte, die nur in einem eng begrenzten Sachbereich zuständig sind, richtig sein und ermöglicht dort die Nutzbarmachung von Spezialwissen, indem Personen aus dem beruflichen Umfeld des Zuständigkeitsbereichs des betreffenden Spezialverwaltungsgerichts als Richter gewählt werden. Für ein allgemeines Verwaltungsgericht mit grundsätzlich umfassender Sachzuständigkeit, wie dies das Bundesverwaltungsgericht darstellt (vgl.

Art. 1 Abs. 1 VGG), passt die Lösung mit nebenamtlichen Fachrichtern jedoch nicht. An einem solchen Gericht muss die Professionalität durch die hauptamtliche Tätigkeit sichergestellt werden. Hauptamtliche Richter garantieren für Konstanz und Routine in der Geschäftserledigung. Soweit im Einzelfall besondere Fachkunde erforderlich ist, welche die Berufsrichter nicht besitzen, können Amtsberichte eingeholt oder Experten beigezogen werden.

Absatz 1 stellt ferner klar, dass das Amt eines Bundesverwaltungsrichters nicht nur mit Vollpensum, sondern auch mit Teilpensum ausgeübt werden kann. Erforderlich ist allerdings ein minimaler Beschäftigungsgrad von 50 Prozent, andernfalls die administrativen Abläufe übermässig erschwert und die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gefährdet würden.

Was die Schaffung von Teilzeitstellen anbelangt, so steht es zunächst in der Kompetenz der Wahlbehörde, freie Richterstellen in teilamtliche Stellen von mindestens 50 Prozent aufzuteilen. Das bedingt, dass bereits die Ausschreibung im Rahmen der Wahlvorbereitung für die Neubesetzung vakanter Stellen offen gehalten wird. Es muss daraus hervorgehen, dass die frei werdende(n) Richterstelle(n) auch durch Teilzeitstellen von mindestens 50 Prozent besetzt werden können. Neben der Schaffung von Teilzeitstellen durch die Wahlbehörde sieht Absatz 2 die Möglichkeit der Schaffung von Teilpensen durch das Gesamtgericht vor (vgl. auch Art. 14 Abs. 1 Bst. c VGG). Voraussetzung ist hier freilich, dass die Summe der Stellenprozente insgesamt nicht verändert wird. Diese Kompetenzzuweisung schafft Flexibilität. Sie ermöglicht es, individuellen Pensenerhöhungs- oder -reduktionswünschen eines Gerichtsmitglieds ohne Inanspruchnahme der Wahlbehörde nachzukommen, sofern sich eine Person aus dem Richtergremium findet, die das frei werdende Pensum übernimmt bzw. das
gewünschte Pensum abtritt. Ein Beschluss über die Veränderung eines Arbeitspensums ist nur auf Antrag der betroffenen Person, also nicht gegen ihren Willen möglich. Ein Anspruch auf Zusprechung des Pensenänderungsbegehrens besteht nicht. Das Gericht wird bei seinem Entscheid nebst der persönlichen Situation des Gesuchstellers auch die Gesamtinteressen des Gerichts (Funktionieren des Gerichtsbetriebs, ausgewogenes Verhältnis zwischen Voll- und Teilpensen usw.)

berücksichtigen müssen.

Für die Rechtsstellung der Richterinnen und Richter gilt sinngemäss die ordentlichen Personalgesetzgebung des Bundes (Abs. 3). Vorbehalten bleibt freilich der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit. Dieser bedingt, dass die Richterinnen und Richter auf Amtsdauer gewählt werden (Art. 9 VGG). Er hat ferner zur Folge, dass sie keiner lohnwirksamen Leistungsbeurteilung unterliegen (keine Anwendung von Art. 15 Abs. 1 BPG). Bei der Festlegung des Lohnes der Richterinnen und Richter ist somit das Kriterium der Leistung nicht zu berücksichtigen. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass die Leistung der Richterinnen und Richter überhaupt keine Rolle spielte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass den Geschäftsprüfungskommissionen der Eidgenössischen Räte anlässlich ihrer regelmässigen Inspektionen (Oberaufsicht) nicht verborgen bliebe, wenn ein Mitglied des Gerichts den An4381

forderungen, die an dieses Amt gestellt werden, eindeutig nicht genügen würde und aus diesem Grund nicht zur Wiederwahl empfohlen werden könnte. Nicht sachgerecht wäre eine Unterstellung der Bundesverwaltungsrichter unter die Gesetzgebung für Magistratspersonen (vgl. hierzu die Ausführungen in Ziff. 2.5.5).

4.3.1.3 Artikel 12

3. Abschnitt: Organisation und Verwaltung Grundsatz

Das Gesetz legt die Organisation und Verwaltung des Bundesverwaltungsgerichts in den Grundzügen fest. Im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben ist es Sache des Gesamtgerichts, die Geschäftsführung und Organisation durch den Erlass eines Gerichtsreglements zu ordnen (vgl. auch Art. 14 Abs. 1 Bst. b VGG). Das Gesetz weist damit auch dem unterinstanzlichen Bundesverwaltungsgericht ein hohes Mass an Autonomie zu (vgl. hierzu auch Art. 24 Abs. 1 VGG sowie ­ für das Bundesgericht ­ Art. 188 Abs. 3 BV-Justizreform). Zur Autonomie im Sinne der vorstehenden Bemerkung gehört auch, dass das Gericht seine Verwaltungsorgane ­ soweit sie nicht durch das Gesetz festgelegt werden ­ selbst bestimmen kann. So kann es namentlich die Zusammensetzung und Aufgaben der Gerichtsleitung näher konkretisieren (vgl.

die Bemerkungen zu Art. 15 VGG). Bei Bedarf kann es auch weitere, im Gesetz nicht vorgesehene Verwaltungsorgane institutionalisieren.

Artikel 13

Präsidium

Nach Absatz 1 wählt der Bundesrat aus der Mitte der Richterinnen und Richter die Präsidentin oder den Präsidenten des Gerichts sowie die Vizepräsidentin oder den Vizepräsidenten. Die Wahl erfolgt jeweils auf zwei Jahre. Wiederwahl ist de lege nicht ausgeschlossen. Die Wahlkompetenz des Bundesrates folgt derjenigen für die Wahl der Richterinnen und Richter (vgl. Art. 5 VGG).

Die Absätze 2 und 3 entsprechen der Parallelbestimmung für das Bundesgericht (vgl.

die Bemerkungen zu Art. 13 Abs. 2 und 3 BGG).

Artikel 14

Gesamtgericht

Sämtliche Richterinnen und Richter bilden das Gesamtgericht. Dem Gesamtgericht stehen die im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Befugnisse sowie allfällige weitere Kompetenzen zu, die das Gerichtsreglement in die Zuständigkeit des Gesamtgerichts weist. Die Aufzählung in Absatz 1 ist somit nicht abschliessend.

Das Gesamtgericht kann seine Beschlüsse an einer Sitzung oder auf dem Zirkulationsweg fällen. Gemäss Absatz 2 müssen sich aber bei beiden Formen der Beschlussfassung mindestens zwei Drittel aller Richter beteiligen.

Absatz 3 hält der Klarheit halber fest, dass bei Beschlüssen des Gesamtgerichts auch die Richterinnen und Richter mit Teilpensum volles Stimmrecht haben. Eine Abstufung der Stimmkraft nach Beschäftigungsgrad ist nicht sachgerecht und wäre unpraktikabel.

4382

Artikel 15

Gerichtsleitung

Mit Artikel 15 schafft das Gesetz die Grundlage für ein kollegiales Verwaltungsorgan, dem die Verantwortung für die Administration des Gerichts obliegt. Ein entsprechendes Organ kennt bereits das Eidgenössische Versicherungsgericht (Art. 16­ 18 des Reglements für das Eidgenössische Versicherungsgericht, SR 173.111.2).

Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts gehört der Gerichtsleitung von Gesetzes wegen an (Art. 13 Abs. 2 VGG). Die weitere Zusammensetzung der Gerichtsleitung sowie deren Zuständigkeiten und Verfahrensfragen regelt das Gesamtgericht in einem Reglement (vgl. Art. 14 Abs. 1 Bst. b VGG).

Artikel 16

Abteilungen

Das Bundesverwaltungsgericht gliedert sich in Abteilungen. Anders als dies im geltenden OG der Fall ist, legt das VGG weder die Zahl der Abteilungen noch deren Zuständigkeitsbereiche fest. Vielmehr überträgt Absatz 1 diese Aufgabe, d.h. die Bildung der einzelnen Abteilungen sowie die Zuteilung der Gerichtsmitglieder an diese Abteilungen, dem Gesamtgericht.

Auf diese Weise kann verhindert werden, dass eine zum voraus fixierte Gerichtsstruktur sich als untauglich erweist, den tatsächlichen Gegebenheiten gerecht zu werden. Die Geschäftslastverteilung kann wohl zum voraus abgeschätzt werden. In ihrer Gesamtheit wird sie aber erst nach Aufnahme des Gerichtsbetriebs sichtbar sein. Dazu kommt, dass die verschiedenen Möglichkeiten von bereichsübergreifenden Zuständigkeiten, die mit der Vereinigung der zersplitterten Verwaltungsjustizbehörden zu einem einzigen Gericht verbunden sind, auf unterschiedliche Weise fruchtbar gemacht werden können. Der Bundesrat ist daher der Auffassung, dass es grundsätzlich der Autonomie des Gesamtgerichts anheim gestellt sein soll, für eine sachgerechte Organisation der internen Gerichtsstruktur zu sorgen. Dieser Grundsatz ist in Art. 12 VGG dem Kapitel über die Organisation und Verwaltung vorangestellt.

Gesetzlich vorgegeben ist einzig die Gliederung in Abteilungen. Wie viele Abteilungen es sind, welche Zuständigkeitsbereiche sie abdecken und ob einzelne Abteilungen weiter (in Kammern) untergliedert werden sollen, bestimmt das Gericht selbst. Es kann also namentlich vorsehen, dass sich eine Abteilung mit einer grossen Zahl an Richtern in mehrere Kammern gliedert. Oder es kann mehrere Abteilungen mit identischem Sachzuständigkeitsbereich (z. B. Asyl- und Ausländerrecht) schaffen. Bei der Zuteilung der Richter an die verschiedenen Abteilungen hat das Gericht die Vorgaben von Absatz 2 zu beachten.

Die Regelung, wonach die Abteilungen für zwei Jahre zu bestellen sind, dient der Flexibilität. Sie ermöglicht es, unvorhergesehenen Verlagerungen in der Geschäftslastverteilung innert nützlicher Frist Rechnung zu tragen.

Absatz 2 verpflichtet das Gericht, bei der Bestellung der Abteilungen die fachlichen Kenntnisse der Richter und die Amtssprachen angemessen zu berücksichtigen. Die fachliche Spezialisierung sowie die Sprachzugehörigkeit sollen zwar nicht die einzigen Zuteilungsmerkmale
sein («angemessen»). Für die Gewährleistung von ausgewogenen, kompetent und effizient arbeitenden Spruchkörpern ist die Beachtung dieser Kriterien aber unabdingbar, weshalb ihre Verankerung auf Gesetzesstufe erfolgt.

Damit wird das Anciennitätsprinzip, das den dienstälteren Gerichtsmitgliedern eine Vorzugsstellung im gerichtsinternen Wettstreit um einen frei werdenden Richterposten bei einer bestimmten Abteilung einräumt, relativiert. Ein Abstellen auf das An4383

ciennitätsprinzip wäre im Übrigen ohnehin nicht möglich, soweit es um die erstmalige Bestellung der Gerichtsabteilungen geht.

Absatz 3 macht deutlich, dass die vorübergehende Aushilfe in einer anderen Abteilung auch ohne formelle Neubestellung der betroffenen Abteilungen möglich ist, und dass jedes Gerichtsmitglied verpflichtet werden kann, an einer solchen Hilfsaktion mitzuwirken.

Artikel 17

Abteilungsvorsitz

Die Bestimmung entspricht weitgehend dem heutigen Artikel 13 Absätze 1 und 2 OG. Sie schliesst nicht aus, dass die Präsidenten nach Ablauf der Amtszeit für eine weitere Periode wiedergewählt werden.

Artikel 18

Besetzung

Das Bundesverwaltungsgericht fällt seine Entscheide in der Regel in Dreierbesetzung (Abs. 1). Für die grundsätzliche Dreierbesetzung sprechen vorab Effizienzgründe. Vorbehalten bleibt selbstverständlich die einzelrichterliche Kompetenz gemäss Artikel 20 VGG.

Nach Absatz 2 ordnet der Präsident bzw. die Präsidentin der Abteilung Fünferbesetzung an, wenn dies im Interesse der Rechtsfortbildung oder der Einheit der Rechtsprechung angezeigt ist. Die Voraussetzungen für die Fünferbesetzung korrespondieren demnach mit den Voraussetzungen für das Prozedere nach Artikel 22 Absatz 2 VGG (Entscheidung von Rechtsfragen, die mehrere Abteilungen betreffen).

Der in der betriebswirtschaftlichen Analyse von Ernst & Young vom 25. September 2000 errechnete Personalbedarf basiert auf der Annahme, dass im Verwaltungsrecht durchgehend in Dreierbesetzung entschieden wird. Die Fälle, welche nach Absatz 2 in Fünferbesetzung zu entscheiden sind, dürften mit Blick auf die engen Voraussetzungen nicht sehr zahlreich sein. Eine Erhöhung des Rahmens für die Richterstellen (Art. 1 Abs. 3 VGG) ist deswegen nicht erforderlich.

Artikel 19

Abstimmung

Die Vorschrift entspricht der Regelung von Artikel 10 OG. Sie gilt für die Beschlussfassung sämtlicher im Gesetz vorgesehener Gerichtsorgane (Gesamtgericht, Gerichtsleitung, Abteilungen).

Artikel 20

Einzelrichter

Einzelrichterliche Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts sind gerechtfertigt, wenn es um die Abschreibung gegenstandslos gewordener Verfahren geht oder um das Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Rechtsmittel (z. B. bei Nichtleistung des Kostenvorschusses oder klar verspäteter Erhebung des Rechtsmittels). Die Einzelrichterkompetenz besteht in diesen Fällen uneingeschränkt. Auf eine Begrenzung mit Bezug auf die beantragten oder zu sprechenden Verfahrens- und Parteikosten, wie sie heute in Artikel 10 Buchstabe a VRSK (SR 173.31) vorgesehen ist, wird verzichtet. Dieser Verzicht rechtfertigt sich mit Blick auf die grundsätzliche Weiterziehbarkeit auch der Einzelrichterentscheide an das Bundesgericht. Im Asylrecht, wo zahlenmässig die meisten nicht weiterziehbaren Entscheide des Bundes4384

verwaltungsgerichts anfallen, besteht die Einzelrichterkompetenz schon heute ohne Kostenlimite (vgl. Art. 111 Abs. 2 AsylG).

Absatz 2 behält weitergehende Einzelrichterkompetenzen vor, wie sie in Artikel 111 Absatz 2 Buchstabe c des Asylgesetzes bestehen, ferner in der Gesetzgebung über die Sozialversicherung, wo der Einzelrichter auch auf Abweisung offensichtlich unbegründeter Beschwerden erkennen kann (wie z. B. in Art. 85bis Abs. 3 AHVG).

Artikel 21

Geschäftsverteilung

Die Geschäftsverteilung hat verschiedene Aspekte: Die eingegangen Beschwerden müssen zunächst der in der Sache zuständigen Abteilung oder ­ bei mehreren Abteilungen mit gleichem Zuständigkeitsbereich ­ einer der in Frage kommenden Abteilungen zugewiesen werden. Als nächstes muss innerhalb der zuständigen Abteilung ein Instruktionsrichter bestimmt werden. Und schliesslich gilt es, die personelle Zusammensetzung des Spruchkörpers (Dreier- bzw. Fünferbesetzung) festzulegen.

All diese Abläufe bedürfen ­ zumindest in den Grundzügen ­ einer generellabstrakten Regelung, damit die Geschäftszuteilung nach einheitlichen, transparenten und überprüfbaren Kriterien erfolgt (vgl. Jörg Paul Müller, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 573).

Artikel 22

Praxisänderung und Präjudiz

Absatz 1 stellt sicher, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einheitlich ist und entspricht ­ in Verbindung mit Absatz 3 ­ weitgehend der heutigen Regelung von Artikel 16 Absatz 1 OG.

Auch Absatz 2 dient der Koordination der Rechtsprechung innerhalb des Gerichts.

Allerdings geht es dabei nicht um das Verhältnis zwischen einer anstehenden Entscheidung und der bestehenden Praxis anderer Abteilungen, sondern um die vorausblickende Bildung einer einheitlichen, abteilungsübergreifenden Rechtsprechung.

Die in Absatz 2 geregelte Vorgehensweise ermöglicht die frühzeitige Einbindung sämtlicher potentiell betroffener Abteilungen. Sie verhindert unnötige spätere Praxisänderungen und entspricht der heutigen Praxis des Bundesgerichts.

Absatz 3 regelt das für die Beschlussfassung der Vereinigung der betroffenen Abteilungen geltende Verfahren. Möglich ist die Beschlussfassung an einer Sitzung oder auf dem Zirkulationsweg. An beiden Formen der Beschlussfassung müssen mindestens zwei Drittel der Richter jeder beteiligten Abteilung teilnehmen. Die Beschlussfassung erfolgt ohne Parteiverhandlung und ­ wie am Bundesverwaltungsgericht üblich ­ in geheimer Beratung (vgl. die Bemerkungen zu Art. 36 VGG). Wichtig ist, dass der Beschluss die Antrag stellende Abteilung bei der Beurteilung des Streitfalles bindet.

Artikel 23

Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen

Die Anstellung der Gerichtsschreiber ist Sache des Gerichts (Abs. 1). Das Gesetz legt weder die Zahl der Gerichtsschreiber fest, noch weist es die entsprechende Befugnis dem Parlament zu (so heute Art. 7 Abs. 1 OG). Vielmehr liegt es in der Autonomie des Gerichts zu entscheiden, inwiefern die vom Parlament zur Verfügung gestellten Mittel für die Anstellung von Gerichtsschreibern verwendet werden sollen.

Innerhalb des Gerichts obliegt die Anstellung der Gerichtsschreiber dem Gesamtge4385

richt. Dieses kann die Anstellungsbefugnis jedoch an ein anderes Organ, z. B. die Gerichtsleitung oder die jeweils betroffene Abteilung, delegieren (Art. 14 Abs. 1 Bst. a VGG). Auch steht es ihm frei, das gerichtsinterne Anstellungsverfahren zu regeln, also etwa besondere Antrags- oder Mitspracherechte der betroffenen Abteilungen vorzusehen.

In den Absätzen 2 und 3 sind die traditionellen Aufgaben der Gerichtsschreiber aufgeführt. Diese bestehen vor allem im Erarbeiten der Urteilsreferate und der schriftlichen Urteilsbegründungen sowie in der Protokollführung bei den Verhandlungen.

Sie können auch zur Mitwirkung bei der Instruktion beigezogen werden. Die Gerichtsschreiber haben in den Verhandlungen, in denen sie Protokoll führen, beratende Stimme. Vgl. zur wichtigen Rolle der Gerichtsschreiber auch die Erläuterungen zu Artikel 22 BGG.

Absatz 4 eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, den Gerichtsschreibern per Reglement weitere Aufgaben zu übertragen.

Artikel 24

Verwaltung

Absatz 1 verankert das Prinzip der Selbstverwaltung und manifestiert damit die Autonomie der Justiz gegenüber den anderen Staatsgewalten, insbesondere der Exekutive (vgl. für das Bundesgericht Art. 188 Abs. 3 BV-Justizreform sowie die Bemerkungen zu Art. 23 Abs. 1 BGG).

Zur Autonomie im Sinne der vorstehenden Bemerkung gehört, dass das Gericht seine Dienste (z. B. EDV, Bibliotheksdienst, Informationsdienst usw.) bestellt. Auch die Anstellung des nötigen Personals ist ein Element der Gerichtsverwaltung (Bereitstellung der personellen Ressourcen). Die Kompetenz dazu liegt daher ebenfalls beim Gericht (Abs. 2).

Wie das Bundesgericht führt auch das Bundesverwaltungsgericht eine eigene Rechnung (Abs. 3; vgl. auch die Bemerkungen zu Art. 3 Abs. 2 VGG).

Artikel 25

Generalsekretariat

Die Anstellung des Generalsekretärs und seines Stellvertreters ist ­ unter Vorbehalt der Delegation an ein anderes Gerichtsorgan im Reglement ­ Sache des Gesamtgerichts (Abs. 1).

Absatz 2 umschreibt die wichtigsten Aufgaben des Generalsekretärs. Als Vorsteher der Gerichtsverwaltung nimmt er die Aufgaben eines Personalchefs für sämtliche Angestellten wahr. Ferner obliegt ihm die Vorbereitung und der Vollzug der von der Gerichtsleitung gefassten Beschlüsse. Er ist für das Sekretariat des Präsidiums, des Gesamtgerichts und der Gerichtsleitung besorgt. Darüber hinaus kann ihm das Reglement weitere Aufgaben übertragen (z. B. Vorbereitung von Rechnung und Budget, Informationsaufgaben usw.).

Artikel 26

Information

Die Pflicht zur Information der Öffentlichkeit über die Rechtsprechung besteht bereits heute für die Rekurs- und Schiedskommissionen (Art. 13 VRSK, SR 173.31).

Sie ist für die Gewährleistung der Rechtssicherheit elementar, weshalb eine Verankerung des Gebots auf Gesetzesstufe sachgerecht ist. In welcher Form die Informa4386

tion erfolgt, legt das Gesetz nicht näher fest. Im Vordergrund dürfte die Kombination von gedruckter (Zeitschrift) und elektronischer (Internet, CD-ROM) Veröffentlichung sein, wie sie bereits heute bei der Rechtsprechung der Rekurs- und Schiedskommissionen praktiziert wird (Zeitschrift VPB und entsprechende online-Version, www.vpb.admin.ch). Der Entscheid über die Auswahl der zu veröffentlichenden Urteile liegt bei den jeweiligen Abteilungen.

4.3.2

2. Kapitel: Zuständigkeiten

4.3.2.1

1. Abschnitt: Beschwerdeinstanz

Artikel 27

Grundsatz

Der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz steht nicht gegen jegliche Form des Verwaltungshandelns offen. Anfechtungsobjekt der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht bilden grundsätzlich einzig Verfügungen im Sinne von Artikel 5 VwVG.

Miteingeschlossen sind damit auch Vollstreckungsverfügungen, Zwischenverfügungen, Einspracheentscheide, Beschwerdeentscheide sowie Entscheide im Rahmen einer Revision oder Erläuterung (Art. 5 Abs. 2 VwVG). Die selbständige Anfechtung von Zwischenverfügungen unterliegt jedoch Einschränkungen (vgl. Art. 45 und 46 VwVG).

Der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht unterliegt ferner das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern einer anfechtbaren Verfügung (Art. 46a VwVG).

Als Anfechtungsobjekt ausser Betracht fallen hingegen blosse Realakte; sie haben keine Verfügungsqualität. Das ist mit der Rechtsweggarantie von Artikel 29a BV vereinbar (Walter Kälin, Die Bedeutung der Rechtsweggarantie für die kantonale Verwaltungsjustiz, ZBl 1999, S. 49 ff., S. 57 f.; Christina Kiss, Rechtsweggarantie und Totalrevision der Bundesrechtspflege, ZBJV 1998, S. 288 ff., 291 f. mit Hinweis auf das Votum des Berichterstatters im Ständerat, AB 1998 S 257).

Artikel 28

Ausnahmen

Nicht alle Verfügungen im Sinne von Artikel 5 VwVG unterliegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dieses verfügt zwar grundsätzlich über eine allgemeine Sachzuständigkeit in Bundesverwaltungssachen. Absatz 1 nimmt aber einige wenige Sachgebiete dennoch aus: ­

Verfügungen auf dem Gebiet der inneren und äusseren Sicherheit des Landes, der Neutralität, des diplomatischen Schutzes und der übrigen auswärtigen Angelegenheiten (Bst. a): Solche Verfügungen können auch beim Bundesgericht nicht angefochten werden; sie unterliegen der Beschwerde an den Bundesrat (Art. 78 Abs. 1 Bst. a BGG, Art. 72 VwVG). Es handelt sich hierbei um Anordnungen mit vorwiegend politischem Charakter, die sich für eine richterliche Überprüfung nicht eignen. Aus diesem Grund ist eine Ausnahme vom Anspruch auf richterliche Beurteilung nach Artikel 29a BV zulässig (WALTER KÄLIN, Die Bedeutung der Rechtsweggarantie für die kantonale Verwaltungsjustiz, ZBl 1999, S. 59; vgl. auch Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom 20.11.1996, BBl 1997 I 524). Soweit solche Verfü-

4387

gungen allerdings in den Anwendungsbereich der Rechtsweggarantie von Artikel 6 Absatz 1 EMRK fallen ­ was selten zutreffen dürfte ­, ist die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (mit Weiterzugsmöglichkeit an das Bundesgericht) zulässig. Der Begriff «übrige auswärtige Angelegenheiten» umfasst die Bereiche «Entwicklungszusammenarbeit» und «humanitäre Hilfe», die heute von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht ausgeschlossen sind (Art. 100 Abs. 1 Bst. a OG), grundsätzlich nicht.

Der Begriff ist künftig restriktiv auszulegen und betrifft Anordnungen mit vorwiegend politischem Charakter. Verfügungen in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe unterliegen somit neu grundsätzlich der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.

­

Verfügungen betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger sowie Volkswahlen und -abstimmungen (Bst. b): Sie unterliegen direkt der Beschwerde an das Bundesgericht (Art. 82 Abs. 1 Bst. b BGG). Für diese Lösung sprechen Gründe der Verfahrensbeschleunigung.

­

Verfügungen über Rahmenbewilligungen auf dem Gebiet der Kernenergie (Bst. c) und Verfügungen über die Erteilung von Konzessionen für Spielbanken (Bst. e): Für den Erlass solcher Verfügungen ist der Bundesrat zuständig. Ohne Ausnahme von der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht würde diese Verfügungskompetenz des Bundesrates jedoch von Gesetzes wegen an das in der Sache zuständige Departement übergehen (Art. 47 Abs. 6 Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz, RVOG; SR 172.010). Der Gesetzgeber wollte aber diese politisch gewichtigen Verfügungen bewusst in die Zuständigkeit des Bundesrates legen. Dieses Anliegen wird mit dem Ausschluss der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht sicher gestellt. Denn die Gesetzesdelegation von Art. 47 Abs. 6 RVOG spielt nur, soweit die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht möglich ist. Ist sie nicht möglich, bleibt die Verfügungskompetenz beim Bundesrat.

Ein gerichtlicher Rechtsschutz fehlt somit in diesem Bereich. Es liegt eine gesetzliche Ausnahme von der Rechtsweggarantie nach Artikel 29a BVJustizreform vor. Das ist vertretbar, weil es sich bei Verfügungen über Rahmenbewilligungen auf dem Gebiet der Kernenergie und bei Verfügungen über die Erteilung von Konzessionen für Spielbanken um Entscheide vorwiegend politischer Natur handelt, die einer richterlichen Überprüfung nicht zugänglich sind.

Ferner ist die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ausgeschlossen gegen Verfügungen der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen, UBI (Abs. 1 Bst. d). Sie können direkt beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 80 Abs. 1 Bst. c BGG). Grund für diesen Ausschluss bildet der Umstand, dass die UBI im Instanzenzug neben (nicht unter) dem Bundesverwaltungsgericht steht. Sie wird als einzige besondere Fachinstanz nicht in das Bundesverwaltungsgericht integriert.

Dies deshalb, weil die Beschwerde an die UBI einem eigenen Zweck dient und besonderen Verfahrensregeln folgt. Das Verfahren vor der UBI bezweckt nicht primär den Rechtsschutz des Einzelnen, sondern stellt auch ein staatliches Aufsichtsinstrument dar. Es geht um eine eigentliche Programmaufsicht. Dementsprechend weit gefasst ist die Beschwerdebefugnis (Popularbeschwerde; vgl. Art. 63 Bundesgesetz vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen, RTVG, SR 784.40). Geprüft wird die 4388

Einhaltung der Programmbestimmungen, und das Verfahren ist grundsätzlich kostenlos (Art. 62 Abs. 2, 65 Abs. 1 und 66 RTVG).

Absatz 2 Buchstabe a statuiert den Grundsatz der Ausschöpfung des Instanzenzuges.

Das Bundesverwaltungsgericht ist funktionell erst zuständig, wenn allfällige Einsprache- oder Beschwerdemöglichkeiten an eine Behörde im Sinne von Artikel 29 Buchstaben b­e VGG ausgeschöpft sind. Eine vorgängige Einsprache- oder Beschwerdemöglichkeit muss sich aus dem Spezialgesetz ergeben.

Absatz 2 Buchstabe b regelt die Konkurrenz der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zur Beschwerde an eine kantonale Behörde im Sinne des Vorrangs der letzteren. Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ist demnach unzulässig, wenn ein Bundesgesetz die Beschwerde an eine kantonale Behörde vorsieht. Solche Konkurrenzsituationen finden sich namentlich im Sozialversicherungsrecht, wenn Versicherungseinrichtungen mit dem Charakter einer Instanz im Sinne von Artikel 29 Buchstabe d oder g VGG Verfügungen treffen (SUVA, Militärversicherung).

Artikel 29

Vorinstanzen

Vorinstanzen des Bundesverwaltungsgerichts sind: ­

Ausnahmsweise der Bundesrat und Organe der Bundesversammlung (Bst. a): Die administrative Unterstellung der Parlamentsdienste unter die Bundesversammlung (Art. 155 BV) hat zur Folge, dass die Bundesversammlung als Arbeitgeber des Personals der Parlamentsdienste auftritt. Verfügungen auf dem Gebiet des Arbeitsverhältnisses des Personals der Parlamentsdienste, einschliesslich die Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung, unterliegen der Anfechtung beim Bundesverwaltungsgericht.

Organe der Bundesversammlung zählen demnach zu den Vorinstanzen des Bundesverwaltungsgerichts, wenn sie solche Verfügungen treffen. Ebenso ist der Bundesrat ausnahmsweise Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts, wenn er Verfügungen auf dem Gebiet des Arbeitsverhältnisses von Bundespersonal trifft. Ein gerichtlicher Rechtsschutz muss gegen solche Verfügungen offen stehen.

