zu 01.419 Parlamentarische Initiative Bundesgesetz über Sondermassnahmen für Umschulungen und Weiterbildung in den Berufen der Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT-Umschulungsgesetz) Bericht vom 26. April 2001 der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 30. Mai 2001

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, zum Bericht vom 26. April 2001 der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates betreffend das Bundesgesetz über Sondermassnahmen für Umschulungen und Weiterbildung in den Berufen der Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT-Umschulungsgesetz) nehmen wir nach Artikel 21quater Absatz 4 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

30. Mai 2001

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates

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Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2001-0977

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Mit Bericht vom 26. April 2001 schlägt die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates den Erlass eines Bundesgesetzes über Sondermassnahmen für Umschulungen und Weiterbildung in den Berufen der Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT-Umschulungsgesetz) vor. Dieses Gesetz soll Erwachsenen den Einstieg in Berufe der Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen.

Der Entwurf schlägt eine nachfrageorientierte Subventionierung vor. Demnach sollen an Personen, die eine Zweitbildung durchlaufen wollen, um in der Informatikund Kommunikationsbranche Fuss zu fassen, Bildungsgutscheine abgegeben werden; diese können sie bei Institutionen einlösen, welche dem Bedarf der Wirtschaft entsprechende Bildungsangebote machen. Das befristete Bundesgesetz soll bis zwei Jahre nach Inkrafttreten des neuen Berufsbildungsgesetzes (Inkraftsetzung: voraussichtlich 2003) gelten. Der begleitende Finanzierungsbeschluss sieht einen Gesamtkredit von 100 Millionen Franken vor.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat ist sich der Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologien für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung bewusst. Er beobachtet auch mit grosser Aufmerksamkeit die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, die Anzeichen von Engpässen bei qualifizierten Arbeitskräften erkennen lassen. Diese Tendenz betrifft aber nicht nur die Informations- und Kommunikationssektoren, sondern auch andere Branchen wie die Maschinenindustrie, die Papierindustrie oder die Fahrzeugindustrie. Wie die Zahlen der Konjunkturforschungsstelle der ETHZ (KOF/ETHZ) weiter zeigen, ist die gegenwärtige Situation nicht besorgniserregend; sie entspricht dem günstigen Umfeld, wie man es auch in früheren vergleichbaren konjunkturellen Lagen kannte.

Der Bundesrat hat Verständnis für Massnahmen, die in zukunftsträchtigen Wirtschaftszweigen den Abbau von Hürden zum Ziel haben. Die vorgeschlagene Stossrichtung würde auf Grundlage eines Bedürfnisnachweises mittels zeitlich limitierten, nachfrageorientierten Beihilfen Neuland in der staatlichen Förderpolitik betreten.

Mehrere Gründe bewegen jedoch den Bundesrat dazu, sich gegen den Gesetzesentwurf auszusprechen: ­

Gemäss Bericht haben sich verschiedene der von der Kommission angehörten Experten klar gegen besondere Massnahmen zur Behebung des Fachkräftemangels im ICT-Bereich ausgesprochen.

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Im Bericht wird der vermutete ausserordentliche Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in der Informatik- und Kommunikationsbranche nicht überzeugend nachgewiesen. Schon allein der Begriff «Informatiker» ist nicht leicht einzugrenzen. Um so schwieriger ist es, den da und dort festgestellten Mangel an Fachkräften für den ganzen Bereich der ICT festzustellen. Wie

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eingangs erwähnt, ist auch in anderen Branchen von Nachwuchsproblemen die Rede. Im Informations- und Kommunikationsbereich war zudem gerade in den letzten Monaten die Entwicklung uneinheitlich. Der allgemeine Branchenboom der letzten Jahre ist einer verhaltenen und differenzierten Einschätzung der weiteren Entwicklung im ICT-Bereich gewichen. Durch Unternehmensschliessungen und -fusionen wurden viele Fachleute frei gesetzt.

Erfreulicherweise konnten aber die betroffenen Personen in der Regel rasch wieder eine Tätigkeit in andern Firmen aufnehmen.

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Die Verantwortung für die Bereitstellung eines genügenden beruflichen Nachwuchses liegt in erster Linie bei der Wirtschaft selbst. Dem Staat obliegt es, die Rahmenbedingungen optimal zu gestalten. Der Entwurf zum neuen Berufsbildungsgesetz, welcher vom Parlament gegenwärtig behandelt wird, zeigt, dass der Bundesrat gewillt ist, dieser Aufgabe nachzukommen.

