Bundesgesetz über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten und vermissten Personen

Entwurf

(DNA-Profil Gesetz) vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 119 und 123 Absatz 1 der Bundesverfassung, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 8. November 2000 1, beschliesst:

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Art. 1 1

Gegenstand und Zweck

Dieses Gesetz regelt, unter welchen Voraussetzungen DNA-Profile: a.

im Strafverfahren verwendet; und

b.

in einem Informationssystem des Bundes bearbeitet werden.

2

Es bezweckt insbesondere die Verbesserung der Effizienz der Strafverfolgung. Mit Hilfe des Vergleichs von DNA-Profilen sollen: a.

verdächtige Personen identifiziert und weitere Personen vom Tatverdacht entlastet werden;

b.

durch systematische Auswertung biologischer Spuren Tatzusammenhänge, und damit insbesondere organisiert operierende Tätergruppen sowie Serienund Wiederholungstäter rascher erkannt werden;

c.

die Beweisführung im Strafverfahren unterstützt werden; und

d.

Rechtshilfe und polizeiliche Amtshilfe geleistet werden.

3

Das Gesetz regelt ausserdem die Identifizierung von unbekannten, vermissten oder toten Personen ausserhalb des Strafverfahrens mit Hilfe des Vergleichs von DNAProfilen.

Art. 2

DNA-Profil und Verwendungszweck

1

Das DNA-Profil ist die für ein Individuum spezifische Buchstaben- Zahlenkombination, die mit Hilfe molekularbiologischer Techniken aus den nicht-codierenden Abschnitten der Erbsubstanz DNA gewonnen wird.

2 Bei der DNA-Analyse darf weder nach dem Gesundheitszustand, noch nach anderen persönlichen Eigenschaften mit Ausnahme des Geschlechtes der betroffenen 1

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BBl 2001 29 2000-1571

DNA-Profil Gesetz

Person geforscht werden. Ausnahmsweise können für die Aufklärung von Verbrechen auch codierende Abschnitte der DNA untersucht werden, wenn dies zur Identifizierung der Täterschaft oder zur Beweisführung erforderlich ist.

3

Das DNA-Profil, das zugrundeliegende Analysematerial und die weiteren genetischen Daten dürfen zu keinen anderen als den in diesem Gesetz vorgesehenen Zwecken verwendet werden.

2. Abschnitt: Probenahme und DNA-Analyse Art. 3

Probenahme und DNA-Analyse im Strafverfahren

1

Zur Aufklärung eines Verbrechens oder eines Vergehens kann folgenden Personen (betroffene Personen) eine Probe, zum Beispiel ein Wangenschleimhautabstrich (WSA), zum Zweck der DNA-Analyse genommen werden:

2

a.

verdächtigen Personen;

b.

anderen Personen, insbesondere Opfern und Tatortberechtigten; soweit dies zur Unterscheidung ihrer Spuren von den Spuren verdächtiger Personen dient;

c.

einem Kreis von Personen, die wesentliche Tätermerkmale aufweisen, um sie im Rahmen der Fahndung als mögliche Täter zu erkennen oder auszuschliessen (Massenuntersuchung).

Auf die Analyse der Probe kann verzichtet werden, wenn: a.

die betroffene Person mit anderen Mitteln identifiziert wird; oder

b.

noch nicht feststeht, dass die Voraussetzungen für die Aufnahme des DNAProfils in das Informationssystem (Art. 11) erfüllt sind.

Art. 4

Spurenerhebung und Probenahme bei toten Personen

Aus tatrelevantem biologischen Material (Spuren) und aus Proben toter Personen wird ein DNA-Profil erstellt, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dies der Abklärung eines Verbrechens oder eines Vergehens dienen kann.

Art. 5

Probenahme im Strafvollzug

Von Personen, an denen eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr vollzogen wird, kann eine Probe genommen und ein DNA-Profil erstellt werden.