­

Das Bundesgericht und das Bundesstrafgericht (Bst. b) sind ausnahmsweise Vorinstanzen des Bundesverwaltungsgerichts, wenn sie Verfügungen erlassen, die ein Arbeitsverhältnis beim Bundesgericht bzw. beim Bundesstrafgericht betreffen (vgl. die Bemerkungen zu Art. 36 Abs. 2 Bundespersonalgesetz BPG).

­

Die Bundeskanzlei, die Departemente und die ihnen unterstellten oder administrativ zugeordneten Dienststellen der Bundesverwaltung (Bst. c) sind die regulären Vorinstanzen des Bundesverwaltungsgerichts. Ihre Verfügungen können nicht direkt beim Bundesgericht angefochten werden, sondern unterliegen zuerst der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

­

Das Gleiche gilt für die Anstalten und Betriebe des Bundes (Bst. d). Sie sind in aller Regel Vorinstanzen des Bundesverwaltungsgerichts (ausnahmsweise kann ein Bundesgesetz aber gegen ihre Verfügungen auch die Beschwerde an eine kantonale Behörde vorsehen, wie zum Beispiel betreffend Verfügungen der SUVA; vgl. dazu die Bemerkungen zu Art. 28 Abs. 2 Bst. b VGG).

4389

­

Zu den eidgenössischen Kommissionen (Bst. e) zählen zum Beispiel die Eidgenössische Bankenkommission, die Eidgenössische Wettbewerbskommission, die Eidgenössische Kommunikationskommission, die regionalen Rekurskommissionen für die Milchkontingentierung, die Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und die Schätzungskommissionen für die Enteignung.

­

Vorinstanzen des Bundesverwaltungsgerichts sind auch Schiedsgerichte, sofern sie aufgrund öffentlich-rechtlicher Verträge des Bundes, seiner Anstalten und Betriebe tätig werden (Bst. f).

­

Instanzen und Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung (Bst. g) sind dann Vorinstanzen des Bundesverwaltungsgerichts, wenn sie in Erfüllung ihnen übertragener öffentlich-rechtlicher Aufgaben des Bundes verfügen.

Das kann beispielsweise auf die SRG zutreffen (BGE 123 II 406).

­

Das Bundesverwaltungsgericht wird primär institutionalisiert zur Beurteilung von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten aus dem Zuständigkeitsbereich der Bundesverwaltung (vgl. Art. 191a Abs. 2 BV-Justizreform). Deshalb sind kantonale Instanzen (Bst. h) nur ausnahmsweise Vorinstanzen des Bundesverwaltungsgerichts, nämlich nur soweit ein Bundesgesetz (Verordnung genügt nicht) gegen ihre Verfügungen die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vorsieht. Das ist beispielsweise der Fall im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (vgl. Art. 25 und 80e IRSG, SR 351.1) und im Landwirtschaftsbereich (vgl. Art. 166 Abs. 2 LwG, SR 910.1).

Artikel 30

Krankenversicherung

Beschwerden gegen Beschlüsse der Kantonsregierungen nach Artikel 53 des Krankenversicherungsgesetzes (SR 832.10) entscheidet heute der Bundesrat. Im Sinne einer Aufgabenentflechtung soll der Bundesrat weitestgehend von seinen Rechtspflegefunktionen entlastet werden. Das gehörte zu den Kernzielen der Justizreform (vgl. Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom 20.11.1996, BBl 1997 I 491; Walter Kälin, Justizreform, AJP 1995, S. 1004 ff., S. 1005).

Die Belastung des Bundesrates mit Beschwerden aus dem Krankenversicherungsgesetz ist gross, wie die nachstehende Übersicht der vom Bundesrat in den Jahren 1996­2000 erledigten Fälle aufzeigt:

1996 1997 1998 1999 2000 Total

4390

Total

Spital- und Pflegeheimliste

Spital- und Pflegeheimtarif

Tarif für ambulante Behandlung (inkl.

Spitex)

Prämientarif

Besondere Fälle

38 87 73 99 99 396

28 49 17 69 47 210

7 23 30 24 18 102

2 10 20 4 33 69

0 5 5 1 0 11

1 0 1 1 1 4

Die Freistellung von dieser Rechtsprechungsfunktion verleiht dem ohnehin überlasteten Bundesrat mehr Kapazität für seine eigentliche Aufgabe, das Regieren.

Gleichzeitig wird dem funktionellen Gewaltenteilungsprinzip nachgelebt, wonach die Rechtsprechung nicht Aufgabe der zweiten, sondern der dritten Gewalt darstellt.

Die Aufgabe, über solche Beschwerden zu befinden, wird neu dem Bundesverwaltungsgericht übertragen. Die Beurteilung von Beschwerden gegen kantonale Entscheide zählt zwar nicht zu seinen typischen Aufgaben. Das Rechtsschutzbedürfnis in diesem Bereich muss aber auf eidgenössischer Ebene befriedigt werden. Eine Öffnung des Beschwerdeweges an das Bundesgericht kommt aus Gründen der Überlastung nicht in Frage, auch nicht in Form einer Weiterzugsmöglichkeit. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in diesem Bereich abschliessend (vgl. Art. 78 Bst. o BGG). Eine Weiterzugsmöglichkeit an das Bundesgericht besteht schon heute nicht (Beschwerdeentscheide des Bundesrates können nicht an das Bundesgericht weitergezogen werden). Sie neu einzuführen, käme einer Verlängerung des Instanzenzuges gleich. Das ist aber zu vermeiden, sollen diese Streitigkeiten doch möglichst rasch rechtskräftig entschieden sein (deshalb sieht das Krankenversicherungsgesetz auch Behandlungsfristen vor).

Mit der Übertragung der Beurteilungkompetenz vom Bundesrat an das Bundesverwaltungsgericht wird gleichzeitig das Problem gelöst, wonach gewisse Fälle von Artikel 53 KVG als «zivilrechtliche» Streitigkeiten in den Anwendungsbereich von Artikel 6 EMRK fallen könnten und deshalb einer Beurteilung durch ein Gericht unterstehen müssen (namentlich Spitallisten). Das EVG hat in einem Urteil vom 1. Mai 2000 betreffend Nichtaufnahme eines Spitals in die Spitalliste die Frage offen gelassen, ob das Kriterium «zivilrechtlich» erfüllt sei, da der Beschwerdeführer keinen «Anspruch» im Sinne der Konvention hatte und deshalb schon aus diesem Grund nicht auf die Beschwerde einzutreten war (BGE 126 V 182). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der die Konventionsbestimmungen autonom auslegt, hat die Frage einer allfälligen Anwendbarkeit der Rechtsweggarantie von Artikel 6 EMRK in diesem Bereich bis heute noch nicht entschieden. Die Frage kann durch die Lösung, wie sie mit der vorliegenden Revision getroffen wird, von vornherein
entschärft werden.

In den Fällen von Artikel 30 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Beschlüsse von Kantonsregierungen. Vorinstanz ist also nicht eine Bundesverwaltungsbehörde, sondern ­ entgegen der Regel ­ eine kantonale Behörde. Die Fälle von Artikel 30 VGG werden ­ neben Artikel 29 Buchstabe h VGG ­ separat aufgeführt, weil Beschlüsse miterfasst sind, deren Verfügungscharakter fraglich ist (z. B. Tarife, Spitallisten). Ungeachtet ihrer fraglichen Verfügungsqualität können diese Beschlüsse direkt gestützt auf Artikel 30 VGG beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

4391

4.3.2.2 Artikel 31

2. Abschnitt: Erste Instanz Grundsatz

Die Klage an das Bundesverwaltungsgericht ist gegeben bei Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen, an denen der Bund, seine Anstalten oder Betriebe oder Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung, die in Erfüllung öffentlichrechtlicher Aufgaben des Bundes handeln, beteiligt sind (Bst. a).

Heute entscheidet die Eidgenössische Datenschutzkommission als Schiedskommission (also im Klageverfahren) über Empfehlungen des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten im Privatrechtsbereich, die ihr vorgelegt werden. Buchstabe b überträgt diese Fälle dem Bundesverwaltungsgericht. Kläger ist der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte, Beklagter derjenige, welcher die Empfehlung nicht befolgt oder abgelehnt hat.

Artikel 32

Ausnahme

Die Klage an das Bundesverwaltungsgericht entfällt, wenn ein anderes Bundesgesetz die Erledigung des Streits auf dem Verfügungsweg durch eine Behörde im Sinne von Artikel 29 VGG vorsieht. Es gilt der Grundsatz: Keine Klage, wo verfügt werden kann. Das Bundesverwaltungsgericht kommt in diesen Fällen somit nicht als Klageinstanz, sondern (bei Anfechtung der Verfügung) als Beschwerdeinstanz zum Zug.

4.3.3

3. Kapitel: Verfahren

4.3.3.1

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Der Abschnitt enthält gemeinsame Verfahrensvorschriften, die in sämtlichen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten, also in den Verfahren des zweiten und vierten Kapitels.

Artikel 33

Grundsatz

Für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind die Bestimmungen des VwVG massgebend, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (vgl. dazu auch die Ausführungen in Ziff. 2.5.4.2). Letzteres trifft beispielsweise für die Öffentlichkeit der Parteiverhandlung zu (vgl. Art. 37 VGG).

Zu beachten ist, dass das VwVG seinerseits Bestimmungen des Bundesrechts, die ein Verfahren eingehender regeln, vorbehält, soweit sie den Vorschriften des VwVG nicht widersprechen (Art. 4 VwVG). Auch verdrängen jüngere Verfahrensvorschriften anderer Bundesgesetze das VwVG, wenn der spätere Gesetzgeber dies unmissverständlich gewollt hat (René Rhinow/Heinrich Koller/Christina Kiss, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel/Frankfurt a.M.

1996, Rz. 1084). Beispiele dafür finden sich namentlich im Asylgesetz.

Die Anwendbarkeit des VwVG auf das Verfahren bedeutet insbesondere, dass dem Bundesverwaltungsgericht (wie heute den Rekurskommissionen) volle Überprü-

4392

fungsbefugnis zusteht, grundsätzlich einschliesslich Angemessenheitskontrolle (Art. 49 VwVG). Vgl. dazu die eingehenden Ausführungen in Ziffer 2.5.4.2.

Für das Beweisverfahren verweist das VwVG streckenweise auf den BZP (Art. 19 VwVG). Die entsprechenden Bestimmungen des BZP gelten demnach auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Das Klageverfahren richtet sich über weite Strecken nach dem BZP (Art. 39 VGG; vgl. die Kommentierung dort). Namentlich für die Vollstreckung, die in Artikel 39 VGG vom Verweis auf den BZP ausgenommen ist, gilt aber gestützt auf Artikel 33 VGG wiederum das VwVG.

Artikel 34

Ausstand

Die Richter und Gerichtsschreiber des Bundesverwaltungsgerichts unterstehen den gleichen Ausstandsvorschriften wie die Richter und Gerichtsschreiber des Bundesgerichts (Art. 31­35 BGG). Die Gleichschaltung rechtfertigt sich dadurch, dass es sich beidemal um Gerichtspersonen handelt. Das Verfahren des Entscheids über den Ausstand richtet sich ebenfalls nach den Vorschriften des Bundesgerichtsgesetzes.

Artikel 35

Instruktionsrichter

Die Verfahrensleitung obliegt dem Instruktionsrichter. Als solcher gilt der Abteilungspräsident oder ein von ihm bezeichneter Richter. Der Instruktionsrichter ist auch zuständig für Entscheide betreffend die aufschiebende Wirkung und andere vorsorgliche Massnahmen sowie für die Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege (Art. 55, 56 und 65 VwVG i.V.m. Art. 33 VGG).

Absatz 2 lehnt sich an die entsprechende Regelung des BZP an (vgl. Art. 5 Abs. 3 BZP). Zeugeneinvernahmen, die Durchführung von Augenscheinen und Parteiverhören müssen nicht durch die vollständig besetzte Spruchbehörde erfolgen (so auch das Bundesgericht in Bezug auf das rechtliche Gehör: BGE 117 Ia 135). Es genügt, wenn der Instruktionsrichter diese Beweise erhebt, er muss jedoch einen zweiten Richter beiziehen. Das Parteiverhör im Sinne von Auskünften der Parteien bzw. des einfachen Parteiverhörs ist sowohl im Beschwerdeverfahren als auch im Klageverfahren möglich (Art. 12 Bst. b VwVG, Art. 62 BZP i.V.m. Art. 39 VGG). Die Beweisaussage der Partei unter Straffolge kommt im Klageverfahren in Betracht (Art.

64 BZP i.V.m. Art. 39 VGG). Mit Blick auf grundsätzliche Einwendungen gegen dieses Institut (die Partei muss sich bei Straffolge gegebenenfalls selbst belasten) und auf die Tatsache, dass die Beweise ohnehin der freien Beweiswürdigung des Richters unterliegen (Art. 40 BZP i.V.m. Art. 19 VwVG), wird darauf verzichtet, den Anwendungsbereich der Beweisaussage der Partei unter Straffolge auf das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht auszudehnen.

Der Instruktionsrichter trifft prozessleitende Verfügungen. Diese können innerhalb des Bundesverwaltungsgerichts nicht angefochten werden. Absatz 3 schliesst den Weiterzug an die Gesamt-Spruchbehörde ausdrücklich aus. Soweit die Voraussetzungen für die selbständige Anfechtung von Zwischenentscheiden erfüllt sind (Art. 88 BGG), kommt hingegen ein Weiterzug an die Rechtsmittelbehörde (Bundesgericht) in Betracht.

4393

Artikel 36

Beratung

In der Regel entscheiden die Abteilungen auf dem Weg der Aktenzirkulation aufgrund eines schriftlichen Referats (Abs. 1). Das Zirkulationsverfahren ist das ordentliche Entscheidverfahren; seine Anwendung ist nicht an besondere Voraussetzungen geknüpft. Namentlich ist nicht verlangt, dass Einstimmigkeit unter den Richtern herrscht.

Umgekehrt bildet die Durchführung einer mündlichen Urteilsberatung die Ausnahme (Abs. 2). Wenn eine mündliche Urteilsberatung stattfindet, so ist sie ­ anders als die Regel beim Bundesgericht ­ nicht öffentlich. Die Öffentlichkeit der Urteilsberatung wird weder von der Bundesverfassung noch von der EMRK verlangt. Sie hat Vor- und Nachteile (vgl. dazu Martin Schubarth, Öffentliche Urteilsberatung, in: Festschrift Jörg Rehberg, Zürich 1996, S. 303 ff.) und soll daher (auf Bundesebene) auf das Verfahren vor dem obersten Gericht beschränkt bleiben.

Artikel 37

Öffentliche Parteiverhandlung und Urteilsverkündung

Artikel 6 Absatz 1 EMRK verlangt unter anderem, dass in Streitigkeiten betreffend zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen sowie betreffend Beurteilung von strafrechtlichen Anklagen eine Parteiverhandlung, und zwar eine publikumsöffentliche, durchgeführt wird. Diesem Erfordernis trägt Absatz 1 Rechnung. Da in diesen Fällen kein Beurteilungsspielraum betreffend den Entscheid über die Anordnung einer öffentlichen Parteiverhandlung besteht, wird der Instruktionsrichter, der im Rahmen der Instruktion ohnehin schon mit dem Fall befasst ist, (und nicht der Abteilungspräsident) für zuständig erklärt. In Einzelrichterfällen nimmt der Einzelrichter auch die Funktion des Instruktionsrichters wahr.

Nach der Rechtsprechung ist ein Gericht, das normalerweise keine öffentliche Verhandlung durchführt, aufgrund von Artikel 6 Absatz 1 EMRK nicht verpflichtet, ohne entsprechenden Antrag einer Partei eine öffentliche Parteiverhandlung durchzuführen, es sei denn, gewichtige öffentliche Interessen würden dies gebieten (Urteil des EGMR vom 24.6.1993 «Schuler-Zgraggen contra Schweiz»; BGE 122 V 52 m.H.; Arthur Haefliger/Frank Schürmann, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl., Bern 1999, S. 195 f.; Villiger Mark E., Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), 2. Aufl., Zürich 1999, S. 281).

Diese Rechtsprechung wird in Absatz 1 im Gesetzestext manifest gemacht. Demnach muss das Bundesverwaltungsgericht nur dann eine öffentliche Parteiverhandlung durchführen, wenn die Partei einen entsprechenden Antrag gestellt hat, oder wenn gewichtige öffentliche Interessen dies gebieten.

Ausserhalb des Anwendungsbereichs von Artikel 6 Absatz 1 EMRK hat das Bundesverwaltungsgericht keine Pflicht zur Durchführung einer Parteiverhandlung, lediglich die Möglichkeit (Abs. 2). Es besteht in diesen Fällen also ein Beurteilungsspielraum, ob eine Parteiverhandlung stattfinden soll oder nicht. Zuständig ist daher insoweit der Abteilungspräsident oder ­ in Einzelrichterfällen ­ der Einzelrichter.

Wenn jedoch eine Parteiverhandlung angeordnet wird, hat diese ­ unter Vorbehalt der Ausnahmen nach Absatz 4 ­ ebenfalls öffentlich stattzufinden (Art. 30 Abs. 3 BV).

Artikel 6 Absatz 1 EMRK verlangt ferner, dass in Streitigkeiten betreffend zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen sowie betreffend Beurteilung von straf-

4394

rechtlichen Anklagen das Urteil (nur das Dispositiv, nicht auch die Begründung) öffentlich verkündet wird. Diesem Erfordernis trägt Absatz 3 Rechnung. Nach der Rechtsprechung muss das Urteil nicht unbedingt öffentlich verlesen werden. Das Gericht kann auch in anderer Weise dafür sorgen, dass die Öffentlichkeit vom Urteil Kenntnis nehmen kann. Es genügt zum Beispiel, wenn der Urteilstext in der Gerichtskanzlei aufliegt und dort eingesehen werden kann (Haefliger/Frank Schürmann, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl., Bern 1999, S. 198 f.). Anderseits ist die öffentliche Urteilsverkündung nicht davon abhängig, dass auch öffentlich verhandelt wurde. Das Urteil ist demnach ­ im Anwendungsbereich von Artikel 6 Absatz 1 EMRK ­ auch dann öffentlich zu verkünden bzw. aufzulegen, wenn keine öffentliche Parteiverhandlung durchgeführt worden ist, weil keine Partei einen entsprechenden Antrag gestellt hat und keine gewichtigen öffentlichen Interessen dies geboten haben.

Das Erfordernis der Publikumsöffentlichkeit der Parteiverhandlung und ­ nach richtigem Verständnis (vgl. Haefliger/Frank Schürmann, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl., Bern 1999, S. 198) ­ der Urteilsverkündung gilt nicht absolut. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen (Art. 30 Abs. 3 Satz 2 BV). Die Ausnahmemöglichkeiten sind in Absatz 4 konkretisiert, in Abstimmung mit den Ausnahmemöglichkeiten gemäss Artikel 6 Absatz 1 EMRK. In Bezug auf den Ausschluss der öffentlichen Urteilsverkündung ist Absatz 4 im Lichte der differenzierenden Regelung von Artikel 14 Absatz 1 UNO-Pakt II (SR 0.103.2) auszulegen.

Artikel 38

Mangelhafte Vollstreckung

Die Vollstreckung von Entscheiden des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich nach dem VwVG (Art. 33 VGG).

Beschwerden wegen mangelhafter Vollstreckung von Entscheiden des Bundesverwaltungsgerichts sind an den Bundesrat zu richten (vgl. Art. 182 Abs. 2 BV). Entscheide auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung sind auf dem Weg der Schuldbetreibung zu vollstrecken (Art. 40 VwVG). Insoweit ist die Beschwerde an den Bundesrat ausgeschlossen.

4.3.3.2

2. Abschnitt: Besondere Bestimmungen für das Klageverfahren (Art. 39)

Das Klageverfahren wickelt sich ähnlich einem Zivilprozess ab. Es wird nicht eine angefochtene Verfügung überprüft. Vielmehr wendet sich der Kläger direkt an das Gericht, um das streitige Rechtsverhältnis klären zu lassen. Deshalb ist es sachgerecht, für das Verfahren weitgehend auf den Bundeszivilprozess zu verweisen (in diesem Sinne auch Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, Rz. 809). Vom Verweis auf den BZP ausgenommen sind die Bestimmungen über die Vollstreckung. Die Vollstreckung von erstinstanzlichen Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich gleich wie die Vollstreckung von Beschwerdeentscheiden nach dem VwVG (Art. 33 VGG).

4395

Nach Artikel 39 Absatz 2 stellt das Bundesverwaltungsgericht den Sachverhalt von Amtes wegen fest. Es gilt also auch im Klageverfahren die Untersuchungsmaxime.

Das ist gerechtfertigt, da es um öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse geht. Auf sie passt die Verhandlungsmaxime, die im Zivilprozess Anwendung findet, nicht. Es muss die materielle Wahrheit ermittelt werden. Das Gericht darf daher unbestrittene Tatsachen nicht ohne weiteres als erwiesen betrachten. Die Erforschung des entscheidrelevanten Sachverhaltes von Amtes wegen entbindet die Parteien nicht von der Pflicht zur Mitwirkung. Insbesondere haben sie die Rechtsschriften mit den erforderlichen Angaben und Beweismitteln einzureichen (Art. 19 ff. BZP).

4.3.4

4. Kapitel: Revision, Erläuterung und Berichtigung

4.3.4.1

1. Abschnitt: Revision

Artikel 40

Grundsatz

Die Revision ist ein ausserordentliches Rechtsmittel. Es wendet sich gegen formell rechtskräftige Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts und bezweckt die nochmalige Beurteilung derselben Angelegenheit durch das Bundesverwaltungsgericht.

Für die Revision von Entscheiden des Bundesverwaltungsgerichts gelten die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes über die Revision von Bundesgerichtsurteilen sinngemäss (vgl. die Bemerkungen zu Art. 107­114 BGG). Die Revision erfolgt demnach nur auf Verlangen, nicht jedoch von Amtes wegen. Bei den Revisionsgründen sind drei Arten zu unterscheiden: bestimmte Verfahrensmängel (Art. 107 BGG), Verletzung der ERMK (Art. 108 BGG) und unrichtige tatbeständliche Entscheidgrundlagen (Art. 109 BGG). Auch im Revisionsverfahren ist die Anordnung vorsorglicher Massnahmen möglich; zuständig ist der Instruktionsrichter (Art. 112 BGG). Über Revisionsgesuche ist grundsätzlich ein Schriftenwechsel durchzuführen. Der Schriftenwechsel kann entfallen, wenn ein Gesuch unzulässig (z. B. wegen verspäteter Einreichung) oder unbegründet ist (Art. 113 BGG).

Soweit das Bundesgerichtsgesetz keine besonderen Bestimmungen betreffend die Revision aufstellt, gilt das VwVG, so namentlich für die Kosten (Art. 33 VGG).

Artikel 41

Verhältnis zur Beschwerde

Artikel 41 statuiert die Subsidiarität der Revision zur Beschwerde. Das Revisionsverfahren steht nicht zur Verfügung um die verpasste Ergreifung eines Rechtsmittels nachzuholen.

Artikel 42

Revisionsgesuch

Das Revisionsgesuch ist frist- und formgebunden.

Auf Dauer und Beginn der Frist findet Artikel 110 BGG sinngemäss Anwendung (Art. 40 VGG).

Form, Inhalt, Verbesserung und Ergänzung des Revisionsgesuchs richten sich nach dem VwVG. Der Gesuchsteller muss in der Begründung namentlich den Revisionsgrund und die Rechtzeitigkeit seines Gesuchs darlegen.

4396

4.3.4.2

2. Abschnitt: Erläuterung und Berichtigung (Art. 43)

Die Erläuterung ist ein ausserordentliches Rechtsmittel. Es bezweckt, Unklarheiten, Lücken und Widersprüche in der Entscheidungsformel (Dispositiv) oder Widersprüche zwischen der Entscheidungsformel und den Erwägungen zu beseitigen. Sind nur die Erwägungen unklar, steht die Erläuterung nicht zur Verfügung. Der Erläuterungsbedarf muss das Dispositiv betreffen.

Eine Berichtigung nimmt das Gericht von Amtes wegen oder auf Gesuch hin vor, wenn der Entscheid an einem Redaktions- oder Rechnungsfehler leidet.

Für die Erläuterung und Berichtigung von Entscheiden des Bundesverwaltungsgerichts gilt die Bestimmung des Bundesgerichtsgesetzes über die Erläuterung und Berichtigung von Bundesgerichtsurteilen sinngemäss (Art. 43 Abs. 1; vgl. die Bemerkungen zu Art. 115 BGG).

Die Erläuterung oder die Berichtigung löst die Frist für ein gegen den erläuterten bzw. berichtigten Entscheid allfällig gegebenes Rechtsmittel erneut aus (Abs. 2).

4.3.5 Artikel 44

5. Kapitel: Schlussbestimmungen Änderung bisherigen Rechts

Absatz 1 hält fest, dass die Änderung des bisherigen Rechts im Anhang geregelt wird.

Absatz 2 ermächtigt die Bundesversammlung, Bestimmungen in Bundesgesetzen, welche dem Verwaltungsgerichtsgesetz widersprechen, durch Verordnung anzupassen. Gemeint sind Widersprüche, die im Rahmen des Anhangs versehentlich nicht behoben worden sind. Nicht anvisiert sind hingegen bewusst abweichende Vorschriften in anderen Bundesgesetzen, wie zum Beispiel im Asylgesetz.

Artikel 45

Übergangsbestimmungen

Die Aufgaben des Bundesverwaltungsgerichts werden heute einerseits vom Bundesrat (namentlich Beschwerden aus dem Bereich des Krankenversicherungsgesetzes) und vom Bundesgericht (namentlich Beschwerden aus dem Bereich der internationalen Rechtshilfe für Strafsachen) und andererseits von den eidgenössischen Rekursund Schiedskommissionen sowie von den Beschwerdediensten der Departemente ausgeübt.

Für die Anfechtung von Entscheiden, die vor dem Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsgesetzes ergangen sind und bisher direkt beim Bundesgericht oder beim Bundesrat anfechtbar waren, ist das bisherige Recht massgebend. Das heisst, die Beschwerde richtet sich nach wie vor an das Bundesgericht bzw. an den Bundesrat, welche die Beschwerde nach bisherigem Verfahrensrecht beurteilen. Beim Bundesrat oder beim Bundesgericht hängige Beschwerden werden dort zu Ende behandelt.

Die eidgenössischen Rekurs- und Schiedskommissionen sowie die Beschwerdedienste der Departemente werden hingegen mit der Errichtung des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben. Die vor diesen Instanzen hängigen Beschwerden müssen des-

4397

halb vom Bundesverwaltungsgericht übernommen werden, soweit seine Zuständigkeit gegeben ist. Dabei verfährt und entscheidet es nach neuem Verfahrensrecht.

Artikel 46

Referendum und Inkrafttreten

Die Bestimmung enthält die Referendumsklausel und überträgt dem Bundesrat das Inkraftsetzen.

4.3.6

Änderung bisherigen Rechts

1. Bundesgesetz vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit Art. 18 Abs. 2 zweiter und dritter Satz Die Eidgenössische Datenschutzkommission geht im Bundesverwaltungsgericht auf.

«Eidgenössische Datenschutzkommission» wird daher ersetzt durch «Präsident oder Präsidentin der auf dem Gebiet des Datenschutzes zuständigen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts».

2. Bundesgesetz vom 26. März 1991 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer Art. 20 Absatz 1 erklärt neu das Bundesverwaltungsgericht zur zuständigen Beschwerdeinstanz. Die Beschwerde an das EJPD entfällt. Damit ist auch im Bereich des Ausländerrechts der gerichtliche Rechtsschutz sicher gestellt, wie ihn Artikel 29a und 191a Absatz 2 BV-Justizreform fordern.

Absatz 2 übernimmt die bestehende Legitimationsregelung. Sie gilt für «andere Mitbeteiligte» nicht in Fällen vorläufiger Aufnahme nach Artikel 44 Absätze 2 und 3 des Asylgesetzes. Letzteres ergab sich bisher aus der Tatsache, dass die genannten Fälle der Beschwerde an die Asylrekurskommission (und nicht an das EJPD) unterlagen (Art. 20 Abs. 1 Bst. b ANAG in der geltenden Fassung). Die Legitimation des betroffenen Ausländers folgt bereits aus den allgemeinen Bestimmungen der Bundesrechtspflege und muss im Spezialgesetz nicht extra erwähnt werden.

Absatz 3 wird als überflüssig gestrichen. Die Endgültigkeit von Entscheiden des Bundesverwaltungsgerichts im Bereich des Ausländerrechts bestimmt sich nach Artikel 78 Absatz 1 Buchstabe b BGG.

Art. 21 Die Bestimmung beruht auf einem Versehen und kann hiermit gestrichen werden.

Die Fälle nach den Artikeln 13a, 13b und 13e (Zwangsmassnahmen) werden von den Kantonen vollzogen. Die Bestimmung des VwVG betreffend den Fristenstillstand (Art. 22a VwVG) findet im Verfahren vor den kantonalen Instanzen gar keine Anwendung (vgl. Art. 1 Abs. 3 VwVG) und muss daher nicht wegbedungen werden.

4398

Für eine anschliessende Beschwerde an das Bundesgericht gelten ausschliesslich die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes. Da die Beschwerde an das Bundesgericht keine aufschiebende Wirkung hat, steht insofern dem Vollzug nichts entgegen.

Dem Beschwerdeführer wiederum steht es frei, eine Beschwerde während der Gerichtsferien einzureichen.

Art. 22 Die Bestimmung ist hinfällig und kann gestrichen werden.

Art. 22b erster Satz, Art. 22e Abs. 1 Bst. e, Art. 22f erster Satz «Beschwerdedienst des EJPD» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

3. Asylgesetz vom 26. Juni 1998 Art. 6

Verfahrensgrundsätze

Für das Verfahren wird nunmehr auf das VwVG, das VGG und das BGG verwiesen.

Wie bisher bleiben abweichende Verfahrensvorschriften des Asylgesetzes vorbehalten.

Art. 12 Abs. 3 (neu) Absatz 3 sieht in Abweichung von Artikel 11b Absatz 1 Satz 2 VwVG (in der Fassung gemäss dieser Vorlage) für denjenigen, der aus dem Ausland ein Asylgesuch stellt, die Möglichkeit vor, anstelle eines Zustellungsdomizils in der Schweiz die schweizerische Vertretung im Aufenthaltsstaat als Zustelladresse zu bezeichnen.