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Schätzungen des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie (BBT) gehen davon aus, dass unser Bildungssystem der Wirtschaft bis 2003/2004 genügend beruflichen Nachwuchs zukommen lassen wird.

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Diese Haltung hat der Bundesrat in einer Reihe von Antworten auf Vorstösse aus dem Parlament bekräftigt; überdies hat er ausführlich die Massnahmen dargestellt, die zur Behebung des Fachkräftemangels in der ICT-Branche bereits getroffen wurden (Basislehrjahr Informatik, Informatikmittelschulen, Neuregelung der Berufs- und höheren Fachprüfungen im Informatikbereich, Entwicklung der Fachhochschulen und der höheren Fachschulen, Praxislehrgänge für Inhaberinnen und Inhaber gymnasialer Maturitäten, Neuordnung der Informatikberufe): ­ 00.3159 Ip. Pfister Theophil Ausbildung von Informatikspezialisten ­ 00.3025 Ip. Sozialdemokratische Fraktion Akuter Mangel an Informatikpersonal ­ 00.3005 Mo. Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen NR (99.450) Umschulungsoffensive Informatik ­ 00.411 Pa.Iv. Theiler Georges Informatikausbildung. Nationales Programm ­ 00.410 Pa.Iv. Strahm Rudolf Informatik- und Hightech-Berufe. Weiterbildungsoffensive ­ 00.409 Pa.Iv. Simoneschi Chiara Weiterbildungsoffensive im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie.

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Nebst den Massnahmen zur Verbesserung des Lehrstellenmarktes, zum Brückenschlag zum neuen Berufsbildungsgesetz und zur Verbesserung der Zugangschancen Jugendlicher mit nachteiligen Ausgangslagen werden im Rahmen des Lehrstellenbeschlusses II Projekte zur tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter und zum Erschliessen von Ausbildungsmöglichkeiten in Informatik- und informatiknahen Berufen unterstützt: ­ Für die Erschliessung von Informatik-Ausbildungsmöglichkeiten wurden bisher für 38 Projekte 22,4 Millionen Franken zugesichert; damit werden unterstützt die Erweiterung der Basislehrjahre, die Errichtung von Project-Learning-Centers und von Informatik-Mittelschulen, die Reform der Informatikausbildungen (insbesondere die Modularisierung 5667

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und inhaltliche Neugestaltung) sowie das Lehrstellenmarketing und PRund Motivationskampagnen für den ICT-Bereich.

Für 33 Projekte zur Förderung der Gleichstellung von Frauen wurden bisher 8,2 Millionen Franken zugesichert; dazu gehören frauenexklusive Massnahmen (z.B. Mädchenklassen Informatik), Informations- und Motivationsmaterialien, Berufswahlunterlagen, Coaching- und Beratungsangebote für Lehrfrauen, Lehrmeister/-innen, Eltern und Lehrkräfte, Vernetzungs- und Informationsmassnahmen für Projekte Leitende.

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Bereits in ihrem Bericht vom 14. August 2000 hat die Kommission des Ständerates für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-SR) zu einer Motion der Kommission des Nationalrates für Verkehr und Fernmeldewesen (00.3005, Umschulungsoffensive Informatik) festgehalten, dass eine Umschulungsoffensive nicht mehr zeitgemäss sei. Insbesondere bezweifelt sie, dass genügend geeignete Personen zu finden sind, die sich umschulen lassen wollen; notwendig seien vielmehr vielfältige, kundenorientierte Angebote mit einem modularen Ansatz, wie sie von den ETH und Fachhochschulen vermehrt angeboten würden.

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Der Bundesrat hat in den vergangenen Monaten wiederholt betont, dass er sich gegenwärtig nicht auf neue Ausgaben verpflichten lassen will, wenn sie nicht von vordringlicher Bedeutung sind. Damit soll verhindert werden, dass die verbesserte Finanzlage des Bundes durch die vielfältigen hängigen Forderungen im Ausgabenbereich wieder bedroht wird. Angesichts der bereits getroffenen Massnahmen zu Gunsten der ICT-Branche erachtet der Bundesrat das vorgeschlagene Gesetz nicht als vordringlich.

Der Entwurf zum ICT-Umschulungsgesetz weist redaktionelle Mängel auf. Sollte das Parlament dem vorliegenden Antrag des Bundesrates nicht folgen, wären diese Mängel von den Redaktionskommissionen des Parlamentes in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Justiz und der Bundeskanzlei zu beheben.

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