59

DNA-Profil Gesetz

Art. 6

Identifizierung ausserhalb von Strafverfahren

1

Ausserhalb des Strafverfahrens kann ein DNA-Profil erstellt werden von Personen, die: a.

nicht auf anderem Weg identifizierbar sind; und

b.

über ihre Identität nicht Auskunft geben können.

2

Von diesen Personen können auch biologische Materialien analysiert werden, wenn dies der Identifizierung dienen kann.

3

Für eine spätere Identifizierung kann biologisches Material von vermissten Personen analysiert werden.

4 Von Verwandten der zu identifizierenden Personen können DNA-Profile für Vergleichszwecke erstellt werden, wenn sie der Erstellung zustimmen.

Art. 7

Anordnende Behörden

1

Polizei, Strafuntersuchungsbehörden und Strafgerichte (anordnende Behörden) können anordnen: a.

im Einzelfall die nichtinvasive Probenahme bei Personen (Art. 3 Abs. 1 Bst.

a und b, Art. 5);

b.

die Analyse von Spuren (Art. 4).

2

Verweigert die betroffene Person die durch die Polizei angeordnete Probenahme, so muss die Strafuntersuchungsbehörde die Anordnung bestätigen.

3

Strafuntersuchungsbehörden und Strafgerichte entscheiden über: a.

die Durchführung der Analyse von Proben, die einer Person genommen wurden (Art. 3 Abs. 1 Bst. a und b, Art. 5);

b.

die Massenuntersuchung (Art. 3 Abs. 1 Bst. c);

c.

die invasive Probeentnahme; sowie

d.

die Erhebung weiterer genetischer Daten (Art. 2 Abs. 2 zweiter Satz).

4

Ist für die Identifizierung nach Artikel 6 eine andere Untersuchungsbehörde zuständig, so kann auch diese Probenahme und DNA-Analyse anordnen.

3. Abschnitt: Organisation der DNA-Analyse Art. 8

DNA-Analyse

1

Die anordnende Behörde lässt die Analyse nach diesem Gesetz von einem Labor durchführen, das vom zuständigen Departement2 (Departement) anerkannt ist.

2

60

Zur Zeit das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement.

DNA-Profil Gesetz

2 Die

Probe wird mit einer Prozesskontrollnummer (PCN) anonymisiert, die auch für die Personalien und für die anderen erkennungsdienstlichen Daten (Fotos, Fingerabdrücke) verwendet wird.

3

Dem Labor werden zusammen mit der Probe nur diejenigen Daten bekanntgegeben, die es für die Erstellung des DNA-Profils und die Beurteilung von dessen Beweiswert benötigt, namentlich Angaben über Rassenzugehörigkeit der betroffenen Person, Tatort und Fundort von Spuren.

Art. 9

Vernichtung der Proben

1

Die anordnende Behörde veranlasst die Vernichtung der Probe, die einer Person genommen wurde: a.

wenn bereits ein DNA-Profil der betroffenen Person erstellt worden ist;

b.

drei Monate nach der Probenahme, wenn sie keine Analyse veranlasst hat;

c.

wenn die betroffene Person als Täter ausgeschlossen werden konnte;

d.

nach der Identifizierung der Person in den Fällen von Artikel 6.

2

Das Labor vernichtet die einer Person genommene Probe sobald sie für den Vergleich des daraus erstellten DNA-Profils mit anderen DNA-Profilen nicht mehr benötigt wird.

4. Abschnitt: DNA-Profil-Informationssystem Art. 10

Grundsatz

Der Bund betreibt ein DNA-Profil-Informationssystem (Informationssystem), das den Vergleich von DNA-Profilen ermöglicht.

Art. 11

Aufnahme in das Informationssystem

1

In das Informationssystem werden die DNA-Profile aufgenommen, die in den Fällen der Artikel 3 - 5 erstellt worden sind, von:

2

a.

Personen, die als Täter oder Teilnehmer eines Verbrechens oder Vergehens verdächtigt werden;

b.