Diese Sondervorschrift ist angebracht, um das Verfahren für den im Ausland wohnenden Asylsuchenden nicht ungebührlich zu erschweren.

Art. 16 Abs. 3 Die Bestimmung erübrigt sich, nachdem Artikel 33a VwVG die Verfahrenssprache im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht analog regelt.

Art. 42 Abs. 1 Die geltende Fassung enthält ein gesetzgeberisches Versehen, indem auf Artikel 112 Asylgesetz verwiesen wird. Dieses Versehen wird hiermit korrigiert. Nicht das Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung muss vorbehalten werden, sondern die Tatsache, dass sich der Asylsuchende bis zum Abschluss des Verfahrens in der Schweiz aufhalten kann, sofern nicht der sofortige Vollzug der Wegweisung angeordnet und einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung entzogen worden ist.

Art. 44 Abs. 5 «Rekurskommission» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

4399

Art. 101 Abs. 1 Bst. d und e In Buchstabe d wird «Rekurskommission» durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

Buchstabe e wird mit dem Wegfall der Beschwerde an den Beschwerdedienst des Departements hinfällig.

Art. 102 Abs. 1 und 2 «Rekurskommission» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

Art. 104 Die Bestimmung entfällt mit der Auflösung der Asylrekurskommission.

Art. 105

Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht

An die Stelle der Beschwerde an die Asylrekurskommission tritt die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Abs. 1). Dieses entscheidet auf dem Gebiet des Asylrechts endgültig (vgl. Art. 78 Abs. 1 Bst. c Ziff. 1 BGG).

In Absatz 2 wird die Beschwerdeberechtigung des Kantons beibehalten. Die neue Formulierung vermeidet den Begriff «Rekurskommission».

Die Absätze 3 und 4 sind hinfällig und werden gestrichen.

Art. 106 Abs. 1 Einleitungssatz, Abs. 2 und 3 (neu) Die Absätze 1 Einleitungssatz und 2 erfahren redaktionelle Anpassungen zufolge Ersatz der Beschwerde an die Asylrekurskommission durch die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Absatz 2 Satz 2 hält fest, dass der Bundesrat das Bundesverwaltungsgericht vor Erlass, Änderung oder Aufhebung von Richtlinien und Weisungen im Sinne von Satz 1 anhört (vgl. zum geltenden Recht Art. 18 VOARK, SR 142.317).

Der neue Absatz 3 stellt klar, dass die Beschwerdegründe nach Artikel 106 nicht gelten für die Anfechtung eines Zuweisungsentscheides oder eines Entscheids über die Gewährung vorübergehenden Schutzes. In diesen Fällen kann nach Artikel 27 Absatz 3 bzw. 68 Absatz 2 einzig die Verletzung des Grundsatzes der Einheit der Familie geltend gemacht werden.

Art. 108 Abs. 2, Art. 109 «Rekurskommission» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

Art. 111 Abs. 1 Aufgrund eines gesetzgeberischen Versehens ist in der geltenden Fassung die Möglichkeit, auf die Durchführung eines Schriftenwechsels zu verzichten, nur für das Transitverfahren (Art. 108 AsylG), nicht aber für das eigentliche Flughafenverfahren (Art. 23 AsylG) vorgesehen. Dieses gesetzgeberische Versehen wird hiermit korri-

4400

giert. Wie heute ist der Verzicht auf den Schriftenwechsel zudem generell bei offensichtlich unbegründeten Beschwerden möglich.

Art. 112 Abs. 1 und 2 «Rekurskommission» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

4. Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 1958 Art. 1 Abs. 1 Bst. c Das Verantwortlichkeitsgesetz gilt für die Mitglieder und Ersatzmitglieder sämtlicher eidgenössischer Gerichte, somit für das Bundesgericht (einschliesslich EVG), das Bundesstrafgericht und das Bundesverwaltungsgericht.

Art. 10 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 erster Satz Die heute zuständige eidgenössische Rekurskommission wird durch das Bundesverwaltungsgericht ersetzt. Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege (Abs. 1 Satz 2). Verfügungen über streitige Staatshaftungsansprüche unterliegen demnach neu der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die anschliessende Beschwerdemöglichkeit an das Bundesgericht bestimmt sich nach dem Bundesgerichtsgesetz (vgl. Art. 79 BGG) und muss im Spezialgesetz nicht erwähnt werden.

Absatz 2 Satz 1 wird redaktionell angepasst (Verweis auf das BGG anstelle des OG).

Er sieht für streitige Ansprüche aus der Amtstätigkeit von Personen im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben a­c wie bisher die Klage an das Bundesgericht vor (vgl. Art. 106 Abs. 1 Bst. c BGG). Neu fallen unter diesen Personenkreis auch die Mitglieder des Bundesstrafgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. die Bemerkung zu Art. 1 Abs. 1 Bst. c Verantwortlichkeitsgesetz). Direktprozesse sind auch insoweit am Platz. Der Rechtsweg nach Absatz 1 (Verfügung mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht) wäre demgegenüber namentlich für Ansprüche aus der Amtstätigkeit der Mitglieder des Bundesverwaltungsgerichts problematisch.

Art. 15 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 5 und 5bis Absatz 1 Satz 2 ändert zum einen die Zuständigkeit zur Erteilung der Ermächtigung zur Strafverfolgung für das Personal des Bundesgerichts: Neu ist die nach dessen Reglement zuständige Abteilung ­ und nicht mehr wie heute die Verwaltungskommission ­ zuständig. Die Übertragung der Zuständigkeit an eine Abteilung rechtfertigt sich durch den Umstand, dass neu gegen die Verweigerung der Ermächtigung keine Beschwerde mehr zur Verfügung steht (vgl. Abs. 5 Satz 2). Deshalb soll nicht «bloss» die Verwaltungskommission zuständig sein. Das Eidgenössische Versicherungsgericht wird nicht mehr speziell erwähnt, da es neu eine teilintegrierte Abteilung des Bundesgerichts bildet und demzufolge im Begriff «Bundesgericht»
enthalten ist.

Im weiteren bestimmt Absatz 1 Satz 2 die Zuständigkeit zur Erteilung der Ermächtigung zur Strafverfolgung für das Personal der neuen Gerichte des Bundes, also des 4401

Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesstrafgerichts. Zuständig ist eine Abteilung des jeweils anderen Gerichts.

Absatz 5 regelt die Anfechtung der Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung neu: ­

Diesbezügliche Entscheide des EJPD und der Verwaltungsdelegation der Bundesversammlung können beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (vgl. die Bemerkungen zu Art. 29 Bst. a VGG). Die geltende Beschwerdemöglichkeit an das Bundesgericht wird demnach gestrichen, dies in Beachtung des mit der vorliegenden Reform verfolgten Anliegens, dass das Bundesgericht nicht mehr als erste richterliche Instanz entscheiden soll.

Ausgeschlossen ist auch ein Weiterzug der Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts an das Bundesgericht (Art. 78 Abs. 1 Bst. d BGG), dies aus Gründen der Entlastung des Bundesgerichts und weil ein doppelter Instanzenzug unter Rechtsschutzaspekten in diesem Bereich nicht notwendig erscheint.

­

Entscheide der eidgenössischen Gerichte betreffend die Verweigerung der Ermächtigung zur Strafverfolgung sind endgültig. Heute können diesbezügliche Entscheide der Verwaltungskommissionen des EVG bzw. des Bundesgerichts beim jeweils anderen Gericht angefochten werden. Mit der Teilintegration des EVG in das Bundesgericht entfällt dieser Rechtsmittelweg. Die Endgültigkeit diesbezüglicher Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesstrafgerichts (vgl. auch Art. 78 Abs. 1 Bst. d BGG) ist unter Rechtsschutzaspekten vertretbar, weil diese Entscheide bereits von Gerichten ausgehen. Die Entlastung des Bundesgerichts (an das ein Weiterzug in Frage gekommen wäre) hat daher Vorrang.

Mit dem Wegfall der Beschwerdemöglichkeit an das Bundesgericht wird Absatz 5bis obsolet.

Art. 19 Abs. 3 Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Die heute zuständige eidgenössische Rekurskommission wird durch das Bundesverwaltungsgericht ersetzt. Die Beschwerdemöglichkeit an das Bundesgericht bestimmt sich nach dem Bundesgerichtsgesetz und muss im Spezialgesetz nicht erwähnt werden.

5. Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 Art. 47 Abs. 6 Die Bestimmung wird dem neuen Rechtsmittelsystem angepasst. An die Stelle der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht tritt die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dieses überprüft mit Ausnahme der Fälle nach Artikel 29 Buchstabe a VGG keine Entscheide des Bundesrates. Durch die gesetzliche Delegation von Verfügungskompetenzen des Bundesrates an das in der Sache zuständige Departement in Geschäften, die der Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht unterliegen, wird sicher gestellt, dass die Rechtsweggarantie greifen 4402

kann und die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht offen steht. Vgl. auch die Bemerkungen zu Artikel 28 Absatz 1 Buchstaben c und e VGG.

6. Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren Das VwVG war ursprünglich ­ neben der Regelung des erstinstanzlichen Verfahrens auf Erlass einer Verfügung ­ auf das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren zugeschnitten. Seine grundsätzliche Anwendbarkeit auf das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, also auf ein gerichtliches Beschwerdeverfahren, erfordert einige Anpassungen.

Gleichzeitig ist das VwVG auf das neue Bundesgerichtsgesetz abzustimmen, so namentlich etwa in Bezug auf die Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden oder die Beschwerdebefugnis. Das Bundesverwaltungsgericht ist grundsätzlich Vorinstanz des Bundesgerichts. Der Anschluss an das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgericht muss daher durch synchronisierte Vorschriften sicher gestellt sein.

Schliesslich erfordert die Ermöglichung des elektronischen Verkehrs einige Änderungen. Auch in diesem Punkt finden sich Parallelbestimmungen im Bundesgerichtsgesetz.

Art. 1 Abs. 2 Bst. cbis (neu) Das Bundesverwaltungsgericht wird in die Aufzählung der Behörden, die dem VwVG unterstehen, aufgenommen (vgl. aber Art. 2 Abs. 4 VwVG).

Art. 2 Abs. 4 (neu) Das VwVG findet nur soweit auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Anwendung, als das VGG nichts anderes bestimmt.

Art. 5 Abs. 2 Die Bestimmung enthält redaktionelle Anpassungen (Verweise auf die revidierten Art. 46 und 70 abgestimmt).

Art. 9 Abs. 3 Das Eidgenössische Versicherungsgericht wird nicht mehr speziell erwähnt, da es neu eine teilintegrierte Abteilung des Bundesgerichts bildet und somit im Begriff «Bundesgericht» enthalten ist.

Hingegen wird auch das Bundesverwaltungsgericht in die Aufzählung der Ausnahmen aufgenommen. Zuständigkeitskonflikte, in welche das Bundesverwaltungsgericht involviert ist, soll nicht der Bundesrat entscheiden. Das würde der Unabhängigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nicht gerecht (so mit Bezug auf die Rekurskommissionen Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, Rz. 809, vgl. auch BGE 122 II 207 E. 2). Der Bundesrat ist nicht Aufsichtsbehörde über das Bundesverwaltungsgericht.

4403

Bei Zuständigkeitskonflikten zwischen dem Bundesverwaltungsgericht und kantonalen Behörden steht die Klage an das Bundesgericht zur Verfügung. In Zuständigkeitskonflikten zwischen dem Bundesverwaltungsgericht und anderen Bundesbehörden können Entscheide betreffend die Zuständigkeit (Art. 9 Abs. 1 und 2 VwVG) mit Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden. Soweit der Ausnahmekatalog greift (Art. 78 BGG), kommt eine Beschwerde wegen Verletzung der Rechtsweggarantie in Betracht (Art. 78 Abs. 2 BGG), wenn der Zuständigkeitskonflikt zu einem Ausschluss der richterlichen Beurteilung führt.

Art. 11b (neu)

Zustellungsdomizil

Diese neue Bestimmung bringt eine Angleichung an die Regelung des Zustellungsdomizils im Bundesgerichtsgesetz (vgl. Art. 36 BGG).

Parteien, die im Verfahren einen Antrag stellen, müssen der Behörde ihren Wohnsitz oder ­ bei juristischen Personen ­ ihren Sitz bekannt geben. Die Pflicht der ausländischen Partei zur Bezeichnung eines Zustellungsdomizils in der Schweiz war bisher im Anwendungsbereich des VwVG nicht statuiert, was in Verfahren mit Parteien im Ausland zu Problemen bzw. Verfahrensverzögerungen geführt hat.

Neu können die Parteien überdies (über die Angabe ihres Wohnsitzes bzw. ihres Sitzes bzw. ihres Zustellungsdomizils in der Schweiz) eine elektronische Zustelladresse mit ihrem öffentlichen kryptographischen Schlüssel angeben. Zustellungen dürfen nur dann elektronisch erfolgen, wenn die Partei sich explizit damit einverstanden erklärt hat (vgl. Ziff. 2.6.3.2.2).

Art. 14 Abs. 1 Bst. c Die eidgenössischen Rekurs- und Schiedskommissionen werden durch das Bundesverwaltungsgericht ersetzt.

Art. 20 Abs. 2bis (neu) und 3 Absatz 2bis entspricht der geltenden Praxis. Die Bestimmung normiert die Zustellfiktion bei eingeschriebenen Sendungen (vgl. die Bemerkungen zur Parallelbestimmung von Art. 40 Abs. 2 BGG).

Absatz 3 wird um die vom Bundesrecht anerkannten Feiertage ergänzt. So ist der 1. August ein (ausschliesslich) vom Bundesrecht anerkannter Feiertag (Art. 110 Abs. 3 BV).

Bei der elektronischen Zustellung gelten für die Berechnung der Fristen die gleichen Vorschriften wie bei der Zustellung auf dem Postweg. Vgl. dazu Ziffer 2.6.3.2.1.

Art. 21 Randtitel und Abs. 3 (neu) Die Ergänzung normiert die geltende Praxis betreffend die Fristeinhaltung bei Überweisung von Kostenvorschüssen (vgl. die Bemerkungen zur Parallelbestimmung von Art. 44 Abs. 4 BGG).

4404

Art. 21a (neu) Artikel 21a VwVG bestimmt die allgemeinen Anforderungen, damit ein Dokument, welches einer Bundesbehörde elektronisch übermittelt worden ist, für diese beachtlich ist und damit dieses Dokument rechtsgültig ein solches in Papierform ersetzen kann. Diese Bestimmung findet überall dort Anwendung, wo das Bundesrecht die Schriftform verlangt (vgl. z. B. Art. 11, 28 und 67 VwVG). Vorbehalten sind allerdings Formvorschriften in anderen Bundesgesetzen, die mit einer elektronischen Übermittlung nicht vereinbar sind.

Grundlegende Voraussetzung dafür, dass Schriften im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens elektronisch eingereicht werden können, ist die Fähigkeit der Behörde, die elektronischen Mitteilungen entsprechend den Anforderungen des VwVG zu empfangen und die Akten im elektronischen Format speichern und verwalten zu können. Diese Voraussetzung kann von den Behörden, die in den Geltungsbereich des VwVG fallen, nur schrittweise erfüllt werden. Aus diesem Grund ermächtigt eine Übergangsbestimmung den Bundesrat, während zehn Jahren seit Inkrafttreten der vorliegenden Revision die Anwendbarkeit von Artikel 21a Absatz 1 VwVG einzuschränken und auf Verordnungsweg zu bestimmen, an welche Verwaltungsbehörden des Bundes elektronische Mitteilungen gemacht werden dürfen.

Das elektronische Dokument muss auch das vom Bundesrat in einer Verordnung festgelegte Format beachten. Vgl. dazu Ziffer 2.6.3.1.5 sowie die Erläuterungen zu Artikel 39 Absatz 4 BGG.

Absatz 2 verlangt zunächst, dass die Partei oder ihr Vertreter die ganze Sendung mit einer anerkannten elektronischen Signatur versieht (zum Beispiel die Beschwerdeschrift und ihre Anlagen). Dieses Erfordernis hat eine doppelte Funktion: Einerseits belegt es die Herkunft der Dokumente, und andererseits garantiert es ihre Vollständigkeit und Echtheit. Anhand des mit einem öffentlichen Schlüssel verbundenen Zertifikats kann die Behörde leicht überprüfen, wer Inhaber des zugeordneten privaten Schlüssels ist und ob diese Person identisch mit dem Absender ist. Ferner erlaubt die elektronische Unterschrift zu überprüfen, ob die übermittelten Dokumente vollständig und unverändert sind. Sie verbindet eine «Zusammenfassung» der Dokumente mit dem privaten Schlüssel. Jede Veränderung des elektronisch signierten Dokumentes verursacht einen Unterschied zwischen
der «Zusammenfassung», die in der elektronischen Signatur eingeschlossen ist, und dem der Signatur beigefügten Dokument. Dieser Unterschied wird bei einer Überprüfung der Signatur mit Hilfe des öffentlichen Schlüssels des Unterzeichnenden entdeckt.

In zahlreichen Fällen verlangt die Bundesgesetzgebung, dass ein Dokument durch die Person, die sich verpflichtet, oder durch ihren Vertreter unterzeichnet wird. Um die Möglichkeit sicherzustellen, dass solche Dokumente auf elektronischem Weg übermittelt werden können, verlangt der zweite Absatz, dass die Partei oder ihr Vertreter diese Dokumente einzeln mit der anerkannten elektronischen Signatur versieht. Diese Bestimmung stellt die digitale Signatur stillschweigend der handschriftlichen Unterschrift gleich, wenn sie einer natürlichen Person zugeordnet ist, die befugt ist, für die Partei oder ihren Vertreter zu unterschreiben. Wenn beispielsweise eine juristische Person dem Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerdeschrift zustellt, muss dieses Dokument mit einer privaten elektronischen Signatur versehen sein, deren Zertifikat eine natürliche Person bezeichnet, die für die juristische Person unterschriftsberechtigt ist. Eine elektronische Signatur, deren Zertifikat nur den Na4405

men der juristischen Person angibt, genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht.

Zur Zeit kann vom schweizerischen Recht nur eine digitale Signatur anerkannt werden, die mit einem kryptografischen Schlüssel erstellt worden ist, der von einer Zertifizierungsstelle in Übereinstimmung mit der diesbezüglichen Verordnung des Bundesrates (ZertDV; SR 784.103) bescheinigt worden ist.

Das Fehlen oder Mängel der elektronischen Signatur führen nicht dazu, dass die Behörde nicht auf die Sache eintreten kann. Nach der Regel von Artikel 52 Absatz 2 VwVG hat die Behörde dem Absender eine kurze Nachfrist zur Verbesserung des Mangels einzuräumen.

Wenn die Behörde oder eine andere Partei an der Echtheit einer elektronischen Ausfertigung einer Urkunde zweifelt (z. B. eines handschriftlichen, der Mehrwertsteuer unterstellten Kaufvertrages), kann die Behörde gestützt auf Artikel 52 Absatz 1 BZP in Verbindung mit Artikel 19 VwVG die Vorlage des Originals verlangen.

Betreffend die Fristwahrung (Abs. 3) vgl. die Bemerkungen zur Parallelbestimmung von Artikel 44 Absatz 2 BGG.

Art. 22a Abs. 1 Bst. c und Abs. 2 (neu) Die Dauer des Fristenstillstandes wird der entsprechenden Regelung des Bundesgerichtsgesetzes angepasst (bisher 1. Januar, neu 2. Januar).

Der neue Absatz 2 trägt dem Umstand Rechnung, dass Verfahren betreffend aufschiebende Wirkung und andere vorsorgliche Massnahmen keinen Aufschub ertragen. Der Fristenstillstand findet daher in diesen Verfahren keine Anwendung.

Art. 24 Abs. 1 Die Frist für Gesuche um Wiederherstellung einer versäumten Frist wird von heute zehn Tagen auf 30 Tage verlängert. Das VwVG wird damit der entsprechenden Bestimmung des Bundesgerichtsgesetzes angepasst (vgl. Art. 46 BGG).

Art. 26 Abs. 1bis (neu) Die Modalitäten der Akteneinsicht werden ergänzt durch die Möglichkeit der Behörde, die Aktenstücke auf dem elektronischen Weg zur Einsicht zuzustellen. Die Partei oder ihr Vertreter muss damit einverstanden sein. Umgekehrt kann die Partei oder ihr Vertreter nicht verlangen, auf diesem Weg Einsicht nehmen zu können.

Statuiert wird lediglich eine Befugnis der Behörde, kein Recht der Partei. Vgl. dazu Ziffer 2.6.3.2.5.

Art. 33a (neu)

Verfahrenssprache

Das VwVG ist heute in Bezug auf die Verfahrenssprache lückenhaft. Es regelt in Artikel 37 lediglich die Sprache der Verfügung (bzw. des Entscheids). Zu regeln ist aber auch, in welcher Sprache der Schriftenwechsel und eine allfällige Parteiverhandlung durchzuführen ist. Deshalb wird eine neue Bestimmung über die Verfahrenssprache eingefügt, die alle Aspekte abdeckt.

Das Verfahren wird in einer Amtssprache des Bundes geführt (Abs. 1). Im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache gilt auch das Rätoromanische als Amtsspra4406

che des Bundes (Art. 70 Abs. 1 BV). Im erstinstanzlichen Verfügungs- oder Klageverfahren ist es in der Regel diejenige Amtssprache, in der die Parteien ihre Begehren gestellt haben oder ­ bei nicht mitwirkungsbedürftigen Verfügungen ­ stellen würden. Im Beschwerdeverfahren ist die Sprache des angefochtenen Entscheids massgebend. Davon kann abgewichen werden, wenn die Parteien eine andere Amtssprache verwenden (Abs. 2).

Absatz 3 regelt die Frage, inwieweit Urkunden in fremder Sprache übersetzt werden müssen. Grundsätzlich sind Urkunden in einer Amtssprache (nicht unbedingt in der Verfahrenssprache) einzureichen. Wenn jedoch die anderen Parteien einverstanden sind, kann die Behörde darauf verzichten, eine Übersetzung anzuordnen. Diese Möglichkeit dürfte primär für Urkunden in Englisch aktuell werden.

Nach Absatz 4 ordnet die Behörde eine Übersetzung an, wo dies nötig ist. Die Bestimmung anvisiert nicht nur Schriftstücke, sondern auch mündliche Äusserungen im Rahmen einer allfälligen Parteiverhandlung. Ob eine Übersetzung erforderlich ist, entscheidet die Behörde.

Art. 34 Abs. 1bis (neu) Neu hat die Behörde die Möglichkeit, Verfügungen auf dem elektronischen Weg zu eröffnen, das Einverständnis der Partei vorausgesetzt (vgl. Art. 11b Abs. 2 VwVG).

Verfügungen müssen mit einer anerkannten elektronischen Signatur versehen sein.

Die Anforderungen an die elektronische Eröffnung regelt der Bundesrat in einer Verordnung. Er bestimmt namentlich die Modalitäten der Übermittlung (elektronische Postfächer, eingeschriebene elektronische Sendungen etc.) und das Format, welches zu benützen ist (z. B. PDF), damit der Empfänger die Verfügung lesen kann. Vgl. dazu Ziffer 2.6.3.2.

Art. 36 Bst. b Die Eröffnung durch Veröffentlichung in einem amtlichen Blatt kann neu auch erfolgen, wenn die Partei ihrer Pflicht zur Bezeichnung eines Zustellungsdomizils in der Schweiz gemäss Artikel 11b Absatz 1 nicht nachgekommen ist.

Art. 37 Die Bestimmung erübrigt sich mit dem neuen Artikel 33a über die Verfahrenssprache.

Art. 45

Zwischenverfügungen über die Zuständigkeit und den Ausstand

Die Anfechtbarkeit von Zwischenverfügungen wird neu geregelt, in Abstimmung mit der diesbezüglichen Regelung des Bundesgerichtsgesetzes (vgl. Art. 87 und 88 BGG).

Selbständig eröffnete Zwischenverfügungen über die Zuständigkeit und über den Ausstand können ­ ohne zusätzliche Voraussetzungen ­ selbständig angefochten werden. Wird von dieser Anfechtungsmöglichkeit kein Gebrauch gemacht, sind diese Prozesspunkte erledigt. Eine spätere Anfechtung im Rahmen einer Beschwerde gegen die Endverfügung ist nicht mehr möglich.

4407

Art. 46

Andere Zwischenverfügungen

Andere (als die in Art. 45 genannten) selbständig eröffneten Zwischenverfügungen können nur unter folgenden alternativen Voraussetzungen angefochten werden: ­

Sie müssen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können.

Dieses Erfordernis wird vom geltenden Recht übernommen (vgl. Art. 45 Abs. 1 VwVG).

­

Durch die Gutheissung der Beschwerde könnte sofort ein Endentscheid herbeigeführt und damit ein bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden. Für diese alternative Voraussetzung sprechen Gründe der Prozessökonomie.

Anders als die Zwischenverfügungen nach Artikel 45 VwVG können die Zwischenverfügungen nach Artikel 46 VwVG im Rahmen einer Beschwerde gegen die Endverfügung (mit)angefochten werden, soweit sie sich auf den Inhalt der Endverfügung auswirken. Diese Möglichkeit ist vor allem dort relevant, wo die Voraussetzungen für eine selbständige Anfechtung nicht erfüllt sind. Sie besteht aber auch, wenn an sich eine selbständige Anfechtung zulässig gewesen wäre, die Anfechtung aber unterblieb.

Aufgrund der Einheit des Prozesses ist (auch ohne ausdrückliche Norm) selbstverständlich, dass die Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung ausgeschlossen ist, wenn die Beschwerde gegen die Endverfügung unzulässig ist. Dies gilt auch in denjenigen Bereichen, in denen die Verfahrensleitung (inkl. Zuständigkeit für Zwischenverfügungen) bei einer von der Entscheidinstanz verschiedenen Behörde liegt, wie dies beispielsweise im Verfahren der Beschwerde an den Bundesrat (vgl. Art. 75 VwVG) oder im Verfahren betreffend Erteilung von Konzessionen nach dem Spielbankengesetz (vgl. Art. 15 Spielbankengesetz, SR 935.52) zutrifft.

Art. 46a

Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung

Für die Rechtsverweigerung und die Rechtsverzögerung sieht das VwVG heute eine besondere Beschwerde an die Aufsichtsbehörde vor (Art. 70 VwVG). Neu wird ­ in Kongruenz mit der Regelung des Bundesgerichtsgesetzes ­ das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern einer anfechtbaren Verfügung der gleichen Beschwerdemöglichkeit unterstellt wie die verweigerte bzw. verzögerte Verfügung selbst. Die Beschwerde wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung richtet sich demnach an die Beschwerdeinstanz (und nicht an die Aufsichtsbehörde).

Mit dem Ausdruck «anfechtbare Verfügung» wird klargestellt, dass eine Rechtsverweigerungs- oder Rechtsverzögerungsbeschwerde entfällt, wenn die verweigerte oder verzögerte Verfügung selbst nicht anfechtbar wäre.

Art. 47 Abs. 1 Bst. b und c und Abs. 3 Die Bezeichnung der Beschwerdeinstanzen wird dem neuen Rechtsmittelsystem angepasst (Abs. 1): Der Bundesrat bleibt Beschwerdeinstanz nach den Artikeln 72 ff.

VwVG (Bst. a, der unverändert bleibt). Reguläre Beschwerdeinstanz ist neu das Bundesverwaltungsgericht (Bst. b). Seine Zuständigkeit entfällt, wenn ein Bundesgesetz ausnahmsweise andere Instanzen als Beschwerdeinstanzen bezeichnet, wie namentlich die UBI (Bst. c).

4408

Absatz 3 wird aufgehoben, weil nach dem neuen Rechtsmittelsystem praktisch keine Fälle mehr bestehen, in denen ein Sprungrekurs an das Bundesgericht im Sinne des geltenden Absatzes 3 in Betracht kommt. Dem Bundesgericht sind fast ausschliesslich richterliche Instanzen vorgeschaltet. Diese erteilen ihrer Vorinstanz keine Weisungen. Einzig im Bereich der eidgenössischen Stimmrechtssachen sind dem Bundesgericht nichtrichterliche Vorinstanzen vorgelagert (vgl. Art. 82 Abs. 1 Bst. b BGG). In diesem Bereich ist es aber kaum denkbar, dass die Entscheidkompetenz zunächst an eine untere Verwaltungsinstanz delegiert wird mit Weiterzugsmöglichkeit an die Vorinstanz des Bundesgerichts.

Art. 47a Die Bestimmung ist mit dem Wegfall der Verwaltungsbeschwerde an die Departemente obsolet und daher aufzuheben.

Art. 48 Absatz 1 umschreibt die allgemeine Beschwerdebefugnis übereinstimmend mit der Regelung für die Beschwerde an das Bundesgericht (vgl. die Bemerkungen zu Art. 83 Abs. 1 BGG).

Die besondere Beschwerdebefugnis nach Absatz 2 muss durch ein Bundesgesetz (eine Verordnung genügt nicht) eingeräumt werden.

Art. 50 Bisher galt für die Anfechtung von Zwischenverfügungen eine Beschwerdefrist von nur zehn Tagen. Absatz 1 setzt ­ im Interesse einer Vereinfachung des Verfahrens ­ neu eine einheitliche Beschwerdefrist von 30 Tagen fest, die für die Anfechtung von Zwischenverfügungen und Endverfügungen gleichermassen gilt. Eine entsprechende Regelung enthält das Bundesgerichtsgesetz (Art. 94 Abs. 1 BGG).

Für die Beschwerde gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern einer anfechtbaren Verfügung kann von der Sache her keine bestimmte Frist gelten. Sie ist gemäss Absatz 2 jederzeit möglich. Jedoch können Treu und Glauben eine Beschwerdeführung innerhalb der Beschwerdefrist nahelegen, wenn die Behörde sich explizit weigert zu verfügen (René Rhinow/Heinrich Koller/Christina Kiss, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel/Frankfurt a.M.

1996, Rz. 1416).

