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Bundesraths beschluß über

den Rekurs des Georg Falletto aus Bairo (Turin), in Plainpalais (Genf), betreffend den Entzug des Wirthschaftspatentes.

(Vom 28. Oktober 1892.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r ath hat in Sachen des Rekurses von Georg F a l l e t t o aus Bairo (Turin),, wohnhaft chemin du Diorama, 8, in Plainpalais, gegen eine Schlußnahme des Staatsrathes des Kantons Genf, vom 9. August 1892, betreffend Entzug des Wirthschaftspatentes ; auf den Berieht des Justiz- und Polizeidepartements und nach Feststellung folgender aktenmäßiger Sachverhältnisse: I.

Mittelst Verfügung vom 9. August 1892 hat der Staatsrath des Kantons Genf, gestützt auf den ungünstigen Berieht des Untersuchungskommissärs, in Bestätigung einer Verfügung des kantonalen Justiz- und Polizeidepartements, vom 22. Juli 1892, die Schließung der Wirthschaft ,,des Marronniers (zum Kastanienbaum)", chemin du Diorama, 8, in Plainpalais angeordnet.

II.

Gegen diesen Entscheid der Genfer Regierung rekurrirte Georges Falletto, Inhaber des Café ,,des Marronniers", mit Eingabe vom 13. August 1892 an den Bundesrath. Er behauptet, die fraglich»

552 Wirthschaft in polizeilicher und sittlicher Hinsicht stets so betrieben zu haben, daß ihm von keiner Seite mit Grund ein Vorwurf gemacht werden könne. Der Bekurrent wünscht, daß der polizeiamtliche Rapport des Agenten Miguet in Plainpalais, gestutzt auf welchen die Schließung der Wirthschaft verfügt worden ist, auf seine Richtigkeit geprüft werde. Der genannte Agent sei über Fallelto erzürnt, weil Letzterer ihm nicht gratis zu trinken gegeben und ihn an angebührlichen Handlungen gegenüber der Kellnerin verhindert habe.

III.

Der Staatsrath des Kantons Genf führt in seiner Vernehmlassung vom 14. September 1892 aus, daß seit dem Uebergang des ,,Café des Marronniers" auf Pallette (im Juli 1891) zahlreiche Klagen wegen Skandals und Ruhestörung aus der Nachbarschaft eingelangt seien, und daß der Polizeiagent Miguet am 19. Juli abhin in einem von Ffllletto vermietheten Zimmer mehrere italienische Arbeiter mit der Kellnerin Bovagne angetroffen und konstatirt hat, daß notorische Dirnen in denselben Räumlichkeiten ihr unsittliches Gewerbe ausübten.

Der bezügliche Bericht wurde der Gemeindebehörde von Plainpalais übermittelt, welche hierauf das Begehren stellte, es möchte Angesichts der vielen bei ihr eingelaufenen Klagen die Wirthschaft Falletto unverzüglich geschlossen werden. Am 22. Juli verfügte das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons Genf die Schließung des ,,Café des Marronniers". Der von Falletto hiegegen an den Staatsrath gerichtete Rekurs enthielt schwere Anklagen gegen den Polizeiagenten Miguet, weßlialb der Polizeifeldweibel Winkler mit einer einläßlichen Untersuchung über die ganze Angelegenheit beauftragt wurde. In dem von diesem Beamten erstatteten Bericht werden die Anschuldigungen gegen Falletto betreffend 'die Führung seiner Wirthschaft sowohl in sittlicher als auch in polizeilicher Hinsicht bestätigt und verstärkt. Was die Anklage Falletto's gegen den Polizeiagenten Miguet bezüglich dessen Zumuthungen gegenüber der Kellnerin Bovagne betrifft, hat Falletto vor dem Feldweibel Winkler zwar seine Behauptung aufrecht erhalten, jedoch beigefügt, daß Miguet möglicherweise nur habe Spaß machen wollen. Eine Einvernahme der betreffenden Kellnerin selbst war nicht möglich, ·weil dieselbe gegenwärtig in Vivis sich aufhalten soll.

IV.

Mit Eingabe, d. d. Genf, 12. d. Mts., beschwert sich H. Lontenier, Eigenthümer des ,,Café des Marronniers* in Plainpalais, beim Bundesrath darüber, daß er tagtäglich lebensgefährlichen Drohungen Seitens

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des Georges Falletto ausgesetzt sei, weil dieser hinter ihm den Urheber der von den Genfer Behörden getroffenen Maßregel vermuthe.

Diese Beschwerde ist dem Staatsrath von Genf zu geeignet scheinender Behandlung übermittelt worden; in Erwägung: Es ist als durch polizeiamtlichen Rapport festgestellt zu befrachten, daß der Rekurrent die zur richtigen Führung einer Wirth-schaft erforderlichen Garantien für Handhabung guter Ordnung und Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften nicht bietet. Die von den Genfer Behörden angeordnete Schließung der Wirthschaft ,,des .Marronniers" in Plainpalais steht daher, wie sie nach kantonalem Recht begründet erscheint, so auch mit dem Bundesrechte im Einklang, beschlossen : 1. Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

2. Kenntnißgabe an die Regierung von Genf und an den Rekurrenten.

B e r n , den 28. Oktober 1892.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Häuser.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Bundesblatt. 44. Jahrg. Bd. V.

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Bundesrathsbeschluß über den Rekurs des Georg Falletto aus Bairo (Turin), in Plainpalais (Genf), betreffend den Entzug des Wirthschaftspatentes. (Vom 28. Oktober 1892.)

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07.12.1892

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