Personen im Strafvollzug, wenn ihr DNA-Profil noch nicht im Informationssystem aufgenommen ist;

c.

Spuren.

In das Informationssystem aufgenommen werden zudem die DNA-Profile von: a.

nicht identifizierten lebenden und toten Personen (Art. 6);

b.

biologischen Materialien, die vermissten Personen zugeordnet werden können (Art. 6 Abs. 3);

c.

Verwandten von toten oder vermissten Personen, die ausserhalb des Strafverfahrens zu identfizieren sind (Art. 6 Abs. 4).

61

DNA-Profil Gesetz

3 Ausserdem werden in das Informationssystem die DNA-Profile aufgenommen, die im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit aus dem Ausland übermittelt und in schweizerischen Verfahren benötigt werden (Art. 13).

4

Nicht in das Informationssystem aufgenommen werden die DNA-Profile von: a.

identifizierten Opfern (Art. 3 Abs. 1 Bst. b);

b.

tatortberechtigten Personen, deren Spuren von Täterspuren unterschieden werden müssen (Art. 3 Abs. 1 Bst. b);

c.

Personen, die in einer Massenuntersuchung als Täter ausgeschlossen worden sind (Art. 3 Abs. 1 Bst. c).

Art. 12

Verantwortliche Bundesbehörde

1

Der Bundesrat bezeichnet das Bundesamt, das im Sinne des Bundesgesetzes vom 19. Juni 19923 über den Datenschutz für das Informationssystem verantwortlich ist (Bundesamt).

2 Die anerkannten Labors können online an das Informationssystem angeschlossen werden. Das Departement entscheidet über den Anschluss.

Art. 13

Internationale Zusammenarbeit

1

Das Bundesamt kann im Rahmen der Interpol-Zusammenarbeit nach den Artikeln 351ter und 351quinquies des Strafgesetzbuches4 (StGB) ausländische Ersuchen um Überprüfung der DNA-Profile vermitteln und schweizerische Gesuche stellen.

2

Die internationale Zusammenarbeit setzt voraus, dass die Bedingungen für die Probenahme nach diesem Gesetz erfüllt sind und die Vergleichbarkeit der DNAProfile gesichert ist.

5. Abschnitt: Bearbeitung weiterer Daten Art. 14 1

Die anordnende Behörde teilt dem Bundesamt die bekannten Personalien sowie Tatort- und Fundortangaben mit (weitere Daten).

2 Das Bundesamt bearbeitet diese weiteren Daten in einem vom DNA-ProfilInformationssystem getrennten Informationssystem.

3 Die DNA-Profile werden mittels der Prozesskontrollnummer mit den weiteren Daten verknüpft. Diese Verknüpfung darf nur vom Bundesamt vorgenommen werden.

3 4

62

SR 235.1 SR 311.0

DNA-Profil Gesetz

6. Abschnitt: Datenschutz Art. 15

Recht auf Auskunft

1

Das Auskunftsrecht sowie die Verweigerung, die Einschränkung oder das Aufschieben der Auskunft richten sich nach den Artikeln 8 und 9 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 5 über den Datenschutz.

2

Die anordnende Behörde informiert die betroffene Person über die Aufnahme ihres DNA-Profils in das Informationssystem, über ihre Auskunftsrechte und über die Voraussetzungen der Löschung.

Art. 16

Löschung der DNA-Profile

1

Das Bundesamt löscht die DNA-Profile, die nach den Artikeln 3 und 5 von Personen erstellt worden sind: a.

auf Verlangen der anordnenden Behörde; diese muss die Löschung verlangen, sobald die betroffene Person im Verlaufe des Verfahrens als Täter ausgeschlossen werden kann;

b.

nach dem Tod der betroffenen Person;

c.

nach 30 Jahren mit Zustimmung der anordnenden Behörde; diese kann die Zustimmung verweigern, wenn die betroffene Person in der Zwischenzeit wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens verurteilt wurde.