Art. 51 Nach geltendem Recht muss die Beschwerdeschrift in mehreren Ausfertigungen eingereicht werden, nämlich je eine für die Behörde und jede Gegenpartei. Diese Bestimmung hat keine Bedeutung mehr für die Schriftstücke, die auf elektronischem Weg übermittelt werden. Die Beschwerdeinstanz hat hier die nötigen Kopien der elektronisch
übermittelten Beschwerdeschrift zu erstellen oder die Schrift auf elektronischem Weg weiterzuleiten. Das Erfordernis, mehrere Ausfertigungen der Beschwerdeschrift einzureichen, verliert auch grösstenteils seine Bedeutung für die mit der Post übermittelten Beschwerden. Mit der Entwicklung des elektronischen Verkehrs muss die Behörde ein elektronisches System der Aktenverwaltung einführen.

4409

Damit ein solches System vollständig ist, muss es die auf Papier eintreffenden Dokumente elektronisch erfassen und registrieren. Wenn die anderen Verfahrensparteien damit einverstanden sind, dass ihnen die Verfahrensakten auf elektronischem Weg zugestellt werden, ist es logisch, dass die Behörde ihnen die elektronische Fassung und nicht die schriftliche Ausfertigung der Schriftstücke übermittelt. Würde man an der Anforderung festhalten, dass ebenso viele Ausfertigungen in Papierform einzureichen sind, wie Parteien am Verfahren beteiligt sind, so erhielte die Beschwerdeinstanz oft zu viele und folglich nutzlose Exemplare. Es ist deshalb angezeigt, auf diese Anforderung nach mehreren Ausfertigungen der Schriften allgemein zu verzichten.

Art. 55 Abs. 2 und 3 Die Zuständigkeit für Anordnungen betreffend die aufschiebende Wirkung wird auf den Instruktionsrichter erstreckt. Am Bundesverwaltungsgericht leitet der Instruktionsrichter das Verfahren (Art. 35 VGG). Er soll daher auch Entscheide betreffend die aufschiebende Wirkung treffen können, zumal diese im allgemeinen rasch erfolgen müssen.

Art. 56

Andere Massnahmen

Die geltende Norm überträgt die Zuständigkeit zur Anordnung vorsorglicher Massnahmen der Beschwerdeinstanz. Diese Zuständigkeitsregelung ist schwerfällig, wenn die Beschwerdeinstanz eine Kollegialbehörde ist. Um ein rasches Entscheiden zu gewährleisten, wird die Zuständigkeit auf den Vorsitzenden und den Instruktionsrichter erstreckt.

Der geltende Wortlaut, der lediglich sichernde vorsorgliche Massnahmen erfasst, ist zu eng formuliert. Zulässig müssen auch gestaltende vorsorgliche Massnahmen sein, gleich wie in einem allfällig nachfolgenden Verfahren vor dem Bundesgericht.

Art. 57 Abs. 1 Die geltende Norm sieht den Verzicht auf einen Schriftenwechsel nur bei offensichtlich unzulässigen Beschwerden vor. Der Verzicht auf einen Schriftenwechsel rechtfertigt sich aber ebenso bei offensichtlich unbegründeten Beschwerden. Dies wird daher neu im Gesetz vorgesehen.

Art. 60

Verfahrensdisziplin

Die geltende Vorschrift über die Verfahrensdisziplin bedarf der Ergänzung um die Tatbestände der böswilligen oder mutwilligen Prozessführung (Abs. 2) und der Renitenz im Sitzungssaal (Abs. 3). Das VwVG lehnt sich an die entsprechende Bestimmung im Bundesgerichtsgesetz an (vgl. Art. 30 Abs. 2 und 3 BGG), statuiert aber tiefere Bussenansätze.

Art. 63 Abs. 4, 4bis (neu) und 5 Entsprechend der hier vorgeschlagenen Änderung von Artikel 65 VwVG (vgl. die Bemerkungen dort) wird die Zuständigkeit zur Erhebung eines Kostenvorschusses

4410

neben der Beschwerdeinstanz auf deren Vorsitzenden und den Instruktionsrichter erstreckt (Abs. 4) Das geltende VwVG delegiert die Bemessung der Gebühren vollumfänglich an den Bundesrat (Art. 63 Abs. 5 VwVG). Neu wird ­ gleich wie für das Verfahren vor dem Bundesgericht (vgl. Art. 61 BGG) ­ im Gesetz ein Gebührenrahmen festgelegt (Abs. 4bis). Er beträgt in Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse 100­5000 Franken und entspricht damit den geltenden Ansätzen (vgl. Art. 2 der Verordnung vom 10. September 1969 über Kosten und Entschädigungen im Verwaltungsverfahren, SR 172.041.0). Die Höchstgrenze für Streitigkeiten mit Vermögensinteresse wird auf 50'000 Franken festgelegt. Neu umschreibt das Gesetz auch die Kriterien, nach denen die Spruchgebühr innerhalb dieses Rahmens festzulegen ist (Umfang und Schwierigkeit der Streitsache, Art der Prozessführung, finanzielle Lage der Parteien).

Die weiteren Einzelheiten regelt der Bundesrat in einer Verordnung (Abs. 5). Die Bemessung der Gebühren im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht konkretisiert hingegen das Gericht selber (vgl. Art. 14 Abs. 1 Bst. b VGG). Dabei hat es sich, wie der Bundesrat, an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Diese Kompetenzzuweisung entspricht der grundsätzlichen Verwaltungsautonomie des Bundesverwaltungsgerichts.

Art. 64 Abs. 5 Das Bundesverwaltungsgericht regelt aufgrund seiner Autonomie die Bemessung der Entschädigungen in seinem Zuständigkeitsbereich selber. Absatz 5 wird daher durch einen entsprechenden Vorbehalt ergänzt.

Art. 65 Abs. 1, 2 und 5 Die Absätze 1 und 2 werden in dreierlei Hinsicht geändert: ­

Zum einen wird der Tatsache Rechnung getragen, dass ­ bei gegebenen Voraussetzungen ­ ein (grundrechtlicher) Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege besteht (Art. 29 Abs. 3 BV). Demnach entfällt die jetzige Formulierung als «Kann-Vorschrift».

­

Die zweite Änderung betrifft die Zuständigkeit. Die geltende Norm überträgt die Zuständigkeit zur Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung (Erlass der ordentlichen Kosten) der Beschwerdeinstanz oder ihrem Vorsitzenden (Abs. 1), die Zuständigkeit zur Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung (Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes) der Beschwerdeinstanz (Abs. 2). Neu gilt für beide Aspekte der unentgeltlichen Rechtspflege, die meistens zusammen entschieden werden, eine einheitliche Zuständigkeit, die neben der Beschwerdeinstanz auch den Vorsitzenden und den Instruktionsrichter umfasst.

­

Drittens werden die Voraussetzungen für die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege in Übereinstimmung mit der Terminologie der neuen Bundesverfassung (Art. 29 Abs. 3 Satz 2 BV) formuliert.

4411

Absatz 5 wird ergänzt mit einem Vorbehalt zugunsten des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses regelt die Bemessung von Honorar und Kosten in seinem Zuständigkeitsbereich selber.

Art. 67 Abs. 1 Mit der Aufhebung von Artikel 51 VwVG entfällt auch der Verweis auf diese Bestimmung in Artikel 67.

Art. 70 Die Vorschrift über die Rechtsverweigerungs- und Rechtsverzögerungsbeschwerde an die Aufsichtsbehörde entfällt, nachdem das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern einer anfechtbaren Verfügung der ordentlichen Beschwerde an die Beschwerdeinstanz unterstellt wird (vgl. Art. 46a VwVG).

Art. 71a­71d Mit der Aufhebung der eidgenössischen Rekurs- und Schiedskommissionen entfallen die diesbezüglichen Bestimmungen.

Art. 74 Bst. a, c und e Buchstabe a bringt die Subsidiarität der Beschwerde an den Bundesrat gegenüber der Beschwerde an das Bundesgericht und gegenüber der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zum Ausdruck. Der Wortlaut wird zum einen an das neue Rechtsmittelsystem vor Bundesgericht angepasst (statt «Verwaltungsgerichtsbeschwerde» «Beschwerde»). Zudem wird das Eidgenössische Versicherungsgericht nicht mehr speziell erwähnt, da es neu eine teilintegrierte Abteilung des Bundesgerichts bildet und somit im Begriff «Bundesgericht» enthalten ist.

Zum andern wird die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich erwähnt. Der Vorrang der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vor der Beschwerde an den Bundesrat liesse sich auch unter Buchstabe b (der unverändert bleibt) subsumieren, weil das Bundesverwaltungsgericht (wie heute die eidgenössischen Rekurskommissionen) unter den Begriff «Bundesbehörde» im Sinne von Buchstabe b fällt. Aus Gründen der Klarheit wird das Bundesverwaltungsgericht aber ­ wie das Bundesgericht (das auch eine «Bundesbehörde» ist) ­ im Rahmen von Buchstabe a separat erfasst, der nunmehr die Subsidiarität der Beschwerde an den Bundesrat gegenüber Beschwerden an verwaltungsgerichtliche Behörden des Bundes (Bundesgericht, Bundesverwaltungsgericht) umfassend regelt.

Die Änderung von Buchstabe c trägt dem Umstand Rechnung, dass die eidgenössischen Rekurs- und Schiedskommissionen durch das Bundesverwaltungsgericht abgelöst werden. Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts können nicht an den Bundesrat weitergezogen werden. Er überprüft keine Gerichtsurteile. Dies ergibt
sich auch bereits aus Artikel 72 VwVG, der die Vorinstanzen des Bundesrates aufzählt und dabei das Bundesverwaltungsgericht nicht erwähnt (das Bundesverwaltungsgericht ist namentlich nicht durch Art. 72 Bst. b VwVG erfasst, weil es nicht unter der Aufsicht des Bundesrates steht). Buchstabe c dient somit primär der Klarstellung.

4412

Der Ausschluss der Beschwerde an den Bundesrat nach dem geltenden Buchstaben e kollidiert mit Artikel 177 Absatz 3 BV, der die Delegation von Geschäften an untere Verwaltungseinheiten nur unter der Bedingung zulässt, dass der Rechtsschutz sicher gestellt ist. Aufgrund der Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) muss der Rechtsschutz prinzipiell durch richterliche Behörden erfolgen. Soweit davon ausnahmsweise abgewichen werden darf (Art. 29a Satz 2 BV), muss im Anwendungsbereich von Artikel 177 Absatz 3 BV zur Sicherstellung des Rechtsschutzes die Beschwerde an den Bundesrat möglich sein. Allerdings ist vom Wortlaut von Artikel 177 Absatz 3 her auch denkbar, dass eine Beschwerde an ein Departement zur Sicherstellung des Rechtsschutzes genügen könnte. Trotzdem wird Buchstabe e gestrichen, zumal es ­ soweit ersichtlich ­ ohnehin keine aktuellen Fälle zu dieser Bestimmung mehr gibt.

Schlussbestimmung zur Änderung vom ...

Die neue Möglichkeit des elektronischen Verkehrs mit den Behörden setzt voraus, dass die Behörden über die erforderlichen Einrichtungen und technischen Vorgaben verfügen. Das ist heute noch nicht durchwegs der Fall. Der Bundesrat kann daher für eine Übergangsfrist von zehn Jahren diese Möglichkeit auf Verfahren vor bestimmten Behörden beschränken.

7. Bundesgesetz vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen Art. 22, 27, 28 Abs. 2, 32, und 33 «Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen (Rekurskommission)» bzw. «Rekurskommission» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

Art. 35 Abs. 2 Zum einen wird «Rekurskommission» durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

Zum anderen wird für Entscheide über Schadenersatzbegehren neu die Weiterzugsmöglichkeit an das Bundesgericht eingeräumt. Bisher entschied die Rekurskommission auch darüber endgültig. Der Grund für diese Neuerung ist die Gleichschaltung mit der Regelung betreffend öffentliche Beschaffungen durch die Kantone, bei denen wenigstens für Schadenersatzbegehren eine Kontrolle durch das Bundesgericht angezeigt ist (vgl. Art. 78 Abs. 1 Bst. e BGG). Zudem findet der Schadenersatzprozess erst statt, wenn der Vertrag schon abgeschlossen ist. Das Argument des Zeitgewinns, das bei den übrigen Beschwerden im Beschaffungswesen zur Verkürzung des Instanzenzuges führte, gilt hier also nicht.

4413

8. Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000 Art. 2 Abs. 1 Bst. f Die im bestehenden Buchstaben f erwähnten eidgenössischen Schieds- und Rekurskommissionen fallen weg. Dafür findet das Bundespersonalgesetz Anwendung auf das Personal des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesstrafgerichts. Personalrechtliche Bestimmungen des Verwaltungsgerichts- und des Strafgerichtsgesetzes gehen vor.

Art. 3 Abs. 2 und 3 (neu) In Absatz 2 werden die eidgenössischen Schieds- und Rekurskommissionen gestrichen.

Absatz 3 erklärt das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesstrafgericht zu Arbeitgebern, soweit ihnen die einschlägigen Gesetze oder der Bundesrat die entsprechenden Befugnisse übertragen.

Art. 9 Abs. 3 Absatz 3 behält für die Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesstrafgerichts die Wahl auf Amtsdauer vor. Der Hinweis auf die Mitglieder der eidgenössischen Schieds- und Rekurskommissionen entfällt.

Art. 36

Richterliche Beschwerdeinstanzen

In Absatz 1 wird «eidgenössische Personalrekurskommission» durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

Nach dem bestehenden Absatz 2 können Verfügungen betreffend ein Arbeitsverhältnis beim Bundesgericht bzw. beim EVG beim jeweils anderen Gericht angefochten werden. Mit der Teilintegration des EVG in das Bundesgericht entfällt dieser Rechtsmittelweg. An seine Stelle tritt künftig die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Art. 29 Bst. b VGG). Mit dieser Lösung wird erreicht, dass auch die Beschäftigten des Bundesgerichts wie alle anderen Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, in personalrechtlichen Angelegenheiten an eine aussenstehende Gerichtsinstanz zu gelangen. Dies haben das EVG und die Bundesgerichtsschreiber ­ mit Recht ­ in ihrer Stellungnahme verlangt. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet endgültig (Art. 78 Abs. 1 Bst. f Ziff. 2 BGG).

Absatz 2 regelt ferner die Anfechtung von Verfügungen, die ein Arbeitsverhältnis beim Bundesstrafgericht betreffen: Beschwerdeinstanz ist das Bundesverwaltungsgericht.

Absatz 3 regelt die Anfechtung von Verfügungen, die ein Arbeitsverhältnis beim Bundesverwaltungsgericht betreffen: Beschwerdeinstanz ist das Bundesstrafgericht.

Der Inhalt des bestehenden Absatzes 3 (Ausschluss der Beschwerdemöglichkeit an die Personalrekurskommission für Streitigkeiten über leistungsabhängige Lohnanteile) wird fallengelassen, da er dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf gerichtliche Beurteilung von Rechtsstreitigkeiten widerspricht (Rechtsweggarantie, Art. 29a BV-Justizreform). Die Voraussetzungen für eine gesetzliche Ausnahme von der 4414

Rechtsweggarantie (vgl. dazu Botschaft vom 20.11.1996 über eine neue Bundesverfassung, BBl 1997 I 524) sind nicht erfüllt. Streitigkeiten über leistungsabhängige Lohnanteile werfen nicht vorwiegend politische, nicht justiziable Fragen auf. Ebensowenig steht die Tatsache, dass die Leistungsbeurteilung über weite Strecken Ermessenssache ist, einer richterlichen Beurteilung entgegen. Die rechtlichen Grenzen der Ermessensausübung sind richterlich überprüfbar. Die getroffene Lösung erfüllt gleichzeitig das mit dieser Reform angestrebte Anliegen, den Bundesrat weitgehend von seinen Rechtsprechungsaufgaben zu entlasten (vgl. Ziff. 2.3.2). Denn der heutige Ausschluss der Beschwerde an die Personalrekurskommission bewirkt, dass gegebenenfalls die Beschwerde an den Bundesrat in Betracht kommt (Art. 72 ff.

VwVG). Diese Spaltung des Rechtsmittelweges erscheint im übrigen problematisch, soweit Streitigkeiten über leistungsabhängige Lohnanteile Zusammenhänge mit anderen personalrechtlichen Streitigkeiten (z. B. Beförderung) aufweisen.

Art. 38 Abs. 4 Bst. a zweiter Satz «Eidgenössische Personalrekurskommission» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

9. PKB-Gesetz vom 23. Juni 2000 Die im bestehenden Buchstaben e erwähnten eidgenössischen Schieds- und Rekurskommissionen fallen weg. Dafür findet das PKB-Gesetz Anwendung auf das Personal des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesstrafgerichts.

Im Buchstaben f wird nur noch das Bundesgericht erwähnt. Das EVG bildet neu eine teilintegrierte Abteilung des Bundesgerichts und ist somit im Begriff «Bundesgericht» enthalten.

10. Bundesgesetz vom 16. Dezember 1983 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland Art. 21

Beschwerde an Bundesbehörden

Der Rechtsschutz auf Bundesebene folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Als Besonderheit bleibt die Beschwerdebefugnis derjenigen Parteien und Behörden, die zur Beschwerde an die kantonale Beschwerdeinstanz berechtigt sind.

Art. 22 Abs. 2 Der Terminus «das Bundesgericht» wird ersetzt durch «eidgenössische Gerichte», um auch das Bundesverwaltungsgericht einzuschliessen.

4415

11. Bundesgesetz vom 4. Oktober 1985 über die landwirtschaftliche Pacht Art. 51 Das Bundesverwaltungsgericht wird institutionalisiert zur Beurteilung von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten aus dem Zuständigkeitsbereich der Bundesverwaltung.

Entscheide kantonaler Instanzen sind nur ausnahmsweise beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbar, da es primär die Aufgabe des Bundesgerichts ist, für die einheitliche Anwendung von Bundesrecht durch die Kantone zu sorgen (vgl. die Ausführungen zum Modellinstanzenzug in Ziff. 2.5.2). Die Umsetzung dieser Grundsatzentscheidung zum Instanzenzug führt dazu, die heute bestehende Möglichkeit, letztinstanzliche kantonale Beschwerdeentscheide an die Rekurskommission EVD zu ziehen, aufzuheben. Statt dessen greift die Beschwerde an das Bundesgericht. Im Bereich der landwirtschaftlichen Pacht besteht kein Grund, vom neuen Modellinstanzenzug abzuweichen.

12. Urheberrechtsgesetz vom 9. Oktober 1992 3. Kapitel (Art. 74) Die Rekurskommission für geistiges Eigentum geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Die Notwendigkeit einer besonderen Bestimmung über den Rechtsschutz entfällt. Die Anfechtung von Verfügungen der Aufsichtsbehörde folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

13. Topographiengesetz vom 9. Oktober 1992 Art. 17 Die Rekurskommission für geistiges Eigentum geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Die Notwendigkeit einer besonderen Bestimmung über den Rechtsschutz entfällt. Die Anfechtung von Registrierungsverfügungen des Bundesamtes folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

14. Markenschutzgesetz vom 28. August 1992 4. Abschnitt (Art. 36) Die Rekurskommission für geistiges Eigentum geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Die Notwendigkeit einer besonderen Bestimmung über den Rechtsschutz entfällt. Die Anfechtung von Verfügungen folgt auch im hier betroffenen Bereich den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Die endgültige Entscheidkompetenz des Bundesverwaltungsgerichts (früher der Rekurskommission für geistiges Eigentum) im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bleibt bestehen (vgl.

Art. 69 BGG).

4416

Art. 41 Abs. 1 erster Satz Die Änderung erfolgt auf Anregung des Instituts für geistiges Eigentum. Für das Gesuch um Weiterbehandlung wird künftig auf das Erfordernis der Schriftlichkeit verzichtet. Dies ist im Interesse einer Erleichterung für die Rechtssuchenden angezeigt.

Ein Gesuch um Weiterbehandlung kann somit auch auf elektronischem Weg oder sogar konkludent (z. B. durch Bezahlung der Weiterbehandlungsgebühr) gestellt werden. Erforderlich bleibt, dass der Wille des Gesuchstellers klar erkennbar ist.

15. Bundesgesetz vom 30. März 1900 betreffend die gewerblichen Muster und Modelle Art. 17bis Die Rekurskommission für geistiges Eigentum geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Die Notwendigkeit einer besonderen Bestimmung über den Rechtsschutz entfällt. Die Anfechtung von Verfügungen des Instituts in Muster- und Modellsachen folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

16. Patentgesetz vom 25. Juni 1954 Art. 46a Abs. 1 Die Änderung erfolgt auf Anregung des Instituts für geistiges Eigentum. Für das Gesuch um Weiterbehandlung wird künftig auf das Erfordernis der Schriftlichkeit verzichtet. Dies ist im Interesse einer Erleichterung für die Rechtssuchenden angezeigt.

Ein Gesuch um Weiterbehandlung kann somit auch auf elektronischem Weg oder sogar konkludent (z. B. durch Bezahlung der Weiterbehandlungsgebühr) gestellt werden. Erforderlich bleibt, dass der Wille des Gesuchstellers klar erkennbar ist.

Art. 59c Die Rekurskommission für geistiges Eigentum geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Die Notwendigkeit einer besonderen Bestimmung über den Rechtsschutz entfällt. Die Anfechtung von Verfügungen des Eidgenössischen Instituts für geistiges Eigentum in Patentsachen folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

Art. 76 Abs. 2 Die Bestimmung wird als überflüssig gestrichen. Die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert ergibt sich bereits aus Artikel 70 Absatz 2 Buchstabe b BGG.

Art. 87 Abs. 5, 106, 106a Abs. 1 Einleitungssatz An die Stelle der Rekurskommission für geistiges Eigentum tritt das Bundesverwaltungsgericht.

4417

Art. 141 Abs. 2 Die in dieser Bestimmung enthaltene Verordnungskompetenz des Bundesrates entfällt betreffend die «Beschwerdekammern». Die nunmehr gegebene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem Verwaltungsgerichtsgesetz.

17. Sortenschutzgesetz vom 20. März 1975 Art. 25 Die Rekurskommission für geistiges Eigentum geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Die Notwendigkeit einer besonderen Bestimmung über den Rechtsschutz entfällt. Demnach wird Absatz 1 gestrichen.

Nicht aufrecht erhalten wird der Ausschluss der Beschwerde an das Bundesgericht betreffend Verfügungen über die Schutzfähigkeit von Pflanzensorten (Streichung von Abs. 2). Eine endgültige Entscheidkompetenz des Bundesverwaltungsgerichts in diesem Bereich erscheint nicht gerechtfertigt (vgl. die Bemerkungen zu Art. 69 BGG).

18. Bundesgesetz vom 5. Juni 1931 zum Schutz öffentlicher Wappen und anderer öffentlicher Zeichen Art. 20 Abs. 3 Die Bestimmung wird gestrichen, weil die Verwaltungsbeschwerde an das EJPD wegfällt. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

19. Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz Art. 25 Abs. 5 Die Eidgenössische Datenschutzkommission geht im Bundesverwaltungsgericht auf.

Die Notwendigkeit einer besonderen Bestimmung über den Rechtsschutz entfällt.

Die Anfechtung von Verfügungen des Bundesorgans folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

Art. 29 Abs. 4 «Eidgenössische Datenschutzkommission» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

Art. 30 Abs. 2 dritter Satz Die (endgültige) Zuständigkeit zum Entscheid über die Veröffentlichung von Personendaten, die dem Amtsgeheimnis unterstehen, kann mit dem Wegfall der Eidgenössischen Datenschutzkommission nicht bei deren Präsidenten bleiben. Neu wird 4418

für diesen Entscheid die Zuständigkeit des Präsidenten der auf dem Gebiet des Datenschutzes zuständigen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts vorgesehen. Wie heute ist sein Entscheid endgültig.

Art. 32 Abs. 3 «Eidgenössische Datenschutzkommission» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

Überschrift vor Art. 33, Art. 33 Die Eidgenössische Datenschutzkommission geht im Bundesverwaltungsgericht auf.

Daraus ergeben sich die Änderungen der Überschrift vor Artikel 33 und von Artikel 33.

20. Kartellgesetz vom 6. Oktober 1995 Art. 31 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2, Art. 36 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 «Rekurskommission für Wettbewerbsfragen» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

Art. 44, 53 Sachüberschrift und Abs. 2 Die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Die Notwendigkeit besonderer Bestimmungen über den Rechtsschutz entfällt.

Die Anfechtung von Verfügungen der Wettbewerbskommission oder ihres Sekretariats folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

21. Rechtshilfegesetz vom 20. März 1981 Die Ausführung eines ausländischen Rechtshilfeersuchens nach dem dritten Teil des IRSG (akzessorische Rechtshilfe) fällt grundsätzlich in die Kompetenz der Kantone.

Sie bewilligen die Rechtshilfe und ordnen die zulässigen Rechtshilfemassnahmen an, welche die ausländische Strafverfolgungsbehörde verlangt. Bei der letzten Revision des IRSG räumte das Parlament dem Bundesamt für Justiz (vorher Bundesamt für Polizeiwesen) die Möglichkeit ein, an Stelle der kantonalen Behörden über die Zulässigkeit der Rechtshilfe und die Ausführung zu entscheiden bei Ersuchen, die mehrere Kantone betreffen, bei komplexen und besonders bedeutenden Fällen sowie bei Verschleppung des Verfahrens (Art. 79a IRSG).

Nach geltendem Recht können die Verfügung der Bundesbehörde, mit der das Rechtshilfeverfahren abgeschlossen wird, und vorangehende Zwischenverfügungen mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 80g). Wird die Rechtshilfe vom Kanton bewilligt, so kann der Entscheid der Rechtshilfebehörde zunächst bei der kantonalen Rechtsmittelinstanz und anschliessend mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 80f IRSG).

4419

Mit der Schaffung eines Bundesverwaltungsgerichts werden künftig die Rechtshilfeverfügungen der Bundesbehörden nach Artikel 80g IRSG von dieser Instanz überprüft. Ein Weiterzug an das Bundesgericht ist künftig ausgeschlossen (vgl. die Bemerkungen zu Art. 78 Abs. 1 Bst. g BGG). Der gleiche Rechtsmittelweg soll für die Rechtshilfeverfügungen der kantonalen Behörden nach Artikel 80e­f IRSG gelten.

Es ist nicht gerechtfertigt, für kantonale Rechtshilfeverfügungen weiterhin den zweistufigen Rechtsmittelweg über die kantonale Rekursinstanz und das Bundesgericht beizubehalten. Eine solche Lösung würde den Zielen der letzten IRSG-Revision (Beschleunigung des Verfahrens) klar widersprechen. Das im Rechtshilfebereich geltende Beschleunigungsgebot erfordert ein einfaches Verfahren und einen einheitlichen Rechtsmittelweg. Deshalb wird von der Möglichkeit gemäss Artikel 29 Buchstabe h VGG Gebrauch gemacht und neu vorgesehen, dass auch die Entscheide der kantonalen Rechtshilfebehörden direkt beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden können, welches auch insoweit endgültig entscheidet (vgl. Art. 78 Abs. 1 Bst. g BGG). Die kantonalen Rechtsmittelbehörden werden für den Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen abgeschafft.

Für diese Lösung spricht die Tatsache, dass das Rechtshilfeverfahren ein Verfahren verwaltungsrechtlicher Natur ist (BGE 120 Ib 112 E. 4p; 118 Ib 436 E. 4a; Robert Zimmermann, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, Bern 1999, Ziff. I.3 S. 10). Dem Verfahren liegt zwar ein ausländisches Strafverfahren zu Grunde. Aber im Unterschied zu einem innerstaatlichen Strafverfahren werden im Rechtshilfeverfahren weder Schuld- noch Tatfragen überprüft. Das kantonale Strafprozessrecht findet bei der Anordnung der Rechtshilfemassnahmen lediglich sinngemäss Anwendung. Ausserdem kann auch nach der geltenden Rechtsordnung im Auslieferungsverfahren der Entscheid der Bundesbehörde nur an das Bundesgericht weitergezogen werden.

Ziel der vorliegenden Änderung des IRSG ist es, die mit dem Bundesverwaltungsgericht entstehende Inkohärenz der Rechtsmittelwege bei der akzessorischen Rechtshilfe zu korrigieren und das Rechtsmittelsystem an dasjenige im Auslieferungsverfahren anzugleichen. Die vorgeschlagene Regelung geht zudem in die Stossrichtung eines Postulats der nationalrätlichen
Rechtskommission, das der Nationalrat in der Herbstsession 1996 angenommen hat (AB 1996 N 1323). Der Bundesrat wird darin beauftragt, im Rahmen der Revisionsarbeiten zum Bundesrechtspflegegesetz (OG) die Zweckmässigkeit zu prüfen, im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) die kantonalen Rechtsmittelinstanzen abzuschaffen und eine eidgenössische Beschwerdeinstanz vorzusehen, die direkt über Beschwerden gegen erstinstanzliche Entscheide der Kantons- und Bundesbehörden befindet (96.3377 Postulat RK-NR [95.024] Minderheit Sandoz Suzette). Das Postulat geht auf einen Minderheitsantrag der ständerätlichen Rechtskommission zurück, den Ständerat DICK MARTY im Februar 1996 anlässlich der Beratung der IRSG-Revisionsvorlage eingebracht hat. Der Antrag wurde in der Kommission wie auch im Ständerat knapp verworfen und in der Folge als Motion eingebracht (96.3009 Motion Ständerat [RKSR 95.024]).

Art. 17 Abs. 1 Satz 2 (neu) Nach Artikel 1a IRSG darf die Zusammenarbeit weder die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung noch andere wesentliche Interessen der Schweiz beeinträchtigen. Eine Verletzung dieser Bestimmung kann gemäss Artikel 17 Absatz 1 4420

IRSG beim Departement vorgebracht werden. Der Entscheid des Departements unterliegt der Beschwerde an den Bundesrat (Art. 26 IRSG).

Satz 2 führt neu eine Frist ein, innert welcher eine Verletzung von Artikel 1a IRSG vorgebracht werden muss: Das Departement kann bis 30 Tage nach der schriftlichen Mitteilung der Schlussverfügung um einen Entscheid ersucht werden. Nach diesem Zeitpunkt ist ein solches Gesuch ausgeschlossen. Hingegen bleibt es möglich, die Rechtshilfe von Amtes wegen gestützt auf Artikel 1a IRSG zu verweigern.

Mit Artikel 1a IRSG bezweckte der Gesetzgeber, die Ablehnung an sich sonst zulässiger Rechtshilfe zu ermöglichen, wenn die Rechtshilfeleistung die in dieser Bestimmung genannten Rechtsgüter beeinträchtigen könnte (Markees, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, Schweizerische Juristische Kartothek 421a, Ziff. 1.1.11).

In der Praxis hat sich gezeigt, dass öfters auf dieses Instrument gegriffen wird, um eine bewilligte Herausgabe der Rechtshilfeakten zu verhindern, nachdem der ordentliche Rechtsmittelweg erfolglos ausgeschöpft worden ist. In den beiden Rechtshilfefällen Bofors (Rechtshilfe an Indien) und Elliott (Rechtshilfe an Australien) brachten die Gesuchsteller die Rüge beim Departement an, nachdem sämtliche Beschwerden an das Bundesgericht abgewiesen worden waren und die Rechtshilfe nach mehrjähriger Verfahrensdauer bewilligt worden war (der Entscheid des Bundesrates steht noch aus). Das Verfahren nach Artikel 1a IRSG darf nicht zur Folge haben, dass das Ziel der letzten IRSG-Revision ­ die Beschleunigung des Verfahrens ­ unterlaufen wird. Mit einer zeitlichen Befristung des Gesuchs soll gewährleistet werden, dass das Verfahren nach Artikel 1a IRSG parallel zum Rechtshilfeverfahren läuft. Der Vollzug eines rechtskräftigen Rechtshilfeentscheides soll nicht mehr durch Berufung auf Artikel 1a IRSG gehemmt werden können.

Art. 23 Nach geltendem Recht kann die Schlussverfügung der kantonalen Rechtshilfebehörde bei der kantonalen Rechtsmittelinstanz und anschliessend beim Bundesgericht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden. Die Verfügung der Bundesbehörde, die gemäss Artikel 79 und 79a IRSG über ein ausländisches Rechtshilfeersuchen entscheidet, unterliegt einzig der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (das Bundesamt kann die Ausführung des
Rechtshilfeersuchens auch einer Bundesbehörde z. B. der Bundesanwaltschaft oder der Oberzolldirektion übertragen, Art. 79 Abs. 1 und 2 IRSG).

Diese Doppelspurigkeit der Rechtsmittelwege bei der akzessorischen Rechtshilfe, die das Parlament mit der Einführung von Artikel 79a IRSG verstärkt hat, wurde wiederholt kritisiert. Verschiedene Strafverfolgungsbehörden bemängelten, dass diese Aufspaltung des Rechtsmittelweges die Rechtshilfeverfahren in den meisten Fällen ungebührlich verzögert. Die Schweiz kann aber ihren staatsvertraglichen Verpflichtungen im Bereich der internationalen Rechtshilfe nur gebührend nachkommen, wenn sie die vom Ausland geforderte Rechtshilfe zügig leisten kann. Eine Aufspaltung der Rechtsmittelwege bei der Behandlung der Ersuchen durch die Bundesbehörden und die kantonalen Behörden, die mit dem Bundesverwaltungsgericht noch verschärft würde, erschwert es der Schweiz, dem Ausland die verlangte Rechtshilfe innert einer vernünftigen Zeitspanne zu gewähren. Es rechtfertigt sich daher, bei der internationalen Rechtshilfe die Möglichkeit von Artikel 29 Buchstabe h VGG anzuwenden, so dass künftig Verfügungen der kantonalen Rechtshilfebe4421

hörden direkt beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden können. Diese Lösung bedingt allerdings, dass der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts endgültig ist (vgl. Art. 78 Abs. 1 Bst. g BGG). Andernfalls bringt die Kompetenzverlagerung von der kantonalen Rekursinstanz an die eidgenössische Instanz keine Verbesserung.

Der direkte Weiterzug der Verfügungen der kantonalen Rechtshilfebehörden an das Bundesverwaltungsgericht ist angezeigt, weil es sich um ein Verwaltungsverfahren handelt, bei dem keine Tat- und Schuldpunkte überprüft werden. Die Beschwerdelegitimation ist einheitlich geregelt (Art. 21 und 80h IRSG). Es lässt sich deshalb mit guten Gründen vertreten, dass auch beim Rechtsmittelweg für die kantonalen Verfahren und die Verfahren der Bundesbehörden einheitliche Regeln gelten sollen.

Diese Auffassung deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts, das sich für eine Vereinheitlichung des Verfahrens bei der akzessorischen Rechtshilfe ausspricht (BGE 123 II 157 E. 6e; unveröffentlichter BGE vom 29.9.1999 i.S. J).

Mit dem Wegfall der kantonalen Rechtsmittelinstanzen wird der Rechtsschutz der Betroffenen nicht beeinträchtigt. Anstelle der kantonalen Instanz urteilt das Bundesverwaltungsgericht, das im Wesentlichen über die gleiche Kognition verfügt (vgl.

aber die Bemerkungen zu Art. 80i IRSG betreffend die Überprüfung der Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts) und zudem für eine einheitliche Anwendung des Bundesrechts durch die Kantone sorgt. Die meisten Rechtsmittel werden bei komplexen und besonders bedeutenden Fällen des organisierten Verbrechens und der Wirtschaftskriminalität ergriffen. Da viele dieser Fälle nach dem Inkrafttreten der «Effizienzvorlage» ohnehin von der Bundesanwaltschaft behandelt werden können, dürfte die Zahl der Rechtshilfeverfahren eher gering sein, in denen künftig kein kantonales Rechtsmittel mehr zur Verfügung steht. Die neue Regelung dürfte deshalb in der Praxis keine einschneidende Änderung bewirken.

Art. 25 Sachüberschrift und Abs. 1, 3 und 6 Mit der Schaffung des Bundesverwaltungsgerichts werden künftig die Verfügungen der kantonalen Behörden und der Bundesbehörden im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen von dieser eidgenössischen Instanz überprüft. Dies erfordert eine Anpassung der Sachüberschrift und von Absatz 6.
Die Änderung der Absätze 1 und 3 trägt dem Umstand Rechnung, dass es keine kantonalen Rechtsmittelinstanzen mehr gibt.

Art. 26 Satz 2 Der geltende Satz 2 (Beschwerde an das Departement) wird gestrichen. Das Bundesverwaltungsgericht ist nach Artikel 29 Buchstabe c VGG Beschwerdeinstanz für Beschwerden gegen Verfügungen der Bundesbehörden. Demzufolge können Verfügungen des Bundesamtes nach Artikel 17 Absatz 3 IRSG künftig nicht mehr beim Departement, sondern beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts ist endgültig (Art. 78 Abs. 1 Bst. g BGG).

Art. 55 Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 Im Auslieferungsverfahren obliegt der Entscheid über die Auslieferung dem Bundesamt für Justiz. Von dieser Regelung ausgenommen sind die Fälle, in denen poli4422

tische Gründe gegen die Auslieferung vorgebracht werden. Dieser Entscheid fällt ­ nach geltendem Recht ­ in die alleinige Zuständigkeit des Bundesgerichts.

Künftig sind die Auslieferungsentscheide des Bundesamtes gestützt auf Artikel 29 Buchstabe c VGG beim Bundesverwaltungsgericht anzufechten. Diese Regelung ist vertretbar, weil auch im Auslieferungsverfahren die Schuld- und Tatfrage nicht geprüft wird. Es rechtfertigt sich deshalb, dass die Instanz, welche die Auslieferungsentscheide des Bundesamtes überprüft, auch abschliessend darüber entscheidet, ob eine Auslieferung aus politischen Gründen abgelehnt werden muss. Diese neue Zuständigkeitsordnung bedingt eine Anpassung von Absatz 2 Satz 1 und von Absatz 3.

Art. 80e

Beschwerde gegen Verfügungen der ausführenden Behörde

Heute sind die Beschwerde gegen Verfügungen der ausführenden kantonalen Behörde und die Beschwerde gegen Verfügungen der ausführenden Bundesbehörde in verschiedenen Artikeln geregelt (Art. 80e und 80g IRSG). Da künftig das Verfahren und die Voraussetzungen für beide Beschwerden die gleichen sind, können die beiden Bestimmungen in einem einzigen Artikel zusammengefasst werden. Dies erfordert eine neue Sachüberschrift und eine neue Formulierung des Artikels.

Absatz 1 entspricht Artikel 80g Absatz 1, wobei der Wortlaut an die neue Rechtsmittelordnung angepasst ist.

Absatz 2 lehnt sich an Artikel 80g Absatz 2 und Artikel 80e Buchstabe b an.

Absatz 3 wiederholt den Verweis auf Artikel 80l Absätze 2 und 3, der schon in Artikel 80f Absatz 2 und 80g Absatz 2 enthalten war.

Art. 80f Gegen die Verfügungen der kantonalen Rechtshilfebehörden gibt es künftig nur noch die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Der in Artikel 80f vorgesehene kantonale Rechtsmittelweg fällt weg. Die Bestimmung wird somit gegenstandslos.

Art. 80g Mit der neuen Formulierung und Tragweite von Artikel 80e erübrigt sich diese Bestimmung.

Art. 80i Abs. 2 Nach der neuen Rechtsmittelordnung können die Verfügungen der kantonalen Rechtshilfebehörden nur noch beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

In diesem Beschwerdeverfahren kann ein Verstoss gegen kantonale Verfahrensregeln einzig gerügt werden, wenn gleichzeitig verfassungsmässige Rechte verletzt werden. Das Bundesverwaltungsgericht überprüft hingegen nicht die Anwendung von kantonalem Recht. Bisher konnten Verstösse gegen das kantonale Verfahrensrecht bei der kantonalen Rekursinstanz vorgebracht werden. Diese Möglichkeit entfällt mit dem Wegfall der kantonalen Rekursinstanzen. Die neue Regelung dürfte in der Praxis kaum zu einer Beeinträchtigung des Rechtsschutzes führen. Die wenigsten Rekurse, die auf kantonaler Ebene gegen einen Entscheid der kantonalen

4423

Rechtshilfebehörde eingereicht werden, betreffen Verfahrensfehler. Wurden bisher ausnahmsweise Verfahrensmängel gerügt, so waren es meistens solche, die beim Bundesgericht vorgebracht werden konnten (Verletzung des rechtlichen Gehörs, Befangenheit). Die Verletzung solcher Verfahrensgrundsätze des Bundesverfassungsrechts können nach wie vor beim Bundesverwaltungsgericht gerügt werden. Die weggefallene Möglichkeit, die Verletzung des kantonalen Verfahrensrechts zu rügen, wird ohnehin entschärft sein, wenn für die ganze Schweiz ein einheitliches Strafprozessrecht (Bundesrecht) gilt. Die Streichung von Absatz 2 dürfte somit in der Praxis keine einschneidenden Auswirkungen haben und ist unter diesem Gesichtspunkt vertretbar.

Art. 80l Abs. 3 Der neue Wortlaut von Absatz 3 trägt dem Umstand Rechnung, dass die kantonalen Rechtsmittelinstanzen wegfallen und die Verfügungen der kantonalen Rechtshilfebehörden direkt der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht unterliegen.

Art. 80p Abs. 4 Die Änderung in Absatz 4 ist ein Ausfluss der neuen Rechtsmittelordnung. Die Anpassung im ersten Satz ist redaktioneller Natur. Der zweite Satz wird gegenstandslos, weil das Bundesverwaltungsgericht gemäss Artikel 36 VGG in der Regel im Zirkulationsverfahren entscheidet. Damit erübrigt sich eine spezielle Verfahrensregel.

Art. 110b

Übergangsbestimmung zur Änderung vom ...

Das Übergangsrecht zur vorliegenden Änderung sieht vor, dass sich das Beschwerdeverfahren gegen Verfügungen, die in erster Instanz vor dem Inkrafttreten dieser Änderung getroffen worden sind, nach dem bisherigen Recht richtet. Das heisst, die künftig gegebene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kommt insoweit nicht zur Anwendung (vgl. auch Art. 45 Abs. 1 VGG).

22. Bundesgesetz vom 3. Oktober 1975 zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen Bei der letzten Revision des IRSG verzichteten der Bundesrat und das Parlament darauf, das Rechtshilfeverfahren nach dem BG-RVUS vollständig an dasjenige nach dem IRSG anzugleichen. Im damaligen Zeitpunkt bestand dazu kein Anlass: Das Rechtshilfeverfahren mit den USA wird bereits über eine Zentralstelle beim Bundesamt für Polizeiwesen (heute Bundesamt für Justiz) abgewickelt, die über die Zulässigkeit und den Umfang der Rechtshilfe entscheidet. Das System der Zentralstelle erlaubt in der Regel eine rasche Rechtshilfeleistung, auch wenn die Eintretensverfügung der Zentralstelle mit Einsprache anfechtbar ist und der Einspracheentscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden kann. Es gab damals für den Bundesrat keinen gewichtigen Grund, das Verfahren nach dem BG-RVUS vollständig an dasjenige im IRSG anzugleichen, zumal im Rechtshilfeverfahren nach dem IRSG die kantonalen Rechtsmittelinstanzen beibe-

4424

halten wurden (Botschaft des Bundesrates vom 29. März 1995 über die Revision des IRSG und des BG-RVUS, BBl 1995 III 1; Ziff. 23).

Vorlage für den Antrag auf Abschaffung der kantonalen Rechtsmittelinstanzen, den Ständerat MARTY anlässlich der IRSG-Revision eingebracht hatte, war das BGRVUS. Nach der Einführung des Bundesverwaltungsgerichts wird in den Verfahren nach dem IRSG nur noch ein Rechtsmittel gegen die Verfügungen der kantonalen und eidgenössischen Rechtshilfebehörden zulässig sein. Da der Rechtsmittelweg über die kantonalen Rekursinstanzen im Sinne des Vorstosses Marty wegfällt, rechtfertigt es sich nicht mehr, beim Rechtshilfeverfahren nach dem BG-RVUS eine unterschiedliche Regelung aufrecht zu erhalten.

Für eine Vereinheitlichung der Verfahren und Rechtsmittelwege spricht zudem, dass auch der Bundesbeschluss vom 21. Dezember 1995 über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten zur Verfolgung von schwerwiegenden Verletzungen des humanitären Völkerrechts (SR 351.20; Art. 24) nur ein Rechtsmittel gegen den Entscheid der Zentralstelle vorsieht. Nach dem Zusatzvertrag mit Italien zur Ergänzung des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens in Strafsachen wird ebenfalls nur ein Rechtsmittel gegen die Rechtshilfeverfügung der Zentralstelle möglich sein (Art. XVIII des Vertrags, BBl 1999 1585/92).

Die mit Rücksicht auf das neue Bundesverwaltungsgericht im IRSG vorgeschlagene Vereinheitlichung der Rechtsmittelwege muss auch für das Rechtshilfeverfahren mit den USA gelten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Schweiz gestützt auf das revidierte IRSG einem Staat, mit dem keine staatsvertragliche Vereinbarung besteht, schneller Rechtshilfe leisten kann als dem Vertragsstaat USA. Es geht deshalb nicht an, dass im Rechtshilfeverfahren mit den USA mehr Rechtsmittel möglich sind, als wenn die Schweiz einem ausländischen Staat nach dem revidierten IRSG Rechtshilfe gewährt.

Zweck der Revision des BG-RVUS ist es, das Rechtsmittelverfahren an dasjenige im IRSG anzupassen. Konkret bedeutet dies, dass gegen die Eintretensverfügung der Zentralstelle keine Einsprache mehr möglich ist und nur noch die Schlussverfügung beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden kann. Die Änderung des Rechtsmittelverfahrens hat keine negativen Auswirkungen auf die Anwendung des Vertrags. Sie wird im Gegenteil
das Verfahren beschleunigen und straffen.

Art. 4 dritter Satz (neu) Der neue Satz 3 stellt klar, innert welcher Frist der Beschwerdeführer rügen muss, die Zusammenarbeit verletze die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen der Schweiz im Sinne von Artikel 4. Die Bestimmung entspricht dem neuen Artikel 17 Absatz 1 Satz 2 IRSG (vgl. die Bemerkungen dort).

Art. 5 Abs. 1, Art. 8 Abs. 4, Art. 10 Abs. 4, Art. 11­15a, Art. 16 und 16a Nach geltendem Recht entscheidet die Zentralstelle am Anfang des Verfahrens über die Zulässigkeit und den Umfang der Rechtshilfe. Gegen diesen Entscheid ist eine Einsprache möglich. Der Einspracheentscheid kann an das Bundesgericht weitergezogen werden. Die Zentralstelle hat die Möglichkeit, den Einspracheentscheid bis

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zum Ende des Verfahrens hinauszuzögern. Dies erlaubt der Zentralstelle, die Eintretensverfügung bis zum Erlass der Schlussverfügung noch abzuändern.

Die Schaffung des Bundesverwaltungsgerichts hat zur Folge, dass es im Rechtshilfeverfahren nach dem revidierten IRSG nur noch eine Beschwerdemöglichkeit gegen die Schlussverfügung gibt. Soll dieses Verfahren auf das BG-RVUS übertragen werden, so bedeutet dies, dass das Institut der Einsprache und die Beschwerde an das Departement wegfallen.

Dies bedingt eine Anpassung von Artikel 5 Absatz 1, Artikel 8 Absatz 4, Artikel 10 Absatz 4, Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 1 und Absatz 3, Artikel 12 Absatz 2, Artikel 15a Absätze 2 und 3 sowie die Aufhebung der Artikel 16 und 16a.

Art. 17 Sachüberschrift, Abs. 1, 1bis (neu), 3 und 4 Künftig ist das Bundesverwaltungsgericht die einzige Beschwerdeinstanz gegen die Schlussverfügung der Zentralstelle und die vorangehenden Zwischenverfügungen der ausführenden Behörde nach Artikel 11. Diese neue Ordnung erfordert eine Anpassung der Sachüberschrift und eine Änderung einzelner Absätze.

Die Regelung in den Absätzen 1 und 1bis entspricht sinngemäss dem neuen Artikel 80e IRSG. Eine Umschreibung der selbständig anfechtbaren Zwischenverfügung wie im IRSG erübrigt sich, weil Artikel 11 festhält, in welchen Fällen die Zentralstelle eine Zwischenverfügung erlassen muss. Der zweite Satz in Absatz 1 wurde redaktionell überarbeitet.

Die in den Absätzen 3 und 4 enthaltenen Beschwerdegründe werden in einem neuen Artikel geregelt (Art. 17b).

Art. 17a

Beschwerdelegitimation

Der neue Artikel lehnt sich inhaltlich an den aufgehobenen Artikel 16 (Einsprache) an. Der Wortlaut von Absatz 1 wurde mit einer redaktionellen Änderung von Artikel 16 Absatz 1 übernommen. Er entspricht sinngemäss Artikel 80h Buchstabe b IRSG.

Art. 17b

Beschwerdegründe

Aus systematischen Gründen werden die Beschwerdegründe wie im IRSG in einem speziellen Artikel geregelt. Absatz 1 lehnt sich an die aufgehobenen Artikel 16 Absatz 2 und 17 Absatz 3 an. Die Bestimmung deckt sich mit dem neuen Artikel 80i IRSG. Der Wortlaut von Absatz 2 entspricht demjenigen von Artikel 17 Absatz 4, der aufgehoben wird.

Art. 17c

Beschwerdefrist

Die Regelung über die Beschwerdefrist entspricht derjenigen in Artikel 80k IRSG.

Art. 18 Abs. 2 und 3 Nach Artikel 29 Buchstabe c VGG sind Verfügungen der Bundesverwaltungsbehörden künftig beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbar. Die Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen der Zentralstelle und der ausführenden Bundesver4426

waltungsbehörde nach Artikel 18 Absatz 2 fällt somit nicht mehr in die Zuständigkeit des Departements. Die Absätze 2 und 3 werden deshalb gegenstandslos.

Art. 19 Abs. 1 erster Satz Der geänderte Wortlaut von Absatz 1 Satz 1 trägt dem Umstand Rechnung, dass die Zentralstelle kein kantonales Rechtsmittel mehr gegen eine Verfügung der kantonalen Rechtshilfebehörde ergreifen kann. Mit der Schaffung des Bundesverwaltungsgerichts steht der Zentralstelle nur noch die Beschwerde an diese Rechtsmittelinstanz offen.

Art. 19a

Aufschiebende Wirkung

Der neue Wortlaut der Bestimmung über die aufschiebende Wirkung deckt sich mit der entsprechenden Regelung im IRSG. Die Absätze 1 und 2 stimmen mit Artikel 80l Absätze 1 und 2 IRSG überein. Absatz 3 lehnt sich an Artikel 80l Absatz 3 IRSG an.

Art. 26 Abs. 1 erster Satz, Abs. 2 und 3 Die neue Rechtsmittelordnung bedingt eine redaktionelle Anpassung von Artikel 26 Absätze 1, 2 und 3.

Art. 37b

Übergangsbestimmung zur Änderung vom ...

Das Übergangsrecht zur vorliegenden Änderung sieht vor, dass sich das Einspracheund Beschwerdeverfahren gegen Verfügungen, die in erster Instanz vor dem Inkrafttreten dieser Änderung getroffen worden sind, nach dem bisherigen Recht richtet. Das heisst, die künftig gegebene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kommt insoweit nicht zur Anwendung (vgl. auch Art. 45 Abs. 1 VGG).

23. Bundesgesetz vom 19. April 1978 über die Berufsbildung Art. 68 Bst. c, d und e Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Buchstabe c erklärt daher das Bundesverwaltungsgericht zur Beschwerdeinstanz für (erstinstanzliche) Verfügungen und Beschwerdeentscheide des Bundesamtes und des Departements. Getreu dem Grundsatz, dass das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Entscheide von Bundesverwaltungsbehörden und nur ganz ausnahmsweise von kantonalen Instanzen beurteilt (vgl. die Ausführungen zum Modellinstanzenzug in Ziff. 2.5.2), ersetzt das Bundesverwaltungsgericht die Rekurskommission EVD nicht auch für kantonale Beschwerdeentscheide über die Zulassung zu Kursen und über Prüfungen. Ein Grund für eine Ausnahme vom neuen Modellinstanzenzug besteht nicht.

Der Bundesrat wird nicht mehr als Beschwerdeinstanz vorgesehen, da er von seinen Rechtsprechungsaufgaben entlastet werden soll (vgl. Ziff. 2.3.2). Buchstabe d wird demgemäss aufgehoben.

4427

Das Bundesgericht fungiert als Beschwerdeinstanz nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes (Bst. e). Neu können Entscheide über die Zulassung zu Prüfungen und Kurse an das Bundesgericht gezogen werden, nicht aber Entscheide über das Ergebnis von Prüfungen (vgl. Art. 78 Abs. 1 Bst. q BGG).

Art. 69 Die Bestimmung wird als überflüssig gestrichen.

24. ETH-Gesetz vom 4. Oktober 1991 Art. 37 Abs. 2­5 Die ETH-Rekurskommission geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich bereits aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege (vgl. Abs. 4). Deshalb wird der bisherige Absatz 2 Satz 1 gestrichen. Der bisherige Absatz 2 Satz 2 wird ­ redaktionell angepasst (Gesetzgebung über das Bundespersonal anstelle des Beamtengesetzes) ­ zu Absatz 2.

Der bisherige Absatz 5 (Beschwerdebefugnis der Hochschulversammlung bei Verfügungen betreffend die Mitwirkung) wird aus systematischen Gründen zu Absatz 3.

Im übrigen gelten nach Absatz 4 die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege, namentlich auch betreffend die Weiterzugsmöglichkeit an das Bundesgericht.

25. Auslandschweizer-Ausbildungsgesetz vom 9. Oktober 1987 Art. 13 Die Bestimmung wird als überflüssig gestrichen. Ohnehin wird das Bundesrechtspflegegesetz durch das Bundesgerichtsgesetz abgelöst.

26. Forschungsgesetz vom 7. Oktober 1983 Art. 13 Abs. 2, 3 und 5, Art. 14 Die Änderungen sind bedingt durch die Integration der Rekurskommission für Forschungsförderung in das Bundesverwaltungsgericht. Das Beschwerdeverfahren folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

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27. Bundesgesetz vom 6. Oktober 1978 über das Schweizerische Institut für Rechtsvergleichung Art. 13

Rechtsschutz

Die Bestimmung wird geändert, weil die Verwaltungsbeschwerde an das EJPD entfällt. Beibehalten wird die Beschwerde an den Ausschuss gegen Verfügungen des Direktors und der Direktion. Diese verwaltungsinterne Beschwerdemöglichkeit muss im Spezialgesetz vorgesehen werden (Abs. 1).

Im übrigen richtet sich der Rechtsschutz nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung (Abs. 2).

28. Filmgesetz vom ...

Art. 33

Verfahren und Rechtsmittel

Die Bestimmung wird redaktionell angepasst (Verweis auf die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege).

29. Bundesgesetz vom 17. Dezember 1965 betreffend die Stiftung «pro Helvetia» Art. 11a Abs. 2 und 3 An die Stelle der Beschwerde an die Rekurskommission tritt die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Weiterzugsmöglichkeit an das Bundesgericht ist ausgeschlossen, soweit kein Anspruch auf Beiträge besteht (Art. 78 Abs. 1 Bst. j BGG).

30. Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz Art. 12 Abs. 1 Die Bestimmung wird dem neuen Rechtsmittelsystem angepasst. Die Beschwerde an den Bundesrat kommt nicht mehr in Betracht, jedoch neu die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Art. 25c

Rechtspflege

Die Bestimmung basiert auf der Fassung gemäss Botschaft vom 1. März 2000 (BBl 2000 2442), wird aber dem neuen Rechtsmittelsystem angepasst. Namentlich wird die Rekurskommission UVEK durch das Bundesverwaltungsgericht ersetzt.

4429

31. Nationalparkgesetz vom 19. Dezember 1980 Art. 9 Abs. 3 Die Bestimmung wird geändert, weil die Verwaltungsbeschwerde an das EDI entfällt. Die Anfechtung von Entscheiden der Nationalparkkommission richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

32. Tierschutzgesetz vom 9. März 1978 Art. 26 Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Die Notwendigkeit einer besonderen Bestimmung über den Rechtsschutz entfällt. Die Anfechtung von Verfügungen des Bundesamtes für Veterinärwesen folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

33. Militärgesetz vom 3. Februar 1995 Art. 40 Abs. 2 Die vorliegende Reform will den Bundesrat weitgehend von seinen Rechtsprechungsaufgaben entlasten (vgl. Ziff. 2.3.2). Demzufolge tritt an die Stelle der Beschwerde an den Bundesrat neu die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Art. 130 Sachüberschrift und Abs. 1 Für das Rechtsmittelverfahren kann auf die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege verwiesen werden.

34. Bundesbeschluss vom 30. März 1949 über die Verwaltung der Armee Art. 7 Abs. 3, Art. 14, Art. 39 Abs. 4 An die Stelle der Beschwerde an die Rekurskommission tritt neu die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Art. 40 Abs. 5 Der Instanzenzug zur Entscheidung streitiger Forderungen des Kantonnementsgebers gegen die Gemeinde wird gleich geregelt wie derjenige zur Entscheidung streitiger Forderungen des Kantonnementsgebers gegen den Bund (Entscheid durch das Oberkriegskommissariat mit Weiterzugsmöglichkeit an das Bundesverwaltungsgericht).

4430

Art. 96 Abs. 1 und 2 zweiter Satz An die Stelle der Beschwerde an die Rekurskommission VBS (vormals EMD) tritt neu die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. In Absatz 2 Satz 2 wird «Rekursverfahren» durch den gemeinhin verwendeten Terminus «Beschwerdeverfahren» ersetzt.

Art. 106 zweiter Satz An die Stelle der Beschwerde an die Rekurskommission VBS (vormals EMD) tritt neu die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Art. 124 Die Bestimmung ist überflüssig, weil sich die nunmehr gegebene Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (anstelle der Beschwerde an die Rekurskommission VBS, vormals EMD) bereits aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege ergibt.

Art. 128 Absatz 1 ist überflüssig, weil sich die nunmehr gegebene Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (anstelle der Beschwerde an die Rekurskommission VBS, vormals EMD) bereits aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege ergibt.

Absatz 2 wird hinfällig aufgrund des geänderten Artikels 40 Absatz 5, wonach Streitigkeiten zwischen Kantonnementsgeber und Gemeinden in erster Instanz durch das Oberkriegskommissariat entschieden werden.

Art. 129 Die Bestimmung entfällt mit der Auflösung der Rekurskommission.

Art. 130 Die Neufassung folgt aus der Änderung von Artikel 40 Absatz 5 und 128 Absatz 2 (vgl. die Bemerkungen dort).

Art. 131 Die Bestimmung ist überflüssig. Die Weiterzugsmöglichkeit von Entscheiden des Bundesverwaltungsgerichts, das an die Stelle der Rekurskommission tritt, ergibt sich aus dem Bundesgerichtsgesetz.

4431

35. Zivilschutzgesetz vom 17. Juni 1994 Art. 64

Nicht vermögensrechtliche Ansprüche

Heute unterliegen nicht endgültige Entscheide der letzten kantonalen Instanzen in nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten der Beschwerde an das VBS (vormals EJPD). Dieses entscheidet endgültig. Um auch in diesem Bereich die Rechtsweggarantie umzusetzen (soweit nicht schon auf Kantonsebene ein Gericht entschieden hat) und um weiterhin die Kontrolle durch eine eidgenössische Instanz zu gewährleisten, wird anstelle der Beschwerde an das VBS neu die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vorgesehen. Dies ist somit einer der wenigen Fälle, in denen das Bundesverwaltungsgericht Entscheide kantonaler Instanzen überprüft (vgl. Art. 29 Bst. h VGG). Wie heute ist der Weiterzug an das Bundesgericht ausgeschlossen (Art. 78 Abs. 1 Bst. h BGG).

Art. 65 Abs. 4 Die Rekurskommission für Zivilschutzangelegenheiten geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen Verfügungen des Bundesamtes ergibt sich bereits aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Eine diesbezügliche Bestimmung im Zivilschutzgesetz ist daher überflüssig. Ein Weiterzug an das Bundesgericht ist künftig nicht mehr möglich (Art. 78 Abs. 1 Bst. h BGG). Denn es ist kein Grund ersichtlich, weshalb vermögensrechtliche Streitigkeiten anders behandelt werden sollen als nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten, in denen die Beschwerde an das Bundesgericht ausgeschlossen ist.