2

Das Bundesamt löscht die DNA-Profile, die nach Artikel 4 aus Spuren erstellt worden sind: a.

auf Verlangen der anordnenden Behörde; diese verlangt die Löschung, sobald Spuren einer Person zugeordnet werden können, die als Täter ausgeschlossen worden ist;

b.

nach 30 Jahren, ausgenommen von Spuren unverjährbarer Straftaten.

3

DNA-Profile, die nach Artikel 6 ausserhalb von Strafverfahren erstellt worden sind, werden gelöscht, sobald die betroffene Person identifiziert ist, in jedem Fall aber nach 50 Jahren.

Art. 17 1

5

Löschung des DNA-Profils auf Gesuch

Das Bundesamt löscht das DNA-Profil auf Gesuch der betroffenen Person: a.

sobald das betreffende Verfahren mit einem Freispruch abgeschlossen worden ist;

b.

1 Jahr nach der Einstellung des Verfahrens;

c.

5 Jahre nach Ablauf der Probezeit bei bedingtem Strafvollzug;

d.

5 Jahre nach der Zahlung einer Geldstrafe oder nach der Beendigung einer gemeinnützigen Arbeit;

SR 235.1

63

DNA-Profil Gesetz

e.

20 Jahre nach der Entlassung aus einer Freiheitsstrafe oder Verwahrung oder nach dem Vollzug einer therapeutischen Massnahme.

2

In den Fällen nach Absatz 1 Buchstaben a und b wird das DNA-Profil nicht gelöscht, wenn der Freispruch oder die Verfahrenseinstellung wegen Schuldunfähigkeit des Täters erfolgte.

3 In den Fällen nach Absatz 1 Buchstaben c - e wird die Zustimmung der auftraggebenden Behörde eingeholt. Diese kann die Zustimmung verweigern, wenn der konkrete Verdacht auf ein nicht verjährtes Verbrechen oder Vergehen nicht behoben ist oder eine Wiederholungstat befürchtet wird. Auf die Einholung der Zustimmung einer ausländischen Behörde kann verzichtet werden.

7. Abschnitt: Finanzierung Art. 18 1

Der Bund trägt die Kosten der Einrichtung und des Betriebs des Informationssystems.

2

Die anordnende Behörde trägt die Kosten der Probeerhebung und ­übermittlung sowie der Analysen und der Auswertung.

8. Abschnitt: Art. 19

Schlussbestimmungen Vollzug in den Kantonen

Die Kantone sorgen für den Vollzug des Gesetzes in ihrem Bereich.

Art. 20

Vollzug beim Bund

Der Bundesrat erlässt die Vollzugsbestimmungen, in denen er insbesondere regelt:

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a.

die Datenbearbeitung nach diesem Gesetz; insbesondere die Eingabe von Daten in das Informationssystem;

b.

die Einzelheiten der Identifizierung unbekannter lebender oder toter sowie vermisster Personen;

c.

die Organisation und die Abläufe der Erstellung von DNA-Profilen;

d.

die Preise der DNA-Analysen;

e.

die Voraussetzungen und das Verfahren für die Anerkennung der Labors;

f.

die Mitteilung des Verfahrensabschlusses an das Bundesamt;

g.

die Aufnahme von im Ausland erstellten DNA-Profilen.

DNA-Profil Gesetz

Art. 21

Übergangsbestimmungen

1

Das Gesetz findet auch Anwendung auf die gestützt auf die Verordnung vom 31. Mai 20006 über das DNA-Profil-Informationssystem (EDNA-Verordnung) bereits im Informationssystem aufgenommenen DNA-Profile.

2

Die provisorische Anerkennung der Labors nach Artikel 20 der EDNA-Verordnung behält ihre Gültigkeit bis zum 31. Dezember 2004.

Art. 22

Referendum und Inkrafttreten

1

Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2

Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

2368

6

SR 361.1

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