36. Schutzbautengesetz vom 4. Oktober 1963 Art. 14 Abs. 2 und 3 Heute unterliegen Entscheide nicht vermögensrechtlicher Natur der kantonalen Behörden oder des Bundesamtes für Zivilschutz der Beschwerde an das VBS (vormals EJPD), welches endgültig entscheidet. Diese besondere Rechtsmittelordnung wird aufgehoben zugunsten derjenigen aufgrund der allgemeinen Bestimmungen der Bundesrechtspflege.

Art. 15 Abs. 3 Die Rekurskommission für Zivilschutzangelegenheiten geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen Verfügungen des Bundesamtes ergibt sich aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

Gegen Entscheide der (letzten) kantonalen Behörden kommt die Beschwerde an das Bundesgericht in Betracht. Diese ist jedoch ausgeschlossen für Entscheide betreffend Subventionen, auf die kein Anspruch besteht (Art. 78 Abs. 1 Bst. j BGG). Deshalb wird das Bundesamt für Zivilschutz ermächtigt, die kantonalen Rechtsmittel gegen Verfügungen der kantonalen Behörden über Bundesbeiträge zu ergreifen. Auf

4432

diese Weise soll dennoch eine gewisse Kontrolle des Bundes über die Verwendung der Bundesmittel gewährleistet werden.

37. Landesversorgungsgesetz vom 8. Oktober 1982 Art. 34 Abs. 2 zweiter Satz An die Stelle der Rekurskommission EVD (vormals Kommission für Pflichtlager) tritt das Bundesverwaltungsgericht.

Art. 37a

Einsprache

Der Rechtsmittelweg ist unterschiedlich ausgestaltet in Krisenzeiten und in «Normalzeiten». Neu kann der Bundesrat ein Einspracheverfahren vorsehen für Verfügungen des Bundesamtes nach den Artikeln 23­28 (Massnahmen bei zunehmender Bedrohung und Massnahmen gegen schwere Mangellagen). Es ist davon auszugehen, dass in Krisenzeiten Massenverfügungen zu erlassen sind (z. B. im Bereich der Treibstoffrationierung). Zur Überprüfung solcher Massenverfügungen ist die Einsprache das richtige Rechtsmittel. Ohne diesen Filter wäre das Bundesverwaltungsgericht, an welches die Einspracheentscheide weitergezogen werden können, sprunghaft mit einer Vielzahl von Beschwerden konfrontiert. Gleichzeitig ist das Einspracheverfahren eine gewisse Kompensation für den Ausschluss der Beschwerde an das Bundesgericht. Wie nach geltendem Recht (vgl. Art. 38 Bst. c Landesversorgungsgesetz in der geltenden Fassung) ist nämlich auch künftig die Beschwerde an das Bundesgericht unzulässig gegen Verfügungen auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Landesversorgung bei zunehmender Bedrohung oder schweren Mangellagen (Art. 78 Abs. 1 Bst. i BGG).

Der Bundesrat kann das Einspracheverfahren nur für Verfügungen des Bundesamtes vorsehen. Soweit kantonale Behörden in Krisenzeiten Verfügungen treffen, greift ­ nach Erschöpfung des kantonsinternen Instanzenzuges ­ die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Art. 38 Abs. 2 Landesversorgungsgesetz in der Fassung dieser Vorlage), welches endgültig entscheidet (Art. 78 Abs. 1 Bst. i BGG).

Art. 38

Beschwerde

Absatz 1 sieht gegen Verfügungen der Bereiche der wirtschaftlichen Landesversorgung und der herangezogenen Organisationen der Wirtschaft die Beschwerde an das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung vor. Für solche Verfügungen ist es gerechtfertigt, dass zunächst das Bundesamt verwaltungsintern eine Überprüfung vornimmt. Diese Beschwerdemöglichkeit muss spezialgesetzlich vorgesehen werden.

Absatz 2 öffnet gegen Verfügungen letzter kantonaler Instanzen die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Es liegt hier einer der wenigen Fälle vor, in denen das Bundesverwaltungsgericht ­ in Abweichung vom Modellinstanzenzug (vgl. dazu Ziff. 2.5.2) ­ Verfügungen kantonaler Behörden überprüft (vgl. Art. 29 Bst. h VGG).

Die Kantone treffen lediglich in Krisenzeiten Verfügungen, so dass das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet (vgl. die Bemerkungen zu Art. 37a Landesversorgungsgesetz in der Fassung dieser Vorlage).

4433

Im übrigen folgt der Rechtsschutz den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege (Abs. 3). Demgemäss unterliegen Verfügungen bzw. Beschwerdeentscheide (Abs. 1) des Bundesamtes der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Da es sich insoweit nicht um Massnahmen bei zunehmender Bedrohung oder gegen schwere Mangellagen handelt, ist der Weiterzug an das Bundesgericht zulässig (vgl. Art. 78 Abs. 1 Bst. i BGG). In «Normalzeiten» ergehen Verfügungen im Bereich der wirtschaftlichen Landesversorgung nur punktuell. Diese können aber für die Betroffenen von grosser wirtschaftlicher Tragweite sein. Von daher ist es gerechtfertigt (und unter Belastungsaspekten vertretbar), an der Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesgericht insoweit festzuhalten.

Art. 39 Einleitungssatz An die Stelle der Rekurskommission EVD tritt das Bundesverwaltungsgericht. Es urteilt in den Fällen von Artikel 39 als erste Instanz im Klageverfahren. Diese Streitigkeiten können ­ im weiteren Sinne ­ als solche aus öffentlich-rechtlichen Verträgen angesehen werden (vgl. Art. 31 Bst. a VGG).

Art. 40 Die Bestimmung wird als überflüssig gestrichen.

38. Subventionsgesetz vom 5. Oktober 1990 Art. 34 Absatz 1 erübrigt sich, weil es selbstverständlich ist, dass Streitigkeiten über verfügte Finanzhilfen und Abgeltungen mit Verfügung zu entscheiden sind. Die Bestimmung war vor der Revision des OG von 1991 nötig, weil der damalige Artikel 116 OG für solche Fälle grundsätzlich die Klage vorsah. Dieser Klagetatbestand ist aber aufgehoben worden, womit ohne weiteres der Verfügungsweg zur Anwendung gelangt.

Absatz 2 betreffend Streitigkeiten aus Verträgen wird ebenfalls aufgehoben. Artikel 31 Buchstabe a VGG sieht für Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen grundsätzlich die Klage vor. Der Klageweg ist für solche Streitigkeiten sachgerecht, weil bei Verträgen schon die Begründung des Subventionsverhältnisses (Abschluss des Vertrages) nicht einseitig hoheitlich erfolgt. Folgerichtig sollen Streitigkeiten aus dem Vertrag nicht durch Verfügung entschieden werden können, vielmehr ist Klage zu erheben. Diese konsequente Lösung konnte unter dem alten Rechtsmittelsystem nicht vorgesehen werden, weil nicht in allen Bereichen eine Rekurskommission bestand, bei welcher Klage hätte erhoben werden können. Deshalb galt auch bei Streitigkeiten aus Verträgen grundsätzlich der Verfügungsweg, soweit nicht ein Erlass die Klage an eine Rekurskommission vorsah bzw. der Vertrag die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts begründete. Das Bundesverwaltungsgericht besitzt (anders als die Rekurs- und Schiedskommissionen) eine allgemeine Sachzuständigkeit in Bundesverwaltungssachen. Es kann direkt gestützt auf Artikel 31 Buchstabe a VGG angerufen werden. Somit ist es nunmehr möglich, für Streitigkeiten aus Verträgen grundsätzlich die Klage vorzusehen. Der Klageweg weicht, wenn ein Bundesgesetz die Erledigung des Streits durch Verfügung vorschreibt (Art. 32 VGG).

4434

Art. 35

Rechtsschutz

Nach Absatz 1 folgt der Rechtsschutz gegen Verfügungen im Bereich der Subventionen den allgemeinen Regeln über die Bundesrechtspflege. Dies hat namentlich zur Konsequenz, dass die Kantone über Subventionen, auf die kein Anspruch besteht, grundsätzlich abschliessend entscheiden (Art. 78 Abs. 1 Bst. j BGG), es sei denn, die Spezialgesetze sehen die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vor (wie z. B. Art. 166 Abs. 2 Landwirtschaftsgesetz, SR 910.1).

Der bisherige Absatz 3 wird aus systematischen Gründen zu Absatz 2.

39. Zollgesetz vom 1. Oktober 1925 Art. 22 Abs. 1 dritter Satz An die Stelle der Rekurskommission tritt das Bundesverwaltungsgericht.

Art. 109 Abs. 1 Bst. b­e und Abs. 3 Die heutigen, recht komplexen und vor allem zum Teil überlangen Instanzenzüge werden vereinfacht und gestrafft sowie dem neuen Rechtsmittelsystem angepasst (Abs. 1). Beibehalten wird nur noch eine verwaltungsinterne Beschwerde. Mit Blick auf den nunmehr geltenden Grundsatz, dass Verfügungen von Bundesbehörden direkt der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht unterliegen (vgl. Ziff. 2.5.2), wäre es weder systemgerecht noch sachlich begründet, im Zollbereich weiterhin zwei verwaltungsinterne Beschwerdeinstanzen vorzusehen.

Demnach entscheiden die Zollkreisdirektionen nach wie vor Beschwerden gegen Verfügungen der Zollämter (Bst. a, der unverändert bleibt).

Erstinstanzliche Verfügungen der Zollkreisdirektionen unterliegen der Beschwerde an die Oberzolldirektion (Bst. b). Die Beschwerde an die Oberzolldirektion gegen Beschwerdeentscheide der Zollkreisdirektionen wird gestrichen. Letztere können neu direkt beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden An die Stelle des Departements (Bst. d in der alten Fassung) und der Zollrekurskommission (Bst. c in der alten Fassung) tritt nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes neu das Bundesverwaltungsgericht (Bst. c). Die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesgericht bestimmt sich nach dem Bundesgerichtsgesetz (Bst. c).

Nach Absatz 3 vertritt die Oberzolldirektion die Zollverwaltung im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesgericht. Die Oberzolldirektion ist dazu am besten in der Lage. Zudem behält sie auf diese Weise den Überblick über die Beschwerdeverfahren. Gleichzeitig könnte sie von der Möglichkeit der Wiedererwägung pendente lite (Art. 58 VwVG) Gebrauch machen. Der bisherige Inhalt von Absatz 3 (Verweis auf das VwVG und das OG) wird als überflüssig gestrichen. Ohnehin wird das OG durch das Bundesgerichtsgesetz abgelöst.

4435

Ziff. III (Art. 141) Die Bestimmung erübrigt sich mit der Integration der Zollrekurskommission in das Bundesverwaltungsgericht.

40. Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben Art. 32 Abs. 3 Redaktionelle Anpassung (Verweis auf Art. 106 BGG anstelle von Art. 116 OG).

III. Einsprache, Art. 39 Sachüberschrift Unter der Ziffer III verbleibt mit der Streichung der Artikel 39a und 40 einzig Artikel 39 über die Einsprache.

Art. 39a Die Eidgenössische Steuerrekurskommission geht im Bundesverwaltungsgericht auf.

Die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen Einspracheentscheide der Eidgenössischen Steuerverwaltung ergibt sich bereits aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Eine diesbezügliche Bestimmung im Spezialgesetz ist daher überflüssig.

Einspracheentscheide über Stundung und Erlass von Stempelabgaben sind heute von der Beschwerde an die Rekurskommission ausgenommen, womit Beschwerde an den Bundesrat möglich ist. Die vorliegende Reform will den Bundesrat weitgehend von seinen Rechtsprechungsaufgaben entlasten (vgl. Ziff. 2.3.2). Deshalb werden Einspracheentscheide über Stundung und Erlass von Stempelabgaben nicht von der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ausgenommen. Das führt zur Streichung der ganzen Bestimmung.

Art. 40 Die Bestimmung wird als überflüssig gestrichen. Die Weiterzugsmöglichkeit an das Bundesgericht bestimmt sich nach dem Bundesgerichtsgesetz. Die Beschwerdebefugnis der Eidgenössischen Steuerverwaltung soll beibehalten werden, kann aber auf Verordnungsstufe festgelegt werden (vgl. Art. 84 Bst. a BGG).

Art. 43 Abs. 3­5 An die Stelle der Beschwerde an die Eidgenössische Steuerrekurskommission tritt die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Abs. 3).

Die Weiterzugsmöglichkeit an das Bundesgericht bestimmt sich nach dem Bundesgerichtsgesetz und muss nicht besonders im Spezialgesetz vorgesehen werden. Hingegen wird in Absatz 4 festgehalten, dass Beschwerden gegen Sicherstellungsverfügungen (sowohl solche an das Bundesverwaltungsgericht als auch solche an das Bundesgericht) ­ wie heute ­ keine aufschiebende Wirkung haben.

4436

Die Beschwerdebefugnis der Eidgenössischen Steuerverwaltung soll beibehalten werden, kann aber auf Verordnungsstufe festgelegt werden (vgl. Art. 84 Bst. a BGG). Deshalb wird Absatz 5 als überflüssig gestrichen.

Art. 44 Abs. 2 Die Bestimmung wird als überflüssig gestrichen.

41. Mehrwertsteuergesetz vom 2. September 1999 Art. 54 Abs. 3 Redaktionelle Anpassung (Verweis auf Art. 106 BGG anstelle von Art. 116 OG).

Art. 57 Abs. 2 dritter Satz, Art. 64 Abs. 2 «Eidgenössische Steuerrekurskommission» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

Art. 65 Die Eidgenössische Steuerrekurskommission geht im Bundesverwaltungsgericht auf.

Die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen Einspracheentscheide der Eidgenössischen Steuerverwaltung ergibt sich bereits aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Eine diesbezügliche Bestimmung im Spezialgesetz ist daher überflüssig.

Art. 66 Die Bestimmung wird als überflüssig gestrichen. Die Weiterzugsmöglichkeit an das Bundesgericht bestimmt sich nach dem Bundesgerichtsgesetz. Die Beschwerdebefugnis der Eidgenössischen Steuerverwaltung soll beibehalten werden, kann aber auf Verordnungsstufe festgelegt werden (vgl. Art. 84 Bst. a BGG).

Art. 67 Sachüberschrift, Abs. 2 und 3 Die Absätze 2 und 3 (Revision und Erläuterung von Entscheiden des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichts) erübrigen sich mit Blick auf das VGG und das BGG.

Art. 70 Abs. 3­5 An die Stelle der Beschwerde an die Eidgenössische Steuerrekurskommission tritt die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Abs. 3).

Die Weiterzugsmöglichkeit an das Bundesgericht bestimmt sich nach dem Bundesgerichtsgesetz und muss nicht besonders im Spezialgesetz vorgesehen werden. Hingegen wird in Absatz 4 festgehalten, dass Beschwerden gegen Sicherstellungsverfügungen (sowohl solche an das Bundesverwaltungsgericht als auch solche an das Bundesgericht) ­ wie heute ­ keine aufschiebende Wirkung haben.

4437

Die Beschwerdebefugnis der Eidgenössischen Steuerverwaltung soll beibehalten werden, kann aber auf Verordnungsstufe festgelegt werden (vgl. Art. 84 Bst. a BGG). Deshalb wird Absatz 5 als überflüssig gestrichen.

42. Bundesgesetz vom 21. März 1969 über die Tabakbesteuerung Art. 33 Die Bestimmung wird gestrichen, so dass sich die gerichtliche Überprüfung nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege richtet. Die Eidgenössische Zollrekurskommission geht im Bundesverwaltungsgericht auf.

43. Automobilsteuergesetz vom 21. Juni 1996 Art. 33 Abs. 2 Um den überlangen Instanzenzug zu straffen, wird die Beschwerde an die Oberzolldirektion gegen Beschwerdeentscheide der Zollkreisdirektionen gestrichen (Abs. 2).

Letztere unterliegen neu direkt der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch den Kommentar zu Art. 109 Zollgesetz, SR 631.0).

Art. 34 und 35 Abs. 1 Die Eidgenössische Zollrekurskommission geht im Bundesverwaltungsgericht auf.

Die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich bereits aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Eine diesbezügliche Bestimmung im Spezialgesetz ist daher überflüssig.

44. Mineralölsteuergesetz vom 21. Juni 1996 Art. 35 Abs. 2 Um den überlangen Instanzenzug zu straffen, wird die Beschwerde an die Oberzolldirektion gegen Beschwerdeentscheide der Zollkreisdirektionen gestrichen (Abs. 2).

Letztere unterliegen neu direkt der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch den Kommentar zu Art. 109 Zollgesetz, SR 631.0).

Art. 36 und 37 Abs. 1 Die Eidgenössische Zollrekurskommission geht im Bundesverwaltungsgericht auf.

Die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich bereits aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Eine diesbezügliche Bestimmung im Spezialgesetz ist daher überflüssig.

4438

45. Schwerverkehrsabgabegesetz vom 19. Dezember 1997 Art. 23 Abs. 3 und 4 Absatz 3 sieht für erstinstanzliche Verfügungen der Oberzolldirektion (mit Ausnahme der Sicherstellungsverfügungen) neu ein Einspracheverfahren vor. Bei der Konzeption des Schwerverkehrsabgabegesetzes ging man davon aus, dass die Oberzolldirektion keine Verfügungen im Bereich der Abgabepflicht erlassen würde. Dies ist indessen nicht so (vgl. Art. 25 der Schwerverkehrsabgabeverordnung, SR 641.811, AS 2000 1170). Insoweit ist ein Einspracheverfahren sachgerecht (analog Art. 32 Automobilsteuergesetz, SR 641.51 und Art. 34 Mineralölsteuergesetz, SR 641.61).

Der geltende Inhalt von Absatz 3 (Beschwerde an die Eidgenössische Zollrekurskommission) kann gestrichen werden, weil sich die nunmehr gegebene Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (anstelle der Beschwerde an die Eidgenössische Zollrekurskommission) bereits aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege ergibt. Eine diesbezügliche Bestimmung im Spezialgesetz ist daher überflüssig.

Absatz 4 verweist im Übrigen auf die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

46. Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer Art. 108 Abs. 1 zweiter Satz Die heute bestehende Möglichkeit, gegen die Verfügung der Eidgenössischen Steuerverwaltung direkt Beschwerde an das Bundesgericht zu erheben, wird zugunsten des neuen Modellinstanzenzuges aufgegeben (vgl. Ziff. 2.5.2). Damit wird dem Anliegen der vorliegenden Reform nachgelebt, dass das Bundesgericht nicht mehr als erste richterliche Instanz entscheiden soll.

Art. 112a Abs. 7 zweiter Satz Redaktionelle Anpassung (Verweis auf Art. 106 BGG anstelle von Art. 116 OG).

Art. 146 Die Bestimmung wird redaktionell der neuen Terminologie angepasst (statt «Verwaltungsgerichtsbeschwerde» «Beschwerde»).

Art. 147 Abs. 3 Redaktionelle Anpassung (statt «Bundesrechtspflegegesetz» «Bundesgerichtsgesetz»).

Art. 167 Abs. 3 An den erstinstanzlichen Entscheidbefugnissen über Erlassgesuche wird nichts geändert. Jedoch wird die heute endgültige Entscheidbefugnis der Eidgenössischen 4439

Erlasskommission bzw. der zuständigen kantonalen Amtsstelle aufgegeben (Aufhebung von Abs. 3). Auch in diesem Bereich soll und muss der gerichtliche Rechtsschutz gewährleistet sein. Ein hinreichender Grund für eine gesetzliche Ausnahme von der Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) besteht nicht, auch wenn der Entscheid über weite Strecken Ermessenssache ist. Die Einhaltung der rechtlichen Grenzen der Ermessensausübung ist richterlich überprüfbar, ebenso die Beachtung der gesetzlichen Kriterien für die Gewährung des Erlasses (vgl. Abs. 1). Konkret bedeutet dies, dass Entscheide der Eidgenössischen Erlasskommission der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht unterliegen und Entscheide der zuständigen kantonalen Amtsstelle einer innerkantonalen Beschwerdemöglichkeit. Der Weiterzug an das Bundesgericht ist ausgeschlossen (Art. 78 Abs. 1 Bst. l BGG).

Art. 169 Abs. 3 und 4 Die heute bestehende Möglichkeit, gegen Sicherstellungsverfügungen der kantonalen Steuerverwaltung direkt Beschwerde an das Bundesgericht zu erheben, wird aufgegeben. Neu ist zunächst Beschwerde an die kantonale Steuerrekurskommission zu führen (Abs. 3). Damit wird dem Anliegen der vorliegenden Reform nachgelebt, dass das Bundesgericht nicht mehr als erste richterliche Instanz entscheiden soll.

Absatz 4 wird lediglich redaktionell überarbeitet.

Art. 182 Abs. 2 Redaktionelle Anpassung («Beschwerde» statt «Verwaltungsgerichtsbeschwerde»).

Art. 197 Abs. 2 Redaktionelle Anpassung («verwaltungsrechtliches Verfahren» gestrichen).

47. Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden Art. 73 Abs. 1 Redaktionelle Anpassung («Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten» statt «Verwaltungsgerichtsbeschwerde»).

48. Bundesgesetz vom 8. Oktober 1999 über die Risikokapitalgesellschaften Art. 6 Abs. 5 Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Eine spezialgesetzliche Rechtspflegebestimmung ist überflüssig.

4440

49. Bundesgesetz vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer Art. 3 Abs. 1 Redaktionelle Anpassung (Verweis auf Art. 106 BGG statt auf das OG).

Art. 39 Abs. 3 Der Rechtsschutz gegen Verfügungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung betreffend die streitige Auskunftspflicht bedarf keiner besonderen Regelung. Der zweite Teilsatz wird daher gestrichen.

Art. 42 Randtitel (5. Einsprache) Unter der Ziffer 5 verbleibt mit der Streichung der Artikel 42a und 43 einzig Artikel 42 über die Einsprache. Der Randtitel wird entsprechend angepasst.

Art. 42a Die Eidgenössische Steuerrekurskommission geht im Bundesverwaltungsgericht auf.

Die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich bereits aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Eine diesbezügliche Bestimmung im Spezialgesetz ist daher überflüssig.

Einspracheentscheide über den Erlass einer Steuerforderung sind heute von der Beschwerde an die Rekurskommission ausgenommen, womit Beschwerde an den Bundesrat möglich ist. Die vorliegende Reform will den Bundesrat weitgehend von seinen Rechtsprechungsaufgaben entlasten (vgl. Ziff. 2.3.2). Um dies zu erreichen, werden Einspracheentscheide über den Erlass von Steuerforderungen künftig nicht von der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ausgenommen. Das führt zur Streichung der ganzen Bestimmung.

Art. 43 Die Bestimmung wird als überflüssig gestrichen. Die Weiterzugsmöglichkeit an das Bundesgericht bestimmt sich nach dem Bundesgerichtsgesetz. Die Beschwerdebefugnis der Eidgenössischen Steuerverwaltung soll beibehalten werden, kann aber auf Verordnungsstufe festgelegt werden (vgl. Art. 84 Bst. a BGG).

Art. 47 Abs. 3­5 An die Stelle der Beschwerde an die Eidgenössische Steuerrekurskommission tritt die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Abs. 3).

Die Weiterzugsmöglichkeit an das Bundesgericht bestimmt sich nach dem Bundesgerichtsgesetz und muss nicht besonders im Spezialgesetz vorgesehen werden. Hingegen wird in Absatz 4 festgehalten, dass Beschwerden gegen Sicherstellungsverfügungen (sowohl solche an das Bundesverwaltungsgericht als auch solche an das Bundesgericht) ­ wie heute ­ keine aufschiebende Wirkung haben.

4441

Die Beschwerdebefugnis der Eidgenössischen Steuerverwaltung soll beibehalten werden, kann aber auf Verordnungsstufe festgelegt werden (vgl. Art. 84 Bst. a BGG). Deshalb wird Absatz 5 als überflüssig gestrichen.

Art. 56

e. Beschwerde an das Bundesgericht

Die Bestimmung wird redaktionell der neuen Terminologie angepasst (statt «Verwaltungsgerichtsbeschwerde» «Beschwerde").

Art. 58 Abs. 4 Redaktionelle Anpassung (Verweis auf Art. 106 BGG statt auf das OG).

Art. 59 Abs. 3 Die Bestimmung wird als überflüssig gestrichen.

50. Bundesgesetz vom 12. Juni 1959 über den Wehrpflichtersatz Art. 31 Abs. 3 Die Bestimmung wird redaktionell der neuen Terminologie angepasst (statt «Verwaltungsgerichtsbeschwerde» «Beschwerde»).

Art. 36 Abs. 3 und 4 (neu) Die heute bestehende Möglichkeit, gegen Sicherstellungsverfügungen der kantonalen Steuerverwaltung direkt Beschwerde an das Bundesgericht zu erheben, wird aufgegeben. Neu ist zunächst Beschwerde an die kantonale Rekurskommission zu führen (Abs. 3). Damit wird dem Anliegen der vorliegenden Reform nachgelebt, dass das Bundesgericht nicht mehr als erste richterliche Instanz entscheiden soll.

Der frühere Satz 2 von Absatz 3 (keine aufschiebende Wirkung) wird ­ redaktionell verbessert ­ zu Absatz 4.

51. Alkoholgesetz vom 21. Juni 1932 Art. 47 Die Alkoholrekurskommission geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich bereits aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Eine diesbezügliche Bestimmung im Spezialgesetz ist daher überflüssig. (Vgl. auch den Kommentar zu Art. 49.)

4442

Art. 49

II. Verwaltungsbeschwerde

Die heutige Beschwerde an das Departement wird abgelöst durch die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Anfechtung von Strafverfügungen der Zollverwaltung richtet sich nach dem Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR), ohne dass dies extra gesagt sein muss bzw. ohne dass hierfür auf das Zollgesetz verwiesen werden muss, das seinerseits für die Anfechtung von Strafverfügungen auf das VStrR verweist (vgl. Art. 109 Abs. 4 Zollgesetz, SR 631.0). Artikel 49 kann entsprechend gestrafft werden. Zu erwähnen ist einzig die Verwaltungsbeschwerde an die Alkoholverwaltung.

52. Raumplanungsgesetz vom 22. Juni 1979 Art. 34

Bundesrecht

Gemäss Absatz 1 folgt der Rechtsschutz auf Bundesebene den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Damit wird auch Absatz 3 hinfällig.

Absatz 2 sieht die Beschwerdebefugnis der Kantone und Gemeinden in jenen Fällen vor, in denen sie bereits nach heute geltendem Recht zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht befugt sind.

53. Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung Art. 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird durch «Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht» ersetzt. Im Anwendungsbereich des Enteignungsgesetzes werden die Entscheide der Schätzungskommissionen neu vom Bundesverwaltungsgericht überprüft. Dessen Entscheide unterliegen der Beschwerde an das Bundesgericht. Durch das Zwischenschalten des Bundesverwaltungsgerichts wird dem Grundsatz Nachachtung verschafft, wonach das Bundesgericht nur mehr Entscheide von richterlichen Behörden überprüft (vgl. Art. 80 BGG).

Art. 15 Abs. 2 Das neue Rechtsmittelsystem (vgl. vorstehende Bemerkungen zu Art. 13 Abs. 2) ist mit der Kompetenz des Bundesgerichts zum Erlass von rechtsetzenden Normen auf Verordnungsstufe nicht mehr vereinbar. Die im Enteignungsgesetz verankerte Rechtsetzungsbefugnis des Bundesgerichts stellt eine Spezialität dar, die ihre Rechtfertigung in der besonderen Stellung des Gerichts als Aufsichts- und Rechtsmittelbehörde der Schätzungskommissionen hatte. Mit der Einsetzung des Bundesverwaltungsgerichts als Rechtsmittelbehörde verliert sie ihre Berechtigung. Die Angleichung der Rechtspflegebestimmungen an die allgemeinen Grundsätze der Bundesrechtspflege führt daher zu einer Anpassung auch der Rechtsetzungskompetenzen.

Neu steht die Befugnis zum Erlass von Verfahrensnormen auf Verordnungsstufe dem Bundesrat zu, wie dies auch in den übrigen Rechtsbereichen üblich ist.

4443

Art. 19bis Abs. 2 zweiter Satz An der Unanfechtbarkeit des Entscheids der Schätzungskommission über eine sofortige Zahlung in der voraussichtlichen Höhe der Verkehrswertentschädigung wird festgehalten. Entsprechend dem neuen Rechtsmittelweg muss aber nicht mehr die «Verwaltungsgerichtsbeschwerde» sondern die «Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht» ausgeschlossen werden. Es handelt sich dabei nicht um eine selbständige Ausnahme von der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach Artikel 27 VGG, sondern lediglich um die Klarstellung, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anfechtung von Zwischenverfügungen (Art. 46 VwVG in der Fassung gemäss Anhang zum VGG) nicht erfüllt sind.

Art. 59 Abs. 1 Mit dem Wegfall der Aufsichtsbefugnis des Bundesgerichts über die Geschäftsführung der Schätzungskommissionen (vgl. auch die Bemerkungen zu Art. 63) besteht auch kein Anlass mehr für eine Mitwirkung des Bundesgerichts bei der Wahl des Kommissionspräsidiums. Der Präsident und die beiden Stellvertreter werden wie die übrigen Kommissionsmitglieder vom Bundesrat bestellt (Bst. a). Aus dem gleichen Grund erübrigt sich die Mitwirkung des Bundesgerichts bei der Bestimmung der Anzahl der kantonalen Mitglieder für die einzelnen Schätzungskreise (Bst. c).

Art. 60 Abs. 4 zweiter Satz «Verwaltungsgerichtsbeschwerde» wird durch «Beschwerde» ersetzt.

Art. 62 erster Satz Der Begriff «Ablehnung» wird gestrichen. Es handelt sich um eine Anpassung an die Terminologie des BGG, die nicht mehr zwischen «Ausschliessungsgründen» und «Ablehnungsgründen» unterscheidet, sondern nur noch von «Ausstandsgründen» spricht (vgl. Art. 31 BGG).

Art. 63

5. Aufsicht

Als Folge des neuen Rechtsmittelsystems entfallen die Aufsichts-, Rechtsetzungsund Weisungskompetenzen des Bundesgerichts gegenüber den Schätzungskommissionen (vgl. die Bemerkungen zu Art. 13 Abs. 2, 15 Abs. 2 und 59 Abs. 1). Diese Befugnisse vertragen sich nicht mit der Regelung, wonach die Entscheide der Schätzungskommissionen beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden können.

Ausserdem führt ihr Wegfall zu einer willkommenen Entlastung des Bundesgerichts.

Statt des Bundesgerichts wird neu der Bundesrat die administrative Aufsicht über die Geschäftsführung der Schätzungskommissionen wahrnehmen. Ihm steht auch die Kompetenz zum Erlass von Verfahrensbestimmungen und zur Einforderung von Berichten zu. Hingegen verfügt er ­ anders als heute das Bundesgericht ­ nicht über die Befugnis, Weisungen zu erteilen. Eine Weisungsbefugnis wäre mit dem Institut der administrativen Aufsicht, welche sich auf die Überwachung der Geschäftserledigung zu beschränken hat, nicht vereinbar.

4444

Art. 64 Abs. 2 Anpassung an das neue Rechtsmittelsystem.

Art. 65 Abs. 2 Die Frage, ob eine Schätzungskommission ausnahmsweise auch zur Beurteilung von Enteignungen ausserhalb ihres Kreises zuständig ist, entscheidet auf Antrag der nach Absatz 1 örtlich zuständigen Schätzungskommission nicht mehr das Bundesgericht, sondern neu die angefragte Schätzungskommission.

Art. 69 Abs. 2 «Verwaltungsgerichtsbeschwerde» wird durch «Beschwerde» (an das Bundesverwaltungsgericht) ersetzt.

Art. 75

9. Rechtskraft

«Verwaltungsgerichtsbeschwerde» wird durch «Beschwerde» (an das Bundesverwaltungsgericht) ersetzt. Die Möglichkeiten der Anfechtung eines rechtskräftigen Entscheids der Schätzungskommission bestimmen sich nach den entsprechenden Vorschriften für rechtskräftige Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts.

Art. 76 Abs. 3 und 6 Absatz 3 sieht die Zuständigkeit des Instruktionsrichters auch für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Die spezialgesetzliche Vorschrift zur Rechtsmittelfrist in Absatz 6 wird aufgehoben.

Es gilt die allgemeine Rechtsmittelfrist von 30 Tagen.

Überschrift vor Art. 77 «Verwaltungsgerichtsbeschwerde» wird durch «Beschwerde» (an das Bundesverwaltungsgericht) ersetzt.

Art. 77

I. Grundsatz

Absatz 1 verankert das neue Rechtsmittelsystem (vgl. die Bemerkungen zu Art. 13 Abs. 2).

Gemäss Absatz 2 richtet sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, unter Vorbehalt anderslautender Bestimmungen des Enteignungsgesetzes, nach den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsgesetzes. Dieses wiederum verweist für das Verfahren grundsätzlich auf das Verwaltungsverfahrensgesetz (Art. 33 VGG).

Absatz 3 überträgt die bisherige spezialgesetzliche Vorschrift über die Zulässigkeit von neuen Begehren auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht. Im anschliessenden Verfahren vor dem Bundesgericht gelten hingegen die allgemeinen Verfahrensbestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

4445

Art. 78 Abs. 2 erster Satz «Bundesgericht» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

Art. 79 Die Bestimmung ist überflüssig. Die Verfahrensleitung im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsgesetzes (Art. 35 VGG).

Art. 80 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Satz Absatz 1 überträgt die Kompetenz zur Bestellung der Oberschätzungskommission für 15 Mitglieder wie bisher dem Bundesrat und für weitere 15 Mitglieder neu dem Bundesverwaltungsgericht (anstelle des Bundesgerichts). Die diesbezügliche Entlastung des Bundesgerichts ist Folge des neuen Rechtsmittelsystems (vgl. die Bemerkungen zu Art. 13 Abs. 2). Die Oberschätzungskommission besteht aus Fachleuten, die bei Bedarf vom Bundesverwaltungsgericht und vom Bundesgericht in Enteignugssachen beigezogen werden können. Deshalb ist es sachgerecht, dass das Bundesverwaltungsgericht, welches künftig die Beschwerden gegen Entscheide der Schätzungskommissionen in erster Linie zu beurteilen hat, an der Auswahl dieser Experten beteiligt ist.

Absatz 2 Satz 2 wird ergänzt mit der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts.

Streitigkeiten über den Ausstand von Mitgliedern der Oberschätzungskommission können sich im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgericht stellen. Zuständig zum Entscheid ist das jeweilige Gericht.

Art. 81

2. Gesamtsitzungen

Die Aufgaben des Bundesgerichts gehen an das Bundesverwaltungsgericht über.

Art. 87

IX. Beschwerde an das Bundesgericht

Absatz 1 verankert das neue Rechtsmittelsystem und sieht vor, dass die Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes an das Bundesgericht weitergezogen werden können (vgl. auch die Bemerkungen zu Art. 13 Abs. 2, 15 Abs. 2 und 59 Abs. 1).

Gemäss Absatz 2 gilt die spezialgesetzliche Legitimationsvorschrift von Art. 78 Abs. 1 auch für das Verfahren vor dem Bundesgericht. Im Übrigen finden die allgemeinen Verfahrensbestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes Anwendung.

Art. 108 zweiter Satz Satz 2 wird gestrichen; der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

4446

Art. 113 Randtitel und Abs. 2 Absatz 2 wird gestrichen. Der Rechtsschutz im Kostenpunkt folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Dementsprechend wird der Randtitel angepasst.

Art. 116 Randtitel, Abs. 1 erster Satz und Abs. 3 (neu) Der Randtitel wird dem neuen Rechtsmittelsystem angepasst.

Gemäss Absatz 1 findet die heute im Verfahren vor dem Bundesgericht geltende Regel, wonach der Enteigner die Verfahrenskosten und die Parteientschädigung an den Enteigneten zu bezahlen hat, auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Anwendung.

Demgegenüber gelten im Verfahren vor dem Bundesgericht die allgemeinen Vorschriften über die Kostentragung (Abs. 2). Eine Wiederholung der speziellen Regelung von Absatz 1 würde zu einer Belastung des Enteigners führen, die nicht sachgerecht wäre.

Schlussbestimmung zur Änderung vom ...

Die Schlussbestimmung stellt klar, dass die Ausführungsverordnungen des Bundesgerichts ihre Gültigkeit erst aufgrund einer entsprechenden Anordnung des Bundesrats verlieren. Damit ist gewährleistet, dass die geltenden Verordnungen bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der an ihre Stelle tretenden Bundesratsverordnungen Bestand haben.

54. Bundesgesetz vom 21. Juni 1991 über den Wasserbau Art. 16

Rechtsschutz

Redaktionelle Anpassung (statt des Verweises auf das OG und das VwVG wird auf die allgemeinen Bestimmungen der Bundesrechtspflege verwiesen).

55. Wasserrechtsgesetz vom 22. Dezember 1916 Art. 71 Abs. 2 Bislang hat bei Streitigkeiten gemäss Artikel 71 Absatz 2 die Rekurskommission UVEK als Schiedskommission entschieden. In Zukunft soll auch in diesen Fällen auf dem ordentlichen Verfügungsweg entschieden werden. Die Verfügungskompetenz steht dem UVEK zu. Dessen Anordnungen können gemäss den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

Art. 72 Abs. 3 Der Rechtsschutz richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

4447

56. Bundesgesetz über die Nationalstrassen vom 8. März 1960 Art. 14 Abs. 3 zweiter Satz Gegen die Festlegung der Projektierungszonen durch das Departement kann Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht geführt werden. Die Zuständigkeit des Bundesrats entfällt als Folge der in der Verfassung verankerten Rechtsweggarantie.

Art. 28 Abs. 5 Die Rekurskommission UVEK geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Die Notwendigkeit einer besonderen Bestimmung über den Rechtsschutz entfällt.

57. Energiegesetz vom 26. Juni 1998 Art. 25 Abs. 1 Redaktionelle Anpassung (statt des Verweises auf das OG und das VwVG wird auf die allgemeinen Bestimmungen der Bundesrechtspflege verwiesen).

58. Elektrizitätsmarktgesetz vom 15. Dezember 2000 Art. 18

Rechtsschutz

Der Rechtsschutz richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege (Abs. 1). Das bedeutet namentlich, dass Verfügungen letzter kantonaler Instanzen nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes beim Bundesgericht angefochten werden können.

Der frühere Absatz 4 wird zu Absatz 2.

59. Elektrizitätsgesetz vom 24. Juni 1902 Art. 23 Die Rekurskommission UVEK geht im Bundesverwaltungsgericht auf.

60. Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 Art. 2 Abs. 3bis Die Rekurskommission UVEK geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Die Notwendigkeit einer besonderen Rechtsschutzbestimmung entfällt, weshalb der entsprechende Satz gestrichen werden kann.

4448

Art. 3 Abs. 3 zweiter Satz und Abs. 4 dritter und vierter Satz Der Hinweis auf die staatsrechtliche Beschwerde in Absatz 3 Satz 2 wird gestrichen.

Der Rechtsschutz richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

Gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über Massnahmen zur örtlichen Verkehrsregelung gemäss Absatz 4 war bisher Beschwerde an den Bundesrat möglich (bisheriger Satz 3). Die Botschaft vom 31. März 1999 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes will dies ändern und sieht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht vor (BBl 1999 4509). Diesem Anliegen wird auch hier Rechnung getragen. Demzufolge wird die besondere Rechtspflegebestimmung des bisherigen Satzes 3 (Beschwerdemöglichkeit an den Bundesrat) gestrichen, womit die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege gelten. Konkret bedeutet dies, dass gegen letztinstanzliche kantonale (Gerichts)entscheide über solche Massnahmen Beschwerde an das Bundesgericht möglich ist. Es handelt sich um Rechtsstreitigkeiten, die sich für eine gerichtliche Beurteilung eignen. Verkehrsmassnahmen werden oftmals im Interesse des Umweltschutzes angeordnet. Es ist daher wichtig, dass das Bundesgericht solche Anordnungen überprüfen kann, gleich wie es die Handhabung des Umweltschutzrechtes des Bundes im Bereich des Bauwesens überprüfen kann. Ein Ausschluss der Zuständigkeit des Bundesgerichts wäre daher nicht gerechtfertigt.

Die Streichung der Rechtspflegebestimmung im bisherigen Satz 3 hat zur Folge, dass die bislang in Satz 4 geregelte Beschwerdeberechtigung der Gemeinden neu in Satz 3 geregelt wird, und ein Satz 4 entfällt.

Art. 24

Beschwerden

Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Er bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung, so dass die entsprechenden Vorschriften aufgehoben werden können. Geregelt werden muss lediglich die Beschwerdebefugnis, soweit sie von den allgemeinen Regeln der Bundesrechtspflege abweicht. Die diesbezügliche Regelung von Absatz 5 Buchstaben a und b, an der auch unter dem neuen Regime festgehalten wird, findet sich neu in Absatz 2.

Art. 32 Abs. 3 und 4 Die neue Formulierung der Absätze 3 und 4 entspricht der Fassung der Botschaft vom 31. März 1999 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes (BBl 1999 4462 ff., 4516).

Art. 89 Abs. 3 Auch bei Streitigkeiten über die Unterstellung unter die Haftpflichtbestimmungen des SVG richtet sich der Rechtsschutz nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

4449

61. Unfallverhütungsbeitragsgesetz vom 25. Juni 1976 Art. 9 Abs. 1 Als Folge der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Schaffung von richterlichen Behörden wird die Zuständigkeit des Bundesrats durch jene des Bundesverwaltungsgerichts ersetzt. Gleichzeitig ist klar gestellt, dass der Fonds Verfügungen treffen kann.

62. Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 Art. 11 Die Rekurskommission UVEK geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

Art. 18h Abs. 5 Die Rekurskommission UVEK geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung. Die Plangenehmigungsentscheide des Bundesamts und des Departements können beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

Art. 18s Abs. 3 vierter Satz Die Entscheide der Schätzungskommission können nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

Art. 40 Abs. 2 zweiter Satz Für die Erledigung von Streitigkeiten zwischen den Bundesbahnen und der Bundesverwaltung bedarf es keiner Spezialregelung. Vielmehr finden auch hier die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege Anwendung. Damit entfällt die Zuständigkeit des Bundesrats als Beschwerdeinstanz.

Art. 40a

2. Schiedskommission

Die Schiedskommission bleibt bestehen. Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung, bedingt durch die Aufhebung der Artikel 71a­71c VwVG.

Art. 48

VI. Streitigkeiten

Bei Streitigkeiten richtet sich der Rechtsschutz nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Die Verfügungen des Bundesamtes können beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. Die Rekurskommission VBS geht im Bundesverwaltungsgericht auf, und die Zuständigkeit des Bundesrats als Beschwerdeinstanz entfällt.

4450

Art. 51 Abs. 4 zweiter Satz Die Zuständigkeit des Bundesrats als Beschwerdeinstanz entfällt. Es gelten die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

63. Bundesgesetz vom 5. Oktober 1990 über die Anschlussgleise Art. 21 Abs. 2 und Abs. 3 zweiter Satz «Gesetzgebung über die Organisation der Bundesrechtspflege» wird durch «Bestimmungen über die Bundesrechtspflege» ersetzt (Abs. 2).

Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung. Absatz 3 Satz 2 kann daher aufgehoben werden.

64. Bundesgesetz vom 29. März 1950 über die Trolleybusunternehmungen Art. 8

2. Beschwerde

Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung (Abs. 1).

Die bisher in Absatz 1 aufgeführte spezielle Legitimationsregelung (Beschwerdebefugnis der Regierung des beteiligten Kantons) wird beibehalten und findet sich neu in Absatz 2.

65. Rohrleitungsgesetz vom 4. Oktober 1963 Art. 1 Abs. 5 Als Folge der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Schaffung von richterlichen Behörden wird die Zuständigkeit des Bundesrats aufgehoben. Es gelten die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

Art. 23 Abs. 3 Die Rekurskommission UVEK geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Es gelten die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

66. Bundesgesetz vom 28. September 1923 über das Schiffsregister Art. 3 Abs. 3 Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

4451

67. Bundesgesetz vom 3. Oktober 1975 über die Binnenschifffahrt Art. 8 Abs. 3 Die Rekurskommission UVEK geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Es gelten die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege, und eine spezialgesetzliche Regelung erübrigt sich.

Überschrift vor Art. 38 «Beschwerden» entfällt, da die spezialgesetzlichen Rechtsschutzbestimmungen aufgehoben werden.

Art. 38 Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

68. Seeschiffahrtsgesetz vom 23. September 1953 Art. 13 Abs. 2 Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung. Die Verfügungen des Schweizerischen Seeschiffsregisteramtes unterliegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Art. 161 Abs. 4 Als Folge der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Schaffung von richterlichen Behörden kann der Entscheid des Schweizerischen Seeschifffahrtsamts beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. Eine spezialgesetzliche Rechtsschutzbestimmung erübrigt sich.

69. Luftfahrtsgesetz vom 21. Dezember 1948 Art. 6 Abs. 1 Die Rekurskommission UVEK geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Es gelten die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

Art. 37s Abs. 3 vierter Satz Die Entscheide der Schätzungskommission können nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. Eine spezialgesetzliche Regelung erübrigt sich.

4452

70. Bundesgesetz vom 7. Oktober 1959 über das Luftfahrzeugbuch Art. 17 Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

71. Postgesetz vom 30. April 1997 Art. 8 Abs. 2 Die Rekurskommission UVEK geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

Art. 18

Ausnahmen

Die Rekurskommission UVEK geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Dessen Entscheide können nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes beim Bundesgericht angefochten werden.

72. Fernmeldegesetz vom 30. April 1997 Art. 11 Abs. 4 erster Satz Neu unterliegen die Verfügungen der Kommission der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist ausgeschlossen (Art. 78 Abs. 1 Bst. n BGG; vgl. dazu die Bemerkungen zu Art. 78 BGG).

Art. 61 Die Rekurskommission UVEK geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung. Dies bedeutet, dass neu auch die Verfügungen der Kommission der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht unterliegen. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist ausgeschlossen (Art. 78 Abs. 1 Bst. n BGG; vgl. dazu die Bemerkungen zu Art. 78 BGG).

Art. 63 Die Rekurskommission UVEK wird aufgehoben.

4453

73. Bundesgesetz vom 19. Dezember 1877 betreffend die Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der Schweizerischen Eidgenossenschaft Art. 20 Die Rekurskommission für medizinische Aus- und Weiterbildung geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung. Das Fachwissen, das im Verfahren vor der Rekurskommission durch das Mitwirken von sechs (nebenamtlichen) Fachrichtern gewährleistet war (vgl. BBl 1999 8651), muss im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nötigenfalls durch Experten oder Amtsberichte beigebracht werden.

74. Heilmittelgesetz vom 15. Dezember 2000 Art. 84 Sachüberschrift und Abs. 1 Redaktionelle Anpassung (Verweis auf VGG und BGG anstelle des aufgehobenen Bundesrechtspflegegesetzes).

Art. 85 Die Rekurskommission für Heilmittel geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung. Das Fachwissen, das im Verfahren vor der Rekurskommission durch das Mitwirken von Fachrichtern gewährleistet war, muss im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nötigenfalls durch Experten oder Amtsberichte beigebracht werden.

75. Chemikaliengesetz vom 15. Dezember 2000 Art. 48 Abs. 1 erster Satz «Rekurskommission für Chemikalien» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

76. Umweltschutzgesetz vom 7. Oktober 1983 Art. 54

Rechtspflege

Das Beschwerdeverfahren folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege (Abs. 1).

Die Absätze 2 und 3 basieren auf der Fassung gemäss Botschaft vom 1. März 2000 (BBl 2000 2438 f.; vgl. auch BBl 2000 6179), werden aber dem neuen Rechtsmittelsystem angepasst. Namentlich werden die Rekurskommission UVEK und die Rekurskommission für Chemikalien durch das Bundesverwaltungsgericht ersetzt.

4454

Art. 55 Abs. 1 Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung, die sicher stellt, dass die Beschwerdebefugnis im bisherigen Umfang bestehen bleibt und unnötige spezialgesetzliche Aussagen zum Rechtsmittelweg vermieden werden.

Art. 56 Abs. 3 Die Vorschrift kann aufgehoben werden, da sich Rechtsmittelweg und Eröffnungspflicht bereits aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege bzw. den dazu gehörenden Ausführungsbestimmungen ergeben.

77. Gewässerschutzgesetz vom 24. Januar 1991 Art. 67

Rechtspflege

Das Beschwerdeverfahren folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege (Abs. 1).

Absatz 2 basiert auf der Fassung gemäss Botschaft vom 1. März 2000 (BBl 2000 2445), wird aber dem neuen Rechtsmittelsystem angepasst. Namentlich werden die Rekurskommission UVEK, die Rekurskommission für Chemikalien und die Rekurskommission EVD durch das Bundesverwaltungsgericht ersetzt.

Absatz 3 (Anhörung des Bundesamtes) entspricht dem früheren Absatz 4 (BBl 2000 2445).

Art. 67a Abs. 2 Die Vorschrift kann aufgehoben werden, da sich Rechtsmittelweg und Eröffnungspflicht bereits aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege bzw. den dazu gehörenden Ausführungsbestimmungen ergeben.

78. Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 1998 Art. 13 Die Bestimmung wird als überflüssig aufgehoben. Die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesgericht bestimmt sich nach dem Bundesgerichtsgesetz.

Art. 27 Abs. 5 Die Bestimmung wird als überflüssig aufgehoben. Die Beschwerdemöglichkeiten ergeben sich aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedürfen keiner Regelung im Spezialgesetz.

4455

79. Lebensmittelgesetz vom 9. Oktober 1992 Art. 54

Bundesrechtspflege

Redaktionelle Anpassung (Verweis auf die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege).

80. Epidemiengesetz vom 18. Dezember 1970 Art. 34 Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

81. Bundesgesetz vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose Art. 16 Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

82. Bundesgesetz vom 19. März 1976 über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten Art. 12

Rechtspflege

Absatz 1 verweist für den Rechtsschutz auf die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

Absatz 2 stellt klar, dass die Fachorganisationen und Institutionen Verfügungen erlassen können und diese beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden können.

83. Arbeitsgesetz vom 13. März 1964 Art. 55 Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

Art. 57 Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

4456

Art. 58

Beschwerderecht

Die Beschwerdelegitimation der Verbände der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird beibehalten. Die Beschwerdeberechtigung der übrigen in Artikel 58 Absatz 1 in der geltenden Fassung genannten Personen ergibt sich aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und muss hier nicht speziell erwähnt werden.

84. Arbeitszeitgesetz vom 8. Oktober 1971 Art. 18 Sachüberschrift und Abs. 3 Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

85. Heimarbeitsgesetz vom 20. März 1981 Art. 16 Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung. Die Entscheide der letzten kantonalen Instanzen sind nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes beim Bundesgericht anfechtbar.

86. Arbeitsvermittlungsgesetz vom 6. Oktober 1989 Art. 38 Abs. 2 Bst. b­d und Abs. 3 zweiter Satz Absatz 2: Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf (Bst. b). Die Zuständigkeit des Bundesgerichts ergibt sich aus dem Bundesgerichtsgesetz (Bst. c). Die Zuständigkeit des Bundesrats als Beschwerdeinstanz entfällt (Bst. d).

Absatz 3 Satz 2: Redaktionelle Anpassung.

87. Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Bildung von Arbeitsbeschaffungsreserven der privaten Wirtschaft Art. 12 Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

4457

88. Bundesgesetz vom 20. Dezember 1985 über die Bildung steuerbegünstigter Arbeitsbeschaffungsreserven Art. 20 Abs. 1 Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

89. Zivildienstgesetz vom 6. Oktober 1995 Art. 58 Abs. 3 Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung. Gegen Verfügungen im Sinne von Absatz 1 kann Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht geführt werden.

Art. 63

Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht

Die Rekurskommission des Departements geht im Bundesverwaltungsgericht auf.

Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet endgültig. Wie nach geltendem Recht (Art. 100 Abs. 1 Bst. d Ziff. 4 OG) ist die Beschwerde an das Bundesgericht ausgeschlossen (Art. 78 Abs. 1 Bst. h BGG).

Art. 65

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

Die besondere Kostenregelung wird beibehalten und gelangt im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Anwendung.

Art. 66 Einleitungssatz «Rekurskommission» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

90. Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts Art. 62

Bundesgericht

Absatz 1 wird redaktionell angepasst an den Umstand, dass es nur noch ein Bundesgericht (Teilintegration des EVG) und eine Einheitsbeschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gibt.

4458

91. Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung Art 54 Abs. 3 dritter Satz Die Entscheide des Schiedsgerichts können beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. Dessen Entscheide sind nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes beim Bundesgericht anfechtbar.

Art. 85bis Abs. 1­3 Absatz 1: Die Eidgenössische Rekurskommission der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für die im Ausland wohnenden Personen geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Die Befugnis des Bundesrats, die Zuständigkeit anders zu ordnen, wird konkreter gefasst und auf die Einsetzung des Versicherungsgerichts des Kantons, in welchem der Arbeitgeber des Versicherten seinen Sitz hat, beschränkt (vgl. Art. 200 Abs. 3 AHVV, SR 831.101).

Absatz 2 hält fest, dass das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht für die Parteien grundsätzlich kostenlos ist, wenn es um Leistungen, Forderungen oder Anordnungen betreffend die AHV geht. Absatz 2 übernimmt damit die Regel von Artikel 61 Absatz 1 Buchstabe a ATSG, der für das Verfahren vor den kantonalen Versicherungsgerichten den Grundsatz der Kostenlosigkeit statuiert. Die Tatsache, dass für AHV-Beschwerden von Personen im Ausland das Bundesverwaltungsgericht (und nicht die kantonalen Versicherungsgerichte) zuständig ist, darf nicht dazu führen, dass die Parteien der Kostenlosigkeit des Verfahrens verlustig gehen.

Die spezielle Verfahrensregel von Absatz 3 (Zuständigkeit des Einzelrichters) wird beibehalten; sie kommt neu im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Anwendung.

Art. 86 Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

92. Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung Art. 69 Abs. 2 Vgl. die Bemerkungen zu Artikel 85bis AHVG.

Art. 75bis Die Eidgenössische Rekurskommission für kollektive Leistungen der Invalidenversicherung geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

4459

93. Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters- Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge Art. 73 Abs. 4 Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

Art. 74 Die Eidgenössische Beschwerdekommission geht im Bundesverwaltungsgericht auf.

Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

Art. 79 Abs. 2 Infolge Wegfalls der Eidgenössischen Beschwerdekommission unterliegen Bussenverfügungen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

94. Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung Art. 18 Abs. 8 (neu) Die Kostenlosigkeit des Verfahrens (vgl. Art. 85bis Abs. 2 AHVG in der Fassung dieser Vorlage und die diesbezüglichen Bemerkungen) rechtfertigt sich jedenfalls für Beschwerden gegen Verfügungen betreffend die Versicherungspflicht von Rentnern, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union wohnen (Art. 18 Abs. 2bis und 2ter KVG, vgl. BBl 2000 5123). Dadurch wird eine Ungleichbehandlung mit Personen mit Wohnsitz in der Schweiz vermieden, die gegen eine entsprechende Verfügung vor dem kantonalen Versicherungsgericht kostenlos Beschwerde führen können (Art. 61 Abs. 1 Bst. a ATSG).

Art. 53 Neu entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Beschlüsse der Kantonsregierungen im Sinne von Artikel 53 KVG. Der Bundesrat wird von seinen diesbezüglichen Rechtspflegefunktionen entlastet (vgl. die eingehenden Bemerkungen zu Art. 30 VGG).

Art. 90 Die Eidgenössische Rekurskommission für die Spezialitätenliste geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

4460

Art. 90a Die Eidgenössische Rekurskommission der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für die im Ausland wohnenden Personen geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

Art. 91

Bundesgericht

Die Eidgenössische Rekurskommission für die Spezialitätenliste geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Gegen dessen Entscheide ist die Beschwerde nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes möglich. Im Spezialgesetz zu erwähnen ist einzig die Beschwerde an das Bundesgericht gegen Entscheide des kantonalen Schiedsgerichts.

95. Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung Art. 57 Abs. 5 (neu) Die Entscheide des kantonalen Schiedsgerichts unterliegen nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes der Beschwerde an das Bundesgericht, was aus systematischen Gründen nunmehr in Artikel 57 in einem neuen Absatz 5 festgehalten wird (vgl.

auch die Bemerkung zu Art. 110).

Art. 106 Mit der Aufhebung dieser Bestimmung wird die Beschwerdefrist vereinheitlicht. Die Frist zur Einreichung einer Beschwerde gegen Einspracheentscheide beträgt neu 30 Tage wie in den anderen Sozialversicherungszweigen (Art. 60 ATSG) und im Verwaltungsverfahren des Bundes (Art. 50 VwVG). Die Aufhebung der geltenden Beschwerdefrist von drei Monaten rechtfertigt sich umso mehr, als die Einsprachefrist bereits heute nur 30 Tage beträgt (Art. 52 Abs. 1 ATSG). Wenn die Beschwerdefrist länger dauert als die Einsprachefrist, erweckt dies beim Versicherten den falschen Eindruck, dass das Einspracheverfahren lediglich ein notwendiges, aber bedeutungsloses Durchgangsprozedere sei.

Art. 109

Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht

Die eidgenössische Rekurskommission für die Unfallversicherung geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Beschwerden gegen die in Artikel 109 UVG genannten Einspracheentscheide sind demnach künftig an das Bundesverwaltungsgericht zu richten (Abs. 1).

Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (vgl. Art. 33 VGG). Demzufolge ist Absatz 2 aufzuheben.

4461

Art. 110 Die Bestimmung ist überflüssig. Die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesgericht ergibt sich aus dem Bundesgerichtsgesetz, für Entscheide der kantonalen Schiedsgerichte ist sie im neuen Absatz 5 von Artikel 57 festgehalten.

Art. 111

Aufschiebende Wirkung

Redaktionelle Anpassung an die neue Terminologie des neuen Rechtsmittelsystems (Streichung von «Verwaltungsgerichtsbeschwerde»). Der Begriff «Beschwerdeinstanz» kann als Folge der Aufhebung der Rekurskommission für die Unfallversicherung gestrichen werden.

96. Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über die Militärversicherung Art. 27 Abs. 5 (neu) Die Entscheide des kantonalen Schiedsgerichts unterliegen nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes der Beschwerde an das Bundesgericht, was aus systematischen Gründen nunmehr in Artikel 27 in einem neuen Absatz 5 festgehalten wird (vgl.

auch die Bemerkung zu Art. 107).

Art. 104 Die Beschwerdefrist beträgt einheitlich 30 Tage, auch für die Zwischenverfügungen.

Eine entsprechende Neuerung ist im VwVG und im Bundesgerichtsgesetz vorgesehen (vgl. die Bemerkungen zu Art. 50 VwVG und Art. 94 Abs. 1 BGG). Neu wird zudem die Sonderfrist von drei Monaten für die Beschwerde gegen Endverfügungen aufgegeben (vgl. auch die Änderung von Art. 106 UVG). Da Artikel 60 ATSG einheitlich eine Beschwerdefrist von 30 Tagen vorsieht, ist auf eine Sonderregel im Militärversicherungsgesetz zu verzichten.

Art. 107 Die Bestimmung kann infolge des neuen Absatzes 5 von Artikel 27 als überflüssig gestrichen werden.

97. Erwerbsersatzgesetz vom 25. September 1952 Art. 24 Abs. 2 Vgl. die Bemerkungen zu Artikel 85bis AHVG.

4462

98. Bundesgesetz vom 20. Juni 1952 über die Familienzulagen in der Landwirtschaft Art. 6 Abs. 4 Die Eidgenössische Rekurskommission für die Abgrenzung der Berggebiete und der voralpinen Hügelzone geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet ­ wie heute die Rekurskommission ­ in diesem Bereich endgültig (Art. 78 Abs. 1 Bst. p BGG).

Art. 22 Abs. 2 Vgl. die Bemerkungen zu Artikel 85bis AHVG.

99. Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 25. Juni 1982 Art. 101

Besondere Beschwerdeinstanz

«Rekurskommission EVD» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt (Abs. 1).

Absatz 2 wird aufgehoben, da sich die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesgericht aus dem BGG ergibt.

100. Bundesgesetz vom 19. März 1965 über Massnahmen zur Förderung des Wohnungsbaues Art. 20 Abs. 3 und 4 Absatz 3: «Rekurskommission EVD» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt. Die Möglichkeit der Beschwerde an das Bundesgericht bestimmt sich nach dem BGG.

Absatz 4 wird als überflüssig gestrichen.

101. Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz vom 4. Oktober 1974 Art. 59 Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

4463

102. Bundesgesetz vom 20. März 1970 über die Verbesserung der Wohnverhältnisse in Berggebieten Art. 18a Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

103. Zuständigkeitsgesetz vom 24. Juni 1977 Art. 34 Abs. 2 und 3 Beschwerdeinstanz für die Überprüfung des Abweisungsbeschlusses ist neu das zuständige Gericht des fordernden Kantons (Abs. 2).

Der anschliessende Rechtsschutz ergibt sich aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege, so dass Absatz 3 aufgehoben werden kann.

104. Bundesgesetz vom 21. März 1973 über Fürsorgeleistungen an Auslandschweizer Art. 22 Der Rechtsschutz ergibt sich aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege, so dass Absatz 1 entsprechend gekürzt und Absatz 2 aufgehoben werden kann. Im Spezialgesetz vorzusehen ist einzig die Verwaltungsbeschwerde an das zuständige Bundesamt gegen Verfügungen schweizerischer Vertretungen. Für solche Verfügungen rechtfertigt sich zunächst eine verwaltungsinterne Überprüfung durch das zuständige Bundesamt.

105. Bundesgesetz vom 21. März 1997 über Investitionshilfe für Berggebiete Art. 24 «Rekurskommission des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt. In diesem Bereich liegt eine der wenigen Ausnahmen vor, in denen das Bundesverwaltungsgericht kantonale Entscheide überprüft (vgl. Art. 29 Bst. h VGG und die Ausführungen in Ziff. 2.5.2).

4464

106. Bundesgesetz vom 25. Juni 1976 über die Gewährung von Bürgschaften und Zinskostenbeiträgen in Berggebieten 4. Kapitel (Art. 11) Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

107. Bundesbeschluss vom 21. März 1997 über die Unterstützung des Strukturwandels im ländlichen Raum Art. 7 Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

108. Landwirtschaftsgesetz vom 29. April 1998 Art. 166 Abs. 2 und 2bis In Absatz 2 wird «Rekurskommission EVD» durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt.

Absatz 2bis (vgl. BBl 2000 6180) übernimmt die Anhörung der am vorinstanzlichen Verfahren beteiligten Beurteilungsstellen. Sie ist nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht vorzunehmen. Die Rekurskommission für Chemikalien geht im Bundesverwaltungsgericht auf.

Art. 167 Abs. 1 zweiter Satz «Rekurskommission EVD» wird durch «Bundesverwaltungsgericht» ersetzt. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet endgültig. Wie heute ist in Sachen Milchkontingentierung die Beschwerde an das Bundesgericht unzulässig (Art. 78 Abs. 1 Bst. p BGG).

109. Tierseuchengesetz vom 1. Juli 1966 Art. 46 Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

4465

110. Waldgesetz vom 4. Oktober 1991 Art. 46 Abs. 1 sowie 1bis und 1ter (neu) Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege (Abs. 1).

Die Absätze 1bis und 1ter basieren auf der Fassung gemäss Botschaft vom 1. März 2000 (BBl 2000 2448), werden aber dem neuen Rechtsmittelsystem angepasst. Namentlich wird die Rekurskommission UVEK durch das Bundesverwaltungsgericht ersetzt.

111. Bundesgesetz vom 21. Juni 1991 über die Fischerei Art. 26a

Rechtspflege

Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege (Abs. 1).

Absatz 2 basiert auf der Fassung gemäss Botschaft vom 1. März 2000 (BBl 2000 2450), wird aber dem neuen Rechtsmittelsystem angepasst. Namentlich wird die Rekurskommission UVEK durch das Bundesverwaltungsgericht ersetzt.

Absatz 3 entspricht dem früheren Absatz 1.

Art. 26b Die Bestimmung (in der Fassung gemäss Botschaft vom 1. März 2000, BBl 2000 2450) erübrigt sich durch Artikel 26a und ist zu streichen.

112. Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 über die Förderung des Hotel- und Kurortskredites Art. 14 Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung. Ebenfalls überflüssig ist der Verweis in Absatz 2 auf die allgemeinen Verfahrensbestimmungen.

113. Bundesbeschluss vom 10. Oktober 1997 über die Förderung von Innovation und Zusammenarbeit im Tourismus Art. 7 Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

4466

114. Bundesgesetz vom 8. Juni 1923 betreffend die Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten Art. 27 Der Bundesrat ist nicht mehr Beschwerdeinstanz, da er von seinen Rechtsprechungsaufgaben entlastet werden soll und die Verfassung neu die Schaffung von richterlichen Behörden vorschreibt. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

115. Spielbankengesetz vom 18. Dezember 1998 5. Kapitel (Art. 54) Die Rekurskommission für die Spielbanken geht im Bundesverwaltungsgericht auf.

Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

116. Bundesgesetz vom 9. Juni 1977 über das Messwesen Art. 26 Der Beschwerdedienst des Departements wird aufgehoben. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

117. Edelmetallkontrollgesetz vom 20. Juni 1933 Art. 12 Abs. 3 Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung. Der Entscheid des Zentralamts kann demnach beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

Art. 18 Abs. 2 dritter Satz Auch hier ist die Erwähnung der Rechtsmittelbehörde entbehrlich, da sich der Rechtsschutz aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege ergibt.

Art. 26 Abs. 4 Vgl. die Bemerkungen zu Artikel 12 Absatz 3.

Art. 40 Abs. 2 dritter Satz Vgl. die Bemerkungen zu Artikel 12 Absatz 3.

4467

Art. 43 Abs. 2 und 3 Der Beschwerdedienst des Finanzdepartements wird aufgehoben. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

118. Sprengstoffgesetz vom 25. März 1977 Art. 36

Rechtsschutz

Die Rekurskommission EVD (Abs. 1) und der Beschwerdedienst des EJPD (Abs. 2) gehen im Bundesverwaltungsgericht auf. Im Spezialgesetz zu erwähnen ist einzig die Verwaltungsbeschwerde an das zuständige Bundesamt. Im Übrigen folgt der Rechtsschutz den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Beschwerdeentscheide des Bundesamtes beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden können. In letzter Instanz kann neu das Bundesgericht angerufen werden, soweit das Bundesgerichtsgesetz die Beschwerde zulässt. Die Verfügungen der letzten kantonalen Instanz unterliegen ­ entsprechend dem Modellinstanzenzug (vgl.

Ziff. 2.5.2) ­ nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes der Beschwerde an das Bundesgericht.

119. Preisüberwachungsgesetz vom 20. Dezember 1985 Art. 20 Die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

Art. 22 Die Massgeblichkeit der allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege versteht sich von selbst; die Bestimmung kann daher aufgehoben werden.

120. Binnenmarktgesetz vom 6. Oktober 1995 Art. 9 Abs. 2 und 3 Die Pflicht der Kantone, wenigstens ein Rechtsmittel an eine verwaltungsunabhängige (richterliche) Behörde vorzusehen, wird beibehalten (Abs. 2). Gestrichen wird der Vorbehalt der staatsrechtlichen Beschwerde, welche im neuen Rechtsmittelsystem nicht mehr existiert. Die Zulässigkeit einer Beschwerde an das Bundesgericht bestimmt das Bundesgerichtsgesetz (vgl. Art. 78 Abs. 1 Bst. e BGG).

Nichts geändert wird an der Entscheidbefugnis der Rechtsmittelinstanz, jedoch muss auch in Absatz 3 der Hinweis auf die staatsrechtliche Beschwerde entfallen.

4468

121. Bundesgesetz vom 26. September 1958 über die Exportrisikogarantie Art. 15a Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung. Auch der Hinweis auf die allgemeinen Verfahrensregeln ist entbehrlich.

122. Exportförderungsgesetz vom 6. Oktober 2000 Art. 6 Abs. 1 und 2 Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Dessen Zuständigkeit ergibt sich, soweit es um die nachträgliche Verwaltungsrechtspflege geht, aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner Regelung im Spezialgesetz. Hingegen sieht Artikel 6 vor, dass das Bundesverwaltungsgericht Streitigkeiten aus Aufträgen auf Klage hin beurteilt.

123. Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen Art. 6 Abs. 2 und 3 Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

124. Nationalbankgesetz vom 23. Dezember 1953 Art. 68a Abs. 1 Neu können die in Artikel 68a genannten Verfügungen beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. Das Bundesgericht soll nur noch Entscheide von richterlichen Behörden überprüfen müssen.

125. Anlagefondsgesetz vom 18. März 1994 Art. 62 Abs. 2 Die Verfügungen der Aufsichtsbehörde können neu beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden, was sich bereits aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege ergibt.

4469

126. Bundesbeschluss vom 6. Oktober 1995 zugunsten wirtschaftlicher Erneuerungsgebiete Art. 8 Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

127. Bankengesetz vom 8. November 1934 Art. 24 Gegen Verfügungen der Bankenkommission kann neu Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht geführt werden, was sich bereits aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege ergibt.

128. Börsengesetz vom 24. März 1995 8. Abschnitt (Art. 39) Gegen Verfügungen der Aufsichtsbehörde kann neu Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht geführt werden, was sich bereits aus den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege ergibt.

129. Versicherungsaufsichtsgesetz vom 23. Juni 1978 Art. 45a Die Rekurskommission für die Aufsicht über die Privatversicherung geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

130. Bundesgesetz vom 20. März 1970 über die Investitionsrisikogarantie Art. 24 Die Rekurskommission EVD geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung. Auch der Hinweis auf die allgemeinen Verfahrensregeln ist entbehrlich.

4470

131. Bundesgesetz vom 21. März 1980 über Entschädigungsansprüche gegenüber dem Ausland Art. 2 Abs. 2 zweiter Satz Als Folge der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Schaffung von richterlichen Behörden wird die Zuständigkeit des Bundesrats aufgehoben. Es gelten die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege. Die Verfügung des EDA kann beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

Art. 3

Kommission

Die Rekurskommission für ausländische Entschädigungen geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Die Bestimmung erwähnt daher nur noch die Kommission für ausländische Entschädigungen, nicht mehr aber auch die Rekurskommission.

Art. 7 Vgl. die Bemerkungen zu Artikel 3.

Art. 8 Abs. 2, 4 und 5 Der Hinweis in Absatz 2 auf die Rekurskommission entfällt (vgl. die Bemerkungen zu Art. 3). Die endgültige Entscheidkompetenz der (aufgehobenen) Rekurskommission (Abs. 4) wird gestrichen. Eine Ausnahme von der Beschwerde an das Bundesgericht rechtfertigt sich nicht mehr, zumal in diesem Bereich ohnehin nur sehr wenige Beschwerden eingehen. Absatz 5 ist überflüssig.

132. Bundesbeschluss vom 20. September 1957 über die Gewährung von Vorauszahlungen an schweizerische Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung Art. 5 Die Rekurskommission für Nationalisierungsentschädigungen geht im Bundesverwaltungsgericht auf. Der Rechtsschutz folgt den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege und bedarf keiner spezialgesetzlichen Regelung.

4.4

Bundesbeschluss über das Inkrafttreten der Justizreform vom 12. März 2000

Art. 1 Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Justizreform wird auf den gleichen Zeitpunkt festgesetzt, an dem das neue Bundesgerichtsgesetz in Kraft tritt. Indem die Verfassungsgrundlage und die Ausführungsgesetzgebung gleichzeitig in Kraft treten, werden Schwierigkeiten vermieden, die mit einer allfälligen direkten Anwendbarkeit der Verfassungsnormen entstehen können (vgl. dazu die Ausführungen in Ziff. 1.3.2).

4471

Aus Gründen der Klarheit wird auf das Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes (und nicht der Ausführungsgesetzgebung schlechthin) abgestellt, obwohl zur Ausführungsgesetzgebung des Bundes auch das Verwaltungsgerichtsgesetz und das Strafgerichtsgesetz gehören. Diesem Vorschlag liegt die Prämisse zugrunde, dass die drei genannten Gesetze ihrerseits gleichzeitig in Kraft gesetzt werden können.

(Sollte eines der Gesetze vorgezogen werden, müsste allenfalls auch eine gestaffelte Inkraftsetzung der Justizreform in Erwägung gezogen werden.)

Art. 2 Gemäss Artikel 163 Absatz 2 BV ergehen nicht rechtsetzende Erlasse in der Form des Bundesbeschlusses; ein Bundesbeschluss, der dem Referendum nicht untersteht, wird als einfacher Bundesbeschluss bezeichnet.

Der Beschluss über das Inkrafttreten der Justizreform ist nicht rechtsetzend. Ziffer III Absatz 2 des Bundesbeschlusses über die Justizreform, welche die Bundesversammlung zur Inkraftsetzung ermächtigt, sieht die Referendumsmöglichkeit nicht vor. Demnach ergeht der Inkraftsetzungsbeschluss in Form des einfachen Bundesbeschlusses. Das Referendum ist ausgeschlossen (Abs. 1).

Folgerichtig bestimmt Absatz 2, dass der Bundesbeschluss über das Inkrafttreten der Justizreform seinerseits am Tag seiner Verabschiedung in Kraft tritt.

5

Auswirkungen

5.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

5.1.1

Auf den Bund

Mit der Errichtung eines Bundesstrafgerichts und eines Bundesverwaltungsgerichts muss mit jährlichen Mehrkosten von 10,2­16,6 Millionen Franken gerechnet werden. Diese Zahlen basieren auf einer betriebswirtschaftlichen Studie der Ernst & Young Consulting AG (EYC) vom 25. September 2000 (vgl. auch Ziff. 2.5.3) und setzen sich wie folgt zusammen: Für das Bundesstrafgericht hat EYC jährliche Kosten von minimal 10,8 und maximal 17,2 Millionen Franken errechnet. Die grosse Diskrepanz zwischen Minimalund Maximalkosten rührt daher, dass für den Strafrechtsbereich kein Ist-Zustand als Berechnungsgrundlage vorhanden war und eine hohe Streuung der Bearbeitungsintensitäten berücksichtigt werden musste. Diesen Werten stehen Einsparungen beim Bundesgericht in Folge des Wegfalls der Anklagekammer und der Tätigkeit des bisherigen Bundesstrafgerichts von schätzungsweise 1,1 Millionen Franken gegenüber.

Damit entstehen Mehrkosten von jährlich 9,7­16,1 Millionen Franken jährlich. Diese kommen ab dem Zeitpunkt zum Tragen, wenn das Bundesstrafgericht seine Tätigkeit aufgenommen hat, was voraussichtlich ca. 2004 der Fall sein wird.

Für das Bundesverwaltungsgericht hat EYC jährliche Kosten von 45,4 Millionen Franken errechnet. Diesem Betrag steht der Wegfall der heutigen Kosten von insgesamt 44,9 Millionen Franken für die Rekurskommissionen (einschliesslich ARK) und die Beschwerdedienste der Departemente gegenüber, wobei dieser Betrag von erhobenen Ist-Kosten von 38,9 Millionen Franken (Staatsrechnung) ausgeht und ei-

4472

ne Korrektur aufgrund der Personalvollkostenberechnung für das Jahr 2000 und der Sachkosten analog den Sollkosten-Ansätzen einbezieht. Für den Bereich des Verwaltungsrechts entstehen somit Mehrkosten von jährlich 0,5 Millionen Franken, die mit der Errichtung des Bundesverwaltungsgerichts voraussichtlich ab ca. 2004 zum Tragen kommen.

Die Schaffung der beiden unteren Gerichte des Bundes wird zudem einmalige Kosten verursachen, die noch nicht beziffert werden können.

Insgesamt zeigt sich somit, dass die jährlichen Mehrkosten zum grössten Teil im Strafrechtsbereich anfallen. Die Ursache dafür liegt primär in den zusätzlichen Rechtspflegeaufgaben, die der Bund aufgrund der «Effizienzvorlage» erfüllen muss (Erweiterung der Bundesstrafgerichtsbarkeit, Ausdehnung der Beschwerdemöglichkeit gegen Untersuchungshandlungen). Die institutionelle Voraussetzung für die Wahrnehmung dieser Aufgaben wird mit dem neuen Bundesstrafgericht geschaffen.

Demgegenüber übernimmt der Bund im Bereich der Verwaltungsrechtspflege keine neuen Aufgaben. Die bestehenden Justizfunktionen des Bundes werden lediglich teilweise auf andere Organe verteilt. Dabei verursacht namentlich die Verlagerung der Verwaltungsrechtspflege von den verwaltungsinternen Beschwerdediensten auf das Bundesverwaltungsgericht gewisse Mehrkosten. Dieser Wechsel zu richterlichen Behörden ist aber von der Verfassung zwingend vorgeschrieben (Art. 191a Abs. 2 BV-Justizreform).

Die Mehrkosten für die unteren Gerichte des Bundes dürften teilweise kompensiert werden durch die mit dieser Vorlage bezweckte Entlastung des Bundesgerichts.

Neu übernimmt der Bundesrat vom Bundesgericht Rechtsetzungs- und Aufsichtsbefugnisse im Bereich des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts (vgl. Kommentar zu Art. 15 SchKG unter Ziff. 4.1.8) sowie die administrative Aufsicht über die Geschäftsführung der Schätzungskommissionen (vgl. Kommentar zu den Änderungen des Enteignungsgesetzes, Ziff. 4.3.6). Der Bundesverwaltung entsteht dadurch ein zusätzlicher Personalbedarf von ca. 3 Stellen.

5.1.2

Auf die Kantone

Die Kantone müssen in allen drei Rechtsbereichen (Zivilrecht, Strafrecht und Verwaltungsrecht) richterliche Behörden einsetzen. Dies ergibt sich aus Artikel 29a (Rechtsweggarantie) und Artikel 191b BV-Justizreform, die mit den vorliegenden Gesetzen umgesetzt werden.

Der Handlungsbedarf für die Kantone hält sich in Grenzen. Neues bringt die Verpflichtung zur Einsetzung richterlicher Behörden einzig für das kantonale Verwaltungsrecht. Im Zivil- und Strafrecht verfügen die Kantone bereits heute über Gerichte. Es bestehen auch in allen Kantonen Verwaltungsgerichte zur Anwendung von Bundesverwaltungsrecht (Art. 98a OG). Die Kantone müssen also keine neuen Gerichte schaffen, sondern lediglich die Zuständigkeit ihrer verwaltungsgerichtlichen Instanzen auf das kantonale Verwaltungsrecht ausdehnen, soweit sie dies nicht bereits getan haben. Gleichzeitig bringt die Vorlage aber auch eine Entlastung der kantonalen Gerichte im Bereich der internationalen Rechtshilfe. Neu ist die Beschwerde gegen erstinstanzliche kantonale Entscheide direkt an das Bundesverwal-

4473

tungsgericht möglich (Art. 25 IRSG). Die kantonalen Rekursinstanzen und mit ihnen die diesbezüglichen Kosten entfallen.

Für die durch einen allfälligen Ausbau der Verwaltungsgerichte entstehenden Kosten bestehen gewisse Kompensationsmöglichkeiten, indem die Kantone ihre verwaltungsinternen Instanzenzüge straffen können. Einsparungen könnten die Kantone auch erzielen, indem sie von der Möglichkeit Gebrauch machen, gemeinsame richterliche Behörden zu bestellen (Art. 191b Abs. 2 BV-Justizreform).

Die Schaffung des Bundesstrafgerichts wird mittel- und langfristig für die kantonalen Strafgerichte eine Entlastung und damit auch Kosteneinsparungen bringen, da Straffälle, die die «Effizienzvorlage» der Bundesstrafrechtspflege zuweist (Wirtschaftskriminalität, organisiertes Verbrechen), vermehrt durch das Bundesstrafgericht beurteilt werden.

Insgesamt dürfte sich die Vorlage für die Kantone somit kostenneutral auswirken.

5.2

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Die Gewährleistung der Rechtspflege und die Durchsetzung des Rechts mit Hilfe der Justiz sind ureigene staatliche Aufgaben, die nicht delegiert werden können. Das Funktionieren des Rechtsstaates, der Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit hängen unmittelbar von einer unabhängigen, qualitativ hochstehenden und effizienten Gerichtsbarkeit ab. Die oberste Gerichtsbarkeit des Bundes geniesst bei den Bürgerinnen und Bürgern, in der Gesellschaft und in der Wirtschaft hohes Ansehen und Vertrauen. Die vorliegenden Gesetzesentwürfe bewirken eine Optimierung des Justizsystems des Bundes und dienen damit nicht nur der gesellschaftlichen Stabilität und der Lebensqualität, sondern sichern auch einen nicht zu unterschätzenden Standortvorteil der schweizerischen Wirtschaft.

Die Vorlage führt die rechtlichen Grundlagen für den elektronischen Verkehr zwischen den Justiz- und Verwaltungsbehörden des Bundes und den Parteien in der Rechtspflege ein. Damit kommt sie einem Bedürfnis der Wirtschaft nach rascher und einfacher Kommunikation mit den Behörden entgegen und trägt den gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung.

5.3

Auswirkungen im Bereich der Informatik

Die beiden zu schaffenden unterinstanzlichen Bundesgerichte werden voraussichtlich keinen zusätzlichen Bedarf an Entwicklungen von Informatikprogrammen verursachen. Sie können auf bestehende Programme und Datenbanken des Bundesgerichts, der Rekurskommissionen und der Beschwerdedienste der Departemente zurückgreifen.

Für die Einführung des elektronischen Verkehrs benötigen die Bundesbehörden Programme für den digitalen Austausch und die Registrierung der Akten. Die Kosten für die Beschaffung oder allenfalls Entwicklung dieser Programme sowie die erforderlichen Computer können voraussichtlich aus dem allgemeinen Informatikbudget gedeckt werden. Dabei ist zu beachten, dass der Bundesrat für Verfahren nach dem

4474

Verwaltungsverfahrensgesetz während einer Übergangsfrist von zehn Jahren die Möglichkeit, Eingaben elektronisch zuzustellen, beschränken kann.

6

Legislaturplanung

Die Legislaturplanung 1999­2003 sieht vor, dass der Bundesrat im Falle der Annahme der neuen Verfassungsbestimmungen über die Reform der Justiz (Justizreform) bis Ende 2000 die Botschaften zu einem neuen Bundesgerichtsgesetz und zu einem Gesetz über die eidgenössischen richterlichen Vorinstanzen des Bundesgerichts (Bundesstrafgericht und Bundesverwaltungsgericht/e) verabschiedet. Ziel dieser Gesetzesvorlagen sei die Verbesserung des Rechtsschutzes. Dies solle durch die Einführung richterlicher Vorinstanzen auf eidgenössischer und kantonaler Ebene, den Abbau von Direktprozessen beim Bundesgericht, eine massvolle Zugangsregelung und die Einführung der Einheitsbeschwerde geschehen (Bericht über die Legislaturplanung 1999­2003, Ziel 9, R18).

7

Verhältnis zum internationalen Recht

Die Bundesrechtspflege entspricht, was die Gerichtsorganisation und die Verfahren betrifft, schon heute weitgehend den Anforderungen des internationalen und europäischen Rechts und insbesondere der EMRK. Zu diesem Ergebnis gelangten mit Bezug auf das europäische Recht die Botschaft vom 18. Mai 1992 zur Genehmigung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (BBl 1992 IV 433 ff.) und die Botschaft II vom 15. Juni 1992 über die Anpassung des Bundesrechts an das EWR-Recht (BBl 1992 V 725 ff.). Angesichts des Vorrangs und der direkten Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts hätten damals nur vereinzelte landesrechtliche Bestimmungen angepasst werden müssen.

Nach dem EU-Recht bleiben die Mitgliedstaaten in der Regelung der Gerichtsorganisation und der Verfahren grundsätzlich autonom. Immerhin hat ein Staat, der dem Sinn und Zweck des europäischen Rechts gerecht werden will, einige Verfahrensgrundsätze zu beachten, die durch die EMRK und die Praxis des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften umschrieben werden.

Die Vorlage des Bundesrates hat dem internationalen Recht, dessen Umsetzung immer mehr zu den Aufgaben des schweizerischen Richters gehört, Rechnung getragen. Die vorgeschlagenen Massnahmen sind mit den Anforderungen des europäischen Rechts vereinbar (die Botschaft weist bei der Kommentierung der einzelnen Bestimmungen auf Bezüge zum internationalen Recht hin).

Zur Klärung des Verhältnisses zwischen dem internationalen und dem innerstaatlichen Recht trägt die Einführung der Einheitsbeschwerden (Ziff. 2.3.1) bei. Künftig wird es stets möglich sein, die Verletzung internationalen Rechts mit dem ordentlichen Rechtsmittel zu rügen. Im heutigen System wird dem Rechtssuchenden die Berufung auf internationales Recht durch eine zu grosse Zahl von Rechtsmitteln und unterschiedlichen Vorschriften erschwert. Die neuen Einheitsbeschwerden werden die Transparenz des Verfahrensrechts merklich verbessern und damit eine Forderung des europäischen Rechts erfüllen.

4475

Der Ausbau der gerichtlichen Vorinstanzen auf eidgenössischer und kantonaler Ebene (2.2.1) und die weitgehende Abschaffung der Rechtsprechungskompetenzen des Bundesrates (Ziff. 2.3.2) haben zur Folge, dass das in Artikel 6 EMRK umschriebene Recht, ein unabhängiges Gericht anzurufen, gewährleistet sein wird. Eine umfassende gerichtliche Prüfung wird auch in den Fällen sichergestellt sein, in denen sich heute die staatsrechtliche Beschwerde als ungenügend erweist (BGE 120 Ia 30; vgl.

auch BBl 1992 IV 436 f.).

Mit der Übertragung der Aufgaben des heutigen Bundesstrafgerichts in der Bundesstrafrechtspflege auf ein erstinstanzliches Bundesstrafgericht und der Beschwerdemöglichkeit an das Bundesgericht wird der von Artikel 2 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK und Artikel 14 Absatz 5 UNO-Pakt II verlangte doppelte Instanzenzug verwirklicht. Der Vorbehalt der Schweiz zu Artikel 14 Absatz 5 UNO-Pakt II wird damit hinfällig.

8

Verfassungsmässigkeit

Das Bundesgerichtsgesetz (BGG) stützt sich auf Artikel 188­191c der Bundesverfassung gemäss BV-Justizreform. Die Auswirkungen der einzelnen Bestimmungen der Justizreform im Hinblick auf die Totalrevision der Bundesrechtspflege werden unter Ziff. 1.3 einlässlich dargelegt.

Die Verfassungsgrundlage für das Strafgerichtsgesetz (SGG) ist mit Artikel 191a Absatz 1 der Bundesverfassung gemäss BV-Justizreform gegeben.

Das Verwaltungsgerichtsgesetz (VGG) stützt sich auf Artikel 191a Absatz 2 und 3 der Bundesverfassung gemäss BV-Justizreform. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich für seine Haupttätigkeit, die Beurteilung von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten aus dem Zuständigkeitsbereich der Bundesverwaltung, auf Artikel 191a Absatz 2 BV und für die vereinzelten Entscheidungen von Beschwerden gegen kantonale Entscheide auf Artikel 191a Absatz 3 BV berufen.

Für die Verfassungsmässigkeit des Bundesbeschlusses über das Inkrafttreten der Justizreform vom 12. März 2000 kann auf die Ausführungen unter Ziff. 1.3.2 verwiesen werden.

4476

Abkürzungsverzeichnis AB

Amtliches Bulletin der Bundesversammlung

Abs.

Absatz

aBV

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874

AHV

Alters- und Hinterlassenenversicherung

AHVG

Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (SR 831.10)

AHVV

Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (SR 831.101)

ANAG

Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (SR 142.20)

Art.

Artikel

AS

Amtliche Sammlung des Bundesrechts

AsylG

Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (SR 142.31)

ATSG

Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (BBl 2000 5041)

BGBM

Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den Binnenmarkt (Binnenmarktgesetz, SR 943.02)

BBl

Bundesblatt der Eidgenossenschaft

BGE

Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts (Amtliche Sammlung)

BGG

Bundesgesetz über das Bundesgericht

BPG

Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000 (BBl 2000 2208)

BPR

Bundesgesetz vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte (SR 161.1)

Bst.

Buchstabe

BStP

Bundesgesetz vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege (SR 312.0)

BV

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR 101)

BV-Justizreform

Bundesbeschluss vom 8. Oktober 1999 über die Reform der Justiz (BBl 1999 8633)

BVG

Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (SR 831.40)

BZP

Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess (SR 273)

4477

E-BGG

Entwurf der Expertenkommission vom 18. Juni 1997 für ein Bundesgesetz über das Bundesgericht (Vernehmlassungsentwurf)

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EJPD

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

EMRK

Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention, SR 0.101)

EVG

Eidgenössisches Versicherungsgericht

GVG

Bundesgesetz vom 23. März 1962 über den Geschäftsverkehr der Bundesversammlung sowie über die Form, die Bekanntmachung und das Inkrafttreten ihrer Erlasse (Geschäftsverkehrsgesetz, SR 171.11)

IPRG

Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (SR 291)

KVG

Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (SR 832.10)

LwG

Bundesgesetz vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, SR 910.1)

MStG

Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (SR 321.0)

MStP

Militärstrafprozess vom 23. März 1979 (SR 322.1)

OG

Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz, SR 173.110)

OHG

Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, SR 312.5)

OR

Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht, SR 220)

RVOG

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21.

März 1997 (SR 172.010)

SchKG

Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1)

SGG

Bundesgesetz über das Bundesstrafgericht

SR

Systematische Sammlung des Bundesrechts

StGB

Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0)

UNO-Pakt II

Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über die bürgerlichen und politischen Rechte (SR 0.103.2)

UVG

Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (SR 832.20)

4478

VE 96

Verfassungsentwurf 1996 (BBl 1997 I 589)

VGG

Bundesgesetz über das Bundesverwaltungsgericht

VOARK

Verordnung vom 11. August 1999 über die Schweizerische Asylrekurskommission (SR 142.317)

VRSK

Verordnung vom 3. Februar 1993 über Organisation und Verfahren eidgenössischer Rekurs- und Schiedskommissionen (SR 173.31)

VStrR

Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (SR 313.0)

VwVG

Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (SR 172.021)

WTO

World Trade Organization, Welthandelsorganisation

ZertDV

Verordnung vom 12. April 2000 über Dienste der elektronischen Zertifizierung (SR 784.103)

Ziff.

Ziffer

ZGB

Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (SR 210)

4479